INFOcomics Quantentheorie Leseprobe

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J. P. McEVOY & OSCAR ZARATE

EIN SACHCOMIC



Was ist Quantentheorie? Die Quantentheorie ist eines der erfolgreichsten der bislang von Menschen ersonnenen Denkmodelle. Sie erklärt das Periodensystem der Elemente und die Ursachen chemischer Reaktionen. Sie liefert genaue Voraussagen über die Wirkungsweisen von Laserstrahlen und Mikrochips, die Stabilität von DNA und die Art und Weise der Emission von Alphateilchen aus dem Atomkern.

Quantentheorie ist nicht intuitiv und widerspricht dem gesunden Menschenverstand.

Die Quantentheorie hat noch nie versagt.

Ihre Konzepte wurden mit der östlichen Philosophie verglichen und sie wurde eingesetzt, um den Geheimnissen des Bewusstseins, des freien Willens und des Paranormalen auf die Spur zu kommen.

Quantentheorie ist grundlegend mathematisch …

Das vorliegende Buch gibt Antwort auf die Frage: Wie ist die Quantentheorie entstanden?

Ihre Struktur hat die Sichtweise der Welt der Physik revolutioniert.

Die heutige Lehrmeinung entspricht nach wie vor der Darlegung der Quantentheorie durch Niels Bohr aus dem Jahr 1927. Aber Einsteins Gedankenexperimente in den 1930ern zogen die grundlegende Validität der Theorie in Zweifel und werden heute noch diskutiert. Könnte er wieder einmal recht haben? Gibt es immer noch Lücken? Kehren wir zurück zu den Anfängen … 3


Darf ich vorstellen: die Quantentheorie Es ist viel einfacher, die Quantentheorie einem völligen Neuling als einem klassischen Physiker zu erklären.

Sie machen wohl Witze.. Wieso sollten die Vertreter der klassischen Physik ein Problem mit moderner Theorie haben?

Das Problem ist Folgendes: Kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert waren sich die Physiker ihrer Vorstellungen über die Natur der Materie und der Strahlung so sicher, dass einem neuen Konzept, das diesem klassischen Bild widersprach, kaum Beachtung geschenkt wurde. Der mathematische Formalismus von Isaac Newton (1642-1727) und James Clark Maxwell (1831-79) hatte sich als fehlerfrei erwiesen. Die auf diesen Theorien basierenden Prognosen waren über Jahre hinweg durch ausführliche und sorgfältige Experimente belegt worden. Das Zeitalter der Vernunft wurde zum Zeitalter der Gewissheit. 4


Klassische Physiker

Wie definiert man „klassisch“? Als Klassiker bezeichnet man die Physiker des späten 19. Jahrhunderts, deren akademisches Denken auf den Erkenntnissen der Newtonschen Mechanik und des Maxwellschen Elektromagnetismus beruhte – den beiden erfolgreichsten Synthesen physikalischer Phänomene der Ideengeschichte.

Mittels einer einfachen schiefen Ebene und einer Metallkugel habe ich die Fehler in der Physik des großen Aristoteles nachgewiesen.

Hör doch mit der Angeberei auf!

Das Kennzeichen guter Physik bestand seit Galileo (1564-1642) in der Prüfung der Theorie durch die Beobachtung. Er zeigte, wie man Experimente anlegt, Messungen vornimmt und die Ergebnisse mit den auf Grundlage mathematischer Gesetze getroffenen Voraussagen vergleicht. Das Zusammenspiel von Theorie und Experiment ist nach wie vor der beste Weg, akzeptable Wissenschaft zu betreiben. 5


Alles ist bewiesen (und klassisch) … Im 18. und 19. Jahrhundert wurden die Newtonschen Bewegungsgesetze genau geprüft und durch verlässliche Versuche bestätigt.

Mein Gesetz der Schwerkraft hat dazu gedient, Messungen von Planetenbewegungen sehr genau vorherzusagen.

In meiner elektromagnetischen Wellentheorie habe ich 1865 die Existenz von unsichtbaren „Licht“-wellen postuliert, und Heinrich Hertz (1857-1894) hat diese Signale 1888 in seinem Berliner Labor nachgewiesen. Heute heißen sie Radiowellen. Maxwell hatte recht: Diese Wellen reflektieren und brechen genau wie das Licht.

