Lloyd Spencer & Andrzej Krauze
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Titel: Die Aufklärung. Ein Sachcomic Reihe: INFOcomics (hrsg. von Wilfried Stascheit) Autor: Lloyd Spencer Illustrationen: Andrzej Krauze Umschlag: Edward Bettison Titel der englischen Originalausgabe: The Enlightenment. A Graphic Guide Icon Books Ltd., London, 2010 © Text: Lloyd Spencer © Illustrationen: Andrzej Krauze
© 2012 deutsche Ausgabe: TibiaPress Verlag GmbH Abigstr. 11, D-88662 Überlingen Tel.: 07551.309272; Fax: 07551.309273 info@tibiapress.de www.tibiapress.de Übersetzung: Ilse Utz Layout: Verlag Die Werkstatt, Göttingen Druck: Druckerei Uwe Nolte, Iserlohn
ISBN: 978-3-935254-36-6
Es werde Licht… Die Aufklärung war eine geistige Strömung, die Europa im Laufe des 18. Jahrhunderts wach rüttelte. Von Paris ausgehend, breitete sie sich über ganz Europa bis hin zu den amerikanischen Kolonien aus. Netzwerke von Schriftstellern und Denkern gaben dem 18. Jahrhundert eine bemerkenswerte geistige Geschlossenheit.
In allen bedeutenden europäischen Sprachen verstand sich die Aufklärung als ein Zeitalter des Lichts: the Enlightenment, l'âge des Lumières, die Aufklärung, illuminismo.
Die Intellektuellen der Aufklärung fühlten sich als Teil einer großen Bewegung, die die höchsten Bestrebungen und Möglichkeiten der Menschheit verkörperten. Sie waren Reformer, die glaubten, dass ihrer Sache am besten durch die neue Begeisterung für Diskussion, Kritik und sachliche Auseinandersetzung gedient sei. 3
Der Glanz der absoluten Monarchen In Frankreich machte die Herrschaft der absolutistischen Monarchen Ludwig XIII. (1601-1643), Ludwig XIV. – der „Sonnenkönig“ – (1638-1715), Ludwig XV. (1710-1774) und Ludwig der XVI. (1754-1793) Paris zur Kulturhauptstadt der Welt und ließ dort gleichzeitig sowohl Adressaten als auch Zielgruppen des Reformeifers entstehen.
Wir regieren kraft göttlichen Rechts!
Die Aufklärung sprach Französisch – im wahrsten Sinne des Wortes in der lingua franca. Alles, was auf Französisch veröffentlicht wurde, war den gebildeten Kreisen in Europa überall sofort zugänglich. Wichtige Arbeiten, die nicht direkt auf Französisch verfasst worden waren, wurden sogleich in diese universelle Sprache übersetzt. Überall auf der Welt erklärten sich „Männer des Wortes“ zu Schülern französischer Schriftsteller. 4
Paris, die Hauptstadt der Aufklärung
Das galt für David Hume und Adam Smith aus Schottland ebenso wie für Benjamin Franklin und Thomas Jefferson aus den amerikanischen Kolonien oder Cesare Beccaria aus Mailand. Sie wussten, dass sie „angekommen“ waren, wenn sie in den Salons von Paris empfangen wurden. In ganz Kontinentaleuropa nahmen sich die höfische Gesellschaft und das wohlhabende Bürgertum in allen Fragen des guten Geschmacks Frankreich zum Vorbild. Und auch bei Umgangsformen, Frankreich gibt Kochkunst und Mode. Die den Ton in Literatur, französische Mode ist der Kunst und Architektur Inbegriff von Kultiviertan. heit.
Ein Großgrundbesitzer aus Sussex schrieb an seinen Sohn: „Ein Mann, der Französisch spricht, kann die ganze Welt bereisen und hat keine Mühe, sich verständlich zu machen. Er befindet sich überall in guter Gesellschaft. Keine andere Sprache kann so etwas garantieren. 5
Die Anfänge des Lichts „Da ist ein gewaltiges Licht, das sich über die Welt ausbreitet, vornehmlich in den beiden freien Nationen England und Holland, die jetzt in den Mittelpunkt Europas rücken.“ Lord Shaftesburys Brief an Le Clerc, 6. März 1706. Im 17. Jahrhundert war Holland über einen langen Zeitraum das liberalste Land Europas. Amsterdam war ein Zufluchtsort für Freidenker und religiöse Dissidenten aller Art. 1689 verfasste der englische Philosoph John Locke (1632-1704) einen Brief über Toleranz. Er hatte enge Verbindungen zu den protestantischen Verschwörern gegen die Herrschaft des katholischen Königs Jakob II. (1633-1701).
