megafon Nr. 395, Mai 015

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1 Nr. 395 | zu Mai 2015 Protest im Partyoutfit – Eröffnung Mediamarkt S. 1 | Warum es sich lohnt, während Krawallen auf einem Balkon neben Nause

käfelen – Erlebnisbericht Mediamarkt S. 2 | Swiss I Pass – Computertechnologie, Internet und Datenschutz S.4 | Mach Dir ein Volk

– Geld oder Leben S. 4 | Francis – Caféperspektiven S. 5 | Schnappschuss S. 5 | Von tanzenden Tieren – Kinderbuchtipp S.5 | Traditi-

onelles Trauerspiel – Kurzschluss I | Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? – megafon-StattBlick S.6 | C’est la merde – Comix S.7 | Exitorial S. 7 | Willkommen zur Retraite – Kurzschluss II S.7 | «Wir setzen Nadelstiche!» – Interview zum Farbanschlag S.8

Die Zeitschrift aus der Reitschule | Bern

megafon | N°395 | Mai 2015 | 6.–

Eröffnung Mediamarkt

Protest im Partyoutfit Nach langem Sehnen und Hoffen eröffnete Ende März – endlich – ein Mediamarkt in der alten Berner Markthalle. Gut 500 Menschen liessen es sich nicht nehmen, den neuen Konsumtempel mit einem Fest gebührend willkommen zu heissen. Während sich die Mainstreammedien im Nachhinein vor allem mit ein paar kaputten Scheiben beschäftigten, freuen wir uns lieber ob der (frühlingsbedingt?) aufkeimenden Fest- und Protestlaune Berns.

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Text: Al | Illustration: Tamara Fischer

uf dem Bahnhofplatz rennt ein Clown herum. Mit Seifenblasenpistole springt er glücklich wie ein junges Reh auf LSD der Polizei hinterher, und als die Reihe Polizist_innen sich nach ihm umdreht, hüpft er drei Meter zurück und tanzt dort weiter. Unter dem Baldachin ist der Boden bedeckt von Konfetti, Luftschlangen, Ballonen und farbigen Flyern. Bunt angezogene Menschen mischen sich mit Demogänger_innen, Partyvolk mit Abendverkaufshopper_innen, Feierabendbiertrinkende mit Polizist_innen. Der Verkehr hat – sagen wir mal – etwas Mühe, vom Bahnhofshauptgebäude bis zum Loebegge, von der Schwanengasse bis zum Baldachin, überall stehen Leute und stehen rum, gucken, rauchen, trinken, tanzen.

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Ein Fest für den Mediamarkt! Was ist passiert, an diesem ganz normalen Donnerstagabend? Oder vielleicht doch nicht ganz so normal, denn: Auf diesen Abend wartete Bern schon seit fast einem Jahr. Die Tränen um den Verlust der Markthalle waren kaum versiegt, da kündigte ein anderer Markt an, die Berner_innen zu trösten: Ein Mediamarkt, mitten in der Stadt, direkt am Bahnhof! Die undankbaren Berner_innen wollten sich darüber aber nicht so recht freuen, die Wutbürger_innen der Hauptstadt der Anarchie tobten sich in den sozialen Medien aus: Dieser Markt wird boykottiert! Und dann kam eine Veranstaltung, die für einen Moment viel zu reden gab: Das Bündnis inexistenter Partykapitalist_innen (BIP) rief zum Fest. «Mediamarkt leerfeiern» hiess die Party, die dem Mediamarkt in der alten Berner Markthalle einen gebührenden

Empfang bescheren sollte. Zuerst für Mai 2014 angekündigt, mussten die Partykapitalist_innen aber noch eine Weile auf den neuen Markt warten. Dieser beschäftigte sich lieber mit juristischem Geplänkel um Zufahrtswege und Poller, als den Berner_innen endlich ihr Trostpflaster aufzuzwingen. Anfang dieses Jahres war es dann soweit. Der Mediamarkt kündigte die Eröffnung für den 26. März an, die Fete konnte endlich steigen. Auch das Löschen der Facebook-Veranstaltung mit bereits über 1‘600 Zusagen (höhere Macht?) konnte die Vorfreude nicht trüben, innert ein paar Tagen sagten schnell wieder 700 zu. Obwohl niemand genau wusste, worum es hier eigentlich geht. Was passieren würde, an diesem Donnerstagabend. Wer das alles überhaupt organisiert hatte. Aber Party, das klingt immer gut. Wir feiern ein Fest – damit kann man – Tanz dich frei lässt grüssen – Berns Jugend offenbar mobilisieren. Vergnügte Masse, schönes Chaos Am 26. März um 17.30 ist die Stimmung auf dem Bahnhofsplatz ausgelassen, etwa 500 Personen sind da, angenehme Spannung liegt in der Luft. Viele haben Elektroschrott mitgebracht, zwei tragen sogar einen Kühlschrank, und einer zieht ein altes Bügeleisen wie einen Hund an der Leine hinter sich her. Konfetti, Luftschlangen, Trillerpfeifen und Strassenkreide werden verteilt, ebenso ein Flyer, auf dem mit einem Flussdiagramm

vermittelt wird, was jetzt eigentlich genau der Plan ist. Die klare Antwort: Party! Nur schade, fehlt die Musik weitgehend, aber vorerst lässt sich die Stimmung davon nicht trüben. Punkt 18.00: Die Masse läuft los, begleitet von ein paar (noch) netten Polizist_ innen. Vor dem Mediamarkt angelangt, ist dann aber trotz Flyer nicht so ganz klar: Was jetzt? Der Mediamarkt, im Vorfeld noch Sympathie bekundend, verschliesst seine Türen fast sofort. Wo, lieber Mediamarkt, sind jetzt diese versprochenen 10-FrankenGutscheine für alle, die ihren Elektroschrott am Eröffnungstag abgeben? Dann steht die Masse eben vor den Toren. Konfetti und Glitzer fliegen immer noch herum, irgendwann Eier in Richtung Mediamarkt, und dann, ja, irgendwann Flaschen. Und Elektroschrott. Als die ersten Scheiben klirren, wird die Polizei nervös, und die Masse ebenfalls. Einige laufen davon, andere grölen, wieder andere tanzen und seifenbläterlen einfach weiter. Viele stehen auch nur da und schauen zu, wie ein paar wenige us Tümmi die Scheiben des Mediamarkts kaputt schlagen. Danach das Übliche: Gummischrot, ein paar Festgenommene, Bullenshow auf dem Bahnhofsplatz, die Hälfte der Leute immer noch in Festlaune, schönes Chaos, Tanz-dich-frei-Style.

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Die Party als politische Form Aber eigentlich spielt das keine Rolle. Scheiben kaputt schlagen ist doof, ja, aber auch nicht weiter schlimm. Dem Mediamarkt macht der Schaden genau gar nichts, und abgesehen von den paar Scheiben ist ja nichts kaputt gegangen. Nur schade, dass sich die Medien nun wieder auf den «Krawall» – ein Begriff, der in diesem Zusammenhang nun wirklich kaum angemessen ist – konzentrieren anstatt auf Inhaltliches. Viel wichtigeres Fazit aus dieser Aktion ist aber das augenscheinliche Potential der Berner Jugend. Ausschliesslich über Facebook mobilisiert, ironisch aufgezogen, aber offensichtlich konsum- und grosskonzernkritisch, offensichtlich politisch, offensichtlich links, fand die Aktion überraschend viel Anklang. Klar waren die üblichen Verdächtigen an der Aktion, aber auch – und vor allem! – viele extrem junge Leute, die sonst nicht an jeder Demo auftauchen, und denen die Aktion sichtlich viel Freude gemacht hat. Vorhersehbarer als die Nause’sche Hyperreaktion («Ich hoffe, dass es zu Verzeigungen kommt») kommt der Vorwurf auf: Berns Jugend sei apolitisch, sie interessiere sich nur fürs Feiern und Saufen, und darum finde auch jede politische Aktion, ins Partyoutfit geworfen, gehörigen Anklang. Politisches Potential sei das nicht, sondern bloss Freude am Rausch, am Exzess, am Frust Rauslassen durch übermässigen Alkoholkonsum (und wenn die Flasche leer ist, macht sie sich gut als Wurfgeschoss). Blödsinn! Wieso sollte das kein politisches Potential sein? Oder sich nicht zumindest in politisches Potential übersetzen lassen? Denn hier geht es nicht um die Nachtleben-Debatte, nicht um Cluböffnungszeiten und versenkbare Pissoirs für Nachtschwärmer, sondern um den Protest gegen einen weiteren Grössthändler in Berns Innenstadt. Die Party ist hier Form, nicht Inhalt. Politik darf – muss – auch Spass machen können! Und nur weil die Form keine Demo ist, keine Petition oder sonst irgendein klassisches politisches Mittel, ist sie noch lange nicht zu verwerfen. Offensichtlich lassen sich so Leute abholen, die gewissen Themen vielleicht gar nicht abgeneigt wären, aber normalerweise auf Politik keine Lust haben. Vielleicht rührt die «Politikverdrossenheit» der Jugend nicht von eigentlichem Desinteresse, sondern vom verbreiteten Gefühl, Politik sei langweilig. Vielleicht müssen wir der Politik den Ernst nehmen, zeigen, dass man der allgemeinen Ernsthaftigkeit und den schweren Themen des Lebens Spass und Bass entgegensetzen kann. Eine klassische Kundgebung gegen Konsumwahn und Kapitalismus hätte wohl, obwohl inhaltlich dasselbe vermittelnd, kaum so viele Menschen zu mobilisieren vermocht. Und ganz abgesehen von politischen Inhalten und engagierter oder nicht engagierter Jugend: Chaos ist schön! Und Party, Protest und politische Aktion sind nicht dazu da, um bei allen gut anzukommen. Wo wäre da der Spass daran? Wir gehen nicht auf die Strasse, um den Medien, dem Gemeinderat, den Psycholog_innen und Expert_innen zu gefallen, das wäre ja langweilig! Sondern, weil wir es wichtig finden. Und weil wir Freude daran haben.

Der Clown torkelt. Er spielt nicht mehr mit der Polizei, die hat ihn verscheucht und ist anderweitig beschäftigt, aber der Clown ist nicht müde, er lacht noch immer. Die Konfetti und Luftschlangen werden vom Bahnhofplatz weggewischt, zurück bleiben ein paar Kreidezeichnungen und Kleber. Die Masse zerstreut sich langsam, die Afterparty steigt woanders. Die Sicherheitsleute vor dem Mediamarkt jedoch müssen bleiben – haha, haben wir euch echt Angst gemacht? Was ebenfalls bleibt, ist die Freude an der Aktion, ob jetzt Party oder Demo, und vielleicht auch eine neue Tradition: Der Elektroschrott wird neu vor den Mediamarkt in der alten Markthalle gelegt. Das macht man in Bern jetzt so.

Erlebnisbericht Mediamarkt

Warum es sich lohnt, während Krawallen auf einem Balkon neben Nause zu käfelen Während der Party zur Mediamarkteröffnung in der ehemaligen Markthalle habe ich ein neues Level an Bourgeoisität erreicht.

P

Text: nemo

erspektive eines Demonstranten: Konfetti, Schreie, harte Bässe und jede Menge Elektroschrott. Als durch eine leere Bierflasche die erste Scheibe zu Bruch ging, setzte sich in Gang, was kommen musste. Die Stimmung heizte sich schnell auf, als die Leute merkten, dass sie zu mehr als nur herumstehen imstande waren. Da ich mich an vergangene Gummischrothagelund Tränengasexzesse erinnerte und darauf an diesem Abend so gar keinen Bock hatte, entfernte ich mich vorsichtshalber aus der tobenden, euphorischen Masse. Perspektive eines Schaulustigen: Aus der Ferne hatte ich einen guten Überblick über die Gendarmen und die Pappnasen, die vergeblich versuchten, ernsthaften Schaden anzurichten. Wenn sich 200 oder 300 Menschen dazu entscheiden, auf den Putz zu hauen, könnten sie schon etwas effizienter vorgehen, als immer und immer wieder auf dieselben, bereits zerstörten Scheiben zu schlagen. Perspektive eines Bourgeoisen: Und plötzlich erblickte ich in luftiger Höhe, auf dem Balkon der Pizzeria Cavallo Star, ein bekanntes Gesicht, besser gesagt, eine verhasste Fratze – Reto Nause 1. Sofort wurde in mir der Drang wach, mich neben ihn zu stellen und ihm auf die Nerven zu gehen. «Zack, fertig, Schluss, durchgreifen, Herr Nause!» Also machte ich mich auf den Weg in die Nähe dieses Ex-Punks. Auf dem Balkon bestellte ich mir einen Kaffee, zündete mir eine Kippe an und lachte innerlich wie ein kleines Kind. Das wohl Schönste war seine

versteinerte, saure Miene, der man entnehmen konnte, dass er diese Party nicht ansatzweise so feierte, wie ich es tat. Hinter mir entdeckte ich zwei Zivilpolizisten in genialem Tarnkleid. Sie waren 30 bis 40 Jahre alt, männlich, trugen kurze Haare und Jack Wolfskin-Jacken und dann war da auch noch der immense Kabelsalat um ihre Ohren, ganz so, als ob sie sich mit ihrer Funkverbindung brüsten wollten. Mit Kameras in der Grösse der ersten ihrer Art versuchten sie, das Erlebnis einzufangen. Viele junge Schlümpfe genossen unterdessen ihr erstes Mal. Das erste Mal mit dem Schlagstock Frauen auf den Arsch zu schlagen oder Hinkenden auf die bereits vorhandenen Wunden zu dreschen. In diesem Moment schien den Zivis mit ihrer überdimensionierten Penisverlängerung die Dokumentationslust vergangen zu sein. Gekonnte Ignoranz. Die Blauhemden liessen sich in ihrer Performance nicht aufhalten. Von Nahkampfelementen zu ganz neuen Formationen konnte das Spektakel alles bieten. 1 Ein durchaus passender Name: Nausea

