Ausgabe 9 | 2010
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Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure
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»» I N T R O Hinein ins Nass „Steter Tropfen höhlt den Stein“, heißt es ja so schön im Volksmund. Der alte Spruch verdeutlicht zwei Eigenschaften des Wassers ganz besonders: Zum einen den ewigen, sich selbst erneuernden Kreislauf des irdischen H2OSystems und zum anderen die ungeheure Kraft, die das flüssige Element mit sich bringt. Denkt man an die gigantischen Dimensionen, in denen Wasser innerhalb der Erdatmosphäre als aufsteigender Wasserdampf und niedergehender Regen zirkuliert, wird einem dieser perfekte Träger dauerhaft nutzbarer Energie mehr als deutlich.
»» W A S S E R K R A F T
Wasser marsch und Strom im Fluss ! Regenerativ mit hohem Wirkungsgrad – Wasserkraft ist eine unendliche, umweltfreundliche und effektive Art der Stromerzeugung fachsten Vorformen von Lebewesen entwickelten.
fast 70 Prozent aus Wasser und trinken im Laufe unseres Lebens bis zu 65.000 Liter. Wasser ist das wichtigste Lösungsmittel auf unserem Planeten – im Kleinen wie im Großen. Es transportiert alles Lebensnotwendige sowohl durch Pflanzen, Tiere und unseren Körper, als auch durch Ozeane, Flüsse und Seen. Zudem ist H2O die einzige chemische Verbindung auf der Erde, die in der Natur in allen drei Aggregatzuständen vorkommt – flüssig als Wasser, fest als Eis sowie »» weiter S. 2
Bis zur heutigen Vielfalt der Evolution hat sich das Leben in ganz erstaunlicher Weise dem Wundermolekül aus Wasserstoff und Sauerstoff angepasst. 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser gibt es auf der Erde, nur 3,5 Prozent davon sind Süßwasser. Diese Wassermassen bergen auch ein riesiges Energiepotenzial, das sich durch verschiedene Methoden nutzen lässt. Selbst wir Menschen bestehen zu
»» K R A F T W E R K S M O D E L L E Tests im kleinen Maßstab Große Lösungen im kleinen Maßstab: Für am Nil geplante Wasserkraftwerke baut die Versuchsanstalt für Wasserbau in Obernach Modelle, an denen mit hydraulischen Versuchen die Wirkung der enormen Kräfte im Testbetrieb erprobt wird. »» weiter S. 3 + 4
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Die Erde wird nicht ohne Grund der „blaue Planet“ genannt. Blicken Astronauten aus dem All auf die Erdoberfläche, erkennen sie schnell, dass mehr als zwei Drittel von Wasser bedeckt sind. Und das schimmert in einem strahlenden Blauton. Wasser verpasst unserem Heimatplaneten aber nicht nur einen faszinierenden Anstrich, es war schon vor Milliarden von Jahren der Quell allen Lebens, als sich in den Ur-Ozeanen die ersten organischen Moleküle und daraus wiederum die ein-
Thema: Wasserkraft
Wasserkraftwerke schalten sich genau in diesen Kreislauf ein und gewinnen auf schadstofffreie Weise Energie. Möglich wird die Nutzung der Wasserkraft durch Höhendifferenz, denn jeder noch so kleine Bach will irgendwann zum Meer. Alles abfließende Wasser enthält dabei zwei Formen von Energie, die sich nutzen lassen: Im Fließen steckt kinetische Energie, im Hinunterdonnern aus großen Fallhöhen potenzielle Energie. Wer genau wissen will, wie’s läuft mit dem Wasser und der liquiden, regenerativen Zukunft, der sollte in ein Ingenieurstudium eintauchen und so viel Energie wie möglich ziehen, aus dem faszinierenden, feuchten Element. //
»» T U R B I N E N Effektiv Strom abschöpfen Wasserkraftwerke haben einen hohen Wirkungsgrad. Das liegt auch an den verschiedenen Turbinenarten, denn ohne Turbinen und daran angeschlossene StromGeneratoren lässt sich aus dem schönsten Wasserfall keine Energie gewinnen. »» weiter S. 5 + 6
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»» Fortsetzung von S. 1: Wasser marsch und Strom im Fluss!
