12.7.2021
Endlich wieder Open-Air-Theater in Michelstadt
Endlich wieder Open-Air-Theater in Michelstadt echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/erbach/endlich-wieder-open-airtheater-in-michelstadt_24094048 11. Juli 2021
Sonntag, 11.07.2021 - 15:00 Regisseur Kaffenberger inszeniert im Michelstädter Kellereihof Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“. Aufgeführt wird das Stück im Odenwaldkreis zwischen 22. Juli und 1. August. Von Sabine Richter
Elisabeth (sitzend) lässt sich nicht unterkriegen in der schweren Zeit – Probenszene aus dem Stück „Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horváth, das im Theatersommer 21 in Michelstadt aufgeführt wird. (Foto: Joaquim Ferreira)
ERBACH - Ein Theaterstück in Zeiten der Pandemie auf die Bühne zu bringen, ist eine Kunst für sich. Aber der Erbacher Regisseur Alexander Kaffenberger scheut weder unzählige Corona-bedingte Auflagen noch das Restrisiko und inszeniert https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/erbach/endlich-wieder-open-air-theater-in-michelstadt_24094048
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im Michelstädter Kellereihof „Glaube Liebe Hoffnung“ nach Ödön von Horváth. Aufgeführt wird dieses Projekt im Theatersommer 21 zwischen dem 22. Juli und 1. August wie immer unter freiem Himmel. 80 Personen dürfen zeitgleich zuschauen; einige Karten sind noch zu haben. Das Stück erscheint Kaffenberger ideal für Zeiten verordneter Distanz, denn „auch wenn die Personen sich ganz nah kommen, sind sie einander doch fern und in sich gefangen, während sie mit der Welt hadern“. Es ist kein leichtes Thema, sondern eine Tragödie, aber die bietet dem Publikum eine Entspannungssituation, die in Corona-Zeiten gut tut: „Denn die Zuschauer beobachten ja eine Person dabei, wie sie aus ihrer beklemmenden Situation wieder herauskommt“, erklärt der Regisseur. Ganz bewusst ist dieses Theater „ein Statement dafür, sich nicht aufzugeben, wie seltsam die Umstände und Zeiten auch werden“. Anspruchsvoll ist neben der Handlung aber besonders das besagte Dickicht an Bestimmungen, durch das Kaffenberger sich kämpfen muss. Auf eine Tribüne, wie sonst üblich, hat er deshalb von vornherein verzichtet, auch wegen der Kosten. Stattdessen sitzen die Zuschauer auf Stühlen auf Abstand. Die Bühne steht vor der Treppe am Schenkenkeller, und dort bespielen die Akteure die gesamte Szenerie, also auch kleinere Nebenspielplätze wie etwa die Treppe. Für die Darsteller wiederum gilt, dass sie sich bei den Proben nicht zu nahe kommen. „Also habe ich Szenen besetzt mit Leuten aus einem Familienverband oder auch mit Schülern, die morgens ohnehin in der gleichen Klasse sitzen“, sagt Kaffenberger. Küssen ist nicht erlaubt. Und bei Gesangsszenen gelten sechs Meter Abstand. Kostüme dürfen nicht vertauscht werden. „Außerdem haben wir personalisierte Requisiten und legen
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fest, dass ein Kerzenständer nur weitergereicht werden darf von Frau Müller an den Herrn Schulz und dann an den Herrn Meier“, zählt Kaffenberger auf. Fotos
Regisseur Alexander Kaffenberger – Mitte, mit Schauspielern – hat keine Corona-bedingten Auflagen gescheut, um sein Stück demnächst im Kellereihof inszenieren zu können. Foto: Joaquim Ferreira Bei den Proben muss alles rasch sitzen: Während die Spieler normalerweise ein Dreivierteljahr Zeit zum Üben haben, sind es jetzt sechs Wochen. Allerdings gab es vorher schon Besprechungen via Zoom-Konferenz und fernmündliche Textproben. „Zum Glück kenne ich die Leute ja, das macht es leichter“, erklärt der Erbacher. 20 Akteure haben sich aus dem großen Pool der rund 300 Amateur-Schauspieler für das Stück gewinnen lassen; manche Rollen hat Kaffenberger auch mehrfach besetzt. Die Hauptperson Elisabeth gibt es gleich dreimal – nur für den Fall, dass eine mal quarantänebedingt ausfällt.