(deutsch Übelkeit, lat. nausea, spätgriechisch nautía «Seekrankheit», zu altgriechisch naus «Schiff»), ist eine Befindlichkeitsstörung, die

auch als «flaues» Gefühl in der Magengegend und Brechreiz bezeichnet wird

weit

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unter diesem motto trafen sich menschen aus über 111 ländern zum 12ten forum social mondial, das zum zweiten mal in folge in tunis stattfand. «Recht & Würde» war das oberthema der diesjährigen veranstaltung, wozu es zahlreiche workshops, ateliers und vorträge gab. insgesamt mehr als 2000. leider wurde das forum von einem islamistischen gewaltakt überschattet: eine woche vor beginn des forums wurden im bardomuseum 24 menschen ermordet – was wohl auch dazu beitrug, dass es nicht ganz so viele teilnehmer*innen am forum gab wie zwei jahre zuvor. zudem mussten ‹checkpoints› an den toren des universitätsgeländes eingerichtet werden, was in ‹stosszeiten› zu recht langen schlangen führte, aber – soweit ich es feststellen konnte – von den meisten mit humor genommen wurde. generell empfand ich die stimmung als sehr gelöst, locker, lustig, rebellisch und sehr offen. hunderte von zelten verschiedenster organisationen luden zum austausch ein. das ganze campusgelände war ein riesiger ameisenhaufen, angefüllt mit froher hoffnung, tanz & musik, und vielen ‹erster hand›-informationen aus allen krisenherden der erde … schreibt sich schön. stimmt aber nicht ganz. selbstredend war der afrikanische kontinent sehr gut vertreten, asien, südamerika und europa eher mässig … (was m.e. kein wunder ist: nicht alle interessierten können sich zb. mit hilfe ~wohlhabender organisationen die reise finanzieren …). auch überschattet wurde das forum vom konflikt zwischen teilnehmenden aus den maghreb-staaten … algerier und marokkaner liessen wohl keine möglichkeit aus, sich gegenseitig anzufeinden – doch davon erfuhr ich eher aus der presse. stattdessen trank ich lieber einen tee mit Hama und tanzte mit ihm im zelt der sahraoui … dem vorgeschobenen grund der auseinandersetzungen zwischen den obengenannten. Hama sagte: «wir sind die letzte afrikanische kolonie», zeigte auf grossen infotafeln auf die geschichte, verwies auf die gegenwart – marokko behandelt die menschen in der west-sahara wie tiere. nimmt sie grundlos gefangen, zerstört ihre zelte, verteibt sie … und das seit über vierzig jahren, ohne dass ‹die welt› davon etwas erfährt. (an dieser stelle der filmtipp: «sons of the clouds» von Alvaro Longoria beschreibt das thema ausführlich.) und trotz alledem beteiligten sich die sahraouis meines wissens nicht an den obengenannten auseinandersetzungen, sondern verbreiteten gute stimmung, wo immer ich sie antraf. ihr zelt – welches im gegensatz zu den anderen ~pavillonartigen bauten ein ‹richtiges zelt› war –, war immer gefüllt mit musik – mal laut, mal leise – mit tanz und gesprächen oder vorträgen. und auch am letzten tag musste ich sehr lachen: während die menschen mit ihren pavillon-zelten, mit dem wind und dem abbau kämpften, dauerte es bei den sahraouis keine viertelstunde, und es war ‹wie vom erdboden verschwunden› … tja, profis halt (; etc#tt zu den bildern (v.l.o.n.r.u.): 01: «die revolution geht weiter». 02: titelgrafik des forums. 03: tunesien, algerien und república árabe saharaui democrática ‹vereint›. 04: die delegation der sahrouis vor ihrem zelt. 05: auch kunsthandwerk gab es an allen ecken. 06: Hama erklärt unermüdlich die situation. 07: tunesische studenten singen und tanzen zu liedern der revolution. 08: «march of children against violence at 15pm». 09: organisiertes chaos. überall! (; weitere, detaillierte informationen zum thema findet ihr bei unserem lieblingsradio rabe unter www.is.gd/nwwxXb; mehr (farbige) bilder von mir unter www.is.gd/Y0HVR9 (;

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10: der tunesische (widerstands-)sänger Gadour.

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Computertechnologie, Internet und Datenschutz

Swiss I Pass

Ab August 2015 soll der neue «Swisspass» die GA- und Halbtax Karten der SBB ersetzen. Später sollen auch Verbundabos und die Nutzung von diversen SBB-Partnerdiensten, wie etwa Mobility Carsharing, hinzukommen. Was erstmal praktisch klingt, hat aber dennoch seine Tücken.

Geld oder Leben

Mach Dir ein Volk Text: Alois Hinterfuhren | Illustration: mfg

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a war also dieser erfolgreiche Fussballer, der sich Ende März im Interview mit der Basler Zeitung Sorgen gemacht hat. Er sorgte sich, ob sich «das Volk weiterhin mit dem Nationalteam identifizieren kann.» Erst waren die Sportjournalist_innen nicht nur der BaZ, dann fast alle anderen Medienschaffenden begeistert. Endlich traute sich mal einer zu sagen, dass es in der «Nati» zu viele gut aussehende, unschweizerisch selbstbewusste, nie weinende, aufopfernd kämpfende Männer mit schwierig auszusprechenden Namen hat, die so gut sind, dass sie auch für ein anderes Land spielen könnten. Die weder Katholiken noch Protestanten sind, kein Bier trinken (welch Schande!) und auch die Nationalhymne nicht mal zum Schein mitgrölen. Doch wer ist das Volk, das sich da «identifizieren» soll? Sind die Leute, die sich gerne in einem Stadion versammeln, um dort Fähnchen mit Credit-Suisse-Logo zu schwenken, Bier zu trinken und sich Kuh-Kostüme anziehen, das Volk? Das kann nicht sein, denn dann würde «das Volk» gerade mal 0,625 Prozent der Gesamtbevölkerung vertreten. Oder ist «das Volk» einfach ein Fantasiegebilde der Sportredaktion der Blickzeitung? Auch das wäre ein relativ mickriges Volk, denn die (geschätzt) zehn Sportredaktor_innen der Zeitung haben zusammen (geschätzt) 3493 Fantasien, womit wir auf 0,043 der Bevölkerung kommen. Vielleicht sollten wir «das Volk» nach gut protestantischer Tradition besser einfach nach Wirtschaftsleistung definieren. «Volk» ist, wer schafft: Eisenbahnschienen legt, Software programmiert, Alte pflegt,

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Rockmusik spielt, Hochhäuser in Zürich und Zweitwohnungen in Schattenhalb hochzieht, an der Uni Physik unterrichtet, 14,86 Tonnen frisches Brot (pro Mitarbeitende und Jahr) in der Jowa-Bäckerei bäckt, Atommüll von Mühleberg an die französische Grenze karrt, in Stein am Rhein Reinraum-Automaten der Pillenfabrik von Novartis überwacht oder bei H&M den kaum jüngeren Kund_innen in Vietnam genähte Fähnchen andreht. Die Definition von «Volk» nach rein ökonomischen Kriterien hätte den Vorteil, dass sie gerecht und logisch ist, denn Sozialhilfebetrüger, Subventionsschnorrerinnen, Rentenabzocker, Aktienrechtbeugerinnen, Messerstecher, Beamtensesselfurzerinnen, Scheinflüchtlinge und ewige Studentinnen hätten keinen Platz mehr im «Volk». Sie hätte aber den Nachteil, dass man sich fragen müsste, ob das Volk sich mit dem Volk noch identizifieren könne. Denn ganz viele Leute, wenn nicht gar die Mehrheit des Volkes, würde aus den Müttern, Vätern, Brüdern und Schwestern der unschweizerisch nie weinenden, die Nationalhymne auch nicht zum Schein mitsingenden, gut aussehenden, kämpferischen jungen Männer bestehen. Wenn das Volk sich mit dem Volk nicht mehr identifizieren könnte: Das wäre ein Anfang.

Text: peb & rif

Der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) und die SBB lancieren, gemeinsam mit einigen Partnerdiensten, den neuen Swisspass. Ab August werden insgesamt rund drei Millionen Menschen in den Genuss dieser neuen RFID-Karte kommen. Was ist also der Swisspass? Der Swisspass ist eine RFID-Chipkarte. Auf der Karte selbst befindet sich – wie auch jetzt auf dem Halbtax oder GA – ein Passfoto sowie Name und Geburtsdatum der Abonnent_in. Neu ist, dass in einer Karte jetzt mehrere Abos vereint werden können. Besitzt jemand also ein Halbtax und ein Gleis 7-Abo, wird diese Information auf dem RFID Chip gespeichert. Der/die Kontrolleur_in im Zug kann dann – indem die Karte ans Lesegerät gehalten wird – überprüfen, welche Abos die kontrollierte Person gelöst hat. RFID – was ist das eigentlich? Ein RFID-Chip («radio-frequency identification») beinhaltet einen Transponder, welcher auf Funksignale reagiert und die darauf gespeicherten Informationen sendet – in den meisten Fällen nur die Chipnummer. Der Chip selbst benötigt grundsätzlich keine Stromversorgung, sondern wird durch das Lesegerät aktiviert. RFID-Chips können auf kurze Distanzen ausgelesen werden, ein direkter Kontakt von Chip und Lesegerät ist nicht nötig (so basieren teilweise Diebstahlschutz-Chips und die dazugehörigen Schranken in Supermärkten auf RFID). Diese Technologie ist mittlerweile recht weit verbreitet: im Supermarkt, in Bürogebäuden (für Schlüsselkarten), in Freizeitparks und

Skigebieten, in der Uni etc. Zudem ist es auch möglich, RFID-Chips mit dem Smartphone auszulesen. Das ist bei allen RFID-Chips möglich, die nicht besonders geschützt sind und nur von bestimmten Lesegeräten ausgelesen werden können. In diesem Fall muss sich das Lesegerät zuvor gegenüber dem Chip mittels eines Sicherheitszertifikats authentifizieren. Dieser Schutz fehlt jedoch bei den meisten RFID-Karten, mit welchen wir im Alltag zu tun haben – auch beim Swisspass. Swisspass und der Datenschutz Die Lücken und Tücken beim Datenschutz sind allerdings noch einiges grösser, immerhin sendet der Swisspass «nur» die Kartennummer. Die eigentlichen Informationen befinden sich in einer Datenbank, die über das Lesegerät angesteuert wird. Wie es hier mit den Sicherheitsvorkehrungen aussieht, kommuniziert die SBB leider nicht – ausser argumentlosen Beteuerungen, dass «Unbefugte» keinen Zugang auf die Datenbank haben. Allerdings behauptet die SBB auch, dass mit dem Swisspass keine Bewegungsprofile erstellt werden können, was falsch ist. Es mag sein, dass die SBB den Swisspass aktuell nicht zur Erstellung von Bewegungsprofilen zu verwenden gedenkt, die Möglichkeit ist aber definitiv vorhanden. Nach Angaben der Berner Zeitung sollen bereits jetzt Kontrollen der Karten für 90 Tage vom System gespeichert werden. Die KartenID in Verbindung mit Zeit und Ort der Bahnkontrolle bietet jedoch alle Voraussetzungen die zur Erstellung eines Bewegungsprofiles notwendig sind. Weitere Probleme sind, dass die SBB die Daten auch an Dritte weitergibt, diese anonymisiert zu Marktforschungszwecken verwendet und vor allem, dass die personalisierten Daten zu Marketingzwecken verwendet werden, sofern die Kunden dies nicht explizit verbieten. Aufgrund der Monopolstellung der SBB im öffentlichen Bahnverkehr wird es für die meisten Menschen ausserdem unmöglich sein, sich dem Zwang zur Anschaffung eines Swisspasses zu entziehen, sofern sie weiterhin ein Bahnabonnement haben wollen – anders wird es diese in Zukunft nämlich nicht mehr geben.

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ĂœNF PATRONENHĂœLSEN (DDR in MĂźller-Stahl, Manfred h Thein u.a., OV, 84 Min.

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G: JH / Style: Stoner,

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Bananenschachtel voller reit zwischen Zukunft und die Gegenwart aus.

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l Wunderlin, OV, 102 Min.

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K i n o  g 9>: A68=:C9:C H8=J=: – Leben mit DownSyndrom (AT 2014), Dokumentarfilm von Leo Decristoforo und Sonja Christine Wechselberger; OV, 45 Min. – Mit Anwesenheit der Filmemacherin Sonja Christine Wechselberger

G r o s s e H a l l e  g ;AD=B6G@I und Brunch im SousLePont

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F r a u e n r a u m  g EDEH=DE – Frauendisko: offen fßr alle Frauen '(#%%

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F r a u e n r a u m  g 6B>: – Die FrauenkleidertauschbÜrse. Bring deine alten Lieblingskleider mit und finde neue!

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R Ü s s l i  g B6GI>C 7>H> 76C9 (USA/D) / Style:No Wave, Post Punk, Psych

G r o s s e H a l l e  g ID<:I=:G# Von Paraform/Marcel Schwald. Zwischen kollektivem Selbstversuch und HistoryShow wird die soziale Kooperation im Verlauf der Menschheitsgeschichte untersucht '&#%%

K i n o  g Gentrifizierung I: 7JN 7JN HI# E6JA> (D 2014), Dokumentarfilm von Irene Bude, Olaf Sobczak und Steffen JÜrg, OV, 86 Min. '(#%%

D a c h s t o c k  g 8É:HI 7:GC: / Party/ Dancefloor

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F r a u e n r a u m  g I6CO76G# Das ultimative Tanzerlebnis in einem heterofriendly Ambiente fßr Gays & Lesbians – Latin Night mit DJ Zardas '%#(%

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K i n o  g Gentrifizierung II: HDJC9 + 8=6DH - THE STORY OF BC STUDIOS (USA 2014), Dokfilm 71 Min. – CHErstauffßhrun

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F r a u e n r a u m  g EA6N NDJGH:A; – Jamsession fßr Frauen

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F r a u e n r a u m  g :BEDL:GB:CI 96N - Der Gleichstellungstag der Schweizer Musikbranche – HELVETIAROCKT: offen fßr alle Geschlechter. Programm siehe: www.helvetiarockt.ch, www.frauenraum.ch und www.progr.ch.

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K i n o  g Filmclub UniBe: 9G:6B:GH (I, F, UK 2003), von Bernardo Bertolucci, mit Eva Green, Michael Pitt, Louis Garrel u.a., OV/d, 115 Min.

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K i n o  g Expatriates II: =>EE>: B6H6A6 (CH 2006), Dokumentarfilm von Ulrich Grossenbacher, Damaris Lßthi, Musik: Disu Gmßnder, Shalil Shankar, OV/d, 93 Min.

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IM JUNI 15

KINO N Nach dem Zyklus mit Wunsch-Filmen des Kino-Kollektivs im April lassen wir die Saison vor der Sommerpause ausklingen mit dem Abarbeiten der Anfragen, die an uns gestellt wurden, bestimmte Filme zu zeigen, uns angetragene Themen zu behandeln, die wir für wichtig halten: Das Juni-Programm ist ebenso bunt, aber weitgehend fremdbestimmt.

FREITAG, 19., AB 21 UHR

Filmclub UniBe – Vom Hörsaal auf die Barrikaden:

Dreamers (I, F, UK 2003), von Bernardo Bertolucci, mit Eva Green, Michael Pitt, Louis Garrel u.a., OV/d, 115 Min.

SAMSTAG, 6., AB 20.00 UHR

DONNERSTAG, 11., AB 20.30 UHR

SAMSTAG, 13., AB 21 UHR

Die lachenden Schuhe – Leben mit Down-Syndrom

UNJA Jugend:

Gentrifizierung II:

(AT 2014), Dokumentarfilm von Leo Decristoforo

Fünf Patronenhülsen

und Sonja Christine Wechselberger, Musik: Sascha

(DDR 1960), von Frank Beyer, mit Armin Müller-

Sound & Chaos – The Story of BC Studios

Pedrazzoli und Hannes Fankhauser, mit Steffi Bau-

Stahl, Manfred Krug, Erwin Geschonneck, Ulrich

(USA 2014), Dokumentarfilm von Sara Leavitt und

er, Hannes Fankhauser, Maria Kirchmair, Walter

Thein u.a., OV, 84 Min.

macherin Sonja Christine Wechselberger

Hannes spielt Akkordeon, komponiert und malt, er hat mit seinen MusikerfreundInnen eine CD aufgenommen. Steffi spielt mit großer Leidenschaft Saxophon. Maria tanzt für ihr Leben gerne und spielt Akkordeon. Walter war Teilnehmer bei den Special Olympics und liebt die Klangschalen. Vier Menschen erzählen von ihrem Leben und lassen uns an ihrer Freude zur Musik teilhaben. Die Diagnose Down Syndrom spielt in ihrem Leben keine Rolle. «Die lachenden Schuhe» ist eine stimmungsvolle Collage von vier begabten Menschen – ein Film, der von der Lust am Leben erzählt. Ein Film, der berührt und bewegt.

