Knapp 40 "Reichsbürger" im Odenwaldkreis bekannt echoonline.de/lokales/odenwaldkreis/odenwaldkreis/knapp40reichsbuergerimodenwaldkreisbekannt_17666165.htm
Den Mitarbeitern der Odenwälder Kreisverwaltung sind bisher 39 Kreisbürger bekannt, die den sogenannten Reichsbürgern zugeordnet werden. So mancher von ihnen hat einen solch selbstgebastelten "Deutsches Reich Reisepass". Damit wurden bereits Mitarbeiter in hessischen Verwaltungen konfrontiert. Foto: dpa Von Birgit Reuther ODENWALDKREIS Den Mitarbeitern der Odenwälder Kreisverwaltung sind aktuell knapp 40 Anhänger der sogenannten "Reichsbürger" bekannt. Nach einem Erlass des Innenministers sind die Behörden aufgefordert, Angehörige der Szene zu melden. Die Polizei ging bislang von weitaus weniger Personen aus. Von "einer Handvoll, vielleicht auch etwas mehr Personen, die dieser Bewegung zuzurechnen sind", spricht die Polizei, wenn es um die Frage geht, wie stark die "Reichsbürger" im Odenwaldkreis vertreten sind. Größere Probleme habe es mit ihnen bisher aber nicht gegeben, erklärt Sebastian Trapmann, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Südhessen in Darmstadt, auf ECHOAnfrage. Kommentar: Hinschauen Birgit Reuther zum Thema "Reichsbürger"
Ignorieren statt diskutieren" rät Hessens Landesamt für Verfassungsschutz den Mitarbeitern in Rathäusern und Landratsämtern, wenn es in deren Amtsstuben um den fachlichen Umgang mit sogenannten "Reichsbürgern" geht. Das ist sicher richtig. Auf das Gerede vom Nichtanerkennen der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Organe und Bescheide muss sich keiner einlassen. Wegschauen und NichtHinhören ist deshalb aber nicht angesagt. Zwar werden nur relativ wenige Anhänger der Szene als rechtsextremistisch eingestuft, doch zeigt nicht zuletzt der in Bayern von einem "Reichsbürger" erschossene Polizist, dass es brandgefährlich sein kann, solche Leute einfach nur als harmlose Spinner einzustufen. Die Morde des NSUTrios in den Jahren 2000 bis 2007 mögen da ein ganz anderes Gewicht haben dass unsere Sicherheitsbehörden damals eklatant versagt haben, ist leider viel zu spät erst deutlich geworden. Wenn Polizei, Behörden und Justiz aus all dem gelernt haben und in Sachen "Reichsbürger" nun mit der gebotenen Aufmerksamkeit hinschauen und gegebenenfalls passend reagieren, ist das nicht nur zu begrüßen, sondern unabdingbar. Hysterie und ein Großreden der Szene braucht es hingegen nicht. breuther@darmstaedterecho.de Bewegung wird seit 2016 beobachtet Das Landesamt für Verfassungsschutz schätzt die Zahl der "Reichsbürger" in Hessen auf mehr als 500 Personen. Davon soll eine untere bis mittlere zweistellige Zahl dem rechtsextremistischen Spektrum angehören. Verwaltungsmitarbeitern rät das Landesamt, sich gegenüber diesem Personenkreis auf keine Diskussionen einzulassen. Dienstliche Schriftwechsel sollten auf das Notwendige beschränkt, Beleidigungen und Bedrohungen unverzüglich den Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden. Schreiben mit rechtsextremistischem Inhalt sollten dem Verfassungsschutz gemeldet werden. Sogenannte "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht an, ebenso nicht ihr Rechtssystem, ihre Ausweise und ihre Staatsorgane. Die Bewegung wird seit November 2016 vom Verfassungsschutz beobachtet; zuvor hatte ein "Reichsbürger" in Bayern einen Polizisten erschossen und drei weitere Beamte verletzt. (big) Hin und wieder wird auch die Polizei hinzugezogen Gleichwohl haben die Beamten auch im Odenwald "immer wieder mal" mit Mitgliedern der Szene zu tun. So wird die Polizei etwa von Behördenvertretern hinzugezogen, wenn diese bei der Durchsetzung von Maßnahmen gegenüber einem selbst ernannten "Reichsbürger" befürchten, dass es Probleme geben kann. "Ein Gerichtsvollzieher, der eine Pfändung durchsetzen möchte. Eine Urkundenfälschung, oder wenn nach einer nicht bezahlten Geldstrafe ein ZahlungsHaftbefehl ins Haus steht", schildert Trapmann Beispiele für im Kreis bekannt gewordene Fälle. Hinweisen aus der Bürgerschaft gehe man nach, die Szene sollte weder über noch unterschätzt werden. Erst vor wenigen Tagen hat die Polizei in Erbach auf einen Tipp aus der Bevölkerung reagiert und ein Wohnhaus in der Kreisstadt angesteuert. An dessen Eingang war ein Metallschild mit Reichsadler und der Aufschrift "Deutsche Reichsgrenze" angebracht gewesen. "Wir haben es im Sinne der Gefahrenabwehr abhängen lassen", so Trapmann. Als Straftat sei ein solches Schild allein aber nicht zu werten, zitiert der Pressesprecher die Staatsanwaltschaft. "Wir haben die Szene im Fokus, sind sensibilisiert und schauen genau hin", umreißt Sebastian Trapmann die Linie der Polizei in Südhessen wo es bisher nicht zu Gewalttaten im Umgang mit diesem Personenkreis gekommen sei. Noch liegen nicht alle Rückmeldungen vor
Wie eine ECHONachfrage bei der Odenwälder Kreisverwaltung ergeben hat, wird die Polizei ihre Zahlen in puncto "Reichsbürger" wohl aktualisieren müssen: Laut Aussage von Saskia Hofmann, Pressesprecherin im Erbacher Landratsamt, sind den Mitarbeitern der einzelnen Abteilungen dort bisher 39 Odenwälder bekannt, die sich durch entsprechende Aussagen und Verhaltensweisen als Mitglieder jener Bewegung erkennbar gemacht haben. Zu dieser Erkenntnis ist die Verwaltung infolge eines Erlasses der hessischen Landesregierung gekommen. Der wiederum ist Folge der jüngst bekanntgewordenen Straftaten von "Reichsbürgern" und ersten Ermittlungen gegen Anhänger der Szene. "Mit dem Erlass des Innenministers von Mitte Dezember 2016 werden die kommunalen Verwaltungen aufgefordert, mögliche Mitglieder der Szene bei der Polizei zu melden", so Hofmann. Vor diesem Hintergrund habe das Rechtsamt der Kreisverwaltung die einzelnen Abteilungen im Haus angeschrieben und um Auskunft gebeten. Noch liegen nicht alle Rückmeldungen vor, doch es wurden über diesen Weg bislang 39 Personen mit Namen und Wohnsitz weitergemeldet. Wie Hofmann ergänzte, gingen von diesen Begegnungen in den Amtsstuben keine Bedrohungen oder Gefährdungen für die Verwaltungsmitarbeiter aus. "Da kam es zu den üblichen Nettigkeiten im Umgang mit diesem Personenkreis", so Hofmann. Damit ist gemeint, dass sogenannte "Reichsbürger" oft nicht bereit sind, Entscheidungen der (Kommunal)Verwaltungen zu akzeptieren. Oder dass sie die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat anerkennen, den Personalausweis deshalb ablehnen oder auch keine Gebühren oder Steuern zahlen möchten.