MICHELSTADT
09. März 2015 | Von Reinhard Köthe und Jörg Schwinn |
Die Kandidaten zum Michelstädter Bürgermeisteramt: überzeugt vom Potenzial der Stadt Vor den Direktwahlen – Die Bürgermeisterkandidaten Stephan Kelbert und Carsten Stein im gemeinsamen Interview
Die Michelstädter Bürgermeisterkandidaten Stepahn Kelbert (links) und Carsten Stein. Fotos: Privat
Bei der BürgermeisterDirektwahl am 15. März in Michelstadt treten Amtsinhaber Stephan Kelbert und Herausforderer Carsten Stein (beide parteilos) an. Das ECHO hat die Bewerber in einem Doppelinterview zu ihren politischen Vorhaben befragt. MICHELSTADT. ECHO: Herr Kelbert, Herr Stein, wie sehen Sie Michelstadt, die größte Stadt des Odenwaldkreises, aktuell aufgestellt? Carsten Stein: Es fehlt ein ganzheitliches Marketing. Ich glaube, dass wir zu wenig aus den Möglichkeiten der Stadt machen. Die Identifikation und der Stolz ihrer Einwohner haben deutlich nachgelassen. Wir müssen das, was wir haben besser und anders vermarkten. Es ist aber eine Gemeinschaftsaufgabe, diese durchaus vorhandenen Potenziale sichtbar zu machen. Übrigens sind Erbach und Michelstadt dabei in meinen Augen keine Konkurrenten. Denn beide Städte ergänzen sich wunderbar in dem, was sie zu bieten haben. Stephan Kelbert: Gut aufgestellt. Meiner Einschätzung nach hat Michelstadt die größte Lebensqualität in der Region. Die Stadt ist vielfältig und städtischer als alle anderen, unsere Bestandsfirmen investieren in ihre Standorte, wir haben wieder Zuzug, der Tagestourismus läuft deutlich besser. Ihr Herz schlägt in der Altstadt, die sich gastronomisch gut entwickelt hat. Jetzt gilt es angesichts gegenläufiger gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, im Raum Michelstadt/Erbach den Wert des kleinflächigen Einzelhandels in der Innenstadt zu stärken. ECHO: In Michelstadt könnte es infolge des Kommunalen Finanzausgleichs wieder Spielraum für Investitionen geben: Was sollte Priorität genießen? Kelbert: Erst mal abwarten, ob der Geldsegen wirklich kommt. Der jetzige ausgeglichene Haushalt ist jedenfalls ein großer Erfolg unserer Arbeit. Wichtig ist, dass wir eine Vorstellung entwickeln, wie wir die Stadt mittelfristig entwickeln wollen. Dazu entsteht zurzeit mit Beteiligung der Bürger ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept. Ein Beispiel: Das Stadtbild vom Bahnhof her, das Bienenmarktgelände und der Bereich Hammerweg/Kellereibergstraße sind verbesserungswürdig. Hier müssen wir investieren. Auch der Ausbau der Kellerei, Michelstadts Keimzelle, zu einem Kulturzentrum mit Museum zur Stadtgeschichte ist ein wichtiges Projekt. Wichtig für uns Michelstädter und unsere Gäste. Stein: Es ist durchaus Spielraum da, und es muss im Haushalt immer einen Anteil für Investitionen geben. Priorität hat, was die Stadt in ihrer Darstellung und Außenwirkung deutlich nach vorn bringt. Das muss schon zu spüren sein, wenn man in die Stadt hineinfährt, dass es hier so etwas wie eine Willkommenskultur gibt. Investitionen müssen aber auch das Ziel haben, dass daraus Wertschöpfung entsteht, dass Einnahmen generiert werden. Es muss also wieder etwas zurückkommen. Das ist aber nicht der Fall, wenn man Geld in die Hand nimmt und ein statisches Museum einrichtet.
