INFOcomics Wittgenstein. Ein Sachcomic

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JOHN HEATON & JUDY GROVES



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Titel: Wittgenstein. Ein Sachcomic Reihe: INFOcomics (hrsg. von Wilfried Stascheit) Autor: John Heaton Illustrationen: Judy Groves Umschlag: Edward Bettison Titel der englischen Originalausgabe: Wittgenstein. A Graphic Guide © Icon Books Ltd., London, 2013 Text: John Heaton Illustrationen: Judy Groves © 2016 deutsche Ausgabe: TibiaPress Verlag GmbH Ruhrpromenade 3, D- 45468 Mülheim an der Ruhr Tel.: +49 (0)208 88 37 57 47 info@tibiapress.de – www.tibiapress.de Übersetzung: Friederike Moldenhauer, Wilfried Stascheit Layout: Verlag Die Werkstatt, Göttingen Druck: Druckerei Uwe Nolte, Iserlohn Gedruckt auf GardaPat Classica ISBN: 978-3-935254-47-2

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Nichts ist so schwierig, wie sich nicht selbst zu t채uschen.

Es ist mir in meinem Buch gelungen, alles am rechten Ort zu halten, indem ich schweige.

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Mit knapp 18 Jahren immatrikulierte sich Ludwig an der Technischen Hochschule in Charlottenburg, einer der renommiertesten Universitäten für Ingenieure. Dort machte er sein Diplom. In dieser Zeit begann er, Gedanken zu seinem Leben zu notieren, eine Gewohnheit, die er sein Leben lang beibehalten sollte.

Wenn meine Tagebücher in Ordnung sein sollen, muss ich, wie es scheint, direkt aus ihnen heraustreten – ins Leben. Und ich muss nicht hinauf ins Licht steigen, als wäre ich in einem Keller, oder von einer höheren Ebene wieder hinab auf die Erde springen.

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Ingenieurswesen in Manchester, England 1908 ging Wittgenstein nach Manchester, um dort Ingenieurswesen zu studieren. Dort blieb er drei Jahre. Er interessierte sich für Flugtechnik und begann seine Forschungen, indem er mit Drachen experimentierte. Damals war über die Atmosphäre noch wenig bekannt. Danach experimentierte er mit der Verbrennung von Hochdruckgasen und beschäftigte sich schließlich mit der Entwicklung von Propellern. Weil er dazu mathematisches Wissen brauchte, vertiefte er sich in die Grundlagen der Mathematik.

Das war der schicksalshafte Schritt, der mich zur Philosophie brachte!

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Ziemlich bald schrieb er ein Buch über die Grundlagen der Logik und Mathematik. Er ließ es Gottlob Frege (1848-1925) lesen, den großen deutschen Philosophen und Mathematiker.

Ich denke, Sie sollten unbedingt nach Cambridge gehen und bei Bertrand Russell studieren.

Frege bügelte mich ­einfach ab!

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Obwohl Wittgenstein offensichtlich ein schwieriger Zeitgenosse war, fand er in Cambridge gute Freunde. Einer seiner besten Kumpel war David Pinsent, der sein Alter hatte. Er konnte ihn beruhigen, er musizierte mit ihm, und sie verreisten zusammen.

Er kam 1918 bei einem Flugzeug­ absturz ums Leben. Ich habe ihm meinen Tractatus gewidmet.

Ein wichtiger Freund war J.M. Keynes (1883-1946). Der Ökonom erkannte schnell das Talent Wittgensteins.

Ich blieb ein Leben lang sein Freund …

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Einsamkeit 1913 beschloss Wittgenstein, zwei Jahre lang allein in Norwegen zu leben, um nachzudenken und an seinem Werk über die Logik zu arbeiten. Russell versuchte, ihn davon abzubringen. Es wird dunkel sein. Ich hasse Tageslicht. Du wirst einsam sein. Ich prostituiere meinen Geist, wenn ich mit ­intelligenten Menschen rede. Du bist verrückt! Gott schütze mich vor ­Vernunft!