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Deshalb ist Wasser nicht nur ein mächtiger Quell allen Lebens, sondern hat auch ein riesiges Energiepotenzial. Denn überall dort, wo sich Wasser bewegt, lässt sich diese Kraft zur Energiegewinnung und Stromerzeugung nutzen. Dieses nie versiegende System haben schon die Menschen in der Antike angezapft. Sie bauten an Bächen und Flüssen Wasserräder, durch die Mühlsteine oder Sägeblätter angetrieben wurden. Ein einfaches Prinzip, das sich durch den Lauf der Geschichte hinweg erhalten hat. Heutzutage sind die Dimensionen, in denen Energie benötigt und erzeugt wird, aber ganz andere geworden. Aus der kleinen Wassermühle am Bach haben sich riesige Wasserkraftwerke mit großen Staumauern entwickelt und statt Kurbelwelle und Pleuelstange drehen sich gewaltige Turbinen. Das Prinzip ist dasselbe geblieben. Kinetische Energie wird in mechanische Energie umgewandelt. Letztere wird allerdings nicht mehr direkt, sondern zur Stromerzeugung genutzt. Per Turbine und angekoppeltem Dynamo wird daraus elektrische Energie. Völlig ohne Schadstoffausstoß, denn man verfeuert ja keine natürlichen Ressourcen, sondern klinkt sich in einen bestehenden
Kreislauf ein. Diesen hält Mutter können. Mahnende Beispiele sind Natur von ganz alleine „im Fluss“ umstrittene, gigantische Projekte – durchs globale Wetter. Verdunswie der Assuan-Damm im Niltal, tung, Regen der die und Schnee Studieren mit voller (Wasser)Kraft alljährliche, Per Ingenieurstudium kann man sich dem natürliche bringen Wasser im- Thema Wasserkraft auf verschiedene Arten Nilflut bemer wieder nähern: in den Bereichen Bauingenieurweendet hat, sen, Elektrotechnik oder Maschinenbau. in höhere was mittlerPassende Studiengänge findet man unter weile zur Lagen, Stichworten wie Wasserbau, Erneuerbare Versalzung aus denen Energien, Umwelttechnik oder Energieteches dann der Böden nik in der IngenieurStudiengangSuche auf wieder führt oder der THINK ING. Website: www.search-ing.de der Dreiabfließen muss. Ein Schluchtensich ständig wiederholender Damm am Jangtsekiang in China, erdumspannender Prozess und damit die perfekte regeneratiWelches Kraftwerk ve und sich selbst speisende für welches Wasser? Energiequelle. Laufwasserkraftwerke Trotzdem beträgt der Solche Kraftwerkstypen Anteil der Wasserkraft werden als Niederdruckanlaan der gesamten in gen an Flüssen gebaut. Für die Deutschland erzeugten Stromerzeugung mittels Turbine Energiemenge lediglich reicht die Strömungsgeschwin3,3 Prozent. Das liegt natürdigkeit des Flusswassers aus. lich an der geografischen BeEine Aufstauung ist nicht nötig. schaffenheit hierzulande. Länder wie Österreich, Norwegen, Speicherkraftwerk Island oder Paraguay decken Dieser Typ wird auch Talsperden nationalen Strombedarf zu renkraftwerk genannt und man mehr als 90 Prozent aus Wasserahnt gleich, dass zum Betrieb kraft. Im weltweiten Maßstab solcher Hochdruckanlagen werden etwa 16 bis 19 Prozent ein Damm und aufgestaute der elektrischen Energie in WasWassermengen nötig sind. Je serkraftwerken erzeugt. Damit ist größer die Stauhöhe, desto Wasserkraft global gesehen die höher der Druck in den untezurzeit bedeutendste regenerative ren Wasserschichten und den Energie. Sie weiterhin zu nutzen, dort angebrachten Turbinen. macht Sinn. Schätzungen zufolge ist derzeit nur etwa ein Fünftel Pumpspeicherkraftwerk des Potenzials ausgeschöpft. Das Pumpspeicherkraftwerk ist eine Hochdruckanlage und Trotzdem darf man nicht verein Speicherkraftwerk zugleich. schweigen, wie dramatisch der Die Besonderheit liegt darin, Bau großer Wasserkraftwerke teildass nachts mit überschüssiweise in Natur und menschliche gem Strom Wasser in ein höher Lebensräume eingreift. Vor allem, gelegenes Speicherbecken weil damit meist riesige Staugepumpt wird. Tagsüber rauscht dammprojekte verbunden sind, dieses Wasser dann durch die das biologische Gleichgewicht steile Fallrohre und treibt mit der Flüsse entscheidend stören großem Druck Turbinen an.
