Michelstadt gibt sich keine Straße mit dem Namen #Hasenzahl | Presse #Echo

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Michelstadt gibt sich keine Straße mit dem Namen Hasenzahls

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Mittwoch, 05.02.2020 - 00:00 Michelstadts Magistrat hat die Konsequenzen aus Bedenken wegen der NS-Vergangenheit von Altbürgermeister Erwin Hasenzahl gezogen: Die Benennung einer Straße ist gestoppt. Von Manfred Giebenhain und Gerhard Grünewald

Den Namen von Altbürgermeister Erwin Hasenzahl wird keine Straße tragen. Von der Weiterführung des eingeleiteten Benennungsverfahren sieht der Magistrat mit Blick auf die Diskussion um die NS-Vergangenheit des 2008 verstorbenen Lokalpolitikers ab. Damit bleibt die Erwin-Hasenzahl-Halle am Bienenmarktplatz die einzige Namenspräsenz des früheren Rathauschefs in der Stadt. (Archivfoto: Manfred Giebenhain)

MICHELSTADT - In Michelstadt wird keine Straße den Namen von Altbürgermeister Erwin Hasenzahl tragen. Darauf läuft die Entscheidung des Magistrats hinaus, seinen entsprechenden Benennungsvorschlag zurückzuziehen. Reagiert haben die Stadträte damit auf Bedenken, die bei der Aufbereitung des Themas für die Stadtverordnetenversammlung laut wurden: Wie berichtet, hatte der Ausschuss für Planung, Umwelt und Verkehr den Magistrat zur https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/odenwaldkreis/michelstadt-gibt-sich-keine-strasse-mit-dem-namen-hasenzahls_21175989

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Überprüfung seines Ansinnens aufgefordert und zur Begründung auf Haltung und Verhalten des 2008 verstorbenen Lokalpolitikers im Dritten Reich verwiesen („Dickes Fragezeichen für Straßen-Eignung in Michelstadt“, Ausgabe vom 25. Januar). Vorausgegangen war der Empfehlung eine intensive Meinungsbildung des Ausschusses, bei der es zur ersten umfassenden öffentlichen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit des späteren ÜWGLokal- und Kreispolitikers kam. Der Michelstädter Geschichtskenner Hans-Otto Haag, der sich mit der Aufarbeitung der lokalen Judenverfolgung tiefen Einblick ins nationalsozialistische Michelstadt verschafft hat, hatte darauf hingewiesen, dass die Spruchkammerakte der Alliierten Hasenzahl als SS-Stabsscharführer und damit Hauptschuldigen der Gewaltherrschaft führt. Als Tim Koch (Grüne) den Altbürgermeister damit als „Mitglied der schlimmsten Mörderbande der Geschichte“ enttarnt sah und Alexander Hahn (ÜWG) vor den Folgen der Benennung einer Straße nach einem solchen Mann warnte, gab es im Fachgremium keinen Zweifel mehr: Ohne Gegenstimmen wurde der Entscheidung des Magistrats widersprochen.

Erwin Hasenzahl. Archivfoto: Ernst Schmerker https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/odenwaldkreis/michelstadt-gibt-sich-keine-strasse-mit-dem-namen-hasenzahls_21175989

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Die Konsequenzen dieses Beschlusses und der vorausgegangenen Debatte hat auf Nachfrage nun Bürgermeister Stephan Kelbert publik gemacht. Demnach haben Mitarbeiten der Stadt bereits unmittelbar nach der Sitzung des Ausschusses auf seine Anweisung hin die beiden Straßenschilder mit Hasenzahls Namen entfernt, die noch vor dem Diskussions- und Beschlussprozess der Stadtverordneten aufgestellt worden waren. Dass die neue Wohnbaulage in Friedhofsnähe ohne das entscheidende Votum mit den Tafeln ausgestattet worden war, bezeichnete Kelbert als „Irrtum aus dem laufenden Geschäft“. Die Aufstellung der Schilder sei nicht angeordnet, sondern irrtümlicherweise unmittelbar nach Abschluss der Bauarbeiten von der zuständigen Fachabteilung veranlasst worden. „Wir bedauern das in diesem Fall etwas vorschnelle Handeln und verbürgen uns dafür, dass es in keiner Weise politisch motiviert war“, entschuldigt sich Kelbert für das Geschehen und damit indirekt auch für die Irritationen in der Öffentlichkeit.

MICHELSTADTS BÜRGERMEISTER

Als zweiter Nachkriegs-Bürgermeister Michelstadts amtierte Erwin Hasenzahl (1914-2008) von 1954 bis 1979. Der ÜWG-Politiker folgte in dieser Position dem Sozialdemokraten Adam Wöber, der die Stelle von 1946 bis 1954 innehatte. Von Hasenzahl ging das Amt an Reinhold Ruhr über, der mit seinem Vorgänger zwar die Zugehörigkeit zu den Überparteilichen gemeinsam hatte, sich ansonsten aber in jeder Hinsicht auf Distanz zu ihm hielt. Ruhr führte Michelstadt von 1979 bis zu seinem altersbedingten Rückzug im Jahr 2009. Seitdem regiert der parteilose Stephan Kelbert die größte Stadt des Odenwaldkreises. Der 53-Jährige hat für 2021 seinen Abtritt angekündigt, weil er sich beruflich noch einmal neu orientieren will. (gg) Wie der Bürgermeister weiter aufzeigte, folgte der von ihm persönlich verantworteten Entfernung der Schilder wenig später eine analoge gemeinschaftliche Reaktion des Magistrats: Die Stadtregierung habe in ihrer Sitzung am 29. Januar ihren Antrag auf die Ausweisung einer Erwin-Hasenzahl-Straße zurückgezogen. Eingedenk dieser Revision deutet viel darauf hin, dass für die Neuerschließung nun einfach der https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/odenwaldkreis/michelstadt-gibt-sich-keine-strasse-mit-dem-namen-hasenzahls_21175989

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Name der zubringenden Grätz-Markersdorfer-Straße übernommen wird. Dieses Vorgehen bezeichnete Kelbert als denkbaren Schritt, „ohne dass ich dem Entscheidungsprozess der Gremien vorgreifen will“. Für Beratung und Abstimmung des ursprünglichen Namensvorschlags in der Stadtverordnetenversammlung bestehe vonseiten der Verwaltung und des Magistrats kein Bedarf mehr. Vorgesehen war der fragliche Benennungsbeschluss zunächst für die Sitzung vom 18. Februar. Zum Thema machen kann ihn aber weiter die Stadtverordnetenversammlung selbst, indem eine Fraktion oder ein Abgeordneter auf die Aufrufung des Themas besteht – sei es mit dem Ziel einer öffentlichen Bekräftigung der Gründe für die Abkehr von der Benennung oder der Absicht, die unbestrittenen Verdienste des Altbürgermeisters stärker zu gewichten und zu einer Revision der Beschlusslage zu kommen.

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