Tracks 1 16 (Januar/Februar 2016)

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No. 1/2016 Januar/Februar 6. Jahrgang

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Tobias Sammets

AVANTASIA COLDPLAY * PLACEBO * SHAKRA * BASTIAN BAKER * MEGADETH THE TEMPERANCE MOVEMENT * WITCHCRAFT * PHASED DREAM THEATER * ANNA ROSSINELLI * ERIC CHURCH * NIGHTWISH * Mテ傍LEY CRUE * DAVE MATTHEWS BAND * BLACKBERRY SMOKE PAPA ROACH/FIVE FINGER DEATH PUNCH * GOLDEN EARRING * SCORPIONS



Inhalt FEATURES / INTERVIEWS:

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COLDPLAY

Coldplay polarisiert. Von den einen als Bettnässer und Heulsusen geringschätzt, von den anderen innig geliebt. Nichtsdestotrotz gehören sie zu den erfolgreichsten Bands, die auf dem neuen Album beweisen, dass nach dunklen Zeiten nun wieder der Kopf voller bunter Träume ist.

- PLACEBO

12

Ohne Strom

- THE TEMPERANCE MOVEMENT

18

zünden die zweite Stufe

- ERIC CHURCH

20

zwischen Roots und Rock

- DREAM THEATER

22

Grossmeister

AVANTASIA

26

Mit seiner Band Edguy gehört Tobias Sammet zu den absoluten Top-Acts des deutschen Power-Metals. Sein bombastisches Nebenprojekt Avantasia hat sich aber derart gemausert, dass es inzwischen den Erfolg seiner Stammband bei weitem übertrumpft. Die Avantasia-»Opern» begeistern sowohl Power- wie auch Symphonic-Metal-Fans gleichermassen, die Liste der jeweils mitwirkenden Gäste besteht aus den Top-Acts der internationalen Rockszene und die Live-Shows bieten immer ein großes Spektakel. TRACKS sprach mit Tobias Sammet über sein neues Werk «Ghostlights».

- MEGADETH

30

Alte Stärke

- WITCHCRAFT

32

Maskenmänner der Metal-Zunft

Schweizer Szene: - PHASED

44

Basel doomt

- BASTIAN BAKER

42

Bodenständig

- ANNA ROSSINELLI

46

bittet zum Tango

- MUSIKKASSETTE

48

eine Legende kehrt zurück

SHAKRA

34

Dass Fox und Shakra jemals wieder gemeinsame Sache machen würden, galt nach den unschönen Nebengeräuschen, die mit der Trennung vor gut sechs Jahren zu hören waren, als unmöglich. Aber, wie in diesem Fall, sollte man nie nie sagen und als Resultat der unerwarteten Reunion legen die Emmentaler Rocker ein hammergeiles Album vor. Thomas Muster und Mark Fox über Gestern und Heute im Interview.

LIVE REVIEWS - MÖTLEY CRUE - NIGHTWISH - BLACKBERRY SMOKE - DAVE MATTHEWS BAND - PAPA ROACH/FIVE FINGER DEATH PUNCH

56 57 58 58 59

Reviews

-8

Mainstream/Indie/Alternative Anathema, ASP, Clutch, Gospelbeach, John Grant, Megaherz, Seal, Stacie Collins, The Gloria Story, Andy Summers, Voodoo Hill, Bloodwyn Pig, Coldplay, Placebo...

-24

Hard/Heavy/Metal Cage, Girlschool, Honeymonn Desease, Megadeth, Saxon, Serenity, Stryper, Witchcraft...

- 40

Swiss King Zebra, Phased, Strained Nerve, Bastian Baker, Shakra, Anna Rossinelli...

- 49

DVD/BluRay Anathema, Lenny Kravitz, The Sweet

- 50

Re-Releases Scorpions, Golden Earring, Led Zeppelin, Small Faces, Fanny, Overkill, Motorpsycho ...

- 54

Bücher Brian Jones/Rolling Stones, Willie Nelson, Queen

- 60 - 62

Konzertkalender Wettbewerb / Impressum

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Die Sache mit der Liebe Eineinhalb Jahre sind seit „Ghost Stories“ vergangen. Dennoch könnte sich das neue Coldplay-Album „A Head Full Of Dreams“ nicht stärker von seinem zermürbenden Vorgänger unterscheiden. Der Kummer ist vorübergezogen wie eine Wolke, dahinter kommt eine kolorierte PopWunderwelt zum Vorschein. Es sei Chris Martin gegönnt!


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bs. In einem Interview ließ Chris Martin einst einen denkwürdigen Satz fallen. „Die Menschen, die uns nicht mögen, hassen uns mit solcher Intensität, als wären wir das Dritte Reich.“ Es mag durchtränkt sein von englischem Humor. Die Essenz jedoch, die bleibt. Kaum eine Band wurde in den letzten Jahren so oft an den Pranger gestellt, kaum ein Leadsänger wurde derart mit Hohn überschüttet wie Chris Martin. Weil er emotional ist. Und sich nicht scheut, das in seinen Songs zu zeigen. „Musik für Bettnässer“, sagen Kritiker über seine Musik, „Heulsuse“ nennen ihn andere. Was viele dabei übersehen: Der 38-Jährige ist ein herzensguter, sanfter, liebenswürdiger und von ganzem Herzen guter Engländer, der den angeblichen Fehler gemacht hat, sein Herz auf der Zunge zu tragen und seine Band Coldplay im Laufe der Jahre musikalisch zu verändern. In diesem Artikel soll es um Coldplay gehen, um ihr neues Album „A Head Full Of Dreams“ und ihren Werdegang zu den Popstars, die sie heute sind. Sind wir davor aber mal einen kurzen Moment lang ehrlich. Jeder, der sich darüber aufregt, dass sich eine Band im Laufe ihrer Karriere musikalisch vorwärtsbewegt hat, versteht etwas Grundlegendes nicht. Kein Küchenchef, der etwas auf sich hält, würde jahrzehntelang immer nur dasselbe kochen, kein ernstzunehmender Winzer stets nur Altbewährtes in den Kellern reifen lassen. Fortschritt ist das Zauberwort, meinetwegen auch Evolution. Gäbe es die Evolution nicht, gäbe es uns nicht, unsere Autos hätten immer noch alles andere als runde Reifen und Raucher müssten so lang auf ihre nächste Kippe warten, bis mal zufällig irgendwo ein Blitz einschlägt. Wer jeden Tag zu McDonalds rennt, um seinen BigMac zu verspeisen, erwartet natürlich, dass der immer gleich schmeckt. Aber wer jeden Tag zu McDonalds rennt, sollte sich ernstlich Gedanken über seinen Lebenswandel machen. Nun, wo das gesagt ist, können wir uns wieder der Musik zuwenden. Coldplay sind natürlich nicht der BigMac der Musikindustrie, dieser Vergleich würde zu sehr hinken, doch sie teilen die Musikwelt in ähnlich rigorose Lager zwischen Fans

und Hatern. Diejenigen, die sich mit jeder neuen Häutung der Engländer anfreunden konnten, und diejenigen, die sich spätestens dann abwandten, als es zugegebenermaßen arg pathetisch, poppig und seicht wurde. Beides hat seine Daseinsberechtigung, aber um Himmels willen, wieso muss man seine Meinung bei einer solchen Bands stets vehement herausbrüllen, als hinge das eigene Leben davon ab? Ja, Coldplay sind schon lange keine melancholisch-verwaschene Alternative-Rock-Band mehr, ja, auf ihrem neuen Album „A Head Full Of Dreams“ geht es noch bunter, eingängiger und massenkompatibler zu. Das muss man nicht mögen. Dann sollte man einfach damit aufhören, diese Band zu hören, und sich das nächste Nörgelobjekt suchen. Gibt ja genug. Alle anderen können sich ruhig mal zurücklehnen und eine bemerkenswerte Karriere goutieren. So viel sei vorweg genommen: Ein genauer Blick in das Innenleben dieser Band, eine geduldige Sezierung dessen, was diese Band von Anfang an ausgemacht hat, fördert zutage, dass sich die Parameter in ihrem Wirken vielleicht geändert haben. Der Nukleus ist jedoch stets derselbe geblieben. Seit fast 20 Jahren. Spulen wir doch mal zurück, bis wir im Jahr 1998 landen. Noch war nicht abzusehen, dass aus der eher zufälligen Bekanntschaft zwischen Chris Martin und Jonny Buckland eine der größten Bands des Millenniums entstehen würde. Aus einem sporadischen Kontakt wurde durch Guy Berryman und Will Champion urplötzlich etwas, das man eine richtige Band nennen konnte. Eine Band, wohlgemerkt, die seit Tag eins in derselben Besetzung spielt, alle Höhen und Tiefen gemeistert hat und auch durch den schwindelerregenden Höhenflug nie aus der Bahn geworfen wurde. Wie viele Bands dieser Größenordnung können das von sich behaupten? Eben. Manch einer mochte sich an den behüteten Verhältnissen ausgelassen haben, denen Chris Martin entstammt. Gute Erziehung, christliche Werte, Höflichkeit, keine Drogen, nicht mal Alkohol oder Zigaretten. War das anders, als die braven Beatles auf den Plan traten? „Mein jüngerer Bruder ist der Coole von uns“, war von Martin oft zu hören. „Der Anti-Chris


sozusagen, ein rauchender und trinkender DJ.“ Diese vier wohlerzogenen britischen Studenten setzten andere Prioritäten, unterzeichneten noch vor ihrem Hochschulabschluss bei Parlophone Records – und waren wenig später die größte neue Band, die England zu bieten hatte. Ach, dieses Debüt. „Parachutes“ erreichte die Plattenläden am 10. Juli 2000, zwei Wochen zuvor hatte die erste Single „Yellow“ bereits das Land erobert. Wie immer bei raketenbetriebenen Karrieren passierte alles auf einmal, wurden Coldplay in den Orbit der Musikindustrie gefeuert. „Es fühlte sich an, als wären wir eine Kanonenkugel, die durch die Luft rast“, wird Chris Martin ein Jahr später zu ihrem kometenhaften Aufstieg sagen. „Einerseits denkst du: Wahnsinn, du fliegst! Andererseits fragst du dich aber, wann und wo du landen wirst.“ Daran hat sich auch 15 Jahre danach nichts geändert. Coldplay fliegen immer noch. Von den vielen unvergesslichen Momenten, den unzähligen auf ein nervöses Kammerflimmern zusammengeschmolzenen Ereignissen, Preisverleihungen und ausverkauften Stadien wird den Londonern ein Tag bis in alle Ewigkeit in Erinnerung bleiben. Ziemlich genau ein Jahr nach der Veröffentlichung von „Parachutes“ headlinen Coldplay im Sheperd's Bush Empire, der historischen Londoner Konzerthalle, in der schon Charlie Chaplin oder die Rolling Stones auf der Bühne standen. Auch Oasis-Rüpel Liam Gallagher ist anwesend, wird später ungewohnt bereitwillig zugeben, dass es diese Band und dieses erste Album waren, die in ihm den Wunsch entstehen ließen, auch wieder Musik zu schreiben. Das war eben schon immer das Besondere an dieser Band. Ihr Talent, todtraurigen Liedern ein gewisses Grandeur zu verleihen, der die feingliedrige Melancholie in Verbindung mit der Tendenz zu übergroßen Arrangements kraftvoll und euphorisierend schimmern lässt, ist bis heute unerreicht. Als RadioheadVerehrer wussten sie natürlich mit Tristesse und Elegie umzugehen, konterkarierten diese Emotionen dennoch mit einem unverhohlenen Drang zu Silberstreifen an fernen Horizonten. „Glückliche Menschen schreiben oft unglückliche

Lieder“, meint der Sänger dazu. Der einzige Rückschluss, den diese Aussage zulässt, ist, dass Chris Martin ebenso zwischen diesen beiden Polen oszilliert wie seine Musik. Coldplay und die Melancholie sind untrennbar verbunden. Dennoch werden ihre Stücke nie zu graufeuchten Trauerklöpsen. Es liegt etwas Erhabenes in dem andächtigen Pianospiel, in Chris Martins unverhohlen emotionalen Vocals, die sich gefühlvoll entfalten, und in Coldplays Talent für musikalische Dramaturgie. Das zeichnete jedes der bisher sieben Studioalben aus. Aufzuzählen, wie viele Rekorde sie brachen, wie viele Preise sie einheimsten oder wie viele Hitparaden sie anführten, wäre müßig, würde den Rahmen sprengen und tut ja eigentlich auch gar nichts zur Sache. Chris Martins Beziehung zu Gwyneth Paltrow eigentlich auch nicht. Eigentlich. Diese füllte aber eben nicht nur die Klatschspalten und Boulevard-Seiten, sie bestimmte auch den Inhalt vieler Coldplay-Stücke. Songs über seinen Sohn, über die Liebe zu seiner Frau, dann (auf „Ghost Stories“) Songs über die Trennung. Es folgte eine dunkle Episode in Martins Leben, eine abgesagte Tournee, ein Absturz, dann der Gang ins Studio. Es musste raus, alles musste eben einfach raus. Mittlerweile ist das neue Album „A Head Full Of Dreams“ erschienen. Und siehe da: Es sind Songs über die verarbeitete Trennung darauf zu finden, über den Neuanfang, über das Leben, über das Glück. Das mögen viele als kitschig abtun. Sie vergessen dabei aber eins: Kitschig waren Coldplay eigentlich immer. Dafür muss man sich nur mal die vor Schmalz durchaus triefenden Lyrics zu „Yellow“ durchlesen. Die Liebe war, ist und wird immer das sein, was Chris Martin umtreibt. Die große Frage ist nur, weshalb sich mittlerweile so viele darüber aufregen.