1683 musste ich nach Rotterdam fliehen.
Ja ko b
II.
Dort konzentrierte sich Locke auf seine Hauptwerke Über den menschlichen Verstand und Zwei Abhandlungen über die Regierung. Beide Bücher sollten zentrale Bedeutung für die Debatten erlangen, die im Zeitalter der Aufklärung mit großer Leidenschaft geführt wurden. 6
Englands „Glorreiche Revolution“ Anhaltender Widerstand gegen die katholikenfreundliche Politik von Jakob II. führte dazu, dass das englische Parlament dem holländischen Protestanten Wilhelm III. von Oranien (1650-1702) und seiner englischen Gattin Maria II. (1662-1694) den englischen Thron antrug. Sie verließen Holland mit einem Segelschiff und bestiegen den Thron in der unblutigen – und daher „Glorreichen“ – Revolution von 1688. Man kann sagen, das Zeitalter der Aufklärung habe mit der Glorreichen Revolution von 1688 in England begonnen.
W il h elm II I. A MARI
II.
Dies begründete ein für alle Mal die Hoheitsgewalt des englischen Parlaments und verschaffte England die „Bill of Rights“. Andere Reformen machten England bald zum freiesten und liberalsten Land Europas. Der Toleration Act (1689) gestattete den meisten protestantischen Nonkonformisten die freie Religionsausübung, erlaubte ihnen aber nicht, öffentliche Ämter zu bekleiden. Die Kirche von England verlor ihr Monopol auf das Erziehungswesen, das Abhalten von Gottesdiensten und im Jahre 1695 schließlich die letzten Reste ihrer Kontrolle über Druckerzeugnisse.
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Ein Zeitalter der Revolutionen Die beiden großen kosmopolitischen Hauptstädte Paris und London erlebten im 18. Jahrhundert ein gewaltiges Wachstum. Aber Englands wirtschaftliche Stärke bewirkte, dass London wesentlich größere Fortschritte machte. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts fand in England eine landwirtschaftliche Revolution statt. Danach ging es mit der industriellen Revolution rasch voran. 1776 trieb das Zeitalter mit einer Revolte der amerikanischen Siedler gegen England seinem logischen Ende entgegen.
1789 änderte die Französische Revolution schließlich alles.
Nach Versailles, nach Versailles.
Diese Revolutionen waren Versuche, die Prinzipien der Aufklärung in die Praxis umzusetzen. 8
Kaffeehäuser, Klubs und Journalismus Es war auch das Zeitalter des regen öffentlichen Lebens und eines Journalismus, der Ideen verbreiten wollte. Kaffeehäuser waren der Mittelpunkt des intellektuellen Lebens in London. 1740 gab es allein im Stadtteil Westminster mehr als 400 davon. Kaffeehäuser waren die Wiege der neuen Bank of England und der Ostindischen Handelsgesellschaft. Lloyds Kaffeehaus wurde 1691 zu Lloyds of London, dem Zentrum der Schiffsversicherung.
Kaffeehäuser waren Orte, an denen Ideen und Waren gehandelt wurden.
Es gab Zeitungen und Zeitschriften, und es wurde für Bücher und Konzerte geworben.
Die Klubs und Gesellschaften hatten riesigen Zulauf, egal ob sie wissenschaftlich, künstlerisch oder politisch orientiert waren.
So scheint mir nötig, das, was ich zu sagen habe, für alle Arten von Lesern so verständlich und einsehbar als möglich zu machen.
