ODENWALDKREIS
10. März 2015 | Von Gerhard Grünewald |
„Der Machergeist muss zurückkehren“ ECHoINterview – Die LandratsKandidaten stehen Rede und Antwort: der Sozialdemokrat Frank Matiaske
Frank Matiaske strebt als Kandidat der SPD und mit Unterstützung der Grünen sowie der FDP die Stelle des Landrats an. Foto: Guido Schiek
Bei der für 15. März angesetzten Direktwahl will der Sozialdemokrat Frank Matiaske an Stelle seines Mitbewerbers Dietrich Kübler (ÜWG) Landrat werden. Seine politischen und persönlichen Vorstellungen für die Führung dieses Amts waren Gegenstand eines ECHOGesprächs. ODENWALDKREIS. ECHO: Dem Kreis sind finanziell die Hände gebunden. Gibt es da für einen Landrat überhaupt die Chance, etwas zu bewegen? Frank Matiaske: Es mangelt gerade im Odenwaldkreis nicht an Beispielen für Verbesserungen, die unabhängig von den Zwängen des regulären Haushalts erreicht wurden. Ein Beispiel dafür ist das flächendeckende Breitbandnetz. Solche Errungenschaften gehen in der Regel auf die Arbeit des früheren Landrats Horst Schnur zurück. Den Erfindungsreichtum und den Machergeist jener Jahre will ich zurück in die Kreisführung bringen, dann wird vieles möglich sein. ECHO: Gilt das auch mit Blick auf die Verwaltung, wo ja von außen die Forderung nach weiteren Straffungen auf sie zukommen könnte? Matiaske: Ein Urteil über die Effizienz der Kreisverwaltung möchte ich mir erst erlauben, wenn ich über genauen Einblick in die Arbeit im Landratsamt verfüge. Sollte ich Veränderungen als notwendig und möglich erachten, werde ich diese angehen, dies allerdings stets im frühzeitigen Dialog mit den Mitarbeitern. Andererseits muss auch gelten, dass der Odenwaldkreis eine Verwaltungskraft nicht zu Tode sparen darf. Da können auch einmal getroffene Schutzschirm Bestimmungen nicht in Stein gemeißelt sein. ECHO: Ist es umgekehrt unumstößlich, dass sich der Odenwaldkreis neben dem Landrat einen hauptamtlichen Stellvertreter leistet? Matiaske: Ich möchte und kann als Landrat auf einen hauptberuflichen Ersten Beigeordneten nicht verzichten – und zwar unabhängig von der Person, die dieses Amt ausfüllt. Die Notwendigkeit einer professionellen Stellvertretung ergibt sich daraus, dass sich die Aufgaben des Landrats ja nicht in der Führung von Kreisverwaltung und politik erschöpfen. Vielmehr ist auch eine Vielzahl von Zusatztätigkeiten zu erbringen, von denen ich die Aufsichtsratsfunktionen für die Tochtergesellschaften als wichtigste erachte. Wie bedeutend das ist, mögen Stichworte wie RMV und Kreiskrankenhaus verdeutlichen. Und damit auch solche Arbeiten mit der notwendigen Konzentration erbracht werden können, bedarf es eines hauptamtlichen Kreisbeigeordneten. Oreg weiter von zentraler Bedeutung ECHO: Welche Rolle spielen bei Ihren Überlegungen für eine kraftvolle Arbeit des Kreises dessen
Tochtergesellschaften? Matiaske: Zentrale Bedeutung kommt hier der OdenwaldRegionalgesellschaft zu. Und dazu vertrete ich eine klare Gegenposition zu den Bestrebungen Dietrich Küblers, die Arbeit der Oreg wieder ins Landratsamt zu integrieren. Wir brauchen ein selbstständig handelndes Unternehmen, um die Wirtschaftsförderung weiter wirtschaftsnah betreiben zu können. Wenn die Regionalgesellschaft manchmal nach außen schlecht aussieht, dann doch nur, weil gerade die problematischen Angelegenheiten immer an sie abgetreten werden. In Zukunft sollte sich die Oreg wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. ECHO: Fällt nicht die gesamte Außenwahrnehmung des Odenwaldkreises