Kirchenschätze

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c h e n Region

Sa a l e - H o l z l a n d - K r e i s

Klosterkirche Bad Klosterlausnitz

»Heilig-Kreuz-Kirche« in Stadtroda

»St. Marien« in Orlamünde

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Die Kirchen im Saale-Holzland-Kreis

Standorte Kirchen

漏 Satzstudio Sommer GmbH 路 08/2012


Die Kirche in Tröbnitz, Altar

Inhalt 2 Die Kirchen im Saale-Holzland-Kreis

15 Die Klosterkirche in Frauenprießnitz

27 Die Kirche in Schleifreisen

4 Vorwort Erhard Bückemeier Vorstandsvorsitzender Sparkasse Saale-Holzland-Kreis

16 Die Kirche in Gösen

28 Die Kirche zu Schöngleina

17 Die Kirche in Graitschen

29 Die Heilig-Kreuz-Kirche in Stadtroda

18 Die Kirche »St. Salvator« in Hermsdorf

30 Die Kirche »St. Salvator« in Stadtroda

19 Die Kirche »St. Margarethen« in Kahla

31 Die Kirche in »St. Gangloff«

20 Die Kirche in Kleinbucha

32 Die Klosterbasilika in Thalbürgel

21 Die Kirche »St. Nicolai« in Lippersdorf

33 Die Kirche in Tröbnitz

22 Die Kirche »St. Marien« zu Orlamünde

34 Die Kirche in Trockenborn

23 Die Kirche in Poppendorf

35 Die Kirche in Untergneus

24 Die Kirche in Rausdorf

36 Die Kirche in Vierzehnheiligen

25 Die Wehrkirche in Reinstädt

37 Die Kirche in Zschorgula

5 Vorwort Andreas Heller Landrat Saale-Holzland-Kreis 6 Die Klosterkirche in Bad Klosterlausnitz 7 Die Kirche »St. Nicolai« in Bobeck 8 Die Kirche »St. Johannis« in Bürgel 9 Die Kirche »St. Trinitatis in Camburg« 10 Die Kirche »St. Sebastian« in Dienstädt 11 Die Kirche »St. Jacobus« in Dornburg 12 Die Stadtkirche »St. Peter« in Eisenberg 13 Die Schlosskirche »St. Trinitatis« zu Eisenberg 14 Die Kirche in Etzdorf

26 Die Marienkirche in Schkölen

38 Impressum

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Kirchen gehören seit jeher zu den wichtigsten kulturhistorischen Zeitzeugen. Sie sind Orte des Glaubens, der Begegnung, der Ruhe und Einkehr. Sie spiegeln den künstlerischen Geschmack und baulichen Gestaltungswillen ihrer Zeit wider. Allein in der Region des Saale-Holzland-Kreises gibt es 132 Kirchen. Wir begrüßen das kulturhistorische Anliegen des Landratsamtes, dem Leser in dieser Broschüre die Kleinode der ländlichen Sakralkunst nahezubringen. Freuen Sie sich auf die sorgsam getroffene Auswahl hiesiger Kirchen, ausgestattet mit wohlklingenden Orgeln, wertvollem Inventar und mit schönen Malereien. Besonders hervorzuheben sind zugleich die vielfältigen kulturellen Veranstaltungen in den Kirchen. Das Angebot reicht vom hochkarätigen Thalbürgeler Konzertsommer, über Konzertreihen in der Kirche Frauenprießnitz, in der Schloßkirche und Stadtkirche Eisenberg bis hin zu Ausstellungen im Pfarrgarten der Kirche Dorndorf / Steudnitz. Seit vielen Jahren unterstützt die Sparkasse zuverlässig Kultur und Kunst in der Region. In langjähriger, bewährter Zusammenarbeit mit dem Landkreis konnten so schon viele gemeinsame Projekte, Veranstaltungen und Publikationen auf den Weg gebracht werden. Als größtes Geldinstitut in der Region möchten wir unseren Kunden auf diese Weise für ihr Vertrauen danken und etwas zurückgeben. In der Unterstützung von Kultur, Kunst und Traditionspflege sehen wir eine sinnvolle Aufgabe und gute Möglichkeit, um einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Region Jena/SaaleHolzland-Kreis zu leisten. Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre, verbunden mit der Empfehlung, die hier vorgestellten Kirchen einmal persönlich aufzusuchen. Es lohnt sich!

Erhard Bückemeier / Vorstandsvorsitzender

Sparkasse Jena-Saale-Holzland

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Wenn Mauern sprechen würden, dann könnten unsere Gotteshäuser sicher viel erzählen. Von stürmischen Zeiten, von Krieg und Wiederaufbau, von politischen Auseinandersetzungen über die Jahrhunderte, die auch in die Kirchen getragen wurden, von Aufrufen zu Frieden und Mitmenschlichkeit, von feierlichen Gottesdiensten und festlichen Konzerten. Und natürlich von vielen menschlichen Schicksalen, von tiefem Leid und großem Glück, von Ängsten und Hoffnungen. Besonders das Leben der Christen war und ist mit ihrer Kirche eng verbunden, sie begleitet die Gläubigen bis heute durch ihr ganzes Leben. Von daher ist es auch kein Wunder, dass die Kirche früher im Mittelpunkt des Ortes stand, war sie doch eine wichtige Stätte und Instanz im Leben der Menschen. Sie war nicht nur Andachtsraum, sondern in früheren Zeiten auch Schutzraum bei Unwetter, Krieg und Gefahr. Eine Funktion, die bis heute im Bewusstsein der Menschen geblieben ist und zum Beispiel noch im Kirchenasyl besteht oder in unserer jüngsten Geschichte 1989/90 zum Ausdruck kam, als die Menschen zu Friedensgebeten und Zusammenkünften in die Kirchen drängten. Wenn auch heute die Zahl der Christen geringer geworden ist, sind doch die Menschen in ihren Heimatorten stolz auf ihre Kirchengebäude und tun – zumeist ehrenamtlich – sehr viel, um diese Kulturdenkmale und Zeugen der Geschichte zu erhalten bzw. einer erweiterten Nutzung zuzuführen. In zunehmendem Maße übernehmen hierfür die Kirchgemeinden, die politischen Gemeinden und Förderkreise gemeinsam die Verantwortung. Dafür danke ich allen engagierten Bürgern. Gerade im ländlichen Raum gehören die Kirchen zu den wertvollsten Kulturgütern, die es zu ehren und zu erhalten gilt. Lassen Sie sich deshalb von unserem Autor Wilhelm Schaffer mit auf die Reise nehmen – auf eine „Kirchenfahrt durch unsere Heimat“. Sie werden erstaunt sein, was es alles an Historischem zu hören und Wertvollem zu sehen gibt.

Andreas Heller / Landrat des Saale-Holzland-Kreises

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Die Klosterkirche in Bad Klosterlausnitz Der imposante Kirchenbau im Stile einer romanischen Pfeilerbasilika mit seinen beiden trutzigen Türmen überragt den schon seit 1880 als Sommerfrische und Heilbad beliebten, heute durch drei renommierte Rehabilitationskliniken, seine Beschaulichkeit und die ihn umgebende reizvolle waldreiche Landschaft wohl bekannten Kurort Bad Klosterlausnitz. Die Bezeichnung Klosterkirche stimmt allerdings nur insofern, als es sich um einen nach bestem Wissen über die sakrale Baukunst des 12. Jahrhunderts in den Jahren von 1863 bis 1866 errichteten, vermutlich etwas kleineren Nachbau der Kirche des einstigen Augustiner Chorfrauenstifts Lausnitz unter Nutzung noch erhaltener Substanz handelt. Eine meisterhafte Leistung des Preußischen Landeskonservators und Architekten Alexander Friedrich von Quast in einer Zeit, als Preußen nicht nur „Geschichte“ bauen ließ, sondern sie auch zu konservieren begann. Dadurch blieb ein kirchenhistorisch bedeutsames sakrales Bauwerk erhalten, dessen Ursprung fast 900 Jahre zurückliegt. Im Jahre 1131 suchte eine adlige Witwe namens Cuniza einen von der Welt abgeschiedenen Platz, um sich der Trauer um ihren verblichenen Gemahl hinzugeben und sich fürderhin Gott zuzuwenden. Sie fand ihn hier an der „Lusenice“, am „Sumpfwasser“, in einer von dichtem Wald bedeckten Gegend, in der nur der Einsiedler Sigibodo hauste. Markgraf Heinrich von Groitzsch wies ihr Land zur Errichtung eines Klosters zu. Im folgenden Jahr gründete sie das Augustiner-Nonnenkloster, in das zunächst neun Jungfrauen aus Halle einzogen. Ein St. Marien geweihtes Holzkirchlein entstand ganz in der Nähe der Einsiedlerhütte Sigibodos an der Heltzigquelle. Das sumpfige Gelände um das ursprüngliche „Kloster an der Lusenice“ erwies sich bald als ungeeignet für dessen Erweiterung. Ein festerer Standort bot sich „auf einem harten Fels“ an, auf dem dann 1152 der Grundstein für eine neue Kirche gelegt wurde und auf dem die heutige steht. Mit der Aufhebung des Klosters im Verlaufe der Reformation wandelte sich die Klosterkirche in ein protestantisches Gotteshaus. Am 15. April 1526 predigte hier zum ersten Male ein evangelischer Geistlicher aus Eisenberg. Vom 6. Mai desselben Jahres an wirkte Pfarrer Hieronimus Albrecht als erster evangelischer Seelsorger in Lausnitz. Sieben verbleibende

Augustinerinnen erwirkten lebenslanges Wohnrecht in ihrer Klausur. Die beiden letzten starben 1543. Die Legende sagt, dass Farnesia und Anoetnezza auf dem Wege zu einem Kranken der Blitz erschlug. Die Kreuzsteine, die den Ort des tragischen Geschehens einst markierten, verschwanden schon vor langer Zeit. Zwei Bildnisse in der Kirche gelten als Porträts der beiden Frauen. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt die Legende von kostbarem Kirchengerät, das die Nonnen im Klosterkeller vergraben haben sollen, als sie vor des Volkes Zorn fliehen mussten. Es sollte nicht den „Ketzern“ in die Hände fallen. Viele Schatzsucher gruben später danach. Auch Herzog Christian ließ den Keller durchwühlen. Vergeblich. So wartet der Schatz wohl noch auf den Glücklichen, der ihn hebt. Die Nonnen fristeten wohl ein eher karges Leben, zu dessen Unterhalt außer der „Mitgift“ der Stiftsdamen allerdings auch Pachten und Bußgelder aus den Privilegien des Jagdrechts, des Fischereirechts und der niederen Gerichtsbarkeit beitrugen. Das Kloster erhielt auch zeitweise das Recht zum Ablasshandel. Gläubige wallfahrteten zu besonderen kirchlichen Feiertagen von weit her hier hin. Das Leben mit Beten und Gesang und Pfründen versiegte mit der Reformationszeit allmählich und die Kirche verfiel. Das Elend der Menschen während des Dreißigjährigen Krieges und die Not danach trugen dazu bei. Die baufälligen Klostergebäude wichen zwischen 1720 bis 1722 einem herzoglichen Jagdschloss. 1857 musste die nun ebenfalls baufällige Kirche ihre Pforten endgültig schließen. „Da gab es aber schon Pläne, die Kirche wieder aufzubauen.“, erklärt Pfarrer Kersten Borrmann bei seiner Führung mit „den Augen statt mit den Füßen“ durch die Basilika, „Karl Friedrich Schinkel brachte aus Italien die Idee der Bewahrung alter Baudenkmäler nach Preußen und Preußens Landeskonservator Quast folgte dieser Idee. Da es keine Bauunterlagen über die Vorgängerin gab, nahm er die etwa zur gleichen Zeit gebauten Basiliken in Paulinzella und Thalbürgel zum Vorbild. Die Kirchgemeinde konnte sich eigentlich solch einen bombastischen Bau nicht leisten. Doch der Landesherr Herzog Ernst von Sachsen-Altenburg kam ihr da entgegen, finanzierte die Kirche, sie kostete letztendlich 123 000 Mark, und kassierte dafür den Kirchenwald. So konnte

1863 die Grundsteinlegung erfolgen. Die Einweihung fand am 31. Oktober 1866 statt. Seit 1966 steht der Restaurationsbau unter Denkmalschutz.“ Das Westportal und das Mittelschiff, mit den durch zwölf die Apostel symbolisierenden Säulen abgegrenzten Seitenschiffen, erinnern tatsächlich deutlich an die Klosterbasilika in Thalbürgel. In der Bad Klosterlausnitzer allerdings dominiert ein hohes Kruzifix den Altarraum. Der Corpus Christi wurde aus e i n e m Eichenstamm geschnitzt und übertrifft mit 2,50 m Höhe alle bekannten Kruzifixe im sächsisch-thüringischen Raum. Der es schuf, bleibt wohl unbekannt. Die Gestaltungsmerkmale kennzeichnen es als spätromanisches Werk aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Möglicherweise gehörte es einst zu einer Kreuzigungsgruppe. Faszinierend, wenn der Schein der Morgensonne den Heiland in Gegenlicht hüllt. Abends verdreifachen Scheinwerfer das Kreuz durch seine Schatten an der Wand unter der Himmelskuppel. Deren acht Segmente stehen für die sieben Tage der Schöpfung und den Tag nach ihrer Vollendung, den Tag der Auferstehung, des Ursprungs. Jeweils 52 goldene Sterne für den sich ewig wiederholenden Ablauf der Jahre. Für das stete Werden, Vergehen und Wiedererstehen. 130 Jahre lang oblag dem jeweiligen Staat die so genannte Baulastpflicht, die 1873 das Herzogtum Sachsen-Altenburg übernahm. Seit 2003 gehört die Kirche der Kirchgemeinde Bad Klosterlausnitz und Weißenborn. Eine wichtige Voraussetzung dafür, das denkmalgeschützte Bauwerk zu restaurieren, denn nun konnte die Kirchgemeinde Fördermittel dafür erhalten. Schon seit 1997 sammelte sie, um den erforderlichen Eigenanteil dazu aufzubringen. Auch einhellige Gemeinderatsbeschlüsse trugen dazu bei. „Die Kirche ziert unser Wappen, wir werben damit, also unterstützen wir die Restaurierung des historisch bedeutenden sakralen Bauwerks.“ Dank der Restauratoren Christiane Opitz und Thomas Bermig, dank der engagierten und akribischen Arbeit der meist ortsansässigen Handwerker präsentiert sich die Klosterkirche seit 2008 wieder innen wie außen als Schmuckstück des schmucken Kurortes. Von Menschenhand wie für die Ewigkeit gefügt, ragt sie über die alten Linden und Eichen ringsum hoch hinaus.

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Die Kirche »St. Nicolai« in Bobeck Das 800-jährige Bestehen ihres Dorfes feierten die Bobecker 1991. Eine urkundliche Erwähnung, die 1190 dem Anarch Vogt von Bürgel das Holzungsrecht in einem „Bobecke“ genannten Waldstück zusprach, gilt als falsch datiert, da der darin erwähnte Papst Coelestin erst ab 1191 residierte. Offenbar siedelten aber bereits um das Jahr 800 herum hier „Heiden“, deren Christianisierung mit der Gründung der Klöster in Bürgel und Lausnitz im 12. Jahrhundert voranschritt. 1133 benennt Bertha von Gleisberg ein „Wüstenbobeck“. Tatsächlich gibt es zwischen Bobeck und Waldeck nahe dem Burkertsloch ein Flurstück „Wüstung Bobeck“, das wohl den Ort einer um 1100 wahrscheinlich infolge von Krieg und Seuchen ausgestorbenen Siedlung kennzeichnet. Am heutigen Standort Bobecks gab es ursprünglich eine romanische Wallfahrtskapelle, vermutlich von den Zisterzienserinnen des 1138 errichteten Klosters an der Lausnitz besorgt. Die Kapelle wurde 1219 dem Heiligen Nikolaus geweiht und bereits 1304 durch den Anbau eines Langhauses zur Kirche erweitert „als sie infolge eines Streites zwischen dem Probst zu Klosterlausnitz und dem Abt von Bürgel über das Patronatsrecht von dem Bischof von Naumburg dem Letzteren zugewiesen wurde. Die Kirche bildet ein Rechteck und zeigt gotische Anlage mit dreiseitigem Chorschluß, im Chor und Langhaus sind spitzbogige Fenster sichtbar, doch flachbogig vermauert“, beschreibt Kirchenhistoriker Ernst C. Löbe. Als Relikt aus dieser Zeit, da viele Pilger hierher wallfahrteten, verblieb der von außen zugängliche Opferstock mit einer Öffnung, durch die die Opfergaben der Wallfahrer ins Innere der Kapelle rutschten oder aber ein in der Nische befindliches Heiligenbild in Bewegung gesetzt werden konnte. Auf den Grundmauern des alten Baues erhielt St. Nicolai zwischen 1668 und 1672 dann im Wesentlichen die heutige Gestalt. Auch zwei Emporen und einen Kanzelaltar. Der Bobecker Zimmermann und ehemalige Kirchenälteste Reinhard Kunze entdeckte 2004 eine zugeputzte Stiftertafel, die bekundet, „... 1669 ist dieses Gottes Hauß und Kirche, hochnothwendig reparieret und verneuert worden, zu deren Verneuerung der weilant Durchlauchtigste Hochwohlgeborene Fürst und HERR Herr Friedrich Wilhelm, Herzog zu Sachsen Ein und Zwanzig Alte Schock .... und der Hochedle Magnificus, Hochachtbare

und Hochgelahrte Herr Johannes Thomae 167 Alte Schock ...“ stifteten. Bobecker Familien trugen demnach ebenfalls ein erkleckliches Sümmchen dazu bei. Den Turm erneuerte die Gemeinde 1760/61 und krönte ihn mit der barocken Haube, die ihn bis heute schmückt. Drei Jahre später leistete sie sich eine Orgel, erbaut von Johann Michael Hartung aus Vippach. Er erhielt dafür 236 Taler. Die Dorfbewohner mussten ihm und seinen Gesellen 10 Wochen Logis, Speis und Trank gewähren. Diese Orgel löste 1888 eine neue, zweimanualige Poppe – Orgel mit 12 Registern ab. Seit 1957 von einem elektrisch betriebenem Gebläse versorgt, steht das vorher mit regenerativer Muskelkraft betätigte noch nebenan. Zwei Glocken läuten vom Turm über das Dorf. Bis heute pünktlich ausgelöst von einer mittlerweile 100-jährigen mechanischen Uhr mit Schlagwerk, angefertigt von der Firma Weule in Bokenem, mit der Bahn bis Papiermühle transportiert und von dort mit einem Fuhrwerk nach Bobeck. Zwei Vorgängerinnen kamen 1852 mit Girlanden geschmückt in einer Prozession von Thalbürgel nach Bobeck. Die gewichtigen Klangkörper trugen wohl dazu bei, dass die ohnehin schon leicht „gen Morgen“ geneigte und morsche Kirchturmspitze noch mehr in Schieflage geriet und ein Jahr später repariert werden musste. Die große Glocke wurde samt Orgelprospektpfeifen und sämtlichem Kupfer- und Messinggerät der Dörfler gegen Ende des Ersten, die kleine gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zu Rüstungszwecken eingeschmolzen. Nach dem Krieg stiftete der Bobecker Brauereibesitzer Emil Otto Seise eine neue große Glocke. Der Stiftung gingen tragische Ereignisse voraus: Nachdem 1916 sein 14-jähriges Töchterchen Lisbeth nach einem Transmissionsunfall ihren schweren Verletzungen erlag, starb zwei Jahre später an einer Lungenentzündung auch sein Sohn Martin. Das Familiengrab der Seises befindet sich auf dem Friedhof am Ostrand des Dorfes. Eine neue kleine Glocke gossen die Gebrüder Schilling 1963 in Apolda. Die nächsten Turmreparaturen fanden laut Dokumenten im Turmknopf 1839, als der Turm sich neigte, und 1898 statt. Im Jahre 1961 völlig neu eingedeckt, ebenso 1973 das Langhaus, begannen die Bobecker 1990 mit Blick auf sein 700-jähriges Bestehen erneut, ihr Gotteshaus gründlich zu restaurieren. Der Turm stand ge-

nau zum Geburtstag 2004 wieder in „alter Pracht“ und das Langhaus erhielt eine neue Eindeckung, um den Schwammbefall zu beheben. Die zunächst eingebauten Dachluken missfielen der Denkmalbehörde so sehr, dass sie später noch Fördermittel für Mansarden bewilligte. Das Schiff erhielt neue Fenster und teilweise einen neuen Fußboden. Inzwischen schreitet die Renovierung des Kirchenraumes weiter voran. Ein gutes Dutzend Bobecker und Freunde der Kirchgemeinde arbeiten beharrlich daran. Im „NAW“ und im Rahmen von ABM. Die hohe Decke erstrahlt bereits hellblau in frischem Glanze. Die Emporen an der Südseite zeigen sich mit denkmalgerecht bemalten Kassetten, illusionistisch marmoriert und gerahmt. Die der Nordseite, bereits verschalt und sauber verputzt, stehen kurz vor ihrer Vollendung. Zurzeit untersuchen die Restauratoren Jürgen Seifert und Michael Matz wiederentdeckte Fragmente symbolischer und figürlicher mittelalterlicher Wandmalereien. Es bedarf der Kenntnisse und des erfahrenen Blickes von Restauratoren, um in ihnen die Heiligen Barbara, Katharina, Johannes und Wolfgang zu identifizieren. Die Rudimente der Bildnisse werden konserviert. Sie wieder herzustellen, überfordert die Möglichkeiten der Gemeinde. Jüngst läuteten die Glocken einen festlichen Gottesdienst ein. Die Orgel erklang, Pfarrer Stefan Elsässer predigte, fast hundert Gemeindemitglieder, Freunde und Gönner, auch aus der Bobeck seit den 50-er Jahren verbundenen Partnergemeinde Unterdeufstetten, beteten und sangen aus Freude darüber, dass es weitergeht. „Schritt für Schritt. Fördermittel sind avisiert, so dass wir auch den barocken Kanzelaltar aus dem 18. Jahrhundert restaurieren können, mit den Schnitzfiguren Christus, flankiert von Moses und Johannes. Die eigenen Anteile tragen wir zusammen, irgendwie. Auf ein paar Wochen kommt es dabei angesichts des ehrwürdigen Alters des Gotteshauses von 792 Jahren nicht an“, sagte Kirchenvorstand Reinhard Müller optimistisch, würdigte das Geschaffene und dankte allen, die dazu beitrugen. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Die Bobecker schritten schon ein beachtliches Stück in Richtung Ziel.

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Die Kirche »St. Johannis« in Bürgel Wie ein „Fingerzeig Gottes“ überragt der über dreißig Meter hohe Turm der Stadtkirche den Dachreiter auf dem Rathaus erheblich. Die Uhren an beiden Türmen ticken aber die gleiche Zeit und die Glocken läuten die gleiche Stunde, es sei denn, das mechanische Werk der Kirchturmuhr von 1853 geht bei strenger Kälte ein paar Sekunden nach. Ab und zu bimmelt noch das Läutewerk der Regelschule dazwischen. Eine akustische Situation, die die Bürgeler mögen, weil sie zur Idylle des Töpferstädtchens beiträgt. Wie auch das Ensemble von Kirche, Pfarrhaus, alter Schule – jetzt Keramikmuseum – am Kirchplatz, dazu Rathaus und Töpferwerkstätten in den Gassen ringsum. In der Enge wirkt das wuchtige Gemäuer der Kirche besonders Ehrfurcht gebietend. Umso mehr verblüfft das farbenfrohe, originell gestaltete Portal an der Südseite. Im spätgotischen Stil ausgeführt, umrahmt es die schlicht gestaltete spitzbogige Tür mit dem Dreipass und trägt einen Renaissancegiebel mit dem Relief des segnenden Christus, die Weltkugel in der Hand. Engelsköpfe ergänzen das Schmuckwerk. Auf dem Giebeldreieck steht eine legendenumwobene Figur, mit dem sächsischen Rautenkranz in der Hand. Es soll sich dabei um den unglückseligen Sohn des Herzogs Bernhard von Sachsen – Jena handeln, Johann Wilhelm, der nach dem Tode des Vaters unter Vormundschaft zerstrittener Verwandter lebte und 1690 mit 15 Jahren an den Blattern starb, ohne je den Herzogshut getragen zu haben. Mit ihm verschwand das Herzogtum Sachsen – Jena in den Besitz seiner Vettern. Die barhäuptige, schlicht gewandete knabenhafte Gestalt spricht für die Lebensgeschichte des jungen Herzogs. Doch genauer betrachtet könnte es auch eine mädchenhafte sein. Künstler der Renaissance pflegten bisweilen das echte Leben mit der Legende zu verknüpfen. Über dem „Knaben“, auf einer Konsole, krönt ein kleines Kruzifix das Bildwerk. Als Schöpfer des Portals identifizierten Luise und Klaus Hallof, wie schon Paul Lehfeldt, anhand der Initialen N T L den Steinmetzmeister Niklaus Theiner, der sein künstlerisches Markenzeichen u.a. auch an den Rathäusern in Gera und Magdala hinterließ, korrigierten aber den Kirchenhistoriker hinsichtlich des L mit Lobeda als dessen Herkunftsort – nicht Langensalza oder Leipzig. Eine Tafel links von der Figurensäule

gibt ungewöhnlich ausführlich Auskunft darüber, dass das Richtfest am 9. September 1601 stattfand – dass Gott selbst, Pfarrer Fundanus, die Honoratioren der Stadt sowie das Bürgeler Volk das fromme Werk besorgten, freigiebig unterstützt „in Schrift und Tat“ durch die gnädigsten sächsischen herzoglichen Brüder Friedrich Wilhelm und Johann, dass aber die Holzdecke des Chores, sowie Kanzel und Kirchendach noch zu errichten seien. Eine solche Inschrift, einem Rohbau gewidmet, bleibt merkwürdig. Tatsächlich dauerte es noch 37 Jahre bis zu dessen Vollendung mit dem Bau des Kirchturms. Bereits drei Jahre später wird Bürgel im Dreißigjährigen Krieg „von dem französischen Volcke zum dritten mahl mit fewer angesteckt“. Auch die Kirche brennt nieder. Das wieder aufgebaute Gotteshaus ist, wie die Inschrift einer 1685 angefertigten zweiten Tafel mitteilt „durch den Willen des schrecklichen Schicksals am 21. März 1682 dem Vulcanus zum Opfer gefallen“ und „durch die gewährte göttliche Gnade und die Milde der erlauchtesten Herzöge von Sachsen“ wieder errichtet worden. Die herzogliche Herrschaft bemühte sich auch um den Wiederaufbau der Stadt, ließ Korn billig verteilen und Bauholz, erließ ihr die Bier- und Tranksteuer, erhob Sondersteuern dafür im Land. Beim Eintritt in die Kirche beeindruckt die helle, hohe Halle. Drei Emporen und vier das Chorgewölbe tragende schlanke Holzsäulen, illusionistisch „versteinert“, unterstreichen die erhabene Höhe des Schiffes. Sparsam ornamental farbig verglaste Fenster erfüllen den Raum mit Licht. Den schlichten Altar schmücken Blumen unter einem einfachen Kreuz. Ganz im Sinne des radikalen Reformators Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, ohne von der Andacht ablenkenden Schmuck und Stuck. Der Blick auf die Westseite bietet ein etwas anderes Bild – geprägt von der prachtvollen Orgel auf der zweiten Empore. „In Nomine Domimi ist dieses Orgelwerk Anno 1766 den 5ten May angefangen worden und hat selbiges Mstr. Justinus Ehrenfried Gerhardt von Lindig bey Cala erbauet“, besagt eine 1875 in der Orgel aufgefundene Handschrift. Justinus Ehrenfried, „Stammvater“ der Orgelbauerdynastie Gerhardt, Nachfahre des Liederdichters Paul Gerhardt, schuf für Bürgel sein größtes Werk. Dem Or-

gelbau ging der Wiederaufbau der Johanniskirche nach einer weiteren verheerenden Brandkatastrophe am 7. Mai 1754 voraus. Pfarrer Eckard Waschnewski: „Das Feuer äscherte bis auf ein paar Häuser am Stadtrand ganz Bürgel ein. Auch Kirche, Pfarrhaus, Rathaus, Schule und Brauhaus. Sämtliche Kirchenbücher und Archive, die uns unter Umständen auch über eine Vorgängerorgel hätten Auskunft geben können. Die Stadtväter erlaubten damals, Brennöfen innerhalb der Stadt zu betreiben. Das zog viele Töpfer herbei, führte aber zu häufigen Bränden. Nach dem Brand wurden zwei Brandmeister ernannt und die Brennöfen an den Stadtrand verlegt.“ Nach über hundert Jahren begutachteten die Orgelbauer Poppe (Roda), Witzmann (Stadtilm) und Kopp (Apolda) die Gerhardt-Orgel als defekt, schwindsüchtig und mit Geburtsfehlern behaftet. Ladegast-Schüler Herrmann Kopp erhielt dann den Auftrag, sie für 435 Reichsthaler und freien Mittagstisch zu erneuern. 1875 übergab er nach „einer in allen Theilen als trefflich gelungen bezeichnet zu werden verdienenden Reparatur“ sein Werk den Auftraggebern. Die Orgel litt unter dem Rohstoffmangel für Kriegsgerät in zwei Weltkriegen, doch die Bürgeler brachten immer wieder das Geld für ihre Instandsetzung auf. Symbolisch für Bürgeler Bürgerstolz. Den heutigen guten Zustand verdankt sie der Greizer Orgelbaufirma Hartmut Schüßlers, die sie „in einen historisch belegbaren Zustand“ zurückführte. So erklingt sie nun zum sonntäglichen Gottesdienst, besonders feierlich am Ostersonntag und zu jährlich drei, vier Konzerten, in Abstimmung mit denen in der Klosterkirche zu Thalbürgel. Es lohnt sich, nach Bürgel zu kommen und das hier beliebte Eis-Essen mit einem Rundgang durch das Keramikmuseum, einem Blick in die Johannis-Kirche und einem Abstecher zur Thalbürgeler Basilika, zum „Zinsspeicher“ und in die Thalmühle zu verbinden.

