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Abflug in die Disco – die schrille Welt des „Dorian Gray“
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Unter dem Airport feierten die Reichen und Schönen. In der Babyboomer-Serie geht es ums Discofieber. Wie kommt es, dass bis heute alle vom „Sound of Frankfurt“ infiziert sind?
Von Monika Nellessen Zentrale Reporterin VRM
Im Souterrain des Terminals 1 am Frankfurter Flughafen wurde die Nacht durchgetanzt. (Gerd Schüler)
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Frankfurt - Die lange Schlange war legendär. Hunderte Leute warteten oft stundenlang, nachdem sie von weither angereist waren. Die Föhnwelle in Form, den Lurex-Fummel tief dekolletiert, die Bundfaltenhosen eng gegürtet, dazu lässig-weite Sakkos. Wer am Türsteher vorbeikam, hatte es geschafft. Das „Dorian Gray“ war Anfang der 1980er Jahre Deutschlands angesagteste Disco. Im Keller des Frankfurter Flughafens trafen sich die Berühmten, Reichen und Schönen. Beziehungsweise alle, die sich dafür hielten. Schließlich hatte die Großraum-Disco, gelegen in der Tiefebene des Terminals 1, Halle C, pro Nacht einen Durchlauf von bis zu 2500 Gästen. Klicken Sie auf unser Bild und erfahren Sie, wer im „Dorian Gray" zu Gast war. „Es war eine tolle Zeit – living in a fast line“, lächelt Gerd Schüler (79), das „Gesicht“ des „Dorian Gray“: einer Disco, die es in dieser Art vorher nicht gab und die wegen ihrer Lage und ihrer illustren Gästeschar wohl bis heute einmalig geblieben ist. Bei welchem Gast war Gerd Schüler voller Ehrfurcht? Und was suchte die Oma in der Disco? Klicken Sie die beiden Punkte an, um zu hören, was Gerd Schüler über sein Publikum sagt. Ein Jahr vor der Eröffnung am 1. Dezember 1978 war mit dem Film „Saturday Night Fever“ die Disco-Welle aus den USA nach Europa geschwappt. Selfmade-Man Schüler flog nach New York, um das berühmte „Studio 54“ mit eigenen Augen zu sehen. „Ich habe Hajo Friedrichs gefragt, damals ARD-Korrespondent in den USA, ob er mit mir hingehen kann.“ Aber dann musste Friedrichs arbeiten. Für den Freund hatte er einen Tipp parat: „Geh in die 13. https://www.echo-online.de/panorama/aus-aller-welt/abflug-in-die-disco-die-schrille-welt-des-dorian-gray_22188897
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Straße, da sind lauter Ledergeschäfte, kauf dir eine weiße Lederjacke, zieh nix drunter und fahr mit nacktem Oberkörper vor, am besten in einer Limo. So habe ich es gemacht und bin reingekommen.“
Playbuzz Ltd (aka EX.CO)-Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen wichtigen externen Inhalt von Playbuzz Ltd (aka EX.CO), welcher den Artikel redaktionell ergänzt. Mit Ihrer Zustimmung wird Ihnen der Inhalt des Anbieters künftig angezeigt und Sie übermitteln im Gegenzug personenbezogene Daten an den jeweiligen Anbieter. Diese Cookies-Einstellung können Sie jederzeit anpassen. Mehr dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Akzeptieren powered by Wenige Wochen später schlug ein Mittelsmann der Frankfurt Airport AG bei ihm und Kompagnon Michael Presinger in Mannheim auf. Das Duo sollte dem Frankfurter Flughafen, damals verspottet als „Supermarkt mit Landebahn“, nächtliches Leben einhauchen. Das Vorhaben war ambitioniert. Schließlich war die künftige Disco nichts Anderes als ein ungenutztes Parkdeck, ein 1500 Quadratmeter großes Betonverlies. Doch der „Nachkriegstrümmer-Halbwaise“ (Schüler über sich) erkannte das Potenzial: Hier würde sein „Studio 54“ entstehen. Am besten noch spektakulärer, schöner, besser.
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personenbezogene Daten an den jeweiligen Anbieter. Diese Cookies-Einstellung können Sie jederzeit anpassen. Mehr dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Akzeptieren powered by Der Gastronom engagierte Richard Long, der die New Yorker Edel-Disco mit dem damals besten Soundsystem ausstaffiert hatte. „Richard Long ist mit unseren Leuten zu den Holzhandlungen im Taunus gefahren und hat das Holz handverlesen, aus dem die Bass-Boxen gezimmert wurden.“ Mehr als zwei Millionen Mark investierten Schüler und Presinger in ihr „Kellerkind“. Ihre Devise: „Geld zum Fenster rausschmeißen, damit es zur Türe wieder reinkommt.“ Einmal klicken und die Lasershow von einst anschauen:
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nach dessen narzisstischer Hauptfigur ihre Diskothek benannt war. Genau wie die Buchhülle war die Deko am Premierenabend in glitzerndes Silber getaucht. Gerd Schüler: „Ich wollte erst Schwarz und Gold. Aber dann hat mir Frank Elstner gesagt, damals RTL-Moderator: Sie eröffnen doch kein Café, sondern eine Disco!“
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Nina Ruge, Franz Beckenbauer oder Michael Groß, alle waren im „Dorian Gray“. Nastassja Kinski war im Dorian Gray umschwärmt von deutlich älteren Herren. Klicken und schauen, wen Sie erkennen!