Kein Wunder, dass diese klassischen Physiker fest auf ihr Wissen vertrauten! 6


„Die Berechnung der sechsten Dezimalstelle“ Lord Kelvin (1824-1907), ein einflussreicher klassischer Physiker der Universität Glasgow, sprach von lediglich zwei dunklen Wolken am Newtonschen Horizont.

Woher hätte ich wissen können, dass sich die eine Wolke erst durch die Relativitätstheorie auflöst – und die zweite in der Quantentheorie münden würde?

Im Juni 1894 wollte der amerikanische Nobelpreisträger Albert Michelson (1852-1931) eigentlich nur Kelvin paraphrasieren und machte eine Bemerkung, die er für den Rest seines Lebens bereuen sollte. Unsere zukünftigen Entdeckungen müssen wir in der sechsten Dezimalstelle suchen. (Ich weiß selbst nicht, warum ich das gesagt habe!)

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Die Grundannahmen der klassischen Physik Die klassische Physik hatte eine ganze Reihe von Annahmen entwickelt, die ihr Denken bestimmten und die Akzeptanz neuer Ideen erschwerten. Die folgende Auflistung zeigt, welche Erkenntnisse über die materielle Welt man für gesichert hielt: 1) Das Universum gleicht einer riesigen Maschine innerhalb eines absoluten Raum-Zeit-Gefüges. Komplizierte Bewegungen verstehen sich als einfache Bewegungen der inneren Teile dieser Maschine, auch wenn diese Teile nicht sichtbar gemacht werden können. 2) Newtons Synthese setzt voraus, dass jede Bewegung eine Ursache hat. Wenn ein Körper sich bewegt, lassen sich die Gründe für diese Bewegung immer ausmachen. Es handelt sich ganz einfach um Ursache und Wirkung, was niemand ernsthaft infrage stellt. 3) Ist der Bewegungszustand an einem bestimmten Punkt bekannt (z. B. in der Gegenwart), so lässt er sich für jeden anderen Punkt in der Zukunft und sogar in der Vergangenheit bestimmen. Es gibt keine Unsicherheit, alles folgt auf eine vorhergehende Ursache. Das bezeichnet man als Determinismus.

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4) Die Eigenschaften des Lichts sind durch Maxwells elektromagnetische Wellentheorie vollständig beschrieben und durch die Interferenzmuster bestätigt, die Thomas Young 1802 in einem einfachen Doppelspaltexperiment beobachtet hat. 5) Es gibt zwei physikalische Modelle, um die Ausbreitung von Licht darzustellen: Teilchen vorstellbar als undurchdringliche Formen wie Billardkugeln, oder aber Wellen, ähnlich den Meereswellen an der Meeresoberfläche, die auf die Küste zurollen. Beide Modelle schließen sich wechselseitig aus, d. h., Licht erscheint entweder als das eine oder das andere. 6) Die Eigenschaften eines Systems, wie z. B. Temperatur oder Geschwindigkeit, lassen sich beliebig genau messen. Dazu muss man lediglich Prüfintensität reduzieren oder alles über eine theoretische Anpassung korrigieren. Für Atomsysteme gilt dieselbe Annahme. Die klassische Physik war von der absoluten Wahrheit dieser Aussagen überzeugt. Allerdings sollten sich alle sechs als zweifelhaft erweisen. Die ersten, die das wussten, war eine Gruppe von Physikern, die sich am 24. Oktober 1927 im Hotel Metropole in Brüssel zusammenfand.