Das wird Gott sicherlich!

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Also zog er nach Skjolden an den Sognefjord nordöstlich von Bergen.


Tractatus logico-philosophicus Dieser Klassiker der Philosophie des 20. Jahrhunderts ist nur kurz: Das Buch umfasst nur knapp 80 Seiten und besteht aus Bemerkungen 체ber das Wesen der Sprache, die Natur der Welt, der Logik, Mathematik, Wissenschaft und Philosophie. Es endet mit Kommentaren zu Ethik, Religion und Mystizismus.

Seine Sprache ist logisch-pr채zise und h채ufig so poetisch wie eindr체cklich. Sein Ton versucht, die unfassbare Dimension zu vermitteln, die es erlaubt, sowohl Erfahrung als auch Handlung in eine angemessene Ordnung zu bringen.

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Bei dem Werk handelt es sich nicht um ein Lehrbuch, das Wittgensteins philosophische Meinung wiedergibt. Wie er im Vorwort schreibt: „Sein Zweck wäre erreicht, wenn es Einem, der es mit Verständnis liest, Vergnügen bereitete.” Es soll als Einführung dienen, deren Wert aus zweierlei besteht: „Erstens darin, dass in ihr Gedanken ausgedrückt sind, und dieser Wert wird umso größer sein, je besser die Gedanken ausgedrückt sind. Je mehr der Nagel auf den Kopf getroffen ist.”

TRACTATUS LOGICOPHILOSOPHICUS „Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.”

UND DAS WIRKLICH WICHTIGE IST DIESES UNAUSSPRECHLICHE. 29


Im logischen Raum sind Tatsachen voneinander unabhängig und können nur festgestellt oder behauptet werden.

Es ist eine Tatsache, dass in diesem Raum ein Stuhl steht.

TATSACHE

TATSACHE

Und es ist eine Tatsache, dass hier kein Nilpferd ist.

Während Gegenstände existieren, tun sie dies in Raum und Zeit und haben Eigenschaften wie Härte, Farbe etc. 35


Tatsachen, Bilder und Sachverhalte Nun könnte eine Tatsache auch eine andere sein – etwa, wenn im Raum ein Nilpferd steht –, daher müssen wir in der Lage sein, die Möglichkeiten unabhängig von ihrer Realisierung zu begreifen.

Wir können uns Tatsachen VORSTELLEN.

Diese Bilder von Tatsachen spiegeln sich in der Sprache, um uns einen Sinngehalt zu liefern, damit wir wahrheitsgemäß sagen können, dass das Nilpferd nicht in dem Raum ist. Damit dies möglich ist, muss die Welt aus einfachen Objekten bestehen, die ineinander greifen wie Kettenglieder, um einen Sachverhalt wiederzugeben. Die Realität ist das Bestehen oder Nichtbestehen dieser Sachverhalte.

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„Darum kann es auch keine Sätze der Ethik geben. Sätze können nichts Höheres ausdrücken.” (TLP, 6.42). „Es ist klar, dass sich die Ethik nicht aussprechen lässt. Die Ethik ist transzendental.” (TLP, 6.421). Warum also der Tractatus, oder warum sollte man ihn lesen, wenn seine Hauptaussage eine ethische ist und er dennoch aus Sätzen besteht?

„Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.)” (TLP, 6.54)

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Wittgenstein erläuterte seine Ethik in seinen Vorlesungen 1929. Er unterschied den relativen und ethischen Gebrauch von „gut”.

Wenn ich schlecht Tennis spiele und dafür kritisiert werde, kann ich entgegnen: „Ja, aber ich bin mit meinem schlechten Spiel zufrieden.”

Aber wenn ich ein notorischer Lügner und damit zufrieden bin, werden wohl alle sagen …

Lügen! Das ist nicht gut genug – damit SOLLTEST du nicht zufrieden sein!

