Odenwaldkreis: Standortmarketing entzweit Bewerber

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MICHELSTADT

22. Februar 2015 | Von Manfred Giebenhain |

Standortmarketing entzweit Bewerber Landratswahl – Amtsinhaber Kübler und Herausforderer Matiaske vertreten grundsätzlich verschiedene Standpunkte

Es geht um die Zukunft des Odenwaldkreises: Amtsinhaber Dietrich Kübler (links) und sein Herausforderer bei der Wahl zum Landrat am 15 März, Frank Matiaske (rechts) erklärten am Freitag im Saal des Hüttenwerks, wie sie sich den weiteren Weg vorstellen. Das Gespräch lenkte Moderator Robert Reichstein.  Foto: Manfred Giebenhain

Am 15. März entscheiden die Wähler des Odenwaldkreises darüber, wer in den kommenden sechs Jahren das Landratsamt leiten wird. Dies nahmen die IHK Darmstadt und die Industrievereinigung Odenwaldkreis (IVO) zum Anlass, beide Direktkandidaten in einem öffentlichen Wirtschaftsgespräch zu ihren Vorstellungen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landkreises zu befragen. ASSELBRUNN. IHK und IVO zeichnen kein allzu positives Bild von dem, wie es derzeit um den Odenwaldkreis bestellt ist. „Viele junge Menschen verlassen den Kreis, um außerhalb zu studieren oder eine Ausbildung zu beginnen. Der Landkreis steht unter dem Schutzschirm des Landes Hessen, und die Kommunalfinanzen müssen trotz wachsender Ausgabenlast bis 2019 ausgeglichen werden. Die Unternehmen im Kreis sind von diesen Entwicklungen direkt und indirekt betroffen: fehlender Fachkräftenachwuchs, steigende Steuersätze und Gebühren in den Kommunen sind Beispiele“, ist in der Einladung an heimische Firmen und die Bevölkerung zu lesen. Die als Wirtschaftsgespräch überschriebene Fragerunde, die am Freitag im Saal des Hüttenwerks alle Sitzplätze füllte, wurde von dem Michelstädter Unternehmenscoach Robert Reichstein moderiert. Gegliedert war die Veranstaltung in fünf Themenkomplexe mit jeweils fünf Fragen, die an die beiden Bewerber um das Amt des Landrats gerichtet wurden. Die letzte halbe Stunde blieb einem guten Dutzend Publikumsfragen vorbehalten, bevor ein etwas längeres Schlussstatement von beiden Kandidaten das Ende der Veranstaltung einläutete. Als strenger Zeitwächter achtete der Moderator von Beginn an darauf, dass das umfangreiche Programm in den vorgesehenen Bahnen exakt die anvisierten zwei Stunden und nicht mehr füllte. Für die 25 vorgegebenen Fragen hatten der Amtsinhaber Dietrich Kübler (ÜWG) und sein Herausforderer von der SPD und Bürgermeister von Breuberg, Frank Matiaske, jeweils eine Minute Zeit, um darauf zu antworten. Da nach diesen Regeln ein direkter Schlagabtausch ausgeschlossen war, nutzten die Kandidaten auch nachfolgende Fragen, um mit eigenen Argumenten auf Aussagen des Mitbewerbers zu reagieren. Die Bandbreite der Themen reichte von der Wirtschaftsentwicklung bis zur Wirtschaftsförderung, betraf Infrastruktur und Mobilität, Bildung und Ausbildung und konfrontierte die Kandidaten letztlich mit der Frage zur Zukunftsfähigkeit des Odenwaldkreises als eigenständige Gebietskörperschaft. Beide beschworen die Souveränität in den vorhandenen Grenzen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen heraus. Matiaske setzt bei einem Wahlsieg auf einen politischen Neuanfang, den er besonders angesichts der schweren Verwerfungen rund um die Standortmarketingaffäre für geboten hält. Den Landkreis wirtschaftlich voranbringen übersetzte Kübler in die Absicht, das vorhandene Marketingkonzept umzusetzen, „um über die Kreisgrenzen hinaus den Odenwald mit einer Wort­ und Bildmarke zu bewerben“. Entstanden sei die Affäre erst durch anonyme Anzeigen und durch eine gezielte Kampagne, einzig mit dem Ziel, ein von allen Beteiligten getragenes Konzept zu diskreditieren, so Kübler. Die an ihn konkret gestellte Frage, wie er im Falle der Rückforderung von Fördermitteln durch die landeseigene WI­Bank reagieren werde, wies er zurück mit der Begründung: „Ich gehe nicht von einer Rechtswidrigkeit aus.“ Matiaske plädierte dafür, die Vermarktung des Kreises auf neue Füße zu stellen und dazu Wirtschaft und Tourismus


wieder mit ins Boot zu nehmen. Die Positionen gingen auch auf anderen Gebieten weit auseinander: Der Herausforderer plädierte unter Beifall dafür, die Wirtschaftsförderung vollständig in die Obhut der Odenwald­ Regionalgesellschaft mbH (Oreg) zu übertragen, während Kübler – dem entgegengesetzt – eine Reorganisation in die Kreisverwaltung mit dem Ziel anstrebt, „gewählten Vertretern im Kreis mehr Steuerungsmöglichkeiten“ zu geben. Als Baustellen erwiesen sich Projektfelder wie Breitbandausbau, Hessencampus Odenwaldkreis und Gründerzentrum, ebenso eine ausreichende Kinderbetreuung und Freizeitangebote für junge Menschen. Mit nur einer Frage gestreift wurde das Thema Windkraftausbau, das eine enorme Kluft zwischen mal prognostizierter Wertschöpfung für die Region und dem tatsächlichen Nutzen für die heimische Wirtschaft offenbarte. Unter Mobilität verbuchte Matiaske sein Bestreben für einen kreiseigenen Verkehrsentwicklungsplan; Kübler konzentrierte sich auf eine Vision 2030 der Odenwaldbahn als Bestandteil des RMV­Wegenetzes im Öffentlichen Nahverkehr. Für Kübler steht an oberster Stelle im ersten Jahr einer Wiederwahl die Haushaltssanierung. Matiaske versprach bei einem Wahlsieg, sich vorrangig für einen neuen Politik­ und Führungsstil und den Aufbau verloren gegangenen Vertrauens in die Kreisspitze einzusetzen. Für die Gastgeber bescheinigte IHK­Vizepräsident Thorsten Muntermann der Veranstaltung, „erkennbar zur Meinungsbildung beigetragen“ zu haben. Eingangs hatte IVO­Vorsitzender Jürgen Walther die Erwartung an die Kandidaten formuliert, sich engagiert für die Ansiedlung weiterer Unternehmen sowie für den Erhalt und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen im Kreisgebiet einzusetzen.


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