Streit um Russland-Schau landet in.Michelstadt•de vor Magistrat | www.Presse-Echo.de

Page 1

21.10.22, 01:39

Streit um Russland-Schau landet in Michelstadt vor Magistrat

Streit um Russland-Schau landet in Michelstadt vor Magistrat echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/streit-um-russland-schau-landet-in-michelstadt-vormagistrat--2063082_25779633 20. Oktober 2022

Donnerstag, 20.10.2022 - 18:00 Nach dem Mitwirken eines Politikers mit AfD-Vergangenheit bei einer Ausstellung im Odenwald reißt die Kritik nicht ab. Luft gemacht hat sie sich im Michelstädter Kulturausschuss. Von Manfred Giebenhain

Die Russland-Ausstellung in der Michelstädter Odenwaldhalle mit der Beteiligung eines vormaligen AfD-Politikers an der Eröffnung hat mit einer Diskussion im Kulturausschuss die städtischen Gremien erreicht. (© Dirk Zengel)

Michelstadt - Ungeachtet der Distanzierung des russlanddeutschen Kreistagsabgeordneten Andreas Wagner von seiner ehemaligen Partei AfD zieht der Streit um dessen Mitwirken bei der Eröffnung einer Ausstellung zur Geschichte der Spätübersiedler in Michelstadt immer weitere Kreise. Diese haben sich inzwischen auf die Hinterfragung des gesamten lokalen Umgangs mit der Wanderschau ausgedehnt und die städtischen Gremien erreicht. Dabei haben die Kritiker der Vorgänge die jüngste Sitzung des Kulturausschusses zu einer so intensiven Auseinandersetzung mit Bürgermeister Dr. Tobias Robischon genutzt, dass dies sogar das Lieblingsthema der Michelstädter in den Hintergrund drängte: das Wohl und Wehe des Weihnachtsmarkts.

https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/streit-um-russland-schau-landet-in-michelstadt-vor-magistrat--2063082_25779633

1/3


21.10.22, 01:39

Streit um Russland-Schau landet in Michelstadt vor Magistrat

Wie berichtet, hatte die Stadt zwei Wochen lang in der Odenwaldhalle die offizielle Wanderausstellung zur Geschichte der Deutschen in Russland gezeigt. Verbunden war dies mit einer Eröffnungsfeier, zu deren Programm der über eine AfD-Kandidatur in den Kreistag gekommene, inzwischen aber als fraktionslos geführte Abgeordnete Wagner beitrug. Einigkeit bei der Bewertung des Komplexes bestand im Kulturausschuss darin, dass die Ausstellung selbst einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaftsbildung in der Stadt leistet, dies nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Vergangenheit, die für die Übersiedler aus der früheren Sowjet-Union mit „Diskriminierung, Deportation und religiöser Verfolgung“ (Robischon) verbunden gewesen sei. Ansonsten aber offenbarte die Besprechung des Themas reichlich Dissens, der über die nochmalige Hinterfragung der Einladung Wagners auf die gesamte praktischen Umsetzung der Ausstellung überging. In Zweifel gezogen wurden die Qualität von Planung, Bekanntmachung und Öffnungszeiten mit einer Spanne von 8 bis 16 Uhr an Wochentagen. Arbeitnehmerfeindlich sei dies gewesen, bekam der Bürgermeister vorgehalten.