Aber dieses „solltest” kann nicht in eine Aussage über eine Tatsache übersetzt werden. Beispielsweise könnte ich immer Gründe finden, um weiter zu lügen. Daher zielt dieses „solltest” auf etwas Absolutes. Es kann keine Wissenschaft oder Theorie der Ethik geben, sie kann weder gelehrt noch erklärt werden. 55


In dieser Zeit verfasste er ein Rechtschreibwerk, Das Wörterbuch für Volksschulen, und hatte damit bescheidenen Erfolg. 1926 hörte er als Lehrer auf – sehr zur Freude der Dorfbevölkerung. Doch die Schulinspektoren bedauerten es, sie schätzten sein Können als Lehrer eher.

Ich war verzweifelt, dass ich als Lehrer nicht mehr erreicht habe, aber ein Aufenthalt in einem Kloster schien mir gutzutun.

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Sich verlieben? Während dieser Bauzeit kam Wittgenstein mit der Wiener Gesellschaft in Kontakt. Er verliebte sich in eine Freundin von Gretl, Marguerite Respinger. Die aus reicher Familie stammende Schweizerin war wesentlich jünger, unkompliziert, kreativ und interessierte sich nicht für Philosophie.

Mit ihm auszugehen – was für ein Abenteuer! Er kleidet sich nicht anständig. Sehen Sie mal: alte Jacke, offener Hemdkragen und Arbeitsstiefel!

Genau. Außerdem bevorzuge ich günstige Gaststätten.

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Philosophische Untersuchungen Sein bekanntestes Werk sind die Philosophischen Untersuchungen, die zwei Jahre nach seinem Tod erschienen. Die ersten zwei Drittel der Bemerkungen wurden von ihm selbst ausgewählt und in eine Reihenfolge gebracht.

Es ist ein sorgsam ausgearbeitetes Buch, das viele Themen behandelt: „Den Begriff der Bedeutung, des Verstehens, des Satzes, der Logik, die Grundlagen der Mathematik, die Bewusstseinszustände und Anderes.” (Vorwort) Wie der Tractatus ist es als Reihe kurzer Bemerkungen verfasst, jedoch hier sind sie meist länger und weniger aphoristisch als im Frühwerk. Manche sind auch als Dialoge geschrieben, in denen ein Alter Ego alternative Positionen vertritt. Es gibt viele Bilder, etwas Satire und Gebrauchsanweisungen. Man liest das Buch leichter als den Tractatus, da es keine logischen Symbole enthält. Doch die Einfachheit täuscht. 83


Die Hypnotik der Sprache Sprache ist ein Gefängnis, in dem wir verführt, verwirrt und verzaubert werden können. Aber sie kann auch heilende Wirkung haben, wenn wir wahrhaftig sind. Die mehrdeutige Natur der Sprache ist in Wittgensteins Denken zentral.

Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Betörung unserer Intelligenz durch die Mittel der Sprache.

Wenn wir verzaubert werden, dann neigen wir zum Starren – der hypnotisierte Blick. Dann tendieren wir dazu, illusorische „Essenzen” zu sehen, die sich aus sprachlichen Bildern ergeben, die aber tief im Geist oder der Welt verwurzelt scheinen. Unterscheidungen und Unterschiede verschwimmen, das Auge „ist vom Ideal geblendet”. (PhU, 100) Wir versuchen, das Ideal zu begreifen oder es aus den Tiefen hervorzuholen. Irgendwie fühlen wir uns dazu gezwungen, das Phänomen zu durchdringen. All das führt dazu, dass wir verkleideten Unsinn reden. 91


Die Therapie der Illusion – Beschreibung Im Gegensatz zu diesem Zwang ermutigt uns Wittgenstein, etwas über Sprachspiele zu beschreiben. Was er „Tiefengrammatik” nennt, ist nichts, was sich hinter der Erscheinung verbirgt, wie etwa in der Psychoanalyse das Unbewusste.