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Die Kirche »St. Trinitatis« in Camburg Der trutzige Bergfried der Camburg auf dem Turmberg prägt das Bild der Stadt. Als Karl der Große im 8. Jahrhundert an der Saale die Grenzen seines Frankenreiches befestigen ließ, beherrschte die ursprünglich aus Holz errichtete Befestigungsanlage die Saalefurt. Die Könige Heinrich I. und Otto I. bauten dann eine feste Burg mit diesem massiven Wehrturm. Das garantierte ihnen Wegezölle und erleichterte es, nach Osten ins Slawenland zu expandieren. Ab 1088 regierte hier der Wettiner Graf Wilhelm von Camburg. In Erkenntnis des sündigen Lebenswandels auf ihr Seelenheil bedacht, ließen Adelige damals Kapellen und Kirchen bauen. Vor diesem Hintergrund entstand unterhalb Camburgs eine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika, deren Rudiment, die Cyriaksruine, als bedeutendes Zeugnis frühmittelalterlichen Kirchenbaus und als Quelle vieler Legenden gilt. Wilhelm von Camburg stiftete große Ländereien an das Bistum Naumburg unter seinem Bruder Günther. Er verewigte sich so als eine der berühmten Stifterfiguren im Naumburger Dom. Auf der Camburg selbst entstand 1210 eine Burgkapelle. Um 1200 herum datiert auch der Bau der ersten „steinernen“ Kirche am heutigen Kirchplatz. Der wehrhafte Turm der jetzigen stammt noch aus dieser Zeit. Kurz vor der Reformation, die 1539 in Camburg Einzug hielt, erfolgte ihr Umbau zur Hallenkirche im spätgotischen Stil. Eigentlich ein Anbau an den alten Turm. 1701 schlägt während des Gottesdienstes der Blitz ein und erschlägt sechs Menschen. Die Kirche brennt nieder, nur der alte Turm widersteht der Katastrophe. Sie erhält ein neues Schiff und wird 1708 zum Dreifaltigkeitsfest am Sonntag nach Pfingsten als „St. Trinitatis“ geweiht. Der damalige Superintendent Nathanael Mylius entwarf den kostbaren Kanzelaltar, den ein Jenaer Bildhauer namens Poppe 1712 fertigstellte – vor genau 300 Jahren. In dem kunstvollen Schnitzwerk versinnbildlichte er das streitbare und das siegreiche Christentum: Christus reicht dem Streitenden mit Schwert, Schild und Helm zu seiner Rechten die Bibel als geistliche Waffe und dem über das Böse Siegreichen links, mit Palmzweig und Lorbeerkranz, die Krone. Über dem Christus der Jahwe glorifizierende Strahlenkranz, unter ihm die Taube – Symbol für den Heiligen Geist. Die Gebrüder Poppe, aus der in Jena, Altenburg, Schleiz und Roda ansässigen

Orgelbauerdynastie, bauten 1885 eine neue Orgel. Im Jahre 1890 erlitt die Kirche wiederum schwere Schäden, diesmal infolge eines verheerenden Hochwassers. Durch den unumgänglichen Neubau entstand sie 1899 in ihrer jetzigen Gestalt, mit dem wiederum standhaft gebliebenen alten Turm. Auch der Kanzelaltar überstand die Sündflut. Die Trinitatiskirche beeindruckt als ein in einer Kleinstadt unerwartet imposantes Bauwerk. Durch seine noch eimal fast turmhohe schlanke Haube ragt es über sechzig Meter in den Himmel. Wie ein Fingerzeig des Herrn: „Seht, da ist euer Gott“. Den architektonischen Wegweiser ergänzt die Kanzelinschrift: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid – ich will euch erquicken“. Die Kirchgemeinde nimmt das wörtlich und öffnet ihr Gotteshaus sommers wie winters, täglich von 7 Uhr bis zur Dunkelheit. „Unsere Kirche ist eine in festem Stein, dunklem Holz und warmen Farben Gestalt gewordene Predigt, die zur Stille führen will – und aus der Stille Kraft vermitteln. Vielleicht suchen Sie sich einen Platz, an dem Sie sich wohlfühlen. So wie Sie vielleicht gerade unterwegs sind, so sind wir alle unterwegs durchs Leben. Viel in Bewegung. Aber Ruhe brauchen wir auch. Zeit zum Innehalten, für uns selbst, für Gott. Aber dann geht es wieder auf den Weg. Gestärkt durch die Stille an diesem Ort“, lädt Pfarrer Michael Greßler den vorübergehenden Wanderer und den rastenden Radler auf dem Saale-Radweg zur Einkehr, zur Besinnung in einer ruhelosen Gesellschaft, die selbst den Schlaf auf seinen ökonomischen Nutzen reduziert. Wer das 1998/99 sorgsam renovierte Kircheninnere betritt, spürt die spirituelle Ausstrahlung, die von den altehrwürdigen Hinterlassenschaften ausgeht, von Altar und Orgel, von Taufstein und Passionsrelief, vom freundlichen Licht, das spärlich durch die Buntglasfenster mit den Porträts von Luther und Melanchthon fällt. Wer Glück hat, trifft dabei auf das kirchenmusikalische Camburg. Neben den musikalisch begleiteten Gottesdiensten finden jährlich etwa 20 Konzerte statt. Meist in der Stadtkirche, aber zu besonderen Ereignissen auch in der Cyriaksruine und den Dorfkirchen. Gestaltet überwiegend durch eigene Ensembles

und Gruppen der Camburger Kantorei unter der Leitung von Kirchenmusikerin Dorothea Greßler: Von Kirchenchor, Liturgischem Chor, Kinderchor, Gospelchor, Instrumentalkreis, Flötengruppen. Oft gastieren Gesangssolisten, Soloinstrumentalisten, Chöre und Orchester von Rang in der Kirche. Diesen anspruchsvollen, musikalischen Ereignissen möchten die Camburger nun durch die Erneuerung der Orgel weiteren Glanz verleihen. Der Poppe-Orgel, 1899 von Oscar Ladegast aus Weißenfels umgebaut und 1967 von Gerhard Kirchner in einem neuen Gehäuse auf die untere Empore versetzt, verlieh zwischen 1970 und 1983 Tischlermeister und Orgelbauer Siegfried Schenke aus Frauenprießnitz bereits eine neue klangliche Qualität durch ein drittes Manual und 9 weitere Register. Viele Umbauten, zuletzt mit mangelbedingt minderwertigem Material, dazu der natürliche Verschleiß, führten zu teilweise irreparablen Schäden. Mit den 83% noch hochwertigen Pfeifen soll ihr „historischer“ Klang erhalten bleiben, ergänzt durch ein „Solowerk“ mit besonderen, der Moderne angepassten Klangfarben. Für 400.000 €. Ein Viertel dieser beachtlichen Summe spendete und sammelte die Kirchgemeinde bereits, ein weiteres soll ein Kredit decken. Für die fehlende Hälfte hofft sie auf Spender, Sponsoren und Stifter. Dazu beitragen sollen Konzerterlöse und der beliebte, nach neun Jahren schon traditionelle Kirchplatzmarkt. Die Kirchgemeinde mit Handarbeiten, Gewerbe, Trödler und Imbissbuden sorgen für Umsatz, reges Leben und Treiben. Kinderprogramme, Theater und Live-Musik im Pfarrgarten für frohe Stimmung. Mit Christine Lieberknecht als Schirmherrin über die „Königin der Instrumente“ gelingt es den Camburgern ganz gewiss, für Thüringen ein weiteres wertvolles Kulturgut zu erhalten, um es zu nutzen. Spendenkonto: Kirchgemeinde Camburg – Konto 800 0271 bei der EKK Eisenach – BLZ 520 604 10

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Die Kirche »St. Sebastian« in Dienstädt Aus allen Himmelsrichtungen zieht es Kenner der Kirchenkunst in die Dienstädter Kirche mit ihrem weithin gerühmten spätgotischen Flügelaltar. Sie treten ein in das dämmrige Kirchenschiff und verharren fasziniert vor dem sakralen Kunstwerk im hellen Chor, zumal, wenn diesen das Morgenlicht erfüllt, das durch die hohen spitzbogigen Fenster mit dem kunstvollen Fischblasenmaßwerk fällt. Ein Schnitzaltar von höchstem künstlerischen und kirchenkunsthistorischen Rang, der unbestritten schönste in unserer Region. Als es den Dienstädtern Ende des 15. Jahrhunderts dank dem wirtschaftlichen Aufschwung des Bergbaus und der Metallverhüttung im mittleren Saaletal gut ging und sie ihre Kirche um den gotischen Chor erweiterten, wollten sie diesen auch mit einem würdigen Altar schmücken. Da die Wirtschaft stets auch die Künste befördert, zog es Maler und Bildhauer in die Gegend. „Moler“, wie sie der Volksmund nannte. Saalfeld entwickelte sich zu einem Zentrum des bildnerischen Schaffens in Thüringen. Dort arbeitete auch der „Dienstädter Meister“, wie ihn Kunsthistoriker nach seinem Hauptwerk, dem Dienstädter Altar, nennen. Der Saalfelder Kunsthistoriker Dr. Gerhard Werner vermutet, dass es sich dabei um den Maler Georg Salmenbach handelt, einen Schüler des bekannten Hans Witten von Köln, der in seiner Zwickauer Werkstatt bedeutende Werke für den Freiberger Dom, die Annaberger St. Annenkirche und verschiedene Chemnitzer Kirchen schuf. Bei diesem „Dienstädter Meister“ also bestellten die Dienstädter Kirchenältesten 1510 einen neuen Marienaltar, nachdem er ihnen ihre Wünsche hinsichtlich seiner Gestaltung zu erfüllen versprach: Einen Altarschrein mit blauem Himmel und goldenen Sternen und mit den Heiligen, die sie in Not und Bedrängnis um Fürbitte bei Gott anrufen wollten, oder um ihnen Dank an Gott auftragen, wenn sie seinen Segen erfuhren. Vor allem aber mit der Jungfrau Maria als Himmelskönigin, umstrahlt von der Sonne, den Mond unter ihren Füßen und auf dem Haupte einen Kranz von zwölf Sternen. Als Heiligenfiguren bestellten sie die Anna selbdritt, die Beschützerin der Bergleute, die in Thüringen hoch verehrte Heilige Elisabeth, die Nothelferinnen St. Katharina und St. Barbara, den heiligen Erasmus, den Fürbitter der Mütter, sowie den heiligen Sebastian,

den Nothelfer in Pestzeiten und Schutzpatron der Kirche. Georg Salmenbach, wenn er es denn war, und seinen Gesellen gelang ein Meisterwerk. Für alltags, sonntags und für Festtage verwandelbar. Vollkommen zusammengeklappt zeigte der Wandelaltar Bilder aus dem Marienleben. Leider als nicht restaurierbar nach 1888 ersetzt durch schlichte ornamentale Bemalung. Die doppelten Seitenflügel aufgeklappt, erschienen die zwölf Apostel, jeweils zu dritt auf vier Tafelbildern. Völlig geöffnet, entfaltete sich dann im wahrsten Sinne des Wortes die ganze festliche Pracht der Schnitzereien. Inmitten der sechs Heiligenfiguren, wie bestellt, schwebte die wunderschöne Madonna auf einer Mondsichel, im kostbaren güldenen Gewand, geheimnisvoll lächelnd, den Jesusknaben auf dem Arm, der dem andächtigen Betrachter mit beiden Händen eine Kugel entgegenstreckt. Die Welt – inzwischen ja als Kugel anerkannt? Eine Kugel – unberechenbar wie das Schicksal, dass er in Händen hält? Weniger geheimnisvoll dagegen die im Altarsockel verewigten drei Erzväter Abraham, Isaak und Jacob. Die Bauern tuschelten sicher nicht nur untereinander, sondern hieben sich wohl lachend auf die Schenkel, als sie in ihnen ihre Dorfschulzen erkannten. Wie aus dem Leben gegriffen. Menschen aus dem Volk tragen das Christentum. „Wir sind das Volk“ – schon um 1513! Die Reformation warf in der Kunst bereits ihre „Schatten“ voraus. Die Mondsichel gilt jedenfalls als Symbol für Veränderung. Die trat wenige Jahre später ein und brachte paradoxerweise das Kunstwerk in große Gefahr. Ab 1523 predigte in Orlamünde Dr. Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, Luthers Mitstreiter und Gegenspieler zugleich, deutsch und eine radikale Befreiung der Gotteshäuser von abgöttischen Bildern. Gottseidank gab es neben Anhängern des „Bilderstürmers“ auch besonnene Dienstädter. Die schlugen ihm ein Schnippchen und versteckten ihren Altar irgendwo unter Heu und Stroh. Nicht nur, weil sie dafür viel Geld hatten ausgeben müssen. Sie ahnten, dass sie da etwas nicht Alltägliches besaßen. Anfang der 1550er Jahre stellte ihn Pfarrer Peter Meusler wieder auf, ließ ihn aber wegen einer amtskirchlichen Rüge einhausen. Glücklicherweise überstand der Altar den Dreißigjährigen Krieg, wenn auch mit Schäden. Danach

entsprachen die spätgotischen Schnitzaltäre nicht mehr dem Zeitgeschmack und wichen modernen Kanzelaltären. Auch die Dienstädter bauten in der Kirche um, im vorderen Teil des Chores eine Art Sakristei ein, den Altar ab und bewahrten seine Einzelteile dort auf. So völlig aus dem Blick geraten, kamen diese erst 1888 beim Abbau der Sakristei wieder ans Tageslicht. Paul Lehfeldt nahm den Altar sofort als besonders wertvoll in sein Werk „Bau- und Kunstgeschichte Thüringens“ auf und weckte damit Begehrlichkeiten. Als ihn die Eisenacher Museumswerkstätten 1935 restaurierten, zögerten sie die Arbeiten fast drei Jahre hin, offensichtlich mit dem Hintergedanken, ihn für die Sammlung ihres Museums zu ergattern. Auch anlässlich einer Ausstellung thüringischer Schnitzaltäre 1957 ebenda flackerten die Begehrlichkeiten wieder auf. Doch die Dienstädter Kirchgemeinde und ihre engagierten Pfarrer konnten ihren Besitzstand gegen alle Widerstände wahren. Bei der jüngsten Restaurierung 1993 bis 1996 durch die Kirchlichen Werkstätten in Erfurt gab es keinerlei Querelen. Dem spätgotischen Schnitzaltar im Chor steht als kunstvoller Kontrapunkt die Barockorgel auf der Westempore gegenüber. Vom Lindiger Orgelbauer Justin Ehrenfried Gerhardt 1736 geschaffen, gilt sie als eine der bedeutendsten im SaaleHolzland-Kreis. Sie blieb im Wesentlichen original erhalten. Bis auf die erneuerungsbedürftigen Prospektpfeifen und die Manualklaviatur. Den Orgelprospekt restaurierte die Firma Volkland aus Bad Klosterlausnitz sehr sensibel, dem Stil der Dorfkirche angepasst. So erklingt seit ihrer Wiedereinweihung im Jahre 2007 mit einem Festkonzert, das der Altenburger KMD i. R. Albrecht Ditl bestritt, nun wieder regelmäßig Orgelmusik zu den Gottesdiensten und zu exklusiven Konzerten renommierter Organisten. In der Kirche St. Sebastian zu Dienstädt, die ursprünglich im 13. Jahrhundert aus dem quadratischen Raum zwischen dem gotischen Chor und dem im 17. Jahrhundert in der heutigen Gestalt errichteten Langhaus bestand, der als Kapelle der in Thüringen seit eh und je verehrten Heiligen Elisabeth geweiht war, der legendär mildtätigen ungarischen Königstochter und Gemahlin des Landgrafen Ludwig IV., deren Andenken bis heute ihr geschnitztes Porträt am Dienstädter Altar bewahrt.

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Die Kirche »St. Jacobus« in Dornburg Wie im Dornröschenschlaf liegt das Städtchen Dornburg auf dem Sporn einer Hochebene links des Saaletals. Verborgen hinter seinen in Deutschland als Ensemble einzigartigen drei Schlössern. Ein früherer Hofgärtner erteilte jedem danach Fragenden die Auskunft: „Dornburg lät an enner dummen Ecke.” Weithin sichtbar dagegen stehen aufgereiht an der steilen Abbruchkante eines Muschelkalkfelsens das neugotische „Alte Schloss“, wo schon im 10. Jahrhundert eine romanische Burg und Kaiserpfalz aufragte, daneben das vom letzten adligen Schlossherrn Ernst August I. von Sachsen erbaute Rokokoschlösschen. Einen Katzensprung weiter das Renaissanceschloss, ursprünglich Herrenhaus eines der Burglehenshöfe. Richtig erwacht Dornburg, wenn an sonnigen Tagen Hunderte Besucher durch die idyllischen Schlossgärten „lustwandeln“, Tausende, wenn die Rosen blühen und während des alljährlichen Rosenfestes die Rosenkönigin residiert. Der mächtige Bergfried mit der kirchenartigen Laternenkuppel überragt das Schlösserpanorama. Die Kirche der Stadt versteckt sich dahinter. Die erste dem Apostel Jacobus geweihte Pfarrkirche entstand 1589 auf den Grundmauern der zur Burg gehörenden Pfalzkapelle. Als die Stadt, die nach einem verheerenden Brand der „Altstadt“ im Jahre 1353 in der Nähe der Burg neu aufgebaut worden war, am 9. Juli 1717 erneut niederbrannte, wurde mit ihr auch die Kirche in ihrer heutigen barocken Gestalt wieder errichtet. Zum Pfingstfest 1718 fand der erste Gottesdienst im neuen Gotteshaus statt. Auch das Pfarrhaus und der Ratskeller am Markt entstanden damals und überdauerten die Zeitläufte bis heute. Der stets offene nördliche Seiteneingang führt in ein lichtes, drei Emporen hohes Kirchenschiff. Durch die Fenster des polygonen Altarraumes wirft das Morgenlicht Sonnenflecken auf die weißen Wände. Die bunten Farben der Osterglocken, Narzissen und Tulpen auf dem Altar glühen gleichsam als Zeichen der Wiederauferstehung. Ein Pfauenauge gaukelt darüber hin. Der barocke Altar und der dazu passende Taufstein stammen aus einer Apoldaer Kirche. Die sonst schmucklosen Wände beleben vorübergehend bunte Plakate von Amnesty International, die die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte kindgemäß illustrieren. Ein Zet-

tel über einer Spendenbox am Ausgang wirbt: „Wir benötigen noch 50 000 € für die Restarbeiten zur Restauration.“ Zu den bemerkenswerten Schätzen der Kirchgemeinde gehören ein kunstvoller Abendmahlskelch und eine goldene Kanne. Beides Nürnberger Arbeiten aus dem 16. Jahrhundert. Um den Kelch rankt sich die legendäre Geschichte vom „Kroatensturz“: Die Weimarer Herzogin Anna Maria lebte während des Dreißigjährigen Krieges von 1612 bis zu ihrem Tode im Jahre 1643 in Dornburg. Im Verlaufe der Kriegshandlungen überfielen am 7. September 1631 kroatische Reiter das Dornburger Schloss. Als die Marodeure die Herzogin drangsalierten, sprangen ihr getreue, mit Musketen bewaffnete Bauern bei und trieben die Trunkenbolde in der Dunkelheit listig über die Felskante des Steilabsturzes. Als Dank für ihre Rettung stiftete die Dame den heute kunsthistorisch wertvollen Abendmahlskelch. Einen mindestens ebenso kostbaren Schatz stellt die Barockorgel auf der Westempore dar. Ein Meisterwerk Johann Christian Adam Gerhardts aus Dorndorf, des letzten Sprosses der bedeutenden Thüringer Orgelbauerfamilie. „Zum 1. Adventsonntag 1820 wurde die neugebaute hiesige Orgel in unserer Stadtkirche mittels feierlichen Gottesdienstes eingeweiht. Anlaß und Möglichkeit zur Orgelerneuerung gab die Schenkung des Kaufmanns Herzer“, berichtet dazu die Ortschronik. Eine Inschrift auf der Windlade weist sie als Vermächtnis der Brüder Augustin und Carl Herzer aus. Diese größte Gerhardt-Orgel, am originalen Standort und nahezu original erhalten, verknüpft in einzigartiger Weise die barocke und romantische Stilrichtung in der Klangwelt der Orgelbaukunst. Sie verfügt sowohl über die hellen, klaren Obertonregister, als auch über die ausgeprägt reichen Klangfarben, auch in den tieferen Tonlagen. Es erscheint im Nachhinein als Glücksfall, dass einige zwischen 1898 und 1971 geplante Restaurationen nicht zur Ausführung gelangten. Lediglich ihre Zinnpfeifen fielen 1917 der Kriegsrüstung zum Opfer. Den heutigen, sensibel restaurierten Zustand des Instruments stellte 1989 der VEB Potsdamer SchukeOrgelbau her. Der Innenraum der Kirche erfuhr 1898 eine umfassende Erneuerung, im damaligen Zeitgeschmack mit einer engelreichen Deckenbemalung. Die nächste

nahm ihren Anfang mit einer Liebesgeschichte. Jutta Grünig, geboren in Quedlinburg, übersiedelte 1967 aus Westfalen nach Thüringen und heiratete Ernst Keppler, Professor und Leiter des Instituts für Pflanzenzüchtung an der Uni Jena. „Liebe kennt keinen Stacheldraht“, sagt sie. Sie sah sich in ihrer neuen Heimatstadt um, sah einen verwahrlosten alten Friedhof, kümmerte sich um die Aufräumarbeiten. Sah, dass es in die Kirche regnete, holte sich für die Kirchenrestaurierung die „volle ideelle Unterstützung“ von Altbischof Dr. Braecklein und Bischof Dr. Leich. Materielle gab es nicht. Da ging sie am Markt von Tür zu Tür und fragte die Leute, „ob sie ein paar Piepen dafür locker machen könnten“, wie sie es ausdrückt. „Ein besonders Wachsamer zinkte mich dafür bei der Staatssicherheit an. Ich sprach auf einer Synode mit Oberkirchenrat Manfred Stolpe über ein Schieferdach. Er fragte mich, ob ich Devisen hätte. Seine Frau arbeitete an der Uni, vielleicht bekamen wir deshalb den Schiefer aus Lehesten – ohne Westgeld. Das sammelte ich allerdings bei Freunden und Bekannten in Westfalen ein, um es hier eins zu sieben einzutauschen. So bekam ich damals 57 000 Mark zusammen.“ Auf ihre Initiative hin beschloss 1977 das Institut für Denkmalpflege mit den Räten des Bezirks, des Kreises und der Stadt, mit Kreiskirchenamt und Ortskirche die Kirchensanierung. In den folgenden drei Jahren kam diese dann in den heutigen ansehnlichen Zustand. Dafür und für ihre unermüdliche Kulturarbeit, unter anderem als Vizepräsidentin der Thüringer Synode, als einzige Bürgermeisterin Dornburgs, als Begründerin des Vereins „Dornburger Impressionen“, gemeinsam mit ihrem Mann, und für den Erhalt des Alten Schlosses verlieh ihr Bundespräsident Roman Herzog 1993 das Bundesverdienstkreuz. Sonntagsgottesdienst. Die Handvoll Kirchgängerinnen verstummen und lauschen andächtig dem Glockengeläut. Als es verhallt, intoniert der Organist mit hörnergleichem hell schmetterndem Schall einen Choral. Gesang ertönt. Pfarrerin Magirius – Kuchenbuch verbindet in ihrer Predigt weltliches Geschehen mit christlichen Anliegen. Geige und Flöte erklingen. Jutta Keppler liest aus dem Neuen Testament.

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Die Stadtkirche »St. Peter« in Eisenberg Altsteinzeitliche Funde am Etzdorfer Berg deuten auf über 50 000 Jahre Siedlungsgeschichte in diesem Gebiet hin. Im Keller des Stadtmuseums „Klötznersches Haus“ befindet sich ein 14 Meter tiefer Schacht, möglicherweise eine Kultstätte slawischer Siedler, und eine in den Fels gehauene, kreuzförmige Krypta, wohl aus der frühen Missionszeit um das 9. Jahrhundert. Die „alte“ Stadt fiel 1189 Brand und Plünderung zum Opfer. Eine neue entstand auf dem Bergsporn in Richtung Kursdorf, wo damals bereits eine Burg stand. Die älteste bekannte urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1196 und bezieht sich auf den Zehnten von den Weinbergen „zu Ysenberch“ für das Kloster Altzelle bei Nossen. 1219 zogen Nonnen der Zisterzienser von dort in ein kleineres „Zum heiligen Kreuz“ zwischen alter und neuer Stadt. Mit der Klostergründung entstand offenbar eine Kapelle „St. Petri“. Sie bildete, mehrfach erweitert, das „Fundament“ für die 1586 in der heutigen Form fertiggestellte Stadtkirche „St. Peter“. Die dominiert mit ihrem wuchtigen Wehrturm neben dem zweitürmigen Renaissance-Rathaus den Marktplatz. Inmitten weiterer sehenswerter Baudenkmäler aus dieser Zeit, dem „Klötznerschen Haus“, jetzt Stadtmuseum mit lauschigem Museumscafé, und dem des einstigen Stadtschultheißen Sebastian Schlagk, später und bis heute Superintendentur. Der Brunnen davor, mit dem sagenhaften Eisenberger Mohren, entstand 1727. Gründonnerstag. Das Abendlicht flutet durch die hohen farbigen Fenster des Chores ins Kirchenschiff. Hundert Andächtige lauschen versunken der Leidensgeschichte Christi in der Passion nach dem Matthäusevangelium, die der Eisenberger Kantor und Organist Sven Werner schuf. Den Litaneien des Evangelisten und den Jesus, Pilatus, Judas, Petrus und andere biblische Gestalten verkörpernden Sängern, von Orgel und Kammerorchester zurückhaltend untermalt, im Dialog mit dem kraftvoll vielstimmigen, mitreißenden Gesang der Kantorei St. Peter. Dabei schweift der Blick wie magisch angezogen immer wieder über das musikalische Ensemble hinauf zum Kruzifix im gotischen Chor. Jesus an einem Gabelkreuz. Sein Körper wirkt, durch die emporstrebende Form des Kreuzes getragen, eigenartig gelöst. Gleichsam beflügelt. Sein Antlitz scheint nach allen Demütigungen und

Leiden verklärt: „Es ist vollbracht.“ Die Auferstehung spiegelt sich schon in ihm wider. Das barocke Kunstwerk fand sich 1918 auf dem Boden der Gottesackerkirche, der heutigen katholischen Kirche der Stadt. Das „Heilige Abendmahl“ rechts an der Wand des Kirchenschiffes gehörte, wie auch die Bilder von der Geburt Christi, von seiner Kreuzigung und von der Ausgießung des Heiligen Geistes, zu einem von der Werkstatt des Geraer Malers Samuel Claus während des Dreißigjährigen Krieges zwischen 1622 und 1629 geschaffenen Altar. Das „Abendmahl“ hing ständig über dem Altarsockel, dazu jeweils den thematisierten Ereignissen entsprechend zu den „Kirchenjahreszeiten“ ab Weihnachten, Ostern und Pfingsten eines der anderen. „Dieser Altar verschwand mit der Erneuerung des Kirchenschiffs in den Jahren 1878 bis 1880. Statt zweier Emporen gab es nun nur noch eine, gestützt auf gründerzeitgemäße gusseiserne Säulen. Der Hofbildhauer Kühn gestaltete einen neuen, nebst einer aus Eichenholz geschnitzten Kanzel. Den bis heute genutzten marmornen Taufstein stiftete damals Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg. Die durch die frühere Ofenheizung völlig verrußten Altarbilder wurden nach der Wende sorgfältig restauriert. Auch die Bildnisse der Eisenberger Superintendenten neben der Orgel“, weist Ulrich Sittner, seit 1988 Küster von St. Peter, auf einige historische Schätze der Kirche hin und gleichzeitig auch auf ein modernes Kunstwerk: Eine abstrakte Skulptur des Namenspatrons, die die Jenaer Künstlerin Elly Viola Nahmmacher zur Wiedereinweihung der Kirche 1990 schnitzte. Ein allegorischer Lebenslauf des Apostels in vielen verschlüsselten, nur dem Bibelkundigen oder durch Ulrich Sittner Belehrten erschließbaren Symbolen. Auch eine Erinnerung an die Friedensgebete in St. Peter gegen Ende der DDR -Ära. Durch die kunstvoll farbigen, ebenfalls nach biblischen Motiven gestalteten Glasfenster des Chores und durch die seitlichen Wappenfenster erhellt das Tageslicht den sakralen Raum. Es reflektiert auf den metallisch glänzenden Pfeifen der Orgel an der Stirnwand gegenüber dem Altar. „Die erste Orgel erklang hier bereits 1538. Mehrfach umgebaut, blieb bis heute der neugotische Prospekt der von den Gebrüdern Poppe in Roda gebauten Orgel

erhalten, in den 1977 die Gothaer Orgelbaufirma Böhme eine neue einpasste. Wegen akutem Engpass an Zinn und Zink mussten dazu die alten Orgelpfeifen eingeschmolzen werden. Offenbar gelang den Gießern aber damit keine gute Legierung. Jedenfalls fallen die Pfeifen jetzt nach und nach regelrecht in sich zusammen. Das Instrument stellt insofern keinen kunsthistorischen Schatz dar. Leider. Es bleibt jedoch dessen ungeachtet unverzichtbar für das kulturelle Leben in unserer Kirche und so von hohem ideellem Wert. Nicht nur für die musikalische Begleitung des Gottesdienstes am Sonntagvormittag und zu Festgottesdiensten. Es erklingt regelmäßig zu anspruchsvollen Konzerten und geistlichen Matineen. Auch zu Vernissagen von Ausstellungen, die Künstler und andere Engagierte hier in der Kirche zeigen. Besonders freut mich aber, dass ich junge Leute im Orgelspiel unterrichten kann.“ Sven Werner prägt seit vielen Jahren das musikalische Geschehen in St. Peter, spielt in der Schlosskirche St. Trinitatis, in den Dorfkirchen von Saasa, Petersberg, Tünschütz und anderswo. Er komponiert, „weil ein Kantor sowieso improvisieren, die Stimmung in der Kirche aufnehmen und sich ihr anpassen können muss, oder ein Thema auf ein musikalisches Ensemble zuschneidern“. Oder weil für einen Choral geeignete Noten fehlen. Gemeinsam mit den Musikern Anette und Carsten Tupaika initiierte er die DVD „Klingende Schätze“, eine musikalische Jahresreise in zwölf „Bildern“ durch bezaubernde Landschaften und Kirchen des Saale-Holzland-Kreises. Gestaltet mit Chören und musikalischen Ensembles aus der Region. In bewegenden bewegten Bildern festgehalten vom Team „mExtra film- und fernsehproduktion“ um Torsten Eckold. Den begeisternden Schlussakkord setzt im winterlichen zwölften Bild das „Halleluja“ aus Händels „Messias“, dargeboten von den Kantoreien St. Peter Eisenberg und St. Johannis Neustadt, begleitet vom Reussischen Kammerorchester Gera. Unter Sven Werners Stabführung, in der Stadtkirche St. Peter zu Eisenberg.