Robischon: „Habe Herrn Wagner nicht eingeladen” Zudem wurde Robischon von mehreren Abgeordneten beschuldigt, seiner Verantwortung den Mitarbeitern der Stabsstelle Integration gegenüber nicht nachgekommen zu sein, die sich „in einem Hilferuf“ (Erster Stadtrat Roger Tietz, SPD) an Mandatsträger gewandt hätten. Sitzungsleiter Dr. Michael Hüttenberger (SPD) hatte alle Hände voll zu tun, um den nicht abreißen wollenden Redebedarf zu befriedigen und in Bahnen zu lenken, die zu einem erkennbaren Ergebnis führten. Im Ergebnis wurde der Magistrat beauftragt, den drei Mitarbeitern der Stabsstelle die Gelegenheit zu bieten, ihre Sicht der Ereignisse zu schildern und der alles entscheidenden Frage nachzugehen, wer die Unwahrheit in Bezug auf die Einladung Wagners gesagt hat. Das schloss Robischon auf Nachfrage für sich kategorisch aus: „Ich habe Herrn Wagner nicht eingeladen.“ In dem an die Öffentlichkeit gelangten Brief der Stabsstelle, die vom Bürgermeister mit der Durchführung der Ausstellung beauftragt worden war, hört dies sich anders an. Darin heißt es, dass die Stabsstelle, „zum Zeitpunkt des Verfassens der Einladung zur Ausstellungseröffnung nicht über die Teilnahme von Herrn Wagner informiert“ gewesen sei. Dies sei am 13. September gewesen.

https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/streit-um-russland-schau-landet-in-michelstadt-vor-magistrat--2063082_25779633

2/3


21.10.22, 01:39

Streit um Russland-Schau landet in Michelstadt vor Magistrat

Die Leiterin der Stabsstelle gibt an, vom Bürgermeister am 4. Oktober darüber informiert worden zu sein, dass der umstrittene Vertreter der Russlanddeutschen in der „Rolle des Nachfahren auftreten wird“. Wissen wollten Abgeordnete auch, wie es dazu kommen konnte, dass Michelstadt auf einen im Januar im Kreistag unter bestimmten Voraussetzungen einstimmig gefassten Beschluss, die Ausstellung im Jahr 2023 in den Odenwald zu holen, vorschnell und im Alleingang reagiert habe. Besser wäre es gewesen, einen offiziellen Vertreter einer Baptisten-Gemeinde aus Michelstadt als Repräsentanten einzuladen, befand auch Georg Walther (CDU), um andererseits festzustellen: „Wagner hat kein politisches Wort über die Lippen gebracht.“ Nach den Wortbeiträgen derer, die bei der Eröffnung anwesend waren, haben nur wenige Menschen daran teilgenommen. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Grüne waren demonstrativ ferngeblieben. Bei der Ausstellung sei es darum gegangen, „diese Mitbürger besser verstehen zu können“, so Louis Graf zu Erbach-Fürstenau (FDP). Zu Wagner ergänzte er, dass dieser bei der Eröffnung sich für Toleranz ausgesprochen habe. Der überwiegenden Mehrheit im Raum genügten diese Hinweise nicht, um das Thema zu beenden. Im Gegenteil: Neben dem Auftritt Wagners habe der Umgang mit den offenen Fragen das Image der Stadt schwer beschädigt. Bei Wagner handle es sich nach Meinung des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Dr. Jonas Schönefeld um eine Person, die auf der politischen Bühne durch ihre Nähe zu einer rassistischen Partei aufgefallen sei, die nicht ohne Grund als Gefahr für die Demokratie gelte. Wiederholt richtete er die Frage an das Stadtoberhaupt: „Übernehmen Sie die politische Verantwortung?“. „Ich hatte nichts dagegen und fand sein Auftreten als angemessen. Ich bin der Auffassung, dass Menschen sich ändern können. Herr Wagner hat sich klar von der AfD distanziert“, antwortete Robischon. Bernd Keller (ÜWG) warnte davor, die Sache in ein „politisches Spektakel“ entgleisen zu lassen und nahm den Bürgermeister in Schutz: „Es kann nicht sein, dass der Chef für alles den Kopf hinhalten muss.“ Sandra Allmann (CDU) sah dies anders und forderte Robischon dazu auf, „sich vor seine Mitarbeiter zu stellen“. Verärgert fügte Jutta Emig (SPD) hinzu: „Sie haben mit der Einladung Wagners der Stadt nichts Gutes getan.“ Am Ende bekräftigten etliche Abgeordneten die Entscheidung, dass die lückenlose Aufklärung des genauen Hergangs beim Magistrat in den richtigen Händen liege.

https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/streit-um-russland-schau-landet-in-michelstadt-vor-magistrat--2063082_25779633

3/3


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.