Die Odenwaldhalle in Michelstadt dämmert im Dornröschenschlaf | Presse-Echo.de

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Die Michelstädter Odenwaldhalle dämmert im Dornröschenschlaf

Die Michelstädter Odenwaldhalle dämmert im Dornröschenschlaf echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/die-michelstadter-odenwaldhalle-dammert-imdornroschenschlaf_23130948 11. Februar 2021

Donnerstag, 11.02.2021 - 13:04 Eine Michelstädter „Initiative Odenwaldhalle“ sammelt Ideen für Umbau und Nutzung eines der markantesten Gebäudes seiner Zeit im Odenwaldkreis.

Die Odenwaldhalle in Michelstadt wird kaum noch genutzt, da sie heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt und marode ist. Über ihr Schicksal wird die Stadtverordnetenversammlung entscheiden. Wann, ist unklar. (Foto: Dirk Zengel)

MICHELSTADT - Die einen würden sie am liebsten abreißen, andere aber erkennen ihren Wert als ein Gebäude mit historisch interessanter Nachkriegsarchitektur: Die Odenwaldhalle in Michelstadt mit ihrem Park ist zurzeit aber vor allem ein vergessener Ort, der deshalb auch ein Publikum anzieht, das nachts für Randale und Angst bei den Anwohnern sorgt. Dies wollen Nachbarn und Architekturinteressierte nicht hinnehmen und haben sich zusammengeschlossen mit dem Ziel, den FünfzigerJahre-Bau und sein Umfeld im besten Sinne für Michelstadt wiederzubeleben. Zu dieser „Initiative Odenwaldhalle“ zählen neben der freien Architektin und Denkmalbeiratsaktiven Gesine Stöcker die Anwohner Professor Axel Schäfer, Architekt Heinz Vetter sowie 15 bis 20 weitere Personen. Manche von ihnen sind in https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/die-michelstadter-odenwaldhalle-dammert-im-dornroschenschlaf_23130948

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der Kommunalpolitik aktiv und haben sich erstmals im Herbst 2020 als Gruppe getroffen. „An der Odenwaldhalle wurde seit Jahren nichts gemacht, sie ist vernachlässigt. Der Putz fällt von der Decke, es regnet rein, und sie wird kaum noch genutzt“, schildert Axel Schäfer den baulichen Zustand. Ihr Dornröschenschlaf war absehbar, als die Zeiten von Großveranstaltungen wie dem „Blauen Bock“ vorbei waren. Fotos

Der Saal ist 45 Meter lang, dabei können die Zuschauer schon auf 25 Meter kaum noch richtig sehen oder zuhören, sagt Heinz Vetter von der Initiative Odenwaldhalle in Michelstadt. Foto: Dirk Zengel Auch als Spielort der Landesbühne Rhein-Main und des Darmstädter Landestheaters wurde sie irgendwann unattraktiv, weil zu groß: Der Saal ist 45 Meter lang, dabei können die Zuschauer schon auf 25 Meter kaum noch richtig sehen oder zuhören, sagt Heinz Vetter. Ebenfalls aus der Mode gekommen sind der Wärmeraum für Senioren, die Kegelbahn und der Schießstand im Untergeschoss, zählt Gesine Stöcker auf. Die Minigolf- und die Kneippanlage im Park gibt es schon gar nicht mehr.

Architekturbüro hält Abriss für unnötig

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Dennoch kam die Machbarkeitsstudie eines Darmstädter Architekturbüros 2020 zu dem Ergebnis, dass ein Abriss mit Neubau nicht notwendig sei. Wie berichtet, gilt die Bausubstanz demnach als grundsätzlich erhaltungsfähig. Das beauftragte Architekturbüro erstellte Kostenschätzungen von acht Millionen Euro für die grundhafte Sanierung und zwölf Millionen Euro für einen Neubau. Der zweite Teil dieser Machbarkeitsstudie müsste jetzt folgen, steht aber Corona-bedingt noch aus: Es ist das Bürgerbeteiligungsverfahren, in dem Nutzer wie Schulen, Vereine und Anwohner erklären, welche Anforderungen sie an dieses Haus hätten, falls es saniert wäre, erklärt Bürgermeister Stephan Kelbert. Erst danach – der genaue Zeitpunkt steht nicht fest – ist die Stadtverordnetenversammlung an der Reihe, um das Schicksal des Gebäudes zu besiegeln. Dr. Sabine Richter Kommentar zur Odenwaldhalle: Erhalten Entscheidend für eine Zukunft der Odenwaldhalle ist nach Einschätzung von Architekt Vetter, dass sie in kleinere Einheiten unterteilt wird, die für verschiedene Nutzungen geeignet sind. Er würde vier Bereiche abtrennen: Erstens die Bühne, von der er sich vorstellen kann, dass sie als eigener Raum funktionieren würde. Zweitens die Empore: Sie wäre denkbar als kleiner Konzertsaal für bis zu 200 Personen – „so etwas fehlt hier im Odenwald komplett“, ergänzt Gesine Stöcker. Drittens schlägt Vetter vor, den großen Saal aufzuteilen in einen etwas kleineren Raum, der aber die ursprüngliche Deckenhöhe beibehält und Zugang zum Park hat, und den Bereich unter der Empore. In jedem Fall erneuert werden müssen die derzeit veraltete Bühnentechnik sowie die Sicherheits- und Brandschutzeinrichtungen, sagt Gesine Stöcker.

