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Ein Odenwälder Grenzgang als Geschichtstunde

Die Nieder-Kainsbacher Wanderer trotzen bei ihrer Tour zur Schnellerts-Ruine dem schlechten Wetter.

Kirsten Sundermann

NIEDER-KAINSBACH. Nach dem Dauerregen am Samstag trauten viele Freunde des Nieder-Kainsbacher Grenzgangs dem Wetter wohl auch am Sonntag noch nicht recht. Und so konnte der Vorsitzende des Ortsbeirats, Ingemar Kunze, nur rund 40 Teilnehmer begrüßen. Aber alle waren wetterfest angezogen und bester Dinge.

Auch Bürgermeister Rainer Müller war mit von der Partie, ebenso wie mehrere Mandatsträger und die Vorsitzende der Gemeindevertretung, Andrea Urban. Die Führung übernommen hatte Timo Keller, der sowohl Mitglied des Nieder-Kainsbacher Ortsbeirats ist, als auch der örtlichen Feuerwehr. Seine Kollegen übernahmen es, die Gruppe bei Straßenüberquerungen abzusichern.

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Ziel der Wanderung war der Schnellerts, eine Geheimnis umwobene, mittelalterliche Burganlage. Erreicht wurde sie von der Wandergruppe über den Wirtschaftsweg, der parallel zum Kainsbach nach Stierbach führt. Danach ging es bergauf, zunächst an der Schnellerts-Siedlung vorbei und dann immer gerade aus auf dem Wanderweg Nr. 6 bis zu einer Kreuzung mit Spitzkurve. Hier rechts abbiegen und der Waldstraße folgen, bis links ein steiler Wanderweg hoch zur Burg führt.

Doch bereits im oberen Parkbereich vor der Schnellerts-Siedlung hatten die Kameraden von der Feuerwehr einen kleinen Erfrischungsstand aufgebaut und boten Getränke und bunte Ostereier an. Ein mitfühlendes Ehepaar aus der Gruppe hatte sogar eine beträchtliche Anzahl an Schokoladen-Muffins gebacken und zur Verfügung gestellt.

So ein Grenzgang bietet wunderbare Gelegenheiten, nicht nur die eigene Gemarkung und deren Geschichte besser kennenzulernen, sondern auch die Menschen, die hier wohnen. Und die beim Wandern auch gern mal von ihren Erfahrungen berichten. Wie etwa Jagdpächter Kurt Vay, der den hohen Verlust an Rehen beklagte, die auf der Landstraße zwischen Nieder- und OberKainsbach durch den Verkehr zu Tode kommen. Fotogen und kenntnisreich zeigte sich auch Mit-Wanderer Heiner Schwinn, der mit Gummistiefeln und einem stabilen Stecken aus Douglasienholz unterwegs war, und genau weiß, wo welche Wege-Abkürzungen enden.

Das Wetter hielt sich am Sonntagmorgen etwa eine Stunde lang zurück, doch dann, und zwar genau ab dem Moment, als die Gruppe endlich den Schnellerts erreicht hatte, fing es an zu regnen. Und hörte erst auf, als alle wieder verschwunden waren. Schade, denn Volker Thomasberger, der Erste Vorsitzende des Forschungsgemeinschaft Schnellerts (FGS), hatte ein Referat über die Geschichte der Burg vorbereitet. Er hielt es dennoch, und

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trotzte dabei tapfer dem Regen. Einige Mitwanderer konnten es jedoch nicht sehr gut verfolgen, weil sie sich in die kleine Schutzhütte auf dem Gelände geflüchtet hatten. Die FSG wurde 1976 gegründet, so war zu erfahren, und hatte von Anfang an ihre Aufgabe darin gesehen, die Überreste der Burg

Schnellerts zu sichern und für die Nachwelt zu erhalten. Viel war damals nicht mehr davon zu sehen, und auch heute noch sind zahlreiche Fragen zur genauen Bauzeit und den Besitzverhältnissen unklar. Man nimmt jedoch an, dass Burg um 1200 auf fuldischem Grund und Boden erbaut – und wahrscheinlich um 1300 gewaltsam zerstört wurde. Auf dem Schnellerts gab es dereinst einen runden Bergfried sowie eine verstärkte Schildmauer, außerdem mehrere Wohngebäude, die teilweise in Fachwerkbauweise ausgeführt waren.

Es müssen „feinere Leute“ gewesen sein, die hier wohnten, nimmt Thomasberger an, die schon aus Gläsern tranken und in ihrem Haushalt wertvolle Dinge wie etwa Keramikgeschirr, Spinnwirtel, Kämme, Messer und Pferdeschmuck verwendeten. Auch Teile einer Glocke und Buchschließen wurden gefunden. Als „Prachtstück“ gilt ein vergoldeter, morgenländischer Steigbügel, der vermutlich nach einem Kreuzzug „zur Erinnerung“ mitgenommen wurde. Alle Fundstücke, dazu viel erklärende Literatur und Bilddokumente sind in dem kleinen Museum zu finden, das die FGS in Brensbach unterhält, und das nach Anfrage (Telefonnummer 06161-1555 oder 06161-1428) besucht werden kann. Dort befindet sich auch ein aufschlussreiches Modell der Burg, das im Oktober 2021 nach neuesten, wissenschaftlichen Erkenntnissen gebaut wurde. Der erfolgreiche Abschluss des Grenzgangs konnte dann – nunmehr ohne Regen – unter dem Dach des Hüttchens vor der Nieder-Kainsbacher Sporthalle bei heißer Gemüsesuppe, Brötchen und Würstchen gefeiert werden.

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