deutlich zu schlecht aus? Matiaske: Ja, aber das liegt nicht an unserer Verwaltung oder unseren Betrieben, sondern an unverkennbaren Mängeln in der Führung. Ohne dass ich mich zu sehr an Horst Schnur anhängen wollte: Der Odenwaldkreis stand unter seiner Führung für viel Positves und war im Bestreben um Anerkennung für sein tatsächliches Potenzial weit vorangekommen, bevor die Amtsführung des Nachfolgers im Amt hier zu Rückschritten geführt hat. ECHO: Was sind Ihre Schlussfolgerungen daraus? Matiaske: Wir müssen das Richtige tun und dieses auch glaubwürdig vermitteln. Das bedeutet für mich erst einmal, persönliche Kompetenz und Überzeugungskraft einzubringen, alle Akteure einzubinden – und dann wirksame flankierende Maßnahmen hinzuzufügen. Unter denen steht ein unbelastetes Marketing ganz oben, wobei ich unter diesem Begriff mehr verstehe als nur die werbemäßige Außendarstellung des Kreises. ECHO: Wie bewerten sie hier die Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung und Ehrenamtlichen? Matiaske: Angesichts des demografischen und finanziellen Drucks auf unsere Gemeinwesen gewinnt das im Odenwaldkreis gut ausgeprägte Bürgerengagement sogar an Bedeutung. Also verdient es eine noch stärkere Förderung als bisher – ob es sich nun im klassischen Vereinswesen entfaltet oder in neuen Formen gegenseitiger Hilfe. ECHO: Allerdings klagen gerade die klassischen Vereine über die deutlich angestiegenen Hallen und Saalmieten, die ja durch eine Neuregelung vonseiten des Kreises entstanden sind... Matiaske: Wenn gespart werden muss, dann gewinnt dabei auch der Gedanke der Gerechtigkeit an Bedeutung. Und hier war eine Ungleichbehandlung zwischen Kommunen mit kreiseigenen Hallen und solchen ohne vergleichbare Sportstätten auszugleichen. Idee dabei war, dass die Kommunen an dieser Stelle finanziell ein Stück weit einspringen und für gleiche Bedingungen bei stadt und kreiseigene Hallen sorgen. Wenn sich nun in der Praxis zeigt, dass Vereine so stark belastet werden, dass sie nicht mehr handlungsfähig sind, dann muss das Thema noch einmal neu aufgegriffen werden. ECHO: Könnte der Kreis nicht alternativ zur direkten Vereinsförderung über Subventionierung der Hallenmieten zurückkehren und statt dessen die eher indirekt wirksame Ehrenamtsstelle beim Landratsamt einsparen? Matiaske: Man sollte hier nicht zwei Dinge gegeneinander aufrechnen, die nur bedingt miteinander zu tun haben. Über Möglichkeiten zur Minderung der Abgabenlast für die Vereine lässt sich reden, nicht aber über die Streichung der Ehrenamtsstelle. Denn gerade jetzt wird sie gebraucht – beispielsweise, um die vielen interessante Ansätze zur gegenseitigen Unterstützung, die an verschiedenen Stellen im Kreis entstanden sind, in der gesamten Bevölkerung bekannt zu machen, sie zu vernetzen und zur Nachahmung zu motivieren. ECHO: Bei der professionellen Infrastruktur kommt den Schulen eine besondere Bedeutung zu. Wird sich bei weiter zurückgehenden Einwohnerzahlen die Versorgung in der Fläche, wie wir sie vor allem bei Grundschulen kennen, bewahren lassen? Matiaske: Zumindest werde ich alles daran setzen, einen wohnortnahen GrundschulUnterricht im Kreis zu erhalten. Da vom angesprochenen demografischen Effekt auch die Kindergärten betroffen sind, andererseits aber auch immer mehr Flexibilität verlangt wird, sieht mein Konzept die gemeinsame Betrachtung dieser beiden Institutionen vor. Mit der räumlichen Zusammenführung und inhaltlichen Zusammenarbeit können Standorte frühkindlicher und kindlicher Betreuung und Schulung gestärkt werden. ECHO: Und wie sieht es mit der Zukunftsfestigkeit von Vielfalt und Vielzahl bei den weiterführenden Schulen aus? Matiaske: Da bin ich gerade wegen der differenzierten Angebote optimistisch. Was sich allerdings abzeichnet, ist eine geringere Auslastung, was aber ja kein Nachteil sein muss. Vielmehr lässt sich daraus ja auch der Ansatz für eine umfassendere Ganztagsbetreuung an den Schulen machen, wo sich wiederum die Arbeit von Lehrern und das freiwillige