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J o h n Lo c k e
m i t Pe r ü c k e
Jean-Jacques Rousseau Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) wurde in Genf geboren, einem winzigen calvinistischen republikanischen Stadtstaat in der Schweiz, der von großen, überwiegend katholischen Herzogtümern, Fürstentümern und Königreichen umgeben war. Rousseaus Mutter starb kurz nach seiner Geburt, und er genoss keine Schulbildung. Im Alter von 15 wurde er in das Haus der katholischen Schweizer Baroness Mme de Warens aufgenommen, die hoffte, ihn bekehren und ihm Bildung vermitteln zu können. Kurz nach meiner Ankunft in Paris 1741 traf ich Diderot in dem Café, das wir beide aufgesucht hatten, um den Schachspielern zuzuschauen.
Ähnlich waren wir uns im Alter, der Herkunft und den Ambitionen – sehr unterschieden wir uns vom Temperament. Wir blieben 15 Jahre lang gute Freunde.
Für die Enzyklopädie schrieb Rousseau einen Artikel über „Politische Ökonomie“ und die meisten der Artikel über musikalische Themen. Rousseau wurde in die feinen intellektuellen Kreise von Paris aufgenommen und von den Philosophes als einer der Ihren behandelt. 80
Rousseau’s Herausforderung In seinem ersten wichtigen Aufsatz Abhandlung über die Wissenschaften und die Künste (1749) stellte Rousseau eine der Grundlehren der Aufklärung infrage und umriss kurz ein Thema, das er in all seinen späteren Arbeiten weiterentwickelte.
Ich vertrat die Auffassung, dass der scheinbare kulturelle und soziale Fortschritt nur zum Verfall unserer Moral geführt hat. Alle unsere Künste und Wissenschaften entstanden aus Müßiggang und werden durch Luxus genährt!
In einer weiteren wichtigen Arbeit über den Ursprung der Ungleichheit (1755) zeichnet Rousseau das gleiche Bild von der menschlichen Geschichte als eine fortschreitende Sittenverderbnis und Dekadenz. Aber jetzt sind nicht übermäßige Kultiviertheit, Luxus und Wissenschaft die Schuldigen, sondern die Ungleichheit. Und er führt die Ursachen der Ungleichheit auf das Privateigentum und den von diesem erzeugten Neid zurück. 81
Über den Ursprung der Ungleichheit „Auf diese Weise entfaltet sich die natürliche Ungleichheit unmerklich mit derjenigen, die daraus resultiert, dass die Menschen in Verbindung untereinander stehen, und die Unterschiede zwischen den Menschen, die sich durch die Verschiedenheit der Umstände entwickelt haben, werden spürbarer, dauerhafter in ihren Auswirkungen und beginnen im selben Maße das Schicksal der einzelnen zu beeinflussen.“ „Man musste sich nun um seines Vorteils willen anders geben, als man wirklich war. Sein und Scheinen wurden zu zwei völlig verschiedenen Dingen, und aus dieser Unterscheidung erwuchsen der überwältigende Prunk, die täuschende List und alle Laster, die deren Gefolge bilden. Auf der anderen Seite ist der Mensch, der zuvor frei und unabhängig war, nun durch eine Vielheit neuer Bedürfnisse sozusagen der gesamten Natur untertan, und besonders seinen Mitmenschen, deren Sklave er in gewissem Sinne wird, selbst wenn er zu ihrem Herrn wird: Ist er reich, so benötigt er ihre Dienste, ist er arm, so benötigt er ihre Unterstützung, und auch mittelmäßiger Besitz setzt ihn durchaus nicht in den Stand, ohne sie auszukommen … Mit einem Wort: Konkurrenz und Rivalität auf der einen Seite, Gegensatz der Interessen auf der anderen und immerzu die versteckte Begierde, seinen Gewinn auf Kosten anderer zu realisieren. Alle diese Übel sind unmittelbare Wirkung des Eigentums und das unabtrennbare Gefolge der entstehenden Ungleichheit. Bevor man Symbole erfunden hat, die den Reichtum repräsentierten, konnte dieser kaum in etwas anderem als in Feldern und Vieh bestehen, den einzigen wirklichen Besitztümern, welche die Menschen ihr eigen nennen können … Die Reichen ihrerseits hatten kaum das Vergnügen zu herrschen kennengelernt, als sie sogleich jedes andere Vergnügen verschmähten … Welchen Anstrich sie [die Reichen] ihren Usurpationen auch geben mochten, sie spürten sehr wohl, dass diese nur auf ein unsicheres und missbräuchliches Recht gebaut waren und – da sie mit Gewalt erworben worden waren – konnten sie ihnen mit Gewalt auch wieder genommen werden, ohne dass sie einen Grund hätten, sich darüber zu beklagen.“
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Voltaire versus Rousseau Rousseau schickte eine Kopie dieses Aufsatzes an Voltaire, der den Erhalt bestätigte. Monsieur, ich habe Ihr neues Buch gegen das Menschengeschlecht erhalten und danke Ihnen dafür … Noch nie wurde so viel Geist aufgewendet, um uns wieder zu wilden Tieren zu machen – man bekommt Lust, auf vier Pfoten zu laufen, wenn man ihr Werk liest. Doch ich habe diese Angewohnheit schon vor 60 Jahren abgelegt, und ich kann es mir, so fürchte ich, nicht wieder angewöhnen.