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Schlosskirche »St. Trinitatis« zu Eisenberg Die Kapelle des Schlosses Christiansburg gilt als schönstes sakrales Bauwerk des Barock in Thüringen und als eines der bedeutenden Zeugnisse der thüringischen Barockgeschichte. Sie entstand 1677, nachdem Herzog Christian, einer der sieben Söhne die Herzog Ernst den Frommen beerbten, die Ämter Camburg, Eisenberg, Roda und Ronneburg zu einem Kleinstaat vereinte und Eisenberg zu seiner Residenzstadt erkor. Eisenberg kam schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts zu Wohlstand. Wohlhabende Innungen versetzten es in die Lage, seine Kirche zu erweitern, den Markt zu pflastern. Ein neues Rathaus entstand und Stadtschultheiß Sebastian Schlagk baute die spätere Superintendentur, schöne Bauwerke im Stile der Spätrenaissance. Das Stadtmuseum „Klötznersches Haus“ stammt ebenfalls aus dieser Zeit. Nach dem Dreißigjährigen Krieg blühte die Stadt unter Christian, nun „von SachsenEisenberg“, wieder auf. Doch als er hier einzog, fand er die kaum benutzte Burg in desolatem Zustand vor. Bruder Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg unterstützte ihn beim Umbau, bestellte dazu den Fürstlich-Sächsischen Landbaumeister Christian Wilhelm Gundermann, der wiederum den Weimarer Baumeister Johann Moritz Richter d. J. hinzu zog. Sie bauten dem ersten und einzigen Herrscher über das Herzogtum Sachsen-Eisenberg ein prächtiges barockes Residenzschloss. Zunächst galt es, schnell Wohnräume zu schaffen und zu möblieren, denn Christians Hochzeit mit Prinzessin Christiana von Merseburg stand unmittelbar bevor. Das junge Paar zog im März 1677 ein. Sie hielten große Tafel, mit Wildbret aus den umliegenden Wäldern, Lachs aus der Saale, Frankenwein und Bier aus Naumburg und Eisenberg. Die Mitgift der Braut fiel wohl reichlich aus. Christian liebte Christiane über alles, doch sie starb zwei Jahre später im Kindbett. Da es in Eisenberg keine Familiengrabstätte gab, musste er seine Gemahlin in Merseburg beisetzen. Christians einsamer Trauer entsprang vermutlich der Gedanke, eine Schlosskapelle zu bauen, als würdige Grabstätte für sich und sein künftiges Adelsgeschlecht. Am 30. April 1680 legte er dazu eigenhändig den Grundstein. Für ein prachtvolles Bauwerk, das einerseits die sinnenfreudigere Frömmigkeit der postreformatori-

schen Zeit widerspiegelt, andererseits das Repräsentationsbedürfnis der mit absolutistischem Machtanspruch in den Kleinstaaten herrschenden kleinen Könige „von Gottes Gnaden“ untereinander charakterisiert. Seine Schöpfer Bartolomeo Quadri und Giovanni Caroveri, die auch die Prunkräume des Schlosses gestalteten, kamen aus dem damaligen Zentrum der europäischen Stukkaturkunst am Comer und Luganer See in Oberitalien. Sie schufen ein barockes Gesamtkunstwerk, wie es in Europa nur ganz wenige gibt, in Thüringen sowieso kein weiteres. Die Kapelle entstand auf Wunsch des Herzogs als Querkirche. Der Fürstenempore, mit direktem Zugang vom Schloss aus, steht der Kanzelaltar mit der Orgel gegenüber. Zwei Galerien mit grazilen Brüstungen, getragen von schlanken korinthischen Säulen, verbinden beides harmonisch mit einander. Kunstvolle Stukkaturen mit reichlich Putten umrahmen das Bildnis Herzog Christians, sein Familienwappen und die Bildnisse seiner Ehefrauen Christiane und Sophia Maria, rechts und links am Chorbogen, die phantastischen Deckengemälde Johann Oswald Harms, das Altarbild, die Orgel. Die Illusionsmalereien an den Wänden ergänzen den geschlossenen Eindruck des Raumes. Unmöglich, diesen zu beschreiben. Es hilft nur, hinzugehen und zu schauen. Museologe Jörg Petermann zeigt Gästen gern und kompetent die Schätze vor: „Die ersten Restaurationsarbeiten gab 1901 Herzog Ernst von Sachsen-Altenburg in Auftrag. Zur DDR-Zeit stand die Kapelle wohl auf der Denkmalliste, doch Material und ‚Baukapazität’ dafür nicht zur Verfügung. Die Illusionsmalereien wurden mit Latex überstrichen. Glücklicherweise fertigten klug Vorausschauende davon Schablonen an, die wir 1990 im Stadtmuseum entdeckten, so dass später danach gearbeitet werden konnte. Doch vorher brach die ‚Apokalypse‘ über die Orgel herein, das heißt ein Teil dieses Deckenfrescos stürzte ab. Zwei riesige morsche Deckenbalken waren aufgrund eines ‚historischen’ Baufehlers durch die Wand über der Orgel gebrochen. Wegen Einsturzgefahr blieb die Kirche geschlossen. Schon im Vorfeld der politischen Wende entwickelte der Jenaer Architekt Fritz Bürglen ein Konzept zur Sanierung des Dachstuhls und drei Eisenberger Handwerksbetriebe – Maurermeister Klaus Röhrborn, die Zimmerei Fritz Sturm und

die Schlosserei Kurt Weller - gingen spontan mit ‚lus, jetze mach mer ...’ an dessen Ausführung. Erfreulicherweise wählte das Landesamt für Denkmalpflege in Erfurt die Schlosskapelle als Vorzeigeobjekt für eine professionelle Restauration mit ansässigen Firmen aus. Nun gab es reichlich DM. Zweieihalb Millionen.“ Unter der Leitung des Blankenhainer Architekten Dieter Müller und Jörg Petermann als Koordinator stellten die Firmen, Handwerker und Kunsthandwerker „mit Enthusiasmus und von lokalem Stolz beflügelt“ die Kirche St. Trinitatis in „alter“ Pracht pünktlich zu ihrem 300sten Geburtstag am 1. Advent 1992 fertig. Die Eheschließung mit Sophia Maria von Hessen-Darmstadt, einer passionierten Sängerin, belebte das Musikleben am Eisenberger Hof. Eine eigene Hofkapelle gab Konzerte und begleitete Opern zu höfischen Festen im Kaisersaal. Und Herzog Christian beauftragte mit Kontrakt vom 23. Oktober 1683 den „Orgelmacher und Bürger zu Leipzig“ Christoph Donat mit dem Bau einer Orgel in der Schlosskapelle. Für 550 Taler, dazu „Kost, Licht, Lagerstatt und Herberge“. Donat stellte die Orgel allerdings nicht wie verabredet zu Neujahr 1683 fertig, sondern erst im Januar 1688. Außerdem mit Mängeln, die er auf eigene Kosten beheben musste. Was offenbar nur ungenügend gelang. Hoforganist Gottlob Lorenz Rittersdorf stellte bereits 1731 erhebliche Schäden durch billiges Material fest. Der in Thüringen berühmte Orgelbauer des Altenburger Hofes, Tobias Gottfried Heinrich Trost bekam eine Generalreparatur übertragen. Für 350 Taler. Die Mängel erwiesen sich aber als so gravierend, dass ihre Behebung um 126 Taler teurer kam. Später reparierten erst ein Urenkel Donats, dann der Dorndorfer Orgelbauer Gerhardt und schließlich die Rodaer Poppes die Orgel. 1917 verschwanden die zinnernen Orgelpfeifen, zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Die Orgel verfiel. Von 1959 bis 1963 stellte der Weimarer Orgelbaumeister Gerhard Kirchner nach Archivunterlagen die Orgel bespielbar wieder her. Schließlich vollendete die Firma Euler Orgelbau aus Bautzen das Werk. Die Orgel erklingt nun wieder wie zu Bachs Zeiten. Herzog Christian regierte nur 30 Jahre, doch er hinterließ mit der Schlosskapelle und der Donat-Trost-Orgel bedeutende Schätze des Thüringer Barock und der Thüringer Orgelbautradition.

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Die Kirche in Etzdorf Inmitten von Feldern und Wiesen duckt sich Etzdorf zwischen die sanften Hügel des „Heidelandes“. Der Turm der Kirche weist erst aus nächster Nähe auf das Heidedorf hin. Doch das immerhin seit 230 Jahren. Das Dorf selbst ist sehr viel älter. Urkundlich lässt es sich seit 1194 als „Etzelntorpf“ nachweisen und befand sich damals im Besitze des Theodoricus de Etzelntorpf. Die Freiherrn von Etzdorf saßen bis 1837 hier auf ihrem Rittergut. Ackerbau, Viehzucht und Obstanbau prägten seit jeher das Leben der Dorfbewohner. Auch als das Gut an Georg von Sachsen-Altenburg ging. Die ihm 1838 zum Geburtstag auf dem Dorfplatz gepflanzte Linde verging, die noch ältere siebenarmige, von den Etzdorfern „Sieben Schwestern“ genannt, steht noch auf der Pfarrwiese. Das Gut wechselte mehrfach den Besitzer, der letzte, Paul Knof, wurde 1945 im Rahmen der Bodenreform enteignet. Seit 1953 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, dann Altersheim, erwarb es nach der „Wende“ die Agrargenossenschaft Buchheim-Crossen, die sich mehr und mehr als wesentliche wirtschaftlich-kulturelle Triebkraft für die Gemeinde und das Umland etabliert. Das geistliche Zentrum bilden Pfarrhaus und Kirche. Die geheimnisvollen Schriftzeichen der Wetterfahne auf dem Turmknopf der Kirche enträtseln sich schnell als Initialen ihres Stifters, des Freiherrn Friedrich Ludwig Otto von Etzdorf. Ihre Vorgängerin, eine kleine gotische Kirche, vermutlich im 14. Jahrhundert erbaut, erwies sich 1777 als so baufällig, dass sie abgerissen werden musste. Dem Zuge der Zeit folgend, ließ Otto von Etzdorf an ihrer Stelle ein stattliches Gotteshaus im Stile des den ländlichen Bedürfnissen angemessenen schlichten „Bauernbarock“ errichten. Die Grundsteinlegung fand am 5. Mai statt. In einer Urkunde aus dem Knopf berichtet der damalige Pfarrer Johann Christian Leberecht Seidel darüber:“... Der Anfang dieser gottesdienstlichen Handlung wurde auf freiem Platze unter einer sehr großen Menge Volkes sowohl Einheimischen als Fremden mit dem Lied ‚Hilf uns, Herr, in allen Dingen’ gemacht, alsdann hielt ich Endesgesetzter eine Rede über die Worte 1. Chronik 23.10: Machet Euch auf und bauet Gott ein Heiligtum. Nach dieser Rede wurde der Grundstein vom Herrn Kammerjunker v. Etzdorf selbst gelegt ...“. Er vergaß nicht, Gott zu bit-

ten, das Bethaus vor Wetterschlag, Feuer und Verwüstung zu behüten und die, die frommen Herzens ein- und ausgehen, zu segnen. Übrigens kostete dazumal ein Scheffel Korn vier Thaler, Weizen zwei und 16 Groschen. Aus einer Mark Silber wurden zehn Reichsthaler geschlagen. Am 23. September 1779 konnte die Gemeinde ihre Kirche feierlich einweihen. Ganz ging Pfarrer Seidels Bitte allerdings nicht in Erfüllung. 1840 beschädigte ein Sturm das Kirchendach. Mehrfach schlug der Blitz ein. In einer Urkunde von 1847 berichtet Pfarrer Moritz Theodor Frommelt von nötigen Ausbesserungen an Dach, Fenstern, Läden und Türen: „Ohne Unglück erfolgte die oft sehr gefährliche Reparatur. Zwar brach am 8. September auf der Südseite des Turmes ein Teil des Gerüstes und drei Maurergesellen namens Pfeifer, Franke und Hilpert aus Eisenberg stürzten von der Höhe der Schallöcher in des Schullehrers Garten herunter, aber ohne Schaden zu nehmen, denn alle drei schritten unmittelbar darauf wieder wohlgemuth an ihre Arbeit.“ Den sonst eher schlichten, 1985/86 in der Farbauffassung des Bauernbarock „malerisch“ erneuerten Innenraum der Kirche dominiert der prächtige Kanzelaltar. Zwei Gestalten aus dem Alten Testament flankieren die Kanzel: Moses mit den Gesetzestafeln und sein Bruder Aaron, als jüdischer Priester, auf der Brust zwölf Steine als Symbole für die zwölf Stämme Israels. Über dem Baldachin der Kanzel schwebt der wiederauferstandene Christus. Ein Pelikan mit seinen Jungen symbolisieren die Auferstehung vom Tod, zwei Putten mit Folterwerkzeugen in den Händen, in gebührendem Abstand, das überstandene Martyrium. „Eins ist not“ – drei Worte an der Kanzel, die mit Bezug auf ein Gleichnis in der Bibel meinen, dass alle Güter dieser Welt nichts bedeuten gegen die Liebe zu Gott. Dem Kanzelaltar gegenüber nimmt der barocke Orgelprospekt den Blick gefangen. Die Orgel, 1779 vom Uhlstädter Orgelbaumeister Christian Voigt geschaffen, einem Schüler des berühmten Ehrenfried Gerhardt, büßte 1917 ihre zinnernen Pfeifen zugunsten der Kriegsrüstung ein, erhielt nach Ende des Krieges solche aus Zinkblech und eine „moderne“ tiefere Tonlage. In den folgenden Jahrzehnten verkam die Orgel langsam bis zur Unbespielbarkeit. Erst 1998 konnte die Kirchgemeinde mit der Restaurierung des his-

torisch wertvollen Instruments beginnen. Katharina von Etzdorf, eine Nachfahrin des Kirchenstifters, stiftete ihrerseits einen bedeutenden Betrag für seine Erhaltung. „Ihre Familie fühlte sich stets Etzdorf und seiner Kirche verbunden, obwohl ihr die DDR-Behörden 1989 die wunschgemäße Beerdigung ihres Mannes Hasso, vorher Botschafter der Bundesrepublik in Großbritannien, in der Familiengrabstätte auf dem Etzdorfer Friedhof verwehrten. Erst 1998 konnten wir seine Urne hierher umsetzen. Auch Katharina von Etzdorf fand nach ihrem Tode 2005 hier ihre letzte Ruhestätte.“ Pfarrer Ulrich Katzmann, seit 1986 Seelsorger in Etzdorf, gedenkt ihrer dankbar, die sein Kirchspiel auch in ihrem Erbe großmütig bedachte. Dank weiterer Beiträge der Landeskirche, der Agrargenossenschaft und der Kirchgemeinde selbst konnte die Orgelbaufirma Bochmann aus KohrenSalis das Schmuckstück unter sorgsamer Nutzung der verbliebenen Substanz in alter Pracht und in der ursprünglichen barocken Tonstimmung wiederherstellen. „Unsere Kirche birgt eigentlich keine besonderen Schätze. Ich sehe das Kirchenensemble selbst als kunstvolles Ganzes, als Schatz für unser Dorf an. Als Ort der Begegnung, der Besinnung, der Zuversicht. Die hohe Kanzel über dem Altar, der erhabene Raum, der aufragende Turm sollen die Menschen ermutigen, den Blick zu erheben. Ihn nicht aus Angst vor Stolpersteinen auf den Boden zu heften, sondern voll Vertrauen nach oben zu richten. Denn - ‚Eins ist not’ “, sinniert Pfarrer Katzmann. Er deutet auf die Sitzreihen ohne Mittelgang hin, die auf Zusammengehörigkeit zielen. Die Gepflogenheit, dass die Frauen unten, die Männer auf der ersten und die jungen Leute auf der zweiten Empore saßen, gehört der Vergangenheit an. Auch in der Gutsherrenloge sitzt kein Gutsherr mehr. Die Wappen derer von Etzdorf und derer von Klitzing schmücken verdientermaßen noch Loge und Kirchentür. Vom Turm her hallt der Klang der drei eisernen Glocken übers Dorf und übers Heideland. Die bronzenen wurden, wie die Orgelpfeifen, während des I. Weltkrieges umgeschmolzen. Zu unchristlichen Zwecken.

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Die Klosterkirche in Frauenprießnitz Frauenprießnitz feierte 1996, der ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes im Jahre 1196 folgend, sein 800-jähriges Bestehen. Der Ort, früher Bressinze, Briesnitz und Prysnitz, „hat seinen Namen nach dem früher daselbst vorhandenen (Frauen)-Kloster, dem heiligen Mauritius geweiht. Über die Gründung desselben sind sichere Nachrichten nicht zu finden“, schreibt der Historiker Paul Lehfeldt. Vermutlich bestand es noch nicht lange, als die Herren von Prießnitz und von Mücheln, wie urkundlich belegt, 1250 den Zisterzienserinnen das Patronat über die Klosterkirche übertrugen. Später kamen die Schenken von Tautenburg nach Frauenprießnitz und ließen sich hier ein Schloss bauen. Der Legende nach karrten die Fröner dazu Steine von der Tautenburg hinab in den Hirschgrund und hinauf zum neuen Standort. Das Kloster litt 1525, wie das Dorf, unter den Verwüstungen des Bauernkrieges. Damals lebten hier noch vier Nonnen. Erst lange nach der Reformation, Anfang des 17. Jahrhunderts, ließ Agnes, Gemahlin des Schenken Burkhardt, die Kirche wieder herstellen. Im Dreißigjährigen Krieg, am 17. Mai 1638, äscherten die Schweden das ganze Dorf samt Kirche ein. Alle Dokumente verbrannten, auch die Orgel fiel dem Feuer zum Opfer. Obwohl nun völlig verarmt, wollte Christian zu Tautenburg „St. Mauritius“ offenbar unverzüglich wieder aufbauen. Zumindest gibt es Rechnungen über zwei Glocken, 1639 bestellt, die die Frauenprießnitzer in den 40-ern aufhängten und über zehn Jahre hin abstotterten. Eine dieser Bronzeglocken läutet heute noch. Die zweite, zweckentfremdet für den I. Weltkrieg eingeschmolzen, wurde 1921 durch eine Stahlglocke ersetzt. Christian verstarb 1640 als Letzter des Adelsgeschlechts der Schenken zu Tautenburg. Er fand neben elf seiner Vorfahren und ihren Gemahlinnen in der unterirdischen „Schenkengruft“ seine letzte Ruhestätte. Sie befindet sich unter der Begräbnishalle an der Nordseite des Kirchenschiffs. Von diesem aus durch drei kunstvoll geschmiedete Flügeltüren zwischen den Säulen zugänglich. Früher verdeckte die Treppe zur unteren von einst zwei Emporen, die obere verschwand um 1900 bei einem weiteren Umbau, weitgehend das schöne Renaissancegitterwerk. Als der Frauenprießnitzer Tischlermeister, Orgelbauer und Kantor Siegfried Schenke 1978 die Rettung des verfallenden Kirchengebäu-

des, insbesondere des Chores, und die grundhafte Restaurierung des Innenraumes in die Hand nahm, erwies sich auch die verbliebene Empore als morsch. Da lag es nahe, nur noch die Orgelempore neu zu gestalten und den Aufgang dazu an die westliche Giebelwand zu verlegen. Dem stand die Orgel im Wege. Eines von drei verbliebenen Instrumenten des Blankenhainer Hoforgelbauers Adalbert Förtzsch, geschaffen um 1877. Schon lange hatte Siegfried Schenke die Vision, die Kirche zu einem „kleinen Mekka“ für Organisten und Freunde der Orgelmusik zu machen und dafür eine Orgel zu schaffen, besonders schön anzusehen und mit ganz besonderem Klang. Jetzt, da er die „alte“ für die neue Empore nebst Aufgang abbauen musste, ergab sich dazu die Gelegenheit. Er erwarb dazu zielstrebig historisches Pfeifenmaterial von abgetragenen oder umgebauten Orgeln aus Kirchen in Naumburg und Römhild sowie aus dem Volkshaus Jena. Das Schicksal versagte es ihm jedoch, seine Idee selbst zu verwirklichen. Er starb tragisch früh, am 25. Oktober 1983 – kurz vor der Kirchenweihe. Wie aus einer Vorahnung heraus legte er bereits beim Abbau der Förtzsch-Orgel seinem Sohn Thomas ans Herz: „Falls mir etwas passieren sollte, musst du zusehen, dass d u die Orgel wieder aufbaust.“ Durch die Übernahme der väterlichen Tischlerei und den Geldwertwandel war für Thomas Schenke daran zunächst nicht zu denken: „Ein Wiederaufbau der alten Orgel wäre mit einigen Umbauten an der Empore sicher in etwa zwei Jahren möglich gewesen, kam aber für mich in Anbetracht schon aufgewendeter gedanklicher Arbeit, Zeit, Materialien und letztlich auch eigener finanzieller Mittel nicht in Frage. Ich wollte die Vision meines Vaters verwirklichen.“ 15 Jahre später nahm diese dann Schritt für Schritt sichtbar Gestalt an. Nach Zustimmung des Denkmalamtes, gemeinsam mit dem Großolbersdorfer Orgelbaumeister Georg Wünning während des Schaffensprozesses weiterentwickelt, entstand eine Orgeldisposition, die zuletzt über 53 Register auf drei Manualen mit Pedal und eine rein mechanische Traktur verfügte. Unter Verwendung der Register der FörtzschOrgel, der anderswoher erworbenen und einer großen Menge neu angefertigter Pfeifen, insbesondere für den Orgelprospekt. „Allein der Anblick einer Orgel muss schon Musik sein - ohne auch nur einen

Ton zu hören“, war Thomas Schenke überzeugt und schuf in den folgenden zehn Jahren ein einzigartiges kunsthandwerkliches Meisterstück, das der Frauenprießnitzer Restaurator Jürgen Seifert farblich gestaltete, mit „Goldrand“, und die Bildschnitzerin Alexandra Krause mit Posaunenengeln romantisch verzierte. Die originelle Anordnung mit zentralem Hauptwerk, seitlich flankiert durch die Pedaltürme, verleiht der Königin der Instrumente eine wahrhaft majestätische, Andacht gebietende Ausstrahlung. Ihr Anblick in der Stille des Kirchenraumes lässt tatsächlich ihren singenden, jubilierenden, brausenden Klang erahnen. Den Klang von sage und schreibe 3403 Pfeifen, die kleinste 6,8 cm kurz und die größte 4,98 m lang. Ergänzt durch Schwellwerk, Zimbelstern, Vogelschrey und Trommel. Siegfried Schenke pflegte als Kantor die kirchenmusikalische Tradition bereits in den 60-er Jahren, sein Sohn belebte sie seit der Kirchenrenovierung. Mit dem Gedanken an d i e neue Orgel. Der Jenaer Singkreis unter KMD Horst Fröhlich eröffnete im Juni 1984 eine lange Reihe von Konzerten. Die Kollekte von 275 Mark bildete den Grundstock für den Orgelfonds, der bis zum Beginn der Arbeiten 1998 auf 14 308 DM wuchs. Er wuchs weiter dank der Musiker, die die Konzerteinnahmen dem Fonds überließen, dank vieler Spender, dank großzügiger Unterstützung durch Denkmalpflege, Stiftung Denkmalschutz, Landeskirche und weltliche Gemeinde. Es gibt kaum eine Familie im Dorf, die keinen „Stifterbrief“ für eine ganz bestimmte kleine oder große Orgelpfeife erwarb. So kamen die 250 000 € zusammen, die die Orgel schließlich kostete. Fachleute schätzen ihren Wert auf 1.2 Millionen. Der entstand durch das begeisternde Engagement und Können der Schenkes, der Seiferts und ihrer Mitstreiter. Auch das zahlreicher Organisten, die den Weg der Orgel über zehn Jahre aktiv begleiteten. Neben dem Orgelfest finden in jedem Jahr weitere zehn bis fünfzehn Konzerte für Orgel solo, mit verschiedenen Soloinstrumenten oder mit Chören statt. Mit Organisten aus Thüringen, aus anderen Bundesländern, Europa und den USA. Auf einer großen Orgel im „kleinen Mekka“ der Orgelmusik, in Frauenprießnitz.

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Die Kirche in Gösen Zwischen Äckern und Hügeln liegt das Dorf Gösen. Ursprünglich eine kleine slawische Ansiedlung. Die erste Erwähnung fand sich in einer Urkunde aus dem Jahre 1219, als das Zisterzienser Nonnenkloster zu Eisenberg Land bei „Gisen“ geschenkt erhielt. Die Urkunde erwähnt auch schon eine Kirche. Wohl nicht in Gisen. Darüber fehlen jegliche Dokumente. Im 15. Jahrhundert gehörte „Gosen“ als Vorwerk den Schenken zu Tautenburg, die es 1484 an einen Eisenberger namens Conz verkauften, der es Mitte des 16. Jahrhunderts den Herren von Plausigk vermachte. Die damals allgemeine Sorge edler Herrschaften um ihr Seelenheil lässt vermuten, dass zum Rittergut eine Kapelle gehörte. So zitieren die Kirchenchronisten Conon und Julius Löbe in ihrer Kirchenund Schulchronik des Herzogtums Sachsen – Altenburg aus einem Protokoll der 1. postreformatorischen Kirchenvisitation im Jahre 1529 : „Gosen hat eine Capelle, ist kein sunderliche Pfarr, hat vorzeiten gen Konigshofen gepfarrt, wäre nachmals auch wieder dahin zu legen. In diesem Dörflein ist Melchior von Plausigk gesessen“. Auf dessen Bitte wurde das Dörflein denn auch nach Königshofen geschlagen. Die Löbes schreiben weiter“… die Kirche in Gösen, ziemlich in der Mitte des Dorfes, umgeben von dem Gottesacker gelegen, ist ein einfacher Bau von 15 Ellen Länge und 4 Ellen Breite und im Jahre 1811 reparirt worden“. Dass bereits 1697 eine gründliche Reparatur des Kirchleins stattfand, belegen Rechnungen von diversen Handwerkern aus der Gegend und von einem Zeitzer Glockengießer. Die überlieferte Prüfung der Rechnungen deutet darauf hin, dass sich die Gösener schwer taten, sie zu bezahlen. Die Gutsbesitzer scheinen nie sonderlich spendable Patrone gewesen zu sein. Dabei spielte sicher die jeweilige wirtschaftliche Lage des Gutes eine Rolle. Als am 7. Juni 1746 abends dort der Blitz einschlug, schrieb. Christoph Heinrich von Plausigk, der letzte seiner Sippe auf Gösen, an seinen Herzog: „… daß es der göttlichen Majestät gefiel, mich auf eine harte Probe zu stellen. Ein hitziger Donnerschlag war schon genug, alle meine Wirtschaftsgebäude nebst darin befindlichen Vorrath an Heu und Stroh, auch Wagen, Pflüge, Geschirre, in Summa alles und jedes, in Flammen zu setzen, daß weiter nichts übrig blieb als glimmende Asche“. Das bedeutete das Aus für die

Herrschaft der Plausigks. Sie verkauften 1748 das Gut, das danach häufig den Besitzer wechselte. 1811 begann der Umbau des verfallenden Gotteshauses in seine heutige Gestalt. Der damalige Pfarrer Johann Christoph Trautmann, zuvor Kantor in Camburg und seit 1801 in Königshofen für das Filial Gösen zuständig, holte bereits 1809 einen Kostenvoranschlag für die Reparatur der Orgel ein, „...die ihrer jetzigen Beschaffenheit nach der Andacht mehr hinderlich als beförderlich ist“, und 1810 einen vom Maurermeister Heidenreich aus Hainchen. Kirchenprotokolle sagen aus, dass Gösen die anfallenden Kosten nicht tragen konnte. Ungeachtet dessen genehmigte das Herzoglich Sächsische Konsistorium in Altenburg das Vorhaben. Das Rittergut sollte danach das Holz liefern und die Fuhren leisten, die Fröner die unentgeltlichen „Handdienste“ und dem Orgelbauer Verpflegung und Bett gewähren. Das Rittergut kam den Auflagen offenbar nicht nach, die Fröner wohl oder übel, denn nachdem die „Mauer gegen Mitternacht“ und die „an der Abendseite neu gemacht“, das Kreuzgewölbe abgerissen, der Turm abgetragen und wieder aufgebaut worden war, erfolgte 1812 die Weihe der quasi neuen Kirche. Allerdings konnte Gösen die Rechnungen für die Gewerke erst 1821 mit Hilfe des Konsitoriums, Spenden anderer Gemeinden und nur zur Hälfte begleichen. Der Königshofener Dachdeckermeister Friedrich Leopold Kirsch musste offenbar nicht so lange auf seinen Lohn für die 1867 ausgeführten Arbeiten warten, denn er reparierte 1886 und 1892 wieder das Kirchendach. 1904 übernahm das sein Sohn Huldreich, 1953 sein Enkel Fritz und 1988 und 1991 sein Urenkel Hans. Als nun 2012 erneut die Dachdeckung anstand, führt das Andreas Kirsch in fünfter Generation aus. Wegen eines weiter schallenden Geläutes ließ die Gemeinde 1861 die Glocken aus dem Jahre 1697 in Apolda umschmelzen. Am 2. Mai fand ein 24stündiges Probeläuten statt. Die kleine Bronzeglocke mit der Inschrift „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ hängt heute noch im Turm, also seit 150 Jahren. Die große Glocke erlitt das Schicksal vieler Kirchenglocken: Im I. Weltkrieg eingeschmolzen, danach wieder ersetzt, im II. Weltkrieg der gleiche Nutzungswechsel von Frieden zu Krieg. 1963 bewirkte dann ein „Förderkreis zur

Beschaffung einer neuen Glocke“ den Guss einer eisernen in Apolda. Die Gösener sorgten auch in schwierigen Zeiten stets dafür, dass ihre Kirche im Dorfe bleibt. Mit dem erfreulichen Ergebnis, dass der Rat des Kreises Eisenberg die „Kapelle in Gösen, nordwestlich“ 1983 zum Denkmal erhob. Anett und Norbert Schreiber aus Gösen recherchierten die Chronik „ihrer“ Kirche und stellten sie freundlicherweise für diesen Text zur verfügung. Hartnäckig nagt der Zahn der Zeit an einem so altehrwürdigen Bauwerk. Mindestens so hartnäckig halten die Gösener dagegen. Zwischen 1988 und 1990 renovierten sie es erneut, verlegten Sandsteinplatten, setzten neue Fenster ein und installierten eine Elektroanlage. Da schlug am 30. August, während der Vorbereitungen für die Neueinweihung, der Blitz ein. Gott sei Dank entstand kein Brand, aber doch erheblicher Schaden. Nach dessen weitgehender Behebung tropfte es nur noch bei Regen durch das Turmdach in darunter aufgestellte Schüsseln. Petrus zeigte sich gnädig: ein niederschlagsarmer Winter bewahrte die Kirche vor größerem Schaden. Im Frühjahr deckte Hans Kirsch den Turm neu ein, der nun einen Blitzableiter bekam. Nach der Erneuerung des Glockenstuhles 2007 geht es jetzt um die Sanierung des Turmes selbst und um die Beseitigung des Hausschwamms. Wieder sind „Handdienste“ wie edle Spender aus der Gemeinde und anderswoher gefragt, als erforderliche Eigenleistung für Zugaben aus Lotto-Überschussmitteln und von der Landeskirche. Gelegenheit für jedermann, ein Scherflein dazu beizutragen, besteht zum Ostergottesdienst, zum traditionellen Himmelfahrtsgottesdienst unter freiem Himmel und zu Benefizkonzerten. Damit die kleine Gösener Kirche auch künftig das Dorf ziert, von alten Bäumen überragt, neben den schmuck renovierten Gebäuden des einstigen Rittergutes und der 140 Jahre alten, mächtigen, prächtigen Stieleiche.

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Die Kirche in Graitschen Das Dorf Graitschen liegt im romantischen Tal der Gleise, eingebettet zwischen dem Alten Gleisberg im Südwesten und der Mönchskuppe im Norden. Schon in grauer Vorzeit lebten hier Menschen. Funde am Gleisberg aus der jüngeren Steinzeit und der Bronzezeit weisen darauf hin. Als im Verlaufe der Völkerwanderung Slawen zwischen Elbe und Saale siedelten, ließen sie sich auch im Gleistal nieder. Die erste urkundliche Erwähnung von „Critchin“ findet sich 1146 in einer Verfügung des Naumburger Bischofs Udo I. Die Geschichte der wehrhaft anmutenden Kirche begann vermutlich als gotische Marienkapelle. Erneuert unter dem Patronat derer von Wangenheim im 16. Jahrhundert, erfuhr sie eine Erweiterung durch einen Fachwerkanbau. Ein Teil des gotischen Gebäudes blieb beim letzten großen Umbau 1911 erhalten, harmonisch ergänzt zu dem ansehnlichen heutigen Gotteshaus. Eigentlich konnte sich die Gemeinde eine solche Kirche gar nicht leisten. Der Kostenvoranschlag des Weimarer Architekten Röhr belief sich auf die für diese Zeit gewaltige Summe von 29 800 Mark. Doch der damals amtierende Pfarrer Hermann Brehmer gründete eine Kirchenbaukasse und zahlte als erster sieben Pfennige ein. Während seiner Amtszeit von 1868 bis 1909 kamen immerhin 22 690 Mark zusammen. Als dann der Rittergutsbesitzer Arno Urban 7 500 Mark zuschoss und sein Nachfolger Hauptmann von Mutius auch noch 6000 Mark, stand der Grundsteinlegung am 1. März 1911 nichts mehr im Wege. Zwei der kunstvollen Buntglasfenster, die den Chorraum farbenfroh erhellen, stifteten die Mitglieder der Familie von Wangenheim. Sie zeigen die Kreuzigung des Heilands und die Segnung der Kinder durch Jesus. Das dritte Fenster widmeten Hugo Eisenschmidt und Frau, Besitzer der Untermühle, „der lieben Heimatgemeinde“. Es zeigt unter anderem die Kirche vor dem Umbau. Ein Fenster im Kirchenschiff trägt die Inschrift: „Dem Andenken unseres treuen, langjährigen Seelsorgers, des Pfarrers Hermann Brehmer, des unermüdlichen Förderers des Kirchenbaus gewidmet. Die dankbare Gemeinde Graitschen.“ Pfarrer Brehmer schied 1909 aus dem Amt und verstarb am 13. November 1911 in Jena. Pfarrer Schwarz würdigte seine Verdienste anlässlich des Richtfestes: „... Jahre-

lang ist unter der Leitung und der Anregung meines Vorgängers für diesen Bau gesammelt worden. Den hiesigen Bewohnern war die projektierte Kirche so ans Herz gewachsen, dass sie, obwohl nicht mit reichen Glücksgütern gesegnet, eine liebenswerte Opferwilligkeit entfalteten, die manche reiche Gemeinde beschämt und in den Schatten gestellt. Sonntag für Sonntag sind tropfenweise die kleinen Gaben zusammengeflossen, aber aus dem vielen Wenig ist ein Viel geworden“. Pfarrer Schwarz vergaß natürlich nicht, die großherzigen großherzoglichen Zuwendungen aus dem goldenen Jubiläumsfonds der Karl-Alexander-Stiftung und seine Ermächtigung zur Ausschreibung zweier Landeskollekten hervorzuheben. Pfarrer Brehmer und die Gemeinde setzten sich mit der Kirche ein Denkmal, insofern sie bis heute „... nicht bloß unserem Orte zur Zierde gereicht, sondern dass sie nun mehr auch in ihrer inneren Gestaltung geeignet ist, Gott zu ehren und die Gemeinde zu erbauen“. Das Geld reichte sogar noch für eine neue Orgel und zwei Glocken. Die Orgel baute August Müller aus Bad Berka. „Ein wunderschönes pneumatisches Instrument mit besonderem Klang für romantische Weisen“, schwärmt die Küsterin Marianne Weigelt, „nachdem sie Jahrzehnte lang nicht mehr erklang, konnten wir sie 2004 restaurieren. Dank der unermüdlichen Bemühungen des jetzigen Kreisheimatpflegers Norbert Klose um die dazu notwendigen Fördermittel von Landeskirche und Land. Professor Leidel aus Weimar spielt sie besonders gern und legt uns immer wieder ans Herz ‚passen sie gut auf meine Orgel auf ’. Als wir sie einweihten, standen vielen Graitschenern die Tränen in den Augen. Sie hatten die Orgel vorher noch nie gehört.“ Den Guss der Glocken übertrug damals die Gemeinde eines wohlklingenden Geläutes wegen dem Apoldaer Hofglockengießermeister Franz Schilling. Leider fielen sie dem Metallbedarf der Rüstungsindustrie im Ersten Weltkrieg zum Opfer. Schilling und Söhne gossen 1926 zwei neue, die dann für die Opfer des Krieges läuteten, die gefallenen Graitschener. Ursprünglich verfügte die Graitschener Kirche über ein mittelalterliches Dreiergeläut. Die beiden größeren der drei Glocken ließen sich dem Naumburger Glockengießer Nikolaus Rimann und der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu-

ordnen. Die kleinste Glocke stellt einen besonderen Schatz dar. Sie gilt als eine der ältesten in Deutschland erhalten gebliebenen und stammt aus der Zeit um 1100. Sie befindet sich als „Schatz außer Haus“ heute im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Bereits 1884 wollte Pfarrer Brehmer die gesprungene Glocke zugunsten der Kirchenbaukasse an das Germanische Museum der Universität Jena verkaufen. Ein Jahr später erhielt er dazu die Genehmigung, doch der Ankauf scheiterte aus finanziellen Gründen. Das Nürnberger Museum sprang ein und kaufte sie 1888 für 90 Mark. Das Pfund Glocke zu 60 Pfennig, plus Aufschlag für den archäologischen Wert. Fünf Jahre später zersprang auch die größte Glocke, als sie ein Schulknabe zum Schulgang läutete und zu heftig anschlug. Kirchliche und weltliche Gemeinde wirken nach wie vor Hand in Hand, wenn es um ihr schmuckes Dorf und ihre Kirche im Dorfe geht. Eine stattliche Kirche, die dazu sehenswerte Schätze birgt. Mindestens noch das Kruzifix von 1419. Der Gekreuzigte erhielt jüngst ein vergoldetes Lendentuch an Stelle des vorher weinroten. Die Kirchenbänke und die Verkleidung der Empore in verschiedenen warmen Grüntönen vermitteln eine hoffnungsvoll feierliche Stimmung. Grün und Gold harmonieren mit den Farben der Renaissance. Das an den „Patron“ Balthasar von Wangenheim erinnernde Epitaph zeigt die Auferstehung, gut erhalten, in den originalen Farben. Die ursprünglichen Farben der Kanzel liegen noch unter jüngeren Deckschichten verborgen. Im Verborgenen, unter dem Altar, ruhen auch die Verblichenen derer von Wangenheim. Die Grabstätte des Graitschener Ehrenbürgers Hermann Brehmer gestaltete Frank Rub, der als Bildhauer und Maler mit seiner gleichfalls Kunst schaffenden Frau Eve hier im gemeinsamen Atelierhaus lebt. Sie liegt, wie der verehrte Seelsorger es sich wünschte, an der Kirche, neben seiner Ehefrau und seiner Mutter, von Efeu bedeckt zwischen zwei Fliederbüschen.