ECHO: Immer wieder einmal ist eine mögliche Fußgängerzone in der Braunstraße Thema. Wie ist ihre Einschätzung dazu? Stein: Dann hätten wir über die Woche eine tote Altstadt, und das wäre albern. Das andere Extrem braucht allerdings auch niemand: Wenn am Wochenende und zumal bei schönem Wetter die Touristen da sind, dann stören die Autos. Schließlich gibt es rundum genügend Parkplätze. Eine flexible Lösung ist sinnvoll. Es gilt aber, dass aufgestellte Regeln hinsichtlich der Sperrung zu bestimmten Zeiten auch einzuhalten sind. Und da ist einfach mehr Kontrolle notwendig. Kelbert: Da werden die immer gleichen Gefechte geschlagen. Eine Ausweitung der Fußgängerzone ist meiner Meinung nach kein geeigneter Schritt. Das könnte nur im Konsens geschehen, und der ist derzeit nicht vorhanden. Das bestehende Konzept ist nicht schlecht, lassen wir die Autos doch ruhig durchschleichen. Es geht eher darum, bei den Bürgern ein generelles Verständnis zu schaffen nach dem Motto: Ich muss da nicht mit dem Auto rein. Handlungsbedarf beim Bienenmarkt ECHO: Was geschieht denn eigentlich mit dem Bienenmarkt? Kelbert: Der Markt hat nach wie vor eine feste Verankerung in der Stadt, bei der Bevölkerung und den Vereinen. Auch wenn das Konzept verbesserungswürdig ist, vielleicht hin zu mehr guter Musik und Regionalität, würde ich den Markt am angestammten Platz belassen. Ziel muss eher sein, das Gelände mit Blick auf das übrige Jahr besser zu gestalten. In die Altstadt möchte ich den Markt nicht holen, dort gibt es schon sehr viele Veranstaltungen, mehr als in den meisten Städten unserer Größe. Stein: So wie der Markt derzeit ist, ist er ein billiger Abklatsch des Wiesenmarktes, er hat kein Alleinstellungsmerkmal. Und dafür das Gelände übers Jahr freihalten, ist nicht sinnvoll, der Platz könnte anders genutzt werden. Also sollte dem Fest ein anderer Rahmen gegeben werden, den Markt etwa so wie das Weinfest oder die Musiknacht in die Altstadt verlegen. Zwar ist es normal, dass die Anwohner Ruhe haben wollen. Es hat eben Flair, aber auch Nachteile, dort zu wohnen. In die Altstadt muss regelmäßig Leben rein, sonst haben wir verloren. Der Weihnachtsmarkt müsste übrigens auch nicht schon um 20 Uhr schließen. ECHO: Bräuchte Michelstadt nicht noch mehr Angebote für Jugendliche? Stein: Natürlich braucht es mehr Angebote für Kinder und Jugendliche. Ich stelle mir die Frage, warum es heute keine Disco mehr gibt. Es fehlen Angebote, die der Zeit angepasst sind. Das trifft auch auf viele Vereine zu, die überlegen sollten, wie sie moderner und damit für Jugendliche interessanter werden können. Im Gegenzug dürfen die Vereine aber nicht das Gefühl haben, dass ihnen das Leben schwer gemacht wird. Bei teuren Projekten wie dem Skaterpark bin ich skeptisch. Damit erreicht man nur wenige Jugendliche – eben solche, die am Skaten interessiert sind. Kelbert: Jugendarbeit ist ein wichtiges Feld. Hier müssen wir möglichst die vielen Vereine, die da besonders aktiv sind, in Zukunft wieder besser unterstützen, als es zuletzt finanziell machbar war. Eine Disco kann die Stadt nun mal nicht aufmachen, aber wir können Freiräume für die Jugend schaffen, wie wir es etwa mit der gut angenommenen Skateranlage hinbekommen haben. Weiterer Bedarf ist vorhanden, und wir haben durchaus weitere Ideen. Ich denke zum Beispiel an eine Art Waldbühne Michelstadt beim ehemaligen Ponyhof, den wir zu einer Freizeit und Bildungsstätte ausbauen wollen. ECHO: Wie beurteilen Sie die Situation in den Stadtteilen? Wo besteht Handlungsbedarf? Kelbert: Michelstadt tut viel für seine Stadtteile und hat seine Hausaufgaben gemacht. Es gibt einen Kindergarten und einen Spielplatz in jedem Stadtteil, in dreien sogar eine Grundschule. Das möchten wir auf jeden Fall aufrechterhalten und dabei insbesondere bei den Kindergärten flexible Lösungen anbieten. An den nackten Zahlen kann ich übrigens den vorhergesagten Bevölkerungsrückgang bisher noch nicht erkennen. Stein: Ich sehe das anders, die Situation ist nicht entspannt. Zwar punkten die Stadtteile mit schnellem Internet, zur Lebensqualität gehört aber auch eine gute Versorgung mit Kindergärten, Ärzten, Verwaltung und Nahverkehr. Und es müssen Lösungen geschaffen werden für den Einkauf. Hierbei ist auch zu überlegen, ob es Möglichkeiten gibt, so etwas wie „Läden auf Räder“ zu schaffen. Wenn nichts passiert, trocknen die Dörfer wirklich aus. ECHO: Auf der B 45 sind einige Abbiegesituationen neu gestaltet worden. Reicht das schon aus für einen besseren Verkehrsfluss oder besteht weiterer Bedarf? Stein: Die Entscheidung ob Kreisel oder Kreuzung sollte man Fachleuten überlassen, dafür gibt es Normen. Ich würde