Engagement aus der Gesellschaft und aus den Vereinen verzahnen lassen. ECHO: Wie sehen Sie es im Kreis um eine Berufsbildung bestellt, wenn die Lehrlinge vieler Handwerkszweige zur Berufsschule bis nach Darmstadt und noch weiter pendeln müssen? Matiaske: Wir werden im Beruflichen Schulzentrum sicher nicht mehr für jeden Beruf, der dort einmal unterrichtet worden ist, ein Angebot zurückholen können. Allerdings dürfen und können die Bildungsströme auch nicht weiter in eine Einbahnrichtung fließen: Ich werde Überzeugungsarbeiten dafür leisten, dass für auf dem Land besonders stark vertretene Branchen dann eben auch einmal Michelstadt der zentrale Bildungsstandort für ganz Südhessen ist. Im Übrigen haben sich unsere Beruflichen Schulen insgesamt erfreulich fortentwickelt, vor allem was Ausbildungsgänge in modernen und gefragten Tätigkeiten betrifft. ECHO: Sind sie mit dem zufrieden, was der vor ein paar Jahren mit so hohen Erwartungen gestartete Hessencampus zur Ausbildungs und Bildungssituation im Odenwaldkreis beiträgt? Matiaske: Die Schwierigkeiten teilt der Odenwaldkreis doch mit allen HessencampusStandorten landesweit. Ich sehe bei diesem Thema weiter Entwicklungspotenzial beim Übergang von Schule zu Beruf. Neues Gewerbe fortentwickeln ECHO: Den stärksten Aderlass erlebt der Odenwaldkreis ja gerade bei den jungen Menschen, die ins Studium und Berufsleben eintreten. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Qualität des Arbeitsmarktes im Kreisgebiet ein? Matiaske: Die Abwanderung klassischer Produktionsbetriebe vor Jahren lässt sich zwar nur schwer ausgleichen, doch verfügen wir ja weiter über eine Reihe guter und großer Firmen. Denen die Rahmenbedingungen zu geben, dass sie bleiben, gilt daher als oberstes Gebot. Zudem hat sich gerade in jüngerer Vergangenheit im Kreis in den neuen Wirtschaftszweigen so manches junge Unternehmen etabliert. Nun kommt es darauf an, hier die Fortentwicklung zu einer Stärke zu fördern, die sich auch positiv auf das Lohnniveau auswirkt. In die gleiche Richtung wirkt eine Qualifizierungsoffensive, die ich für die Arbeitnehmer anstrebe. ECHO: Welche wirtschaftliche Bedeutung messen Sie eingedenk der überschaubaren Zahl von darauf ausgerichteten Betrieben dem Tourismus bei? Matiaske: Man sollte den Kreis der Gaststätten und Beherbergungsbetriebe, vor allem aber ihrer Mitarbeiter nicht unterschätzen. Fast noch wichtiger macht diese Branche freilich die Folgewirkung. Denn jeder Gast, der in unsere Region kommt, kauft ja auch ein oder nimmt Dienstleistungen in Anspruch. Und es dient ja auch jede Gaststätte der einheimischen Bevölkerung. Kurzum: Der Tourismus ist wichtig – so wichtig, dass er mir auch eine gewisse Subventionierung durch den Kreis wert ist. Und er ist zu wichtig, als dass er weiter durch Streitigkeiten gelähmt werden dürfte. TourismusGeschäftsführerin Kornelia Horn hat beim Aufbau einer Erfolg versprechenden Struktur gute Arbeit geleistet. Deren Fortsetzung sollte sie ihre volle Kraft widmen können.