LIVE 11.+ 12. Juni 2016 Zürich, Letzigrund


REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative

COLDPLAY A Head Full Of Dreams Warner

bs. Früher war weniger Farbe bei Coldplay. Das trifft auf das prächtig kolorierte Cover von „A Head Full Of Dreams“ ebenso zu wie auf die Musik und wahrscheinlich auch Chris Martins Teint. Vorbei die Tage der Trauer, das Tal der Tränen scheint durchschritten, Gwyneth Paltrow in Form eines ganzen Albums genug beweint, abgehakt und ad acta gelegt. Zeit, weiter zu machen. Zeit, das Leben zu feiern. Zeit, Licht hereinzulassen. Wenn Coldplay früher poppigen Rock im melancholischen Breitbild-Format gemacht haben, dann machen sie jetzt funkigen Pop im beseelten Breitbild-Format. Die träumerische Aura der letzten Werke wird beibehalten, allerdings verstärkt auf Sequenzer und Keyboards gesetzt. Die Gitarre verkommt da endgültig zur Mangelware, aber wer auf einen erdigen Gitarrensound wert legt, ist bei dieser Band eh längst ausgestiegen. Gewöhnungsbedürftig ist „A Head Full Of Dreams“ hin und wieder allerdings durchaus. Die eine oder andere Nummer plätschert allzu seicht vor sich hin, reicht in ihrer Intensität und dem Effekt wohligen Schauderns nicht an frühere Werke heran. Diese Stücke sind aber in der Unterzahl, außerdem ist es den Engländern nach stapelweise melancholischer Tränenvergießer durchaus mal zu gönnen, dass es diesmal etwas leichter zugeht. Es muss aber auch erlaubt sein, die melancholische Tiefe und irgendwie anheimelnde Rohheit der frühen Tage zu vermissen.

ASP Verfallen Folge 1: Astoria SoulFood/MV em. Die im wunderbar gestalteten Booklet abgedruckte Kurzgeschichte „Das Fleisch der Vielen“ von Kai Meyer war Inspiration für das Konzeptalbum „Verfallen Folge 1: Astoria“. Alles dreht sich um das 1915 in Leipzig erbaute Hotel Astoria. Das Gebäude steht seit rund 20 Jahren leer. Einzig Staub, Geschichte und Mythos sind noch darin beherbergt, welche genug Stoff für ASPs neustem Output liefern. Das Album ist oberflächlich betrachtet ein GothicRock-Werk, welches Schattierungen von Doomelementen oder auch Tangoklängen aufweist. Der musikalische Kopf der deutschen Band, Axel Frank

8

Spreng, nimmt den Hörer mit auf eine Reise nach Leipzig in dieses Hotel Astoria. Kratzt man an der Oberfläche dieser 13 Songs, dann kommt eine Geschichte zum Vorschein, welche die Musik fast etwas in den Hintergrund drängt. Jedes Lied lässt sich zwar wie ein einzelnes Kapitel hören, aber erst als Gesamtsoundtrack zu diesem verfallenen Gebäude entfaltet sich die Wirkung. Die Kompositionen, die mit „Zwischentöne“ gekennzeichnet sind, haben aber zweifelsohne mehr Hörbuchcharakter, als die restlichen Vertonungen und lassen Bilder im Kopf entstehen, die einer längt vergangenen Zeit angehören. ASP haben mit „Verfallen Folge 1: Astoria“ ihre logische Weiterentwicklung zwar musikalisch hervorragend in Szene gesetzt, aber das grössere Lob verdienen sie für die Geschichte und die Idee dahinter. Diese Veröffentlichung als Hintergrundmusik zu konsumieren wäre sicherlich falsch, denn dafür ist die Story zu tief.

MEGAHERZ Erdwärts (EP) Napalm em. Eine Band wie Megaherz muss an dieser Stelle nicht mehr vorstellen. Die wohl grösste Konkurrenz für Rammstein hat sich in der Vergangenheit ihren eigenen Platz im Haifischbecken gesichert. Das letzte Album „Zombieland“ hallt noch immer nach, da schmeissen die fünf Herren eine EP namens „Erdwärts“ auf den Markt. Sechs Songs, davon vier brandneue und zwei altbekannte in neuer Aufmachung, gibt es als Überbrückung bis zum nächsten Longplayer. Der Opener „Wer hat Angst vor'm Schwarzen Mann“ haut schon richtig rein. Der Sound brettert, rockt, treibt und strotzt vor Kraft genau so wie das nachfolgende Stück „Ist das Verrückt“. Der dritte Track heisst „Glorreiche Zeiten“ und ist eine Midtemponummer, die nicht weniger überzeugt, als die Vorgänger. „Einsam“ ist dann tatsächlich etwas balladesk, aber nicht minder faszinierend, was auch an der schönen Frauenstimme liegt, die einfach toll rüberkommt und wirklich passt. Die beiden letzten Kompositionen „Teufel“ und „Jordan“ wurden einem Lifting unterzogen und dürften jedem langjährigen Anhänger gefallen. Diese EP„Erdwärts“ macht richtig Spass, ist mitreissend, spannend und einfach fantastisch! Ein äusserst gelungenes Appetithäppchen für das kommende Album und die Tour, welche die Truppe auch in die Schweiz führt. Das Ganze findet am Mittwoch, den 27. Januar 2016 im Z7 in Pratteln statt.

ELANDOR Loveless Mind Echozone/NonStopMusic em. Mittlerweile ist die deutsche Formation Elandor beim vierten Longplayer angelangt, der auf den Namen „Loveless Mind“ getauft wurde.

13 Songs (inklusive Intro) mit einer Spiellänge von 58 Minuten gibt es zu hören. Gothic Rock mit eigenem musikalischen Stil, fernab von den gängigen Klischees, wird angepriesen, aber die Realität sieht doch etwas anders aus. Tatsächlich mischen Elandor Dark-Rock-Lieder mit relativ vielen (und zuweilen sehr aufdringlichen) elektronischen Elementen, aber ein Alleinstellungsmerkmal fehlt, auch wenn die Band mit einer eigenen Violinistin auftrumpfen kann. Der Gesang von Sänger Markus wäre soweit ja auch ganz in Ordnung, wäre da nicht sein zum Teil gut hörbarer deutscher Akzent in seiner englischen Aussprache. Ein deutscher Track wie „Ohne Dich“ fällt deswegen positiv auf, aber das wäre es dann auch schon gewesen. Ansonsten bewegt sich der Frontmann einigermassen gut zwischen rockigen Klängen („Rising Fear“) und melancholischen Darbietungen („Her Song“ – ebenfalls deutsch gesungen) oder auch düster angehauchten Passagen („The Light“). Als Gesamtpaket verschwindet „Loveless Mind“ mit seinem Soundgewand allerdings im grossen Sumpf der Mittelmässigkeiten.

ANDY SUMMERS Metal Dog Cargo/Soulfood ub. Andy Summers neue Platte hat mit The Police genauso wenig zu tun wie mit seinen MainstreamAusflügen in der zweiten Hälfte der 80er. Auf eine Police-Scheibe schaffte es ohnehin bloss eine Handvoll von Summers Kompositionen, die den jazzigen Groove in die Band brachten und für viele Fans zu den Highlights des Trios zählen („Be My Girl – Sally“, „Behind My Camel“ oder „Mother“). Der inzwischen 73-jährige Brite wurde von Jazz und klassischer Musik beeinflusst und spielte mit Eric Burdon und den Animals die LP “Love Is” ein. Zwei Jahre vor Police war Summers 1975 an der orchestralen Darbietung von Mike Oldfields Opus “Tubular Bells” beteiligt. Das Singen war sein Ding nie, weshalb auch der neuste Output rein instrumental ist. „Metal Dog“ ist ein progressives und experimentelles Album, welches versucht, an die beiden stimmungsvollen Werke anzuknüpfen, die er mit Robert Fripp aufnahm und an eine Neuauflage der stilprägenden Meisterstücke von King Crimson erinnerten. Summers spielte diesmal alle Instrumente selbst ein. Improvisierte Spielereien loten die Grenzen zwischen Rock und Jazz aus. Verzerrte und chaotische Gitarrenklänge folgen auf repetitive Reggae-Muster („Animal Chatter“), bevor das Ganze in leicht tänzelnde Jazz-Grooves übergeht. Mit „Harmonograph“ lassen Emerson, Lake


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS & Palmer grüssen, doch die Pink Floydsche 70er-Mystik macht „Ishango Bone“ schliesslich zum Favoriten. Auch „Oceans Of Enceladus“ stimmt versöhnlich. Das Songmaterial ist bestimmt nicht jedermanns Sache und bisweilen ein Toleranztest für den Hörer. Wer hat heutzutage noch Zeit, sich auf solchen Sound einzulassen?

SEAL 7 Warner ip. Auf der einen Seite gibt es keinen, der mit so einer Samtstimme auf diesem Niveau rumschnulzt, wie Seal. (Ausser Engelbert. Der zählt hier aber nicht.) Auf der anderen Seite kann einem das durchaus auch auf die Nerven gehen. Auf der einen Seite ist „7“ ein Volltreffer und gefahrlos zu konsumierendes Album für Kuschelfreaks. Auf der anderen Seite taugt die Platte vor allem als Vergleichsmusik beim Kauf einer neuen Stereoanlage. (Im besten Sinne übrigens: Trevor Horns Produktion ist erhaben, Anspieltipp dafür ist das Highlight „Monascow“.) Auf der einen Seite schwooft die Nummer „Life On The Dancefloor“ ganz nett über die Tanzfläche. Auf der anderen Seite braucht auch das Seniorenheim Hintergrundmusik für den Tanztee. Auf der einen Seite ist „Padded Cell“ echt voll innovativ im Vergleich zum Rest des Albums. Auf der anderen Seite kann es nur ein „Crazy“ geben. Auf der einen Seite ist „7“ vergleichsweise abwechslungsreich geraten. Auf der anderen Seite will ein durchschnittlicher Seal-Fan aber eh nur einen weiteren Klon von „Kiss From A Rose“ hören. Auf der einen Seite ist es verständlich und tiptop, wenn der Sänger seine in die Brüche gegangene Beziehung verarbeitet und besingt. Auf der anderen Seite kann und will KEINER MEHR IRGENDWAS ÜBER HEIDI KLUM HÖREN! Auf der einen Seite ist „7“ eine schöne Untermalung für ein CandlelightDinner. Auf der anderen Seite möchte man dabei soviel essen, dass man danach Rosen kotzt. Auf der einen Seite ist „7“ ein Album, das Seal-Fans mögen werden. Auf der anderen Seite ist „7“ ein Album, um das alle anderen ruhig einen grossen Bogen machen können. Man altert in dem Fall nämlich nach Genuss dieses Werkes auf einen Schlag um gute zehn Jahre.

EAGLES OF DEATH METAL Zipper Down

Kolumne

Universal mh. Der Release des neuen und vierten Werks von Eagles Of Death Metal wurde leider überschattet von den schrecklichen Ereignissen am 13. November in Paris. Viel wurde bereits darüber geschrieben und das Geschehene wird uns bestimmt noch lange beschäftigen. Dieser Text soll sich jetzt aber auf die neue Musik einer sehr grossartigen Band beschränken. Josh Homme, seinerseits Mitbegründer von Bands wie Kyuss oder Queens Of The Stone Age, und Jesse „The Devil“ Hughes berocken, bereisen und bespassen die Musikwelt bereits seit dem Jahr 1998. „Zipper Down“ ist die silberscheibenförmige Personifizierung von musikalischem Mojo, akustischer Sexyness und arschkalter Coolness. Hughes und Homme haben das Album zusammen produziert, die Songs selber geschrieben (bis auf das Duran Duran-Cover „Save A Prayer“) und haben auch alle Instrumente zu zweit eingespielt. Witzige Interviews und kreative Sprüche sind bei EODM an der Tagesordnung. Kostprobe gefällig? So preist man seine neue Single an: „Der Song “Complexity“ ist das musikalische Äquivalent, wie wenn man eine glückbringende Hasenpfote in der Hand hält… mit dem unglücklichen Hasen noch dran.“ so Homme. Und Hughes ergänzt: „Der Song ist unser Weg zu sagen: Keep it simple, stupid!“. Weitere Anspieltipps sind das knackige „The Deuce“ oder das lockerflockige „Skin Tight Boogie“, bei dem die Freundin von Hughes Tuesday Cross mitsingt. Die folgende Info hat jetzt zwar nix mit dem Song zu tun, aber Cross war früher in der Filmbranche für Erwachsene tätig. Und somit gehören die letzten Worte nochmals Jesse Hughes: „Ihr sollt den Reissverschluss nicht hochziehen, Ihr sollt den Reissverschluss offen haben (engl. Zipper down) und alles raushängen lassen.“ Schön.

STACIE COLLINS Roll The Dice Blue Rose hh. Nach ihrem grandiosen Live-Album kommt das hübsche BluesharpBiest nun mit Studioalbum No.2. Und das ist wesentlich härter ausgefallen als ihr reguläres Debüt, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Stacie und ihr Bass spielender Ehemann Al, der hier auch als Produzent waltet, erst auf der Bühne so richtig die Sau rauslassen.

Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie von Christian Hug

Manson go home! Unseren lieben Freunden vom Schweizer Vierfarbenfernsehen fällt zu Marilyn Manson nichts Dümmeres ein, als den «Schockrocker» als «Übergott des Rock'n'Roll» zu bezeichnen (mit extrem lässiger Betonung des R bei «Rock» und einem langgezogenen Bonus-U nach dem O von «Roll»). Mal abgesehen davon, dass das organisationstechnisch gar nicht geht, weil darin sind sich die Christen, der IS und die Juden einig: Es kann nur einen Gott geben, und nichts steht über ihm (oder ihr). Also mal abgesehen davon hat Marilyn Mansons Musik nichts Göttliches beziehungsweise Ewiges beziehungsweise Schöpferisches an sich. Seine Alben sind zwar als Standard-Rock ganz okay. Aber in zehn Jahren wird niemand mehr seine Lieder nachsingen, weil sie einfach zu unbedeutend sind. In zehn Jahren wird Marilyn Manson seine Zeit mit Alice Cooper auf dem Golfplatz verbringen und hin und wieder in karierten Hosen ein Konzert geben, damit er sich neue Golfhandschuhe kaufen kann. Warum ich das weiss? Mal abgesehen davon, dass man mit ein bisschen Schminke im Gesicht und verschiedenfarbigen Linsen in den Augen allerhöchsten als Kleinkinderschreck durchgeht? Weil Herr Manson so offensichtlich sich selber demontiert, dass ihn nicht mal Kleinkinder ernst nehmen können. Denn: Ein Schockrocker jammert nicht in amerikanischen Talkshows, dass sich sein neues Album schlecht verkaufe, weil der letzte Highschool-Amokläufer vor dem Attentat seine Musik gehört hat. Ein Schockrocker geht auch nicht nach dem Konzert in den Hinterhof des Lokals und schneidet schwachsinnig Velopneus auf, wie letzthin in Zürich geschehen. Wie der «Blick» berichtete, soll er dabei «ich sterbe» gejammert haben, aber hey, philosophisch betrachtet wissen wir spätestens seit Sokrates, dass wir alle schon nach unserer Geburt mit Sterben anfangen. Ein Schockrocker verschüttet auf der Bühne nicht Kunstblut und sagt dann sein Konzert in Paris ab, weil er befürchtet, dass islamistische Suizidbomber erneut für echtes Shock-Treatment sorgen. Und dann noch dies: Da hat sich der Herr Manson letzthin doch ernsthaft darüber beklagt, dass ihm zu viel Aufmerksamkeit zuteil werde. In der «Zeit» darauf angesprochen, sagte er: «Rockmusiker, die sich über Aufmerksamkeit beklagen, haben ein paar grundlegende Dinge nicht verstanden. Trotzdem erwarte ich, dass Grenzen akzeptiert werden.» Grenzen akzeptieren bei einem Schockrocker, der im selben Interview Sätze sagt wie «Chaos ist befreiend»? Das ist dermassen bestürzend dumm, dass ich jetzt echt nicht weiss, ob ich darüber lachen oder weinen soll. Immerhin, etwas gelingt dem Schockrocker hervorragend: Er ist schockierend banal. Und so findet am Ende der Titel des letzten MarilynManson-Albums zu einer unverhofft enttarnenden Ehrlichkeit: Dieser Mann ist tatsächlich ein blasser Eroberer. Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass auch Bono Vox verboten werden sollte.

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REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative Pally’s kurz und knapp THE KOUKOUVAYA - This Is The Mythology Of Modern Death Thee Koukouvaya (kretische Eule) ist ein Duo um John O'Hara und Brian Wenckebach. Die Musik auf ihrem Debüt «This Is The Mythology Of Modern Death» ist nicht einfach zu fassen. Elektronische Experimente, pulsierende Zwischenspiele, Feen gleiche Stimmen, monotone Loops, rhythmische, zuweilen tanzbare Passagen wechseln sich ab, gehen ineinander über und geben dem geneigten Hörer wenig Halt. Manchmal klingt «This Is The Mythology Of Modern Death» wie der Soundtrack zu einem Experimentalfilm, dann ähnelt er wieder den Soundtracks zu Peter Weir Filmen («Mosquito Coast», «Picknick am Valentinstag»). «This Is The Mythology Of Modern Death» ist auf jeden Fall ein Werk, das nach eingängiger Beschäftigung verlangt. DWIGHT PEREIRA - Straw Der in Malaysia geborene Dwight Pereira ist mit der Musik von Charlie Rich, Johnny Cash, The Everly Brothers, Woody Guthrie, u.a. gross geworden. Später kam die Liebe zu Michael Jackson hinzu. Diese unterschiedlichen Einflüsse finden sich ebenso in seiner eigenen Musik. Auf seinem dritten Album «Straw» sind Folk, Folk-Pop, Gospel, Seemannslieder, Pop, Rock and Roll (unpassend und holprig), bluesige Elemente zu hören. Pereira singt dazu immer wieder über spirituelle und religiöse Themen. Am besten kommt dies in leisen, sanften Songs wie «Tara», «What Is It You Seek», «25» oder «Walk On Water» und im Duett mit seiner Frau Jo-Ann. In anderen Songs klingt seine Stimme etwas überkandidelt, theatralisch und uneben. Und die aufgesetzt wirkende Rock-n-Roll-Nummer «Jezebel» hätte er sich sparen können. OUGHT - Sun Coming Down Gitarre, Bass und Schlagzeug überschlagen sich (natürlich nur musikalisch). Eine Stimme krächzt «I Got Time, I Got Time.» Die Welt des kanadischen Quartettes Ought ist oft schrill und kakophonisch. In der Tradition von Bands wie The Fall (Sänger Tim Darcy's Stimme ähnelt der von Mark E. Smith), den frühen Wire und Sonic Youth präsentieren sie auf ihrem zweiten Album «Sun Coming Down» ihre Version von Post-Punk. Immer wieder intensiv, chaotisch, irritierend und vor allem spannend. JEREMY - Not Of This World Auf seinem neuen Werk «Not Of This World» zieht es den Amerikaner Jeremy Morris wieder vermehrt in Richtung Prog- und Artrock und Elektronik. Morris ist ja auch im Power Pop, Psychedelik und Jangle-Pop beheimatet. Die neun langen Songs (der längst dauert 17 Minuten) sind vielschichtig, versponnen und abwechslungsreich. Der fast 10-minütige Auftakt «Clouds Are Lifting» wird durch ein wunderschönes instrumentales Zwischenspiel unterbrochen, das für einen unerwarteten Kontrast sorgt. In «I Am The Eye» verblüfft der Multiinstrumentalist Morris mit einem David Gilmour mässigen Solo (übrigens nicht die einzige Anleihe an Pink Floyd). Und der 17minütige Abschluss «The Other World» ist letztlich eine poetisch vertrackte und vielschichtige Ehrerbietung an Gott (Jeremy Morris ist gläubiger Christ). ANY TROUBLE - Present Tense Any who? Any Trouble sind wahrscheinlich nicht mehr so vielen Menschen ein Begriff. Ihre Songs schon. Smokie coverten ihr «Northern Soul», Kim Carnes «Touch And Go» und Marti Jones «Second Choice». Ihr eigener Song «Trouble In Love» wurde gar in Island ein Nummer 1 Hit. Die Band um Clive Gregson veröffentlichte fünf Alben und löste sich 1984 auf. 2007 gab es das ComebackAlbum «Life In Reverse». Jetzt legt das Quartett mit «Present Tense» ein zweites nach. Die achtzehn Songs (!) belegen, dass Any Trouble nichts verlernt haben. Pop und Rock mit Herz, Charme und Melodie.

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Aber das soll den Wert dieser neuen Platte nicht schmälern, denn welcher Rockact bekommt seine Live-Power schon 1:1 im Studio reproduziert. „Roll The Dice“ ist in der Gesamtheit ein klasse Album in der Grauzone zwischen Roots-, Country- und Bluesrock – einfach treibender, kompromisslos gespielter und produzierter Rock'n'Roll. Dass exGeorgia Satellites Dan Baird hier in die Saiten drischt, ist nicht mehr als logisch – musikalisch surfen Collins und Baird ohnehin auf der gleichen Welle. Die 10 Songs brettern mit viel Druck durch die Boxen und sorgen bei Fans vorgenannten musikalischen Stilen für mächtig Spass mit Nachhaltigkeit. Lediglich wenn es im Song „Hearts On My Sleeve“ zu sehr in den Countrybereich abdriftet wird das Fahrwasser etwas flach, von Strandung kann aber dabei trotzdem nie die Rede sein, denn auch dieser Titel hat immer noch eine gesunde Klasse und Rasse. „Roll The Dice“ ist rundum gelungen, zeigt Stacie sowohl als Sängerin wie auch Bluesharpistin in Topform, was man auch auf die beteiligten Musiker ohne Wenn und Aber übertragen kann. Ehrlicher, handgemachter Rock'n'Roll – Rockerherz, was willst du mehr?

THE GLORIA STORY Greetings From Electric Wasteland Pirate Smile hh. Mit ihrem dritten Album gehen die Schweden ihren Weg unbeirrbar weiter – und der heisst Party-Rock'n'Roll. Und in diesem Genre sind die Favoriten des Quintetts deutlich auszumachen, als da wären die Granden der frühen 70er namens Slade, Kiss und Anverwandte. Wobei sich der Gloria Story Sound dabei in engerem Kontakt zu Slade bewegt. Nicht nur das gute Songwriting weist Ähnlichkeiten auf, sondern mit etwas mehr Dreck auf den Stimmbändern könnte Gloria-Sänger Filip Rapp glatt als der kleine Bruder vom ehemaligen Slade-Fronter Noddy Holder durchgehen. Das Rad erfinden die Schweden zwar nicht neu, aber die 12 Songs des neuen Albums machen durchweg Spass und werden auf jeder amtlichen Rockparty für allerbeste Stimmung sorgen. Für Fans vorgenannter Bands bis hin zu den Hellacopters und (mit Abstrichen) Hanoi Rocks ist „Greetings From Electric Wasteland“ allerbestes Ohrenfutter.

VOODOO HILL Waterfall Frontiers Records ip. Glenn Hughes ist die Stimme von Voodoo Hill, einem Projekt mit dem italienischen Gitarrenhelden Dario Mollo, das bereits seit 2000 existiert und mit „Waterfall“ das dritte Album veröffentlicht. Voodoo Hill geht deutlich gesetzter zur Sache als Hughes' letzter Output mit California Breed oder auch die göttlichen Black Country Communion. Mollo knüpft eine ordentliche Hardrock-Auslegeware für Hughes' unvergleichliche Vokalkunst und webt ein Melodic Rock-Muster erster Güte hinein. Ein ganz spezielles Mümpfeli ist „Underneath And Down Below“, bei dem vom Arrangement über den Gesang und die Emotion schlicht alles stimmt. Der Titeltrack startet als ruhige Ballade, türmt sich zu zwei mächtigen Wellen auf und passt mit einer guten Portion 80er-Feeling wunderbar in jede Arena. „Karma Go“ ist ein weiteres Goldstück, das behäbig, aber doch mit Groove und Swing durch die Anlage stapft. Und „Evil Thing“ packt einen mit einem richtig dunklen Riff am Nacken. Ach, Herrgott. Man kann ja über Hughes sagen, was man will. Aber der Herr hat ganz einfach und diskussionslos die beste Stimme überhaupt für erdigen Hardrock, in welche Richtung auch immer er sich bewegen mag. „Waterfall“ ist eine echt knackig-geile Platte geworden, das müssen sich auch Rockfans eingestehen, die BCC nachtrauern oder nägelkauend wohl noch länger auf die nächste California Breed Scheibe warten. Bei Voodoo Hill sind Maestros am Werk und die CD passt in jeden Player. Es gibt also überhaupt keine Ausrede, an „Waterfall“ vorbei zu manövrieren. Und man wird nicht enttäuscht, versprochen!

MIYAVI The Others Universal ip. Miyavi kommt aus Japan und veröffentlich t mit „The Others“ sein zehntes Studioalbum. In seinem Heimatland ist der Musiker vor allem durch seine Zeit bei der JRock/Visual Kei Band Due'le quartz bekannt, die zwischen


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS 1998 und 2002 Erfolge feierte. Ausser Genrefans dürfte er hier vielleicht auch Kinogängern in Angelina Jolies Film „Unbroken“ als Sergeant Watanabe aufgefallen sein. Der Musiker, der sich gerne optisch auch mal als Frau inszeniert, war allerdings bereits einige Male in Europa auf Tour, zuletzt in diesem Herbst. „The Others“ ist in der Basis ungefähr Indierock, der teilweise mit aussergewöhnlichen und hirnverdrehenden melodischen Momenten („Cruel“) ausgestattet ist, in der Mehrheit aber äusserst hitverdächtig aufgepoppt und –gefunkt („Come Alive“) wurde. Insofern passt „The Others“ locker in jeden Londoner Szeneclub und ins Auto von Leuten, die eine sympathisch schrummelige Gitarre mit Dancefloor-Rhythmen und fluffig-frechen Melodien zu schätzen wissen. Vor allem ist es nämlich Miyavis Gitarrenarbeit, die aus dem Crossover ein kleines Edelsteinchen macht, denn der Kerl kann echt anständig spielen und würzt mit bluesverdächtigen Einspielern auf der Telecaster seine Musik aus dem Einheitsbrei heraus. Hervorzuheben sind das satte „Into The Red“, das vorwärtstreibende „Let Go“ und der groovige Funkstampfer „Unite“. „The Others“ ist ein richtig frisches Album geworden, das man sich auch gerne mal anhören kann, wenn man nicht grundsätzlich auf Indie oder Dancerhythmen steht. Die Überraschung liegt nämlich im Mix, der Gitarre und der Leichtigkeit der Melodien. Flott!

WUCAN Sow The Wind Hänsel & Gretel ip. „TopsyTurvy HiggledyPiggledy Folk-BluesPsychStoner-Proto Metal-Soul with a pinch of confusion“, so beschreibt sich die Band selbst. Übersetzt heisst das soviel wie „Psychedelischer Stoner/Krautrock, der sich an Jethro Tull, Renft oder Birth Control orientiert, aber trotzdem eigenständig und female fronted ist“. Oder, noch einfacher: Selbstgemachter Retro mit Aha!-Effekt. Wucan sind nämlich nicht einfach Retro oder Vintage, sondern verlangen ihren Hörern auf jeden Fall Aufmerksamkeit durch Mut und Tiefgang ab. Das lässt sich auf dem vorliegenden Debut ganz einfach herauslesen, denn schon beim ersten Durchgang flattern einem

stellenweise der Hosenschlag und die Ohrmuschel. „Father Storm“ und „Owl Eyes“ sind heavy-doomig mit Black Sabbath-Anleihen. „Looking In The Past“ ist eine leichtere Nummer mit sehr, sehr hohem psychedelischem Anteil und in die man hineinfallen kann, wie in einen zeitlosen Wirbel. Man merkt der Band an, dass sie ihre Instrumente als Ausdrucksform nutzt und deshalb auch in Richtung Querflöte und Theremin expandiert. Dreh- und Angelpunkt ist allerdings immer Sängerin Francis Tobolski, deren charismatische Stimme an den richtigen Stellen die Wildheit des ursprünglichen Krautrocks vermittelt. Vor allem in der 15minütigen, an Jamsessions angelehnten Ode „Wandersmann“ tritt der musikalische Freigeist der Dresdner Band zutage. „Sow The Wind“ hat innerhalb der Szene, sowie auch in deren Randgebieten, bereits mächtig überraschenden Staub aufgewirbelt. Wer sich mit der experimentellen, hypnotischen Rockmusik der 60er/70er Jahre angefreundet hat, der wird mit Wucan seine helle Freude haben.