Versuchen Sie nicht, wieder auf allen Vieren zu gehen; niemandem auf der Welt gelänge das weniger als Ihnen. Sie stellten uns zu gut auf unsere zwei Füße, als dass Sie aufhören sollten, sich auf den Ihrigen zu halten.
Laut Rousseau zeigte die Geschichte, dass der Fortschritt den Sittenverfall der Menschen gesteigert hatte, aber er räumte ein, dass nunmehr die Ursache dieses Sittenverfalls, nämlich die Kultur, „gebraucht wird, um Schlimmeres zu verhüten … es ist die Waffe, die man in der Wunde lassen muss, aus Furcht, dass der Verletzte stirbt, wenn man sie heraus zieht.“ 83
Natur und Naturgeschichte In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts versuchten Denker allerorts, an den Implikationen der Berechnungen Newtons weiterzuarbeiten. Die Mutmaßungen über die Natur des Menschen gipfelten in dem Modell „Der Mensch als Maschine“, ein ziemlich mechanisches Gebilde. Diderot, der viel von Medizin verstand und von den neuen Entwicklungen in den Biowissenschaften fasziniert war, arbeitete an Theorien über ihre Auswirkungen auf unser Verständnis vom Menschen. Ihn faszinierte die Vorstellung, dass alles im Universum zusammenhing, und dies führte ihn zu interessanten – und weitsichtigen – Vermutungen und Hypothesen.
Ich frage [den Naturforscher], ob das Weltall oder die allgemeine Summe aller empfindlichen und denkenden Moleküle ein Ganzes bilde oder nicht. Antwortet er mir, das Weltall bilde kein Ganzes, so erschüttert er mit einem einzigen Satz die Existenz Gottes, indem er Unordnung in die Natur bringt, und zerstört zugleich die Grundlage der Philosophie, indem er die Kette zerreißt, die alle Wesen verbindet. Diderot, Gedanken über die Interpretation der Natur
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Die Natur als System: Linné Der schwedische Arzt und Naturforscher Carl von Linné (1707-1778) unterschied scharf zwischen Lebewesen und Nicht-Lebewesen vor und war Mitbegründer der „Biowissenschaften“, wie Botanik und Zoologie, als eigenständige Forschungsbereiche.
Ich schuf ein Klassifikationssystem für Lebewesen, das z. B. auf den Charakteristiken ihrer Fortpflanzung basierte.
Das binäre Nomenklatur-System, nach dem alle Lebewesen klassifiziert und mit wissenschaftlichen Bezeichnungen versehen werden (nach der Gattung oder dem Familiennamen und nach der Art oder dem individuellen Namen), verdanken wir Linné. Er betrachtete die Natur als ein harmonisches Ganzes, ein zusammenhängendes und ausgewogenes, von Gott einmalig geschaffenes System. Seine Schüler bereisten die Welt auf Handelsschiffen oder mit Entdeckern wie Captain Cook. 85
Die Natur als Geschichte: Buffon Linnés Auffassungen widersprach Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon (1708-1788). Ab 1749 veröffentlichte er seine 36-bändige Naturgeschichte, ergänzt um 8 Bände, die nach seinem Tod erschienen (1788-1804). Die Arbeit behandelte jeden Gegenstand in der Natur, vom Menschen bis hin zu Vögeln, Schalentieren, Fischen und Mineralien, und war in einer äußerst präzisen und eleganten Prosa geschrieben.