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Sie ist so eine Art Hauptmann von Köpenick, wenn ihr auch das Schlitzohrige fehlt, erklärt der Regisseur. Für ihre Tätigkeit braucht sie dringend einen Wandergewerbeschein, denn sie verkauft an Haustüren Trikotagen, also Unterwäsche. Da sie bereits Schulden machen musste, entscheidet sie sich schließlich dazu, dem Anatomischen Institut ihre Leiche zum Kauf anzubieten. Sie lernt einen Polizisten kennen, beide verlieben sich und sind auch glücklich, bis arglistige Nachbarn das Gerücht in die Welt setzen, Elisabeth lebe in wilder Ehe und empfange auch noch weitere Männer. Als ihr Polizist erfährt, dass sie wegen des fehlenden Gewerbescheins vorbestraft ist, trennt er sich. Elisabeth möchte nicht mehr weiterleben und geht ins Wasser, wird gerettet, aber bei Horváth stirbt sie dennoch.
EINTRITTSKARTEN UND ZEITEN Spieltermine für „Glaube Liebe Hoffnung“ sind von Donnerstag, 22. Juli, bis Sonntag, 1. August, täglich außer am Mittwoch, 28. Juli, denn dann ist geschlossene Veranstaltung. Das Stück beginnt stets um 20 Uhr (Einlass: 19.15 Uhr), es dauert 70 Minuten ohne Pause, und es gibt wegen der Corona-Pandemie keine Bewirtung. Der Vorverkauf läuft bereits; Karten verkauft die Gästeinformation der Stadt Michelstadt, Telefon 0606174610, E-Mail touristik@michelstadt.de. Die Theaterproduktion wurde ermöglicht mit einer Projektförderung des Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Weitere Unterstützer sind die Stadt Michelstadt, SCV Michelstadt, die Stiftung Sparkasse Odenwaldkreis, die Theaterschule Odenwald und der Kultursommer Südhessen. (ric) https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/erbach/endlich-wieder-open-air-theater-in-michelstadt_24094048
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Kaffenberger hingegen lässt das Ende offen. Bei ihm behauptet sich die Hauptperson gegen ihren abtrünnigen Liebhaber und emanzipiert sich als eigenständige Person, die von niemandem abhängig ist, schon gar nicht von einem Mann. „Horváth entlarvt Männerrollen in der Gesellschaft seiner Zeit und inszeniert starke Frauenrollen“, erklärt Kaffenberger. Das komme seinem Ensemble sehr entgegen, denn dort sind in der Regel mehr Frauen als Männer vertreten. Ödön von Horváth wurde 1901 als Sohn des ungarischen Diplomaten Dr. Edmund Josef Horváth und der Maria Hermine Prehnal im damals ungarischen Fiume (heute: Rijeka, Kroatien) geboren. Er sprach und schrieb auf Deutsch und warnte angesichts des Erstarkens der Nationalsozialisten in seinen Stücken zunehmend vor den Gefahren des Faschismus, weshalb seine Bücher von den Nationalsozialisten verboten wurden. Im Alter von nur 37 Jahren wird Ödön von Horváth auf den Champs-Élysées in Paris während eines Gewitters von einem Ast erschlagen. „Bei seiner Beerdigung waren Bürger ebenso wie Prostituierte und Zuhälter – die gesamte Boheme“ sagt Kaffenberger: „Denn er war einer, der sich in allen gesellschaftlichen Schichten bestens auskannte.“ Als Kind seiner Zeit war er mit krisenhaften Verhältnissen bestens vertraut, daher sind sowohl er als Person als auch seine Stücke mehr als zeitgemäß. Bestens geeignet für einen Theaterabend in der Pandemie.
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