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gasförmig als Wasserdampf. In diesen unterschiedlichen Formen zirkuliert Wasser fortwährend in einem riesigen globalen Kreislauf. Dessen eigentlicher Antreiber ist die Sonne, denn deren Wärme lässt Wasser über Festland und Ozeanen verdunsten und als Wasserdampf zurück in die Atmosphäre aufsteigen. Immer wieder aufs Neue.
Die 221 Meter hohe Mauer des Hoover-Staudamms staut den Colorado-River auf einer Länge von 170 Kilometern. Der so erzeugte See hat einen Inhalt von rund 35 Milliarden Kubikmetern Wasser. 17 Turbinen erzeugen eine Leistung von über 2.000 Megawatt
der es zwar mit 18.200 Megawatt auf die größte GeneratorLeistung weltweit bringt, der aber auch einzigartige Ökosysteme zerstört, die Sediment-Selbstreinigung des riesigen Flusses verhindert und dessen Langzeitfolgen insgesamt bisher kaum absehbar sind. Auch diese Aspekte müssen beim Bau neuer Wasserkraftwerke beachtet werden. Ist das der Fall, bleibt Wasser eine famose Form der Energiegewinnung – extrem regenerativ, effektiv und umweltfreundlich. Wasser marsch! // Gletscherkraftwerk Bei diesen speziellen Hochdruckanlagen werden hoch gelegene Gletscherseen an ihrer tiefsten Stelle angebohrt und deren Wasser über Rohrleitungssysteme – teilweise auch über weite Strecken – zu den Turbinen entsprechender Kraftwerke im Tal transportiert. Gezeitenkraftwerke Eine Meeresbucht wird durch einen Damm abgeschottet. Die durch die Gezeiten entstehende Flut fließt durch Einlässe und dieses hindurchströmende Wasser treibt Turbinen an. Das Wasser wird hinter dem Damm aufgestaut und erst bei Ebbe wieder abgelassen, wodurch die Turbinen erneut angetrieben werden können. Wellenkraftwerk Diese Kraftwerke sind noch in der Erprobungsphase und ähneln beispielsweise auf dem Wasser schwimmenden Schlangen aus Stahlkörpern. Die Wellen heben einzelne Segmente an oder senken sie ab. Durch diesen Vorgang wird Luft durch Turbinen in Kammern hinein- und herausgepresst. Bei beiden Wegen lässt sich Energie erzeugen.