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Die Solvay-Konferenz von 1927 – die Formulierung der Quantentheorie Wenige Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs finanzierte der belgische Industrielle Ernest Solvay (1836-1922) ein erstes internationales Physikertreffen in Brüssel, dem noch weitere folgen sollten. Voraussetzung für die Teilnahme war eine offizielle Einladung, und die Teilnehmer – deren Zahl meist auf etwa 30 begrenzt war – wurden gebeten, sich auf ein vorab festgelegtes Thema zu konzentrieren. Die ersten fünf Konferenzen zwischen 1911 und 1927 lieferten eine bemerkenswerte Chronik der Entwicklung der Physik des 20. Jahrhunderts. Die Tagung von 1927 hatte die Quantentheorie zum Thema und wurde von nicht weniger als neun theoretischen Physikern besucht, die bereits grundlegend zur Theorieentwicklung beigetragen hatten. Alle neun wurden später für ihre Beiträge mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Hätten wir alle uns als Gruppe für ein Bild aufgestellt, um an die historischen Größen der klassischen Physik zu erinnern, wäre das in etwa vergleichbar gewesen.

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Das Gruppenfoto der Solvay-Konferenz 1927 bietet einen guten Einstieg für eine Vorstellung der Hauptakteure bei der Entwicklung einer der revolutionärsten physikalischen Theorien des 20. Jahrhunderts. Der enge Zeitrahmen und die geographische Nähe, die 1927 die Koryphäen der Quantentheorie zusammenführten, sorgen noch heute für Staunen: Insgesamt 17 der 29 Anwesenden waren oder wurden Nobelpreisträger. In der Geschichte der Naturwissenschaften gibt es so gut wie keine Periode, in der so wenige Akteure in so kurzer Zeit so viel erreicht haben. In der ersten Reihe erkennt man neben Marie Curie (1867-1934) einen traurig dreinblickenden Max Planck (1858-1947), Hut und Zigarre in der Hand. Es scheint, als hätte ihn sein jahrelanger Kampf gegen die eigenen revolutionären Theorien über Materie und Strahlung aller Lebensgeister beraubt.

Das alles hat im Jahr 1900 mit meiner Feststellung begonnen, dass Materie elektromagnetische Strahlung (d. h. Licht) nur in Energiebündeln – sogenannten Quanten – absorbieren und aussenden kann, deren Größe proportional zur Strahlungsfrequenz ist.

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1905, also nur ein paar Jahre später, verallgemeinerte in der Schweiz ein junger Patentamtsmitarbeiter namens Albert Einstein (1879-1955) die Ideen Plancks. Einstein sitzt in Gesellschaftskleidung steif in der ersten Reihe. Seit seiner Abhandlung von 1905 hatte er sich 20 Jahre lang mit der Quantenproblematik beschäftigt, ohne dabei zu nennenswerten Einsichten zu kommen. Er arbeitete jedoch kontinuierlich an der Weiterentwicklung der Theorie und verwendete dabei mit erstaunlicher Zuversicht auch die Überlegungen anderer Wissenschaftler. Seine größte Leistung – die allgemeine Relativitätstheorie – lag bereits ein Jahrzehnt zurück und hatte ihm internationalen Ruhm eingebracht.

Ich habe gezeigt, dass Licht immer in Quanten auftritt, was natürlich der Grund dafür ist, dass es von der Materie in dieser Form absorbiert und emittiert wird. Aber Planck hat mir das leider nie geglaubt!

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In Brüssel hatte Einstein die verwirrenden Schlüsse aus der Quantentheorie mit seinem angesehensten und zielstrebigsten Anhänger diskutiert, dem „großen Dänen“ Niels Bohr (1885-1962). Bohr wurde dann mehr als jeder andere in das Ringen um das Verständnis und der Interpretation der Theorie hineingezogen. Auf dem Foto ist er ganz rechts in der mittleren Reihe zu sehen, ein 42-jähriger Professor auf dem Höhepunkt seiner Macht, gelassen und voller Selbstvertrauen.

In meinem Vortrag habe ich die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Quantentheorie zur vollen Zufriedenheit fast aller Anwesenden dargelegt, außer Einstein.

Damit begann eine lang andauernde Debatte zwischen den beiden großen Koryphäen der Physik des 20. Jahrhunderts, die erst mit dem Tod Einsteins im Jahre 1955 enden sollte.