THE INEXPERIENCED Too Inexperienced Mental Groove Records rp. 528 Hz ist die Frequenz, welche angeblich die DNA und die Zellstruktur wieder in Harmonie bringen soll. Der gleichnamige Song auf dem zweiten Werk der Band um Alex Meadows (ehemals Electrasy) basiert auf dieser Frequenz. Sollte Mann oder Frau sich nachher besser fühlen, kann das an der besagten Frequenz liegen. Vielleicht tut aber einfach auch nur der feine Indiepop wohl? Mit «Too Inexperienced» ist dem Engländer ein feines und vielschichtiges Werk gelungen. Die Palette reicht von Progressive-Rock (inklusive Siebziger mässigem Keyboard-Solo), über zu Siebziger-Pop (bezaubernd, bezaubernd), Rock (nicht zu heftig), Funk (nicht zu funky), Indiepop, Brassrock, Indiefolk bis hin zu funkigen Achtziger Synth-Sounds (höre ich da Herbie Hancock?). Alex Meadows, der übrigens u.a für Tom Jones und Jamiroquai arbeitet, hat alles souverän drauf. Zu diesen musikalischen Rundumschlägen passt

«The Shorten Suite», in dem er McDonalds an den Karren fährt: «McDonald's Ain't A Food, It's A Weapon. Designed To Kill Your Body Slowly.» Sehe ich da eine Klage kommen?

GOSPELBEACH Pacific Surf Line Alive Naturalsound rp. Das US-Quintett vereint die Talente von Tom Sanford (Beachwood Sparks), Brent Rademaker (Beachwood Sparks), Jason Soda (Everst), Neal Casal (solo, Ryan Adams, Chris Robinson Brotherhood), und Kip Boardman (Solo, Tony Gilkyson), mit einem Gastauftritt von Nelson Bragg (n.a. Beach Boys, Brian Wilson). Kann da noch etwas schiefgehen? Nein! Gospelbeach, die mehr aus Zufall von Brent Rademaker und Tom Sanford ins Leben gerufen wurden, vertiefen sich auf ihrem Debüt «Pacific Surf Line» mehrheitlich in den Sound der 70er, in den kalifornischen im speziellen. Wunderbar sonnige Gesangsharmonien à la Crosby,

Stills, Nash And Young, ELO oder den Beach Boys, gewürzt mit einem laidback Westcoast- und Countryfeeling im Geiste von Little Feat, Poco, Buffalo Springfield. Dazu gesellen sich Jam mässige Momente wie (höre ich Grateful Dead oder die Allman Brothers?). Macht Spass und gibt gute Laune.

WILLIS EARL BEAL Noctunes Tender Loving empire rp. Klappt man das Digipack der neuen CD des Amerikaners Willis Earl Beal auf, steht da folgendes geschrieben: The Night Is Our Cocoon, That We May Spring Forth In The Dawn With New Wings.» Die Nacht als verwandelnde Kraft. Ebenso hüllen die Soundlandschaften von «Noctunes» den geneigten Hörer ein. Sie legen sich auf die Seele wie ein Schutz. Wie ein Balsam, der einem das Ungemach des Lebens fernhält. Und wacht man dann am Ende der zwölf Songs auf, fühlt man sich entspannt, erfrischt und auf seltsame Weise transfor-miert. Dazu benötigt Willis Earl Beal bloss seine soulige Stimme, die getragen wird von einem Keyboard-Teppich, der sie schwebend, fliessend und andächtig dahin trägt.


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Gegen den Strom Jetzt haben auch Placebo ihr eigenes „MTV Unplugged“. Es erscheint anlässlich des 20. Bandgeburtstags und markiert einen angemessen besinnlichen Karrierehöhepunkt für die Alternative Rocker um Brian Molko. Die wilden Jahre, die sind eben schon lang vorbei. An der bitteren Schönheit ihrer Musik hat das nichts geändert.

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bs. Es ist ja immer noch das romantisch verklärte Ideal eines jeden Rockmusikers unter dieser Sonne. Mal ganz allein durch die Lande ziehen, bewaffnet lediglich mit Gitarre, Stimme und einer ausgewachsenen Portion Weltschmerz. Ohne Strom, dafür mit Gefühl. Das Problem ist nur: Es können die wenigsten. Zieht man Bands den Stecker, trennt sich schneller die Spreu vom Weizen als das Meer vor Moses. Quality will tear us apart. Schnell wird klar, welche Bands nur mit einer ganzen Armada an Verstärkern, Boxen und Verzerrpedalen als Rückendeckung bestehen können – und welche richtige Musiker sind, die einen Song auch ohne Hilfsmittel meistern. Nackt, sozusagen. Der ehemalige Musiksender MTV nannte das Ganze „Unplugged“ und machte ein Format daraus, das Geschichte schrieb. In letzter Zeit durch fragwürdige Beiträge von Musikern wie Cro oder Revolverheld in Sachen künstlerischer Integrität verwässert, gaben sich in diesem Rahmen seit 1989 bereits Ikonen wie Eric Clapton, Bruce Sprigsteen, Nirvana, Bob Dylan oder Oasis die akustische Klampfe in die Hand. Jetzt wurden auch Placebo mit diesem Ritterschlag der Musikkultur geadelt. Das hätte angesichts des Status der englischen Alternative Rocker durchaus früher geschehen können, ergibt im Hier und Jetzt dennoch seinen Sinn. Anlass ist der 20. Geburtstag dieser hochemotionalen, seelisch instabilen, vielleicht wichtigsten Band der Generation X, die ihre Wurzeln in London hat. Hier, genauer gesagt an der Tube-Haltestelle South Kensington, alles andere als die schlechteste Gegend der englischen Hauptstadt, laufen sich Brian Molko und Stefan Olsdal erstmals zufällig über den Weg. Es ist der Beginn einer Freundschaft, die musikalische Bande knüpft und über zwei Jahrzehnte dazu führt, dass Placebo ebenfalls in London ihr „MTV Unplugged“ aufnehmen. Es ist die Stadt, in der alles begann, die Stadt, in der der Grundstein einer steilen Karriere gelegt wurde. Ortsgebunden waren Placebo dennoch nie. Am wenigsten ihr androgyner Sänger Brian Molko. 1972 als Bankierssohn in Brüssel geboren, eignete er sich schon als Kind eine kosmopolitische Weltsicht an, lebte im Libanon, in Schottland oder Luxemburg, ist heute in Frankreich zuhause. Seit langjähriger und bis heute einzig konstanter Mitstreiter Olsdal, ein Schwede, der ebenfalls in Luxemburg zur Schule ging, ist ähnlich rastlos wie Molko, teilt mit ihm bis heute eine Leidenschaft für London. Und für Musik. Ein Akt des

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Aufbegehrens gegen die Pläne seines Vaters, den Filius ebenfalls zum Banker zu machen, gipfelte in Brians Reaktion, sich die Fingernägel zu lackieren, sich zu schminken und Punk zu hören. Olsdal hatte als Sohn einer musikalischen Familie diese Probleme nicht, fand aber ebenso wie Molko früh gefallen an existenzialistischen, bedrückenden Themen. Was Placebo schon früh in ihrer Karriere zum Aushängeschild einer unsicheren, verängstigten und fehlgeleiteten Generation machte, waren ihre schonungslosen Texte. Teenage Angst, Drogen, sexuelle Probleme und fehlende Zugehörigkeit bestimmten das Frühwerk, schon das selbstbetitelte Debüt ging 1996 ungewohnt ehrlich mit Drogenkonsum, Selbstmordgedanken und dem Tod um. Das machte nicht nur auf emotional instabile Teenager Eindruck und verschaffte der Band bereits im Januar 1997 einen Auftritt bei David Bowies Konzert anlässlich seines 50. Geburtstags im New Yorker Madison Square Garden. Unter den erlauchten Gästen: Billy Corgan von den Smashing Pumpkins, Robert Smith von The Cure und The-Velvet-Underground-Legende Lou Reed. Es würde schon bald Alltagsgeschehen für Placebo werden, in einem Atemzug mit derlei großen Namen genannt zu werden: Ihre bislang sieben Studioalben haben sich weit über zwölf Millionen Mal verkauft, Stücke wie „Every You Every Me“ wurden zum Soundtrack einer ganzen Generation. Der Erfolg kam schnell. Der Erfolg traf die Band hart. Obwohl Placebo keine Teenager mehr waren, so waren sie eben auch noch keine gefestigten Erwachsenen, als sie zu den Posterboys der MTV-Generation wurden, zu Idolen, umschwärmten Stars und Lebensrettern fehlgeleiteter Fans. Ohne Spuren blieb das nicht. Trifft man Brian Molko heutzutage, würde man kaum glauben, welch ein Ekel der zierliche Mann früher gerne gewesen war. Insbesondere die Presse bekam sein Ego zu spüren, wurde in Interviews mit Ignoranz gestraft, mit abfälligen Bemerkungen, mit französischen Antworten auf englische Fragen. Rund zehn Jahre bestimmten Ausschweifungen, Suchtmittel, Exzesse und Egos die Band, vergifteten mehr und mehr die Stimmung. Dem Erfolg tat das keinen Abbruch. „Without You I'm Nothing“ und „Black Market Music“ erschienen ins schneller Fluktuation, Placebo hatten Fluidum, befanden sich in einer Blase, die auch noch „Sleeping With Ghosts“ 2003 einschloss. Dann implodierte alles. Das fünfte Album, bitter, aber passend mit „Meds“ betitelt, markierte einen traurigen Höhepunkt.


„Stefan und ich fragen uns beim Hören dieses Albums bis heute, wer von uns diesen oder jenen Song gespielt hat“, hat Molko vor einiger Zeit offen zugegeben. Vollgepumpt mit allem, was sie kriegen konnten, an der Flasche, innerlich zerrissen, am Ende. Die Konsequenz: Der langjährige Drummer Steve Hewitt verließ die Band. Schnitt. Zurück auf der Londoner Bühne bei den „MTV Unplugged“-Aufzeichnungen. Brian Molko ist ungewohnt gesprächig, lacht, scherzt, erzählt kleine Anekdoten zu den Stücken, begrüßt sogar Gastsängerinnen auf der Bühne, stimmt gefühlvolle Duette mit ihnen an. Besonderer Anlass hin oder her: So kennt man ihn nicht. Es ist der vorläufige Gipfel einer Entwicklung, die Molko in den letzten zehn Jahren Schritt für Schritt aus einem tiefen Loch herausholte. Schluss mit den Drogen, Schluss mit dem Suff, Schluss mit dem Narzissmus. Oder, sagen wir: So gut wie Schluss mit dem Narzissmus. „Mit Mitte 30 begann ich, mehr auf meinen Körper zu achten“, erinnert er sich. Höchste Zeit: Eine Dekade des Raubbaus hatte ihre Spuren bei ihm hinterlassen – körperlich wie geistig. „Ich praktiziere Yoga und meditiere, außerdem half mir die Geburt meines Sohnes sehr dabei, nicht nur an mich zu denken.“ Erstes Ergebnis dieses Selbstfindungsprozesses war „Battle For The Sun“ aus dem Jahr 2009. Auf einmal besangen Placebo nicht mehr nur die Ängste, Schatten und Dämonen. Sie erzählten von einem Weg, gegen sie anzukämpfen. Ihre ultimative Waffe in diesem Krieg mag nicht neu sein. Die wirkungsvollste ist sie aber immer noch: „Die Liebe ist unser höchstes Gut“, sagte Molko im Zuge des letzten Albums „Loud Like Love“. Da hatte die Band einen weiten Weg hinter sich gebracht. Von ihren Anfängen inmitten der Hochzeit des Britpop, den sie immer leidenschaftlich ablehnten, über ihre Episoden in Teenie-Magazinen bis hin zu der gereiften, endlich zur Ruhe gekommenen Rock-Band. Es ist viel Wasser die Themse heruntergeflossen, seit Molko und Olsdal ihre Liebe zu Patti Smith, Janis Joplin, Depeche Mode oder Joy Division erstmals in gemeinsame Songs kleideten. Viele kamen und gingen seither, viele zerbrachen an Ruhm, starben an Drogen, versanken in Bedeutungslosigkeit. Bei einer turbulenten Karriere wie der ihren ist es eigentlich erstaunlich, dass Placebo letztlich keines dieser Schicksale ereilte. Wenn man sie jetzt unplugged auf der Bühne hört, wird man feststellen, dass sie längst aus dem Gröbsten raus sind. Und irgendwie froh darüber sein.

PLACEBO MTV Unplugged Vertigo/Universal

bs. An Unplugged-Konzerten scheiden sich die Geister. Gleich mehrfach. Zum einen treffen die stromlosen Darbietungen niemals den Nerv aller Fans, zum anderen trennt sich bei den agierenden Bands allein aus qualitativer Sicht überdeutlich die Spreu vom Weizen. Pech für den, der es gewöhnt ist, sich hinter meterhohen Boxentürmen und verzerrtem Gitarrenlärm verstecken zu können. Verzerrte Gitarren, die kennt man auch von Placebo. Aber eben nicht nur. Allein Brian Molkos fragile Stimme, die gern so klingt, als würde sie gleich zersplittern wie dünnes Glas, ist wie gemacht für einen intimen, semiakustischen Konzertabend unter dem honorigen „MTV Unplugged“Mäntelchen. Als hätte das Trio das gewusst, sezierte es seine Songs, entzog ihnen die Essenz, um sie in neue Körper zu hüllen. Ja, es sind ohne jeden Zweifel immer noch Placebo, die da vor einer ergriffenen Londoner Kulisse spielen. Und auch wieder nicht. Das fiebrig-monotone „Meds“ wird zur stillen Piano-Ballade, „Evevy You Every Me“ durch die dänische Gastsängerin Majke Voss Romme zu einem intensiven Duett, dessen Dramatik an ein Kammerspiel heranreicht. „For What It's Worth“ greift den euphorisierenden Groove des Originals mit zuckenden Geigen kongenial auf. Was Joan As Policewoman aus „Protect Me From What I Want“ macht, ist nicht weniger als eine Neuerfindung des packendes Stückes. Und bevor der triumphale Schlussakt „The Bitter End“ ein letztes Mal Schwung in die Hütte, bringt, würdigen Placebo den großen Einfluss Pixies mit einer behutsamen Interpretation von „Where Is My Mind“. Toll. Und jetzt dann bitte die ganze Unplugged-Nummer auf Tour bringen, ja? Danke.