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Die Kirche »St. Salvator« in Hermsdorf Vorzeiten, wohl um das Jahr 1150, kamen Siedler aus Franken ins „Holzland“. Neben ihren Holzhütten errichteten sie auch eine Kirche, klein aber wehrhaft, als „Fluchtburg“ zum Schutze vor den benachbarten Sorben oder vagabundierendem Raubgesindel geeignet, vermutlich wie im Fränkischen üblich, mit massivem Turm, hochgelegenen Fenstern und durch Palisaden geschützt. Schriftliche Zeugnisse, wie die Kirche aussah, liefert allerdings erst ein Kirchenrechnungsbuch aus dem Jahre 1588. Demnach war das Fachwerk des oberen Teils des Turmes mit Schiefer beschlagen und das Dach mit Ziegeln gedeckt. Drei bronzene Glocken und eine neue Kirchturmuhr deuten auf eine wohlhabende Gemeinde hin, die zudem stetig wuchs. Um 1600 auf 200 Seelen. Für so viele wurde es im Kirchenraum zu eng. Der Einbau einer Empore schuf zunächst Platz, doch bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg bedurfte es einer zweiten. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts verdoppelte sich die Zahl der Einwohner Hermsdorfs. Dazu pilgerten noch die aus den benachbarten Gemeinden Oberndorf und Reichenbach zu Bußgottesdiensten und Kirchenfesten hierher. Pfarrer und Gemeinde beklagten gegenüber ihrem Landesherrn, dass es für die Gläubigen oft nicht genügend Stehplätze in der Kirche gäbe, sie sogar draußen auf dem Kirchhof oder im „Leichenhäuslein“ stehen müssten, und dass es bei trübem Wetter auf den „Weiberplätzen“ zu dunkel sei, um die Texte lesen zu können. Sie ersuchten ihn beharrlich, anstelle des inzwischen auch sichtlich baufälligen Kirchleins den Bau einer größeren Kirche zu genehmigen. Die dafür nötigen 2000 Gulden wollten sie aus Rücklagen, durch Holzverkauf und Verwendung von Holz aus dem Kirchenwald aufbringen und Abbruchmaterial nutzen, sowie Frondienste leisten. Wie auch in späterer Zeit schafften die rührigen Hermsdorfer vollendete Tatsachen schon vor einer endgültigen Entscheidung und rissen die alte Kirche ein. Die Genehmigung durch das Konsistorium erfolgte prompt, die Grundsteinlegung am 6. Mai 1732 und bereits am 1. Advent des gleichen Jahres die Weihe des neuen Gotteshauses. Der golden glänzende Knopf mit dem Stern über der Wetterfahne ziert seit dem 3. März 1733 den Turm. Von der alten Kirche verblieben das von einem unbekannten Künstler

im 15. Jahrhundert geschaffene Kruzifix, die drei Bronzeglocken und die Turmuhr. In den Folgejahren entstanden von der Hand des Eisenberger Malers Schildbach Deckenmalereien und Bilder entlang der Emporen. Zeitgemäß im Rokokostil, fantastisch plastisch in Grisaille-Technik gemalt, adaptierte er sinnbildliche Motive aus der damals verbreiteten Merian-Bibel, stellte den „St. Salvator“ – den Heiligen Erlöser Christus, seine Apostel und die Propheten dar. Der Reformator Dr. Martin Luther, in der Hand die aufgeschlagene Bibel, dominiert die Kirchendecke. Kaum hatte sich die Gemeinde finanziell vom Kirchenbau halbwegs erholt, leistete sie sich 1750 die erste kleine Orgel. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erwies sich in Folge des industriellen Aufschwungs Hermsdorfs durch den Bau der Eisenbahnstrecke und die Porzellanfabrik das Kirchengebäude erneut als zu klein. Ein dem Zeitgeschmack entsprechender neugotischer Anbau vor dem Portal schaffte Abhilfe und gleichzeitig Platz für eine neue Orgel, gebaut von den Gebrüdern Poppe in Roda und 1885 eingeweiht. Erstmalig sorgten auch zwei große eiserne Öfen in der Kirche für Wärme an kalten Tagen. Leider zogen die Schornsteine schlecht, die Öfen qualmten und verrußten im Laufe der Jahre die Gemälde an Decke und Emporen total, die Farben blätterten ab, so dass sich der Kirchenvorstand 1922 veranlasst sah, sie grundlegend restaurieren zu lassen. Weitere grundlegende bauliche Veränderungen erfolgten 1973 bis 1975, um für die Gemeindearbeit, für die Christenlehre, fürs Musizieren, für Kirchenbüro und Friedhofsverwaltung dringend benötigte Räume zu schaffen. Baumaßnahmen außerhalb der Kirche genehmigten die Behörden dafür nicht, aber mit Zustimmung des Instituts für Denkmalpflege und des Kreiskirchenamtes Weimar fand sich eine Lösung durch eine Zwischendecke in Höhe der ersten Empore. Mit Bedacht auf die wertvollen Gemälde, die fast vollzählig erhalten blieben. Die Kanzel musste allerdings einem Lesepult weichen, der Altar einer einfachen Mensa, aber das mittelalterliche Kruzifix erfüllt mit seiner Ausstrahlung den schlichten Altarraum bis heute. Die nun geringere Höhe des Kirchenraumes wirkt vielleicht weniger Ehrfurcht gebietend, schafft aber eine heimeligere, keinesfalls weniger andachtsvolle Atmosphäre.

Für das rege musikalische Geschehen in der Kirche wünschte sich die Gemeinde schon lange eine neue Orgel. Die Poppe-Orgel erhielt in den 60er Jahren eine pneumatische Steuerung. Deren bis zu fünf Meter lange Schläuche verursachten einen deutlichen Zeitverzug zwischen Anschlag und Ton, der den Organisten sehr missfiel. Als dann eines Tages 1980 der Weimarer Professor Johannes Ernst Köhler das Instrument in einem Brief an die Denkmalbehörde kategorisch für unbespielbar und nicht erhaltenswert erklärte, konnte sie 1982 ein neues bei der Orgelbaufirma Sauer in Frankfurt an der Oder bestellen. Es sollte 133 TM kosten – Mark der DDR. Durch unzählige Bastelabende und regelmäßige „Orgelbasare“ kamen, auch dank spendenfreudiger Gemeindeglieder und Orgelenthusiasten, bis 1987 bereits mehr als 100 TM zusammen. Eigentlich sollte die Orgel erst 1992 kommen, doch der langjährige, viel zu früh verstorbene Kantor, Kirchenmusikdirektor Hubertus Merker handelte einen früheren Termin aus. Es klappte, weil ein polnischer Kunde auf seine bestellte Orgel verzichten musste. Glück für die Hermsdorfer. Doppeltes Glück im Nachhinein, denn 1992 hätten sie für diese Orgel 450 TDM zahlen müssen und das nicht gekonnt. Im März zur Probe gespielt, für gut befunden, abgebaut, in Kisten verpackt und auf einen LKW verladen, stand sie glücklicherweise in der Nacht auf dem Platz des VEB Kraftverkehr, als ein Schornstein auf die Werkstatthalle der Firma Sauer fiel und sie vollkommen zertrümmerte. Ein Wunder. Ein kleines auch, dass beim letzten Basar vor der Grenzöffnung noch einmal eine extra große „Orgelkollekte“ von rund 8000 Mark eingesammelt werden konnte. Zu den ideellen Schätzen in der Kirche gehört das rege musikalische Leben. Seit 1985 gibt es die „Musikalische Woche“ mit jeweils sieben Veranstaltungen „höherer Ordnung“. Unterm Dach der Gemeinde musizieren Vorschulkinderchor, Kinderchor, Posaunenchor, Sing- und Instrumentalkreis und seit 1979 der Ökumenische Chor. Der junge Kantor Every Zabel leitet jetzt das Ganze, Frau Annelies Merker im Hintergrund. Die Glocken vom Turm der Kirche „St. Salvator“ läuten mit eisernem Klang. Die bronzenen dienten eingeschmolzen im 1. Weltkrieg unfriedlichen Zwecken.

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Die Kirche »St. Margarethen« in Kahla „Kahle“ duckt sich im Tale der Saale vor dem romantischen Panorama dreier Berge: dem Lichtenberg mit der Leuchtenburg, der Königin des Saaletals, dem Pfaffenstein und dem Dohlenstein mit seiner etwas unheimlichen Steilwand. Hier siedelten schon vor mehr als 3000 Jahren die Vorfahren der Kahlaer, die ein paar Hundert Jahre später bereits mit Töpferscheiben töpferten. Bis heute setzt die Porzellanfabrik diese Keramikertradition mit Porzellinern fort. Die heutige Stadt Kahla entstand um die Burg der Herren von Cal herum. Ihre älteste bekannte urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1184, der Name Cala wohl von den kahlen Kalkbergen. Der Platz an der Stadtkirche St. Margarethen heißt heute noch „Die Burg“. Der Turm der Kirche, mit der hohen schlanken Turmspitze, flankiert von vier Ecktürmchen, überragt, neben dem erheblich jüngeren Schlot der Porzellanfabrik, seit 1495 die Silhouette der Stadt. Ihre Vorgängerin, vermutlich schon mit der einstigen Burg zusammen erbaut, fiel 1410 wie diese und Teile der Stadt einem verheerenden Brand zum Opfer. Wahrscheinlich war auch sie bereits der Heiligen Margarethe geweiht, einer der vierzehn Nothelferinnen. Der Legende nach lebte die schöne Schäferin zur Zeit der Christenverfolgung durch Kaiser Diokletian in Antiochia in Pisinien. Der heidnische Stadtpräfekt Olybrius begehrte sie zur Frau. Als Christin verweigerte sich ihm Margarethe, worauf er sie voller Wut martern und in den Kerker werfen ließ. Dort wollte ihr der Teufel in Gestalt eines Drachens Gewalt antun. Mit dem Kreuzzeichen tötete sie ihn. Der verschmähte Olybrius ließ sie enthaupten. Auf dem Weg zur Richtstätte betete sie für Frauen in Kindesnöten. Sie gilt seitdem als Nothelferin der Schwangeren. Ihr Bildnis ziert das Kahlaer Wappen und als Relief das Rathaus der Stadt. Eine Tafel am Turm bezeugt, dass die Kahlaer bereits „im Jahre des Herrn 1411 am Sonnabend nach Ostern“ begannen, ihr Gotteshaus wieder aufzubauen. Zwei Jahre später stand der Turm, aber erst 1495 erhielt er einen Helm. Eine Besonderheit des Kirchenbaus besteht darin, dass der 1462 fertiggestellte Chor sich auf eine „Cavata“ stützt, die als offenes gotisches Kreuzgewölbe das abfallende Gelände ausgleicht. 1906 ummauert, diente der Raum als Sakristei. Jetzt finden hier vielerlei kirchlichen Veranstaltungen statt.

Für den Einbau einer dritten Empore und einer Orgel wurde das Schiff zwischen 1791 und 1793 um dreieinhalb Meter erhöht. Die Orgel baute 1796 der Milbitzer Orgelbauer Johann Andreas Schulze. Bei ihrem letzten Umbau 1962 blieben noch einige Register des ursprünglichen Werkes erhalten. Zurzeit kaum noch bespielbar, entschloss sich die Gemeinde, ein neues Instrument zu beschaffen und sammelt dafür Geld. „Die Kirche besaß bereits 1496 eine Orgel. Im gleichen Jahr erblickte hier Johann Blankenmüller das Licht der Welt, später als Johann Walter der ‚Ur-Kantor der evangelischen Kirche‘, ein bedeutender Kirchenmusiker und Komponist, der als Freund und Berater Luthers viele Texte des Reformators vertonte. Johann Walter ist aus der evangelischen Kirchenmusik nicht wegzudenken, geschweige denn aus der Kahlas. Die neue Orgel soll ihm als ‚Johann-Walter-Orgel‘ ein Denkmal setzen“, erhellt die Kirchenälteste Maren Hellbig das kirchenmusikalische Geschehen zur Reformationszeit und heute. Bei der Sprengung der Saalebrücke gegen Ende des Zweiten Weltkrieges beschädigte die Druckwelle auch die Kirche. Das machte umfangreiche Instandsetzungen erforderlich. Dabei riss man die dritte Empore wieder ab, verkürzte die beiden verbleibenden und verglaste die Fenster modern farbig. Die Orgel vor den Westfenstern verdüstert den Kirchenraum. Das soll sich mit der neuen ändern. Zu den „inneren“ Schätzen der „fledermausfreundlichen“ Kirche gehört, neben diesen Flattertieren im Turm, als ältestes Kunstwerk der romanische Taufstein aus dem 12. Jahrhundert. Das steinerne Stehpult, Teil einer Renaissancekanzel aus dem Jahre 1554, stand bis 1955 in der Kahlaer Kirche St. Nikolaus und zeigt zwischen Tod und wiederauferstandenem Christus den Sündenfall im Paradiese. Der verschmitzte Schnitzer fand, dass mindestens in einem der Äpfel am Baume der Erkenntnis der Wurm drin sein muss und setzte der „bösen“ Schlange eine Krone auf. Die Barockkanzel von 1615 an der Südwand, mit Bildnissen von Christus, Johannes, Moses und einem Propheten (?), dazu Johannes und Lukas auf der Treppenwange, ergänzt das historische sakrale Inventar. Besondere Erwähnung verdient das seltene, denkmalgeschützte Vierergeläut im Kirchturm. Die kleinste und älteste Glo-

cke „Rex Gloriae“ ließen die Kahlaer 1415 kurz nach dem Stadtbrand gießen. Die „Benigna“ goss 1470 vermutlich der Glockengießer Hans Sindermann in Erfurt, die „Maria“ (anno 1516) und „Concordia“ (1509, 1920 kg !) Heinrich Ciegeler ebendort. Kalligrafisch und ornamental prächtig gestaltet, überstanden alle wie durch ein Wunder alle Kriege unversehrt. Dazu trug auch der erste evangelische Kantor an der Stadtkirche bei: Als der im Schmalkaldischen Krieg siegreiche Kaiser Karl V. 1547 nach Kahla kam, überzeugte ihn Peter Schmitzerling mit einer eindringlichen Stegreifrede und bewahrte die Stadt vor Plünderung und Brandschatzung durch Herzog Albas Söldner. Der Landesherr Kurfürst Johann Friedrich I., Gefangener im Tross des Kaisers, betete damals in St. Margarethen. 1552 nach seiner Gefangenschaft wieder in Kahla, huldigte ihm der Kantor mit einer eigenen Komposition. Seiner gewaltigen Leibesfülle wegen nagelten Kahlaer Handwerker zwei Stühle für ihren Fürsten zusammen. Luther predigte schon 1524 in St. Margarethen, gegen die Bilderstürmerei und gegen die murrenden Protestanten, die dem in Orlamünde radikal missionierenden Luther-Kontrahenten Karlstadt nahestanden. „Von Pfingsten bis zum Erntedank halten wir unsere Kirche offen. Täglich von 11 bis 13 Uhr. Außer den Gottesdiensten finden regelmäßig Konzerte statt. Meist zwei im Monat. Im September 2011 feierten wir den 600jährigen Baubeginn und 2012 steht unter dem Motto ‚Reformation und Musik‘. Wir erwarten dazu viele prominente Mitwirkende. Gerhard Schöne kommt bestimmt. Natürlich singt unsere seit 60 Jahren bestehende ‚Johann-Walter-Kantorei‘, dazu unser Kinder- und Jugendchor und das ‚Kollegium voKahle‘“, freut sich Pfarrer Matthias Schubert über die „lebendige“ Kirche.

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Die Kirche in Kleinbucha „Wachet auf – ruft uns die Stimme“, in diesem Falle die Stimme der kleinen Barockorgel im Dorfkirchlein zu Kleinbucha. Pfarrer Dr. Wolfgang Freund erklomm die schmale Treppe zur Orgelempore, zog alle Register und intonierte einige Sequenzen des Chorals. Heller Klang, mit sonoren dunklen Tönen untermalt, erfüllte das kleine Kirchenschiff. „Diese Orgel macht süchtig mit ihren klaren Stimmen. Vielleicht ist es auch das Gefühl, auf einem kostbaren, weil seltenen Instrument zu musizieren. Das Werk eines unbekannten, offenbar meisterhaften Orgelbauers stammt vermutlich aus dem frühen 18. Jahrhundert und blieb fast original erhalten. Die Kirchgemeinde erwarb es Anfang des 19. Jahrhunderts aus Zwabitz. Sie ließ es 1994 begutachten und der Orgelsachverständige der Landeskirche, Klaus Rilke, befand es als sehr interessantes Zeugnis des barocken Orgelbaus und denkmalswürdig. Infolge dessen erhielt die Saalfelder Orgelbauwerkstatt Rösel & Hercher den Auftrag, die Kleinbuchaer Barockorgel denkmalgerecht zu restaurieren. Die Hoffnung auf finanzielle Unterstützung erfüllte sich nach beharrlich gestellten Anträgen an Landeskirche und Landesamt für Denkmalpflege. Die Kirchgemeinde selbst sammelte dafür 5100 DM ein. Die Orgel steht frei auf der Empore, wie sie vermutlich einst frei in einem herrschaftlichen Hause stand. Darauf deutet zumindest das allseitige barocke Schnitzwerk, auch auf der Rückseite, hin. Über die endgültige Fertigstellung erzählt Pfarrer Freund eine erfreuliche Episode: „Die Förderquellen versiegten um 2000. Es fehlten aber noch 7000 Mark, respektive 3500 €. Davon erfuhren ‚die Studenten’, einstige Kommilitonen an der Uni Jena, inzwischen honorige Professoren und Doktoren um die Sechzig, die sich seit 40 Jahren regelmäßig an einem Wochenende im Juli in Kleinbucha treffen, hier wandern, zechen und im Dorfteich baden. Spontan beschlossen sie eine Hilfsaktion und spendeten 3600 €, sodass wir sogar noch einen Motor für das Gebläse einbauen konnten.“ Ebenfalls um das Jahr 2000 fanden nun die vom Landesamt für Denkmalpflege mit der bauarchäologischen Erkundung beauftragten Weimarer Restauratoren Michael Matz und Partner heraus, dass es sich bei der Kirche selbst um einen historischen Schatz handelt: Um eine in ihrer Bausubstanz weitgehend erhalten geblie-

bene romanische Saalkirche. Bisher wiesen darauf die halbkreisförmige Apsis und der Triumphbogen im Inneren der Kirche hin. In ihren jüngsten Befunden identifizierten die Weimarer nun auch den Saal anhand der Art und Weise seiner Aufführung als romanisches Gemäuer. Aus welcher Zeit es ursprünglich stammt? In ihrer jetzigen Gestalt entstand die Kirche jedenfalls im Jahre 1768. Diese Jahreszahl hinterließen die Maurer im Putz der Fensternischen. All diese interessanten Erkenntnisse führten allerdings zunächst nicht dazu, dass spontan freistaatliche Quellen sprudelten, um eine Restaurierung der Kirche zu fördern. Die nahm die Kirchgemeinde, wie bei der Orgel, erst einmal selbst in die Hände, finanziell unterstützt durch die Horst-Minihold-Stiftung und die Landeskirche. Die Wände wurden frisch verputzt, hucklig und bucklig wie einst, die Bodenplatten im Altarraum neu verlegt, das morsche Podest für das Gestühl erneuert und das Gotteshaus erstmals elektrifiziert. In einem zweiten Bauabschnitt erhielten die umlaufende Empore, die Kanzel hoch über dem Altar und die Decke ihre ursprüngliche, arg verblichene naive Blumenbemalung im „Bauernbarock“ wieder farbenfroh aufgefrischt und verleihen dem Saal so eine Atmosphäre heiterer, andachtsvoller Intimität. Von besonderem Glanze, wenn ihn der prachtvolle Kronleuchter erhellt. Auch um ihn rankt sich eine Geschichte: Gerhard Backert, einer der sich für die Kirche engagierenden Kleinbuchaer, erhielt zum Siebzigsten von seinem künstlerisch ambitionierten Bruder einen geschnitzten Leuchter geschenkt. Der gefiel ihm so gut, dass er auf die Idee kam, Bruder Wilfried, gelernter Maschinenbauschlosser, könnte einen Lüster für die Kirche „schmieden“. Für Wilfried, der mit seiner Familie seit 1960 im bayerischen Weilbach lebt, Kleinbucha aber von früher und von späteren Besuchen kannte, eine echte Herausforderung. 1000 Stunden und 1000 DM wendete er für Entwurf und Fertigstellung seines größten Kunstwerks auf und stiftete es für die Kirchgemeinde. Aber für eine romanische Saalkirche ...? Die Denkmalbehörde drückte zu Gunsten der gelungenen, mit Herzblut verrichteten Arbeit ein Auge zu. Jedenfalls erstrahlt der Kronleuchter aus glänzendem Kupfer und glitzerndem Kristallglas in voller Pracht, ganz besonders zur Weihnachts-

zeit. Zu seiner Einweihung Weinachten 2002 wünschten sich Wilfried Backert und seine Frau Charlotte das Lied „Ich bete an die Macht der Liebe“, gespielt auf der Barockorgel. Und sie bekamen auch die vom Pfarrer versprochene echte Thüringer Bratwurst. Im hölzernen Glockenstuhl des Kirchturms mit dem Zeltdach hängen zwei Glocken. Die größere wurde im Jahre 1400 gegossen und trägt die Inschrift „Ave Maria gracia plena dominus tecum – Gegrüßet seiest Du, gnadenvolle Maria, der Herr ist mit Dir“. Auf der kleineren gibt es keine Widmung, dafür eine lustige Legende über sie. Eines Tages ging nämlich beim Läuten ihr Klöppel verloren. Man vermutete, er sei durch die Turmluke hinaus geschleudert worden, auf den Erdboden gefallen und, da er dort nicht lag, ins Erdreich eingedrungen. Die Kleinbuchaer gruben danach und gruben – eine tiefe Grube vor der Kirche. Den Klöppel fanden sie nicht. Die Grube jedoch füllte sich mit Wasser. So entstand der Dorfteich, in den heute noch ‚die Studenten’ baden gehen. Viel später entdeckten sie den Klöppel im Turm. Er war in den dichten Spinnweben hängen geblieben. Wer über die schmale Stiege und eine Leiter in den Turm steigt, kann ihn sich ansehen. Die dichten Spinnweben auch. Kleinbucha mit seinen 60 Einwohnern liegt am Dehnabach, knapp drei Kilometer oberhalb von Dienstädt. „Im Schatten“ dieses durch seine Dorfkirche und deren wunderschönen spätgotischen Schnitzaltar weithin bekannten Dorfes. Darin liegt aber für das kleinere Nachbardorf und seine romanische Kirche mit ihren besonderen „Schätzen“ auch eine Chance. Denn der kurze Weg dahin, knapp drei Kilometer den idyllischen Dehnagrund aufwärts, zwischen mit Buchen, Fichten und Kiefern bewaldeten Höhen, lohnt sich nach ihrer so sorgfältigen inneren Wiederherstellung. Pfarrer Dr. Freund klopft außen mit dem Knöchel behutsam auf den Putz. Es klingt hohl. Ja, die Fassade – es gibt immer noch viel zu tun.

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Die Kirche »St. Nicolai« in Lippersdorf Durch das Traditionsbewusstsein der Dorfbewohner blieb mit den „Tälerdörfern“ zwischen Tautendorf und Tröbnitz, im Quellgebiet und entlang der Roda, eine in der Region einzigartige Kulturlandschaft erhalten. Geprägt durch viele gut erhaltene oder „rehistorisierte“ Fachwerkgebäude und Umgebindehäuser, wie sie an Stelle massiver Holzhäuser entstanden, um Holz zu sparen, das sich mit der Blüte des holzverarbeitenden Gewerbes hier zu Lande verteuerte. Die „Tälerdörfler“ sorgten auch dafür, dass ihre Kirchen im Dorfe blieben. Was ihre Schätze anbelangt, steht die an solchen wohl reichste in Lippersdorf. Das Dorf entstand vermutlich im 12. Jahrhundert, als deutsche Siedler ins slawische Land östlich der Saale vordrangen. Möglicherweise hieß ihr damaliger Anführer Liebrecht. Von einer Kirche aus dieser Zeit zeugen noch rudimentäre Reste der Grundmauern des Chores und eines Rundbogenfrieses an der Ostwand des Turmes. Im Jahre 1543 kauften die adeligen Brüder Apel, Hans und Kunz von Meusebach die Güter und Dörfer Tautendorf, Eineborn, Ottendorf, Lippersdorf, Erdmannsdorf und Waltersdorf an der Roda, dazu Kleinebersdorf, Karlsdorf, Bremsnitz, Weißbach und Rattelsdorf in den Seitentälern von Johann Friedrich I., dem Großmütigen, Kurfürst von Sachsen. Die Meusebacher erhoben nun in ihrer Herrschaft Zinsen, forderten Frondienste ein und übten zweckdienlich auch die Gerichtsbarkeit aus. So brachten sie es offenbar zu einem gewissen Wohlstand, denn 1630 ließ Heinrich von Meusebach im zentral gelegenen Lippersdorf die Kirche neu errichten. Wie einiges von der romanischen und gotischen Bausubstanz, blieb ihr auch der ursprüngliche Namenspatron erhalten – der Heilige Nikolaus, der Schutzpatron der Reisenden und der liebste Heilige der Kinder. Heinrichs Enkel Christian stiftete 1706 eine kleine Orgel. Die erste Orgel in einem Dorf in der ganzen Gegend. 1738 schafften die Lippersdorfer eine größere, klangvollere vom Geraer Orgelbauer Christian Ernst Friderici an, einem Schüler Gottfried Silbermanns. Wahrscheinlich das erste selbständige Werk dieses Meisters. Das Schnitzwerk des Gehäuses schuf der Geraer Holzbildhauer Johann Wilhelm Rockstroh. Die Gebrüder Poppe aus Roda renovierten 1893 das Instrument. Ebenfalls noch unter den Meusebachern erhielt

die Kirche 1718 einen neuen Chor, eine Sakristei, vor allem aber die einzigartige Deckenbemalung in Chor und Langhaus. Der Ronneburger Maler Johann Conrad Schöning hielt auf 40 Bildtafeln Szenen aus der Bibel fest. Mit Zitaten aus dem Alten und dem Neuen Testament. Vermeintlich nach dem Vorbild der historischen Augsburger Bilderbibel des Johann Ulrich Krause von 1700, einer Art Armenbibel – biblia pauperum – für die meist des Lesens unkundigen Gläubigen. Weitere 15 Tafeln im Chor stellen Gott Vater, Christus und den Heiligen Geist dar, flankiert von den zwölf Aposteln. Die in warmen Röteltönen gemalten Tafelbilder schmücken den hohen, hellen Kirchenraum auf ganz besondere Weise. Sie stellen auch optisch die Verbindung zum wunderschönen Flügelaltar her. Die Beweinungsszene des Schreins zeigt die Pièta, Maria mit dem von den erlittenen Qualen gezeichneten Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoß, ihr zur linken Maria Kleophas und Maria Magdalena, ihr zur rechten den Evangelisten Johannnes. In den Seitenflügeln verewigte der unbekannte Künstler links die Heilige Anna „selbdritt“ und den Namenspatron der Kirche, sowie rechts die Heiligen Katharina und Barbara. Anhand der Stilmerkmale und der modischen Details ihrer Kleidung schließen Kunsthistoriker auf die Entstehung der spätgotischen Schnitzfiguren um 1510 herum und ordnen sie dem Jenaer Bildschnitzer Johann Linde zu. Unglaublich, dass dieses Kunstwerk erst 1931, zerlegt und in desolatem Zustand auf dem Kirchenboden entdeckt, wieder ans Tageslicht kam. Der damalige Pfarrer Friedrich Michael Zimmer ließ den beschädigten Altar nach Eisenach bringen und im Museum für kirchliche Kunst restaurieren. Gemeinsam mit fünf ebenfalls stark beschädigten Schnitzfiguren eines noch ein paar Jahre älteren Altarschreins. Dazu gehörten eine Mondsichelmadonna, wiederum der heilige Nikolaus, die Jungfrau Margaretha und die Heiligen Laurentius, Sebastian und Valentin. Der römische Priester Valentin lebte im 3. Jahrhundert. Unter anderem traute er gegen das kaiserliche Verbot Paare nach christlichem Zeremoniell. Deshalb ließ ihn Kaiser Claudius II. 269 hinrichten. Am 14. Februar, dem heute als Tag der Liebespaare nun auch bei uns kommerziell erschlossenen Valentinstag. Jetzt schmückt seine Skulptur gemeinsam mit den anderen die Wand

neben dem prächtigen Kanzelaltar. Dieses Schmuckstück schuf 1639 Georg Sonnenkalb in einem „Stilgemisch“ zwischen Renaissance und Barock. Der hölzerne, mit Blumen und Rankenwerk reich verzierte Schalldeckel entstand später, wahrscheinlich 1718 im Zuge der gründlichen Renovierung der Kirche. Die Malerei am Kanzelkorb könnte Johann Conrad Schöning damals „nebenbei“ mit ausgeführt haben. Die Ähnlichkeit der Malweise der Tafeln mit den Deckengemälden deutet darauf hin. Neben Christus zeigen sie die vier Evangelisten Matthäus, Lukas, Markus und Johannes mit den ihnen zugeordneten Attributen – Engel – Stier – Löwe – Adler, die die Menschwerdung Christi, seinen Opfertod, seine Auferstehung und Christi Himmelfahrt symbolisieren. Durch das ständige Bemühen der Kirchgemeinde um ihr Gotteshaus blieb dieses kirchenkulturell wertvolle Denkmal sehr gut erhalten. Nachdem 1996, finanziert durch die kirchliche und die staatliche Gemeinde, der Dachstuhl repariert und das Dach neu gedeckt werden konnte, erfolgte 1999 die Schwammsanierung des Mauerwerks. Die beiden kunstvollen Flügelaltäre und die einzelnen Schnitzfiguren wurden mit Hilfe von Fördermitteln und wesentlicher Selbstbeteiligung vom Holzwurm befreit und konserviert. Es folgte die Installation einer Blitzschutzanlage, zum Schutz vor möglichen Unachtsamkeiten bei der Wettergestaltung seitens Petrus. Das 2002 neu verputzte und „elektrifizierte“ Kircheninnere erhielt auch eine frische Ausmalung. Ein Jahr später beschädigte ein Sturm den Turmknopf. Restauriert und mit einer neuen Wetterfahne versehen, schmückt er jetzt wieder den Turm. Zurzeit beschäftigt die Gemeinde die Bewahrung der Deckenvertäfelung und die Wiederherstellung der verblassenden Tafelmalereien. Ein Projekt, das kunstfertige Handwerker, Zeit und vor allem allerhand „Silberlinge“ erfordert. Die Restaurationswerkstatt, die vor Jahren damit begann, gibt es nicht mehr. Mit Gottes und weltlicher Hilfe schaffen es die Lippersdorfer bestimmt, auch dieses Werk zu vollenden. Das wäre höchst erfreulich für die Kirchgemeinde, für die Szenerie der Tälerdörfer und für die Kulturlandschaft des Landkreises.

