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Rowenta-Aus steht bevor: Bügeleisen aus besonderem Betrieb

Rowenta-Aus steht bevor: Bügeleisen aus besonderem Betrieb echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/odenwaldkreis/rowenta-aus-steht-bevor-bugeleisen-aus-besonderembetrieb_25568076 10. Juni 2022

Von Birgit Reuther Lokalredakteurin Odenwälder Echo Freitag, 10.06.2022 - 16:22 Deutschlands letzte Bügeleisenfabrik schließt: Die Erbacher Firma Rowenta stellt Ende Juli die Produktion ein. "Rowentaner" berichten von einem besonderen Unternehmen.

Qualität aus Erbach: Am Odenwälder Rowenta-Standort wurden vor allem Premium-Bügeleisen gefertigt. (Foto: Joaquim Ferreira)

ERBACH - „Es gibt Rowenta-Mitarbeiter, und es gibt Rowentaner. Als Letztere fühlen wir uns.“ So sagt es Cengiz Öz, der 1993 als Auszubildender in der Spritzerei des letzten deutschen Bügeleisen-Herstellers in Erbach angefangen hat und seitdem als Verfahrensmechaniker Spritzguss arbeitet. Der 47-Jährige ist überzeugter Kirchbromischer, wie er selbst betont – noch mehr aber ist Rowenta seine zweite Heimat und Familie. Von dieser Familie gilt es für 140 noch verbliebene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun Abschied zu nehmen. Für immer und in den allermeisten Fällen nach weit mehr als 20 Jahren Betriebszugehörigkeit: Die letzte in Deutschland verbliebene Bügeleisenfabrik schließt Ende Juli 2022 ihre Tore. Die Produktion wird schon einen Monat früher eingestellt, gegen Jahresende werden die Werkshallen an der Carl-Benz-Straße endgültig leer geräumt sein.

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Rowenta-Aus steht bevor: Bügeleisen aus besonderem Betrieb

Einst rund 130 Rowenta-Mitarbeiter Rowenta in Erbach, 1959 eröffnet, war das letzte Bügeleisenwerk in Deutschland; in Spitzenzeiten zählte man dort rund 1300 Beschäftigte. Das Unternehmen mit Hauptwerk in Offenbach / Main bot auch vielen Frauen sichere Arbeitsplätze, dies zeitweise in „Hausfrauenschichten“ wie auch in Heimarbeit. Aktuell sind es noch rund 140 Mitarbeiter, die von Januar 2021 bis jetzt rund 1,5 Millionen Premium-Bügeleisen gefertigt haben. Mutterkonzern ist seit 1988 die französische SEB-Gruppe, einer der größten Hersteller von Haushaltskleingeräten weltweit. Die Gruppe hat 34 000 Mitarbeiter in 150 Ländern und machte 2021 rund 8 Milliarden Euro Umsatz. Die Erbacher Produktionslinie wird nun in einem Werk in Frankreich wieder aufgebaut, von dort aus soll der EU-Markt bedient werden. Den günstigeren Dollar-Markt möchte SEB von China aus beliefern.

Betrieb nicht voll ausgelastet Wie berichtet, hat die Muttergesellschaft von Rowenta, die französische SEB-Gruppe, im Frühjahr 2021 beschlossen, den Betrieb wegen mangelnder Auslastung zu schließen. Die hochmoderne Erbacher Produktionslinie, wo ausschließlich Premium-Bügeleisen gefertigt wurden, wird abmontiert und in einem SEB-Werk in Frankreich wieder aufgebaut. Fast alle Mitarbeiter wechseln in eine Transfergesellschaft mit vielfältigen Qualifizierungsmöglichkeiten. Der zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat „in harten Stunden“ ausgehandelte Sozialplan und Interessenausgleich wird auch von der IG Metall als „sehr gut“ bewertet.

Bald ist endgültig Schichtende an der hochmodernen Produktionslinie: Das Rowenta-Werk in Erbach, Deutschlands letzte Bügeleisenfabrik, schließt. Im Hintergrund Mitarbeiterin Natalia Alekseev. (Foto: Joaquim Ferreira)

Es klingt viel Wehmut durch an diesem Vormittag im Zimmer des Betriebsrats, wo sich vier Rowentaner zum Gespräch mit dem ECHO eingefunden haben. Im Juli werden alle Kollegen Urlaub haben. Einige haben sich bereits verabschiedet, was sich seltsam angefühlt hat. „Inzwischen können wir wieder lachen“, sagt Cengiz Öz. Die anderen drei nicken: Betriebsratsvorsitzender Bodo Schwarz, Monika Bartmann und die wegen https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/odenwaldkreis/rowenta-aus-steht-bevor-bugeleisen-aus-besonderem-betrieb_25568076

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Rowenta-Aus steht bevor: Bügeleisen aus besonderem Betrieb

Krankheit online zugeschaltete Sabine Muhn. „Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten einiges mitgemacht, darunter drei Umstrukturierungen. Was jedes Mal sehr aufreibend war“, so Schwarz. „Doch wenn die Gebäude hier bis Ende 2022 ausgeschlachtet sein werden, wird das noch mal ganz schlimm.“ Schwarz, 57 Jahre alt, Energieanlagen-Elektroniker und seit 38 Jahren bei Rowenta, muss als verantwortliche Elektrofachkraft den Rückbau begleiten.