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Ludwig Boltzmann und die statistische Mechanik In den 1870er Jahren formulierte Ludwig Boltzmann (1844-1906) eine Theorie, zu der ihn Maxwells kinetische Gastheorie angeregt hatte. • Mit der sogenannten kanonischen oder orthodoxen Verteilung stellte er ein Gesetz der allgemeinen Wahrscheinlichkeitsverteilung vor, das sich auf alle Anhäufungen von Einheiten anwenden lässt, die sich frei bewegen können, voneinander unabhängig sind und zufällig interagieren. • Er formulierte das Äquipartitionstheorem (Gleichverteilungssatz) der Energie. Damit wird gesagt, dass im thermischen Gleichgewicht jeder Freiheitsgrad die gleiche Energie besitzt. • Außerdem lieferte er eine neue Interpretation des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik: Wenn sich – wie Claudius 1850 behauptet hatte – mechanische Energie innerhalb eines Systems abbaut, verlieren die Atome zunehmend ihre Ordnung und die Entropie nimmt zu. Dieser Ordnungsverlust ist jedoch messbar. Es handelt sich um die Wahrscheinlichkeit des jeweiligen Systems, die als Anzahl der Anordnungsmöglichkeiten der darin enthaltenen Gesamtheit von Atomen definiert wird.

Eis (fest)

Genau berechnen lässt sich die Entropie mit der Formel

S = k log W …

Dampf (Gas) Wobei k eine Konstante ist (heute als Boltzmann-Konstante bekannt) und W bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Anordnung von Atomen erfolgt. So wurde Boltzmann zum Gründer der statistischen Mechanik, Wasser (Dampf) einer Methode, mit der die Eigenschaften makroskopischer Körper durch die statistische Beschreibung der Eigenschaften ihrer mikroskopischen Bestandteile vorhergesagt werden können. 24


Thermisches Gleichgewicht und Fluktuationen

Ich bin von der Annahme ausgegangen, dass sich Systeme bis zum Erreichen des thermischen Gleichgewichts von weniger wahrscheinlichen hin zu wahrscheinlicheren Zuständen entwickeln, wenn sie durch Wärme oder mechanische Vibration in Bewegung geraten. Im Gleichgewicht wird das System dann in seinem wahrscheinlichsten Zustand sein, wenn die Entropie am größten ist. Die Bewegung von Abermillionen ­ eilchen kann man unmöglich berechnen. T Die Wahrscheinlichkeitsrechnung kann jedoch ­Antworten auf die Frage nach dem wahrscheinlichsten Zustand geben. Ich habe zudem auch den umstrittenen Begriff der Fluktuationen eingeführt.

Es besteht die geringe Wahrscheinlichkeit, dass sich alle eingeschlossenen Gasteilchen eines Systems für einen kurzen Moment in nur einer Ecke des Behälters sammeln. Wenn die Entropie wahrscheinlichkeitstheoretisch interpretiert werden kann, muss diese Wahrscheinlichkeit existieren. Das ist Energie­ fluktuation.

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Diese neuen Ideen – mittels Wahrscheinlichkeiten und statistischer Daten mikroskopischer Systeme makroskopische, im Labor messbare Eigenschaften (Temperatur, Druck usw.) vorauszusagen – bilden die Grundlage dessen, was sich zur Quantentheorie entwickeln sollte.


Der „Dreißigjährige Krieg“ (1900-1930) – Quantenphysik gegen klassische Physik Widmen wir uns nun drei entscheidenden Experimenten aus der Zeit vor der Quantenphysik, die sich durch eine korrekte Anwendung der Methoden der klassischen Physik nicht erklären lassen.

Strahlung des schwarzen Körpers und UltraviolettKatastrophe (Plancks Quantum)

Der Photoelektrische Effekt (Einsteins ­Lichtpartikel)

Linienspektren (Bohrsches Atommodell)

Bei jedem dieser Versuche geht es um die Wechselwirkung von Strahlung und Materie, wie sie von verlässlichen Experimentalphysikern beschrieben worden war. Die Messungen waren genau und nachvollziehbar, aber dennoch paradox … jeder gute theoretische Physiker würde dafür sein Leben geben. Wir werden nun alle Experimente Schritt für Schritt nachvollziehen und die entscheidenden Probleme und die jeweils von Max Planck, Albert Einstein und Niels Bohr gefundenen Lösungen vorstellen. Die Beiträge dieser Wissenschaftler waren die Grundlagen für ein neues Verständnis der Natur. Ihre gemeinsamen Anstrengungen, die 1913 im Bohrschen Atommodell gipfelten, bezeichnet man mittlerweile als die alte Quantentheorie. 26


Die Strahlung des schwarzen Körpers Wird ein Objekt erhitzt, sendet es Strahlung in Form elektromagnetischer Wellen aus, d. h. Licht in einer Vielzahl von Frequenzen.