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Die Kirche »St. Marien« zu Orlamünde Als bedeutendster Pfarrer wirkte im Orlamünder Amt zweifellos Dr. Andreas Bodenstein aus Karlstadt und auch so genannt. Zunächst eifriger Mitstreiter Luthers, dann unbeugsamer Widerpart, proklamierte er als Archidiakon des Wittenberger Allerheiligenstifts schon vor dem Reformator seine eigenen evangelischen Thesen. Er drang darauf, sämtliche Heiligenbilder aus den Kirchen zu entfernen und die Anbetung allein an Gott zu richten. Als „Bilderstürmer“ zu radikal für Luther, kam es zwischen beiden zum Zerwürfnis und Karlstadt im Mai 1523 nach Orlamünde, dessen Pfarrei dem Allerheiligenstift unterstand. Er ließ natürlich hier die Heiligenbilder und die Kunstschätze aus „St. Marien“ und den Kirchen des Sprengels entfernen, die der Heiligenverehrung dienenden Nebenaltäre abreißen und predigte deutsch. Er verzichtete auf seinen „Doktor“, tauschte den Gelehrtenrock mit dem Bauernkittel und ging als Bruder Andres unter die Leute. Seine Volksnähe zog von weither die Bauern in die Kirche, zudem disputierte er mit den Bürgern und nahm die Ratsherrn für sich ein. Als Luther ihn mit dem „Schwarmgeist“ Müntzer gleichsetzte, schrieben die einen geharnischten Brief nach Wittenberg und brachten damit den selbstherrlichen Reformator gegen sich auf. Der reiste nach Jena, wo es im „Schwarzen Bären“ zu einem Streitgespräch mit Karlstadt kam, dann nach Orlamünde. Dort ließen ihn Stadtrat und Gemeinde abblitzen, wegen seiner überheblichen Art, vor allem aber standen sie fest zu ihrem Pfarrer. Wütende Frauen drängten Luther dem Sagen nach auf einen Misthaufen. Der verfluchte sie darob: alle Brunnen in der Stadt mögen versiegen. Vielen Orlamünderinnen wuchsen später Kröpfe. Noch heute spotten die Unterstädter bei passender Gelegenheit über die in der oberen Stadt wohnenden „Kropfberger“. Für Karlstadt endete der Streit indessen tragisch. Luther blieb unversöhnlich. Er betrieb die Suspendierung seines Widersachers und dessen Ausweisung aus Kursachsen. Karlstadt führte daraufhin ein armseliges Wanderleben, bis er 1534, rehabilitiert von der Universität Basel, dort als Professor für Theologie wieder eine Wirkungsstätte fand. Auch Thomas Müntzer weilte, vermutlich im Juni 1819, in Orlamünde im Pfarrhaus bei Karlstadts Vorgänger, dem Vikar Konrad Glitsch.

„Die erste Kirche ließ Graf Otto II. von Weimar und Orlamünde bauen, der sich 1057 mit seiner Frau Adelheid hier niederließ. Einer alten Kirchenurkunde nach stand sie bereits 1067 neben der Burg oben auf dem Bergsporn über der Saale. Zur ‚Urpfarrei’ Orlamünde gehörten damals 22 Dörfer. Offenbar bald zu klein für die wachsende Gemeinde, erfuhr sie unter dem Grafen Sigfrid III. zwischen 1176 und 1206 eine grundlegende Erneuerung. Erzbischof Konrad von Mainz weihte die ‚Marienkirche vor der Stadt’ im Jahre 1194. So konnten wir 1994 ihr 800-jähriges Bestehen feiern“, fasst Pfarrer Dr. Wolfgang Freund die Entstehungsgeschichte „seiner“ ehrwürdigen Kirche kurz zusammen. Als Baufacharbeiter mit Abitur studierte der gebürtige Meininger zunächst Arbeitspsychologie, dann, weil ihm dieses Gebiet zu eingeengt erschien und er es um Wissen über das Seelenleben der Menschen erweitern wollte, Theologie in Jena und bei Friedrich Schorlemmer in Wittenberg. Inzwischen wirkt er seit über zwanzig Jahren als Seelsorger in „St. Marien“. „Teile des heutigen unteren Turmgeschosses stammen vermutlich noch aus dem zwölften Jahrhundert. Was die einstige Gestaltung des Kirchenraumes betrifft, gibt es die berechtigte Vermutung, dass er neben der Andacht auch der Präsentation von Kunstsinn und Reichtum diente. Bis zum Einzug der Reformation und Karlstadts gab es fünf Altäre zur Anbetung verschiedener, in geschnitzten Skulpturen „verewigter“ Heiliger. Eine Inschrift an der Südseite des Kirchturmes weist auf bauliche Veränderungen ab 1504 hin. Damals erhielt das Turmdach eine gotische Form, die heutige, mit der offenen Laterne und der Schweifkuppel dann 1651, nach den auch für Orlamünde verheerenden Folgen des Dreißigjährigen Krieges. Das Langhaus in seiner jetzigen Gestalt entstand erst mehr als hundert Jahre später.“ Den heutigen lichten Kirchenraum schmücken als mittelalterliche Relikte ein um 1300 herum aus Sandstein gehauener Taufstein und ein etwa 150 Jahre jüngeres, spätgotisches Kruzifix. Die Orgel im barocken Prospekt dagegen ist nagelneu. Das 1920 von Otto Ladegast gebaute Instrument erwies sich aufgrund inflationsbedingt verwendeten minderwertigen Materials als nicht mehr bespielbar. Für eine neue Orgel gab es keinerlei Förder-

mittel, wohl aber für die Wiederherstellung der historisch wertvolleren, 1782 vom Uhlstädter Orgelbauer Sigmund Voigt vollendeten Vorgängerin. So fasste die Kirchgemeinde anlässlich der 800Jahr-Feier den feierlichen, trotzdem noch kostspieligen Beschluss, die Firma Rösel & Hercher aus Saalfeld mit dieser Aufgabe zu betrauen. Zehn Jahre lang sammelte nun die Gemeinde Spenden ein, verkaufte alte Orgelpfeifen als Liebhaberstücke, auch die Partnergemeinde im württembergischen Schnait beteiligte sich, um das erforderliche eigene Drittel zur Finanzierung aufzubringen. Immerhin 100 000 DM. Je ein weiteres Drittel trugen Denkmalpflege und Landeskirche bei. Am 29. Oktober 2000 weihte der brillante Jenaer Organist Dr. Hartmut Haupt, der auch die Rekonstruktion als Orgelsachverständiger begleitet hatte, das kostbare Stück feierlich ein. Neben einigen großformatigen Bildnissen streng dreinblickender Orlamünder Geistlicher an den Wänden fällt besonders ein originelles Reliefbildnis des Kurfürsten Johann Friedrich I. auf. Als dieser nach dem Schmalkaldischen Krieg in kaiserliche Gefangenschaft geriet, wendeten sich viele seiner Verbündeten und „Freunde“ von ihm ab. Nicht so die Orlamünder. Da ließen seine Söhne das eigenwillig naturalistische Konterfei aus Pappmaché anfertigen und stifteten es ihnen für die erwiesene treue Gefolgschaft. Offenbar eine den Bürgern eigene Tugend, die sie ja auch Karlstadt gegenüber bewiesen. Ein gleichzeitig angefertigtes Duplikat des Porträts hängt im Weimarer Residenzschloss. Von Dr. Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt respektive „Bruder Andres“, existiert vermutlich nur ein einziger zeitgenössischer Holzstich. An sein Wirken im Pfarrsprengel Orlamünde erinnert ein Gedenkstein vor der Kirche.

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Die Kirche in Poppendorf Weite Felder erstrecken sich über die sanften Hügel im nördlichen Saale-Holzland-Kreis von Eisenberg bis Schkölen, von Wetzdorf bis Crossen, zwischen den Flusstälern der Saale und der Weißen Elster. Eine anmutige, in Jahrhunderten durch unermüdlichen Bauernfleiß geschaffene Kulturlandschaft. Bis heute geprägt durch Ackerbau und Viehzucht. Auf die Dörfer zwischen den Hügeln deuten zuerst deren Kirchtürme hin. Für Fuhrleute, die einst über die alten Handelsstraßen holperten, zwischen Regensburg und Naumburg oder Nürnberg und Leipzig, ein hochwillkommenes Zeichen für baldiges Ausspannen in einer Ausspanne. Die Kirche in Poppendorf setzte kein solches Signal. Ihr fehlt der Turm. Von Wetzdorf kommend, hundert Meter vor dem Dorfrand, gerät sie hinter der 1871 gepflanzten Siegeseiche ins Blickfeld. Für das kleine Dorf ein imposantes neoromanisches Bauwerk, das auch gut in die Toskana passte. Der „Glockenturm“ allerdings steht wie ein abgesetzter Glockenstuhl gut hundert Meter weiter an der Dorfstraße. Weshalb, darüber gibt es nur Mutmaßungen. Als die Poppendorfer sich 1873 entschlossen, eine eigene Kirche zu bauen, weil sie nicht immer nach Wetzdorf zum Gottesdienst pilgern wollten, zumal bei Wind und Wetter, kannten sie möglicherweise schon die Probleme der Wetzdorfer mit ihrem stolzen Zwiebelturm, der einzustürzen drohte und den diese später abtragen mussten. Da bauten sie lieber gar nicht erst einen. Vielleicht stimmt es auch, dass am Gottesacker tatsächlich besonders oft der Blitz einschlug. Wegen vermeintlicher unterirdischer Wasseradern. Wahrscheinlich reichte aber einfach das Geld nicht. Was auch der Grund gewesen sein mag, die Glocken riefen jedenfalls nun die Kinder wochentags zur Schule und die Christen sonntags zur Andacht von der Dorfmitte aus. So hören bis heute die Leute an beiden Enden des langgesteckten Dorfes sehr gut, was die Glocke geschlagen hat. Das Glockenhaus steht direkt am stattlichen Gehöft von Heinz Haufe. Aus Rockau stammend, heiratete er 1950 auf den Miller-Hof ein, weil sich eine schöne Millerin namens Christa ein paar Jahre zuvor in ihn als flotten Matrosen verliebte. Die Kirche ist eines seiner sieben Steckenpferde. Nachdem er 42 Jahre lang als Kirchenältester wirkte, tut er jetzt als „Kirchendiener“ das Notwendi-

ge. „Eejentlich wulle mich unse Pastern zum Küster mache. Ich will Gott dienen, un da bleib‘ch liewer Kerchendiener“, schmunzelt er verschmitzt und schließt die Kirchentür auf. Im Vorraum zum Kirchenschiff hängen schwarze Tafeln. In vergoldeten Buchstaben verzeichnen sie die Poppendorfer Männer, die 1870-71, im Ersten und im Zweiten Weltkrieg ihr Leben ließen. Viele im Vergleich zur Zahl der Dorfbewohner. Manche Familiennamen erscheinen doppelt. Vater und Sohn, Brüder. Schicksalsschläge, die wohl viele in ihrer Verzweiflung Zuflucht Suchende Gott näher brachten. Die im Gebet in ihrem Gotteshaus Trost fanden, das durch seine Schlichtheit darauf einstimmt, sich ganz und gar der Andacht, der inneren Einkehr hinzugeben. „Das ist wie eine Wohnstube. Nicht viel größer wie unsere daheim. Die Friedhofskapelle vorher (aus dem 12./13. Jahrhundert) war noch kleiner. Ihr Chor mit der Apsis blieb erhalten und die Steine des abgerissenen Langhauses gingen in den Neubau 1873 ein. Zu DDR-Zeiten hatte der Staat für solche kleinen Dorfkirchen nicht viel übrig. Um unsere vorm Verfall zu retten, gelang es uns 1976, wenigstens das löchrige Dach zu decken. Es gab jeden Freitag in Reuden Betonziegel zweiter Wahl, ohne Zuweisung. Wir fuhren mit Hänger in aller Herrgottsfrühe hin. Doch die Ziegel zweiter Wahl reichten nicht. Die Kolleginnen dort zwinkerten uns zu, wenn wir eventuell rare Produkte hätten? Vielleicht ließe sich da was machen… Als ich dann mit einem dicken Wurstpaket kam, durften wir laden, soviel wir brauchten. Mehr konnten wir leider nicht tun. Es fand dann 25 Jahre lang kein Gottesdienst mehr in der Kirche statt. Die Bengels zerschmissen die Fenster, kletterten rein, spielten die Orgel kaputt (Kinner, wie se nu ma sin). Die Tauben flogen ein und aus und schissen auf die Bänke.“ Im Sommer 1996 fing Heinz Haufe an, die Kirche „auszumisten“, schleppte vierzehn Tage lang viele Eimer warmes Wasser rüber und befreite die Kirchenbänke vom Taubenkot. Die Leute munkelten, er wollte beim lieben Gott um Schönwetter bitten, zum Dachdecken seiner Scheune. Das klappte jedenfalls. Dafür konnte die Gemeinde in der nun „begehbaren und besitzbaren“ Kirche im darauf folgenden Herbst zum ersten Male wieder einen Erntedankgottesdienst feiern. Und mit der Renovierung ging es weiter. Ers-

te Hilfe bekam Heinz Haufe durch ein älteres deutsch-russisches Spätaussiedlerpaar aus der Pfarrei Wetzdorf, das Arbeit suchte. Sie begannen, den schadhaften Innenputz abzuschlagen. Als sie weiter nach Westen aussiedelten, halfen nun Jugendliche aus dem Dorf. Zwischen 2001 und 2003, als Fördergelder nur noch spärlich flossen, versetzte die Kirchgemeinde das Innere des Gotteshauses dann in den heute erfreulichen Stand. Finanziert durch einen Kredit, den sie nur mit Zögern aufnahm, weil Bauern nicht gern Schulden machen, durch Mittel vom Kreiskirchenamt, durch Kollekten und freundliche Spender. Vor allem aber durch der eigenen Hände Arbeit. Befördert durch die glückliche Fügung, dass Pfarrerin Magdalena Seiferts Ehemann Jürgen als Restaurator die Arbeiten fachkundig begleitete. Das Kirchenschiff erhielt nun wieder die farbenfrohe Gestaltung wie 1874. Die neoromanisch-gründerzeitlichen floralen Bemalungen schmücken jetzt wie einst die Wände, als Sockelornamente, als Fensterumrahmungen und Deckenfries. Sorgfältig reproduziert mit der ältesten Vervielfältigungstechnik, der Schablonenmalerei. Dazu fertigten die Maler nach erhalten gebliebenen Mustern 17 verschiedene Schablonen an. Von der figürlichen gotischen Malerei der Vorgängerkapelle verblieb ein schemenhaftes Bild als unverputzter Ausschnitt im Chor. Den schmücken neben dem schlichten Altar und der Kanzel eine kleine Statuette des gekreuzigten Christus und ein Taufbecken in einem hölzernen, mit Schnitzereien versehenen Gestell. Die in Rautenmustern bleiverglasten Fenster stellte ein Leipziger Glaser wieder her. Ein Freund des Schwiegersohns des Kirchenältesten und leidenschaftlicher Kuchenesser. Für ein Kuchenpaket von Christas Selbstgebackenem. Zum Weihnachtsgottesdienst 2007 erstrahlte zum ersten Mal elektrisches Licht in der Kirche. Wenn die Sonne untergeht, sieht das neoromanische Bauwerk im rosaroten Abendschein besonders romantisch aus. Neoromantisch. Und im Herbst 2010 feierten Christa und Heinz Haufe hier ihre Diamantene Hochzeit. „Nu wollmer ma weiter sahe“, meint der Kirchendiener einer kleinen Kirchgemeinde, die „mit Herzklopfen und viel Gottvertrauen“ ein sehenswertes Denkmal rettete und bewahrt.

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Die Kirche in Rausdorf Über die frühe Geschichte der Rausdorfer Kirche gibt es nur Vermutungen. Das Kirchdorf um das Rittergut war immer Filial der Kirchgemeinde Großbockedra und die Kirche stand stets unter dem Patronat der Rausdorfer oder Großbockedraer Gutsbesitzer. Möglicherweise bereits im 13. Jahrhundert. Erwähnt wird sie im Zusammenhang mit einem Kleinadeligen namens Holt von Ruwinsdorf, dem das Gut 1378 gehörte. Ruwinsdorf hört sich ja ein bisschen wie Rausdorf an. Fest steht, dass im Jahre 1695 die von Tümplings, wohl eine Nebenlinie derer, die in Tümpling bei Camburg saßen, die Kirche weitgehend neu aufbauten. 1865 erfolgte dann der Umbau in ihre heutige Gestalt. Der Rechteckbau der Saalkirche, deren Walmdach ein Dachreiter mit welscher Haube ziert, erhielt an der Westseite die Vorhalle mit dem markanten Giebel. Die Orgel auf der Ostempore musste der Kanzel über dem Altar weichen, die vorher an der Südseite stand. Sie erhielt nun ihren Standort auf der Westempore, zwar etwas versteckt hinter zwei Säulen, doch bietet sich so Platz für weitere Musiker oder Sänger neben dem Organisten. Das zweimanualige Instrument baute vermutlich der Uhlstädter Orgelbauer Christian Sigismund Vogt um 1772. Die Stadtrodaer Orgelbauer Poppe disponierten es 1887 und 1902 um. Die wenigen damals vorhandenen Fenster wurden zugemauert und Öffnungen für acht kleine und zehn größere Rundbogenfenster ins Mauerwerk gebrochen, die seither das neoromanische Äußere des Bauwerks prägen und viel Licht in das Innere bringen. Die schnörkellos schön gestalteten Leistenrahmenfenster fügen sich gut in den schlichten Kirchenraum ein. Die Rahmen und zum Teil auch das damals noch mundgeblasene Fensterglas stammen noch original aus dem Jahr ihres Einbaus. Allerdings nagte der Zahn der Zeit erheblich an Kitt und Farbe. Nassfäule zerstörte das Holz. Abhilfe tut not. Zwar können die Rausdorfer durch Eigenleistungen die Kosten für die teure originalgetreue Restauration erheblich senken, doch ganz ohne Geld geht es nicht. Deshalb suchen sie Fensterpaten, die die verbleibenden Kosten übernehmen. Für ein kleines Fenster 100 €, für ein großes 150 €. Neben Gottes Segen wird ihnen dafür der Dank der Gemeinde zuteil und ewige Erinnerung an die gute Tat durch ein Messingschild

am Spendenobjekt. Einige Fensterpaten fanden sich bereits. Die Idee zu dieser Aktion rührt von der bemerkenswerten Geschichte um das Altarfenster im Ostgiebel her. Dort befand sich über der Sakristei früher ein farbiges Bleiglasfenster. Nach dessen Zerstörung wurde die Öffnung in den 70er Jahren zugemauert. Ließ das alte Fenster schon nicht viel Licht herein, verdüsterte sich nun das Kirchenschiff noch mehr. Kein Wunder also, dass die Kirchgemeinde sich ein neues wünschte. „Die Erfüllung dieses Wunsches ermöglichte uns dann eine Familie aus dem Dorf, die sich großherzig erbot, die Kosten dafür zu übernehmen“, erzählt die Kirchenälteste Britta Schlenzig, „Ulrich Sittner, Bauberater des Kirchkreises Eisenberg, bestärkte uns darin, nicht das historische Fenster zu rekonstruieren, sondern ein eigenes zu schaffen. Mit Feuereifer wälzten wir einschlägige Bücher, machten uns kundig über sakrale Symbolik. Helles Licht sollte dominieren, die strahlende Sonne, dazu das Kreuzes und das Symbol der Dreieinigkeit erscheinen. Ein Entwurf meiner Mitstreiterin Catrin Schneider kam dem sehr nahe. Mit dem Glasgestalter Wolfgang Funk aus Weida, der dem Künstlerstammtisch auf der Osterburg angehört, berieten wir uns. Er gestaltete uns dann das Fenster, noch schöner als wir es uns vorgestellt hatten. Das helle Grün der Zuversicht, das Blau des unendlich weiten Himmels, die symbolischen Sonnenstrahlen, die mit den wirklichen der Morgensonne die Kanzel in ein unwirkliches Licht tauchen. Es erfüllt den Kirchenraum zu jeder Tageszeit, zu jeder Jahreszeit mit einem eigenen Schein.“ Das Zitat aus Matthäus 5,14 im Fenster drückt die gemeinsame Freude beim Schaffensprozess, den Stolz auf das Geschaffene und die Hoffnung auf sein langes Überdauern aus: „Ihr seid das Licht der Welt“. Klein und bescheiden darunter: Gest. von Fam. K. u. P. E. Wer still spendet, spendet für andere, wer laut spendet, spendet für sich. „Hilf dir selbst, dann hilft Dir Gott“. Diese Art der „von oben“, auch vom weltlichen „Oben“ unterstützten Selbsthilfe gilt den Rausdorfern, ob kirchlich gebunden oder nicht, schon seit Jahren als Grundprinzip für ihr unermüdliches persönliches Engagement, wenn es um ihre Kirche geht. Seit sie sich entschlossen, sie wieder instand zu setzen. Eigentlich begann das bereits mit dem Umbau der ehe-

maligen Patronatskapelle an der Südseite zu einem Gemeinderaum. Doch der Verfall des Gebäudes ließ sich dadurch nicht aufhalten. Die gefährlich marode Haube des Dachreiters wurde entfernt, schließlich der Zugang gesperrt und die Kirche entwidmet. Sie stand auf Abriss. Die Euphorie der Wiedervereinigung ermutigte wohl die Rausdorfer, angeregt vom Kirchenkunstverein, sich dafür stark zu machen, dass sie doch im Dorfe bleibt. Nach baulichen Sicherungsarbeiten wurden Dach, Turm und Uhr instand gesetzt. Immer wieder fanden sich viele Frauen und Männer, auch Kinder, zu Arbeitseinsätzen ein. Hackten Putz ab, gruben das Fundament frei, sägten, hämmerten, reparierten, malerten, bastelten. Infolgedessen zeigen sich die Westfassade und der gesamte Innenraum bereits in neuem „altem“ Glanz. Über der Kanzel schwebt der alte barocke Stuckengel in gemalten Wolken. Nur die fünf gotischen Schnitzfiguren vom Altar befinden sich im Apoldaer Kirchenarchiv. Noch. Die Arbeitseinsätze entwickelten sich zu einer freudvollen und nützlichen Form der Geselligkeit. Mit Bestand bis heute. Besinnung, Zuversicht und Zusammenhalt der Gemeinde fördern auch geistliche Zeremonien, wie das Tischabendmahl am Gründonnerstag, an dem immer viele Gemeindemitglieder teilnehmen. Als es 2005 einmal nicht so recht vorwärts ging, der Schwamm ihnen zu schaffen machte und sie das schöne alte Kirchengestühl verbrennen mussten, kam Ina Müller auf die Idee einer Verkaufsausstellung für Advents-, Weihnachts- und Grabschmuck, und sie bastelte mit zwei Freundinnen dafür in ihrer Waschküche. Seitdem findet der „Basar“ jedes Jahr zum Volkstrauertag statt und an die zwanzig Frauen und Männer werken quasi das ganze Jahr über mit viel Phantasie an Kreationen für die verschiedensten Anlässe. Wie begehrt die Exponate sind, zeigt der Jahr für Jahr wachsende Andrang. Oft gelangten die Besucher nur schubweise in die Kirche. Der Erlös dient der weiteren Kirchenerneuerung. Auch der von 27 Sorten Kuchen, die die Dorffrauen dann backen. Traurigkeit und Freude liegen für die Rausdorfer dicht bei einander. Nicht nur am Volkstrauertag.

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Die Wehrkirche in Reinstädt Am 30. Mai 2009 brausten wieder Orgel-klänge durch das Kirchenschiff von St. Michael in Reinstädt. Mehr als dreißig Jahren lang blieb die Orgel stumm, bis 1991 ein Restaurator des Potsdamer Orgelbauers Alexander Schuke ihren Zustand als katastrophal, sie aber als wertvolles, in der originalen Substanz weitgehend erhalten gebliebenes Instrument und als erhaltenswürdig befand. Bereits 1995 erhielt der Orgelprospekt wieder seine ursprüngliche Farbgestaltung und im Juli 2006 konnte dann die Orgelbaufirma Bochmann aus Kohren-Sahlis mit der Restaurierung des seltenen Barockwerkes beginnen. Selten, weil es sich nach der Orgel in St. Marien in Jena-Zwätzen um die zweite und größte von insgesamt nur fünf bekannten Orgeln des Pößnecker Orgelbauers Johann Heinrich Scherff handelt. Sie entstand 1742/43. Es gab eine Vorgängerin, über die nur bekannt ist, dass Christoph Eckhardt von der Pforten sie 1611stiftete und dass sie 1726 als fast nicht mehr bespielbar galt. Da die Reinstädter „meistentheils verarmbte Leute“ waren, „die das brod mit der Hand verdienen müßen, und sich von den vor wenigen Jahren erlittenen großen Brand- und öfftern Wasserschäden noch nicht wieder erholen“ konnten, erhielt Scherff erst 1741 den Auftrag für einen Neubau. In einer Zeit, als stattliche barocke Orgeln auch Statussymbole für die Stifter und die Kirchgemeinden darstellten. Dem entsprechend konzipierte Scherff die Reinstädter Orgel. Zwar unter Einsatz von zum Teil billigem Material, aber doch so groß dimensioniert, dass es einer Erweiterung der Orgelempore in den Kirchenraum hinein bedurfte. Neben zwei Manualen und jetzt 21 Registern besitzt die Scherff-Orgel noch eine originelle Besonderheit: ein Glockenspiel, bestehend aus zwei Glockenhaltern, mit dreizehn beziehungsweise 12 Glockenschalen bestückt. Zur lieblichen Ergänzung der Sphärenklänge. Nach Scherffs Tod übernahmen zunächst Justin Ehrenfried Gerhardt aus Lindig und später die Gebrüder Poppe aus Roda ihre Pflege. Voraussetzung für die Restaurierung der Orgel war natürlich die Instandsetzung des wegen Schwammbefall seit 1975 baupolizeilich gesperrten Kirchengebäudes und die Restaurierung seines Innenraumes. Der heutige gotische Kirchenbau entstand in der Mitte des 15. Jahrhunderts, nach dem Ende des Sächsischen Bruder-

krieges. Schon damals kannten auf Beute begierige Kriegsknechte keine Ehrfurcht vor Kulturgütern und geweihten Orten. Es gilt als sicher, dass sie die Kirche 1446 plünderten und brandschatzten. Da Dachstuhl und Deckenbalken des Langhauses nachweislich aus der Zeit um 1460 stammen, liegt nahe, den Baubeginn ein paar Jahre früher zu vermuten. Dass die Bauherren die Kirche mit Wehranlagen ausstatteten, lässt sich wohl mit den bitteren Erfahrungen des gerade überstandenen Krieges erklären, dem zerstörerischsten im mittelalterlichen Thüringen. So vermittelt der massive Bau des Langhauses mit den Schießscharten und dem Wurferker über dem Westportal einen durchaus wehrhaften Eindruck, ebenso der später, vermutlich zwischen 1473 und 1476 angebaute Turm. Zumindest ergaben dendrochronologische Untersuchungen des Gebälks der Sakristei ein Fälldatum des Holzes um 1472/73 und der Guss einer Glocke im Jahre 1476 deutet auf das Ende der Bauarbeiten hin. Wahrscheinlich hing die aber noch in einem Holzaufbau über dem steinernen Obergeschoss. Der spätgotische Chor entstand um 1485 und steht in eigenartigem Kontrast zum Festungscharakter von Schiff und Turm. Durch die hohen, mit Maßwerk phantasievoll gestalteten Fenster flutet viel Licht in den Altarraum. Die zwölf kunstvoll geschnitzten Heiligen des Flügelaltars, Maria mit dem Jesusknaben in ihrer Mitte, stehen so allerdings im Gegenlicht. Von dem ursprünglich zur gleichen Zeit wie der Chor in einer Erfurter Werkstatt geschaffenen Altarschrein blieben nur die Schnitzfiguren erhalten. Neben der Mutter Gottes auch der Schutzheilige der Kirche, St. Michael, der mit dem Drachen kämpfte, Patron der Kreuzfahrer, und St. Veit, Patron der Brauer und Winzer, der Gewerbe, mit denen die Reinstädter zeitweise zu Wohlstand kamen. Zum Glück fand sich die Rückwand des Mittelschreins wieder, verbaut als Brüstungsteil der Sängerempore. Dadurch gelang seine einigermaßen originalgetreue Wiederherstellung. Ein zweiter, älterer Altar gilt seit 1900 als verschollen. Aber eine Rarität in der Thüringer Kirchenlandschaft blieb erhalten - die Bretterdecke im Kirchenschiff mit ihrer prachtvoll ornamentalen, farbenfrohen Schablonenmalerei. Um 1517/18 geschaffen, vermutlich von durch die Lande ziehenden Malern aus dem süd- oder osteuropäischen Raum, wie Karl Heinz

Bastian vermutet, der als Restaurator die denkmalgerechte Wiederherstellung der Decke und des gesamten Kirchenraumes nebst Interieur zwischen 1987 und 1996 besorgte. Seine heutige, eindrucksvoll das Dorfbild dominierende, die stattliche Kemenate überragende Haube erhielt der Kirchturm 1533/34. Über die so ähnlich gestalteten Kirchturmhauben in Kahla, Reinstädt und Engerda flaxt der Volksmund: Die Kahlaer baute der Meister, die Reinstädter der Geselle und die Engerdaer der Lehrling. Die Reinstädter offenbar ein gestandener Geselle. Noch einmal litt die Kirche während des Dreißigjährigen Krieges, unter marodierenden Schweden. Die Gemeindeväter wiesen 1671 das Altenburger Konsistorium auf ihren, des Pfarrhauses und der Schule ruinösen Zustand hin. Die Instandsetzung sollte 63 Taler kosten. Eine Kollekte in dreißig Kirchgemeinden ringsum erbrachte nur 23 Taler. Da war guter Rat teuer. Doch unverhofft kommt oft: Der Reinstädter Müller, des Ehebruchs überführt und infolge dessen aus dem Herzogtum verbannt, konnte gegen Zahlung eines Bußgeldes von 75 Taler im Lande bleiben. Herzog Friedrich von Sachsen-Gotha-Altenburg ordnete höchstpersönlich an, dass die Reinstädter davon das benötigte Geld erhielten. Als nach der Reformation christliche Rituale hinter die Verkündigung von Gottes Wort durch den Pfarrer zurück traten, trugen Kanzelaltäre dem Rechnung. Hans Christoph von der Pforten stiftete 1731 einen hoch aufragenden barocken Kanzelaltar für den seinerzeit umgebauten, mit einem „Himmelsgewölbe“ versehenen Chor. Der verdunkelte allerdings den Raum und stand den Pfarrern zu weit von der Gemeinde entfernt. Im Zuge der jüngsten Restaurierung abgebaut und eingelagert, trat der alte Flügelaltar wieder an seine Stelle. Die Reinstädter Kirche St. Michael birgt noch viel Sehenswertes. Unter Anderem achtzehn Wappentafeln derer von der Pforten und ein Epitaph mit der allegorischen Darstellung von Gesetz und Gnade, bezogen auf Joachim von der Pforten, der 1570 verstarb. Ein Kruzifix aus dem 14. Jahrhundert zeigt einen Christus, der die Todesqualen überwunden zu haben scheint. Dazu liegt die Kirche gleich neben der Kemenate und Gumperda nicht weit entfernt. Im idyllischen Reinstädter Grund. Besonders schön im Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

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Die Marienkirche in Schkölen „Herzlich willkommen. Gottes Frieden sei mit Ihnen. Die offene Kirchentür unserer Kirche lädt Sie ein, aus der Unruhe des Alltags heraus zu kommen und hier Besinnung und Frieden zu finden. An diesem Ort finden seit über 800 Jahren Gottesdienste statt. Die Barockkirche in ihrer einfachen Schönheit wurde gebaut, damit wir Gott begegnen können und den Namen Jesus Christus preisen. Nehmen Sie doch einen Moment Platz. Sie haben unseren schönen Barock-Altar vor Augen. Spüren Sie, ob mehr oder weniger stark religiös gebunden oder gar nicht, wie sich eine allgemein empfundene, anonyme Spiritualität in eine ganz konkrete ausrichtet. Auf den Altar hin, in Richtung Osten, wo die Sonne aufgeht. Als Symbol des Werdens und Vergehens, als Zeichen der Auferstehung.“ Pfarrer Michael Schünke begrüßt eine Gruppe Besucher, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe der Evangelischen Erwachsenenbildung „Der schöne Ort“ zu seiner Kirche pilgerten. Und die schlichte Barockkirche in Schkölen, oberhalb des kleinen, für die ottonische Zeit typischen dreieckigen Marktes, steht als zweifelsfrei schöner Ort zudem auch noch in einem schönen und regionalgeschichtlich höchst interessanten Ort. Bereits vor 5000 Jahren siedelten hier in der Gegend Menschen. Funde aus Feuerstein, Keramik und Getreide aus der Jungsteinzeit belegen das. Zwei nahe der heutigen Kirche entdeckte Gräber christlicher slawischer Priester weisen darauf hin, dass es hier bereits vor tausend Jahren eine Kirche gab. Vermutlich eine kleine Holzkirche. Nach der Gründung des Benediktinerklosters anno 1140 durch Bertha von Morungen, geborene von Groitzsch, deren Mann auf einem Kreuzzug sein Leben eingebüßt hatte, bauten die Benediktinermönche an ihrer Statt eine steinerne romanische Basilika, mit zwei trutzigen Türmen an der Westseite, zum Schutz vor Unheil aus dieser Himmelsrichtung. Vier Glocken riefen damals sowohl die Klosterbrüder als auch die Bürger des Städtchens zum Gottesdienst. Das kleine Kloster stand an der Stelle der heutigen Pfarrei vor den Toren „Zcolens“, vor dem Jenaischen Tor, in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Torbogen, der jetzt in den Pfarrhof führt. Als Propstei unterstand es dem Benediktinerkloster in Pegau, das Berthas Vater Wiprecht von Groitzsch bereits 1096 errichten ließ.

