27.10.2020
Angst um die Zukunft der Gästehäuser im Odenwald
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Lokales
Odenwaldkreis Sonntag, 25.10.2020 - 09:49 Corona stürzt Gästehäuser in die Krise. Das Hotel Lortz in Eberbach bei Reichelsheim steht beispielhaft für die ganze Branche. Von Sabine Richter
Die neuen Inhaber Simone Stock und Martin Müller haben investiert und viele Zimmer auf modernen Stand gebracht. Mit Corona aber konnten sie nicht rechnen. (Foto: Joaquim Ferreira)
REICHELSHEIM - Wie gerne würden wohl die meisten von uns jetzt an der Stelle des Urlauber-Paares Maggie und Lars Mühl auf der Sonnenterrasse des Hotel Lortz sitzen. Inmitten von Wiesen des Reichelsheimer Weilers Eberbach lassen sie beim Frühstück den Blick über die weite Hügellandschaft schweifen. Doch so https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/odenwaldkreis/angst-um-die-zukunft-der-gastehauser-im-odenwald_22482681
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schön dieser Ort wirkt, so gefährdet ist er. Denn wegen der Corona-Krise und der Beschränkungen steht das Hotel Lortz vor dem Aus. Ein Schicksal, das nun einige Gästehäuser trifft.
Erschreckende Zukunft Die nahe Zukunft beschreibt Hotelier Martin Müller mit dem Wort „erschreckend“. Zwei Monate Lockdown liegen hinter ihm, da war das Haus zu. Und jetzt kommt die kalte Jahreszeit, aber „die Gäste möchten nicht mehr drinnen sitzen. Sie sind so verunsichert worden, dass sie niemandem mehr glauben“. Müller denkt schon über Heizpilze und Zelte nach, rechnet aber doch nicht damit, dass diese ihn retten könnten. Derzeit sei das Haus an den Wochenenden noch zu 90 Prozent ausgebucht, unter der Woche kommen ein paar vereinzelte Gäste, aber zum Winter hin nehme das ab, sagt der 54-Jährige. „Über die Zeit von November bis Februar mag ich gar nicht nachdenken“, denn die Weihnachtsfeiern fallen ja auch flach. Wenn es bis dahin noch immer keine staatliche Förderung für Neugründer wie ihn und seine 44-jährige Partnerin Simone Stock gibt, muss der Österreicher „zusperren“, wie er sagt. „Wir haben noch keinen Cent bekommen und sind nicht das kleinste Haus. Kleinere Betriebe erklären, dass sie noch nicht einmal mehr bis Silvester durchhalten können.“ Denn die laufenden Kosten bleiben ja die Gleichen. Müller zahlt die volle Pacht und beschäftigt zwei Teilzeit- und drei 450-Euro-Kräfte, sah sich aber bereits gezwungen, das Personal zu verringern.
Für kleinere Gästehäuser kann schon bis Silvester Schluss sein Freilich hat Corona auch unerwartete Veränderungen mit sich gebracht. „Früher hatten wir kürzere Buchungen, jetzt längere“, sagt Müller. Mehr Menschen machen Urlaub im eigenen Land, weshalb auch mehr junge Familien bei ihm residieren, die früher ausschließlich in ferne Länder gereist sind und nicht daran gedacht hätten, den Odenwald anzusteuern. Aber die kommen eben nur im Sommer, während das Haus das ganze Jahr über besucht sein will. Müller und Simone Stock haben das Hotel Lortz erst Anfang dieses Jahres übernommen; zuvor bewirtschafteten sie seit 2019 die Gaststätte der Reichenberghalle, die sie nun zusätzlich führen. Das Hotel verfügt über 24 Zimmer und vier Ferienwohnungen, ein großer Teil davon ist gerade erst im Stil
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moderner Land-Hotellerie renoviert worden. Nutzen können die Gäste einen Wellness-Bereich mit Hallenbad, Sauna, Lichtsauna und Ruheraum. In der Küche steht der Chef selbst, der eine neunjährige Erfahrung als Sterne-Koch mitbringt und in seinem Hotel ausschließlich Fleisch von den umliegenden Bauernhöfen auftischt. Simone Stock hat Betriebswirtschaftslehre studiert, weshalb ihr Partner scherzt: „Sie kann rechnen, ich arbeiten.“ Wenn Corona nicht gekommen wäre, stünden die Pächter für die sichere Zukunft dieses Hauses – unter den aktuellen Bedingungen aber sehen sie schwarz. Beim Deutschen Hotel- und Gaststätten-Verband ist das Problem natürlich bekannt. „Sie haben sicher von dem 300 Jahre alten Traditionsbetrieb in Rodgau gehört, der schließen musste“, erklärt Christine Friedrich, DehogaGeschäftsführerin in Südhessen, deren Bereich die Kreise Odenwald, Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau sowie die Stadt Darmstadt abdeckt. „Das ist wirklich eine Tragik“, weiß sie um die Existenzen, die derzeit auf dem Spiel stehen. Sie sieht, dass mit der Corona-Pandemie eine Zäsur für den Hotel- und Gaststättenbereich gekommen ist, „und wir sind lange nicht am Ende. Es werden noch Betriebsaufgaben kommen.“ Besonders schwierig sei es für ExistenzNeugründer wie Martin Müller und Simone Stock, da sie keine staatliche Unterstützung erhalten. Als einen der allgemeinen Gründe für solche Härtefälle nennt Christine Friedrich fehlende Vergleichszahlen zu den Vorjahren, auch wenn jeder einzelne Unternehmer in einer individuell unterschiedlichen Lage sei. Dem Hotelier Müller hilft dies wenig. Er sieht sich von der Dehoga, an die er nicht geringe Mitgliedsbeiträge zahle, nicht unterstützt, wie er sagt.
Rückläufige Zahlen 11.162 Hotels zählte der Dehoga-Bundesverband im Jahr 2018 bundesweit, an Beherbergungsbetrieben insgesamt im gleichen Jahr 43.777. Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig und lagen beispielsweise 2013 noch bei 11.311 Hotels und 45.038 Beherbergungsbetrieben insgesamt (Quelle: Statistisches Bundesamt, aktuelle Umsatzsteuerstatistik 2018, veröffentlicht im März 2020). Ab 2021 dürften die Werte einbrechen, denn bald kommt der Winter, „und schon jetzt sind die Aerosole überall Dauerthema“, sagt Christine Friedrich. Ob Martin Müller und Simone Stock das Hotel Lortz in einem Jahr noch führen werden, hängt ebenfalls von Corona ab. Und von der Frage, ob die Politik Betriebe wie den ihren künftig unterstützt oder nicht.
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