Ryan C. Douglass, mit Martin Bisi, Bill Laswell, Michael Gira, J.G. Thirlwell, Lee Ranaldo u.a., OV, 71

Prieth, OV, 45 Min. – Mit Anwesenheit der Filme-

Während des spanischen Bürgerkrieges wird der deutsche Kommissar Witting schwer verwundet. Er übergibt seinen fünf Interbrigadisten eine Meldung für den Stab, in Einzelstücken aufgeteilt und in fünf Patronenhülsen gesteckt. Zusammenhalten und durchkommen, heißt die Devise. Jedoch sind die Faschisten ihnen Dicht auf den Fersen durch das karge Berggebiet, und der täglich wachsende Durst droht ihnen den Verstand zu rauben.

Min. – Schweizer Erstaufführung mit Anwesenheit des Studio-Inhabers, Produzenten und Musikers Martin Bisi

Im Frühjahr 1968 begegnen sich vor der geschlossenen Cinémathèque Française in Paris drei Cineasten: ein Student aus San Diego und ein französisches Geschwisterpaar. Isabelle und Theo nehmen ihren neuen Feund Matthew mit in die großbürgerliche Wohnung ihrer Eltern im Quartier Latin. Als die Eltern am nächsten Morgen in Urlaub fahren, bleiben die drei 20-Jährigen zusammen, spielen sich Filmszenen vor und schaffen ihre eigene Wirklichkeit. DREAMERS

FÜNF PATRONENHÜLSEN

DIE LACHENDEN SCHUHE

DONNERSTAG, 25., AB 20.30 UHR

Expatriates I:

Chaco Fieber (CH, Paraguay 2013), Dokumentarfilm von Cyrill Wunderlin, OV, 102 Min. SOUND & CHAOS

MITTWOCH, 10., AB 20.30 UHR

Filmclub UniBe – Vom Hörsaal auf die Barrikaden:

E Nachtlang Füürland (CH 1981), von Clemens Klopfenstein & Remo Legnazzi, mit Max Rüdlinger, Christine Lauterburg, Marlene Egli u.a., OV, 90 Min., mit einer kurzen

FREITAG, 12., AB 21 UHR

Gentrifizierung I:

Einführung durch Remo Legnazzi

Buy Buy St. Pauli

Bern, 13. Januar: Neujahrsempfang des Bundespräsidenten − Diplomaten in Staatskarossen fahren vors Bundeshaus. Max Gfeller, Sprecher bei Radio Schweiz International, holt sich für seine Arbeit die gedruckte Rede von Bundespräsident Furgler. Darin ist viel von Menschenrechten und vom Anspruch jedes Einzelnen auf ein bisschen Glück die Rede. In der Stadt demonstriert die Berner Bewegung für ein autonomes Jugendhaus. Max, der alte 68er, wird mit der politischen Realität, dem Frust im Job, den Schwierigkeiten in seiner langjährigen Beziehung und der Verunsicherung seiner Stellung im Berner «Kuchen» konfrontiert. Er versucht, in der Nacht vom 13. Januar einen sauberen Schnitt durch sein Leben zu machen und nach Feuerland auszuwandern, wo er alles anders anpacken möchte... «Wir haben versucht, einen Augenblick, eine Nacht lang unser Umfeld wiederzugeben, die Menschen, denen wir in der Kneipe begegneten, sich selbst darstellen zu lassen. Hoffnungen und Wünsche im Bild festzuhalten, weil es im Film eher möglich ist als im Alltag. Wir haben unsere Zweifel und Verunsicherungen durch Max aussprechen lassen oder eben auch die Unfähigkeit, dies zu tun.» (Clemens Klopfenstein)

czak und Steffen Jörg, OV, 86 Min.

(D 2014), Dokumentarfilm von Irene Bude, Olaf Sob-

Vergammeln lassen, räumen, abreißen, neu bauen, abkassieren? Die Esso-Häuser stehen exemplarisch für einen überall – und nicht nur auf St. Pauli – stattfindenden Verdrängungsprozess. 2009 hat ein großes Immobilienunternehmen die Häuser gekauft, nachdem ihr Vorbesitzer jahrzehntelang seinen Instandhaltungspflichten nicht nachgekommen ist. Die Häuser sollen abgerissen werden und einem stark verdichtetem Neubau weichen. Hinter den angeblich so hässlichen Fassaden der Nachkriegsmoderne-Häuser leben Menschen, die ihr Zuhause lieben: Ihre gemütlich eingerichteten Wohnungen, die gewachsene Kiez-Nachbarschaft, die aufgrund der kleinen Wohnungsgrößen erschwinglichen Mieten. Viele von ihnen haben ihre Wohnungen bezogen, lange bevor es hip und teuer wurde, auf St. Pauli zu wohnen. Und viele von ihnen haben Angst, auf dem angespannten Wohnungsmarkt keine neue Bleibe in ihrem Stadtteil zu finden. Ähnlich geht es den Gewerbetreibenden in den EssoHäusern: Neue Flächen auf St. Pauli für ihre kiez-typischen Betriebe aufzutun, bedeutet gezwungenermaßen, sich in Konkurrenz zu zahlungskräftigen Gastro-Ketten zu begeben.

Als Produzent ist der New Yorker eine Legende: In seinem BC Studio, welches er mit Hilfe von Brian Eno und Bill Laswell Anfangs der 80er-Jahre in einem leer stehenden FabrikKomplex in Brooklyn aufgebaut hat, zeichnet Martin Bisi verantwortlich für die Produktion von Werken von Sonic Youth, Swans, Unsane, Foetus, Dresden Dolls, Cop Shoot Cop, Bill Laswell & Material, Africa Bambaata, John Zorn, The Boredoms, Boss Hog und unzähligen anderen. Zusammen mit Material nahm er für Herbie Hancock den Basis-Track zu dessen Single «Rock It» auf, die erste kommerzielle Aufnahme mit einem DJ, der das Scratching praktiziert. Der Dokumentarfilm zeichnet mit Interviews und einer Menge von Archivmaterial seine und die Geschichte des BC Studios nach, womit er gleichzeitig eintauchen lässt in die Musik-Geschichte dieser nicht nur in New York sehr produktiven Zeit, mit dem Aufkommen von Hip Hop und verschiedenen Spielarten, Punk ein neues Gesicht zu geben. Der Film entstand nicht zuletzt aus dem Gefühl der Bedrohung heraus, die die fortschreitende Gentrifizierung der einst verrufenen Umgebung der FabrikGebäude darstellt, den Punkt absehbar macht, da er sein während über dreissig Jahren betriebenes Studio wird aufgeben müssen: Zeit, die Geschichte dieses Ortes aufzuzeichnen, nebenbei ein umfassendes Stück Musik-Geschichte vermittelnd – und nahe an den Mann herangehend, der uns durch die Gemäuer führt, in denen so manches Album entstanden ist, das in keiner einschlägigen Plattensammlung fehlen dürfte. Martin Bisi wird bei dieser ersten Aufführung von «Sound & Chaos» in der Schweiz anwesend sein und bereit, Fragen zu beantworten, Gespräche zu führen.

Rosaleda, mitten im paraguayanischen Buschland des «Gran Chaco» gelegen, ist lediglich von rund 25 Menschen, mehrheitlich Schweizern bevölkert. Der Chaco ist ein riesiges Buschland, welches sich über Paraguay, Argentinien und Bolivien erstreckt. Im Film Chaco Fieber werden fünf Leute aus dem Dorf porträtiert. Der Film zeigt auf, wie sie ihren Alltag organisieren: Ihr Umgang mit der sozialen, ökonomischen und geografischen Isolation wird thematisiert und es wird klar, welchen Reiz das Leben in der harten Natur hat. Grosse Gefühle wie Freiheit, Unabhängigkeit und Abenteuer sind wichtige Faktoren für die Leute, die dort ihr Leben neu zu organisieren versuchen! FREITAG, 26., AB 21 UHR

Expatriates II:

Hippie Masala (CH 2006), Dokumentarfilm von Ulrich Grossenbacher, Damaris Lüthi, Musik: Disu Gmünder, Shalil Shankar, OV/d, 93 Min.

Ende der 1960er Jahre zogen tausende Blumenkinder auf der Suche nach Erleuchtung gen Asien. Es waren so viele, dass indische Bauern hinter der Wanderbewegung eine grosse Dürre im Westen vermuteten. Die meisten der Aussteiger kehrten bald wieder in ihre Heimat zurück. Doch einige blieben. Wie der Italiener Cesare, der gemeinsam mit anderen Asketen in einer abgelegenen Höhle wohnt und als Yogi nach geistiger Befreiung strebt. Oder Hanspeter aus dem Emmental, der sich als Bergbauer in Nordindien seine eigene Schweiz zimmert. Für die Einheimischen wird der Mann mit der ewig glühenden Haschpfeife aber wohl immer ein Fremder bleiben. Ein Trip zu den Wurzeln der Gelassenheit.


davor und da nach ins: Mittwochs mit Spezialitäten abenden.

SOUS LE PONT

E NACHTLANG FÜÜRLAND HIPPIE MASALA

MITTWOCH, 3.

AB 18.30 UHR

Lamm-Spezia

litäten Ein Lamm au von indisch bi f viele Arten: s französisch MITTWOCH, 10

. AB 18.30 UH

Südafrika-Sp

eine kulinarisc

he Entdeckun

MITTWOCH, 17

R

ezialitäten

. AB 18.30 UH

Fruits de Me

gsreise

R

r feines aus de ohne schlechtm Salzwasser es Gewissen MITTWOCH, 24

. AB 18.30 UH

Tartar-Spezia

der Sommer

R

litäten

roh und frisch

bon appétit

DIENSTAG, 2., AB 19.30 UHR DONNERSTAG. 4., AB 19.30 UHR

Herzog Blaubarts Burg Oper in einem Akt Regie: Joachim Schlömer; Musikalische Leitung: Kevin John Edusei; Bühne: Joachim Schlömer; Kostüme: Heide Kastler; Dramaturgie: Xavier Zuber; Musik: Berner Symphonieorchester

Béla Bartóks «Herzog Blaubarts Burg» ist ein an Symbolen und psychologischen Motiven reiches Kunstwerk, ein «Mysterium in einem Akt». Wie schon zuvor u. a. Charles Perrault und Ludwig Tieck, nahezu zeitgleich Alfred Döblin und später Max Frisch liess sich der junge Bartók – er war 30 Jahre alt – für seine einzige Oper vom Blaubart-Märchen inspirieren. Dieses erzählt von Judith, die dem geheimnisvollen Blaubart auf seine Burg folgt, wo sie mit ihrem Geliebten in Abgeschiedenheit leben will. Um sein Innerstes zu erblicken, bittet sie ihn, die sieben Türen der Eingangshalle zu öffnen – und wird nach und nach mit einem Panoptikum des Grauens konfrontiert. Hinter den ersten fünf Türen, die den Blick freigeben auf Folterkammer, Waffenkammer, Schatzkammer, Garten

und Blaubarts' Land, scheint Blut zu kleben. Allen Warnungen zum Trotz, öffnet sie auch die letzten beiden Türen. Hinter der sechsten liegt ein See voller Tränen verborgen, aus der siebenten aber treten drei Frauen, die Morgenröte, die Mittagssonne und die Abenddämmerung, hervor – und Judith ist verdammt, von nun an als vierte im Bund der verlorenen Frauen als Dunkelheit der Nacht auf ewig in Herzog Blaubarts Burg zu bleiben. Unter dem Eindruck von Richard Strauss’ «Also sprach Zarathustra», bei gleichzeitiger intensiver auseinandersetzung mit ungarischer Volks- und Bauernmusik löste sich Bartók in «Herzog Blaubarts Burg» von der Alleinherrschaft des bisherigen Dur und Mollsystems. Er schuf um Herzog Blaubart und Judith eine differenzierte Klangwelt, in der das Licht der liebenden Judith immer wieder in der abgrundtiefen Dunkelheit von Blaubarts Burg erstickt wird.

IM JUNI 15

GROSSE HALLE SONNTAG, 7. JUNI, 8.00-16.00 UHR

Flohmarkt

Marktbeginn & Hallenöffnung & Spontanreservation ab 7.00 Uhr. Platzweitergabe ab 8.30 Uhr. Maximal 5 m Pro Stand.

FREITAG, 12. / SA. 13. / SO. 14., JE 20.30 UHR

Together

Von Paraform/Marcel Schwald. Details siehe Tojo-Programm


IM JUNI 15

DACHSTOCK

FREITAG 5., AB 23.00 UHR

DIENSTAG, 9., AB 20.00 UHR

SONNTAG 14., AB 20.00 UHR

DONNERSTAG 18., AB 19.30 UHR

Midlilux

Early Show!!!

Im Rössli

Early Show!!!