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REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative Meilenstein der Rockgeschichte

BLODWYN PIG Ahead Rings Out (1969) Island / A&M Records ub. Als Gründungsmitglied der Prog Rock-Legende Jethro Tull spielte Mick Abrahams im Sommer 1968 deren Debüt “This Was” ein. Der unverwechselbare Gitarrist geriet sich jedoch bald mit dem Flöte spielenden Wildfang Ian Anderson wegen musikalischer Differenzen in die Haare, sodass er die Band gegen Ende des Jahres verliess. Während Tull mit Kapitän Anderson dem Blues davonsegelte, nahmen Abrahams und seine neue Band Blodwyn Pig die wunderbare LP „Ahead Rings Out“ auf, die progressiven Blues mit JazzEinflüssen (durch den virtuosen Saxofonisten Jack Lancaster) kombinierte. Man höre hierzu „The Modern Alchemist”. In den USA wurde das Erstlingswerk mit abweichender Track-List und einem andersfarbigen Cover veröffentlicht: „Up And Coming” und das Jazz-Instrumental “Leave It With Me” fehlten auf der US-Version und wurden durch die kraftvollen UK SingleTracks „Walk On The Water / “Summer Day” sowie “See My Way” ersetzt. Wohl aus Platzgründen blieb den Amerikanern zusätzlich auch der Knaller „Sing Me A Song That I Know“ vorenthalten. Die akustische Ballade „Change Song“, die Abrahams in Cockney-Dialekt einleitet und seinen Kameraden und seiner Schwester im Gefängnis widmet sowie das ruhige “Dear Jill”, welches von Cameron Crowe im Film “Almost Famous” (2000) verwendet wurde, bilden einen angenehmen Kontrast zu den ansonsten vor Energie strotzenden Bluesrock-Stücken. Vom Auftakt “It's Only Love” mit Heavy Brass-Sound bis zum abschliessenden wilden Riffrocker “Ain't Ya Coming

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Home?” gilt „Ahead Rings Out“ ohnehin als vitales und zeitloses Meisterstück von vier unterschätzten Musikern. Die Platte war zudem der Startschuss einer über 40jährigen Karriere des damals erst 19-jährigen Produzenten Andy Johns (Led Zeppelin, Rolling Stones, Free), der sein Rüstzeug beim legendären Eddie Kramer (Woodstock, Jimi Hendrix) erlangte. In den Morgan Studios von London produzierte Johns für Blodwyn Pig und war gleichzeitig Tontechniker beim Zweitling “Stand Up” der Ex-Kollegen Abrahams. Im Spätsommer 1969 konkurrierten sich die beiden Alben in den UK-Charts. Nach dem zweiten Pig-Album „Getting To This“ (1970) verliess der Gründer seine eigene Band und feierte in den frühen 70ern mit der Mick Abrahams Band einige Erfolge; Bassist Andy Pyle wechselte zu Savoy Brown. Die ehemaligen Streithähne Abrahams und Anderson halfen sich mehrmals bei musikalischen Projekten aus, bis Abrahams ernsthaft erkrankte. Inzwischen steht der zähe Barde wieder auf der Bühne und veröffentlichte im Sommer 2015 das Solo-Album “Revived!”. Jack Lancaster ist heute Musikproduzent und lebt in Hollywood.

JOHN GRANT Grey Tickles, Black Pressure Bella Union rp. John Grant's drittes Album «Grey Tickles, Black Pressure» ist einiges entfernt vom Indiefolk seines grandiosen Debüt «Queen Of Denmark» (2010). Diese Entwicklung hat sich schon auf «Pale Green Ghosts» (2013) abgezeichnet. Immer mehr elektronische Elemente fanden Einlass in den Sound des ehemaligen Sängers der Indierockband The Czars. Sucht Grant eine passendere musikalische Sprache für seine von Schmerz gezeichneten Texte? Im distanziert kalten Elektrofunk «Snug Slacks» gibt er sich zynisch. Das wütende «Guess How I Know» irritiert/beklemmt mit harten Gitarren, übersteuerter Stimme, kreischender Elektronik und schonungsloser Offenheit: «Guess How I Know You Are Zombie Baby. Cause You Ripped My Heart Right Out Of My Chest». Natürlich hat Grant nicht ganz vom Indiefolk abgelassen. Dient er ihm in Songs wie im Titeltrack oder «Down Here» als Plattform für seine melancholischen Momente? «Grey Tickles, Black Pressure» ist eine emotionale Achterbahnfahrt, welche die bezaubernde Melancholie seines Debüts durchschüttelt und erweitert.

SOPHIE ZELMANI Everywhere Oh Dear Recordings rp. Gleich mit ihrem ersten, selbstbetitelten Album (1995) drang Sophie Zelmani in Schweden auf Platz 4 der Charts vor und erhielt einen schwedischen Grammy. Seit damals haben alle ihre Alben den Sprung in die schwedischen Charts geschafft, die meisten in die Top-10. Auch in der Schweiz hat die aus einem Vorort von Stockholm stammende Schwedin einige Erfolge aufzuweisen. «Memory Loves You» von 2007 schaffte es auf Platz 9 der hiesigen Charts, «The Ocean And Me» (2008) auf Platz 13. Dieser Erfolg erstaunt, sind ihre Musik und ihr Leben doch fernab von Glamour. Zelmani, die mit ihrem Mann zurückgezogen auf einer schwedischen Insel lebt, sucht nicht das Rampenlicht und will sich auch nicht verkaufen. Interviews vermeidet sie wenn möglich. Ihre intimen Folksongs, die immer wieder Country-Elemente einlassen, sollen für sich sprechen. Dies ist auch auf ihrem nunmehr elften Werk nicht anders. Die zwölf durchwegs behutsam vorgetragenen Songs lieben die Stille und die Nachdenklichkeit. Und auch die Texte, die Zelmani mit einer Stimme vorträgt, die jede Distanz zum Hörer aufhebt, sind unbedingt lesenswert. Da gibt es spirituelle Bekenntnisse wie in dem mit einem Hauch Gospel vorgetragenen «I Pray»: «Sometimes I'm

Just Someone Who Prays». Oder den Willen zur Vergebung wie im finalen Track «Forgivness».

WE ARE THE CITY Above Club Sinnbus rp. Für ihr neues, drittes Werk hat die kanadische Band We Are The City eine spezielle Herangehensweise gewählt. «Above Club» wurde komplett selbstproduziert und die Aufnahmen mittels permanenter Liveübertragung der interessierten Welt im Internet zugänglich gemacht. Dieser Ansatz hat offenkundig die Experimentierfreude des Trios angeheizt. «Sign My Name Like ?? ??? » sorgt mit seiner Schwere, den übersteuerten und verwischten Sounds für Irritationen, aber auch für reizvolle Kontraste. In «Club Music» tröpfelt der Sound trip-hop-mässig und stetig wie aus einem undichten Wasserhahn durch schwelgerische Keyboardsound-Wände, gestört, hie und da, durch Übersteuerungen. Und in «Lovers In All Things» wird das Abhacken von Sounds zur Song dominierenden Maxime erhoben. We Are The City sind aber nicht zu schade, in ihren Sound auch bekömmliche poppige Momente einfliessen zu lassen. «Cheque Room» lässt kurz Anleihen an die Beach Boys aufscheinen. Solche Momente verschwinden aber so schnell wie sie gekommen sind. Diese Unberechenbarkeit, Experimentierfreude, Intensität und Frische machen «Above Club» zu einem würdigen Nachfolger ihres letzten Albums «Violent».

ALLISON WEISS New Love Cargo Records kw. Allison Weiss macht Musik, die geradlinig und puristisch ist. Ihre kräftige, schnörkellose Stimme trägt mit dazu bei. Es ist der direkte Synthie-Pop, an dem man gefallen nimmt. Speziell für dieses Album ist eine kindliche Vorfreude, die wohl viele ansteckt. Und es ist ein wenig mädchenhaft, auch wenn sie selbst eher burschikos ist. Man spiele sich hierfür zum Beispiel “Back To Me“ an, das pulsierend und gut gelaunt ist. “Motorbike“ ist dagegen Punk pur. Mit Punk hat die junge Amerikanerin auch eigentlich angefangen. Wirklich angefangen hat es 2009 mit einem Experiment. Würden ihre Fans ihr Debut finanzieren? Das haben sie. Und nun steht sie mit dem dritten Album und einem Verlag am Start. Ihr Synthie-Pop ist immer noch ein bisschen von ihren Punkanfängen beeinflusst und das tut gut. Vielleicht ist das eine oder andere noch nicht ganz ausreift, akzeptabel sind die Songs allemal. Alles in allem kann Allison Weiss ganz zufrieden sein.


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS

CLUTCH PSYCHIC WARFARE Weathermaker

ip. Ihr vorheriges Album „Earth Rocker“ hatte zum Erscheinungstermin vor drei Jahren einen weiteren Fortschritt in Clutchs Songwriting markiert und die bisherigen Register noch ein Stück weiter aus dem Orgelkasten gezogen. Die allürenfreie Truppe aus Maryland ersetzte die Classic Rock-Teile ihres Grundsounds aus Stonerblues nämlich dazumal mit einer ordentlichen Kelle Heaviness und konnte sich damit behaupten. Mit „Psychic Warfare“ wird der Härtefaktor wieder ein wenig zurückgeschraubt und anstelle dessen geht das Quartett wieder etwas groovigere Wege. Der Opener „X-Ray Vision“ geht mit sattem Riff und straightem Beat in die Beine und wenn Drummer Jean-Paul Gaster das swingende „Firebird“ anstimmt, dann weiss man, dass Bonzo vor Freude weinen würde. Überhaupt, und das muss jetzt hier mal

gesagt werden, ist Gaster der beste Drummer der Welt. „A Quick Death In Texas“ hat einen sexy Schwung in den Hüften und powerbluest mit Schellenkranz im Refrain ähnlich geil wie „Cypress Groove“ vom legendären und auch schon gut zehn Jahre alten „Blast Tyrant“-Album. Den typischen Stop-andgo-Groove hat „Sucker For The Witch“ und der Nachfolger „Your Love Is Incarceration“ fährt die gleiche Strasse lang und nimmt dabei noch einige saucoole Gitarrenlicks mit. Und Gaster ist übrigens der beste Drummer der Welt. Das kurze „Doom Saloon“ ist der zerstörte Cowboy, der mit hängenden Sporen an die Theke schlurft und Whisky aus einem blinden Glas schluckt. Mit staubtrockener Atmosphäre und Tarantino-Westernverdächtig mündet das Intermezzo in „Our Lady Of Electric Lights“. Kontrastreich

geht es weiter, denn mit „Noble Savage“ ist der wohl flotteste Song auf „Psychic Warfare“ vertreten. Dem Album wohnt eine subtile Steigerung inne, die sich vom ersten bis zum letzten Song durchzieht und schwierig zu beschreiben ist. Jeder Song scheint seinen Vorgänger mit irgendeinem klitzekleinen Gimmick übertrumpfen zu wollen. „Behold The Colossus“ ist so zwar ein weiterer Powerblues, allerdings mit leicht erweitertem Songaufbau und sparsamen Gitarreneffekten. Knochentrocken führt einen „Decapitation Blues“ mit für Clutch-Verhältnisse exzessivem Mittelteil auf die Zielgerade und, Gaster ist übrigens der beste Drummer der Welt, „Son Of Virginia“ geleitet einen über sieben Minuten hypnotisch und leicht doomig zum Ausgang des elften Albums vom MarylandQuartett. Wer sich bisher noch nicht mit Neil Fallons begnadeten Texten, dem sparsam-wuchtigen Gitarrenspiel von Tim Sult und Dan Maines' erdig-zuverlässigen Bass auseinandergesetzt hat, der sollte das dringend und schleunigst tun. Denn Clutch sind eine der wichtigsten, weil authentischsten und souveränsten Bands, die es im Rockuniversum gibt. Und Jean-Paul Gaster ist der beste Drummer der Welt.