Linnés Taxonomie ist nur eine gelehrte Technik, die die Welt einfacher aussehen lässt, als sie ist. Ich liefere kein System, sondern eine Beschreibung – einer Folge von spezifischen und kontingenten Details.
Er versuchte über die Evidenz fossiler Fundstücke und über physikalische Experimente nachzuweisen, dass die Welt und das Leben viel älter waren, als die Theologen zugeben wollten. Der Titel seines Werks – Naturgeschichte – lenkte die Aufmerksamkeit auf seine Überzeugung, dass die Welt in ihrem jetzigen Zustand nicht die war, die Gott erschaffen hat. Seine Arbeit wurde von der theologischen Fakultät der Sorbonne verurteilt. 86
Der Skandal des Materialismus Einige der Philosophes, aus dem engsten Autorenkreis der Enzyklopädie, entwickelten eine materialistische, deterministische und atheistische Weltanschauung. Die Materialisten sagen, dass sich bewegende Materie hinreichend ist, um alle Phänomene zu erklären.
Der Erfolg der Physik Newtons ermutigte uns, sie zu einer umfassenden Weltanschauung auszubauen.
Dies stimmt mit Lockes Verständnis von Psychologie überein, die so sehr in Mode gekommen ist.
Alles Wissen konnte auf die Empfindungen oder Eindrücke zurückgeführt werden, die von der Außenwelt empfangen wurden. Die Entwicklung des einzelnen Individuums war lediglich das kumulative Ergebnis solcher Eindrücke. Die traditionellen theologischen Vorstellungen wie die der „Seele“ erschienen als eine „unnötige Hypothese“. 87
La Mettrie und Helvétius Der extremste und am meisten Anstoß erregende Materialist der Aufklärung war der Arzt Julien Offroy de la Mettrie (1709-1751), der in seinem Buch Der Mensch als Maschine (1747) behauptete, es sei möglich, alle geistigen, spirituellen und physischen Fähigkeiten des Menschen durch die in einer bestimmten Weise organisierten Materie zu erklären; dadurch werde es überflüssig, irgendeine Art von Seele anzunehmen.
Das Streben nach Lust ist moralisch gesund und wird als Prävention gegen Schmerz empfohlen.
Was seine Zeitgenossen – auch Diderot und d’Holbach – am meisten schockierte, war la Mettries Schlussfolgerung, dass es keine absoluten moralischen Normen gebe und der Mensch gänzlich von physikalischen Impulsen beherrscht werde. La Mettrie musste zuerst aus Paris fliehen, wo seine Bücher verboten und verbrannt wurden, dann musste er sogar das liberale Holland verlassen. Theorien, die uns heute sehr an Freud erinnern, waren damals zu starker Tobak. In Preußen fand er bei Friedrich dem Großen schließlich Asyl. 88
Im Juli 1758 veröffentlichte ein Freund Diderots, der freidenkerische Philosoph Claude-Adrien Helvétius (1715-1771), eine Abhandlung mit dem Titel Vom Geist, die einen gewaltigen Skandal auslöste. Helvétius vertrat einen behavioristischen Materialismus, der die Ideen von Locke und Condillac weiterführte. Für ihn war alles menschliche Wissen und Verhalten das Produkt der Erziehung durch sinnliche und soziale Erfahrungen. Helvétius lehnte es zwar ab, über physiologische Faktoren zu spekulieren, konfrontierte jedoch jede Ethik mit der deterministischen Weltanschauung.
Alle unsere Gedanken und unser Wille müssen die unmittelbare Auswirkung oder die notwendige Folge von Eindrücken sein, die wir empfangen haben.
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Materialismus und menschliche Vervollkommnung Helvétius glaubte, dass alle Menschen grundsätzlich mit den gleichen Fähigkeiten geboren werden. Die tatsächlichen Unterschiede zwischen den Menschen sind entweder der unterschiedlichen Stärke ihrer Leidenschaften oder den Zufällen ihrer Erziehung geschuldet.
Jeder hat die physische Kraft in sich, sich zu den erhabensten Gedanken aufzuschwingen.