OCTO OCTA live

TINARIWEN Azawad, Mali

MARTIN BISI & BAND USA/D

HIGH ON FIRE US

MØDULAR live (AFS), RACKER (Midilux, bons vi-

Die Überväter des Tuareg-Blues kommen zu uns und das ist hausintern bereits seit längerem Anlass grosser Freude. Seit ihrer Gründung 1982 in Algerien, haben sich Tinariwen nämlich nicht nur musikalisch entwickelt, sondern sich immer wieder auch politisch gegen die Unterdrückung ihres Volkes engagiert. Das Nomadenfolk wird in der Sahelzone seit den 60ern übelst getriezt und es überrascht somit nicht, haben Tinariwen, gerade durch ihren Aktivismus, vielerorts Sympathien in der Gegenkultur erlangt. Ihr Sound basiert auf traditionellen Tuareg Rhythmen,

Als Produzent ist der New Yorker eine Legende: In seinem BC Studio, welches er mit Hilfe von Brian Eno und Bill Laswell Anfangs der 80er-Jahre in einem leer stehenden FabrikKomplex in Brooklyn aufgebaut hat, zeichnet Martin Bisi verantwortlich für die Produktion von Werken von Sonic Youth, Swans, Unsane, Foetus, Dresden Dolls, Cop Shoot Cop, Bill Laswell & Material, Africa Bambaata, John Zorn, The Boredoms, Boss Hog und unzähligen anderen. Zusammen mit Material nahm er für Herbie Hancock den Basis-Track zu dessen Single «Rock It» auf, die erste kommerzielle Aufnahme mit einem DJ, der das

Musiktheoretische Schnellbleiche: Stoner Doom ist bretthartes Metall-Riffgetöse, Psychedelic beeinflusst, mit klar auszumachenden Grunge-Elementen. Entstanden Anfang der 90er Jahre, in Kalifornien. Pionierbands: The Melvins, Kyuss, Earth oder Sleep - underground Kultformationen - und allesamt werden sie von verschiedensten Künstlern immer wieder als wichtigen Einfluss genannt. Matt Pike – selber Gründungsmitglied von Sleep – startete 1999 ein neues Projekt mit Drummer Des Kensel und Basist Jeff Matz, «High on Fire» nennen sie sich und die Band ist seither Ventil für immer neue Vermengungen von

100% Silk, Running Back / New York, USA

vants), FABIEN (Midilux, Rotary Club)

Zum Ende der aktuellen Midilux Saison gehen wir tief in den New Yorker Underground. Octo Octa ist der noch junge Brooklyner House Produzent Michael Morrison. Mit dem Label 100% Silk aus LA hat er mit seinem emotionalen, Deep House seine musikalische Heimat gefunden. Seine Fangemeinde wächst auch konstant über dem Atlantik. Sein neustes Release «More Times» erschien dieses Jahr auf Gerd Jansons Label «Running

Support: IMARHAN Mali

TINARIWEN

Back». Das Berner Live-Duo Mødular hat seine Wurzeln in unserer geliebten Reitschule. Die zwei Produzenten Beats on Demand & Difracctive hatten ihre Live-Act Premiere am Gaumenschmaus des Kollektivs «Ameise Free System» im Rössli. Nun beehren sie mit ihrem Hardware orientiertem Set-Up den grossen Dachstock. Gleich beide unserer Midilux Residents Racker & Fabien werden vor & nach den Live-Acts ihre Lieblingsplatten spielen & uns in die Sommerpause tanzen lassen.

nordafrikanischem Folk eigentlich, diese sind die Grundlage des unverwechselbar warmen Timbres. Die vornehmlich synkopierten Takte werden mit Blues und Psychedelic angereichert, nichts Kompliziertes im Prinzip. Schön trocken, leichter Drone, unglaublich eingängig, eigentlich muss man es einfach lieben. Es bleibt zu hoffen, dass sich die schon etwas gesetzteren Herren in der Reitschule zuhause fühlen werden und sie in Höchstform aufspielen werden, ihr Ruf eilt ihnen auf jeden Fall voraus.

SAMSTAG 6., AB 22.00 UHR

FREITAG, 12., AB 23.00 UHR

CHLYKLASS

Albumtaufe «Wieso immer mir?» Ausverkauft!!! Keine Abendkasse!! Afterparty: MAX POWER, LINK & SKOOB

Mit über 30 Veröffentlichungen und Konzerten auf nahezu allen Bühnen der Deutschschweiz ist das Berner Hiphop-Kollektiv Chlyklass ein fester Bestandteil der Schweizer Musikszene. So prägte der 1999 gegründete Zusammenschluss der Bands Wurzel 5, Baze, Greis und PVP mit etlichen Alben wie «Eifach Nüt», «D‘ Party isch vrbi», «Jugendsündä» oder «Eis» ein ganzes Jahrzehnt des Mundart-Raps in der Deutschschweiz. Zehn Jahre nach dem letzten offiziellen Gemeinschaftsprojekt «Ke Summer» veröffentlicht die Chlyklass im Mai 2015 mit ihrem Album «Wieso immer mir?» einen neuen Tonträger, welcher nun im Dachstock unter Getöse getauft werden soll.

C'est Berne

PROFONDO Walfisch Rec. , NICOLA KOCH Mischkultur, VIGNERON und COSIE Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah! Gemessen an einer Kleinstadt geht in Sachen elektronische Tanzmusik in Bern einiges ab! C’est Berne widmet sich einheimischem Tanzmusikschaffen und präsentiert vier lokale DJs.

SAMSTAG 13., AB 21.00 UHR

SOUND & CHAOS THE STORY OF BC STUDIO im Kino, Reitschule, Bern; Details siehe Rössli USA, 2014, Sara Leavitt & Ryan C. Douglass, feat. Martin Bisi, Bill Laswell, JG Thirlwell, Michael Gira a.m.o. - CH-PREMIÈRE

Scratching praktiziert. Der Dokumentarfilm zeichnet mit Interviews und einer Menge von Archivmaterial seine und die Geschichte des BC Studios nach, womit er gleichzeitig eintauchen lässt in die Musik-Geschichte dieser nicht nur in New York sehr produktiven Zeit, mit dem Aufkommen von Hip Hop und verschiedenen Spielarten, Punk ein neues Gesicht zu geben. Der Film entstand nicht zuletzt aus dem Gefühl der Bedrohung heraus, die die fortschreitende Gentrifizierung der einst verrufenen Umgebung der FabrikGebäude darstellt, den Punkt absehbar macht, da er sein während über dreissig Jahren betriebenes Studio wird aufgeben müssen: Zeit, die Geschichte dieses Ortes aufzuzeichnen, nebenbei ein umfassendes Stück Musik-Geschichte vermittelnd – und nahe an den Mann herangehend, der uns durch die Gemäuer führt, in denen so manches Album entstanden ist, das in keiner einschlägigen Plattensammlung fehlen dürfte. Martin Bisi wird bei dieser ersten Aufführung von «Sound & Chaos» in der Schweiz anwesend sein und bereit, Fragen zu beantworten, Gespräche zu führen. Am Sonntagabend wird zudem im Rössli das Konzert von Martin Bisi, der im Studio bis auf das Schlagzeug alle Instrumente selbst einspielt, und zwei Mitmusikern aus Berlin stattfinden. Vor einem Jahr ist mit «Ex Nihilo» sein fünftes Album unter eigenem Namen erschienen. Wie alles, worin er seine Hände im Spiel hat, entzieht sich seine eigene Musik jeglicher Kategorisierung – weshalb er sie der Einfachheit halber als Post-Rock bezeichnet, ohne dass sie notwendigerweise so tönt wie etwas anderes was unter diesem Namen segelt. «The Set is definitely a New York style, No Wave, Psych, Post-Punk experience», meint er.

Metal, Sludge, Stoner und Doom. Das Trio bestreitet unzählige Touren und beteiligt sich genretypisch an unzähligen Kollaborationen innerhalb der Szene. Dadurch erspielen sie sich einen hervorragenden Ruf, auch weit über die Landesgrenzen hinaus und werden beispielsweise in Japan sehr hoch gehandelt. Die Jungs brüten zurzeit über einem neuen Album und auf ihrer Europatour werden erstmals Stücke von diesem Werk live zu hören sein, wir sind gespannt.

SAMSTAG 20., AB 23.00 UHR

Darkside

BAD COMPANY UK & MC GQ DEEJAYMF, TONI B, NICKY F & BADBOY MC

Im Juni präsentiert die Darkside mit Bad Company UK noch einen echten Leckerbissen vor der Sommerpause. Jason Maldini hat 2008 die letzte Darksidebestritten und wird im Juni zusammen mit Vegas sowie MC GQ den Dachstock beschallen.

BAD COMPANY UK


IM JUNI 15

RÖSSLI MITTWOCH, 10., AB 20.00 UHR

Blockföte des Todes

Als Blockflöte des Todes Mastermind Matthias Schrei die ersten paar Zeilen für sein inzwischen fünftes Album geschrieben hatte, sagte er zu seiner Frau: «Du, ich glaube, ich mache jetzt was mit Gehalt». Die freute sich und fragte, was für einen Job er sich denn suchen wolle. Aber Schrei hat lieber seine Platte fertig gemacht und schon beim ersten Lied wird einem warm ums Herz. Eine butterweiche Gitarre spielt fragile Töne und die sonst so böse Blockföte singt vom Zusammenleben mit seiner frisch geborenen Tochter. Eine Bratsche gesellt sich dazu und wird nach wenigen Takten von zwei Violinen unterstützt. «Mach was du willst, du sollst ja alles probieren – nur bitte später nicht BWL studieren.» Schreis Sprache ist erfrischend direkt und schnörkellos; die Bilder stecken

DONNERSTAG, 4., AB 21.00 UHR

Baseball Bat Boogie Bastards PLATTENTAUFE «GO GO HIPPO» support: Trixie Trainwreck DE

The Baseball Bat Boogie Bastards were founded by the Bogo-Family in 2009. From the beginning the Bastards had a wide range of influences in their music. Rock n’ RollGuitar player Ädu Bogo, Metal-Bass player Ritchu Bogo and Jazz-Drummer Mitchu Bogo mixed 50ies Rockabilly / Country, 60ies Garage-Trash and 70ies Punk to a wild rocking sound. Since 2011 the Bastards became more and more an old-school Psychobilly Band. The rhythms got faster and the bass lines crazier. The songwriting is now made by the entire band itself and cover songs are played less and less. With a clear guitar, a small Standup-Drumset and a slapping Bass, the Bastards always keep the songs simple but their influences are still hearable. To this day it’s difficult to categorize them in a genre, which is exactly what they want: Being independent of all things, which may restrict them in their musical uniqueness. www.bastardos.ch

TRIXIE TRAINWRECK NO MAN BAND «For those of you who have not yet heard Trixie Trainwreck and her No Man Band, I would hurry up. Trixie will never be lost to Berlin, but with her cultivated look and talent, we will soon only be able to see her between world tours. With a rock steady rhythm guitar strum and the round boom of her one woman band bass drum, Trixie poured out heartfelt country ballads, with an occasional rock and roll growl, just in case you might think its an angel singing. Catch her while you can.» (- Kevin Fletcher/ Indie Berlin) «Best one girl band ever!» (-Papa Roland/ Squoodge Records) TRIXIE TRAINWRECK NO MAN BAND

MARTIN BISI DONNERSTAG, 11., AB 21.00 UHR

«ANTI RADIO» Record Release Brain & Device Records

Mit ihrem ersten Release «Beat Enoteca» vor knapp 2 Jahren, haben sich «Brain & Device Records» bereits eine solide Fanbase erarbeitet und vor allem in der Beatmakerszene der Schweiz heftigst Staub aufgewirbelt. Nun steht das zweite Vinyl unter ihren Fittichen an – «ANTI RADIO», instrumental Hip-Hop aus Basel – und die Platte muss natürlich gebührend getauft werden. Das Rössli lädt somit zu diesem supersmoothen Release und wir dürfen uns auf verschiedene Livesets – unter anderem vom Lokalmatadoren und Brain & Device Mitbegründer” Funk Bastard – freuen. https://brainanddevicerecords.bandcamp.com

SONNTAG, 14., AB 20.00 UHR IM RÖSSLI REITSCHULE BERN

Martin Bisi & Band USA/D

Martin Bisi guitar 2-credit Nicole Capobianco Am Sonntagabend wird im Rössli das Konzert von Martin Bisi, der im Studio bis auf das Schlagzeug alle Instrumente selbst einspielt, und zwei Mitmusikern aus Berlin stattfinden. Vor einem Jahr ist mit «Ex Nihilo» sein fünftes Album unter eigenem Namen erschienen. Wie alles, worin er seine Hände im Spiel hat, entzieht sich seine eigene Musik jeglicher Kategorisierung – weshalb er sie der Einfachheit halber als Post-Rock bezeichnet, ohne dass sie notwendigerweise so tönt wie etwas anderes was unter diesem Namen segelt. «The Set is definitely a New York style, No Wave, psych, post-punk experience», meint er.

SONNTAG, 14., AB 21.00 UHR

Martin Bisi & Band USA/D MITTWOCH, 17., AB 20.00 UHR

SAMSTAG, 13. AB 21.00 UHR IM KINO IN DER REITSCHULE BERN

BLOCKFÖTE DES TODES

Sound & Chaos The Story of BC Studio

(USA, 2014), Sara Leavitt & Ryan C. Douglass, feat. Martin Bisi, Bill Laswell, JG Thirlwell, Michael Gira

nicht in den Worten, sondern entstehen im Kopf. Überhaupt wirkt die Blockföte erwachsener, seine Alltagsbeobachtungen sind noch feiner geworden, noch ehrlicher. «Passiert nicht oft, dass wir uns streiten. Dazu haben wir zu viele Gemeinsamkeiten, zum Beispiel gemeinsame Schulden. Manchmal frag’ ich mich ob wir uns nur deswegen noch erdulden.» Das soll aber nicht heißen, die Flöte sei gar nicht mehr albern und verspielt. Nach dem ersten Hören des Albums wird es nahezu unmöglich, ohrwurmfrei an der Obstauslage im Supermarkt vorbei zu gehen. «Mampfe Mango mit mir! Mango, Mango die ganze Nacht.» Meistens befindet sich Schrei auf dem schmalen Grat zwischen blödsinnig und tiefgründig. Bei «I kissed a boy» verweist er charmant auf die leider immer noch zahlreich vorhandenen homophoben Spinner hierzulande und gipfelt in «Bart auf Bart und trotzdem zart». «Fifty Shades Of Earl Grey» macht Lust auf Tee und mal wieder aufmerksam Musik genießen. Wer gerade keinen Plattenspieler zur Hand hat, dem sei die digitale Variante ans Herz gelegt. Die ist nämlich für den audiophilen Wohlfühlfaktor direkt vom Vinyl in Einsen und Nullen gewandelt worden*. Zum Schluss singt Schrei noch ein rührendes Schlaflied, das er für seine Tochter geschrieben hat. «Bitte schlaf jetzt ein, damit ich hier nicht länger sitz’ – deine Mama hat gesagt, sie wär’ grad spitz.» Wahrscheinlich können das alle Eltern nachvollziehen. ALLE. www.blockfloetedestodes.de *Viele Menschen sind der Meinung, dass Schallplatten viel schöner klingen als CDs. Einige davon wis-

a.m.o. – CH-Première

Als Produzent ist der New Yorker eine Legende: In seinem BC Studio, welches er mit Hilfe von Brian Eno und Bill Laswell Anfangs der 80er-Jahre in einem leer stehenden FabrikKomplex in Brooklyn aufgebaut hat, zeichnet Martin Bisi verantwortlich für die Produktion von Werken von Sonic Youth, Swans, Unsane, Foetus, Dresden Dolls, Cop Shoot Cop, Bill Laswell & Material, Africa Bambaata, John Zorn, The Boredoms, Boss Hog und unzähligen anderen. Zusammen mit Material nahm er für Herbie Hancock den Basis-Track zu dessen Single «Rock It» auf, die erste kommerzielle Aufnahme mit einem DJ, der das Scratching praktiziert. Der Dokumentarfilm zeichnet mit Interviews und einer Menge von Archivmaterial seine und die Geschichte des BC Studios nach, womit er gleichzeitig eintauchen lässt in die Musik-Geschichte dieser nicht nur in New York sehr produktiven Zeit, mit dem Aufkommen von Hip Hop und verschiedenen Spielarten, Punk ein neues Gesicht zu geben. Der Film entstand nicht zuletzt aus dem Gefühl der Bedrohung heraus, die die fortschreitende Gentrifizierung der einst verrufenen Umgebung der FabrikGebäude darstellt, den Punkt absehbar macht, da er sein während über dreissig Jahren betriebenes Studio wird aufgeben müssen: Zeit, die Geschichte dieses Ortes aufzuzeichnen, nebenbei ein umfassendes Stück MusikGeschichte vermittelnd – und nahe an den Mann herangehend, der uns durch die Gemäuer führt, in denen so manches Album entstanden ist, das in keiner einschlägigen Plattensammlung fehlen dürfte.

sen sogar warum. Als logische Konsequenz hat Bo

Martin Bisi wird bei dieser ersten Aufführung von

Kondren beim Mastering eine dynamische Version

«Sound & Chaos» in der Schweiz anwesend sein

des Albums auf eine Dubplate geschnitten und über

und bereit, Fragen zu beantworten, Gespräche zu

ein in Hörtests ausgewähltes System zurück in den

führen.