Ein Moment in der Zeit Wenn eine junge britische Rock-Band ein Konzert der Rolling Stones eröffnen darf, wenn ihr Sänger nach nur einem Album zum Jon-Lord-Gedenkabend in die Royal Albert Hall eingeladen wird, dann kann das nur eines bedeuten: The Temperance Movement sind die englische Rock-Band der Stunde! Gut, dass das ihr zweites Werk „White Bear“ auch musikalisch beweist.

bs. Manche haben es raus. Haben das gewisse Etwas. The Temperance Movement sind eine dieser Bands, die mit dem Bauch denken und den Kopf nur dann einschalten, wenn es wirklich nötig ist. Damit erinnern sie an die impulsiven frühen Werke von Led Zeppelin oder den Rolling Stones. Nicht unbedingt, weil sie ihren offensichtlichen Helden nacheifern. Aber eben, weil sie die Musik noch Musik sein lassen und sie nicht totdenken. Das beeindruckte auch die bereits erwähnten Herren Jagger und Richards so sehr, dass sie sich die jungen Briten gleich mal für zwei Support-Konzerte schnappten. Gitarrist Paul Sayer hat daran bis heute zu knabbern. „Als dieser Anruf kam, waren wir erst mal nur baff“, erzählt er überflüssigerweise. Wer, bitteschön, würde anders reagieren? Welche Rock-Band auf diesem Planeten träumt nicht von einem solchen Anruf? „Erst als wir wieder von der Bühne gingen, wurde mir eigentlich so richtig klar, was da gerade passiert war. Das war aber auch ganz gut so. Hätte ich zu viel darüber nachgedacht, wäre ich wahrscheinlich auf der Bühne in Ohnmacht gefallen.“ Da haben wir ihn. Den wichtigsten Baustein in der Karriere einer der aktuell interessantesten britischen Rock-Bands: Bloß nicht zu viel nachdenken. „The Temperance Movement hat keine Agenda in dem Sinne. Außer vielleicht, stets die bestmögliche Musik zu machen“, sagt Sayer dazu. „Sobald man zu viel darüber nachdenkt, leidet die Musik.“ Schreiben, aufnehmen und sich einfach keine Sorgen machen – klingt leicht, gelingt aber den wenigsten. Dabei ist es für den Gitarristen der Schlüssel zur bislang steilen Karriere seiner Band. „Das Verrückte ist ja, dass es da draußen tonnenweise gute Bands gibt, die allesamt viel mehr Erfolg verdient hätten. Wir sind eben ehrlich. Was wir sagen, meinen wir auch so, und aus irgendeinem Grund kommt das auch bei den Leuten an.“ Wo andere Bands Produkte sind, die zahlreiche Etappen und Instanzen durchlaufen müssen, ehe das Endprodukt auf den Markt kommt, schreiben The Temperance Movement Songs, stöpseln die Verstärker ein, nehmen sie auf und veröffentlichen sie. Hilfreich ist da natürlich die spürbare Chemie zwischen den Bandmitgliedern. Die war schon auf dem selbstbetitelten Debüt von 2013 offenkundig und erreicht auf dem Nachfolger „White Bear“ ein neues Level. „Wir merkten schon früh, dass uns als Band etwas Besonderes auszeichnete“, ist sich auch Sayer sicher. Lachend fügt er an: „Wir wussten eben nur nicht, ob das der Rest der Welt genauso sehen würde.“ Er tat es: Bei ihrer ersten Show kamen 20 Freunde, bei der nächsten waren es schon 100 überwiegend Fremde. „Wir stellten fest, dass wir nur genau so weitermachten mussten wie bisher, um größer zu werden. Und das taten wir.“ Paul Sayer klingt wie ein Mann, der sich selbst gar nicht so

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genau erklären kann, was da gerade mit seiner Band passiert, aber einen Teufel tun würde, es zu hinterfragen. Er surft die Welle – in vollem Bewusstsein darüber, dass man gewisse Dinge einfach nicht steuern kann. Und dass er die Band um sich hat, in der er immer spielen wollte. „Als wir The Temperance Movement gründeten, fühlte es sich auf einmal an wie ein Nachhausekommen“, schwärmt er. „All diese verschiedenen Typen, all diese verschiedenen Stile flossen da zusammen – in der Band, nach der wir alle immer gesucht hatten.“ Sie sind vielleicht keine Band, die seit Kindertagen zusammenspielt. Die musikalische Entwicklung, die jedes einzelne der vier Mitglieder durchlaufen hat, verlief dennoch deckungsgleich, als wäre man in derselben Straße aufgewachsen. „Wir haben alle dieselben Platten gehört – und zwar schon unser ganzes Leben“, meint Sayer. Wenn das mal nicht nach Schicksal klingt. Er grinst. „Es fühlt sich so an, ja.“ Dem Klischee der Tag und Nacht zusammen Unheil stiftenden Bande, die zusammen trinkt, lacht, weint und um die Häuser zieht, entsprechen die Rocker dennoch nicht. „Unser Sänger Phil Campbell lebt in Schottland, der Rest von uns in England, aber und eben auch nicht alle in London“, erklärt Sayer die geographische Situation. „Wir hängen nicht allzu viel miteinander rum, wenn wir mal nicht gerade auf Tour sind.“ Er überlegt kurz. Das waren wir die vergangenen drei Jahre aber eh nahezu ununterbrochen“, lacht er. „Wenn wir uns dennoch mal eine Weile nicht gesehen haben und wieder begegnen, fühlt es sich so an, als hätte man sich erst am letzten Abend verabschiedet. Wie Familie eben.“ Für den Mann an der Gitarre ist es vor allem die gemeinsame Vision, die sie stärkt und trägt. „Wir wollen alle, dass dasselbe mit uns und mit der Band passiert. Wir teilen unsere Motivation und unseren Anspruch, und das hilft uns auch durch schlechte Tage.“ Die waren in letzter Zeit nicht allzu zahlreich. Kein Blick zurück, Blinker rechts und ab auf die Überholspur. Wir fahren ja schließlich durch England. „Zurückgeschaut haben wir in der Tat nicht“, subsumiert Sayer die Albumaufnahmen zu „White Bear“. „Ebenso wenig würde ich aber sagen, dass wir uns musikalisch verändert haben. Diesmal ging es uns eher darum, andere Facetten unseres Stils zu beleuchten und mit etwas mehr Zeit ein etwas besseres Album schreiben.“ So etwas wie ein perfektes The-Temperance-Movement-Album wird es auch aus diesem Grund nie geben. „Ein Album ist immer nur ein Schnappschuss aus der Zeit, in der es aufgenommen wurde“, lautet Sayers These. „Es wird also nie das perfekte Album geben, weil eben jedes Mal andere Dinge im Vordergrund stehen. „White Bear“ zeigt uns als die Band, die wir zur Zeit der Aufnahme waren. So werden wir nie wieder klingen. Es ist nur ein Moment in der Zeit.“


THE TEMPERANCE MOVEMENT White Bear Earache/Nonstop Die Spannung war gross, ob die Briten nach ihrem grandiosen Debüt mit dem neuen Album noch eine Schippe drauflegen würden. Und, um es vorweg zu sagen, sie haben es geschafft. Gleich der Opener «Three Bulleits» donnert satt als Shuffle mit fetter Slide durch die Boxen, gefolgt von einem der Album-

Highlights «Get Yourself Free», ein krachender Rocker wieder mit toller Slide und herausragender Vocal-Hookline. Wie überhaupt Phil Campbell wieder einmal eindrücklichst klarmacht, dass er zu den derzeit besten Rocksängern überhaupt zählt. Im Vergleich zum Debüt kommen die Songs auf «White Bear» eine Ecke ausgereifter und mit vielen Überraschungen daher. Das bedeutet, dass die Tracks mit mehrmaligem Hören stetig wachsen. Musikalisch haben sich die zum Quartett geschrumpften Inselrocker ebenfalls weiter geöffnet, lassen hier und da psychedelische Einflüsse hören. Dabei bleiben

sie auf jeden Fall voll in der Tradition der grossen englischen 70er Bands wie Free, Faces oder Zeppelin verwurzelt, ohne die Vorbilder zu imitieren. Klasse Album ohne Ausfälle mit hoher Dynamik, klasse Band - nur die Produktion hätte etwas erdiger und direkter ausfallen können. Und, das nebenbei bemerkt, nur weil TM ihre Musik auf einer Bluesbasis aufbauen (wie eigentlich alle besseren Bands), heisst das noch lange nicht, dass TM, wie in verschiedenen Medien grundfalsch angemerkt wird, eine Bluesrock-Band im landläufigen Sinn sind. Oder zählt Adele jetzt auch zu den Bluesrockern, nur weil sie einen Blues im Repertoire hat?


ERIC CHURCH

Mit der dritten LP „Chief“ räumte der 38-jährige Eric Church im Sommer 2011 erstmals richtig ab. Das Album enthielt die Top-Hits „Drink In My Hand“ und „Springsteen“, wurde für zwei Grammys nominiert und machte den Country-Rocker zum Superstar der USSzene. In der Folge schaltete er mit „The Outsiders“ noch einen Gang höher. Doch Church, dem harten Rock der Gesetzlosen gleichermassen zugetan wie dem klassischen EinzelgängerCountry-Sound, veröffentlichte letzten November eine Überraschung in doppelter Hinsicht: Die Platte „Mr. Misunderstood“ schneite komplett unangemeldet und ohne Medienrummel herein und zeigt Church als tiefgründigen SingerSongwriter.

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ub. Eric Church stammt aus North Carolina. Das Gitarre spielen brachte er sich selbst bei und begann früh, eigene Songs zu schreiben. Nach dem Hochschulabschluss in Marketing zog es ihn nach Nashville, Tennessee, wo er es als CountryMusiker schaffen wollte. Mit Hilfe des Produzenten Jay Joyce (mit dem Church bis heute zusammenarbeitet) gelang es bald, einen Deal mit Capitol Records an Land zu ziehen. Bereits die Debüt-LP „Sinners Like Me“ von 2006 wurde ein beachtlicher Erfolg in den USA. Sowohl Kritiker als auch Fans mochten die Platte. Doch auf der ersten grossen Tour mit Rascal Flatts und Gary Allan wurde er aus dem Vorprogramm geschmissen, weil er jeweils zu lange spielte. Dennoch nutzte der Singer-Songwriter die boomende Country-Welle und legte den Zweitling „Carolina“ nach, der ihm zwei Top Ten-Hits in den Country-Charts („Love Your Love The Most“ und „Hell On The Heart“) einbrachte. Nach ausgedehnten Tourneen folgte im Juli 2011 die Platte „Chief“, durch die Church in Amerika den Status eines Superstars erreichte. „Drink In My Hand“ wurde die langersehnte Nummer 1-Single des Sängers, dessen Popularität indes im Stück „Springsteen“ gipfelte, da sich die Ballade erstmals auch in den Pop-Charts platzierte. Ausserdem wurde „Chief“ von der Country Music Academy zum besten Album des Jahres gekürt. Die darauffolgende Blood, Sweat and Beers-Tour (u.a. mit Blackberry Smoke) wurde im Manifest „Caught In The Act: Live“ festgehalten, das Anfang 2013 erschien. Den Rest des Jahres verbrachte Church damit, an seinem vierten Studio-Album zu arbeiten. Der Titeltrack der schillernden LP „The Outsiders“ kam dann so vehement und heavy daher wie die World Tour mit Dwight Yoakam, Halestorm und den Drive-By Truckers. „The Outsiders“ wurde das zweite Album, welches sowohl die Country- als auch die Pop-Charts anführte. Während sich die fünfte und letzte Single-Auskoppelung „Like A Wrecking Ball“ noch in den Hitparaden tummelte, veröffentlichte er klammheimlich einen neuen Markstein (mit exzellenten Songs wie „Knives Of New Orleans“): Das Album „Mr. Misunderstood“ kam im November 2015 völlig überraschend und ohne Medien-Hype auf den Markt. Vor dem Release fanden über 80'000 Kopien den Weg in die Briefkästen der verblüfften Mitglieder seines Fan Clubs The Church Choir. Nach den Arena RockExzesses von „The Outsiders“ klingt die eindringliche und seelenvolle neue LP wie eine Korrektur. Church ist keineswegs zum Provinzler mutiert, sondern auf den Boden der Realität zurückgekehrt. Der vielfältige Neo-Traditionalist schöpft auch moderne musikalische Einflüsse aus. Taylor Swift findet er dabei genauso brillant wie Hank Williams Jr., Little Feat oder Kris Kristofferson. Folglich bewegt er sich im Randgebiet zwischen traditionellem Country und Mainstream und kreiert so einen eigenen Americana-Sound. An seinen 2 ½ -stündigen Konzerten lässt er obendrein 70er-Klassiker wie Lynyrd Skynyrds „The Ballad Of Curtis Loew“ oder Bruce Springsteens „Thunder Road“ aufblühen. In den Staaten längst ein Stern am Country-Himmel, wagt Church im Frühjahr 2016 den Sprung nach Europa, ist erstmals live in der Schweiz und exklusiv im Kaufleuten Zürich zu erleben.

LIVE 6. März 2016 Zürich, Kaufleuten



Das große Staunen

LIVE 23. März 2016 Zürich, Kongresshaus

Manche munkeln schon jetzt, dass Dream Theater mit „The Astonishing“ eine Art „The Wall“ des Progressive Metal geschrieben haben. Und in der Tat: Allein der Umfang des dystopischen Konzeptalbums über die Kraft der Musik toppt die bisherige Karriere der Amerikaner. Und der Inhalt? Nun, der auch.

bs. Mit einem neuen Dream-Theater-Album verhält es sich wie mit einem betagten, anständig gelagerten Rotwein: Man braucht Zeit, Ruhe und die richtige Stimmung, um das Gebotene in seiner Gänze zu erfassen. Komplexe Tiefe, mannigfache Schattierungen, zahllose Schichten, hör- oder schmeckbare Wirkungsgeschichte, eine explodierende Fülle an Details und, am Ende eines Albums oder einer Flasche, die wohlige Gewissheit: Hier sind wahre Meister am Werk. „The Astonishing“ heißt dieses musikalische Gegenstück zu einem, sagen wir, 1982er Château Latour. Ein Doppelalbum mit 34 Stücken und einem eigens erdachten literarischen Universum dahinter, arrangiert mit komplettem Orchester samt Chor... da reicht so langsam auch ein Prädikat wie „episch“ nicht mehr aus. Wie man so etwas ersinnt, erschafft, aufnimmt, produziert und vollendet ohne dabei den Verstand zu verlieren? Nun, gar nicht. „Ich bin dabei tatsächlich verrückt geworden“, lacht John Petrucci, Bandgründer, kreativer Anführer und Gitarrist der amerikanischen Ostküstengröße. „Dieses Album ist unser bisher größtes

