LEARNING FROM HAVANA

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LEARNING FROM HAVANA - WAHLFACHARBEIT -

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„Wir haben so viel freie Zeit, dass wir sie mit Liebesgeschichten füllen.“ Dieser Film entstand 2016 im Rahmen der Summer School LEARNING FROM HAVANA Dozentur Soziologie, ETH Zürich Dr. Monika Streule Prof. Dr. Christian Schmid Stundent: Tim Pham

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Kontext Kuba ist eine Insel, ein Ort und eine Erfahrung, einmalig auf der Welt. Das Land ist ein Schmelztiegel verschiedener ethnischen Gruppen und Nationalitäten wie Afrikaner, Latinos und Südstaatler . Der sozialistisch organisierte Staat bildet die Rahmenbedingungen, der die Lebensweise, Gebräuche und das Verhalten der Inselbewohner über Jahrzehnte geformt hat. Letztes Jahr starb Fidel Castro. Kurz vor seinem Tod wagten Barack Obama und Raùl Castro einen ersten gemeinsamen Schritt zur Annäherung der beiden Staaten. Seither wächst die Hoffnung, dass das Embargo, das seit mehr als 50 Jahre auf der Insel lastet, zu einem Ende kommen könnte. Just zu diesem Zeitpunkt war ich im Rahmen einer Summer School in Kuba. In der Einführung erzählte uns Prof. Christian Schmid, wie das wirtschaftliche Embargo der USA den Kubanern Unrecht und Leid brachte und den Lebensstandard senkte. Nach dem Fall der Sowjetunion habe sich der Lebensbedingungen weiter verschlechtert. Eine Studentin, die ich in Kuba traf, sagte mir folgendes: „Vor den neunziger Jahren hatten unsere Eltern alles, was wir brauchten.“ Kubas Hauptstadt La Havanna, wo ich am 17. August 2016 von Genf herkommende landete, hat man mir als eine einzigartige urbane Fallstudie beschrieben. Aber es war viel mehr. Unvermittelt fühlte ich mich mit meiner eigenen Herkunft und meiner eigenen Familiengeschichte verbunden. Lateinamerika, Kommunismus, die Welt meines Grossvaters in den fünfziger Jahren. All das waren die Spähren, die sich in dieser Stadt, in Havanna, schneiden. Trotz der Internationalität und der der reichen kulturhistorischen und ethnischen Geschichte dieser Insel gibt es vermutlich nicht viele Länder, die derart isoliert sind. Ich selber habe den kalten Krieg nicht miterlebt, aber die Auswirkungen sind hier allgegenwärtig und spürbar. In Kuba habe ich verstanden, welche Auswirkungen das Embargo auf die Lebensweise der Menschen hat. Als Architekturstundent bin ich darauf konditioniert Städte analysieren, Gebäude wie Bücher zu lesen, die Menschen in ihrem gebauten Umfeld zu beobachten. Die Fallstudie Kuba gab mir die einzigartige Möglichkeit ein besseres Verständnis zur Welt zu entwickeln. Eine Welt die mir fremd ist, die mir nicht nur in Kuba fremd ist, die mir in Kuba vielleicht aber deshalb nahe kommen kann, weil mich die Welt hier unwillkürlich in ihren Bann schlägt, meine Neugier weckt. Ich nehme ein Beispiel: das Automobil. Während für die westliche Welt ein Alltag ohne Auto kaum vorstellbar ist, hat die kubanische Regierung unter Fidel Castro das Autofahren sehr stark eingeschränkt. So erwartete ich mit Spannung ein Land besuchen zu können, in dem Autos eher rare Objekte sind.