Ende des 15. Jahrhunderts erhielt die romanische Kirche ein gotisches Gewand und durch päpstliche Ablassbriefe überregionale Bedeutung als Wallfahrtsort. Das Kloster bestand bis 1539, dann zog die Reformation auch in „Schkolen“ ein. Der letzte Propst Ägidius Kramer genoss das Wohlwollen der Schkoliner und amtierte nach dieser Wende als evangelischer Pfarrer weiter. Im Gefolge sozialer Unruhen brannte 1536 die Kirche und fast die ganze Stadt nieder. Der Lehrer und Heimatforscher Emil Ulrici zitiert in seiner Schkölener Chronik von 1903: „In der Woche crucis, Dienstag mittags, ist zu Sckölen die Kirche samt vier großen Stück Glocken, die Propstei, Kaplanei, Schule, Kirchhaus, das Schloß mit allen Vorräten, das Rathaus ... samt dem ganzen Städtlein, allen brieflichen Urkunden und Scheinen in Grund abgebrannt und verdorben, so ein Sckölisch Stadtkind, Max Müller, mordbrennerischer Weise, das Schloß Sckölen inwendig und auswendig an vielen Orten angelegt, wie er den Kirchgebäuden und dem ganzen Städtlein auch angetan, daß das Feuer ... in wenig Stunden alles ohne Rettung weggebrannt, etliche Personen wegen der großen Hitze und Feuer ersteckt, umgekommen und also jämmerlich verdorben“. Der Brandstifter wurde in Böhmen ergriffen und endete ebenfalls in den Flammen, auf dem Scheiterhaufen. Die Schkölener bauten die Kirche bescheiden im gotischen Stil wieder auf. Die Türme blieben ohne Dach, nur ein Glockentürmchen als Dachreiter krönte das einfache Gotteshaus. In den folgenden 400 Jahren verheerten mehrfach Großbrände die Stadt, der Dreißigjährige Krieg zog über sie hin und der Nordische, doch die Kirche blieb von all dem verschont, nur nicht vom Zahn der Zeit. Die Kirchgemeinde dachte über den Bau einer Kirche nach. Geldmangel zwang sie allerdings, ihre Pläne zwanzig Jahre lang aufzuschieben. Erst 1755 unter der Herrschaft und mit Hilfe des Kirchenpatrons Gotthelf Adolf Graf von Hoym konnte sie die 2000 Taler für die Kirche, dazu 430 Taler für eine neue Orgel und weitere 102 Taler für einen Altar aufbringen. Sie stellte im gleichen Jahr das gesamte Kirchenschiff fertig. Den Turmbau trieben sie genauso schnell voran, mit dem fatalen Ergebnis, dass er am 19. Februar nachts, halb fertig, wieder einstürzte. Trotz dieses Missgeschicks konnte im November 1756 der

Knopf mit der vergoldeten Wetterfahne auf die Turmspitze des nun fertiggestellten neuen Barockbaus aufgesetzt werden. Mit von Hoym hielt der sächsische Barock in Schkölen Einzug, in schlichter, den ländlichen Verhältnissen angemessener Form. Ulrici beschreibt: „Neben der Propstei auf dem Friedhofe steht unser einfaches, schlichtes Gotteshaus. So wie es jetzt aussieht, steht es schon seit dem Jahre 1756. Es entbehrt jedes äußeren und beinahe jedes inneren Schmuckes“. Ein Schmuckstück besitzt die Kirche dennoch in ihrem prächtigen Kanzelaltar. Ganz aus Holz geschnitzt, steht auch er für die Schule der barocken Kirchenkunst Sachsens in der Ära Augusts des Starken, die die prunkvollen katholischen Kanzelaltäre den Glaubensregeln der evangelischen Christen anpasste. Im Mittelpunkt stand nun Gottes Wort, das seine Diener von der zentralen Kanzel verkündeten. Auf der Basis der Bibel, hier durch Moses und Johannes den Täufer verkörpert, links und rechts unterhalb der Kanzel, und symbolisiert durch den Bibelspruch „JESUS CHRISTUS, GESTERN UND HEUTE; UND DERSELBE AUCH IN EWIGKEIT“. Über der Kanzel schwebt der Strahlenkranz des Sonnensymbols, mit dem himmelwärts zeigenden Dreieck der Dreieinigkeit und dem „Gottesauge“. Ein originelles wie nützliches Instrument befindet sich neben der Kanzel: eine Sanduhrbatterie. Nach ihr richteten sich die Pfarrer bezüglich der Dauer ihrer Predigt. Im Sommer länger, im Winter kürzer. Ein bemerkenswerter Schrein mit jüngst restaurierten gotischen Schnitzfiguren befindet sich neben dem Chor unter der ersten Empore. Wie viele Menschen mögen hier vor dem Altar gestanden, gesessen, gekniet haben, Trost und Frieden gefunden, Freude und Erbauung erlebt? Bei dem Gedanken daran empfindet wohl jeder die Spiritualität des „schönen Ortes“. Die zum „schönen Ort“ kamen, lauschten noch eine andächtige Weile Orgelklängen. Vielleicht schauten sie sich dann noch in und um Schkölen herum um. Die Wasserburg mit Heimatmuseum und Café, das Rittergut, die Hügelgräber, das geheimnisvolle Rasenlabyrinth, das eigenartige Karree am Hang oberhalb der Stadt, ein mögliches Feldlager der Römer, das alles bietet reichlich Anlass, über die Vorzeit, über Leben und Treiben unserer Altvorderen ein wenig nachzudenken.

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Die Kirche in Schleifreisen Östlich der Saale siedelten in grauer Vorzeit die Sorben. Mit der Eroberung „heidnischer“ Gebiete und deren Besiedelung gegen Ende des ersten Jahrtausends vom Westen her durch die Franken ging auch die Christianisierung einher. Klostergründungen in Burgelin, Lusenice und Roda bezeugen das. Ein erstes urkundliches Zeugnis über ein Dorf „Slifestein“ betrifft dessen Übereignung an das Kloster zu Lausnitz im Jahre 1255. Anfang des 15. Jahrhunderts galt „Sloffriesen“ mit 50 Einwohnern als großes Dorf, offenbar bereits mit Kirche und eigener Pfarrei, mit Pfarrhaus und Pfarrgarten, denn 1414 wird erstmals ein Pfarrer erwähnt. Dreißig Jahre später kam „Sleiffriesen“ als Lehen an die Herren von Lichtenhain. Nach der Niederlage des Bauernheeres im Bauernkrieg 1527 herrschte weiter große Not in den Dörfern. Viele, darunter auch „Sleifrisen“, konnten keinen eigenen Pfarrer ernähren. Nickel von Lichtenhain machte 1551deshalb die Pfarrei zu einem Filial von Bobeck, vermietete das Pfarrhaus und ließ auf dem Terrain des zugehörigen Baumgartens eine Schänke bauen, vermutlich dort, wo später der Gasthof „Zum Hirsch“ seine Gäste bewirtete, bis er 2000 schloss. Unterricht in Religion und Kirchengesang gab es schon seit 1610. Eine kleine Schule bauten die Schleifreisener 1660, gleich neben der Kirche, und stellten den ersten „Knabenlehrer“ ein. Sie platzte bereits 1736 aus allen Nähten. Zunächst erweitert, dann hundert Jahre später marode, entstand auf ihren Grundmauern eine größere. Das Gebäude steht jetzt noch als Privathaus an der Dorflinde. An ihrer dem Heiligen Jacobus geweihten Kirche hielten die Schleifreisener allzeit fest, wie am sonntäglichen Gottesdienst darin. Sie weigerten sich jedenfalls hartnäckig, jeden zweiten Sonntag bei jeglichem Wetter zur Predigt ihres Pfarrers nach Bobeck zu pilgern. Doch die inständigsten Gebete halfen nichts gegen den Zahn der Zeit. Trotz mehrfacher Ausbesserungen verfiel die Kirche mehr und mehr. Außerdem fasste sie kaum noch die gewachsene Zahl der Gemeindemitglieder. Als akute Einsturzgefahr drohte, beschlossen sie 1768, an Stelle des baufälligen, zu eng gewordenen Kirchleins ein stattliches neues Gotteshaus zu errichten. Der im darauf folgenden Jahr begonnene Bau verzögerte sich indessen, weil sich die Schleifreisener wiederum hartnäckig

weigerten, dafür zusätzliche Frondienste zu leisten. Über zwanzig Jahre lang hatte der zuständige Patron, Herr von Brand auf Gleina, die erbetenen Reparaturen verschleppt, nun sollten sie das ausbaden? Als „Aufwiegler und Unruhestifter“ weigerten sie sich ebenso, den in den folgenden Jahren für den Neubau geforderten Kirchzins zu zahlen, wie auch weiterhin, nach Bobeck in die Kirche zu gehen oder ihre großen Bauernstuben unentgeltlich für die öffentliche Andacht zur Verfügung zu stellen. So musste der Pfarrer vorübergehend in der halb abgerissenen Kirche, auch bei ungemütlicher Witterung, unter freiem Himmel predigen. Die Gemeinde betete unter dem morschen Dach des Kirchenschiffes, in Lebensgefahr, aber offenbar voller Gottvertrauen. Trotz aller Querelen konnte sie 1771 in den Neubau einziehen. Der an der Ostseite des Langhauses hoch aufragende Turm mit seiner Schweifkuppel entstand allerdings erst Anfang der achtziger Jahre. Zumindest hingen die bereits 1764 in Apolda unter Verwendung der Vorgängerin gegossenen Glocken 1782 „immer noch vor der Kirchenthür“. Sie dienten im I. Weltkrieg der Rüstungsindustrie als Metallspender. Die Nachfolgerinnen, 1927 von der Apoldaer Glockengießerei Schilling gegossen, dienten dem gleichen unchristlichen Zweck im II. Weltkrieg. Getreu ihrer Inschrift „Geopfert für Deutschlands Wehr“. Die Firma Schilling goss 1962 erneut zwei neue, die der damalige Thüringer Landesbischhof Mitzenheim im Oktober weihte. Sie läuten, neben einer kleinen dritten, bis heute. Wie eh und je mit dem Glockenstrang gezogen. Den Chorraum im Osten des hohen, hellen Kirchenschiffes schmückt immer noch die 1711 vom Lausnitzer Tischler Christoph Drothe kunstvoll im Stile des Rokoko gestaltete Kanzel aus der „alten“ Kirche. Mit gewundenen Säulen, reich verziert mit Ranken, Puttenköpfen und Muscheln. Letztere, der Jacobsmuschel ähnlich, könnten auf den Namenspatron der Kirche Bezug nehmen. Ein Friedensengel auf dem Baldachin reckt seinen Palmwedel hoch in das Deckengewölbe. Tafeln an der Nordwand verzeichnen die Namen der in drei Kriegen gefallenen Söhne des Dorfes. Zwei Musketiere 1870/71, 21 Soldaten im I., 40 im II. Weltkrieg. Allein drei Jungs der Familie Seise. Durch Irrsinn verursachte Schicksale. Ein tief herabhängender, schlichter Holzleuchter

erinnert daran. Der Deckel des Taufsteins lässt schemenhaft noch das Wappen derer von Brand erkennen. „In den fünfziger Jahren teilten wir das Schiff mit einem Glaskasten ab und konnten so den Raum mit Nachtspeicheröfen heizen. Wir wollten die Bibelstunde nicht in der Schänke abhalten. Die Bänke schafften wir auf die Emporen. Damit die Kirche nicht verfällt, ließen wir den Turm neu beschiefern und das Langhaus neu eindecken. In den achtziger Jahren kam frischer Putz an die Wände. Alles ging Schritt für Schritt. Viele Schleifreisener halfen dabei. Fast das ganze Dorf. Ein Maler von der LPG Hermsdorf wollte unbedingt mal eine Kirche ausmalen. Die Spuren auf dem Fußboden sieht man noch. Wir kannten ihn auch nur als ‚der Klecks’“, schildert der Kirchenälteste Klaus Vogel schmunzelnd. „Vor fünf Jahren haben wir die alten Bänke wieder montiert. Mit verbreiterten Sitzen. Unsere Vorfahren hatten weniger breite Hintern.“ Er zeigt Fotos von der jüngsten Instandsetzung der Turmkuppel. Arbeiten von einer schwankenden Plattform aus, an einem turmhohen Kran. Rolf Dölz, der sich ebenfalls seit Jahrzehnten für die Kirche engagiert, weiß, es gibt immer zu tun und es bleiben immer Wünsche offen. „Im Dachstuhl haben wir gerade morsche durch neue massive Balken ersetzt. In der Ostwand hat sich ein Riss gebildet. Demnächst sollen neue Fenster drankommen. Die Emporen könnten auch mal wieder neu gemalt werden. Es kostet alles Geld. Auch unsere schöne Barockorgel müssten wir reparieren lassen. Wohl um 1770 gebaut, 1834 vom Stadtrodaer Orgelbauer Poppe und noch mal 1980 instand gesetzt, ertönt sie zwar zu den Gottesdiensten. Aber es fehlte das, was ihre Besonderheit ausmachte – der Klang der Zimbeln. Der Zimbelstern funktioniert nun seit ihrer jüngst erfolgten Reparatur wieder. Grade die hell klingenden Glöckchen und Klangschalen verleihen der brausenden Orgelmusik so etwas Überirdisches.“ Die Kirchgemeinde Schleifreisen steht jetzt als „Filial“ unter der Obhut des Hermsdorfer Pfarrers. Doch ihre Kirche behält sie im Dorfe.

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Die Kirche zu Schöngleina Ein paar verwitterte Grabsteine lehnen außen an der nördlichen Kirchenwand. Einer zeigt das Relief eines Ritters in voller Rüstung: Georg Friedrich, den letzten männlichen Spross aus dem Geschlecht derer von Lichtenhain. Er starb 1655 und mit ihm die männliche Linie der Lichtenhainer, die einst als Vasallen der Herren von Lobdeburg, dann der Grafen von Weimar-Orlamünde und schließlich des ernestinischen Kurfürsten Johann Friedrich I. seit 1341 auf dem Rittergut in Gleina saßen. Hier am Ort ließen die Lobdeburger bereits zwei Jahrhunderte zuvor eine Burg bauen, befestigt mit Gräben und Wällen. Einer der einst fünf Türme existiert noch als Ruine. Das Gut ging nach Georg Friedrichs Tod an die Freiherren von Brand. Später entstand aus dem Gut ein Schloss mit Parkanlagen. Der letzte adelige Besitzer, der nach dem Ersten Weltkrieg entthronte Herzog Ernst II. von Sachsen-Altenburg, übereignete es 1936 der Carl-Zeiss-Stiftung. Die einstige Domäne der Lobdeburger wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Bodenreform volkseigenes Staatsgut. Eine urkundliche Erwähnung und Reste romanischer Baukunst deuten darauf hin, dass mindestens seit 1228 in „Glyna“ eine Kapelle stand. Unter dem Patronat der Lichtenhainer diente sie als Pfarrkirche. Die Patrone ließen sie im gotischen Stil umbauen. Der polygonale Chor mit dem Sterngewölbe stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, wie auch das Mauerwerk des Langhauses. Die Bauleute verwendeten dafür noch erhaltene Mauerpartien und Sandsteinquader des Vorgängerbaus. Eine Inschrift in der Kirche datiert mit „ANNO DOMINI 1610 DEN 26 APRILIS HADT DURCH HULFE GOTTES DER EDLE GESTRENGE UND EHRNFESTE VALTEN VON LICHTENHAIN DIESE KIRCHE ZU BAUEN ANGEFANGEN“ den umfassenden Umbau der Kirche durch Valentin von Lichtenhain. Der Dachstuhl mit dem aufgesetzten westlichen Dachreiter entstand. Die Dachkonstruktion weist darauf hin, dass sich noch ein kleinerer über dem Chor befand. An der Südseite entstanden der zweigeschossige Anbau für die Patronatsloge, die zwei flachbogige Durchbrüche mit dem Inneren des Kirchenschiffs verbindet, und der Treppenturm als Zugang dazu, sowie zum Glockenturm. Im Inneren des Kirchenschiffs ließen die Bauherren einen Triumphbo-

gen zwischen Chor und Langhaus errichten und die gotischen Fenster im Chor erneuern. Ornamentale, künstlerisch originelle, in Secco-Malerei ausgeführte florale und figürliche Motive schmückten Triumphbogen und Chor. Bereits 1743 erforderte die Baufälligkeit des Gotteshauses seine grundlegende Erneuerung. Die dreigeschossige Empore wurde eingebaut und ein Zugang vom Gutshaus direkt in das Obergeschoss des Treppenturmes zur Patronatsloge errichtet. Die Familie von Brand hatte wohl nicht viel gemein mit der „gemeinen“ Gemeinde. Aus dieser Zeit stammt auch der prächtige Kanzelaltar, der Elemente der Spätrenaissance und des Barock vereint und heute nach langer Auslagerung im kirchlichen Kunstgutarchiv Apolda wieder den Chor schmückt. Umschwebt von fünf Engeln im Chorhimmel und gekrönt von der erst vor kurzem restaurierten Christusfigur. „Fast in alter Pracht“, freut sich Herbert Großwendt, langjähriger Kirchenältester, „leider fehlen in den Nischen die Statuetten des Christus und der Apostel. Der Altar steht jetzt im Zentrum des Chores. Früher stand er vermutlich zu ebener Erde auf der linken Seite, im Blickfeld der Patronatsloge. Die beiden Engel des Prospekts der ursprünglichen Orgel fanden sich wieder an, als ein auswärtiger Pfarrer sie einem Antiquitätenhändler anbot. Er hatte sie ‚sichergestellt’, als die Orgel selbst wegen der Einsturzgefahr der Kirche nach Dornheim kam.“ Der Pfarrer wurde suspendiert. Die beiden Engel restaurierte der passionierte Rabiser Holzschnitzer Klaus Biedermann. „1991 stand an der Pforte direkt zum Chorraum ein Schild: ’Betreten verboten. Einsturzgefahr!’. Der Turm stand schief, die Decke war herunter gebrochen, mutwillige Zerstörung tat ein Übriges. Die Pfarrerstelle war vakant, die Kirche, zu DDR-Zeiten stark vernachlässigt, stand zum Verkauf“, erinnert sich die Architektin Christine Biedermann. „Für mich war es unerträglich, zuzusehen, wie ein Bauwerk mit solcher Geschichte verfällt. Da schrieb ich an den ‚Förderkreis alte Kirchen‘, stellte einen Antrag auf Notsicherung und beantragte einen Zuschuss zur Erhaltung denkmalgeschützter Objekte im Landkreis Stadtroda. Am 1. September 1993 erhielten wir vom Kreis 4000 DM. Die Gemeinde Schöngleina legte noch 10 000 DM drauf und half mit tüchtigen ABM-Leuten bei den Aufräumungsarbei-

ten. Der Schutt lag in der Kirche meterhoch. Eine Kahlaer Firma führte die dringendsten Sicherungsmaßnahmen aus. So ermutigt, gründeten wir am 2.11.1994 den ‚Verein zur Rettung der Kirche zu Schöngleina’. Der neue Pfarrer Stephan Elsässer gehörte dazu, Bürgermeister Hans-Joachim Schwarz, Gerd Klapetz, Herbert Großwendt, Siegfried HollandMoritz und Horst Neubert. Zwanzig Leute aus Schöngleina und den umliegenden Städten und Dörfern.“ Christine Biedermann hebt auch wohlwollende Unterstützung von außen hervor. Vom Landeskonservator Professor Rudolf Zießler im Thüringer Landesamt für Denkmalpflege, der deutlich machte, dass unter seiner Ägide keine Kirche in Thüringen verfällt und in diesem Sinne wirkte. Von Jörg Schindewolf aus der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises kam die wertvollste Anregung: „Beantragt Fördermittel, beantragt Fördermittel! Bei den höchsten Stellen. Dann ziehen die auf Landesebene bestimmt nach.“ Ein langer, beschwerlicher Weg folgte, mit höchst erfreulichen Ergebnissen. Nach der Sicherung des Dachstuhls und der Abnahme des Turmes begannen 1997 die planmäßigen Sanierungsarbeiten. Nun auch durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler und die Evangelische Kirche Thüringens unterstützt. Die Kirchgemeinde selbst trug mit regelmäßigen Kulturveranstaltungen zur Finanzierung bei. Viele Freunde der „Restaurationsbewegung“ spendeten dafür. „Da schwebt er nach oben, seinem höchsten Dienstherren ein paar Meter näher...“, meinte ein Zuschauer, als der Kran am 10. September 2000 Pfarrer Elsässer zur Spitze des neu aufgesetzten Turmes hob, gemeinsam mit dem Schöngleinaer Schmied Dietger Schraepel, der den Turmknopf montierte. Vorläufiger Höhepunkt der denkwürdigen Rettung eines Kirchenschatzes, für die die Gemeinde Schöngleina 2003 den Thüringischen Denkmalschutzpreis erhielt. Wenn der Verein Fördermittel erhielt, sprachen Christine Biedermann und Pfarrer Elsässer gern von den „Wundern der Kirche Schöngleina“. Wunder ja, aber eben mit bedeutender Selbstbeteiligung. Einiges bleibt noch zu tun. Weitere Wunder und jegliche, auch noch so kleine Unterstützungen sind da sehr willkommen.

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Die Heilig-Kreuz-Kirche Stadtroda „Die Kirche zum Heiligen Kreuz auf dem gleichnamigen Gottesacker in dem Stadttheile des Alten Marktes gelegen, ist die älteste Kirche der Stadt und galt noch 1529 als zweite Pfarrkirche derselben; seit dem 17. Jahrhundert wird sie nur noch bei Leichenbegängnissen benutzt.“ So schrieb Ernst Conon Löbe, Geheimer Kirchenrat, Superintendent, Ehrendoktor der Jenaer Universität und Verfasser der „Chronik der Stadt Roda und der in dieselbe eingepfarrten Dörfer“. Gemeinsam mit seinem Vater Julius gab er die bis heute einzigartige dreibändige „Geschichte der Kirchen und Schulen des Herzogtums Sachsen-Altenburg“ heraus. Löbe bewohnte von 1873 bis 1914 die Superintendentur Kreuzstraße 2, jetzt Stadtmuseum „Alte Suptur“ und eines der ältesten Stadtrodaer Bürgerhäuser. Seine letzte Ruhestätte fand er auf eben dem alten Gottesacker oberhalb der Heilig-KreuzKirche. Die Heilig-Kreuz-Kirche, eine von drei Kirchen Stadtrodas, stammt vermutlich aus der Zeit, als sich unter dem Regiment der Herren von Roda zu Beginn des 12. Jahrhunderts auf der Anhöhe links des Flüsschens Roda Siedler niedergelassen und einen befestigten Marktflecken begründet hatten. Löbe erwähnt allerdings: „Bei einer Reparatur im Jahre 1681 fand man einen Stein, auf welchem die Jahreszahl 1014 eingehauen gewesen sein soll, die deshalb bei der Erneuerung der Kirche im Jahre 1826 über der nördlichen Eingangsthür mit angebracht worden ist.“ Gleichzeitig erhielt der Turm sein heute noch am Mauerwerk sichtbar aufgesetztes Obergeschoss mit den Spitzbogenfenstern. Der älteste Teil der Kirche, „der lang rechteckige Chor, welcher das Untergeschoss des Thurmbaus bildet und außen mit Strebepfeilern versehen ist, ist im (romanischen) Übergangsstyl der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts angelegt und gothisch im 14. bis 15. Jahrhundert ausgebaut“, schreibt Löbe. Obwohl er sich das Alter betreffend vorsichtig ausdrückt, erscheint angesichts der frühen Besiedlung das Baujahr 1014 nicht undenkbar. Denkbar auch, dass damals ein hölzerner Wehrturm an der Stelle des jetzigen Turmes stand. Im Jahre 1681 „unter Herzog Christian erneuerte glücklich die Jesu fromm geweihte Gemeinde dieses heilige Haus. ...“ Das steht neben der Bitte an Christus um Frieden, Licht des Wortes und Wohl-

ergehen für die sächsischen Herzöge und ihr Volk im Kircheninneren auf einer Tafel über dem romanischen Chorbogen. Der Chorbogen öffnet den Blick in das von drei kleinen spitzbogigen Fenstern erhellte spätgotische doppelte Kreuzgewölbe des Altarraumes. Die Rippen der Gewölbe fußen auf Konsolen in Form von Menschen- und Tierköpfen. Die Schlusssteine zeigen den Christuskopf und ein Lamm. Renovierungsarbeiten um 1959 brachten die Pflanzenornamente der früheren Gewölbebemalung zu Tage und legten die Weihekreuze an den Wänden frei. Einen ganz besonderen Schatz der Kirche bilden fünf kunstvoll geschnitzte spätgotische Heiligenbildnisse, darunter die Heilige Elisabeth, die Heilige Magdalena, die Heilige Barbara und die Heilige Anna selbdritt mit Maria und dem Jesusknaben. Diese Kunstwerke entstanden um 1500 und gehörten vermutlich damals zu einem Altarschrein. Wohl in Folge der Reformation als von Gott ablenkende Bilder auf den Dachboden verbannt, verstaubten sie dort bis in die 30-er Jahre des vorigen Jahrhunderts, kamen dann in die Stadtkirche und fanden schließlich wieder ihren Platz im ursprünglichen Domizil. Die beiden „jüngeren“ Apostel Petrus und Paulus aus der Renaissancezeit gehörten wahrscheinlich zu einem ihnen gewidmeten Nebenaltar in der einstigen Klosterkirche. Die in dunklem Holz errichtete Empore an der Nord- und Westwand und die Holzdecke verleihen dem Kirchenraum eine heimelige Stimmung. Zwei Gemälde über der Kanzel erinnern an die früheren Pfarrer Jacob Crell und Samuel Müller. 1977 stiftete ein Gemeindemitglied eine kleine, aber klangschöne Orgel, gebaut von Karl-Heinz Schönefeld in Stadtilm. Sie erklingt zu Orgelvespern, zu den Kreuzkirchenmusiken und zu geistlichen Amtshandlungen im Laufe des Lebens von der Taufe bis zum letzten Segen. 700 Jahre nach der Stadtgründung steht es leider nicht gut um das alte Gotteshaus. Unter dem Gewicht des Turmes bilden sich bedenkliche Risse im Chorbogen. Statisch unzulänglich ausgeführte frühere Sanierungsarbeiten tragen dazu bei und natürlich das Alter des ehrwürdigen Gemäuers. Seit 2010 bemüht sich nun ein Förderkreis um dessen Erhaltung. Getragen von der Kirchgemeinde um Pfarrer Tobias Steinke und der weltlichen Gemeinde. Ihm gehören derzeit

13 Mitglieder an, unter anderen Beate Bock als Vorsitzende, Dr. Günter Ahnert als ihr Stellvertreter und der für die hartnäckige und erfolgreiche Durchsetzung verfolgter Ziele wohlbekannte Landtagsabgeordnete Wolfgang Fiedler. Zuallererst geht es nun darum, den Turmunterbau vor dem Einsturz zu bewahren. Zwei Spannanker über dem Chorbogen sollen den Querdruck der Turmlast abfangen. Das und das Vernadeln der Risse kostet allein 20.000 #. Die danach notwendigen Arbeiten am Bau und das Dachdecken erfordern nach Schätzung der Fachleute 224.800 €. Ein gehöriger Batzen Geld. Doch Kirchgemeinde und Stadt wollen unbedingt gemeinsam das Bauwerk als bedeutendes Zeugnis für die Ortsgründung erhalten. So stand 2010 zum 700-jährigen Stadtjubiläum auch die Kreuzkirche im Blickpunkt des Geschehens. Am 14. April fand bereits ein Benefizkonzert zu ihren Gunsten statt. Mit dem Polizeiorchester Thüringen. Weitere Benefizveranstaltungen und die traditionellen Kreuzkirchenmusik – Konzerte im Sommer in der Kirche selbst sollen dazu dienen, Euro für Euro zusammenzutragen. Eine von Mitarbeitern der Roda-Werkstatt angefertigte KirchenSpenden-Box steht für „Vorübergehende“ im Bürgerbüro bereit. Friedhelm Berger, Chef des UND-Verlags Stadtroda, porträtierte die Kirche und gab Kunstpostkarten heraus. Wer sie erwirbt, spendet damit für das Kirchenprojekt. Der UND-Verlag edierte auch das Buch „Stadtroda – Das alte Wahrzeichen der Stadt“. Geschichte und Geschichten von Heiligkreuz, aufgeschrieben von Heike Rode. Natürlich hofft der Förderverein auf viele neue Mitglieder und für hoffentlich viele Spender gibt es ein Spendenkonto. Das gemeinsame Credo von Pfarrer und Bürgermeister: „O h n e Heiligkreuz fehlt der ‚Skyline‘ der Altstadt das herausragende Monument und unserer Stadt ein historisch bedeutendes Bauwerk – m i t ihr gewinnen wir einen Ort besonderer spiritueller und kultureller Begegnungen. Wenn sich die Bürger Stadtrodas mit dem Projekt Heilig-Kreuz-Kirche identifizieren, können wir sie bestimmt erhalten.“ Dann gesellt sich zu den auf dem Türsturz des Nordeingangs verzeichneten fünf Jahreszahlen der bisherigen Erneuerungen bald eine sechste. Spendenkonto bei der Sparkasse: Konto-Nr. 402 656 - BLZ 830 530 30