Die Messung der Strahlung, die durch ein kleines Loch in einem geschlossenen heißen Ofen entweicht – den wir Hohlraum nennenzeigt, dass die Strahlungsintensität je nach Frequenz starken Schwankungen unterliegt.

Strahlungsintensität

Die auf den Messungen Ende des 19. Jahrhunderts basierende Kurve zeigt, dass die Hauptfrequenz einen höheren Wert erreicht, sobald die Temperatur steigt.

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Strahlungsfrequenz


Beim schwarzen Körper handelt es sich um einen Körper, der sämtliche einfallende elektromagnetische Strahlung vollständig absorbiert. Innerhalb eines Hohlraums findet die Strahlung keinen Ausweg und wird von den Wänden kontinuierlich absorbiert und wieder ausgesandt. Eine kleine Öffnung wird daher

Eine strahlende Box (Hohlraum)

Strahlung austreten lassen, die von den Wänden emittiert – nicht reflektiert – wird und damit charakteristisch für schwarze Körper ist. Ist der Ofen lediglich warm, ist die Strahlung zwar da, bleibt jedoch für das menschliche Auge unsichtbar, da sie es nicht stimuliert. Mit zunehmender Erwärmung erreichen die Frequenzen den sichtbaren Bereich und der Hohlraum glüht rot wie die Heizspiralen einer elektrischen Kochplatte.

relative Empfindlichkeit des Auges

infrarot

rot

grün

blau

ultraviolett,  Frequenz

alle zusammen: weiß Nach Erreichen des thermischen Gleichgewichts hängt die Strahlung ausschließlich von der Temperatur ab. Bei etwa 800°C zeigt sich eine gleichmäßig rote Färbung, unabhängig davon, was sich im Ofen befindet – Kohle, Glas oder Metall.

Auf diese Weise ermittelten früher Töpfer die Temperatur in ihren Brennöfen. Der berühmte Porzellanfabrikant Josiah Wedgwood stellte bereits 1792 fest, dass sich alle Körper bei derselben Temperatur rot färben. Faustregel für Töpfer: 550°C dunkelrot 750°C leuchtendrot 900°C orange 1000°C gelb 1200°C weiß


Wilhelm Wien, ein Freund Max Plancks, und andere Angehörige der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin konstruierten 1896 einen kostspieligen Zylinder aus Porzellan und Platin.

Wir haben die Farbverteilung der aus einem Loch am Ende des Zylinders austretenden Strahlung von nah am Infrarot bis Violett aufgezeichnet.

Wärmequelle

Hohlraum

Intensitätsmessung

Strahlung Hohlraumöffnung

Frequenz­ messung

Heinrich Rubens, der ebenfalls zum engen Kreis um Max Planck gehörte, betrieb an der Technischen Hochschule Berlin einen anderen Ofen.

Wir haben die Frequenzen bis tief ins Infrarot gemessen.

Strahlung des schwarzen Körpers

Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung

Diese Strahlungskurven – eines der wichtigsten Probleme der theoretischen Physik gegen Ende des 19. Jahrhunderts – wiesen starke Ähnlichkeiten mit denjenigen auf, die Maxwell für die Geschwindigkeits- (also Energie-)Verteilung erhitzter Gasteilchen in einem geschlossenen Behälter berechnet hatte. 29


