Erbach Odenwald - Mittelzentrum in Südhessen - echo online

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Mittelzentren in Südhessen: Erbach

Urlauber willkommen: Am Marktplatz, dem historischen Zentrum der Odenwälder Kreisstadt, haben Touristen ihre Anlaufstelle. Foto: Guido Schiek


In einer Stunde von Erbach (Foto) nach Frankfurt: Die Odenwaldbahn gilt als Erfolgsmodell des RMV. Foto: Guido Schiek Von Birgit Reuther ERBACH ­ Kurze Wege für Besorgungen, reichlich Grün rundum, kaum Verkehrslärm, zivile Grundstücks­, Haus­ und Mietpreise, ein relativ gutes Angebot an Schul­ und Weiterbildung sowie (Freilicht­)Bühnen, auf denen auch Hochwertiges zu sehen ist. Dazu ein Menschenschlag, auf den man sich verlassen kann: Wer sich in der Odenwälder Kreisstadt Erbach niederlässt, dorthin zurückgekehrt oder dort geblieben ist, weiß um die Pluspunkte der Region. Soll es jedoch in die Oper gehen oder wollen die Kinder studieren, ist mehr Mobilität gefragt: Die nächsten Hochschulen und Schauspielhäuser liegen in Darmstadt, Frankfurt, Aschaffenburg, Heidelberg und Mannheim ­ von Erbach nach 50 bis 70 Minuten Autofahrt erreicht. Wer es eher stressfrei mag, ist nach ziemlich genau einer Stunde Fahrt in der Odenwaldbahn in Frankfurt angekommen. Pro und contra


+ zivile Immobilienpreise + Breitbandnetz + Naherholungsgebiet + gesunde Umgebung ­ Autobahnen weiter weg ­ keine Hochschulen ­ begrenzte Zahl an Arbeitsplätzen Weit genug weg von Feinstaub und Autobahn, die Ballungszentren Rhein­Main und Rhein­Neckar wie auch den Wirtschaftsraum Aschaffenburg (Bayern) dennoch in halbwegs bequem zu bewältigender Entfernung: Keine schlechten Bedingungen für eine Kommune ­ wenn sie weiß, mit ihren Pfunden zu wuchern und den Zug der Zeit nicht verschläft. Dass dies in Erbach der Fall ist, zeigen die zuletzt stabile bis leicht positive Bevölkerungsentwicklung und die aktuelle Studie der IHK zu den Mittelzentren in Südhessen. Dort belegt die Stadt Rang acht unter 16 Kommunen. Das sei für ein Gemeinwesen im ländlichen Raum und mit nur rund 13 800 Einwohnern recht gut, meinen Bürgermeister Harald Buschmann (CDU), Stadtmarketing­Beauftragter Frank Reubold und Matthias Brand vom Gewerbeverein. Dank der guten Breitbandversorgung im Landkreis, einer lösungsorientierten Zusammenarbeit von Stadt, Gewerbe und Vereinen, durch die starke Identifikation von Unternehmern und Beschäftigten mit "ihrer" Stadt und "ihrem" Arbeitgeber hält es viele Firmen am Standort. Neue kommen hinzu, wie die Entwicklung auf der Kandelwiese belegt: Wo nach Schließung der traditionsreichen Erbacher Brauerei 2006 jahrelang gähnende Leere herrschte, haben sich rund 25 Firmen und Institutionen mit zusammen etwa 300 Mitarbeitern angesiedelt. "Toll, was sich da entwickelt hat. Bei den Gewerbesteuereinnahmen spüren wir das auch", freut sich Buschmann. Im Gewerbegebiet Gräsig hat sich ebenfalls einiges getan, aktuell wird eine weitere Erschließungsstraße gebaut. Wenngleich Erbach im Branchenmix inzwischen zu 44 Prozent Standort für öffentliche und private Dienstleister ist ­ Beispiele sind das Gesundheitszentrum Odenwaldkreis und die Kreisverwaltung ­ bietet auch das produzierende Gewerbe mit Maschinenbau, Kunststoffverarbeitung und Umwelttechnologie hochwertige (Ingenieurs­) Arbeitsplätze. Bosch etwa sieht seinen Odenwälder Standort trotz


Krise in der Automobilindustrie nicht gefährdet, und Rowenta als Hersteller hochwertiger Bügeleisen setzt bei Entwicklung und Innovation weiterhin auf Erbach. "Der Odenwald ist sexy. Wir sind da, wo noch viele hinkommen werden", ist Stephan Koziol, Chef des gleichnamigen Herstellers pfiffiger Haushalts­ und Büroartikel aus Kunststoff, überzeugt. Das weltweit exportierende Unternehmen setzt auf regionale Identität. Eine stimmige Bestandspflege gilt als Basis all dessen. Kann eine Firma am Standort nicht erweitern, sucht man nach Lösungen. Gern gemeinsam mit Michelstadt, wichtiger Schulstandort und zweites Mittelzentrum im Kreis. Ohnehin sind beide Städte längst zusammengewachsen, gelten als ein Wirtschafts­ und Lebensraum. Eine Fusion war angedacht, 2007 aber am Bürgervotum gescheitert. Gegen den Trend entwickelt hat sich Erbach bei den Leerständen im Einzelhandel: "Sah es etwa an der Hauptstraße noch vor drei Jahren schlecht aus, haben wir nun auch viele wettbewerbsfähige Spezialgeschäfte. Und einen Supermarkt im Zentrum gibt es auch", sagt Matthias Brand. Insgesamt ist er mit der Entwicklung zufrieden, "ein noch breiteres und tiefer gehendes Angebot" wünscht er sich dennoch. Ähnliches gilt für die Gastronomie, und nach wie vor fehlt nicht nur Erbach ein Vier­ Sterne­Hotel mit Platz auch für Tagungen. An Parkraum indes mangelt es nicht: "800 kostenlose Stellplätze in der Innenstadt" (ohne Wiesenmarkt­Areal) hat die Stadtverwaltung gezählt. "Wir haben für jedes Kind zwischen einem und sechs Jahren einen Betreuungsplatz", weist der Bürgermeister auf das gute Angebot an Kindergartenplätzen hin (Rang 5 der IHK­Studie). So wird auch das Baugebiet Erbach­Ost langsam voll, wartet ein neues, eher kleines Baugebiet am Krebsbach auf Zuzügler, während am Westhang hochpreisige Wohnbauten entstehen. Eine relativ gute Ausstattung mit Buslinien, Bahnanschluss, Park & Ride und Citybus, das Gesundheitszentrum als Vollversorgungsklinik und eine niedrige Kriminalitätsrate sind weitere Pluspunkte. Dass in Erbach "tendenziell mehr ältere Menschen leben", gilt für den Einzelhandel als Wirtschaftsfaktor. Und Jüngere sollte es nicht nur wegen besagter weicher Standortfaktoren dorthin ziehen: "Wer nicht nah an der Autobahn wohnen muss, aber als Selbstständiger oder im Home Office auf eine gut ausgebaute Datenautobahn angewiesen ist, kommt hier gut klar."


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