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Große Lösungen im kleinen Maßstab © Obernacher Versuchsanstalt für Wasserbau
Der Betrieb von geplanten Kraftwerken wird in der Versuchsanstalt für Wasserbau in Obernach anhand von Modellen vorab getestet
Wasser marsch: Mit hydraulischen Modellen testet die Obernacher Versuchsanstalt für Wasserbau den Betrieb von Wasserkraftwerken vor deren Errichtung unter Laborbedingungen
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Nach starken Regenfällen wird das Hochwasser im Wasserkraftwerk Kajbar immer mehr zum Problem. Einer der Messpunkte an den Tiefauslässen der Entlastungsanlage meldet bedenkliche Druckschwankungen. Die Betonstruktur droht schwere Schäden zu nehmen – all das bringt Dr.-Ing. Arnd Hartlieb nicht aus der Ruhe, obwohl er gleich neben den laut tönenden Turbinenanlagen steht. Im Gegenteil, es war genau das, was er sehen wollte. Hartlieb ist Betriebsleiter der Obernacher Versuchsanstalt für Wasserbau, einer Institution der TU München. Das Kajbar-Kraftwerk ist noch ein Modell und nicht größer als zehn mal fünf Meter. Es besteht aus Beton, Steinen und PVC - Werk stof f. Bis zu 650 Liter Wasser pro Sekunde
können durch die riesigen Pumpen in den künstlichen Stausee fließen. Bald soll das Nil-Kraftwerk im Norden des Sudan das 35-fache Ausmaß annehmen und eine Stromleistung von 360 Megawatt erbringen. „Unsere Anlage ist wie eine Modelleisenbahn. Wir machen die hydraulischen Modellversuche, damit später keine Fehler entstehen“, sagt Hartlieb. So können die Ingenieure auf Komplikationen direkt reagieren und die problematische Stelle umgestalten. Computersimulationen ergänzen und optimieren die Versuche. Alleine sind sie nicht ausreichend, denn die Berechnung von Strömung, Luft und Wasser sprengt den Rahmen jeder Rechnerleistung. Die künstlich geschaffene Natur gibt den Planern die Sicherheit, dass
ihre Entwürfe auch unter natürlichen Verhältnissen funktionieren, „dabei galten solche Tests noch vor 15 Jahren als Auslaufmodelle“, so Hartlieb. Mittlerweile sind sie wieder obligatorisch und die Anstalt in Obernach ist eine gefragte Anlaufstelle. Die Übertragung des über eine halbe Milliarde Euro teuren Projekts im Sudan auf das vergleichsweise kleine Modell in Obernach birgt einige Schwierigkeiten. „Schwerkraft und Trägheit sind die dominierenden Kräfte. Sie müssen im gleichen Verhältnis auf das Modell übertragen werden“, erklärt Hartlieb. Ist das Test-Kraftwerk erst einmal fertiggestellt, müssen die möglichen Schwachpunkte erkannt und gelöst werden: die Kavitation, der Sedimentabfluss, das Hochwasser, die Turbi-
neneinläufe, Verlandungen, Turbulenzen bei der Strömung und jegliche andere Probleme, die sich erst während der Simulation ergeben. Nicht nur in Kajbar sind die Ingenieure von Obernach gefragt. Auch im weiter südlich gelegenen Shereik arbeiten die Wissenschaftler für eine Kraftwerksanlage an großen Lösungen in kleinen Modellen, damit am Nil eine neue Staustufe entsteht. Bei der Renaturierung der Isar wurden die Wasserbauer der TU München ebenfalls um Rat gefragt. Beim Nachbau des voraussichtlich im Frühjahr 2011 fertigen Abschnitts, im Maßstab 1:20, zeigte sich, dass bei Hochwasser Flutgefahr droht. Als nächstes erproben die Wissenschaftler, wie an einem bestehenden Staudamm in Schweden die Hochwasserentlastungsanlage erweitert werden kann.
© beide Fotos: Obernacher Versuchsanstalt für Wasserbau
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Zehn mal fünf Meter groß ist das im Bau befindliche Modell des Kajbar-Kraftwerks, das später 35 Mal so groß am sudanesischen Nil errichtet wird
chen, so dass auch Studenten in die Abläufe mit eingebunden werden. Durch Exkursionen und Laborpraktika soll angehenden Bau- und Umweltingenieuren Appetit auf den Job gemacht werden. Hauptlehraufgabe ist, dass die Studenten am Ende eine Bachelor- oder MasterArbeit anhand der vermittelten Erkenntnisse verfassen können.
© Obernacher Versuchsanstalt für Wasserbau
Gerade in Zeiten immer knapper werdender Ressourcen ist das Interesse an der
In Obernach denkt man zusätzlich ökologisch. Umgehungsgewässer, Fischtreppen und mehr Raum zwischen den Turbinenblättern stehen genauso auf der Tagesordnung wie die Steigerung der Energieeffizienz. Anhand der Modelle wird ebenfalls versucht, den Lauf der Fische nachzuvollziehen, um zu erforschen, wie diese sich am besten umleiten lassen. Schließlich ist eine gesunde Umwelt ebenso wichtig wie die Nutzung der Wasserkraft.
