Nie angekommen: Der erzwungene Abschied von Erbachs Bürgermeister Buschmann echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/erbach/nie-angekommen-der-erzwungene-abschied-von-erbachs-buergermeisterbuschmann_18581951.htm
Nie angekommen: Erbachs Bürgermeister Harald Buschmann. Archivfoto: Guido Schiek Von Gerhard Grünewald ERBACH - Entschiedener als Bürgermeister Harald Buschmann vorigen Sonntag in Erbach kann man kaum weggeschickt werden: Wo die Treue der Bevölkerung zu den Amtsinhabern manchmal so ausgeprägt wirkt, dass ein Besenstiel mit seiner Wiederwahl rechnen zu können scheint, ist der Christdemokrat nicht nur als erstes Stadtoberhaupt aus dem Rathaus gestimmt, sondern mit einem Restguthaben von 32,2 Prozent gleich polternd entfernt worden. Und doch steckt in diesem Abschied nichts anderes als ein unvollendetes Zusammenfinden. Denn der damalige Pfarrer kam unter den Erbachern zwar als Aspirant auf die Führung der Kreisstadt blendend an, ist aber in der Amtsführung nie richtig bei ihnen angekommen.
Stattdessen erweist sich die Geschichte des 18 Jahre währenden Zusammenseins zwischen Buschmann und Erbach vor allem als eine Geschichte der Entfremdung. Gezeichnet von einem Mangel an beidseitiger Sensibilität und gegenseitigem Verständnis, musste das zerrütten, was mit einer geradezu traumhaften Annäherung begonnen hatte: Der redegewandte und vorwärtsdrängende junge Pfarrer als frischer Gegenentwurf zu parteibürokratischer Stadtführung Hand in Hand mit einer damals revolutionären Gemeinschaft von CDU, ÜWG und Grünen, das machte etwas her. Dem parteilosen Buschmann schenkten unter diesen Vorzeichen schon im ersten Wahlgang 54,4 Prozent der Bürger ihr Vertrauen - und ließen die Zukunft des Quereinsteigers so blendend erscheinen, dass seine Hinterleute und er schon nach wenigen Monaten glaubten, auf ein Element ihres Erfolgs verzichten zu können: Sie rangierten die Grünen aus - und zeugten so mutwillig die zweite Abneigung, die Buschmann bis zum Ende seiner Regentschaft erhalten blieb. Denn die SPD konnte den Quereinsteiger von Anfang an nicht verknusen - und sei es allein deshalb, weil er den blassen Sozialdemokraten Uwe Hartmann beerbt und ihr so das Amt entrissen hatte. WAHLERGEBNIS Bei der Direktwahl des Erbacher Bürgermeisters für die Amtszeit 2018/2024 erhielt Dr. Peter Traub (FDP/ohne Partei angetreten) 60 Prozent der Stimmen. Auf Amtsinhaber Harald Buschmann (CDU) entfielen 32,2 Prozent, auf Andreas Wagner (AfD/ohne Partei angetreten) 7,8 Prozent. Dabei war das sozialdemokratische Scheitern in Erbach nur eine von mehreren Niederlagen bei Direktwahlen, mit denen die Bürger die einst stolze Riege von Odenwälder SPD-Amtsträgern reduzierten. Und meist war auf der Gegenseite jener Werbedesigner beteiligt, der schon Buschmann den Wahlkampf gestaltet hatte: der Hüttenthaler Johannes Kessel, dessen schmalbrüstiges Start-Up nun zum gefragten Unternehmen aufstieg, dem öffentliche Reklame-Anliegen fast zwangsläufig zuzufliegen schienen - bis sich ein Auftrag als zumindest fragwürdig erwies. Die Weiterungen der umstrittenen Bestellung des Standortmarketings für den
Odenwaldkreis bei Kessel erreichten auch den eigentlich unbeteiligten Buschmann, weil der sich als Kreispolitiker auf die Seite des Grafikers und des in Not geratenen Landrats Dietrich Kübler stellte. Als der Erbacher Bürgermeister nach der scheinbaren Beruhigung dieser Affäre den Werbestrategen wieder verstärkt für die Kreisstadt einsetzte, bestärkte das die Buschmann-Skeptiker, zu denen mittlerweile die ÜWG gestoßen war. Auch dafür hatte der ursprünglich parteilose Verwaltungschef den Ansatz schon früh provoziert - indem er 2005 in die Union eintrat. Die Überparteilichen reagierten zwar erst einmal