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Die Kirche »St. Salvator« in Stadtroda Anfang des 12. Jahrhunderts saßen die Herren von Roda an der Roda und rodeten den Wald am linksseitigen Ufer, für Siedler, die sich hier niederlassen wollten und sollten. Die erste urkundliche Erwähnung eines Ortes Roda fand sich mit 1247, als die Herren von Lobdeburg hier ein Zisterzienserinnenkloster gründeten. Gedacht auch als letzte Ruhestätte für ihr Adelsgeschlecht. Infolge der Reformation 1531 aufgehoben, existiert davon nur noch die Ruine der gotischen Klosterkirche. Das geistliche Zentrum des Ortes links der Roda bildete bis ins 15. Jahrhundert die Kirche zum Heiligen Kreuz, heute Friedhofskapelle, spiritueller Ort für die „Kreuzkirchenmusik“, vielfältige Kasualien und Objekt grundlegender Restaurierung. Als sich mehr und mehr Ansiedler im Tal rechts der Roda niederließen, erhielten auch sie dort das Marktrecht und bauten am Hang eine zweite Kirche „Unserer lieben Frau“. Die Liebfrauenkirche übernahm nach der Reformation die Rolle der Hauptkirche von Roda. Neben der Kirche entstand aus einem mittelalterlichen Steinhof, den das Kloster 1449 an die Stadt verkaufte und der um 1500 an die Ernestiner kam, das Schloss. In dieser Zeit ernährten sich Rodas Bürger redlich von der Landwirtschaft und vom Handwerk, lebten aber gar nicht beschaulich und in Frieden. Mehrfach grassierte die Pest und verheerten Hochwasser der Roda die Stadt. Doch am Schlimmsten litten sie unter kriegerischen Raubzügen. Während des 30-jährigen Krieges zogen mehrfach schwedische Truppen plündernd durch die Stadt. Am 26. April 1638 steckten sie sie an und äscherten sie fast vollständig ein. Der Feuersbrunst fielen 104 Häuser zum Opfer. Auch Liebfrauenkirche und Schloss brannten vollständig nieder. Nach einem Friedensdankfest im Jahre 1650 und mit dem gnädigen Erlass des Herzogs Johann Georg zu Sachsen zur Unterstützung mit Spenden durch die Superintendenturen Plauen, Ölßnitz, Weida und Neustadt begann die Kirchgemeinde, an gleicher Stelle eine neue Kirche „Sankt Salvator“ zu bauen. Ein kaum noch lesbares Steinchronogramm im Westportal weist auf das Jahr 1653 hin und nennt die wichtigsten Persönlichkeiten, die den Bau beförderten: Herzog Friedrich Wilhelm, den Superintendenten Dr. Enoch Himmel für den Entwurf, die Pfarrer Georgius Zeidler und

Bernhardo Müller, sowie den Organisten und Stadtschreiber Nicolaus Seidemann, zeitweise auch Bürgermeister, „der allein das so große Werk zu unternehmen riet, leitete, emsig förderte“. Es entstand ein originelles achteckiges „Langhaus“, mit einem erhöhten Chor und der Sakristei an der Südseite. Zwei Emporen umschlossen den Altar, auf Stützsäulen, die gleichzeitig die flache Decke und das Dach trugen. Mehrere Treppen führten von außen zu den Logen der Honoratioren der Stadt. Später führte sogar ein überdeckter Gang vom Schloss, das zwischen 1663 und 1668 wiedererstand, direkt in die Fürstenloge. Im Gegensatz zum gotischen Hauptportal erhielten die Kirchenfenster eine schlichte rechteckige Form ohne jeglichen Zierat. Den Kirchenraum dagegen schmückten der auf Kosten des Hofsecretarius Johann Heinrich Winter errichtete Altar, die vom fürstlichen Amtsverwalter Tobias Seifardt gestiftete Kanzel und der Taufstein, den der Schösser auf der Leuchtenburg, Samuel Ebart, der Kirche verehrte. Die Kirchenweihe erfolgte zu Weihnachten 1655. Für eine Orgel musste die Kirchgemeinde allerdings noch einige Jahre sammeln, unterstützt durch Kollekten aus Eisenberg, Orlamünde und Saalfeld, bis 1672 der Zwickauer Orgelbauer Georg Lorenz Leube das Instrument einbauen konnte. Leider gab es nicht nur edle Spender sondern auch Diebe. Jedenfalls stahlen derart ruchlose Gesellen 1677 das gesamte Altargerät. Demzufolge „... mit Meister Adam Schmieden Bürgern und Schlößern zu Jena ein Gedinge getroffen, wegen eines neuen eisernen Kastens in das Gotteshaus alhier zum neuen Ornat zu schaffen, von guten, starken, tüchtigen Blechen...“ Der eiserne Kasten hielt tatsächlich späteren Einbrechern stand, die so nur Altartücher, Fenstervorhänge und Bücher mitgehen lassen konnten. Die drei Glocken ließ die Gemeinde nach dem Brand unter Verwendung des geschmolzenen Metalls neu gießen. Sie erhielten ihren Platz wieder in einem Glockenhaus neben der Kirche, weil für einen Kirchturm nicht genug Geld in die 1690 angelegte Turmbaukasse kam. Dieses „Provisorium“ hielt sich bis heute. Auch die Schlacht bei Jena und Auerstedt ging nicht spurlos an Roda vorbei. „St. Salvator“ diente der Unterbringung von 2500 gefangenen Preußen. Sie hinterließen eine total demolierte Kirche mit

zerschlagenen Fenstern. Da sich mit der Zeit die Dachstützung des Kirchenschiffs als unsicher erwies, kamen neben dem Mittelpfeiler zusätzlich zwei seitliche zum Tragen. Gleichzeitig erfuhr das Innere der Kirche eine gründliche Renovierung, die auch die noch von der Truppenunterbringung 1806 verbliebenen Schäden behob. Die Orgel, ursprünglich 1799 als sein größtes Werk vom Rodaer Orgelbauer Christian Friedrich Poppe gebaut, restaurierte der Familienbetrieb Poppe 1869, bevor sie 1938 die Dresdener Gebrüder Jehmlich unter Verwendung alter Register im alten Barockgehäuse erneuerten und 1962 sowie 1968 Jehmlich und Gerhard Kirchner sie in den heutigen Stand setzten. Ein 1883 gegründeter Kirchenbauverein wollte „an Stelle des jetzigen unschönen Kirchengebäudes eine ‚liebliche Wohnung des Herrn Zebaoth’ errichten“. Es kam zwar eine beträchtliche Summe zusammen, doch es reichte nur für weitere Renovierungsarbeiten. Die verhinderte zunächst der Erste Weltkrieg. Dem fiel zu allem Übel und zu Rüstungszwecken auch noch die große Bronzeglocke zum Opfer. Nach Krieg und Inflation konnte die Apoldaer Firma Schilling sie durch zwei Klangstahlglocken ersetzen. Die verbliebenen Bronzeglocken wurden während des Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken konfisziert. Ihr heutiges Aussehen verdankt St. Salvator planwirtschaftlich langwierigen Umbaumaßnahmen von 1962 bis 1968 zu einem im reformatorischen Sinne schlicht und licht gestalteter Andachtsraum. „Mein Blick fällt stets zuerst auf die schöne barocke Kanzel. Moses mit den Gesetzestafeln trägt wie ein ‚Stamm’-Vater den christlichen Glauben. Die Propheten darüber verbreiteten ihn einst, der lebendige Pfarrer verkündet ihn aktuell von der Kanzel und über allem hält der Heiland die Welt in seinen Händen“, beschreibt Pfarrer Tobias Steinke, Seelsorger der Kirchgemeinde, seine Gedanken beim Eintritt in das Gotteshaus. Sicher wandert dann sein Blick zum Altar mit dem 420 Jahre alten Kruzifix aus der Kirche von Culmitzsch, einem sächsischen Dorf, das der Braunkohle weichen musste. Es entfaltet im Gegenlicht der Morgensonne oder bei der abendlichen Beleuchtung eine ganz besondere Aura. An einem guten Ort der Besinnung.

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Die Kirche in St. Gangloff Mitte des 8. Jahrhunderts saß im burgundischen Varennes ein Ritter namens Gangolf, ein Gefolgsmann des Frankenkönigs Pippin I., auch der Kleine genannt und Vater Karls des Großen. Auf dem Rückmarsch von einem Feldzug fand er beim Rasten in der Champagne eine Quelle, die er dem Besitzer abkaufte und auf wundersame Weise in das wasserarme Varennes versetzte. Heimgekehrt, erfährt er von „Scharmützeln“ seines Eheweibs mit dem Hauskaplan. Statt rächend zum Schwerte zu ergreifen, hielt der edelmütige Gangolf seinen Zorn im Zaume. Er verbannte den Buhlen, verließ sein untreues Weib und Varennes, um in Avalon ein neues Leben zu beginnen. Sein Edelmut erwies sich für ihn als verhängnisvoll. Aus Angst vor der Todesstrafe, die damals auf Ehebruch stand, meuchelte ihn der Pfaffe. Diese Untat, verübt an einem gottesfürchtigen Edelmann, führte später zu dessen Heiligsprechung, vermutlich im 12. Jahrhundert. St. Gangolf gilt als Schutzheiliger der Quellen und Pferde. Die Ehebrecherin verbrannte sich der Legende nach ihre Hand in der Quelle und musste zu ihrer Schmach lebenslang laute Winde fahren lassen. Als die Franken nach Thüringen zogen, errichteten sie im wendischen Grenzgebiet „Warten“, Wachtürme, auch zum Schutz von Reisenden und Händlern vor Wegelagerern. Eine da, wo jetzt „St. Gangloff“ liegt. In deren Schutz siedelten sich dann Flamen an. Es entstand das Kirchdorf „Warte“. Im Jahre 1266 fand sich in einem Kirchenbuch die Randglosse „St. Gangolf“ in Bezug auf das Dorf, wohl als Hinweis auf die Verehrung dieses Heiligen durch die flämisch stämmigen Dörfler. Daraus entstand über St. Gangolf oder Gangolfsdorf dann der heutige Ortsname. Der Volksmund kommt mit „Jangeldorf“ dem Ursprung noch ziemlich nahe. Das und mehr erzählte der Pfarrer i.R. Volker Fröhlich seinen Zuhörern, die ihr sonnabendlicher Ausflug, zum Thema „Der schöne Ort“, in die Kirche von St. Gangloff führte. Zuvor stand unweit von dieser Stelle, auf dem südöstlichen Teil des einstigen Friedhofes, die Gangolfkapelle. Sie entstand mit der Gründung des Augustiner-Chorfrauenstifts „Cella Sanctae Mariae“ durch die Adelige Kuniza an der Quelle des Baches Lausnitz. Pfarrer Paul Gerhardt beschrieb sie in seiner Festrede zum 200. Kirchenjubiläum als „kleines, armseliges Gebäude, neun Me-

ter breit, 20 Meter lang, mit einem Vorhause, einem Turm, oben aus Fachwerk, unten wie die Kirchenmauern massiv, das ganze Gebäude mit Schindeln gedeckt“. Offenbar wallfahrteten in vorreformatorischer Zeit Pilger zur Gangolfkapelle. Darunter möglicherweise auch die Nonnen aus Schöngleina, die auf dem Wege dahin von Räubern überfallen und von Köhlern gerettet, der Sage nach ausriefen „hierher muss Dorf“ – worauf Hermsdorf entstand. Zwischen 1650 und 1660 erhielt die Wallfahrtskapelle einen Anbau, Emporen, Kirchenbänke und eine hölzerne Decke. Als das verfallende Gebäude die Kirchgemeinde immer teurer zu stehen kam und eine Kirchenkommission es 1750 als „incurabel“ einschätzte, beschloss sie, ein neues Gotteshaus zu bauen. Die altenburgische und die reußische Herrschaft erhob dafür eine Landeskollekte. Die Grundsteinlegung konnte so am 25. Oktober 1754 erfolgen. Am 24. Oktober 1758 setzte der Hofschieferdecker Kunstmann den Turmknopf auf. Die Kanzel und die Glocken aus der alten, inzwischen abgerissenen Kirche blieben aus Sparsamkeitsgründen für die neue erhalten. Die Kanzel erwies sich allerdings bald als morsch und lebensgefährlich für den Prediger, so dass 1784 eine neue her musste. Anläßlich ihrer Einweihung mit der ersten nunmehr gefahrlosen Predigt stiftete die Pfarrersfrau ein Kruzifix für den Altar. Die Glocken läuteten noch bis 1837, als sich das Dorf so ausgedehnt hatte, dass die „Jangeldorfer“ eines lauteren Rufes zum Gottesdienst bedurften. Sie ließen die alten Glocken in Apolda einschmelzen und drei größere gießen. 1910 sprang die mittlere Glocke. Sie und die kleinere wurden 1917 zerschlagen, ihre Bruchstücke nach Hermsdorf auf den Bahnhof gefahren und als kriegswichtiges Material abtransportiert. Eine der 1925 wieder eingeweihten Glocken trug die Inschrift: „Kriegsnot brach 1917 unser Schwesterherz - zu Waffen wurde das tönende Erz - uns schuf 1924 in harter Zeit – Glaube, Liebe, Hoffnung, Einigkeit“. Diese Glocke fiel dem II. Weltkrieg zum Opfer. Die große Glocke, mit ihr gemeinsam konfisziert, kam wie durch ein Wunder wieder davon. Sie kehrte 1948 aus US-Kriegsbeutegut nach St. Gangloff zurück. Angesichts der harten Zeiten fiel die Innenausstattung der Kirche sehr schlicht aus. Zudem zerstörten Sprengungen von

Munition auf dem Muna-Gelände bei Klosterlausnitz nach Kriegsende sämtliche Kirchenfenster. Doch die St. Gangloffer fanden Wege, ihr Gotteshaus zu restaurieren. Schöner als zuvor. „Die Kirche sah ursprünglich innen aus, wie von IKEA“, beschreibt es Jochen Gimper, passionierter Dorfchronist, „die Ausmalung im Jahre 1971 in hellen Farben verlieh dem Schiff einen freundlichen Glanz.“ 1982 deckten sie den Turm neu ein, erneuerten den Knopf und die Wetterfahne mit Löwen, Drachen und Christusinsignien, die nun bei Sonnenschein golden über dem Dorf leuchten. Für das Kirchendach holten sie das Holz aus dem Wald, schnitten und säumten die Bretter zum Verschalen des Dachstuhls für die Beschieferung. Dauerhafte Kupfernägel dafür gab es nicht. Die baden-württembergische Partnergemeinde in Schelklingen half. Sie schickte ihnen 50 Kilo des wertvollen Materials, in Paketen zu je fünf Kilo. 2004 initiierten sie die Restaurierung ihrer Orgel. Ein wertvolles nachbarockes Instrument aus der Werkstatt der Orgelbauerfamilie Poppe, gebaut um 1784, mit zwei Manualen und 21 Registern. Wie die Glocken erlitt auch sie Schaden durch den I. Weltkrieg und büßte ihre zinnernen Pfeifen ein. Der II. Weltkrieg ging glimpflich an ihr vorüber, doch hinterließen mehrfache Reparaturen und die Zeit ihre Spuren. 2010 grundhaft erneuert erneut eingeweiht, erklingen ihre Stimmen wieder zart oder gewaltig zum Lobe des Herrn und zu Konzerten. Den wohl wertvollsten Schatz, sieben Schnitzfiguren aus der Vorgängerkirche, stahl 2007 ein gottloser Halunke. Der Besuch des „schönen Ortes“ klang für die andächtig lauschende Pilgerschar mit Orgelspiel und mit dem Geläut der Glocken aus. Pfarrer Stephan Langner lud dann noch zu Kaffee und Kuchen im Gemeindehaus ein. Er betreut seit 1999 die Kirchgemeinde St. Gangloff und das Kirchspiel, zu dem noch die Dörfer Reichenbach, Geißen, Großsaara, Kleinsaara, Langengrobsdorf und Waltersdorf gehören. Als Nachfolger Pfarrer Fröhlichs und dessen Vorgängers Pfarrer Brinkel, der 1964 dafür gesorgt hatte, dass der Sitz des Kirchspiels von Waltersdorf nach St. Gangloff kam und selbst von dort in das hiesige neue Pfarrhaus umzog. In das „Thüringische Rom“, das wie die römische Metropole auf sieben Hügeln erbaute St. Gangloff.

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Die Klosterbasilika in Thalbürgel Durch das rudimentäre Atrium und ein vierstufiges romanisches Säulenportal öffnet sich der Blick in den verbliebenen überdachten Gebäudeteil des einstigen Bürgeler Benediktinerklosters, in das Langhaus. In einem hohen Raum von erhabener Schlichtheit, geprägt durch Kunstsinn und Kunstfertigkeit früherer Baumeister und Steinmetze. Viel Licht flutet durch die Rundbogenfenster am Ende des Kirchenschiffs, das sich zwischen den aufstrebenden Säulen der Arkaden der Seitenschiffe gleich einer himmelhohen Prozessionsstraße hinzieht. Hin zum Christusbild am Kreuz. Wer weiß, dass es vermutlich aus dem Jahre 1505 stammt, möglicherweise sogar aus einer Werkstatt Tilman Riemenschneiders, und dass es wohl schon in den letzten Jahren des Klosters hier stand, nähert sich ihm mit besonderer Andacht. Große, jahreszeitlich bunte Blumensträuße neben dem Altar, im Kontrast zur weißen Wand, vermitteln Zuversicht. Die festen Mauern, die massiven Säulen Geborgenheit. Die fast unwirkliche Stille gebietet andächtiges Schweigen. Da schweben gleichsam sphärische Klänge durch den Raum, erfüllen ihn, brechen sich an seinen Wänden, steigern sich zu vielstimmigem Jubilato. Feierlich gekleidet singen die Sängerinnen und Sänger des Vokalensembles Eisenberg Marc Antonio Ingegneris „Tenebrae facte sunt“. An einem einzigartigen spirituellen Ort entsteht eine Aufnahme für die DVD „Klingende Schätze“, für eine musikalische Reise durch den Saale-HolzlandKreis, die die Vielfalt des musikalischen Lebens, die Schönheit der Landschaft und den Reichtum an Kirchenschätzen andeutet. Zu diesen gehört die Klosterkirche als lebendiges Gotteshaus, als Ort vielbesuchter Konzerte namhafter Solisten, Chöre, und Klangkörper, auch Jazzkapellen, als besondere Galerie für Werke namhafter bildender KünstlerInnen und als einzigartige romanische Pfeilerbasilika in Thüringen. Die erhaltenen Reste der 1150 geweihten Kirche des vom Naumburger Bischof Udo I. gegründeten und von Paulinzellaer Mönchen aufgebauten Benediktinerklosters bezeugen ein Stück mittelalterlicher Kirchengeschichte: Den Einfluss der so genannten Hirsauer Klosterreform, einer Reform der Liturgie und des ausschweifenden Klosterlebens hin zur Askese, die im 10. Jahrhundert vom größten

im Abendland gebauten Kloster Cluny in Burgund ausging und sich über die schwäbische Abtei Hirsau auf Hunderte Benediktinerklöster im deutschsprachigen Raum ausdehnte. Bis in die Lande östlich der Saale, eben auch nach „Burgelin“. In Folge der Reformation schloss das Kloster 1526 seine Pforten, verfiel und verkam zum Steinbruch für die umliegenden Gemeinden. Das noch nutzbare Langhaus der monumentalen Basilika diente auf Hinwirken Philipp Melanchthons dem Kirchspiel St. Georgenberg als Dorfkirche und als Gereideschüttboden. Auch Goethe erkannte die Bedeutung der Klosterkirche und setzte sich beim Herzoghaus Sachsen-Weimar für ihre Erhaltung und teilweise Wiederherstellung ein. Der ihr verbliebene südliche Turm erhielt 1757 seine heutige barocke Haube. Die jüngste Restauration erfuhr sie zwischen 1964 und 1972, der ursprünglichen Hirsauer Idee folgend, als erhabenes, aber schlichtes Bauwerk, im Inneren weitgehend des Barocken entkleidet und dem Romanischen angenähert. Damals fanden sich auch christlich und kulturell engagierte Bürgeler Bürger unter dem Dach der evangelischen Kirchgemeinde und des Kulturbundes zusammen, um über die Pflege ihres architektonischen „Kleinodes“ nachzudenken und hoben unter anderem den „Thalbürgeler Konzertsommer“ aus der Taufe. Im Mai 1972 eröffnete ihn der Thüringische Akademische Singkreis. Seither folgten Sommer für Sommer hochklassige klassische Musikereignisse. Es kam oft zu Engpässen bei Eintrittskarten, besonders für Sonderkonzerte. Seit 1991 befördert nun der „Verein der Freunde der Klosterkirche Thalbürgel“ das musikalische Geschehen, die Werterhaltung der Kirche, die Erforschung der Klostergeschichte und ihre Publikation. Pfarrer Eckhardt Waschnewski: „Wir leben in einer dissonanten Welt, die viele Menschen beängstigt. Sie sehnen sich nach Harmonie, nach äußerem und innerem Frieden. Gottesdienste, Ausstellungen und Konzerte können dazu dienen, diese Sehnsucht zu stillen. Die Stille, das Licht, der erhabene Raum tragen die andachtsvolle Atmosphäre dazu bei. Dass aus der Klage die Hoffnung wachse.“ Engagement für einen spirituellen, einen magischen Ort der Ruhe, des Besinnens und der inneren Einkehr, der es gestattet, sich abseits lärmender Straßen ganz der

Andacht hin zu geben, sich in Kunst zu versenken oder Musik zu genießen, auch in leisen Tönen, die die wohltuende Akustik an jeden Platz trägt. Der „Reromanisierung“ der Klosterkirche musste 1967 auch die zweihundert Jahre alte, von Johann Michael Hartung gebaute barocke Orgel samt Empore weichen. Die Kirchgemeinde bemühte sich redlich, beispielsweise durch Basare und den Verkauf rarer Bürgeler Keramik zweiter Qualität, das Geld für eine neue zu beschaffen, der Greizer Orgelbauer Hartmut Schüßler, unter den schwierigen Verhältnissen in der DDR eine geeignete zu bauen. Es entstand eine kleine Orgel auf einem fahrbaren Podest, die den Stil der Raumgestaltung nicht brach und sich für den Gemeindedienst, aber auch zur Begleitung vor allem kammermusikalischer Konzerte gut eignet. Gemeindekirchenrat und Stiftung Klosterkirche Thalbürgel saßen nun jüngst mit den an der Erhaltung dieses einmaligen sakralen Bauwerks interessierten, respektive dafür verantwortlichen kirchlichen und staatlichen Institutionen des Freistaates, des Landkreises und der Stadt Bürgel am Tisch, um über ein Sanierungskonzept nachzudenken. Es betrifft die durch Umwelteinflüsse geschädigte Bausubstanz, die Elektroanlagen, die Einbeziehung eines Teils der ehemaligen Klausur in das Gesamtensemble, ebenso des Zinsspeichers und der ehemaligen Gebäude des Wirtschaftshofes, die heute noch die beeindruckenden Dimensionen des Klosters erkennen lassen. Auch weitere archäologische Forschungen. Pfarrer Waschnewski träumt schon von „einem Erlebnis Maulbronn in Thüringen“ für die Besucher Thalbürgels. Und er träumt auch von einer neuen Orgel. Konzepte liegen schon vor, für eine am ursprünglichen Platz über dem Portal, zweistöckig, nahe an der Romanik. Benefizkonzerte und noble Spender könnten helfen, den Traum zu erfüllen. Selbst wenn es zehn Jahre dauerte. Die Stadt Bürgel verfügt neben ihrem Ruf als Töpferstadt und einer idyllischen Umgebung mit der romanischen Pfeilerbasilika als romantischem Ort für musikalisches Erleben über ein weiteres Pfund zum Wuchern, das ihr wirtschaftlich nützen kann, auch wenn sie nicht mehr am Schnittpunkt wichtiger mittelalterlicher Handelsstraßen liegt. In einer “schrillen Zeit“ vielleicht gerade deshalb.

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Die Kirche in Tröbnitz Auf dem Hofberg über Tröbnitz, rechts der aus den „Tälern“ kommenden Roda, bevor sie den Rote-Hof-Bach aufnimmt, hat die Kirchgemeinde ein frühlingsgrünes Kreuz aufgebaut. Bläser des Tröbnitzer Blasorchesters, die eine über hunderjährige Tröbnitzer Tradition fortsetzen, intonieren einen Choral. Die Frauen, Männer und Kinder auf den schlichten Bänken, gerade vom „Flurzuch“ hier angekommen, stimmen mit ihrem Gesang ein. „Wohlauf in Gottes schöne Welt …“. Gottesdienst am Pfingstmontag, traditionell unter blauem Himmel, so hoch droben wie möglich. Gerenacker, Wolfsgraben, Hirtengraben – Pastorin Andrea Hertel spricht über Namen in der Tröbnitzer Flur. Namen sprechen über die Vergangenheit, ohne Namen gibt es kein woher, kein wohin, kein Bild in Gedanken. Nach dem Verklingen des „eins ham wer noch“ der Musikanten brechen alle auf, den Hangweg hinab, am alten Steinbruch vorüber, zur Kirche am Pfarrwinkel. Hier lässt das Heimatmuseum in der Pfarrscheune die Gedanken zurück wandern ins „einfache“ Leben der Altvorderen. Hier wirkt auch ein zeitgemäßer Kunstverein namens „Klingenpresse“, der sich um eine geerbte Druckerpresse zusammenfand. Aus der kleinen Galerie im Erdgeschoss des Pfarrhauses klingt „Die Wacht am Rhein“. Ein passionierter Sammler aus den Reihen des Heimatvereins führt seine mehr als hundert Jahre alten Musikautomaten vor. Mit nostalgischen Melodien. Doch auf dem Pfarrhof herrscht die pure Gegenwart. Mit Bratwurst und Bier, Kaffee und Kuchen, heiß aus dem Lehmbackofen, mit weltlichen Gesprächen und Kinderlachen. Die Tröbnitzer Dorfkirche auf dem Pfarrberg steht seit vielen Hundert Jahren im Mittelpunkt des dörflichen Lebens. Als Stätte der Andacht, der Freude, des Trostes. Schon zur Slawenzeit stand in Trebeniz eine Kapelle, möglicherweise nicht genau an der gleichen Stelle, doch ein Pfarrer Rudiger von Trebeniz wird bereits 1223 urkundlich erwähnt und der Adelsherr Albrecht von Meusebach stiftete der Überlieferung nach zwischen 1460 und 1492 „der hiesigen Kirche einen neuen Altar und schenkte dazu einen Kelch und ein Meßgewand nebst Zubehör“. Wer wann diese kleine Kirche baute, blieb bis jetzt im Dunkeln. Fest steht dagegen, dass die Gemeinde sie 1680 grundlegend erneuerte. Weil die Zahl der „Innwohner“ durch

göttlichen Segen und vermutlich zwischenmenschlichem Zutun rasch wuchs, erwies sie sich jedoch bald wieder als zu klein und wurde in den Jahren 1707 und 1708 nach Osten hin wesentlich erweitert. Eine Urkunde im Turmknopf bestätigt:“ A. C. 1708 den 1. November ist diese Kirchen Reparatur Gottlob glücklich vollbracht und dieser Knopf, so 15 aßo kostet ist mit dieser dareingelegten Schrift aufgesetzt worden.“ Aus diesem Anlass stiftete Christian Albrecht II. von Meusebach 1710 einen knienden geschnitzten und bemalten Taufengel, der 1926 wieder aufgefunden wurde. Er stiftete auch für eine Orgel, die er aus Kahla holen ließ. Den morschen hölzernen Glockenturm musste die Gemeinde beim Neubau abreißen. Sie konnte aber erst 1792 das Geld für einen neuen, den jetzigen Kirchturm aufbringen. Der aufgesetzte Knopf lässt vermuten, dass zwischenzeitlich ein Provisorium bestand. Um die früheren Glocken rankt sich die Legende, dass sie einst zu einer wüst gewordenen Kirche bei Meusebach gehörten, wo sie Wildschweine auswühlten und Köhler sie nach Tröbnitz schafften. Es gab auf dem Rittergut eine Kapelle und es gibt auf dem Rollenberg einen Ort, „wüste Kirche“ genannt, wo sich Spuren einer Wehranlage fanden, doch von einer Kirche in Meusebach keine Überlieferung. Die derzeit läutende große Glocke goss Georg Ulrich 1766 in Lauscha, die kleine gossen die Gebrüder Ulrich 1811 in Apolda. Sie fiel der Kriegsrüstung im zweiten Weltkrieg zum Opfer. An ihrer Stelle erwarb die Kirchgemeinde 1960 eine von Christoph Stoermer in Erfurt gegossene aus der Kirchgemeinde Finsterbergen. Die mittlere, älteste Glocke stammt aus dem Jahre 1635 und vom Erfurter Glockengießer Melchior Moeringk. Die spätbarocke Orgel aus dem Jahre 1778 gehört zu den frühen und größeren Instrumenten des Rodaer Orgelbauers Christian Friedrich Poppe. Sie kostete damals 400 Thaler. Als am 9. Mai 1877 der Blitz im Kirchturm einschlug, erlitt auch die Orgel erhebliche Schäden. Unter Verwendung noch brauchbarer Überreste schufen die Gebrüder Poppe danach ein neues, im Klangbild verbessertes Werk. Zuletzt nach jahrelangen beharrlichen Bemühungen des Pfarrers Schumann, gleich von Kriegsende an, 1955 von den Dresdener Orgelbauern Gebrüder Jehmlich repariert, bedarf sie nun dringend wieder einer Erneuerung.

Im Kirchenschiff zieht sich eine Doppelempore von der Orgel bis zum Chor mit dem prächtigen klassizistischen Kanzelaltar hin. Neben dem kelchförmigen Taufstein aus Terrakotta kniet der wiedergefundene Taufengel. Bemerkenswert eine Darstellung der Kreuzigung Jesu des Tröbnitzer Künstlers Klaus Langmann, die eine Tröbnitzerin für die Kiche erwarb. Ebenso zwei Grabmale, ein marmornes für Anna Albertine (1611) und eines aus rotem Sandstein für Christoph von Meusebach (1612), dargestellt als geharnischter Ritter. Beide sorgten sich offenbar bereits vor der Tröbnitzer Patronatszeit der Meusebacher, die von 1697 bis zum Tode des John Albrecht 1744 währte, um die Kirche. Mit dem kinderlosen John Albrecht endete das Geschlecht der Meusebacher. Über einen anderen Tröbnitzer, der sich zu dieser Zeit um die Kinder, um eine Schule im Dorfe sorgte, rankt sich die gar erschreckliche Geschichte eines Mordanschlags. Pfarrer Alexander Wohlfahrt entging am Himmelfahrtstage 1631 knapp einer Himmelfahrt. Der Messerwurf eines erbosten Geisenhainer Bauern, der seine Kinder wohl lieber auf dem Acker als in der Schule sah, verfehlte ihn. Zwischen 1970 und 1971 erfuhr die Kirche eine gründliche „innere“ Renovierung. Außen sorgte die Eineborner Firma Herold für den Putz. Die Tröbnitzer leisteten dafür tausend Arbeitsstunden und kamen weitgehend für die Kosten der Aktion selbst auf. Für die Erneuerung der Dächer von Turm und Schiff reichte es mit Hilfe des Landratsamtes, des Landesamtes für Denkmalpflege und der Partnergemeinde im württembergischen Tiefenbach erst nach der Wende. Diese bereitete die Tröbnitzer Kirchgemeinde, wie auch viele andere, mit Friedensandachten und Demonstrationen in der Kreisstadt selbst aktiv mit vor. 1999 fand sich auf dem Dachboden ein original verpacktes, 80 Jahre altes Altarbild. Eine Krippenszene. Es dient nun als Weihnachtsschmuck oder als Kulisse für das traditionelle Krippenspiel der Kinder. Auch das Weihnachtskonzert des Tröbnitzer Jugendblasorchesters hat Tradition, wie die regelmäßigen Chorkonzerte und die familienfreundlichen, thematischen OASE-Gottesdienste im Feuerwehrhaus. Alles Zeichen für eine lebendige Kirchgemeinde in Tröbnitz.