Wasserkraft und ihren Möglichkeiten sehr hoch. „Wasserkraft hat den wichtigsten Anteil an den erneuerbaren Energien“, sagt Hartlieb. Wasser ist nicht nur günstig, das Obernacher Test-Kraftwerk bezieht sein wichtigstes Gut aus der Isar und damit gratis, seine Kräfte lassen sich auch effizient und umweltfreundlich nutzen. Der Erntefaktor ist im Vergleich zu Wind- und Sonnenkraft extrem hoch und im direkten Betrieb entstehen keine Treibhausgase.
© Obernacher Versuchsanstalt für Wasserbau
Die insgesamt zehn Hektar große, teils exotisch anmutende Obernacher Versuchsanstalt ist in Europa einzigartig und genießt international hohes Renommee. Gegründet wurde sie von dem Bauingenieur und Wasserkraftpionier Oskar von Miller in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Schon damals kamen die Kunden aus aller Welt, um ihre Untersuchungen in Deutschland machen zu lassen. Heute ist die Anlage eine Institution der TU Mün-
Dr.-Ing. Arnd Hartlieb
Zur Person
Alles muss passen, bevor das Modell geflutet wird: An den Wasserauslässen werden verschiedene Messpunkte installiert, wodurch im späteren Testbetrieb mögliche Schwachpunkte ermittelt werden
Bevor Dr. Arnd Hartlieb zum Betriebsleiter der Obernacher Versuchsanstalt wurde, schloss der heute 41-Jährige 1994 ein Bauingenieurstudium an der TU München ab. Dort promovierte er auch mit einer Arbeit über ein flussbauliches Thema. Er entwickelte das sogenannte offene Deckwerk, eine naturnahe Methode zur Sohlstabilisierung von eintiefungsgefährdeten Flussabschnitten. Dabei werden Steine mit einer bestimmten Größe und Belegungsdichte auf die Flusssohle aufgebracht und die weitere Erosion der Flusssohle verhindert. Die Methode wurde inzwischen an Flussabschnitten an der Wertach und der Iller angewendet. //
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Freier Fall und hoher Durchfluss © Christa Eder, Fotolia
Damit Wasserkraf twerke einen optimalen Wirkungsgrad erzielen, gibt es ganz unterschiedliche Bauformen von Hochleistungs-Turbinen
Staumauern müssen extremem Wasserdruck standhalten
Ein großes Plus der Wasserkraftwerke ist ihr hoher Wirkungsgrad: erstaunliche 90 Prozent. Von so viel Effizienz sind Kraftwerkstypen, die Sekundär-Energieträger wie Kohle oder Gas verfeuern, um Strom zu erzeugen, weit entfernt. Zum Vergleich: Fossil betriebene Kraftwerke bringen es
Prozent eingesetzter Primärenergie kommen am Ende im schlechtesten Fall nur 30 Prozent als Strom hinten raus, 70 Prozent geht in der Prozesskette oder als Abwärme verloren. Der am weitesten verbreitete Turbinen-Typ in Wasserkraftwerken ist die Francis-Turbine
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»» K U R Z - I N T E R V I E W » 10 Antworten in 10 Sätzen Nadine Staben (31) hat an der Fachhochschule Lippe und Höxter technischen Umweltschutz mit den Schwerpunkten Wasser- und Abwassertechnologie studiert. Seit 2007 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim IWW Zentrum Wasser. Ein Arbeitstag beginnt mit … meinen netten Kollegen, einem spannenden Projekt und einer heißen Tasse Tee. An der Kraft von Wasser fasziniert mich … die Diskrepanz zwischen „weich“ und „hart“, zwischen „Erhaltung“ und „Zerstörung“ von Leben, zwischen „Ruhe“ und „Sturm“. Es macht mich wahnsinnig, wenn … Menschen an Wassermangel oder verunreinigtem Wasser sterben müssen, obwohl es das Wissen und die technischen Möglichkeiten gibt, dieses