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Summer School Während der Summer School erhielten wir einen zehnminütigen Crash Kurs in Soziologie, sowie Grundlagen in der wissenschaftlichen Forschung. Wir lernten, dass es wichtig ist zunächst eine Arbeitsmethodik zu entwickeln. Diese Arbeitsmethodik sollte uns befähigen, einen klaren Gedankengang auszuformulieren und unsere Forschungsarbeit wissenschaftlich fundiert darlegen zu können. Gleichzeitig stellten wir fest, dass das Erstellen einer Forschungsarbeit viel Zeit in Anspruch nimmt. Das Wiederholen von Vorgängen ist wichtig, um die eigene Datenbank mit ausreichenden Informationen füllen zu können. Unsere Arbeitsweise bestand darin, eine Fragenliste zu erstellen und im persönlichen Gespräch mit den Einwohnern einen Einblick in ihr Fortbewegungsverhalten zu erlangen. Welche Wege nehmen sie im Alltag auf sich? Benutzen sie den öffentlichen Verkehr oder gehen sie zu Fuss? Wie lange dauerte es, bis sie von A nach B gelangten etc.? Es war glücklicherweise einfach Menschen zu finden, die wir befragen konnten. Vor allem an ausgesuchten Schnittpunkten zwischen zwei öffentlichen Plätzen oder einer stark frequentierten Kreuzung, trafen wir auf viele Personen, die wir ansprechen konnten. Es war uns wichtig ein vielseitiges Meinungsbild zu erhalten. So achteten wir darauf, dass die Befragten möglichst aus verschiedenen sozialen Niveaus kamen. Durch die Interviews, die wir während unseres Aufenthaltes in Havanna geführt haben, sowie der Ausflüge in das kubanische Nachtleben, hatten wir die Möglichkeit die angespannte soziale Lage Kubas zu erleben. Durch unsere Arbeit habe ich verstanden, dass die Kubaner sich viel mehr Zeit nehmen als beispielsweise die Europäer. Es wird nichts auf die Schnelle erledigt, sogar das Schritttempo der Menschen ist langsamer als in Europa (als in Zürich). Die Menschen haben mehr Zeit für ihre sozialen Kontakte und sind bereit diese aufrecht zu erhalten. Sie stehen teils stundenlang in einer Schlange, nur um ein Eis zu kaufen. Und wenn etwas nicht an einem Tag erledigt werden kann, ist es kein Problem es auf den nächsten Tag zu verschieben. Diese Situation bringt einige negative Aspekte mit sich, wie beispielsweise die Schwierigkeit Geld zu verdienen. Das Existenzminimum, die Erziehung und das Gesundheitswesen sind zwar durch die Regierung garantiert, aber einen Lebensstandard darüber hinaus zu haben, ist fast unmöglich. Es stellte sich heraus, dass es im Bereich der Fortbewegung und des Reisens enorme Probleme für die Einwohner gab. Zum grössten Teil ist dies der sehr maroden Infrastruktur geschuldet. So verliert man unglaublich viel Zeit, um sich von einem Punk zu einem nächsten zu bewegen. Eines der positiven Aspekte, die eine Reise nach Kuba sehr bereichern, sind die Erfahrungen mit den Einwohnern. Die Kubaner nehmen sich viel Zeit für das zwischenmenschliche Verhältnis. Eine Person, die ich traf sagte mir: „Wir haben so viel freie Zeit, dass wir es mit Liebesgeschichten füllen.“

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Die Kubaner sind sehr gesellig und erfreuen sich daran sich mit anderen Menschen austauschen zu können. Sie zeigen Interesse an der Meinung und der Einstellung ihres Gegenübers. Ich habe mehrere Male die Situation erlebt, in der mein Gesprächspartner genau wissen wollte, wie ich über Kuba dachte und welche Erfahrungen ich hier machen konnte. Es ist sehr angenehm Leute zu treffen, die sich für andere Menschen Zeit nehmen und diese an ihrem Leben Teil haben lassen Eine weitere besondere Seite von Havanna ist die Präsenz der Musik, die man überall in der Stadt spürt. Egal ob in der Strasse, in der Bar, im Café oder im Taxi. Sogar die Kellnerin tanzte, als sie mir mein Essen servierte. Die kubanische Musik ist sehr spezifisch und eigen. Der sogenannte „Reggaeton“ ist eine Musikrichtung, die in Europa nicht sehr beliebt ist. Umso mitreissender jedoch, wenn diese Musik aus einem alten Ford ertönt, während man durch die Innenstadt oder Richtung karibischer See fährt. Am Ende des Tages und am Abend sind die Parks und Strassen voller Menschen. Sie reden und unterhalten sich oder hören Musik. Sie sind ausgelassen und man bekommt den Eindruck, als stünde man in einem gemütlichen Wohnzimmer. Auf Grund des Embargos, dürfen die Kubaner Waren nicht importieren oder exportieren. Dies hat einen grossen Einfluss auf das Bruttosozialprodukt des Landes. Es ist bemerkenswert, wie die Lebenssituation sich nicht weiterentwickelt hat. Die Zeit scheint still zu stehen. Die Autos sind dieselben seit den sechziger Jahre geblieben. In Kuba gibt es eine Grenze für die Anzahl der Autos und der öffentlichen Verkehrsmittel, welche ungenügend sind.