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Die Kirche in Trockenborn Die Gemeinde Trockenborn-Wolfersdorf liegt inmitten weitläufiger Wälder, deren wildreiche Reviere schon die sächsischen Kurfürsten und die Altenburger Herzöge zu ihrem Jagdvergnügen nutzten. Im nahe gelegenen Hummelshain verblieben davon die sehenswerte, weil in Thüringen einmalige Jagdanlage Rieseneck, sowie zwei Jagdschlösser, davon ein leider arg ramponiertes. Das „Alte Schloss“, 1668-70 unter Friedrich Wilhelm von Sachsen errichtet, das Renaissanceschloss 1880 unter Herzog Ernst I. Auch in Trockenborn stand ein Jagdhaus Herzog Wilhelms, das 1546 spanische Söldner Herzog Albas aus Rache für den Tod eines Trompeters und die Gegenwehr der Trockenborner niederbrannten. Bereits 1548 wies Herzog Johann Friedrich I. noch in kaiserlicher Gefangenschaft, von Augsburg aus den Bau eines Jagdhauses „zur Nothdurft und nicht zum Überflusse“ an. Im „Beidorf“ Wolfersdorf. Es geriet zu einem „Wasserschloss“ und er nannte es bei seiner Rückkehr „Fröhliche Wiederkunft“. Als einziger einst regierender Fürst behielt Herzog Ernst II. zu DDR-Zeiten hier noch bis zu seinem Lebensende 1955 das Wohnrecht. Inzwischen wird das Schloss sorgfältig restauriert und zieht an Wochenenden und zu besonderen Veranstaltungen zahlreiche Besucher an. Pfarrort war stets Trockenborn. Die heutige Kirche wurde 1719 geweiht. Das geht aus einer verschlüsselten lateinischen Inschrift, einem Chronogramm, über dem nördlichen Seiteneingang hervor, dessen herausgehobene Buchstaben als römische Zahlen addiert das Baujahr preisgeben. Den Haupteingang an der Westseite, unter dem Turm, ziert ein Doppelwappen: Das kursächsische mit den verschlungenen Initialen FDS – Fridericus Dux Saxoniae – und das sächsische Rautenwappen, beide unter dem Kurhut vereint. Ein dritter separater Eingang zur Herzogsloge an der Südseite trägt die Jahreszahl 1825. Das deutet auf einen Umbau zu dieser Zeit hin. Die Kirche entstand an Stelle eines früheren Holzbaues, der Maria geweiht war. Die Schlusssteine der sieben Fenster verkünden die sieben Worte „Allein Gott in der Höhe sei Ehr“. Drei gar nicht ehrfürchtige Kirchenräuber raubten kurz nach der Kirchenweihe wertvolles Kirchengerät. Sie wurden geschnappt, in Neustadt verurteilt und hingerichtet. Pastorin Andrea Härtel, Seelsorgerin im aus 14 Dörfern bestehenden Kirchspiel, benennt die besonderen Schätze in der Kirche: „Das Innere der Kirche war 1888

völlig neu gestaltet worden. Es gab danach statt zweier Emporen nur noch je eine entlang der Nord- und Südwand. Deren dunkle Holzverkleidung bewirkt zusammen mit der Deckentäfelung eine ehrfurchtsvoll heimelige Stimmung im Kirchenraum. Den Altar aus Elbsandstein schuf ein Jenaer Bildhauer. Das Altarbild malte und stiftete Agnes, die Gemahlin Ernsts I. und Tante des letzten Ernestiners Ernst II., mitsamt dem in Eiche geschnitzten gotischen Aufsatz. Es zeigt Jesus am Jakobsbrunnen. In der Samariterin habe sie sich selbst verewigt, heißt es. Ein Bild des HERRN und ein Porträt des Reformators Martin Luther hängen links und rechts neben dem Chor unter den Emporen. Von unbekannten Künstlern geschaffen. Der Herzog selbst stiftete die Buntglasfenster des Chores. Sie zeigen den segnenden Christus in der Mitte, links Petrus mit dem Schlüssel und rechts Paulus mit dem Schwert. Jesus und die beiden Apostel schmücken auch die kostbar geschnitzte eichene Kanzel. Der zeitgemäß wissenschaftlich und technisch interessierte Herzog Ernst II. gestaltete nicht nur sein Wolfersdorfer Schloss behaglich, sondern sorgte mit einer Art Fußbodenbeheizung auch dafür, dass die Kirchgemeinde keine kalten Füße bekam.“ Nur der Orgelprospekt auf der Westempore blieb damals erhalten. Die erste, 1728 von Vockrodt in Löbschitz für 150 Thaler gebaute Orgel stand im Chor über dem Altar. 1825 umgesetzt und erweitert, danach mehrfach umgebaut und repariert, wurde sie 1909 vom Weißenfelser Orgelbauer Oskar Ladegast unter Verwendung noch brauchbarer Pfeifen durch ein pneumatisches Instrument ersetzt. Ein Geschenk des Kaisers Wilhelm II. Im Rahmen einer Konzerttournee durch Kirchen des Saale-Holzlandes erfüllte sie erst kürzlich mit brausendem barocken Klang das Gotteshaus. Unter den Händen und Füßen des Eisenberger Kantors Sven Werner, begleitet von Anette Tupaikas sonoren Saxophonmelodien und Carsten Tupaikas hellem Trompetenschall. Mit klingenden Schätzen von Gerhardt bis Bruckner, von Purcell bis Mussorgski. Eines der besonderen musikalischen Ereignisse in der Trockenborner Kirche. Um die Kirche, an deren Mauern und auf dem einstigen Gottesacker im Gesträuch versteckt, verwittert, von Flechten bedeckt und bemoost, stehen teilweise monumentale Grabsteine. Grabstätten von verblichenen Wildmeistern, Förstern, Pastoren, herzoglichen Höflingen und de-

ren Angehörigen. Besonders auffällig, weil aufwändig in Sandstein gehauen, das des herzoglichen Wildmeisters Wolff Heinrich Clauder, der 1732 hier beigesetzt wurde. Auch das wie eine antikes anmutende seiner Schwiegermutter Anna Elisabeth Deysing, das eine sinnend ruhende Schöne darstellt. Monumente, die etwas über Reichtum, Rang und Einfluss derer aussagen, an die sie erinnern sollen. Wolff Heinrich Clauder hielt sich sogar einen getauften Mohren als exotischen Bediensteten. „Herzog Ernst II., der ‚Freiherr von Rieseneck’, fand seine ewige Ruhe wunschgemäß in der ‚Herzoglichen Grabstätte‘ zwischen Wolfersdorf und Trockenborn, die er bereits zu seinen Lebzeiten errichten ließ. In den zwanziger Jahren erwarb er das Areal dafür, einen halben Kilometer unterhalb der Trockenborner Kirche, auf einer Anhöhe. Damals mit Blick auf sein Jagdschloss in Wolfersdorf. Inzwischen wuchs der Wald dazwischen und versperrt die Sicht. Neben ihm ruht seine Gemahlin Marie. Auch seine Schwestern Luise und Elisabeth ruhen hier. Elisabeth als Großfürstin Konstantin von Rußland“, erklärt Thorsten Müller, ein eingeborener Trockenborner, der als passionierter Ortschronist die interessante Dorfgeschichte erforscht. Ein Ausflug nach Trockenborn-Wolfersdorf lohnt sich: Das schöne Rotehofbachtal, die weitläufigen Wälder, die Jagdanlage Rieseneck. Natürlich die „Herzoglichen Grabstätten“ und die Kirche. Im Pfarrhof, gleich unterhalb der Kirche, steht das älteste Haus Trockenborns, das Pfarrhaus von 1533.

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Die Kirche in Untergneus Am Sonntag, dem 14. Dezember 1997, fand in der Kirche des kleinen Dorfes Untergneus, unweit von Tröbnitz zwischen Wäldern, Wiesen und Hügeln versteckt, ein ganz besonderes festliches Konzert statt. Der Verein zur Rettung, Bewahrung und Förderung kirchlicher Kunst und Kultur im Umkreis von Stadtroda e.V. feierte im Kreise seiner Freunde und Gönner, gemeinsam mit der ganzen Gemeinde und mit Honoratioren des kirchlichen und öffentlichen Lebens, die Weihe der wiederhergestellten Gerhardt-Orgel. Sebastian Knebel, gelernter Orgelbauer und studierter Kirchenmusiker, Virtuose auf historischen Tasteninstrumenten, entdeckte 1988 die eigenhändige Inschrift des Meisters auf dem Holz des Balges: „Anno 1737 ist die Orgel in Unter Gneuß erbaut worden von Justinius Ehrenfried Gerhard Orgelmacher in Löbschütz“. Der besondere Wert der Barockorgel bestand darin, dass sie im großen Ganzen noch im Originalzustand erhalten geblieben war. Allerdings durch Holzwurm, Nässe und unsachgemäße Reparaturen arg in Mitleidenschaft gezogen. Ein Teil der Pfeifen fiel zudem eingeschmolzen der Rüstung im Ersten Weltkrieg zum Opfer. Ein ersetzbarer Verlust. Ein nicht ersetzbarer die Untergneuser Männer, von denen nur die Erinnerung an sie und ihre Namen auf dem Kriegerdenkmal an der Kirche verblieben. Gemeinsam mit der Organistin Gudrun Seidler, später Schwochow, der Kirchgemeinde und dem Verein zur Rettung kirchlichen Kunstgutes bemühte sich Sebastian Knebel nun um die Wiederherstellung der beschädigten Orgel. Der ältesten Gerhardt-Orgel in der Region und der zweitältesten überhaupt. Nur in der Engerdaer Kirche steht eine noch ältere, aus dem Jahre 1735. Die Galerie der Einladungen im Eingangsbereich der Kirche zu Benefizkonzerten erinnern an die Bemühungen, Gelder für die Instandsetzungsarbeiten einzusammeln. Insgesamt fanden 35 dieser musikalischen Ereignisse, beispielsweise als „Stunde der Musik und Information“ in den Kirchen von Untergneus, Rausdorf und Tröbnitz statt. Eine Messingtafel im Kirchenschiff verzeichnet rund 70 daran beteiligte Solisten, Chöre und Instrumentalgruppen, vom Blockflötenensemble bis zum Streichquartett, vom Jenaer Madrigalkreis und dem Heinrich-Schütz-Chor Gera bis zu den Hofer Vokalisten und Studenten der Musikhochschule „Franz

Liszt“. Dazu namhafte Spender. Selbst eine Dorfkirchenwanderung organisierte der Verein im Rahmen des Internationalen Volkssportverbandes. Mit der Wende entwickelten sich partnerschaftliche Kontakte zum „Freundeskreis Stadtroda“ in Köln, der 79 „Ausgewanderte“ aus Stadtroda und Umgebung vereint, die die ExLaasdorferin Bärbel Oligschläger für die Orgelidee zu begeistern wusste und die nun in Verbundenheit zur Heimat und für den guten Zweck großzügig zu dessen Gelingen beitrugen. „Wenn es um unsere Kirche geht, dann machen vor allem auch die Untergneuser selbst alles Mögliche und manches Unmögliche möglich. Um das Orgelprojekt sinnvoll verwirklichen zu können, mussten wir zuallererst mal das Gebäude baulich in Stand setzen. Das Walmdach des Langhauses war 1960 neu beschiefert worden, nun bedurfte die undichte Kuppel des Turmreiters dringend einer Erneuerung. Als die beschlossen war, stand wieder das ganz Dorf dahinter. Jung und Alt unterstützte das Vorhaben. Jeder so, wie er konnte. Vor allem standen uns der baufachkundige Pfarrer Bächer aus der Nachbargemeinde Trockenborn-Wolfersdorf, Maurermeister Gräfe und Schieferdecker aus Lehesten mit Rat und Tat zur Seite. Das Gerüst um den Turm bauten wir selber auf. Das war ein ziemlich waghalsiges Unternehmen. Aber Mitte Juni 1991 fand dann das Knopffest statt, bei dem in einem akrobatischen Kraftakt der Turmknopf nebst neuer Wetterfahne aufgesetzt wurde“, erinnert sich Jens Rödger, selbständiger Forstdienstleister in Untergneus, der jüngst das Ehrenamt des Kirchenältesten vom Vater Erhard „erbte“. Das alles kostete ja nun DM, und gar nicht wenig. Insgesamt 77 Tausend. Davon kamen 40 Tausend von der Denkmalpflege. Den Rest brachten die Gemeinden Ober- und Untergneus auf und die befreundete Evangelische Gemeinde Volberg bei Köln kam mit dem Erlös einer „Orgelkollekte“ zum Fest. Der Turmknopf enthielt höchst interessante Dokumente über den Bauabschluss der Kirche im Jahre 1820 und über die damaligen dörflichen Verhältnisse, auch über die 1906 herrschenden, als der Knopf bei Erneuerung der Turmspitze schon einmal geöffnet wurde. 1991 kamen Zeugnisse der neuen Zeit hinzu, neben DM auch ein „100 Marx-Schein“. Dauerhaft in einer Blech-

büchse verlötet. Wann wird wer den Knopf das nächste Mal öffnen? EinSchriftstück im Turmknopf wies leider nur darauf hin, der Vorgängerbau der heutigen Kirche „verriet ein ziemlich hohes Alter“, so dass eine genaue Zeitangabe über seine Entstehung weiter im Dunkel bleibt. Der durch das ziemlich hohe Alter bedingte Verfall führte jedenfalls 1820 zum Abriss des alten und innerhalb weniger Monate zum Bau des jetzigen Gotteshauses. Bereits 1880 blühte durch den Salzgehalt des verwendeten Sandsteins der Putz aus. Vermutlich infolge dessen blieb das Mauerwerk seitdem unverputzt und zeigt sich im naturfarbigen Mosaik der Buntsandsteinquader. Im Kircheninneren fällt der schlichte barocke Kanzelaltar im lichten Chorraum ins Auge. Gekrönt vom Gottesauge im Strahlenkranz. Links und rechts flankiert von der hölzernen Sakristei. In einigem Abstand zum Chor zieht sich die zweigeschossige, auf Säulen gestützte Empore um den Andachtsraum, den hohe, einfach rechteckig gestaltete Fenster erhellen. Zu dessen bescheidenem Schmuck gehören Bildnisse von Martin Luther und Philipp Melanchton an der Orgelempore. Darunter ein bemerkenswertes Kreuzigungsfragment, gestaltet von Hans-Georg Kremer, einem der Mitstreiter im vorn genannten Verein zur Bewahrung der kirchenkulturellen Schätze. „Die Kirchendecke ließen wir bereits vor der Orgelweihe neu malen. Damit das kostbare Instrument nicht bei Malerarbeiten zu Schaden kommen konnte. Nun sind die Wände und vor allem die Emporen an der Reihe. In unserem Dorf leben nur 80 Leute, da fällt es schwer, eine doch verhältnismäßig große Kirche zu unterhalten. Wir nehmen uns jedes Jahr ein Projekt vor. In einem Jahr die Bankheizung, im nächsten das Pflastern der Wege“, umreißt Jens Rödger bereits geschaffte Vorhaben. Jedenfalls soll die Kirche ein „Aushängeschild“ des Dorfes bleiben. Die Wetterfahne auf ihrer Turmspitze dreht sich mit dem Winde. Sie zeigt die Jahreszahl des letzten Knopffestes von 1991, nicht die ihrer Erbauung 1820. Ein geringfügiges Versehen in Anbetracht der vielen Bemühungen der Gemeinde, die sich um die Kirche drehen.

Kirchgemeinde Untergneus · Pfarramt Trockenborn Dorfstraße 12 · 07646 Trockenborn · Telefon 03 64 28/4 26 80 kg-troebnitz-trockenborn@t-online.de 35


Die Kirche in Vierzehnheiligen Die wuchtige gotische Wehrkirche dominiert schon von weither die Silhouette des Hundert-Seelen-Dorfes Vierzehnheiligen. Herzog Wilhelm III., einer der beiden sich im „Sächsischen Bruderkrieg“ erbittert bekämpfenden Erben aus dem Hause Wettin, ließ sie nach den Naumburger Friedensverhandlungen und ihrer Versöhnung in den Jahren 1453 bis 1467 errichten. Eine Inschrift am südöstlichen Strebepfeiler weist ihn als Bauherrn und Patron aus und nennt Ditterich Pain als Baumeister. Der Bau von Dorfkirchen und ihr Patronat lag üblicherweise in den Händen des niederen Adels. Dass ein Fürst eine bauen ließ, noch dazu eine so imposante, hatte eine besondere Bewandtnis in dem Gelübde der beiden Brüder, nach dem zerstörerischen Krieg Gott zu danken und die Fürbitte aller Heiligen zu erlangen. Auf die diesbezügliche Mahnung der Gemahlin Margarethe des Kurfürsten Friedrich von Sachsen hin entstand die Kirche als Zeichen der Sühne, auf der höchsten Erhebung der Hochebene nördlich von Jena. Dort, wo die marodierenden kurfürstlichen Truppen gegen Ende des Bruderkrieges den Weiler Lutzendorf total verwüsteten. Steine der abgebrochenen Burg in Isserstedt dienten als Baumaterial für eine Kirche, die gleichzeitig ein Bollwerk darstellte. Gegen wen auch immer. Reste einer einst zwei Meter hohen Mauer und 24 Schießscharten deuten heute noch darauf hin. Bischof Dietrich III. zu Naumburg weihte das Gotteshaus den Vierzehn Nothelfern: Achatius, Ägidius, Barbara, Blasius, Christophorus, Cyriakus, Dionysius, Erasmus, Eustachius, Georg, Katharina, Margarete, Pantaleon und Veit. Die Nothelfer spielten im leidvollen Alltag des Mittelalters eine bedeutende Rolle im Glauben der Menschen, die bei Kriegsgreuel, Naturkatastrophen und Krankheiten, in Angst, Trauer und Verzweiflung Hilfe suchten. Bei der Wahl des Standortes spielte eine Quelle, die so genannte „Eselstränke“, die wohl entscheidende Rolle, weil sie auf wundersame Weise die Wunden der bei der Verwüstung Lutzendorfs Verletzten heilte. Die Kunde von diesem Wunder verbreitete sich rasch und machte die Kirche zum Wallfahrtsort. Dazu trugen wahrscheinlich auch Reliquien bei, die Wilhelm III. von seiner Pilgerreise ins Heilige Land mitbrachte. Nach dessen Tod hielt Herzog Georg der Bärtige von Sachsen inmitten der Re-

formationsbewegung dem katholischen Glauben noch die Treue, bis auch er 1538 starb. Damit endeten die Wallfahrten „zu den vierzehn Nothelfern bei Ihene“. So nannte sich auch das Dorf, das um die Kirche herum wuchs und dem die Wallfahrtei zu Gute kam. Auf Dauer erwies sich die lange Ortsbezeichnung allerdings für den Volksmund als zu umständlich. Die Leute nannten das Dorf bald einfach Vierzehnheiligen, so wie es seit 1639 offiziell heißt. Mit der Reformation verschwanden die vierzehn Altäre mit den Wandbildern der Heiligen und der Hochaltar. Vom ursprünglichen Bau blieben das Kirchenschiff erhalten und der Turm, allerdings jetzt mit einem Zeltdach an Stelle der früher hohen achteckigen Turmspitze, die wie die meisten Höfe und Katen 1775 einem verheerenden Dorfbrand zum Opfer fiel. Auch der 1801 abgerissene Chor fehlt, der Chorbogen wurde zugemauert. Einige Bruchstücke des Fenstermaßwerks und Skulpturenreste finden sich noch als schmückende Elemente an einigen Häusern im Dorf. Der Verlauf der Weltgeschichte wollte es, dass die Sühnekirche sich 1806 erneut inmitten eines historischen Gemetzels befand, dem zwischen sächsisch-preußischen und napoleonischen Truppen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt. Gottlob kaum beschädigt, diente sie immerhin der Nothilfe als Lazarett. Ob die Wunderquelle wieder heilend wirkte, ist nicht überliefert. Zum hundertjährigen Gedenken an die Toten der Schlacht wurde vor der Kirche ein Mahnmal errichtet und zur gleichen Zeit der dreischiffige Kirchenraum in den heutigen Kirchensaal umgestaltet. Wiederum hundert Jahre später baulich in Stand gesetzt, erhielten u.a. die Bogenfensternischen ihre farbenfrohe Ausmalung mit Weinblatt- und Traubenornamenten zurück. Eine wertvolle geschnitzte Darstellung des Abendmahls wurde sorgfältig restauriert. Durch das 2006 ebenfalls wiederhergestellte Buntglasfenster in der Ostwand flutet das Morgenlicht in den sakralen Raum. Zu Andachten und Konzerten erfüllt ihn der Klang einer der seltenen Orgeln des Orgelbauers Johann Georg Fink Jenensis, geschaffen im Jahre 1707. „Früher kamen die Menschen von sich aus in die Kirche, um zu beten. Heute muss die Kirche mehr und mehr auf sie zu gehen, sie bitten, dass sie kommen.

Unser Kirchensaal eignet sich da wunderbar für vielerlei lockende Veranstaltungen. Benefizkonzerte, um etwas für das Gotteshaus zu bewirken, eine Jazzwallfahrt, ein Fensterfest, jüngst ein Friedensfest mit Chormusik und einer Ausstellung des Europäischen Forums. Für Kinder wie Erwachsene zur Andacht, zur Erbauung oder zum selber Mitmachen“, resümiert Anneliese Seime, Vorsitzende des „Lebensraum Gönnatal“ e.V., die sich gemeinsam mit ihrem Mann Harald, dem bekannten Pantomimen, um die Kirche bemüht. „Als einen Höhepunkt im Kirchenkalender führen wir seit 2001 immer am Sonnabend vor dem Vierten Advent ein Krippenspiel auf. Ein selbst erdachtes „Musical“ mit viel Bewegung. Dazu rufen wir Alt und Jung auf, Kindergärten, Schulen, Gruppen, die sich kulturell engagieren. Aus dem Dorf, aus der näheren und weiteren Umgebung. Meist müssen wir allerdings etwas nachhelfen und persönlich werben. Die Mühe lohnt sich, Besucher kommen inzwischen von weit her und füllen die Kirche bis zum letzten Stehplatz.“ Der Verein „Lebensraum Gönnatal“ entstand, als sich Widerstand gegen Windräder auf dem Schlachtfeld um Jena und Auerstedt regte. Gemeinsam mit den „1806ern“ und anderen Schützern des Flächendenkmals kämpft er gegen die Windmühlen. Bisher erfolgreich. Dazu trug die Idee bei, auf diesem blutgetränkten Schauplatz der europäischen Geschichte an ein friedlich vereintes Europa zu appellieren. Es entstand der „Europaweg“ zwischen Vierzehnheiligen und Krippendorf. Etwa einen Kilometer lang, säumen ihn zurzeit 95 Kirschbäume 52 verschiedener Sorten aus acht Ländern. Gestiftet und feierlich gepflanzt von mehr oder weniger prominenten Sympathisanten, Institutionen, Unternehmen und Vereinen. Viele der Stifter setzten neben ihren Baum eine Stele mit einem Zitat, das sich auf den europäischen Gedanken bezieht. Christine Lieberknecht verewigte einen hochaktuellen Ausspruch Thomas Manns: „Wir brauchen kein deutsches Europa, wir brauchen ein europäisches Deutschland.“ Man denke – und wandle einmal nachdenkend die „Kirschenallee“ entlang. Von der Vierzehnheiliger Kirche bis zur Krippendorfer Mühle.

Evangelisch-lutherische Kirchgemeinde Altengönna Vierzehnheiligen Nr. 1 · Telefon 03 64 25/5 06 10 harald@seime.com 36


Die Kirche in Zschorgula Versteckt zwischen den Hügeln des Ackerhügellandes liegt Zschorgula. Am Fuße des Kirchbergs, auf dem die Kirche nur wenig die Wipfel der Bäume überragt. Der Ortsname taucht bereits 1240 als Tschornoglowy in einer Urkunde auf und belegt die Ansiedlung von Wenden, die damals mit der „Schwarzen Aue“ und der fischreichen Wethau hier günstige Lebensbedingungen vorfanden. Um diese Zeit gab es vermutlich auch bereits eine kleine Wegekapelle an dem Ort, wo Ende des 14. Jahrhunderts dann eine Kirche entstand. Zschorgula gehörte damals als Filial zur Pfarrei in Schkölen, dessen geistliches Leben das dortige Kloster prägte. Besonders im 15. Jahrhundert als Wallfahrtsort. Um die Seelen der Zschorgulaer und der Bewohner weiterer Dörfer in der Gegend sorgte sich jeweils ein Schkölener Kaplan. Im Verlaufe der Reformation wurde das Kloster 1537 aufgehoben und der letzte Propst evangelischer Pfarrer. Zschorgula erhielt 1575 eine eigene Pfarrstelle. Nach wie vor von Schkölen aus geistlich besorgt. Die Dörfler bauten dem Pfarrer ein Haus vor der Schkölener Stadtmauer, um ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen zu können, denn die Stadttore blieben von sechs Uhr abends bis sechs Uhr morgens geschlossen. Es brannte 1714 nieder. Im folgenden Jahr wieder aufgebaut, verfiel es gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Diesmal sorgte die Kirchgemeinde Schkölen für eine neue Pfarrerswohnung. Den bedeutendsten Schatz der heutigen, 1670 umgebaute Kirche zu erreichen, erweist sich als beschwerlich: Abgetretene Holztreppen zwei Emporen hoch, durch eine niedrige, knarrende Tür und über steile Stiegen ins spinnwebenreiche Balkenwerk des Turmreiters. Hier hängt eine der ältesten Kirchenglocken Thüringens. Vielleicht tatsächlich die älteste. Gegossen „zu Ehren der Jungfrau Maria“ am 9. September 1391. Dieses Datum könnte auch einen Hinweis auf die Fertigstellung der Kirche geben. Die Glocke entging auf wundersame Weise der Umarbeitung zu Kriegsgerät und hängt nun neben ihrer großen „eisernen“ Schwester. Diese ersetzte 1921 eine weitere Bronzeglocke von anno 1812, die dem Kanonenguss für den I. Weltkrieg nicht entging. Ein Turmfalkenpaar fand in einer Fensternische des Glockenturms ein Domizil und zieht dort seit Jahren unter Glockengeläute seine Jungen auf.

Die Stahlgussglocke stiftete Clara Heinecke zum Gedenken an ihren gefallenen Sohn Willi. Zwar nicht mit ihm verwandt, erinnert der Name doch an Samuel Heinicke, der 1727 im benachbarten Nautschütz das Licht der Welt erblickte, in Zschorgula zur Schule ging, in der Zschorgulaer Kirche seine Konfirmation feierte und das Orgelspiel erlernte. Obwohl als Erstgeborener der Bauernfamilie zum Hoferben bestimmt, wollte er studieren. Anfangs fügte er sich dem väterlichen Willen, doch als dieser ihn auch noch an ein ungeliebtes Weib verkuppeln wollte, riet ihm ein Freund, mit seiner Auserwählten Marie nach Dresden zu gehen und sich als Soldat beim Kurfürsten zu verdingen. Es kam jedoch eine Prügelei mit dem für Marie vorgesehenen, ihrerseits ebenfalls ungeliebten Mann dazwischen, in deren Folge Samuel stehenden Fußes und ohne Marie das Dorf verließ. Er studierte später in Jena Philosophie und Mathematik, ging nach Hamburg, verdiente sein Brot als Hauslehrer, unterrichtete nebenher taubstumme Kinder, erfand die heute noch gebräuchliche Gebärdensprache und gründete im Auftrage des Kurfürsten 1778 in Leipzig die erste Taubstummenschule Deutschlands. Ein Denkmal für Samuel Heinicke steht in Nautschütz. Neben dem in heiterem Blau und Gold gestalteten, reich mit Ornamenten verzierten Kanzelaltar und der in ähnlicher Weise im ursprünglichen ländlichen Stil renovierten Fassade der leider unbespielbaren Orgel auf der Westempore, birgt das Kircheninnere noch andere bemerkenswerte Raritäten. Auf dem Altar einen handwerklich schlicht gearbeiteten siebenarmigen Leuchter aus vorreformatorischer Zeit. In der Ecke hinter dem Altar an der Südwand ein prachtvoll geschnitztes Totenschild des Nautschützer Rittergutsherrn von Beschwitz aus dem Jahre 1698. Neben dem Aufgang zur Kanzel in einem alten Schrein hinter Glas den Totenschmuck der am 5. November 1817 mit elf Jahren verstorbenen Tochter des damaligen Pächters auf dem Königlich Preußischen Kammergut Nautschütz, Carolina Henriette Krause, ein kunstvoll gestaltetes Krönchen und seidene Grabschleifen, fast zwei Jahrhunderte alt und gut erhalten. Zum Nachdenken regt der unscheinbarer Druck eines Stiches an, der Totenschädel mit Requisiten verschiedener Stände konfrontiert: „Wer

war der Thor, wer Weiser – wer Bettler oder Kaiser ?“. Der Künstler beantwortet die Frage selbst mit „Ob arm, ob reich – im Tode gleich“. Damals wie heute eine wenig tröstliche Aussicht auf lebenszeitliche Gerechtigkeit. Das Kirchengestühl stammt noch aus dem Jahre 1741. Wer in die Kirchenstille lauscht, hört die Holzwürmer ticken und sieht an den kleinen Holzmehlhäufchen das Ergebnis ihres unermüdlichen Wirkens. Auch die Orgel soll aus dieser Zeit stammen. Der Kanzelaltar entstand in einer Nautschützer Werkstatt. Ab 1987 begannen die Zschorgulaer ihre Kirche gründlich zu renovieren. Der Dachreiter, zu einem richtigen steinernen Turm reichte 1690 das Geld nicht, erhielt ein neues Schieferdach und einen neuen Knopf mit einem Posaune blasenden Engel. Eine Nautschützerin spendierte ein neues Dach für das Schiff. Die Restauration ging 1994 weiter, unter anderem mit der Wiederherstellung des alten Ziegelfußbodens und der schönen RenaissanceHolzdecke des Altarraumes. Mit einem Festgottesdienst feierte die Gemeinde am 23. Juli 1996 deren Abschluss. Bereits seit 1598 gab es in Zschorgula eine Schule. Gleich neben Kirche und Pfarrhaus. Jetzt bewohnt und belebt von den Eheleuten Kunigunde und Wolfgang Krömer-Reinke. Nicht nur als ehrenamtliches Küsterpaar, auch als Künstler, respektive Lebenskünstler. Kunigunde Krömer-Reinke stellt hier ihre märchenhaft verklärten Landschaftsbilder und Stillleben aus. Große Formate und Miniaturen. Bilder aus der Natur gesammelt, inmitten von wohlriechenden und heilenden Kräutern und daraus hergestellten naturellen Erzeugnissen, auch nach alter Tradition gemixten Kräuterschnäpsen. Jedes Jahr gibt es vom ersten Sonntag im September an bis zum ersten Sonntag im November eine thematische Verkaufsausstellung. Immer sonntags oder nach vorheriger Anmeldung. Dann gibt es noch den „alten Schulmeister“ Kurt Börner in Zschorgula, den letzten Lehrer der Dorfschule, der in einem alten Hühnerstall ein „Schulmuseum“ einrichtete, das kleinste Museum des Landkreises. Inzwischen erweitert um eine DDR-Heimatstube. Beides ebenfalls nach Vereinbarung zu besichtigen. Es lohnt sich jedenfalls, einmal nach Zschorgula zu wallfahren, hoch auf den Hügel und rund um die Kirche herum.

Evangelische Kirchgemeinde Zschorgula Zschorgula 31 · 07619 Zschorgula · Telefon 03 66 94/2 22 80 kirche.schkölen@web.de 37


Die Stadtkirche »St. Peter« in Eisenberg

Herausgeber Schulverwaltungs- und Kulturamt, Landratsamt Saale-Holzland-Kreis

Autor Wilhelm Schaffer

Fotos Wilhelm Schaffer, Titel: Altar, Marienkirche Schkölen, Foto Orgel: Schlosskirche „St. Trinitatis“ zu Eisenberg, Landratsamt Saale-Holzland-Kreis, Thüringer Tourismusverband Jena-Saale-Holzland e.V.

Gesamtherstellung Agentur & Verlag Satzstudio Sommer GmbH, Jena 2012

Wir bedanken uns bei der

Saale-Holzland-Kreis

für die freundliche Unterstützung.

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