zu verhindern. Die Ingenieurausbildung in Deutschland … ist hochqualifiziert, spricht leider nur immer noch zu wenig Frauen an. An meiner Tätigkeit gefällt mir … die Vielseitigkeit des Ingenieurberufes, der Kontakt mit Kunden und Kollegen, die Herausforderung, immer wieder kreativ neue Ideen zu entwickeln. Entspannung finde ich … bei einem guten Buch, beim Sport, in der Natur und beim Musizieren. Wenn ich nicht Ingenieurin geworden wäre, … würde ich meine Energie und Kraft vermutlich in der Entwicklungshilfe oder an einer anderen Stelle für die Menschen und den Erhalt der Umwelt einsetzen. Ein Ingenieurstudium … öffnet die Tür zu vielen spannenden beruflichen Möglichkeiten und lehrt kreativ zu denken sowie hinter die Dinge des Alltags zu sehen. Am liebsten berechne ich … verfahrenstechnische Kenngrößen zur Auslegung von Membrananlagen und Adsorptionsprozessen. Als Rentnerin werde ich ... Studentin der diversesten Disziplinen, ehrenamtlich an vielen Stellen tätig und hoffentlich mit meiner Familie glücklich sein. //
Eine Francis-Turbine mit typisch spiralförmigem Einlauf im Wasserkraftwerk Olidan in Trollhättan, Schweden
im weltweiten Durchschnitt nur auf einen Wirkungsgrad von etwa 30 Prozent. Mit neuesten Brennkammern und Technologien schaffen es ganz moderne „Fossile“ auch auf 50 Prozent. Trotzdem heißt das: Von 100
– benannt nach ihrem amerikanischen Erfinder James B. Francis, der sie 1849 entwickelte. Das Wasser wird durch einen spiralförmigen Einlauf in Form eines Schneckengehäuses, in dem sich das feststehende
Leitrad befindet, gedrückt und erhält dadurch einen zusätzlichen Drall. Danach trifft es auf die eigentliche Turbine, die aus einem runden Kranz mit vielen schräg gestellten Schaufeln besteht. Da am Laufradeintritt der Druck höher ist als am Austritt, spricht man auch von einer Überdruckturbine. Fallhöhen des einströmenden Wassers von bis zu 800 Metern ermöglichen eine Leistung von bis zu 750 Megawatt. Die Pelton- oder Freistrahlturbine, benannt und erstmals konstruiert im Jahre 1880 vom amerikanischen Ingenieur Lester Pelton, erinnert von Aussehen und Bauart an die klassischen Schöpfräder. Aber der Wirkungsgrad ist ungleich höher, denn solche vorwiegend in Speicherkraftwerken im Hochgebirge eingesetzten Turbinen nutzen die Geschwindigkeit und Bewegungsenergie des Wassers aus sehr großen Fallhöhen. Dazu wird das Wasser aus einer Düse mit einem Druck von bis zu 200 bar auf die bis zu 40
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In Pumpspeicherkraftwerken rauscht Wasser tagsüber durch steile Fallrohre in Turbinen, nachts wird es mit überschüssigem Strom wieder in den hoch gelegenen Speicher zurückgepumpt
sich für Wasserkraftwerke an Flüssen mit großen Durchflussmengen und relativ geringen Fallhöhen (bis 50 Meter). Die Leistung einer Turbine errechnet sich aus folgenden Faktoren und Einflussgrößen: dem Produkt der Erdbeschleunigung (9,81 m/sec2), der Fallhöhe des Wassers (in Metern), dem Durchfluss durch die Turbine (in m3/sec) und dem Wirkungsgrad. Solch eine Formel macht etwas sehr Erstaunliches in Bezug auf die Wasserkraft deutlich: Die vergleichsweise geringe Wassermenge eines Gebirgsbaches mit großen Fallhöhen von mehreren Hundert Metern kann mehr Strom erzeugen, als die riesige Wassermenge eines Flusses, die