Vielseitige Nutzung der Halle denkbar Zur künftigen Nutzung der dann kleinteiligeren Odenwaldhalle haben die kreativen Köpfe viele Ideen. Vetter etwa hält sie für einen denkbaren Standort der Musikschule Odenwald. „Wir haben heute grundsätzlich eine andere Art von Veranstaltungen als in den Sechzigerjahren“, argumentiert Gesine Stöcker und denkt etwa an FlashmobEvents, wozu ein neuer Bühnenraum ohne Fenster durchaus geeignet wäre. „In jedem Fall müssen wir etwas schaffen, das Ausstrahlung hat auf das gesamte Quartier“, betont Schäfer, der sich auch ein Tagungs- oder Mehrgenerationenzentrum vorstellen kann. In jedem Fall hält er die Odenwaldhalle

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für eines der größten Infrastrukturprojekte in Michelstadt. Und sieht die Stadt in der Pflicht, „künftig wieder ein professionelles Management von der Kulturseite her einzurichten“. Früher habe es das gegeben, mit Erfolg. In die Zukunftsplanung miteinbezogen ist freilich auch der Park, in dem die Halle steht. Er ist Heimat exotischer Pflanzen, darunter mehrerer Mammutbäume, und deshalb „schützenswert – zumindest in Teilen“, befindet Vetter. Dennoch sei auch die Grünfläche „als Umfeld weiter zu behandeln“, womit der Architekt an bauliche Veränderungen denkt. Derzeit sei der Garten in den Abendstunden ein Angstraum, was nicht zu akzeptieren sei, tagsüber hingegen werde er auch von Müttern mit Kindern besucht.

Odenwaldhalle ist im Kreis einzigartig Der besondere Wert dieses Ensembles resultiert aus seiner Einzigartigkeit im Kreis: „Die Odenwaldhalle ist das einzige Objekt aus dieser Bauzeit hier, das noch so gut und in seinem Originalzustand erhalten ist“, sagt Gesine Stöcker. Sie besitze „Erinnerungscharakter“, und die Architektin lobt sie als „klares ArchitekturDokument aus den fünfziger Jahren, dessen Elemente zeitgemäß sind“. Somit sei die Halle ein typischer Vertreter der ländlichen Nachkriegsarchitektur zwischen 1950 und 1960. Deshalb setzt sich der Odenwälder Denkmal-Beirat auch schon seit Langem dafür ein, dass das Ensemble unter Denkmalschutz gestellt wird. Axel Schäfer geht noch weiter in seiner kulturhistorischen Betrachtung und erinnert an die große Idee in den Fünfzigerjahren, Bauwerke zu erschaffen, die dem demokratischen Geist eine Gestalt geben sollten. Damals sollten zivilgesellschaftliche Aktivitäten belebt und Begegnungsstrukturen geschaffen werden. Dies spiegelt sich in der Odenwaldhalle wider und könnte für die heutige Zeit beispielhaft sein. Denn gegenwärtig sei ein gesellschaftlicher Rückzug aus dem öffentlichen Bereich zu beobachten, der nicht erst mit Corona eingesetzt habe. Dies führt vor allem dann zu Problemen, wenn bestimmte Orte in einer Stadt ein Stück weit aufgegeben werden. An der Halle und ihrem Umfeld müsse daher dringend etwas getan werden, fordert die Initiative, das käme dem gesamten Quartier zugute. Dieser Artikel wurde ursprünglich am 11.02.2021 um 03:00 Uhr publiziert.

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