Vom Geist gipfelt in einer Vision zur Vervollkommnung der Menschen durch den Staat. Ein kluger Gesetzgeber kann durch die Verteilung von Belohnungen für staatsbürgerliche Tugend auf die Leidenschaften einwirken und so die geistige Trägheit überwinden. Diese Vision fand ihren Niederschlag in der Rhetorik der Französischen Revolution. 90
Index Alembert, J. le Rond d‘ 60-63 Amerikanische Revolution 145 Arbeit 139-141 Aufklärung – Gegner 155 – Definition 153-154 – Das Ende 168 – Sprache 4 – Heute 172-173 Bacon, Francis 41-42 Baumann Zygmunt 173 Bewusstsein 12 Bildung/Erziehung 164 Blake, William 155-157 Buffon, Comte de 86 Châtelet, Marquise du 56-57 Condillac, Etienne 11 Coste, Pierre
Helvétius, C.A. 89-90 Holbach, Baron d‘ 91-92 Hume, David 121-125, 132 Industrie und Wissenschaft 59 Jaucourt, Ch. De 61, 64 Jefferson, Thomas 41, 148 Johnson, Samuel 142-143 Kant, Immanuel 151-152, 158 Katharina die Große 107 Katholische Kirche, Frankreich 112 Kausalität 124 Kierkegaard, Soren 158 Kunst 78-79 Linnaeus, Carl 85 Locke, John 6, 9-11, 14-16, 41, 43 London – Kaffeehäuser 9 – Wachstum 8
Desaguliers, J.T. 47, 69 Malesherbes, C. G. de 70-73 Descartes, René 10 Materialismus 87-90 Deutschland 151 Mathematik, Newton 44-47 Dictionary of the English Mendelssohn, Moses 117 Language 142 Mesmer, Franz 59 Diderot, Denis 50, 60-61, 74-77, Mettrie, J.O. de la 88 93, 110-111 Monarchie 4 – Katharina die Große 107-111 Montesquieu, Baron 25-35, 41, – Und Rousseau 131 98-104 „Edle Wilde“, der 24-25 – Politik 96-103 Englands Politik 39, 103 Musik 126-127 Enzyklopädie 60-70, 107 Natur 84-86, 120 – Erklärung 77 Naturrechtstheorie 100 – Rousseau 80 Neue Héloise, Die 130 Epinay, Madame d’ 55 Erfahrung 10, 17 Newton, Isaac 41, 44-47 Franklin, Benjamin 144, 147 Ökonomie 135-141 Französische Revolution 8, 166167, 172 Papst, der 29 Französisch, Sprache der Pariser Gesellschaft 5 Aufklärung 4-5 Persischen Briefe, die 26-32, 35 Frauen 52-57 Philosophes, die 48-54, 58 Frederick II 106, 117 – Materialismus 87 Freimaurertum 118-119 – Politik 104-105 – Und Rousseau 130 Goethe, J.W. von 161 Physiokraten 104 Gott 100 Politik 96-105 – Britische 39, 103 Hamann, Georg 158-159 – Locke 41-42 Handwerk und Handel 64
176
Psychologie 14 Quesnay, Francois 137
Reichtum der Nationen 138-139 Religion 114-117, 119-122 – Freiheit 7 – Voltaire 36-37 Robbespierre, Maximilien 168 Romane 17-23 Romantik 133, 172 Rousseau, Jean-Jaques 19, 80-83, 128-133, 140-141 – Postmortal 169-171 – Russel, Bertrand 125 – Russland 107 Saint-Just, L.A. de 168 Salons 54-55 Selbst, das 125 Shaftesbury, Lord 6 Sklaverei 148-150 Smith, Adam 134-143 Sterne, Laurence 14 Sturm und Drang 160-161 System der Natur 92 Eine Theorie der ethischen Gefühle 136, 140 Tristram Shandy 15 Turgot, A. R. J. 165 Unabhängigkeitserklärung 146 Über den menschlichen Verstand 6, 10, 15 Vernunft 10 Voltaire 19-21, 47, 50, 56-57 – Exil in England 34-39 – Friederich der Große 106 – Religion 114 – vs. Rousseau 83 – Über soziale Ungleichheit 162164 Vom Geist der Gesetze 33, 100102 Watt, James 59 Wissenschaft 124 – Und Industrie – Newton 44-47 Wunder 120-121 Zensur 58