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Wo

MAÑANA

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Frage Das Thema meiner Video ist die Zusammenspiel, Wechselwirkung zwischen der kubanischen Gesellschaft und dem städtischen Raum über die Musik. Video Titel „Wir haben so viel freie Zeit, dass wir sie mit Liebesgeschichten füllen.“ Methode Der Text von Geoff Baker “La Habana que no conoces : Cuban rap and the social construction of urban space“ hat mir erlaubt die Beziehung zwischen Raum und Musik als Ausdruck der kubanischen Gesellschaft zu verstehen. Dieser Text erklärt unter anderem, wie die Musik als Mittel gebraucht wird, um sich den öffentlichen Raum anzueignen. Mein Video soll genau dieses Thema der Aneignung der Kubaner des städtischen Raumes durch Musik darstellen. Musik fliesst aus einem Fenster, erfüllt den Strassenraum und gibt ihm, auf eine gewisse Art, eine intime Atmosphäre. Dieser öffentliche Raum födert den sozialen Kontakt : die Leute bewegen sich in ihm, treffen sich und tauschen aus. Ich habe das Video mit meinem iPhone gefilmt und La Havanna mit colectivos in allen Richtungen durchquert. Das Video zeigt Szenen, die dieses Thema der Aneignung des städtischen Raumes darstellen. Ich habe diese Szenen an verschiedenen Orten, Stadtteilen und zu unterschiedlichen Tageszeiten gedreht. Die Musik in meinem Video ist direkt aus der Strasse aufgenommen.

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Storyboard

Satellite of Modernity of Habana Via Monumental.

Tunel de la BahĂŹa de La Habana - arrival

Monumento to Maximo Gomez - arrival

Habana In-Between - Arrival at Avenida Salvador Allende, Bushaltstelle

Habana In-Between - Avenida Salvador Allende

Habana In-Between - Avenida Salvador Allende, drink Shop

Deep Habana, quiet life

Habana Vieja - Boulevard de San Rafael, quiet life

Vedado - San Miguel, street life

Habana In-Between - Avenida Zanja, waiting for a car

Habana In-Between - Vedado Avenida Zanja, beginning car trip

Habana In-Between - Avenida Zanja, car trip

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Neptuno - Auf Calle El Prado, car trip

Blue Strip - Malecòn, car trip

La Rampa - Calle 23, end

Parque Central, street life

Neptuno - Calle El Prado, music everywhere

Blue Strip - Avenida de Puerto, people talking on the harbour

Blue Strip - Avenida de Puerto y Luz, ferry boat to Regla

Blue Strip - Avenida de Puerto, evening

Habana Vieja - Lamparilla y Bernaza, night life

Habana Vieja - Lamparilla y Habana, music in the street

Blue strip - Malecòn y Chacòn, fishboat leaving the harbour

Miramar - Club Calle 1ra Avenida y Calle 40 9


Zusammenfassung In Kuba zu filmen war für mich eine ganz spezielle Erfahrung. Ich bin an Orten stehen geblieben, wo ich normalerweise nicht angehalten hätte. Ich wollte nicht bemerkt sein und habe mich als oft Voyeur gefühlt. Aber diese Situationen haben mir ermöglicht mit Kubanern zu sprechen und zu interagieren. Sie waren immer interessiert an meinem Vorgehen und freuten sich sogar darüber. Insgesamt haben diese Erfahrungen mir gezeigt, wie stark die Kubaner mit ihrer Geschichte, mit ihrer Insel und ihrer Stadt verbunden sind. Mit einer Welt, in der die Zeit langsam vergeht. Das Thema meiner Video ist die Zusammenspiel, Wechselwirkung zwischen der kubanischen Gesellschaft und dem städtischen Raum über die Musik. Abschluss Ich habe an der Summer School teilgenommen, um ein Maximum über die Lebensumstände auf Kuba zu erfahren. Vor Ort habe ich versucht, mich nicht zu sehr mit den Klischees aufzuhalten und mit Havana in eine persönliche und direkte Beziehung zu treten. Ich wollte als Mensch und angehender Architekt von Kuba und seinen Menschen lernen, unmittelbar und möglichst authentisch. Auf diese Weise reflektiert mein Video keine spezifische und objektivierbare Erkenntnis. Ich möchte der Betrachterin und dem Betrachter mit meiner Perspektive vielmehr einen unaufdringlichen Zugang bieten, damit sie und er sich ein eigenes Bild von Kuba und La Havanna machen kann.

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Tim Pham ETH Zürich 12


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