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und allumfassendes Projekt, das von Anfang an als Konzeptalbum in zwei Akten geplant war, um es in seiner Gänze in besonderen Locations zur Aufführung zu bringen.“ Die Planung eines solchen Opus Magnum ist das eine. Die tatsächliche Durchführung etwas ganz anderes. Sie kostete Petrucci und sein Team stolze zweieinhalb Jahre. „Es gab unendlich viele Puzzleteile, die zusammenpassen mussten – zumal wir von Anfang an ein richtiges Orchester samt Chor an Bord haben wollten. Eine enorme Menge Zeit ging also allein dafür drauf, all das zu planen und zu organisieren. Ich begann wie ein Drehbuchschreiber und erschuf die Story, danach machte ich mich Stück für Stück an die Musik.“ Warum man so etwas macht, mag sich nicht jedem erschließen. Akute Langeweile war es für einen wie Petrucci nicht, immerhin war er mit Dream Theater noch nicht dafür bekannt, sonderlich einfallslose Musik zu schreiben. „Mir schwebte schon länger vor, all meine künstlerischen Vorlieben in einem Projekt zu vereinen“, verrät der 48-Jährige seine Beweggründe. „Seit Jahren


schon sagen uns die Fans, dass wir unbedingt mal einen Film vertonen sollen. Natürlich hätten wir riesige Lust darauf, doch bisher hat uns einfach noch niemand angerufen!“ Das mittlerweile 13. Studioalbum der weltgrößten Progressive-Metal-Band erfüllt somit den Zweck, der Soundtrack für einen fiktiven Dream-Theater-Film zu sein. Filmreif sind Material und Story eh ohne jeden Zweifel, fast so was wie „Der Herr der Ringe“ des Prog Metal. „Ich liebe es, mit Musik Geschichten zu erzählen“, berichtet Petrucci weiter. „Ich bewundere „Tommy“ von The Who, liebe Iron Maidens narratives Element, die Rush-Storys oder Pink Floyds „The Wall“. Es ist aber auch einfach eine großartige Kombination: Die Rockmusik fesselt dich, dann hast du ein grandioses Artwork und bekommst in den Songs eine starke Geschichte erzählt.“ Ein gefundenes Fressen für ein Künstlerbiest wie ihn: Mehr als sowieso schon konnte er sich austoben, konnte aus dem Vollen schöpfen und sich an allen Fronten abreagieren. Er nickt begeistert: „Ich schrieb die Story, schrieb das Drehbuch, produzierte die Musik für die Band, das Orchester und den Chor. Jedes einzelne Bandmitglied konnte alle seine Stärken bis ins Äußerste ausspielen und glänzen wie nie zuvor.“ Er hält kurz inne. „Alles für dieses Gesamtkunstwerk“, sagt er dann. Und klingt mehr als nur ein wenig zufrieden damit. Kann er auch sein: Bei diesem Album stimmt alles. Kränkeln Konzeptalben oft an zerfasernder, verkomplizierter Musik oder einer schwachen Storyline, sitzt bei „The Astonishing“ alles, wo es sitzen muss. „Die Grundidee zu der Geschichte kam mir, als ich einmal mehr feststellte, wie wichtig Musik in meinem Leben war, ist und immer sein wird“, gibt der Komponist den Blick auf die Hintergründe frei. „Wie wichtig sie für unsere Kultur ist, für unser emotionales Wohlbefinden und dafür, uns ohne Worte zu verstehen.“ Davon ausgehend, verlagerte er die Handlung in eine dystopische Zukunft, in der der Kollaps der Gesellschaft dazu geführt hat, dass die Welt zurück in die Zeit des Feudalismus katapultiert wurde. „Wie in der Vergangenheit gibt es Kaiser und Kaiserreiche, unterdrückte Völker und übermächtige Alleinherrscher. Ebenso wie Roboter in der heutigen Arbeitswelt viele Arbeitsstellen ersetzen, stellte ich mir für diese Geschichte vor, dass Roboter auch die Künste übernommen haben“, erzählt er. „Was passiert mit einer Welt, die keinen Bedarf mehr an Künstlern hat, weil die Kunst von Maschinen erschaffen wird? Wie ein selbstfahrendes Auto, quasi. In dieser Welt sind künstliche Soundmaschinen, die sogenannten Nomacs, das Einzige, das noch Musik erschafft.“ Diese Nomacs sind auch auf dem Album zu hören, eine maschinelle, blecherne

Geräuschkulisse, die nichts Schönes hat. Wie Techno, könnte man mit böser Zunge unken. „Das hast du gesagt“, meint Petrucci grinsend und fährt fort: „Die Menschen sehnen sich mehr und mehr nach Veränderung, nach einem Wandel. Als eines Tages in einer weit entfernten Siedlung ein Junge mit der Gabe der Musik geboren wird, beginnt es. Die Menschen fragen sich, was das ist, das dieser Junge da von sich gibt. Warum fühlen sie sich so gut dabei? Musik entwickelt sich dann zum Katalysator der Revolution.“ Es ist eine schöne Geschichte über die Wichtigkeit der Musik, chronologisch erzählt und aufregend verzahnt. Schwer ist es nicht, biblische Messias-Untertöne herauszulesen. Ungewollt sind die nicht, bekräftigt Katholik Petrucci, allerdings sei „The Astonishing“ kein religiöses Album. „Ich bediene mich lediglich gewisser Themen und Geschichten, setze diese aber universell ein.“ Ebenso standen dystopische Standardwerke wie „Schöne neue Welt“ oder „Uhrwerk Orange“, aber auch modernerer Kram wie „Mad Max“ oder gar „The Hunger Games“ Pate für diese Zukunftsvision. „Mir gefällt die fiktive Vorstellung, dass irgendwas in der Welt katastrophal schief läuft“, so der Schöpfer. „Was wäre, wenn im Hier und Jetzt irgendwas völlig aus dem Ruder laufen würde? Das ist ein sehr inspirierender Gedanke – vor allem dann, wenn es wie in unserer Geschichte zu einem guten Ende geführt wird.“ Das passt zum Optimisten Petrucci, der bei allem Übel nie aufgehört hat, das Gute in der Welt zu sehen. Das ist auch der Musik zu verdanken. „Die Musik oder die Künste an sich bringen uns auf äußerst sonderbare Weise zusammen“, meint er. „Da zimmert irgendjemand in seinem stillen Kämmerlein etwas zusammen, und sobald du es als Wildfremder hörst oder siehst oder liest, löst es Emotionen in ihm aus. Ohne auch nur ein Wort zu sagen. Das ist etwas so Machtvolles und ein gewaltiges Geheimnis!“ Letztlich ist das auch ein Grund für den Titel dieses großen Werkes. „The Astonishing“ - das Erstaunliche. Und erstaunlich ist in der Tat vieles an diesem Doppelalbum. Die Geschichte, die Musik, die qualitative Leistung, das von David Campbell (ein Kerl, der an 450 Gold- und Platinalben mitgewirkt hat) arrangierte Orchester, das Artwork. Alles recht filmreif, mag man sagen. Sollte tatsächlich jemand einen Film aus dieser Geschichte machen, ist für John Petrucci schon heute klar, wer Regie führen muss. „Peter Jackson!“, sagt er wie aus der Pistole geschossen. „Wir denken eben gern groß.“


REVIEWS Hard/Heavy/Metal AVANTASIA

Metal Thrashing Mad mit Laurent BURY TOMORROW - Earthbound Der Fünfer aus dem Süden Englands ist im Modern Metal zuhause, einem Stil, der nicht mehr gerade dem Trend der Zeit entspricht, da alle in die 80er und 70er Jahre zurückschauen. Auf "Earthbound" kommt im weitesten Sinne perfekt produzierter, melodischer, moderner und ohne Ende groovender Hardcore zum Zug, der durchaus seine Momente hat. Allerdings hat man das Gefühl, alles schon bei anderen Bands gehört zu haben. CONAN - Revengeance Conan aus England spielen schwersten Doom mit etwas Slude-Elementen und sind mit Revengeance bereits zum dritten Mal am Start. Highlight ist der ultrafette Sound, der den sechs Doom-Hämmern die nötigte Durchschlagskraft verleiht. Diese Drei-Mann Band ist superheavy und trifft mit "Revengeance" voll ins Schwarze. Für Freunde des Slo-Mo Metals ein Muss. DEVILLE - Make It Belong To Us Die fuzzigen Stoner-Rocker von Deville gehen recht straight zu Werke, und haben genreübliche Verstrahltheiten ganz aussen vor gelassen, was der Scheibe nur gut tut. Das vierte Album der Schweden ist eine klasse Scheibe geworden, die sich perfekt als Soundtrack für einen Rock'n'Roll Abend eignet. Lohnt sich anzutesten, besonders für Freunde von Mustasch ode Spiritual Beggars. GONOREAS - Destructive Ways Die Formation aus der Region Zürich/Baden/Brugg zelebriert schnörkellosen Heavy Metal traditioneller Machart. Mit dem hohen Sänger Leandro, eingängigen Refrains, und der Abwechslung zwischen schnellen und Midtempo-Tracks könnte man glatt meinen, eine Teutonen-Metal Band zu hören. Gute und sauber produzierte Scheibe, welche internationale Vergleiche nicht zu scheuen braucht. LATE NIGHT VENTURE - Tychonians Late Night Venture schweben irgendwo in der Schnittmenge von Stoner Rock, Doom und Psychedelic. Die vier Dänen machen das derart geschickt, dass man zu keiner Zeit das Gefühl hat, blosse wenig inspirierte Soundcollagen serviert zu erhalten. Stattdessen knallen die sechs Songs ordentlich! Interessantes Undergroundalbum, das irgendwo Elemente der Bands Long Distance Calling und Monster Magnet enthält. OPETH - Deliverance & Damnation (Re-Release) /2CD & 2 DVD oder 4LP Die beiden famosen Alben aus dem Hause Opeth, welche ursprünglich als Doppelalbum erscheinen sollten und ursprünglich 2002 und 2003 released wurden, erfahren nun die ursprünglich angedachte Behandlung und werden im remixter Fassung (sowohl als Stereo-Mix als auch als 5.1 Mix) neu aufgelegt. Sowohl das vertrackte und recht harte „Deliverance“ wie auch das schlichtweg grossartige und ruhige „Damnation“ haben beide ihren Reiz und verdienen in der Diskographie der fantastischen Schweden um Sänger und Gitarrist Michael Akerfeldt einen ehrenvollen Platz. Very nice! THRESHOLD - European Journey Seit zwei Alben und der Rückkehr von Originalsänger Damian Wilson haben die Progster aus England wieder recht an Fahrt aufgenommen. Ihre letzten beiden Scheiben „March Of Progress“ und „For The Journey“ sind wahre Meisterleistungen des modernen und songorientierten Progressive Metals und auch live konnte die sechsköpfige Truppe immer überzeugen. Logisch, dass da wieder mal seit den 90er Jahren ein Live-Album herauszugeben war. „European Journey“ wurde im Herbst 2014 mitgeschnitten und kann ohne Bedenken empfohlen werden. Und am 20. Januar 2016 wird die Band wieder in der Schweiz zu sehen sein – im Kiff in Aarau.

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Ghostlights Nuclear Blast/Warner bs. Groß, größer, Avantasia. Was als einmaliges Projekt von EdguyKopf Tobias Sammet begann, ist längst zu einer der ganz großen Geschichten der Metal-Welt geworden. Metal-Oper, Bombast-Feuerwerk, spektakuläre Hymnenschlacht mit Starbesetzung. Auch das mittlerweile siebte AvantasiaWerk „Ghostlights“ zeigt, dass es durchaus ein Verlust für die Welt der sinfonischen Metal- und Rock-Klänge gewesen wäre, hätte Sammet das Projekt wirklich wie geplant nach einem Album zu Grabe getragen. Und das, wohlgemerkt, nicht nur wegen den zahlreichen hochkarätigen Gästen, die sich natürlich auch auf „Ghostlights“ eingefunden haben. Dee Snider von Twisted Sister, NightwishSänger Marco Hietala, Geoff Tate (Queensryche) oder Within-Temptation-Goldkehlchen Sharon den Adel sind ein paar der prominenten Namen, die von Sammet allerdings nie als Trophäensammlung erachtet werden. Vielmehr hat er ein Händchen, für seine Gäste stets den perfekten Song zu finden. „Master Of The Pendulum“ ist wie geschaffen für Hietalas markiges Organ, „The Haunting“ wird durch Dee Sniders kratzige Stimme erst so richtig gut. Ja, all das ist eine Materialschlacht mit megalomanischen Tendenzen, ja, es ist vielleicht ein wenig übertrieben, allein die Chöre des Openers „Mystery Of A Blood Red Rose“ 40 Stunden lang zu arrangieren. Aber wenn Tobias Sammet etwas macht, macht er es eben richtig. Und wer wären wir, dagegen etwas zu sagen? WITCHCRAFT Nucleus Nuclear Blast / Warner lg. Magnus Pelander (git./voc.) aus Örebrö/Schweden steht mit rundumerneuerter Mannschaft bereits zum fünften Mal mit Witchcraft albumtechnisch am Start. Der gut achtminütige Opener "Maelstrom" beginnt mit einem Querflöten-Intro, bevor ein sehr schweres Riff den epischen Song einleitet. Der irgendwie leicht zerbrechlich wirkende aber immer souveräne Gesang von Pelander setzt diesem ersten Highlight des Albums die Krone auf. Dann folgt der kurze und grossartige Doom-Rocker "Theory of Consequences" bevor es mit der ersten Single, dem coolen und durch Flöte etwas hippieesk wirkenden "The Outcast" weitergeht. Kernstück des Albums ist der 14-minütige Titelsong "Nucleus", der sowohl viele Doom- wie auch Psychedelicund sogar Ambient-Elemente enthält und in seiner Summe eine grosse Referenz an die 70er Jahre mit immer wieder aufflackernder Black Sabbath-Schlagseite darstellt. Eine leichtere Version eines solchen Songs bildet der fünfte Track "An Exorcism Of Doubt", das auch sehr gelungen ist. Weiter geht es mit drei kürzeren aber nicht weniger guten Songs. Das abschliessende "Breakdown" dauert dann wie der Titelsong knapp eine Viertelstunde, besteht aber im Kern aus zwei Songs: einem eher ruhigen psychedelischen Song und einem klassischen und sehr intensiven Doom-Song (mit Geige und coolen Chören). Ebenfalls ein Highlight. Mit Nucleus zelebrieren Witchcraft eine grossartig-entspannte Reise im Kosmos des psychedelischen Doom/Hard Rock. Ein Album voller Leidenschaft und Abwechslung, das süchtig macht. Das Album braucht allerdings ein paar Anläufe, doch nach einigen Hördurchgängen entfaltet sich die volle Kraft von "Nucleus".