nur irritiert, gingen aber umso leichter auf Distanz, als der Bürgermeister jenen politischen Rückstoß erzeugte, der ihn sogar einen Teil seiner CDUGefolgschaft kostete: Buschmann und sein Amtskollege Reinhold Ruhr handelten beim Versuch, Erbach und Michelstadt zu einer Kommune zusammenzuführen, so forsch, dass der Erbacher Bürgermeister dauerhaft Schaden davontrug: Hatten sich zuvor die meisten Kreisstädter über das Selbstbewusstsein gefreut, mit der ihre Stadt geführt wurde, bekam Buschmann diese Eigenschaft nun zunehmend als Selbstgefälligkeit, ja Selbstherrlichkeit ausgelegt. So wirkt der Ausgang des fälligen Bürgerentscheids im Jahr 2007 heute wie ein Vorbote dessen, was da noch kommen sollte. Denn mit einem Votum von 52,2 Prozent gegen die Fusion fügte die Bevölkerung Buschmann eine erste Wahlniederlage zu. Dabei hatten sich auch Volksabstimmungen für ihn so gut angelassen: Für die Zulassung eines Baumarkts im gewerblichen Neubaugebiet Gräsig sammelte er 2002 noch eine Zustimmung von 61,7 Prozent, verprellte aber dauerhaft die heimische Geschäftswelt, die ein Ausbluten der Läden in der Innenstadt fürchteten. Das Aus für den Markt kam dann per RPVeto. Gut für Buschmann, dass ihm die Bürger-Ungnade in der späteren Fusions-Volksabstimmung machtpolitisch nichts anhaben konnte, weil er gerade erst wiedergewählt worden war - da allerdings nur noch mit 51,8 Prozent der Stimmen, einem im Vergleich zu den üblichen 70-ProzentMargen von Amtsinhabern im Odenwald ernüchternden Ergebnis. Wo dem Christdemokraten nun reibungsarme Regierungsjahre gutgetan hätten, ploppte stattdessen einer der größten Aufreger der stadtpolitischen Geschichte wieder auf: die B-45-Westumgehung. Weil die 2010/2011 aber mehr zu einer Zweitdurchquerung geworden wäre, folgte
Buschmann, statt der seitherigen Mehrheitslinie für das Projekt, der Argumentation einer Bürgerinitiative und schwenkte zur Ertüchtigung der bestehenden Strecke. Vom Parlament wurde diese Rochade zwar noch mit großer Mehrheit nachvollzogen, doch hinterließ die Umkehr ein weiteres Grummeln im Untergrund, das nach der zweiten Wiederwahl Buschmanns - nun erst in einer Stichabstimmung mit 52,7 Prozent - zum ständigen Begleiter der fälligen B-45-Modernisierung wurde. Zum lauten Grollen schließlich schwoll das Gemurmel an, als sich viele Gewerbetreibende, aber auch Bürger von den Folgen dieser Großbaustelle und der parallelen Herrichtung des Marktplatzes überfahren fühlten und für die angekündigte Sanierung der Hauptstraße befürchteten, noch einmal unter die Räder zu kommen. Ohne dass er es merkte, geriet mit all dem zunehmend der Bürgermeister selbst auf die Rolle, und zwar so, dass es ihn bei der nun fälligen Wahl aus dem Amt katapultierte. Nicht mehr halten konnte ihn dabei auch das, was er der Stadt mit seinem Wirken angeheftet hatte. Ob Neuaufstellung des Schlossbetriebs mit Integration des Elfenbeinmuseums, Modernisierung des Sportparks, Professionalisierung des Wiesenmarkts, Neugestaltung des Bahnhofs oder Umbaus der unteren Hauptstraße - die Handschrift Buschmann trägt heute vieles in Erbach, Was davon dem Gemeinwesen ohne Weiteres zum Nutzen gereicht und was der Nachbesserung oder gar der Korrektur bedarf, muss dabei erst die Geschichte erweisen. Hier sensibel zu bewerten und bedacht zu reagieren, gehört ebenso zu den Herausforderungen an den Nachfolger wie die Beseitigung der Probleme und Konflikte, die Erbach weiter umtreiben: Umbau und Verkehrsführung der Hauptstraße, Ausstattung und Nutzung des Marktplatzes, Wiederbelebung des Komplexes Werner-Borchers-Halle diese und manch weitere Themen werden Dr. Peter Traub erreichen: als Probe aufs Exempel, ob er anders wie sein Vorgänger dauerhaft ankommen kann in der Kreisstadt.