The Goddamn Gallows

support: Fat Footed Fish Farmers

The Goddamn Gallows came from the heart of America’s Rust Belt, arising from a night of flophouse violence. Drifting across the states, they cemented their sound in Portland, OR and later in Los Angeles, CA, where they lived in abandoned buildings, squatter camps, storage units and shoebox apartments. In 2007, they left everything behind and spent the next 4 years living out of whatever vehicle would get them to the next town. Building upon their original sound of twanged-out, punk rock gutterbilly (Life of Sin 2004 and Gutterbillyblues 2007), they began picking up stray musicians along the way and adding to their sound; washboard, accordion, mandolin and banjo (Ghost of th’ Rails 2009 and 7 Devils 2011) creating a sound referred to as «hobocore», «gypsy-punk» or «americana-punk», while never being stuck in any one sound.

DONNERSTAG, 18., AB 22.00 UHR

HEU, STROH & HAFER

Seit nunmehr 5 Jahren sind sie ein Paar, Heu, Stroh & Hafer und die Rössli Bar! Electronic Dance Music at his best, Lokalmatadoren an den Tellern und Lokaldompteure an der Bar, so muss es sein!

MITTWOCH, 24., AB 20.00 UHR

Offene Bühne

Neu! Die Offene Bühne im Rössli! Neu ab 21h! Wie immer 15 Minuten für Dich! Alles ist möglich! Anmeldungen vor Ort herzlich willkommen!

DONNERSTAG, 25., 21.00 UHR

THE SEX ORGANS Single Release Party

Rechner gespielt, ehe die finalen Bearbeitungen stattfanden. Die CD beginnt mit dem Aufsetzen der Nadel und endet mit der Auslaufrille.

The Sex Organs from outer space! Intergalactic sex n’ roll!


TAL DER SCHURKEN

TOGETHER

IM JUNI 15

TOJO THEATER

FREITAG, 12. MITTWOCH, 3.,

SAMSTAG, 13.

DONNERSTAG, 18.,

FREITAG, 5.

SONNTAG, 14. JUNI 2015 JE 20.30 UHR.

FREITAG, 19. UND

UND SAMSTAG, 6., JE 20.30 UHR

VORFÜHRUNG IN DER GROSSEN HALLE.

SAMSTAG, 20., JE 20.30 UHR

DO. 25. / SA. 27. JUNI 2015 JE 20.30 UHR

Tal der Schurken

Together

Ballast abwerfen

DICCILLU…

Von imbodenproduction. Spiel/Realisation: Regula

Von Paraform/Marcel Schwald.

Von BananenSchachtelRepublik. Spiel: Daniel

Von cie. dysoundbo. Künstlerische Leitung: Linda

Imboden, Carina Pousaz. Video: Angelo Sansone.

Regie: Marcel Schwald. Von/mit: Susanne Abelein,

Korber. Regie: Anna Papst. Ausstattung: Simone

Magnifico, Sasha Shlain. Choreografie: Linda

Bühne: Peter Meier. Kostüm: Rudolf Jost. Musik:

Léonard Bertholet, Olivia Csiky-Trnka, Daniel

Fröbel. Dramaturgie: Mira Sack.

Magnifico. Tanz: Pamela Monreale, Patricia Ro-

Hans-Peter Pfammatter.

Hinojo, Patricia Noçon, Julia Schmidt. Luzern. www.danielkorber.com

Komposition: Sasha Shlain. Live Musik: Jake Pisaq,

Trailer: www.youtube.com/watch?v=Ncio64zmQOw

2015 feiert das Wallis 200 Jahre Beitritt zur Schweizerischen Eidgenossenschaft. Dabei war den Wallisern 1815 wohl nicht zum Feiern zu Mute. 1802 war das Wallis noch eine unabhängige Republik von Frankreich. Diese Unabhängigkeit wollte man sich immer wieder erkämpfen, so im Sonderbundkrieg von 1847, bei dem das Wallis als letzter Kanton gegen die eidgenössischen Truppen kapitulierte. Auch lehnten die Walliser zweimal, 1848 und 1874, die liberalen Verfassungen des Bundes ab. «Der Traum einer eigenen Republik ist bis heute noch nicht ganz ausgeträumt.» Luzius Theler im Tages-Anzeiger vom 04.02.2012. Zwei Walliserinnen - die Schauspielerin Regula Imboden und die Bewegungskünstlerin Carina Pousaz - widmen sich ihrem Heimatkanton und seinen Einwohnern und setzen sie ins Zentrum eines Theaterabends, der ausschliesslich aus Zitaten erarbeitet wurde. Das Wallis und seine Schurken werden aus der Perspektive der Restschweiz betrachtet - Standpunkte, Meinungen und Vorurteile erfahren auf der Bühne eine lustvolle Überhöhung. Dafür schlüpfen die SpielerInnen ins Wolfskostüm, in eine fremde Haut, die den beiden totale Narrenfreiheit gewährt. Sie werden zu floating individuals, heimatlosen Flüchtlingen auf der Suche nach einem neuen Revier. Als Wölfe, die nicht nur im Wallis ein brisantes Thema sind, ein polarisierendes, eines, das die Gemüter spaltet, streifen die beiden durchs Schurkental und erzählen sich Geschichten von alten Helden und neuen Schurken. Es ist ihr Wallis, das sie durchqueren, ein in der Gegenwart verhaftetes und zugleich historisches, mit reicher Vergangenheit behaftetes Tal. Der Abend führt Material aus den unterschiedlichsten Fachgebieten, Medien und Bereichen, die das Wallis betreffen mit Originaltönen aus der Oberwalliser Bevölkerung zu einem Theaterabend zusammen. Seine Darstellungsformen werden durch die Wahl von nicht-literarischen und nicht-dramatisierten Texten erweitert und in einen unerwarteten Zusammenhang gesetzt. "Tal der Schurken" ist eine Hommage an einen Kanton, ein Stück Schweizer Geschichte und trägt Züge des Dokumentartheaters.

tondaro, Soledad Steinhardt, Elena Morena Weber. Sasha Shlain. Gesang: Rahel Buchhold.

Trailer: https://vimeo.com/122204590

Together schickt sechs PerformerInnen in ein Experiment zwischen History Show und kollektivem Selbstversuch. Marcel Schwald und sein Team widmen sich mit Hilfe des Buchs «Together – The Rituals, Pleasures and Politics of Cooperation» von Richard Sennett den Werten von Gemeinschaft und sozialer Kooperation. Die Vision, dass Menschen grosse Herausforderungen gemeinsam lösen können, fasziniert immer wieder aufs Neue. Gemeinschaft heisst, dass keiner verloren geht, die Schwächsten mitgetragen werden und alle im Boot bleiben. Befeuert von Sennetts Sozialoptimismus lassen sich die Performer auf ein abenteuerliches Vorhaben ein: Sie graben sich durch die Epochen der Zivilisationsgeschichte, auf der Suche nach Handlungsanleitungen, die zur Lösung aktueller Bedürfnisse dienlich sein könnten. Ein Steinzeitszenario bildet den Auftakt zu einer Suche nach der Geschichte der sozialen Kooperation. Im Schnelldurchlauf wirbeln die PerformerInnen durch Epochen und Kontinente, stellen grosse Entdeckungen, Erfindungen und Ereignisse nach und galoppieren unter vollem Einsatz durch die Zivilisationsgeschichte. Als die Sumerer erfinden die PerformerInnen das Rad, die Pest rafft sie alle kurzzeitig dahin, während der Völkerwanderung verschieben sie Grenzen und entdecken später Amerika. Dabei gerät die Gruppe mit ihren unterschiedlichen Überzeugungen schnell an ihre Grenzen. Was, wenn man nun soziale Kooperation als zukunftsweisende Methode anwenden will? Es braucht eine Pause. Der History-Show im ersten Teil des Abends folgt ein Selbstversuch im hier und heute. Bewertungsverfahren für Gesellenund Meisterstücke in mittelalterlichen Werkstätten werden veranschaulicht, Einblicke in die ersten, von Frauen geführten französischen Salons gewährt oder Wertschätzungsrituale geschildert, die am Tuskegee Institut in Alabama nach der Abschaffung der Sklaverei in Amerika entwickelt wurden. Durch subtile Interaktionen untersucht der Abend auch immer wieder die «Togetherness» der Zuschauenden und Darstellenden, die sich den Theaterraum teilen. Paraform zuletzt im Tojo im Oktober und November 2013 mit "Enfants Terribles", (Siehe Megafon 10/13 und 11/13)

Alles beginnt mit einer Bananenschachtel. Auf der Schachtel steht "Daniel" geschrieben. Darin befindet sich eine Sammlung von Dingen, wie sie wohl jeder von uns auf dem Estrich hat: Kindheitsschätze wie die Salamanderversteinerung oder das Lieblingsstofftier, das erste Paar Schuhe oder das Schwimmabzeichen. Und Dinge, die man selbst schon geerbt hat, wie den Rosenkranz der Uroma. Kurz: Eine Kiste voll Vergangenheit. Daniel, dem diese Schachtel gehört, will für unbestimmte Zeit in die weite Welt. Alles was er mitnehmen darf, ist ein Rucksack von 23 kg. Ist es wichtig, für die Zukunft gerüstet zu sein, oder Dinge dabeizuhaben, die einen daran erinnern wo man herkommt? Und wo bleibt in diesem Wettstreit zwischen Zukunft und Vergangenheit die Gegenwart? Im Spalt zwischen Abreisen und Ankommen sind Raum und Zeit aufgelöst und man kann mit Dinosauriern darüber sprechen, was für ein aussergewöhnliches Geschöpf der Mensch doch war... Zur ersten Probe brachte er eine Kiste voller Gegenstände mit, die er im Lauf der Jahre durch seine Leidenschaft für Tier und Natur angehäuft hat. Nichts davon war mehr in Gebrauch – die Gegenstände zeugten viel mehr von einer zurückliegenden Zeit. Daniel wird nie mehr mit einem Plastikdinosaurier spielen – es sei denn mit seinen Kindern. Dennoch kam es nicht in Frage, den Dinosaurier oder andere Objekte aus der Kiste wegzuwerfen. Dafür waren (und sind) sie viel zu kostbar. Diese Bananenschachtel voller unnützer, aber unentbehrlicher Gegenstände wurde zum Zentrum der künstlerischen Forschung. Entstanden ist ein Abend über die Frage, was bleibt und was wird. Ein Plädoyer für die Gegenwart. Was wir über die Dinosaurier wissen, haben wir aus Knochenfunden und Versteinerungen rekonstruiert. Hier wird diese Perspektive für einmal umgedreht: Was würden Dinosaurier, die nach uns lebten, über die Menschheit denken? Was würden sie anhand von den Fundstücken, die der Mensch ihnen hinterlassen haben würde, rekonstruieren? Sind die Objekte, die jeder von uns in irgendeiner Kiste auf dem Dachboden aufbewahrt deshalb so kostbar, weil sie das Einzige sind, was von uns übrig bleibt? Was würde unsere Ansammlungen von Dingen einem Dinosaurier aus der Zukunft über uns verraten? Dieser Perspektivenwechsel wurde zur treibenden Kraft des Abends: Welche Kiste soll von uns übrig bleiben?

www.dysoundbo.net

Italianità im Tojo. cie.dysoundbo präsentiert eine mitreissende Tanzperformance mit Live Musik, in der die sizilianische Choreographin Linda Magnifico die Reize, Geheimnisse und Widersprüche ihrer Heimat zu ergründen versucht. Diccillu, ist sizilianisch für «erzähle über uns». Dieser Aufforderung kommt cie.dysoundbo nach. Die Tänzerinnen hören zu, beobachten, interpretieren, erzählen und zeigen eine berührende, lebensbejahende und inspirierende Darstellung von Sizilien; Insel unzähliger Wiedersprüche und wilder Schönheit. Modernes Vokabular des zeitgenössischen Tanzes trifft auf folkloristisch geprägte Musik; Traditionen und Widersprüche einer europäischen Realität vereinen sich auf der Bühne. Begleitet von Live-Musik, inszenieren vier Tänzerinnen und eine Sängerin in ausdrucksstarken Bildern und virtuosen Bewegungsabläufen sizilianisches Lebensgefühl. Der kreative Prozess basierte auf Improvisation. Zu vorgegebenen Themen fanden die Tänzerinnen den Freiraum für Körperaktionen die dann in Bewegungen umgestaltet wurden. Durch die Kompositionen von Sasha Shlain erhält «DICCILLU...» eine weitere Erzählebene. Er griff dabei Elemente der Volksmusiktradition Siziliens, sowie Klänge und Laute der Insel auf. Mit dabei ist auch die Sängerin Rahel Buchhold und der russische Gastmusiker Jake Pisaq. In der Interpretation steht die Schauspielerin/Sängerin Rahel Buchhold im Vordergrund, der Komponist und Musiker Sasha Shlain und der Gitarrist und Sänger Jake Pisaq nehmen hingegen die Rolle der Begleiter ein: sie sorgen mit einfachen Instrumenten für die musikalische Stimmung und für den Soundtrack. Der Dramaturg Turi Zinna hat der Choreografin während dem kreativen Prozess Katalysatoren vorgeschlagen, Kerne, um die herum starke, unvermeidbare Beziehungen entstehen. Das Szenario ist ein Haushalt; vier Frauen, verbunden durch undurchdringbare Geheimnisse, bereiten ein niemals stattfindendes Festmahl vor. Sie warten auf einen Gast, der nie auftauchen wird. Ein Mann im Mittelpunkt ihres ganz persönlichen Mysteriums. Für jede ist er Sohn, Bruder oder Geliebter - und steht gleichzeitig für Entbehrung und unerfüllte Begierde. cie. dysoundbo zuletzt im Tojo im Januar 2014 mit «Darf ich bitten?». Siehe Megafon 01/14)


FELLINI’S «TOTALE LIEBE»

IM JUNI 15

FRAUENRAUM FREITAG 05., AB22.00 UHR offen für alle Frauen

Popshop - Frauendisko Der letzte Popshop vor der Sommerpause! Lasst uns gemeinsam die Nacht durchtanzen zu den grössten Popklassikern der letzten Jahrzehnte. Djane Anouk Amok wird um unser musikalisches Wohl besorgt sein. Let’s dance because it is our revolution!