"Nicht nur ein Job" „Rowenta war und ist noch wie eine zweite Familie“ – das sagen auch die beiden Frauen: „Das war nicht nur ein Job, das war auch ein großer Teil unseres Lebens. Man fand Freunde, traf sich nach Feierabend, tauschte sich über Kochrezepte oder die Hausaufgaben der Kinder aus“, berichtet Sabine Muhn (56), die seit 38 Jahren Rowentanerin ist. „Aus Arbeitskolleginnen und -kollegen wurden Freunde. Ich hab’ hier immer gern gearbeitet“, sagt auch Monika Bartmann. Die gelernte Hauswirtschafterin wollte vor 42 Jahren nur ein Praktikum in der Kantine des Werks machen, fand danach aber einen Arbeitsplatz in der Produktion – und blieb. Als die Geschäftsleitung in jener Betriebsversammlung im Frühjahr 2021 die Schließung des Standorts ankündigte, brach für sie eine Welt zusammen. „Ich hatte gehofft, ich könnte bis zur Rente bleiben. Doch vielleicht haben wir trotz der stetig sinkenden Auslastung des Werkes nicht wahrhaben wollen, dass so einmal das Aus kommen wird.“ Immerhin hatten sich die Mitarbeiter, ganz Rowentaner eben, durchaus über ihren jeweiligen Arbeitsplatz hinaus Gedanken gemacht. „Es wird ja längst nicht mehr so viel gebügelt wie früher“, erklärt Monika Bartmann. Und Bodo Schwarz ergänzt: „Wir hätten hier deshalb gern ein zweites Standbein neben den Bügeleisen gehabt.“

Alles in Ordnung? Rowenta-Mitarbeiterin Isik Ergürbüz an der Fertigungslinie. (Foto: Joaquim Ferreira)

Das alles ist nun bald Geschichte. Eine Geschichte von Höhen und Tiefen, aber trotz allem eine des Erfolgs. „Wir sind nie stehen geblieben, waren immer am Puls der Zeit“, berichtet die Runde über „ihr“ technisch top aufgestelltes Werk. Cengiz Öz und Sabine Muhn nennen Beispiele: „Hier wurde neueste Elektronik verbaut, die eingesetzten https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/odenwaldkreis/rowenta-aus-steht-bevor-bugeleisen-aus-besonderem-betrieb_25568076

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Kunststoffe sind recycelbar. Unsere Geräte werden sogar repariert.“ Auch Abfalltrennung und -vermeidung und Arbeitssicherheit seien in Erbach stets gelebt worden. Und, was die vier oft betonen: „Wir hatten einen fairen und sozialen Arbeitgeber.“ Bodo Schwarz sagt es so: „Die Firma kümmerte sich um uns, wir kümmerten uns um die Firma.“ Nun hoffen die Odenwälder, dass das über Jahrzehnte in Erbach gewachsene Wissen in Frankreich weiterwirkt. Doch was wird für die Rowentaner persönlich kommen, wenn in Erbach die Werkstore geschlossen werden? Zu etwa 60 Prozent sind beziehungsweise waren dort nichtqualifizierte Kräfte beschäftigt, darunter viele Frauen. Zu ihnen gehört Monika Bartmann. Die 59-Jährige aus Bullau möchte nun einen PC-Kurs machen und hofft, „dass ich noch was finde“. Gute Chancen rechnet sich Sabine Muhn aus: Die 56-jährige Erbacherin fing einst ebenfalls in der Produktion an, qualifizierte sich dann betriebsintern weiter, arbeitete im Einkauf und, bis zuletzt, in der Qualitätssicherung. Auch sie lobt das breitgefächerte Qualifizierungsangebot, das den Beschäftigten ab August mit dem Wechsel in die Transfergesellschaft offensteht. „Wir haben ein Jahr lang die Chance, uns weiterzubilden. Ich sehe mich dann schon qualifiziert für ein größeres Spektrum Büroarbeit.“ „Es muss ja weitergehen“, meint Cengiz Öz (47) der auf seinen Verfahrensmechaniker den Industriemeister Kunststoff und Kautschuk draufsatteln will. Das geht ebenfalls über die Transfergesellschaft, hier konkret über sieben bis acht Monate Vollzeitschule. Auch er, den man äußerlich eher als „robust“ denn „zart besaitet“ einstufen würde, hat in diesen Tagen so seine emotionalen Momente: „Da guckste die Maschine an, an der du Jahre geschafft hast, und denkst: Hey, war toll mit dir!“ Und Bodo Schwarz, Elektriker und zuletzt freigestellter Betriebsratschef, wird er „mit bald 60“ noch was finden? Der Breuberger weiß um die Hürden, die sich da und dort auftun können: Vier-Schicht-Betrieb, Wochenendarbeit, lange Anfahrtszeiten. Viel mehr aber sorgt er sich um jene Kollegen, die trotz der Kämpfe um Sozialplan und Interessenausgleich nicht wissen, ob sie gesichert das Rentenalter erreichen können und ob es dann ausreichen wird. Denn solche Probleme gibt es eben auch bei den bald ExRowentanern. „Und unsere Gesetze sind da nicht immer eindeutig“, wie Schwarz bedauert.

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