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Schaufeln des Laufrades geleitet. Diese sind in der Mitte mit einem messerscharfen Steg in zwei Halbschaufeln geteilt, damit die kinetische Energie noch besser ausgenutzt werden kann. Da das Antriebswasser vor der Düse einen hohen Druck und nach dem Austritt aus der Düse wieder Umgebungsdruck
ge Wasserdrücke, aber hohe Durchflussmengen entwickelt. Mit ihren verstellbaren Schaufeln ähnelt sie einem Schiffspropeller. Nicht nur die Schaufeln, sondern auch die einleitenden Rohre lassen sich verstellen. Dieses sogenannte Leitwerk ist wichtig, weil damit einströmende Wassermassen so gelenkt werden können, dass sie immer parallel zur
Revisionsarbeiten an einer Freistrahlturbine der Illwerke in Österreich
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lediglich den Niveauunterschied eines Stauwehres überwindet. Rein rechnerisch hätte ein Wasserstrahl bei einer Fallhöhe von 1.000 Metern die Wahnsinnsgeschwindigkeit von nahezu 500 km/h. Aber auch ganz real gibt es beispielsweise in den Alpen Wasserkraftwerke mit Fallhöhen von bis zu 1.800 Metern und Wassergeschwindigkeiten von über 600 km/h. // Impressum RWE-Mitarbeiter bei Messungen am Pumpspeicherkraftwerk in Herdecke
annimmt, nennt man dieses Prinzip Gleichdruck-Turbine. Die Kaplan-Turbine hat der österreichische Ingenieur Viktor Kaplan Anfang 1920 für gerin-
Welle der Turbine auf die drei bis sechs Schaufeln des Laufrads treffen. So kann auch auf schwankende Wasserzufuhr optimal reagiert werden. Dieser Turbinentyp eignet
Herausgeber: GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. Voßstraße 16 · 10117 Berlin Objektleitung: Wolfgang Gollub (verantw.) Druck: color-offset-wälter GmbH & Co. KG, Dortmund
»» F A C H B E G R I F F E Wasserlatein & Gezeitendeutsch » Archimedische Schrauben: Die Entstehung der ersten Wasserräder wird schon um 230 v. Chr. vermutet. Die sogenannten Archimedischen Schrauben waren noch einfache Wasserhebewerke, die mit Schaufelrädern funktionierten. Das Drehmoment des Rades wird über eine Kette auf eine dreieckige Trommel übertragen, welche die wassergefüllten Behälter nach oben befördert. » Erntefaktor: Der Erntefaktor gibt das Verhältnis der gewonnenen zur investierten Energie an. Im Vergleich zu den Windkraftanlagen (20) und den Fotovoltaik-Anlagen (5) haben Wasser-Kraftwerke eine sehr hohe Energieeffizienz (50 bis 150). Ein Kohlekraftwerk kommt auf 100 bis 150 und ein Atomkraftwerk auf bis zu 200. » Fischtreppe: Eine Fischtreppe ist eine wasserbauliche Vorrichtung, durch die Fische und Kleintiere der Gewässersohle auch aufsteigende Hindernisse, etwa Wasserfälle oder Stauwehre, überwinden können. » Great Laxey Wheel: Das 1854 erbaute Great Laxey Wheel gilt als das größte Wasserrad Europas. Das Prachtwerk auf der Isle of Man hat einen Durchmesser von etwa 22 Metern und ist auf der britischen 20-PfundNote abgebildet. » Katarakt: Katarakte sind durch Felsblöcke gegliederte Stromschnellen. Das Wasserkraftwerk in Khartum entsteht am dritten Nil-Katarakt. Im Mittellauf des Nils muss das Wasser insgesamt sechs dieser reißenden Stromschnellen aus Granit überwinden. » Kavitation: (lat. cavitare = aushöhlen) Durch Druckschwankungen bilden sich Hohlräume in Flüssigkeiten aus und wieder zurück, was insbesondere durch schnell bewegte Objekte wie Turbinen oder Propeller passiert. Hier wirken extrem hohe Kräfte. Die Druckstöße können im schlimmsten Fall ganze Brocken aus dem Beton oder den Turbinen sprengen.