PREMIERE: DONNERSTAG, 11., AB 20.30 UHR

DIENSTAG 09., AB19.00 UHR *

«Seit dieser Nacht war ich wie verzaubert»

WEITERE VORSTELLUNGEN: FR. 12. / SA. 13. / SO. 14. / DO. 18. / FR. 19. / SA.

Frauenliebende Frauen über siebzig erzählen.

20. / DI 23. / DO. 25. / FR. 26. / SA. 27. / DI. 30. JUNI UND DO. 2. / FR. 3. / SA. 4. / DI. 7. / DO. 9. /

SAMSTAG 13., AB20:30 UHR *

TanzBAR Feiern wir die Fiestas wie sie fallen: mit etwas Salsa und Merengue, einer Prise Reggae, einem Schuss Reggaeton sowie coolem Latin- und Afro-Pop, verabschiedet sich die TanzBAR in die wohlverdiente Sommerpause. Geschüttelt und gerührt, erklingt aus den Boxen ein bunter, rhythmischer MusikCocktail, der keine Ferienwünsche offen und kein Tanzbein mehr ruhig bleiben lässt! Die TanzBAR wünscht euch einen sonnigen und schönen Sommer 2015! Das ultimative Tanzerlebnis in einem heterofriendly Ambiente für Gays & Lesbians.

ab 22.30 Uhr Latin Night mit DJ Zardas

FR. 10. / SA. 11. JULI JE 20.30 UHR. Lesung aus dem Buch mit Autorin Corinne Rufli,

FELLINI’S «TOTALE LIEBE» von Charles Lewinsky, nach einer Idee von VOR ORT Tramdepot Burgernziel, Thunstrasse 106. Koproduktion: Schlachthaus Theater Bern Tickets bis 20.6. über www.schlachthaus.ch

ab

23.6. Reservation: www.tojo.ch Künstlerische Leitung, Spiel: Sonja Riesen, Domi-

nicht verlassen. Danach folgt eine jahrelange Odyssee über die Tschechei, Italien und Argentinien bis hin zu einem 18 monatigen Gefängnissaufenthalt wegen Kollaborationsverdachts. 1953 taucht die vom Schicksal gezeichnete Schauspielerin im Film "I Vitelloni" von Federico Fellini wieder auf. Das Stigma der Affäre mit Goebbels wird sie aber bis zu Ihrem Lebensende nicht mehr los.

nique Jann, Mathis Künzler. Regie: Jonathan Loosli. Spiel: Eleni Haupt, Ursula Stäubli, Rico Grandjean, Dominik Gysin, Giulin Stäubli. Musik: Moritz Alfons. Bühne, Kostüm: Romy Springsguth. Maske: Arta Sahiti. Produktionsleitung: Michael Röhrenbach.

Eine für Bern einzigartige Fassade, die wie ein Fremdkörper an vergangene Zeiten erinnert, ist Kulisse und Spielort der neusten VOR ORT Inszenierung. Kurz bevor das Berner Stimmvolk darüber entscheidet, ob die mehr als 100jährigen Tramdepot Hallen am Burgernziel abgebrochen werden, bespielt die Gruppe das Gebäude und das umliegende Gelände ein voraussichtlich letztes Mal. Das Tramdepot wird zum fiktiven Filmstudio über dem, wie in Federico Fellini’s «Orchesterprobe», bedrohlich die Abrissbirne schwebt. Den Stoff zu Fellini’s «Totale Liebe» liefert eine unfassbare Verknüpfung von historischen Begebenheiten des letzten Jahrhunderts. 1936 lernt die junge tschechische Schauspielerin und Filmdiva Lída Baarová in den Ufa-Filmstudios Babelsberg Joseph Goebbels kennen und wird die heimliche Geliebte des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda. Im Vorfeld des Anschlusses des Sudetenlandes an das deutsche Reich, wird die Affäre bald zum Zankapfel im Zentrum der Macht und Hitler höchstpersönlich verbietet Goebbels in einer Krisensitzung auf dem Obersalzberg, bei der neben Magda Goebbels auch die gesamte NS-Elite anwesend ist, die staatszersetzende Liaison. Baarovà erhält daraufhin Spielverbot und ein Verbot der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und darf zunächst Deutschland

In Zusammenarbeit mit Charles Lewinsky entwickelte VOR ORT ein Theaterstück über diese Begebenheiten. Darin inszeniert Federico Fellini in seinem Spielfilm «Totale Liebe» seine phantastische Version dieser Liebes- und Leidensgeschichte, wobei die ausgedienten Tramdepot Hallen zu einer Berner cinecittà werden. Das Publikum ist bei den Dreharbeiten mitten drin und erlebt neben der Geschichte, die gedreht wird, auf einer zweiten Handlungsebene den Regisseur, die SchauspielerInnen, den Aufnahmeleiter, die Kameraleute und den Produzenten am Set hautnah mit...

präsentiert von «Sie kam und blieb» FREITAG 19., AB20:30 UHR

Renate (84) nennt sich Lesbe, ist aber mit einem Mann verheiratet. Berti (78) liebt Elisabeth (77) seit über vierzig Jahren, ist vierfache Grossmutter und geschieden. Margrit (81) führte in den 1960er-Jahren Tanzabende für Frauen durch. Liva (82) betete nach ihrem ersten Mal mit einer Frau das Vaterunser. Ältere Frauen, die Frauen lieben, sind in unserer Gesellschaft bis heute nicht sichtbar. Erstmals blicken in diesem Band elf Frauen über siebzig auf ihr Leben zurück. Sie erzählen, wie sie ihre Beziehungen in der bürgerlichen Enge der Schweiz gestalteten, wie sie von der Frauenbewegung angezogen oder abgestossen waren, wie sie einen Mann heirateten oder sich in eine Frau verliebten und wie sie heute leben. Ihre Geschichten sind voller Lebenslust – berührend und bislang unerhört. Sie zeigen aber auch die Ausgrenzung von Frauen, die sich nicht dem Ideal der Hausfrau und Mutter unterwerfen wollten, und dokumentieren die Vielfalt eines Frauenlebens jenseits von Kategorien.

VOR ORT

Corinne Rufli (*1979) ist Historikerin und lebt in Ba-

Seit 2010 produziert VOR ORT ortsspezifisches Theater an ausgewählten Schauplätzen auf Berner Stadtgebiet. Mit poetischer Bildsprache und trügerischer Flüchtigkeit bespielt VOR ORT bekannte und verborgene Orte in Bern und eröffnet dem Publikum überraschende neue Perspektiven und Blickwinkel auf die Stadt. Dabei ist Teil des Konzepts, dass der geschichtliche Hintergrund oder Assoziationen zu den bespielten Orten mit in die Stücke einfliessen. VOR ORT verwandelt die Realität in Fiktion und die Fiktion in Realität. 2013 mit "BRUDER TOD" im Inneren der Monbijoubrücke, 2012 mit "NEULAND" auf dem ehemaligen Zaffaraya-Gelände wo die Berner 80er Jahre Unruhen Ihren Höhepunkt fanden und 2010 mit «Die Sage vom Schlachthausstier» in der Berner Altstadt

zur Frauen- und Lesbengeschichte.

den. Sie arbeitet als freie Journalistin und forscht

www.hierundjetzt.ch

DONNERSTAG 11., AB21.00 UHR

Barometer:

heller & leiser. Das LesBiSchwules Chillen zu elektronischen Leckerbissen – jetzt aber wirklich! Das LesBiSchwule Chillen zu elektronischen Leckerbissen

mit den BarOmeter DJ’s

BALLAST ABWERFEN SAMSTAG 13., AB14 UHR offen für alle Frauen

Amie

Die Frauenkleidertauschbörse Bring deine alten Lieblingskleider mit und finde neue! – eine Tauschbörse abseits der Modeindustrie.

offen für alle Frauen

Play Yourself

Jamsession für Frauen Play yourself ist die Gelegenheit im kleinen, offenen Rahmen deine musikalischen Ideen zu testen. Die Bühne ist den ganzen Abend offen für Improvisation und für kleine, auch spontane Auftritte. Mics und ein paar Instrumente stehen zur Verfügung. Eigene Instrumente sind auch sehr willkommen. Alle, die Lust haben, können loslegen. Ob geübt oder noch nie ausprobiert spielt keine Rolle. Eintritt frei.

SONNTAG 21., AB16:00-20:00 UHR*

EMPOWERMENT DAY

Der Gleichstellungstag der Schweizer Musikbranche. Helvetiarockt, die Musikschaffenden Schweiz und weitere Partnerinnen lancieren gemeinsam den Empowerment Day – den Gleichstellungstag der Schweizer Musikbranche. An diesem Tag setzen sich professionelle Berufsschaffende aus dem Schweizer Musikbusiness, aber auch Vertreter_innen aus Veranstaltungstechnik, Wirtschaft, Politik und Bildung, mit der Präsenz, dem Status und dem Anteil der Frauen und Männer in der Schweizer Musikszene auseinander: N`i Y\jZ_ ]k`^\e lej [Xd`k# nXild Frauen in den Bereichen der populären Musik noch eine deutliche Minderheit darstellen und was es braucht, damit sich die Gleichstellung im «Business» durchsetzt. N`i bi`k`j`\i\e ]XcjZ_\ Qli Zb_Xckle^ und machen Mut zum «Einfordern». N`i [`jblk`\i\e d ^c`Z_\ Jkfcg\ijk\`e\ und lernen gemeinsam aus gemachten Erfahrungen. Wir führen Vergleiche mit anderen «frauenatypischen» Sparten auf und lassen Gender-Fachpersonen zu Wort kommen. <j ^`Yk IXld qli M\ie\kqle^% 8cc\ M\ianstaltungen stehen explizit auch Männern offen, da wir überzeugt sind, dass Männer von der Vernetzung von und mit Frauen profitieren. Der Gleichstellungstag findet 2015 im PROGR und im Frauenraum der Reitschule statt. Die detaillierten Programme finden sich unter www.helvetiarockt.ch, www.frauenraum.ch und www.progr.ch. *Die Veranstaltung ist offen für alle Geschlechter.


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G r o s s e H a l l e  g =:GOD< 7A6J76GIH 7JG< q Oper in einem Akt - musiktheater

S o u s l e P o n t  g A6BB"HE:O>6A>ItI:C0 ein Lamm auf viele Arten: von indisch bis französisch

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T o j o T h e a t e r  g I6A 9:G H8=JG@:C# Von imbodenproduction. Eine Hommage an das Wallis – zusammengesetzt aus Zitaten von Politik, Kultur, Medien, Wissenschaft und Alltag.

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F r a u e n r a u m  g »H:>I 9>:H:G C68=I L6G >8= L>: K:GO6J7:GI¼ ; Frauenliebende Frauen über siebzig erzählen. Lesung aus dem Buch mit Autorin Corinne Rufli; präsentiert von «Sie kam und blieb»

S o u s l e P o n t  g Hz96;G>@6"HE:O>6A>ItI:C0 eine kulinarische Entdeckungsreise

K i n o  g JC?6 ?J<:C9/ FÜ 1960), von Frank Beyer, mit Armi Krug, Erwin Geschonneck, Ulrich

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K i n o  g Filmclub UniBe: : C68=IA6C< ;zzGA6C9 (CH 1981), von Clemens Klopfenstein & Remo Legnazzi, mit Max Rüdlinger, Christine Lauterburg, Marlene Egli u.a., OV, 90 Min., mit einer kurzen Einführung durch Remo Legnazzi

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S o u s l e P o n t  g ;GJ>IH 9: B:G feines aus dem Salzwasser ohne schlechtes Gewissen

D a c h s t o c k  g =><= DC ;>G Doom, Metal, Sludge

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R ö s s l i  g I=: <D996BC <6AADLH Style: Bluegrass, Metal, Punk Rock

T o j o T h e a t e r  g 76AA6HI BananenSchachtelRepublik. Eine Kindheitsschätze löst im Wettstr Vergangenheit, ein Plädoyer für d

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S o u s l e P o n t  g I6GI6G"HE:O>6A>ItI:C ; der Sommer roh und frisch

K i n o  g Expatriates I: 8=68D 2013), Dokumentarfilm von Cyrill

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R ö s s l i  g D;;:C: 7z=C: Style: Acoustic, Open Mic

T o j o T h e a t e r  g 9>88>AAJ gleitet von Live Musik, inszenier Sängerin in sizilianisches Lebens


5

Nr. 395 | Mai 2015

Caféperspektiven

Francis

I

Text: Eva

ch sitze in meinem Pariser Lieblingscafé, dem Francis, Ecke Rue Custine/Caulainecourt. Das Publikum ist gut durchmischt, viele Gäste sind jung, sie lernen, lesen, küssen, diskutieren, oder tummeln sich im Internet. Nur selten verirren sich Touristen, obschon die Sacré Coeur nur ein paar Treppenstufen entfernt thront. Wie in fast allen Pariser Bars oder Brasserien gibt es einen halboffenen, geheizten Aussenraum, wo geraucht werden darf und Wärmestrahler Energie verbrauchen, um das rauchende Volk nicht frieren zu lassen. Das Francis ist immer voll. Am Vormittag nimmt man das Croissant aus der Boulangerie von nebenan, die Musik ist leise und genügend Zeitungen sind vorhanden. Den ganzen Tag servieren sie frisch gemachte, dicke Frites mit Schale. Sie schmecken wunderbar, sind goldgelb und knusprig. Zur Happy Hour gibt’s Bier und die eben genannten Frites zum halben Preis. Je später der Abend, desto lauter die Musik und dunkler das Licht. Nur durch die Scheibe getrennt beobachte ich vier junge Männer. Die Grossstadt – nein, die Weltstadt – ist nicht mehr zu übersehen. Da sie ausgiebig mit sich beschäftigt sind, entgehen ihnen zum Glück meine neugierigen Blicke. Ein Haarschnitt ähnelt dem eines Klosterabts, als hätte er sich einen Topf aufgesetzt, und das, was noch hervorschaute, abgeschnitten, aber im Unterschied zum Abt trägt er seine Haare grell, hellgrün, und im Nacken sind sie hochrasiert. Die Fingernägel sind lang und im selben Grün wie die Haare. Als er einmal zur Toilette geht, sehe ich seinen überdimensionalen grauen Wollpullover (garantiert selbst gestrickt), darunter eine hautenge Leggins, auch in grau, und grosse, schwarze Schnürstiefel mit hellgrünen Schnursenkeln. Sein Gang sexy und selbstbewusst. Der Mann ihm vis-à-vis, mit echt kastanienrotem Haar, ist still und scheint den andern nur zuzuhören. Er näht, oder besser, er stickt mit verschieden Farben ein Muster auf den Deckel seines Notizhefts, welches mit Sicherheit Modeskizzen enthält. Gekonnt wie das tapfere Schneiderlein hantiert er mit Nadel und Faden. Seine Utensilien hat er in einem kleinen orangen Täschchen, ein abgewetztes und unübersehbar viel geliebtes Teil. Das Heft, kein teures Moleskine, und die häufig, mit flinken Fingern gedrehten Zigaretten sind sehr dünn. Das Geld scheint knapp.