Man entdeckt sie innerhalb der Sprache selbst in den subtilen Artikulationen der Erscheinung. Durch sie ist es möglich, zwischen Sinn und Unsinn zu unterscheiden.

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Index Absolut 55 als gegeben annehmen 88 Aspekt Aspektsehen 152-157 Bedeutungsblindheit 158-165 Bestimmtheit 166-168 Carnap, Rudolf 70 Darwin, Charles 120-122 Denken 94-111, 136-143 Dritte Person 146 Elementarsätze 169 Erste Person 146 Erster Weltkrieg 20-26 Auswirkung auf Ws. Werk 25, 32f. Ethik 50-57 Existenz 57 existenzielle Wahrheiten 37 Familienähnlichkeit 127-129 Frege, Gottlob 12 Form 43 Gedanke 43-44, 48-49, darstellen 106-107 und Sprache 104-105 Gefühle 136-151, 161 Geist   im Geist Verborgenes 13843 Gewissheit 166-168 Glück 52-53 Hitler, Adolf 9 homologe Form 43 Illusion 92 Inneres/Äußeres 136-150 Kausalität 50 Keynes, J. M. 17,71 konzeptuelle Zusammenhänge 38 Liebe 124-125 Logik 44-45, 94 Fehler 68 mathematische 12-3 logisch Bild 43

Raum 34 Magie 123-125 Malcolm, Norman 77 Marxismus 68 Mathematik 130-135 Moore, G. E. 14, 19, 166 Namen 38 nichtexistenzielle Wahrheiten 37 Objekte 38-39 Person 136ff Philosophie Definition 84 und Kritik 41 und Wissenschaft 40-42 Zweck 40 Philosophische Untersuchungen 83 Psychologie 53 Pinsent, David 17 Raum 42 Realität definiert 36 Reflexion 94 Regeln 134 Richards, Ben 74 Russell, Bertrand 13-16 Sachverhalt 41 Schlick, Moritz 69 Schmerz Gefühl 144-145 Wahrnehmung Sätze 38, 42, 46 fehlerhafte 68 s. auch Elementarsätze Seele 163-164 Selbst 47-9 etwas als selbstverständlich annehmen 88 Sinneseindruck 148 Skinner, Francis 74 Solipzismus 47-9 Sprache 34-9 Grenzen 42 Sprachspiele 112-125, 128-129, 141, 150-151 und Gedanken 104-105 und Leben 85 Zweideutigkeit 91-93 Sraffa, Piero 68

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Tautologie 45-46 Tatsachen 57 Definition 34-35 Therapie 86-90   einer Illusion 92 Tiefengrammatik 92 Tolstoi, Leo 21, 170-173 Tractatus 26ff., 82, 86

Über Gewissheit 167 Verständnis 150 Wahrheit (s. Realität definiert) nichtexistenzielle 37 Wahrnehmung 154-156 visuelle 154-156 Widerspruch 45-46 Wiener Kreis 69-70 Wissenschaft und Philosophie 40-44 Wittgenstein akad. Titel 19, 71 Beziehungen 66, 74 Charakter 79-81 Erbe 22, 60 in Cambridge 13 in Irland 76 in Norwegen 18-19 in den USA Kindheit 4-9 Krankheit 78 Kriegsgefangenschaft 26 Krieg, pers. Auswirkungen 20-26, 75 Studienzeit 10-11 und Musik 7 Tagebuchauszüge 23-25 Tapferkeits­auszeichnungen 25 tritt von Professur zurück 76 Tod 78 Tod des Vaters 22 Unterrichtet 60-64, 75-76 Unterrichtsmethoden 72 Unterstützung von Dichtern 22 Worte 158 Analyse 126-127 s. Sprache Wünsche 138-139 Zeigen 116-118 Zeit 42 Zweiter Weltkrieg 75



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