Paradoxe Ergebnisse Könnte das Problem der Strahlung des schwarzen Körpers mit den gleichen Methoden wie Maxwells ideales Gas untersucht werden, nur dass hier nicht Gasteilchen, sondern elektromagnetische Wellen im Gleichgewicht auf die Wände eines geschlossenen Behälters prallen?! Auf der Grundlage einiger eher zweifelhafter theoretischer Vorgaben entwickelte Wien eine Formel, die den bisher veröffentlichten Experimenten gerecht wurde – allerdings nur im Hochfrequenzbereich des Spektrums. In England verwendeten die Physiker Lord Rayleigh (1842-1919) und Sir James Jeans (1877-1946), beide Anhänger der klassischen Schule, dieselben theoretischen Annahmen wie Maxwell bei seiner kinetischen Gastheorie. Allerdings arbeiteten wir in unserer Box mit Wellen statt mit Teilchen. zur UltraviolettKatastrophe Rayleigh Strahlungsgesetz Messpunkte Wiensches Strahlungsgesetz

niedere Frequenz (Infrarot)

Frequenz

hohe Frequenz (Ultraviolett)

Die Gleichung von Rayleigh und Jeans funktionierte im Niederfrequenzbereich, im Bereich höherer Frequenzen wartete auf die beiden hingegen eine Überraschung: wie auf der Graphik zu sehen ist, sagt die klassische Theorie für den ultravioletten Bereich und darüber hinaus eine unendliche Intensität voraus. Dieses Phänomen wurde als Ultraviolett-Katastrophe bezeichnet. Aber was sagt dieses Versuchsergebnis nun genau aus?

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Was war schiefgegangen? Das Rayleigh-Jeans-Gesetz war ganz eindeutig falsch. Jedem, der in den Hohlraum hineinschaut (wie auch Herrn Wedgwood beim Blick in seinen Brennofen) wäre sonst….

Ich habe mir die Augen ausgebrannt.

Die ­ ltraviolett-Katastrophe entU wickelte sich zu einem ernstzunehmenden Paradox der klassischen Physik. Wenn ­Rayleigh und Jeans Recht hätten, wäre es für uns sogar gefährlich, vor einem offenen Kamin zu sitzen.

Ginge es nach der klassischen Physik, würde sich die romantische Glut der Holzscheite alsbald in todbringende Strahlung verwandeln. Was tun? 31


Die Ultraviolett-Katastrophe

Wir haben, in Analogie zu Maxwells Gasteilchen, entsprechend des Gleichverteilungssatzes die Methode der statistischen Physik auf Wellen angewandt. Wir gingen also von der Annahme aus, dass die gesamte Strahlungsenergie gleichmäßig auf alle Schwingungsfrequenzen verteilt ist. Im Falle von Wellen gibt es jedoch einen gravierenden Unterschied: Die Anzahl der anregbaren Schwingungsmoden ist unbegrenzt…

steigende Frequenz

Man war sich einig, Rayleigh und Jeans hatten sauber gearbeitet. Wenn man den Fehler in ihrer Methode finden will, sollte man näher betrachten, wie sie vorgegangen waren. ½ Welle

1 Welle 1 ½ Wellen 2 Wellen usw.

… weil sich problemlos immer mehr Wellen mit immer höheren Dementsprechend ist Frequenzen (d. h. immer kürzeren die Menge der theoretisch Wellenlängen) in den Behälter ein- berechneten Strahlung unendlich bringen lassen. und wird bei steigender Temperatur und zunehmender Frequenz immer stärker.

Kein Wunder, dass man von der Ultraviolett-Katastrophe sprach. 32


Auftritt Max Planck Die Geschichte Max Plancks beginnt kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert im physikalischen Seminar der Friedrich-Wilhelm Universität Berlin.

Meine Kollegen präsentieren mir immer wieder seriöse experimentelle Daten über die Strahlung des schwarzen ­Körpers, die sich einfach mit keiner anerkannten Theorie erklären lassen.

Der äußerst konservative Planck war Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, überzeugter Anhänger der klassischen Physik und leidenschaftlicher Verfechter der Thermodynamik. Seit seiner Dissertation im Jahre 1879 (dem Geburtsjahr Einsteins) bis zu seiner Berliner Professur zwei Jahrzehnte später hatte er sich fast ausschließlich mit den Gesetzen der Thermodynamik beschäftigt. Seiner Auffassung nach griff der Zweite Hauptsatz, was die Entropie anging, tiefer und war aussagekräftiger als gemeinhin angenommen. 33


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