Die Stars waren das Aushängeschild fürs Massengeschäft, ohne das es die Disco der Superlative niemals über 20 Jahre lang gegeben hätte. Da es am Frankfurter Flughafen nicht die übliche Sperrstunde von vier Uhr gab, zog die Disco alle Nachtschwärmer an. „Appetitlich“ sollte das Publikum aussehen, frisch geduscht und sexy angezogen, zugleich nicht zu jung, um zahlungskräftig zu sein, so die Türsteher-Politik. Auch wenn es nicht ausgesprochen wurde: Amerikanische GIs und Turnschuhträger waren nicht gerne gesehen. Und hinter den Kulissen hielt sich Boss Gerd Schüler die Hells Angels vom Leib, die ihn schon aus Mannheimer Zeiten verfolgten. „Das ist eine ganz eigene Geschichte“, sagt er. In der schlimmsten Zeit habe es sogar Schüsse auf ihn gegeben. Klicken Sie auf unser Bild und erfahren Sie, wer im „Dorian Gray" zu Gast war. Das Dorian Gray war kein rechtsfreier Raum, also waren auch hier Drogen verboten. „Aber wir waren keine Kinder von Traurigkeit“, räumt Schüler ein: „Wir haben nicht die Polizei gerufen, wenn wir drinnen einen mit Joint oder eine Linie Koks erwischt haben.“ Das änderte sich Anfang der 1990er, als die Babyboomer sich mehr für Beruf und Familie als für Disco interessierten und zu Hause blieben. Gerd Schüler: „Die nächste Generation der Kids
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hat eine neue Waffe gegen die Älteren entdeckt: die Zeit. Sie haben angefangen, nach Mitternacht zu feiern und sind erst am Sonntagmittag nach Hause gekommen.“
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personenbezogene Daten an den jeweiligen Anbieter. Diese Cookies-Einstellung können Sie jederzeit anpassen. Mehr dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Akzeptieren powered by Mitte der 1980er Jahre lösten computerunterstützte Klänge den souligen Disco-Sound ab. Beat-unterlegt, streckten sich DiscoHits in Maxi-Länge. Der erste DJ des Dorian Gray, Bijan Blum, war einer der Pioniere, die Musik auf Bändern zusammenmixte. Gerd Schüler: „Die bisherigen Größen der Branche, Jack White und Frank Farian, kamen regelmäßig, um mitzukriegen, auf was die Leute besonders abfahren.“ Das Neueste verkaufte Andreas Tomalla, alias Talla 2XLC, im Plattenladen „City“ am Frankfurter Hauptbahnhof. Musikproduzent Doug Laurent, selbst mittlerweile mit rund 25.000 elektronischen Titeln am Markt, berichtet: „Talla richtete ein Fach namens Techno ein, wo die ganzen elektronischen Platten für die DJs lagen.“ Techno-Freak Talla und sein Freund Alex Azary überredeten die Dorian Gray-Inhaber, die harten Tags in der einstigen Rollerskate-Disco ihres Tanztempels aufzulegen. Bald ertönten Techno-Waves auch im großen Club der FlughafenDisco. Sven Väth oder Kraftwerk waren umjubelte Stars. Im kleinen Club blieb es bei Soul, Funk, Dance Classics – der Musik der Babyboomer. Produzent Doug Laurent: „Mitte der 90er Jahre wurde die Ravemusik dann so wahnsinnig schnell, dass alle dazu nur noch zappelnd tanzen konnten.“ Und das wollten sie irgendwann nicht mehr im Dorian Gray, sondern auf der Love Parade oder bei House-Parties, am besten in Berliner Clubs, die nach der Wiedervereinigung entstanden. https://www.echo-online.de/panorama/aus-aller-welt/abflug-in-die-disco-die-schrille-welt-des-dorian-gray_22188897
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„Als ich jung war, wurde in jeder Disko auch langsam getanzt“, sagt Gerd Schüler wehmütig. „Wenn man ein Mädchen im Arm hatte und das fing an zu vibrieren, war das wunderschön. Heute vibriert höchstens der Raum – wegen all der Beats und Bässe." Hier erklärt Musikproduzent Doug Laurent, warum Babyboomer-Hits unsterblich sind, und welchen Anteil er selbst am Chartstürmer „Mr. Vain“ hat. Einfach auf die Punkte klicken und die beiden Videos sehen: Im Grunde sei alles, was nach 2000 produziert wurde, eigentlich nur eine Wiederholung und Modifikation dessen, was in den 1970er, 1980er und 1990ern auf den Markt kam, sagt Musikproduzent Doug Laurent. In jüngster Zeit seien die CoverVersionen sogar „bewusst retromäßig“. Die ganze Geschichte des „Dorian Gray“ wollen Gerd Schüler und Doug Laurent in einem gemeinsamen Buch erzählen, das in wenigen Monaten veröffentlicht wird. Den in seinen Augen peinlichsten Skandal verrät der 79-Jährige schon vorab: „Meine Frau war mit dem bestaussehenden Mann abgehauen, der jemals im Dorian Gray rumlief. Er war ein Discjockey von uns, ein Brasilianer aus gutem Hause, seine Mutter besaß ein irre teures Hausboot in Paris in der Seine. Aber ich konnte sie zurückgewinnen.“ Zumindest seither ist der Disco-König ein treusorgender Ehemann, wie er sagt. Mit Gattin Tamara wird er im nächsten Jahr seinen 80. Geburtstag feiern. Die Babyboomer telefonierten noch über Festnetz, nahmen Musikkassetten auf und aßen Raider statt Twix. Lust auf eine Zeitreise? Dann machen Sie hier das Quiz zu unserer Serie.
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