es gern sehen, wenn der Verkehr zwischen Erbach und Michelstadt besser fließen würde, da gibt es durchaus Probleme. Für das Bienenmarktgelände sollte erst ein Zukunftskonzept feststehen, bevor über eine verbesserte Anbindung nachgedacht wird. Ich könnte mir auch eine Tunnellösung vorstellen, um als Fußgänger dort leichter auf die andere Seite der Bundesstraße zu kommen. Kelbert: Hessen Mobil als zuständige Behörde reagiert auf die Wünsche der Kommunen oft sehr statisch. Der vierspurige Ausbau der B 45 wurde von uns abgelehnt, für sinnvoll erachten wir aber eine neue Auf und Abfahrt beim Bienenmarkgelände. Kreisverkehre allerdings halte ich in diesem Bereich der B 45 für fragwürdig, weil die Situation für Radfahrer und Fußgänger dann schwieriger wird. ECHO: Einige innerstädtische Straßen sind in einem schlechten Zustand. Wie geht es weiter, und welche Rolle spielen dabei die viel diskutierten wiederkehrenden Straßenbeiträge? Kelbert: Nötig ist ein Gesamtsanierungskonzept für die Straßen. Dann kann man klar kommunizieren, welche Straßen wann zur Reparatur anstehen. Wichtig ist mir festzustellen, dass die Sanierung der Friedhofstraße in keinem direkten Zusammenhang mit der Diskussion um wiederkehrende Straßenbeiträge steht. Die Diskussion wurde angestoßen durch eine neue Rechtslage, die allerdings neue Ungerechtigkeiten mit sich bringt. Schließlich haben viele Bürger ja für „ihre“ Straße nach altem Recht schon viel bezahlt. Wenn es aber irgendwann zulässig sein sollte, Straßensanierungen über eine Art zweite Grundsteuer zu finanzieren, dann würde ich diese Diskussion führen wollen. Stein: Wiederkehrende Straßenbeiträge bringen neue Ungerechtigkeiten mit sich. Aber warum gibt es keinen Plan über mehrere Jahre, wann die Sanierung einer Straße zu erwarten ist. Dann können sich die Anlieger ein Stück weit darauf vorbereiten. Es darf für niemanden unverhältnismäßig werden. Aber es ist auch klar, wenn ich Eigentum habe, dass ich da ein Stück weit verpflichtet bin. Odenwaldhalle: Ein emotionales Thema ECHO: Was passiert mit der maroden Odenwaldhalle? Stein: Ich verbinde durchaus Emotionen mit dieser Halle, schließlich habe ich viele Tage meiner Kindheit und Jugend darin verbracht und viel Aufregung gespürt. Bestimmte Dinge doppelt vorzuhalten, ist aber ein Luxus, den man sich leisten können muss. Und wenn eine der beiden Hallen in Erbach und Michelstadt marode ist, dann muss man auch mal sagen, das ist doch okay, wir haben eine Halle, die reicht für beide Städte. Ohnehin wäre eine für viel Geld sanierte Odenwaldhalle auch nicht mehr das, was sie früher einmal war. Kelbert: Da bin ich Traditionalist. Ich finde die Halle toll. Sie spielt eine Rolle im kommunalen Gedächtnis und dient außerdem als große Aula für das Gymnasium. Alle Änderungen müssen daher mit den Schulleitungen von Gymnasium und Beruflichem Schulzentrum abgesprochen werden. Ziel muss sein, die Halle zu erhalten, auch wenn die Stadt das nötige Geld nicht alleine aufbringen kann. ECHO: Jüngster Punkt der Zusammenarbeit mit Erbach ist das Standesamt. Sehen Sie weitere Bereiche, in denen die Nachbarn stärker kooperieren könnten? Kelbert: Unser Auftrag von der Bürgerschaft ist es, da, wo es geht, zusammenzuarbeiten. Das funktioniert touristisch, kulturell und infrastrukturell sehr gut, zum Beispiel kooperieren wir ja schon länger bestens bei der Abwasserentsorgung. Bei weiteren Themen ist zu prüfen, wo es Synergien gibt. Dabei steht das Trinkwasser oben an, dazu der gemeinsame Betrieb der Schwimmbäder und der Straßenbau. In diesen Themen steckt auch Fleisch, da geht es nicht nur um Verwaltungsstrukturen. Dort ist nämlich die Kooperation im Detail oft mühsam und der Ertrag geringer als gewünscht. Stein: Erbach und Michelstadt haben eine wunderbare Chance, viele Dinge gemeinsam noch besser zu machen, ohne die jeweils eigene Identität aufzugeben. Und die eigene Identität darf nicht vernachlässigt werden. Es waren bekanntlich emotionale Gründe, die eine Fusion scheitern ließen. Aber es gibt viele Dinge, die zusammengelegt werden könnten: die Verwaltung der Kindergärten beispielsweise. Und trotz des gescheiterten ersten Anlaufs sollte die Zusammenlegung der Bauhöfe erneut geprüft werden. ECHO: Herr Stein, warum braucht Michelstadt einen neuen Bürgermeister? Stein: Michelstadt braucht neue Energie, um Ideen und Visionen anzugehen und umzusetzen. Es steckt genügend Potenzial in dieser Stadt, man muss aber etwas daraus machen. Dazu braucht es jemanden, der optimistisch, aber auch beharrlich an die Aufgaben geht und die Bürgerinnen und Bürger dabei mitnimmt.
ECHO: Herr Kelbert, warum braucht Michelstadt keinen neuen Bürgermeister? Kelbert: Weil ich gezeigt habe, dass ich das Schiff Michelstadt auch in schwierigsten Zeiten steuern kann. Meine Leidenschaft für Michelstadt ist nach wie vor ungebrochen, in den kommenden sechs Jahren möchte ich der Zeit des Sparens eine Zeit des Gestaltens folgen lassen.