Schnappschuss

Für diese Zeitung und zur Ergänzung unseres Redaktionsteams bietet sich ab 1. Juni oder nach Vereinbarung die Möglichkeit einer unentgeltlichen Anstellung als

Auf dem Tisch herrscht ein kreatives Durcheinander, ihnen gehört die Welt. Der Dritte, ich sehe ihn nur von hinten, verdreht seine schlaksigen Arme und spielt erotisch mit seinem schwarzen krausen Haar am Hinterkopf. Beim Reden, er tut dies viel, verzieht er theatralisch seine Schultern in alle Richtungen und wirft die Arme in die Höhe. Noch nie habe ich so lange und bewegliche Arme gesehen. Der Vierte im Bunde lacht vor allem und ist mit dem Feilen seiner Fingernägel beschäftigt. Er ist sehr jung und trägt ein wunderschönes Baseballkäppi mit roten Rosen. Sie sind Paradiesvögel, jung, interessant, in Paris und haben ein ganzes Leben vor sich. Ein bisschen bin ich neidisch – nur ein bisschen, auf den Mut, die Jugend und die Selbstverständlichkeit. Was wohl aus ihnen werden wird? Der neue Yves Saint Laurent oder François Ozon von übermorgen? Ich wünsche ihnen von ganzem Herzen viel Glück. Nur wenige Strassen entfernt, im kleinen Viertel, wo ich immer wohne, da, wo sich die ersten Einwanderer aus dem Maghreb niederliessen, da, wo der nette Metzger Halal und in dritter Generation die grossen Fleischstücke an Restaurants in ganz Paris liefert und immer Zeit hat für einen kurzen Schwatz auf der Strasse, da dominiert Testosteron das Strassenbild. Jobs sind Mangelware und Zeit ist im Überfluss vorhanden. Schwarz und grau zu tragen ist Ehrensache, die wenigen Farbtupfer sind die Markenlabels auf den Turnschuhen oder das Rot-Weiss der illegal importierten Marlboroschachteln. Schwul oder Modestundent zu sein, ist hier in weite Ferne gerückt. Wie es denen wohl geht, die es gerne wären? Der arabische Frühling ist da nie Sommer geworden. Eine ganze Generation scheint beim Verteilen des Glückskuchens übergangen worden zu sein und Privilege liegen einige Strassen weiter in der anderen Welt. Vier Tage später im Francis sehe ich den Grünen wieder, der mit der Abtfrisur, grün scheint passé, der Kopf ist kahl, die Ohrringe gross und die Nägel in schrillem Rosa. Er sitzt alleine und liest, leider kann ich den Titel nicht erkennen und all zu neugierig mag ich nicht sein. Ich bin froh, dass er liest. Ich war im Jeu de Paume und vermute zu wissen, wo der junge Mann die Inspiration für die Frisur her hatte – die Frisur, wie die der wunderbaren Florence Henri... Googeln lohnt sich.

Journalist_in (20 %)

Aufgaben Neben der Teilnahme an drei Sitzungen im Monat und der Übernahme kleinerer administrativer Tätigkeiten unterstützt du unser Redaktionsteam durch das Schreiben oder Organisieren von journalistischen Inhalten für unsere monatlich erscheinende Zeitung. Anforderungen Du bist selbständig, selbstbewusst und trotzdem lernfähig. Du arbeitest gerne im Kollektiv. Du bist kritisch gegenüber managerialem und banal-revolutionärem Aktivismus. Du kannst widersprechen. Du hasst den Konsens, suchst ihn aus pragmatischen Gründen manchmal trotzdem. Dein Blick auf die Welt fällt durch das parteipolitische Raster und grenzt sich radikal von esoterischem Gedankengut ab. Du weisst wo Oben und wo Unten ist. Du bist bereit, ab und an auch administrative, geisttötende Arbeiten zu verrichten. Ab und zu hast du eine gute Idee. Wir bieten: Free food, free drinks, free press.

Kinderbuchtipp

Von tanzenden Tieren Text: Ruth Baeriswyl

Auf dem Baum wird der Ast im vierten Stockwerk frei. Familie Specht ist hocherfreut über dieses Angebot, denn gestern wurde Ihre Bleibe gefällt. Der Ast ist komfortabel – vier Meter lang, Holzboden, Südseite und bester Landeplatz. Erich Eichhorn, der Vermieter, versichert sich nur noch, ob die Spechts wirklich keine Haustiere haben und dann zieht die Familie ein. Nur eben, niemand hat mit der Klopferei der Spechts gerechnet. Die Maus ganz unten am Baum fordert die Lösung mit der Katze. Die WG links oben unterm Dach ist ebenfalls entsetzt. Erich Eichhorn nun nimmt die Sache in die Hand: «Morgen um halb drei Baumversammlung für alle!!!» Die Bewohner machen ihrem Ärger Luft und Herr Specht ist erstaunt ob deren Empfindlichkeit, jedoch willig, eine Lösung zu finden: Er organisiert Tanzstunden und klopft mit seiner Familie im Walzertakt. Bald wirbeln Federn, Felle und Füsse. Ein Bilderbuch über Toleranz und unkomplizierte Lösungen. Und auch die Illustrationen lassen Raum zum Staunen und Schmunzeln. Engel, Peter | Riesenkrach unterm Blätterdach | Lappan Verlag Foto: Sabine Hunziker

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Nr. 395 | Mai 2015

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Kurzschluss I

Traditionelles Trauerspiel Text: bass

Illustration: nor

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Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Der erste Mai ist Arbeiter_innenkampftag. Der erste Mai ist Tag der Arbeit. Der erste Mai – in Bern – ist ein Trauerspiel. Da versammeln sich Jahr für Jahr Linke jeglicher Schattierung in der Berner Altstadt, um 10 Minuten lang umherzulatschen und nennen das dann Demonstration. Dann beten ein paar Ausgewählte ihre – je nach Wahljahr unterschiedlich ausfallenden – Reden von der Bundesplatzbühne, während die «Basis» sich sichtlich bemüht, an ihren

Risotto zu kommen und dem sowieso unverständlichen Gerede nicht zu viel Beachtung zu schenken. Und was tut man als junger linker Mensch in Anbetracht dieses Selbstbefriedigungsrituals, das alle 12 Monate noch mehr an politischer Sprengkraft zu verlieren scheint? Man holt sich seine Alkoholreserven im Denner, weil an der einzigen Bierquelle der Maifeier die Insignie des bierbrauenden Grosskapitals prangt: «Feldschlösschen». Man kann von Traditionen halten was man will. Der erste Mai mag aus historischer Sicht von enormer Bedeutung sein, für die Arbeitendenbewegung aller Länder. Doch wenn die einzige Kraft, die aus diesem Brauch noch zu ziehen ist, jene Versammlung mit der politischen Ausstrahlung eines «Schweizer Fleisch»-Grillfests ist, dann sollte sich Berns Linke vielleicht einmal überlegen, ob es nicht an der Zeit wäre, den ersten Mai den heutigen Umständen anzupassen. Zumindest ist die Carlsberg-Tochter heuer wieder weg vom Bundesplatz.

Text: Tom (frühpensionierter Reitschüler)

Staatsanwältin Cornelia Spicher war mit den Nerven am Ende. Soeben hatte sie die Meldung erreicht, dass knapp 2 Stunden zuvor auch der letzte der 62 Polizeiposten des Kantons Bern¹ angegriffen und von unten bis oben schwarzrot eingefärbt worden war. Ebenso wie schon zuvor die Büros der Generalstaatsanwaltschaft, der fünf Staatsanwaltschaften, der fünf Jugendanwaltschafts-Dienststellen, der Kantonalen Staatsanwaltschaften für Wirtschaftsdelikte und für Besondere Aufgaben² sowie der Gerichtsbehörden³ in den Regionen Bern-Mittelland, Berner JuraSeeland, Emmental-Oberaargau und Oberland. Selbst die Wohn- und Ferienhäuser sowie die Schrebergarten- und Hundehäuschen aller Staatsanwält_innen, Jugendanwält_innen, juristischen Sekretär_innen, Assistent_innen, Kanzlei- und Sozialdienstmitarbeiter_innen, Richter_innen, Gerichtsschreiber_innen und –mitarbeiter_innen leuchteten in einem fröhlichen Schwarzrot. Cornelia Spicher verfluchte den Tag, als sie das Dossier «Farbanschlag Waisenhaus-Polizeiposten» übernommen hatte. Zwar hatten Medien, Sicherheits- und Polizei(gewerkschafts)kreise mit dem Zauberwort «Linksterrorismus» Tür und Tor für kreative Fahndungsaktionen und lustvolle Hausdurchsuchungen geöffnet, doch die juristisch eher gewagten Verdachtsmomente und Anschuldigungen hatten ihr schon zu Beginn leichtes Bauchweh verschafft. Mit abenteuerlichen Konstrukten alleine war eben kein Fall zu gewinnen, da mussten schon Beweise und im Idealfall Geständnisse her. Dass die Sondereinheit «Enzian» gleich zwei besetzte Häuser als Razzia-Spielwiese nutzen konnte – quasi eine Zwischennutzung von oben – war zwar Balsam für die farbwaidwunden Polizist_innen-Seelen,

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aber langsam gingen selbst der mit allen Ausredenwassern gewaschenen Polizeimedienstelle die schönfärberischen Ausflüchte aus, mit denen die brachialen Enzian-Einsätze – notabene im staatsanwaltlichen Namen von Cornelia Spicher – gegenüber der immer skeptischer werdenden Öffentlichkeit gerechtfertigt wurden. Es war wie verhext: Bei keiner der Farbaktionen – notabene über 100 – gab es Zeug_innen, Videoaufnahmen, verwertbare Spuren, DNA oder Fingerabdrücke. Und angesichts der rasant sinkenden Beliebtheit von Polizei und Justizbehörden schnellten die Verdächtigenzahlen immer mehr in die Höhe – quasi die ganze Kantonsbevölkerung war jetzt tatverdächtig. Cornelia Spicher wurde angesichts der Vorstellung, über 1 Million Bürger_innen befragen und deren Alibis überprüfen zu müssen, schwindlig. Sie brauchte ein Glas Wasser. Als sie sich im Spiegel ihres Büro-Lavabos betrachtete, traute sie ihren Augen kaum: Ihr Gesicht leuchtete schwarzrot. «Wie ein Sith aus Star Wars», dachte sie, bevor sie das Bewusstsein verlor. Draussen an der eingefärbten Fassade des Amtshauses materialisierte sich derweil wie von Geisterhand ein riesiger Schriftzug: «Einfärben die Sith wir müssen.» So geht das. 1 police.be.ch/police/de/index/ueber-uns/kantonspolizei/polizeiwachen.html

2 justice.be.ch/justice/de/index/justiz/organisation/staatsanwaltschaft/kontakt.html

3 http://www.justice.be.ch/justice/de/index/

justiz/organisation/obergericht/kontakt.html

Für diese Zeitung und zur Ergänzung unseres Redaktionsteams bietet sich ab 1. Juni oder nach Vereinbarung die Möglichkeit einer unentgeltlichen Anstellung als

Gestalter_in (20 %)

Aufgaben Neben der Teilnahme an drei Sitzungen im Monat und der Übernahme kleinerer administrativer Tätigkeiten unterstützt du unser Redaktionsteam bei Layout und Gestaltung der Zeitung. Dies findet immer am vorletzten Wochenende des Monats statt. Anforderungen Du bist selbständig, selbstbewusst und trotzdem lernfähig. Du arbeitest gerne im Kollektiv. Du bist kritisch gegenüber managerialem und banal-revolutionärem Aktivismus. Du kannst widersprechen. Du hasst den Konsens, suchst ihn aus pragmatischen Gründen manchmal trotzdem. Dein Blick auf die Welt fällt durch das parteipolitische Raster und grenzt sich radikal von esoterischem Gedankengut ab. Du weisst wo Oben und wo Unten ist. Du bist bereit, ab und an auch administrative, geisttötende Arbeiten zu verrichten. Ab und zu hast du eine gute Idee. Wir bieten: Free food, free drinks, free press.

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C’est la merde Comix: Nicolophonius Fuhrimann

Nr. 395 | Mai 2015

Kurzschluss II

Willkommen zur Retraite Text: ffg

Ein gutes Jahr ist es her, als das megafon eingestellt wurde. Danach diskutierten und planten alte und neue Redaktionsmitglieder die Zukunft unserer Lieblingszeitung. Im Oktober erschien das neue megafon zum ersten Mal – dieses Heft ist die siebte derartige Ausgabe. Am letzten Märzwochenende dieses Jahres zog es uns deshalb ins (definitiv ruhige) Hinterland Grindelwald, um das intensive Jahr zu besprechen. Retraite nennt man diese der Reflexion gewidmeten Ausflüge allgemein. Für die_den dieses Heft finanzierende_n Lesende_n hier eine Zusammenfassung der Ereignisse. Die ersten Bierchen wurden um elf Uhr vormittags geöffnet; und das in praller Sonne. Weitere folgten in regelmässigen Abständen. Auch Tabakmangel gab es nicht, es wurde eifrig gestopft, gedreht und geschleckt. Kopfschmerzen tauchten bei vielen Retraiter_innen auf, wohl durch die Einflüsse: Sonne, Alkohol, wahnsinniger Höhenunterschied (ungefähr 500 Meter) zur Stadt mit Reitschule und Bundeshaus. Sonnenbrand in Gesicht und Dekolleté kamen auch noch dazu. Zur Entspannung leistete man sich einige Partien Mario Kart, mit der Nintendo 64 (vergessen, im neuen Mediamarkt abzugeben. Glück gehabt!).

Gebirg der Sprache Text: sak

Die Aussicht von unserer Unterkunft, einem klassischen Chalet, liess uns (und vor allem den Schreibenden) vor Ehrfurcht erstarren: Des Eigers Nordwand und andere, von uns leider namentlich nicht definierbare Erhebungen standen da, und Wolken tanzten in den wildesten Formen um ihre Gipfel, während an den Bergflanken Lawinen mit Donnergetöse niedergingen. Unsere Gespräche kreisten um den beim megafon schon fast chronischen Personalmangel («Wo sind die jungen Politos?!»), Artikel über Drogen und deren mögliche Titel wie «LSD und Grossstadtschamanismus», unüblich üble Vornamen, die man oft in Hipsterquartieren wie der Lorraine hört, Lichternährung und die Charakterisierung der Betriebsgruppe-Mitglieder als «Reitschul-Gurus». Taktiken zur Abonnent_innen-Gewinnung wurden diskutiert und man war sich uneins, ob man dazu eher die Boulevard- oder die Qualitätsschiene fahren sollte (oder beides? Geht das überhaupt? Oder gibt’s gar noch andere Wege?). In vielen Punkten war man sich einig: Zum Beispiel darin, dass bald eine gross angelegte megafon-Promo-Aktion anrollen wird. Oder, dass das allmonatliche Zeitungsfalten im Infoladen offen für alle sein soll – einerseits zum Unterstützen der meist schon angeheiterten Redaktion, andererseits als Möglichkeit, uns persönlich kennenzulernen und Fragen sowie Anregungen einzubringen. In anderen Punkten herrschten tiefe Gräben in unserer sonst so einträchtigen Crew: Veganismus – ja oder nein? Und ob man sich in Schulen als Schüler_innen gegen Lehrer_innen verbünden soll? Fleischessende Lehrende hatten da eine andere Haltung als die (ehemals) lernenden Vegis… Es blieb aber alles friedlich. Mario Kart kanalisierte aufkeimende Aggressionen und unterbewusstes Konkurrenzdenken; Kochkünste, Laphroaig und Amarone besänftigten Mägen und Köpfe. Du willst nicht den ganzen Retraitenrückblick lesen? Alles in einem Satz: Mit dem Bier in der Hand diskutierend Sonnenbrand kriegen, während man staunend der Lawine zusieht, die den Eiger runterrollt und aus dem Hintergrund BingbingGeräusche vom Fernseher hört.

Aufhören, solange es noch gut ist. Man soll aufhören, solange es noch gut ist Doch was heisst das schon – Sollen Wohl, dass man müsste Dass man wohl müsste Und trotzdem nicht kann Zwischen zwei Bergen liegt Immer ein Tal Das ist mal was für immer Zwischen dem Können und dem Müssen liegt Immer ein Sollen Ein abgrundtiefes Tal Ein abgrundtiefes Sollen

schreibe ein E-Mail an: megafon@reitschule.ch oder sende eine Postkarte an: Postfach 7611, CH-3001 Bern mit Name, Adresse und dem Satz: Ich will ein Abo! Im folgenden Monat erhältst du das aktuelle megafon und in einem separaten Brief einen Einzahlungsschein. Wenn du das megafon verschenken möchtest, brauchen wir eine Liefer- und eine Rechnungsadresse.

Man kann nicht aufhören, solange es noch gut ist Und vorher sollte man es zumindest versucht haben Man, Man, Man All diese starken Verben Man, Man, Man Bei solch starken Verben Schwächelt das Subjekt substantiell

Ein Jahresabo kostet 72 Franken oder ein bisschen mehr, wenn du uns zusätzlich unterstützen möchtest.

Starke Verben, diese Gebärdensprache der Weisheit Dieser allgemeinen, dieser dezidierten, dieser himmelhohen Weisheit Keine Ahnung von den Dingen, von den Menschen Aber gut informiert über die Zusammenhänge und Verbindungen Die Züge nach Grindelwald Sie fahren immer zur vollen Stunde Ob das wohl noch reicht

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Warten auf die Nacht Und das Gestirn Warten auf die Dunkelheit Die das Gebirg ins Nichts taucht Sich selber in Frage stellen Dazu braucht es das Gestirn Um sich zu behaupten aber Das Gebirg

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Impressum Redaktion AG megafon | Postfach 7611, CH-3001 Bern megafon@reitschule.ch | Fon 031 306 69 66

Layout megafon Druck Druckerei Reitschule Weiterverarbeitung Druweva Redaktion Nora Ryser (nor), Felix Graf (ffg), Marius Albrecht (mal), Basil Schöni (bass), Samuel Kaiser (sak), Andres Marti (res), Milena Gsteiger (mfg), Patrick Kuhn (pak), Tom Hänsel (#tt). Nächster Redaktionsschluss 1. Juni 2015 Erscheint monatlich, Auflage ca. 1 000 Ex.; Die in den Beiträgen wiedergegebene Meinung muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Weder mit bildlichen noch textlichen Inhalten sollen die Lesenden dazu aufgerufen werden, Straftaten zu begehen. Die Artikel dieser Zeitung unterstehen einer CreativeCommons Lizenz. Für nicht-kommerzielle Zwecke können sie mit Quellenangabe frei verwendet werden.

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Nr. 395 | Mai 2015

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Interview zum Farbanschlag

«Wir setzen Nadelstiche!» In der Nacht vom 20. auf den 21. Februar attackierten rund zwei Dutzend Vermummte den Polizeiposten am Waisenhausplatz. Es entstand Sachschaden, ein Polizist wurde leicht verletzt. Heftige Reaktionen vonseiten der Medien, der Stadt und der Polizeiführung folgten. Die «Berner Zeitung» brachte die Anwendung des Terrorismusparagrafen für die Verantwortlichen ins Spiel. Ende März gab es Hausdurchsuchungen in zwei besetzten Häusern wegen des Vorfalls.

Z

wei am Angriff beteiligte Personen erklärten sich bereit für ein Interview mit dem megafon. Den beiden Interviewten war es zu Beginn des Gesprächs wichtig festzuhalten, dass wir mit ihnen als Individuen und nicht etwa als Delegierte einer Gruppe sprechen. megafon: Unsere erste Frage: Was wolltet ihr mit eurer Aktion erreichen? Jürg*: Die Aktion soll zeigen, dass es möglich ist, gegen dieses Bollwerk der Macht mit einfachsten Mitteln anzugehen. Die Aktion sollte zum Nachdenken anregen. Das hat sie auch.

Nehmt ihr dabei das Verletzen von Menschen bewusst in Kauf? Oder anders gefragt: Ist das zu Schaden Kommen von Menschen erklärtes Ziel oder ungeplanter Nebeneffekt der Aktion?

Interessant – wo zieht ihr dann die rote Linie, wessen Gefährdung ihr in Kauf nehmt? Den Feuerwehrleuten soll nichts passieren, den Polizist_innen hingegen schon? R: Moment: Es war ein Angriff auf das Haupt-

gebäude der Institution Polizei in Bern. Auf die Polizei als Stellvertreterin für das System, für den Staat. Denn sie schützt das System, sie führt die Gewalt des Systems direkt und physisch aus! Als der eine Polizist verletzt worden ist, verteidigten wir uns lediglich gegen eine drohende Verhaftung. J: Der Polizist hat sich durch sein «Ja» zur Polizei entschieden, auf welcher Seite er steht. Von daher darf man ihn ruhig angreifen, das ist okay. Er übernimmt freiwillig die Funktion der Polizei, also vertritt er dieses Herrschaftssystem. Er hätte sich auch für einen anderen Job entscheiden können, wie es die allermeisten Menschen getan haben. Du würdest also eine_n Polizist_in auch in seiner Freizeit, wenn er_sie nicht im Dienst ist, angreifen?

Jürg:

Unsere Aktion war auf Sachbeschädigung an einigen Amtsgebäuden ausgelegt. Das Bild eines blutrünstigen Mobs, der Polizist_innen töten will, ist eine Erfindung der Medien. Ruedi*: Wenn der Staat Menschen illegalisiert, einsperrt, ihnen jegliche Selbstbestimmung entzieht und nicht selten dadurch Menschen zur Selbsttötung treibt, ist das für die gleichen Medien, die gegen uns hetzen, ein «tragischer Vorfall», mehr nicht. An geparkten Polizeiautos gab es Sachschaden, Scheiben wurden eingeschlagen. Wenn es euer Ziel ist, möglichst viel Sachschaden zu verursachen und ihr schon mit so vielen Personen vor Ort seid: Wieso kehrt ihr die Karre nicht aufs Dach oder zündet sie sogar an? R:

Es geht weniger um die genaue Summe des Sachschadens, sondern um das Zeichen. Symbolisch ist der Ort wichtig. Es sind Nadelstiche, die wir setzen. Wir können natürlich nicht den ganzen Polizeiverkehr lahmlegen oder alles kurz und klein hacken. J: Wenn wir die Karre angezündet hätten, hätte auch eine erhebliche Fremdgefährdungsgefahr bestanden. Wenn die Karre plötzlich hochgeht und dabei löschende Feuerwehrleute verletzt werden, ist das überhaupt nicht das, was wir erreichen wollen.

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J:

Würde ich einem Polizisten privat begegnen, mit seiner Tochter an der Hand, ich würde ihn niemals attackieren... Sobald er aber eine Waffe und die Uniform trägt, ist er klar in der Position des Staatsschützers. P1: Und die Polizei kam bei diesem Vorfall ja auch, um uns anzugreifen. Auch wir sind keine Hausfassade... Wir sind Menschen, die es nicht mögen, wenn man sie anfasst und gewalttätig angeht. Die Polizei sollte sich mal fragen, weshalb sie ihre Gewalt als normal ansieht, uns aber gleichzeitig als Terroristen bezeichnet, nur weil wir eine Hausfassade eingefärbt haben. J: Es ging bei der Aktion nie darum, konkret Menschen anzugreifen, sondern es ging um das Gebäude. R: Noch vor zehn Jahren hätte es deswegen kaum einen derartigen Medienkrawall zur Folge gehabt. J: Lächerlich – Flaschenwürfe gegen ein Gebäude oder die gepanzerte Polizei sind ein nicht aushaltbarer Terrorakt? Und die Gewalt, die tagtäglich an den Grenzen Menschen umbringt, die Gewalt, die Tag für Tag 100’000 Menschen und mehr an Hunger sterben lässt, ist nur ein tragischer Zwischenfall?

Ihr habt euch in eurem Communiqué kurz nach der Aktion auf den Tod eines 24-Jährigen im Berner Amtshaus bezogen. Tut ihr denn auch etwas für bessere Haftbedingungen, organisiert ihr Gefangene, oder schmeisst ihr nur Farbflaschen? R: Ich kämpfe nicht wirklich gerne für besse-

onetten kommen, um uns anzuhalten, verjagen wir sie, wenn wir können. Wie reagiert ihr auf allfällige Repression? Seid ihr vorbereitet? R:

(deutlich, halb lachend) Da scheiss ich drauf! J: Auf Repression muss man immer eingestellt sein. Wir haben bisher den geeigneten Umgang mit den Ermittlungsbehörden gefunden: Auf keiner Ebene mit ihnen zu kooperieren. Und wenn es passiert, dass ich verhaftet werde, dann gehört das dazu zum Risiko des Engagements.

re Haftbedingungen, denn das Knastsystem ist das Problem. Einige wenige schicken sich an, über andere zu richten und sie einzusperren – ein enormer Gewaltakt! Es stimmt sicher, dass wir diesen konkreten Menschen nicht gekannt haben. Sein Tod zeigte aber, dass die Haftbedingungen im Regionalknast in Bern enorm schlecht sind – 23 Stunden eingesperrt sein, nur eine Stunde an der frischen Luft... Man muss Horror-Knäste nicht im Ausland suchen! Den Menschen wird jedes Mass an Selbstbestimmung weggenommen. J: Zudem gab es x weitere Todesfälle in Knästen in der Schweiz in letzter Zeit. Diese Menschen hielten es dort drin nicht mehr aus. Und wegen der Schwere des Delikts des 24-Jährigen: Er sass wegen Vermögensdelikten! Auch deswegen griffen wir in dieser Nacht den Knast an. Die Aktion hätte aber auch ohne den Todesfall stattgefunden. Wir wollen das ganze System überwinden. Deswegen machen wir solche Aktionen. Zugegeben: Es ist sicher auch unsere Ohnmacht, so vorzugehen, da die Veränderung, die wir uns wünschen, schlicht noch nicht in greifbarer Nähe ist. R: Reformen bringen in diesen Gewaltinstitutionen nun mal nichts! Wenn es bei den Haftbedingungen Verbesserungen gibt, ist das sicher zu begrüssen, aber schlussendlich muss das ganze Konstrukt zerstört werden.

J: Das stimmt nicht, dass diese Aktionen immer von der Reitschule aus stattfinden. Wenn wir so etwas planen, schauen wir immer, von einem Ort aus zu agieren, an dem wir am besten untertauchen können. In dieser Umgebung ist die Reitschule sicher besser als z.B. das Kapitel. Und ich denke, die Reitschule muss auch damit leben können, dass um sie herum solche Aktionen stattfinden. Die Reitschule wurde erkämpft! Da ging es immer um eine radikale Ablehnung der herrschenden Strukturen! Und wenn die Reitschule nicht mehr ein Ort des Kampfes ist, dann macht sie keinen Sinn mehr. R: Ausserdem: Wenn es um Angriffe gegen die Polizei geht, dann muss man sich vergegenwärtigen, wo überall solche Angriffe stattgefunden haben innerhalb der letzten Monate: Bümpliz, Ittigen, Lorraine, Wohlen... Da kann wohl kaum die Reitschule verantwortlich gemacht werden. Unseres Wissens gab es bei diesen Angriffen nie verletzte Polizist_innen, und die Polizei schritt nie ein bzw. sie bekam es nicht mit.

Denkt ihr denn tatsächlich, dass sich die Verhältnisse durch solche Aktionen positiv verändern lassen?

Habt ihr eigentlich noch andere Formen, euch politisch auszudrücken oder schmeisst ihr nur Farbbeutel?

R: Ja, man schafft eine gewisse Öffentlichkeit

durch solche Aktionen... … aber die Medien reagierten ja vernichtend auf diese Attacke! R: Es geht ja nicht nur um die Medienbericht-

erstattung, sondern auch um die generelle Wahrnehmung der Aktion. Man soll sehen, dass es eben auch Leute gibt, die diesen Weg gewählt haben, um ihre Ablehnung auszudrücken. J: Wir greifen das System symbolisch an. Da rechnen wir realistischerweise nicht mit positiven Medienberichten. Aber das schert uns auch nicht gross. Vielleicht bekommen wir, wenn wir nächstes Mal das Steueramt attackieren, mehr positive Rückmeldungen (grinst)... Die Leute im Knast haben uns gehört, haben Lärm gemacht, sich gefreut über die Aktion. «Aufgrund rassistischer Vorurteile verhaften und erniedrigen die Marionetten der Staatsgewalt Tag für Tag People of Color.» So steht es im Communiqué. Wäre es nicht passender, die Institutionen und nicht die Marionetten anzugreifen? J: Wir haben die Institution angegriffen, den Polizeiposten. Klar, es ist primär die ausführende Gewalt. Das Gefängnis gehört sicher auch dazu. Wir können nächstes Mal gerne das Bundeshaus angreifen (lacht). Die Polizist_innen sind diejenigen, die präsent sind, die die Gewalt direkt ausführen.Deswegen sind sie auch legitime Ziele. Wenn die Mari-

Warum startet und beendet ihr solche Aktionen bei der Reitschule?

R:

Der Kampf findet immer auf verschiedenen Ebenen statt. Militante Aktionen wie diese schliessen andere Aktionen keineswegs aus. Wir bauen darauf, dass viele Leute mit ganz unterschiedlichen Aktionstypen arbeiten, um ihre Kritik anzubringen. Unsere war eine davon. J: Im Parlamentarismus sehen wir keinen legitimen Weg. Denn durch die Teilnahme am Parlamentsbetrieb anerkennt man de facto die Regeln, die der Staat setzt. Was haltet ihr vom gewaltfreien Widerstand? Martin Luther King? Mahatma Gandhi? R: Ob Gewalt benutzt wird, hängt von der Si-

tuation ab, und ist die Entscheidung des_der Einzelnen. Ich störe mich aber keinesfalls an gewaltfreiem Widerstand! J: Dummerweise kommt dieser sehr, sehr schnell an seine Grenzen. Denn in dem Moment, in dem der friedliche Widerstand Systemfragen zu stellen beginnt, schlägt der Staatsapparat mit voller Härte zu. Und dann kann der Widerstand kaum mehr friedlich bleiben, ohne vollends zerschlagen zu werden. * Namen geändert

20.04.15 11:09


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