SERENITY Codex Atlanticus Napalm/Universal em. Die Symphonic-Metal-Band Serenity aus Österreich bringt mit „Codex Atlanticus“ ihr fünftes Studioalbum auf den Markt,


welches die spannenden Welten zwischen Kunst und Wissenschaft thematisiert. Leonardo Da Vinci steht dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit. Mastermind Georg Neuhauser hat mit seinen Mitstreitern 11 majestätische Songs geschaffen, die typisch orchestral und pompös daherkommen. Messerscharfe Riffs und eingängige Melodien unterstreichen den Sound Serenitys noch zusätzlich. Temporeiche Nummern wie „Sprouts of terror“ duellieren sich mit Stücken wie „Iniquity“, die durch Rhythmuswechsel und abwechslungsreichen Spannungsbögen bestechen. Man hat sich hörbar Mühe gegeben, den Hörer nicht zu langweilen, was den Jungs von Serenity auch deutlich gelungen ist. Mit „My final chapter“ gibt es auch eine kraftvolle Ballade, die sehr solide klingt. Gefolgt werden die sanften Klänge von der Midtempo-Komposition „Caught in a myth“, die mit ihrem bombastischen Charakter gut in das Gesamtpaket von „Codex Atlanticus“ passt. Alles in Allem ist diese Scheibe kurzweilig, unterhaltsam und die Spielfreude der Band rundet das Soundgewand wunderbar ab. Ob sie aus dem Schatten der ganz Grossen dieses Genres treten können, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

SAXON Battering Ram UDR Music mv. Der Sommer/ Herbst 2015 hatte es wahrhaft in sich. Nach neuen Veröffentlichungen von Iron Maiden, Slayer, Motörhead und W.A.S.P. ist nun auch noch das britische MetalFlagschiff Saxon mit einem neuen Album am Start. Und bei Saxon muss sich mit Sicherheit niemand Sorgen machen um die Qualität eines neuen Outputs. Schliesslich liefern die Briten um Szene-Urgestein Biff Byford sehr regelmässig fantastische Alben ab und werden mit dem Alter weder lahmer noch zahmer. So ist auch „Battering Ram“ wieder ein klassisches Saxon Album geworden, welches mit viel Spielfreude und Power glänzt. Schon das Eröffnungsduo „Battering

Ram“ und „The Devil’s Footprint“ macht absolut keine Gefangenen. So muss traditioneller Heavy Metal klingen. Aber auch im rockigen Bereich können Saxon absolut überzeugen, der beste Beweis auf dem neuen Album ist dafür das mächtig geile „Destroyer“. Das schnelle aber trotzdem sehr melodiöse "Top Of The World" ist ein weiteres Juwel, aber auch „Stand Your Ground“ wird live mit Sicherheit die Hallen zum Glühen bringen. Zwar gibt es auch einige Songs, welche das hohe Niveau nicht ganz halten können, aber selbst diese sind immer gut und Langweile kommt definitiv nie auf. Dafür sorgen ganz speziell noch zwei besondere Songs. Zum ersten das abschliessende „Kingdom Of The Cross“, eine Nummer über den 1. Weltkrieg, welche eine Art vertontes Gedicht darstellt und eine sehr intensive Atmosphäre erzeugt. Absolut grandios gemacht und ein Highlight des Albums. Und zum zweiten der Bonustrack "Three Sheets To The Wind", welcher den Hörer mit seinem beschwingt-fröhlichen Groove direkt in ein rauchiges Pub irgendwo in England versetzt. Eine Mischung aus AC/DC und Nazareth, welche mit Sicherheit den Hörer zum Öffnen eines kühlen Biers animiert und extrem gute Laune macht. Und das gilt für das ganze Album, welches von Produzent Andy Sneap mit einem fetten Sound versehen wurde, welcher aber niemals zu modern klingt. Man darf sich auf die nächste Tour von Biff & Co. freuen und bis dahin kräftig „Battering Ram“ durch die Bude dröhnen lassen.

GIRLSCHOOL Guilty As Sin UDR Music mv. Girlschool sind der Prototyp aller All-GirlBands im Hard Rock/ Heavy Metal. Bereits seit Ende der Siebziger aktiv lassen sich die Damen um Szene-Original Kim McAuliffe einfach nicht unterkriegen. So gibt’s nach langer Wartezeit mit „Guilty As Sin“ endlich wieder ein neues Girlschool-Studioalbum (der letzte Release war ja „nur“ eine Neuauflage des Klassikers „Hit And Run“). Und das Feuer brennt definitiv immer noch, das macht das sehr geile Eröffnungstrio aus „Come The Revolution“, „Take It Like A Band“ und dem Titelsong schnell klar. Die Damen haben das Rocken nicht verlernt, beim treibenden „Night Before“

staunt man nicht schlecht, wie sehr die Songs teilweise an alten Zeiten erinnern. Dazu gibt es mit „Painful“ einen Ohrwurm par excellence und mit der Cover-Version des Bee GeesDiscohits „Staying Alive“ noch mehr Nostalgie-Feeling. Auch wenn nicht alle Songs perfekt zünden; das von Starproduzent Chris Tsangarides (u.a. Judas Priest) fantastisch veredelte Album macht Spass und dürfte alle Girlschool-Fans glücklich machen.

STRYPER Fallen Frontiers Records mv. Seit 1984 das Debutalbum „The Yellow And Black Attack“ von Stryper erschien polarisierten die Christen-Metaller immer wieder mit ihrem schrägen Outfit, den religiösen Texten und den Stageshows (Stichwort „Bibelschmeissen“). Die Musik hingegen war vor allem auf den alten Scheiben damals noch unantastbar und bot melodiösen Heavy Metal der Spitzenklasse. Leider wurde die Band dann immer poppiger und

1993 folgte der Split, als Grunge gnadenlos in der Szene aufräumte. Seit der Reunion Scheibe von 2005 sind die SweetBrüder und Gitarrist Oz Fox aber wieder voll aktiv und haben bereits einige tolle Scheiben veröffentlicht. Mit „Fallen“ folgt nun die bisher beste Platte dieser zweiten Bandphase. Schon das tolle Artwork, welches klar an den Klassiker „To Hell With The Devil“ erinnert, macht nostalgische Hoffnungen. Und tatsächlich sind Songs wie „Pride“, „Yahweh“, „Till I Get What I Need“ oder der bärenstarke Titeltrack eine würdige Fortsetzung der glorreichen Vergangenheit. Der Gesang von Michael Sweet, welcher natürlich Thrasher oder Death Metaller nach wie vor entsetzt davon rennen lässt, ist souverän wie eh und je, genau wie auch das grandiose Gitarrenspiel von Oz Fox. Stryper machen wieder, was sie am besten können, nämlich hochmelodischen, eingängigen Heavy Metal. Dazu gibt’s eine passende, glasklare Produktion und eine originell gewählte Coverversion (Black Sabbath‘s Klassiker „After Forever“). Für Fans der Band eine kleine Offenbarung.


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Der Metal-Dompteur

Sparen, sparen, alle müssen sie immer nur sparen. Dabei hat eine ordentliche Materialschlacht hin und wieder doch noch nie geschadet – sei es im Restaurant oder bei einem epischen Hollywood-Blockbuster. Das metallische Gegenstück zu einem millionenschweren Kassenschlager ist zweifelsfrei Tobias Sammets bombastische Metal-Oper Avantasia. Die schlägt mit „Ghostlights“ das nächste Kapitel auf – ausufernd, packend und hymnisch wie immer. Sparen sollen mal schön die anderen!

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bs. Ein ganz normaler Tag bei Tobias Sammet im Studio sieht ungefähr so aus: Käffchen, Lagebesprechung mit Produzent und Partner in Crime Sascha Paeth, letztes Feilen an Arrangements. Dann klingelt es. Hereinspaziert kommt Michael Kiske, während der prägenden Jahre Sänger des deutschen Heavy-Metal-Aushängsschilds Helloween. Was wäre der meisterliche Doppelschlag „Keeper Of The Seven Keys“ ohne sein unverkennbar hohes, ausdrucksstarkes Organ? Tobias Sammet sieht das genauso, nicht zum ersten Mal hat er ihn für seinen Metal-Bombastzirkus Avantasia an Bord geholt. Kiske kommt also herein, bekommt auch einen Kaffee in den Hand gedrückt, will heute einen weiteren Song für seinen guten Freund aufnehmen. Dennoch nörgelt er. „Immer muss ich die hohen Parts singen.“ Sammet zeigt wenig Erbarmen mit seinem Freund: „Du bist eben der beste dafür“, wird er sagen. Und meint es genauso. Kein Honig wird hier um den Mund geschmiert, kein musikalisches Ego gestreichelt. Das ist einer der Grundpfeiler im Wirken von Avantasia, der, ohne den alles zusammenbrechen würde. „In erster Linie geht es um die Musik“, unterstreicht Sammet, „alles andere kommt danach.“ Alles andere, das ist im Falle von Avantasia eine mittlerweile

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äußerst beeindruckende Schar an Gästen, die sich bisher auf einem der Alben eingefunden hat. Der eine oder andere erfüllte Traum ist dabei, das gibt Edguy-Frontmann Sammet unverhohlen zu. Aber: „Avantasia ist keine Trophäensammlung!“ Natürlich freut sich der Musiker riesig darüber, dass Klaus Meine oder Alice Cooper in der Vergangenheit bei Avantasia zu hören waren. Tatsächlich aber immer nur dann, wenn der Song danach gefragt hat. Jüngstes Beispiel ist der Opener des aktuellen Epos „Ghostlights“ und gleichzeitig die Lead-Single des Werkes, „Mystery Of A Blood Red Rose.“ Eindeutig ist hier Sammets Liebe zu Meat Loaf zu erkennen, lange Zeit sah es sogar so aus, als würde der Kultsänger die Nummer intonieren. „Dann kam ihm leider sein eigenes Album dazwischen“, drückt Sammet ehrliches Bedauern aus. Grämen sollte er sich nicht. Die Besetzung des aktuellen Albums liest sich auch ohne den Fleischklops mehr als bemerkenswert. Dee Snider von Twisted Sister, Jorn Lande, Geoff Tate von Queensryche oder WithinTemptation-Frontelfe Sharon den Adel sind einige wenige der KünstlerInnen, die dem Ruf des Metal-Dirigenten gefolgt sind. Einen Wunschzettel hat er allerdings nicht, betont er, immerhin wisse er ja nie vorher, wie dieser oder jener Song letztlich klingen


wird. „Gegen Paul Stanley oder Bruce Dickinson hätte ich dennoch nichts einzuwenden“, fügt er lachend an. Kann ja alles noch werden, auch bislang ist dem 38-jährigen Mastermind aus Fulda so ziemlich alles geglückt, was er angefasst hat. Seine Band Edguy gehört zu den erfolgreichsten deutschen Metal-Acts, auch sein SoloUnterfangen entwickelte sich schnell zur Sensation. Dabei sollte längst Schluss sein, ursprünglich waren nur die beiden Teile von „The Metal Opera“ geplant. Dann jedoch kam das Leben dazwischen, sozusagen: „Einige Jahre nach dem zweiten Album fiel mir auf, dass ich ein solches Projekt mittlerweile ganz anders angehen könnte“, blickt Sammet zurück. „Ich hatte deutlich mehr Kontakte und mehr Budget von der Plattenfirma, was es mir ermöglichen würde, das alles deutlich größer aufzuziehen. Ich könnte das Album beispielsweise vom KISS-Schlagzeuger einspielen lassen, dachte ich mir, opulente Videos drehen und so weiter.“ Das war ein derart reizvoller Gedanke für ihn, dass er wie von selbst anfing, wieder zu komponieren. „Ich merkte, dass es

«Kreativ sein ist keine Arbeit, das ist ein Geschenk.»

keine Grenzen gab. Das war schon verrückt und verdammt beflügelnd.“ Tatsächlich trommelte Eric Singer von KISS das dritte AvantasiaAlbum „The Scarecrow“ ein. Und das war noch nicht alles, wie er weiterplaudert. „Irgendwann kam dann das Angebot, das ganze Ding auf Tour zu schicken und Wacken zu headlinen.“ Er pausiert, wirkt irgendwie immer noch ungläubig. „Das überforderte mich. Für mich ging es nicht klar, dass sich tausende Musiker im Proberaum abrackern, um überhaupt nur ein einziges Mal auf diesem Festival zu spielen, während uns einfach so ein Headliner-Slot angeboten wurde.“ Sein Umfeld überzeugte ihn, dass nur ein Wahnsinniger ein solches Angebot ausschlagen würde, also nahm er mit Avantasia die Hauptbühne im Sturm, beschloss danach ein weiteres Mal, das Projekt zu Grabe zu tragen. „Mir war klar: Besser wird's nicht. Im Eifer des Gefechts verkündete ich das Ende, bereute es aber ziemlich schnell.“ Mittlerweile hat Sammet daraus gelernt, hält über etwaige Zukunftspläne einfach den Mund, bis es etwas Spruchreifes zu verkünden gibt. Ob oder wann ein neues Album kommt, ist derzeit also völlig unklar. Mit dem abermals treffsicher inszenierten und sehr hymnenlastigen „Ghostlights“ sorgt der Queen-Fan allerdings zunächst mal für reichlich neuen Gesprächsstoff. Und überrascht abermals mit hohem Tempo: Im März 2013 erschien mit „Mystery Of Time“ das letzte Avantasia-Werk, ein Jahr später traten Edguy mit ihrer herrlich überzogenen „Space Police“ in höchsten Chartregionen in Erscheinung. Dazwischen überdies reichlich Tourneen und Festivals. Wie er das schafft? „Indem ich den eigentlichen Kreativprozess nicht als Arbeit empfinde“, meint er salopp. „Kreativ sein ist keine Arbeit, das ist ein Geschenk. Irgendwann werde ich natürlich auch mal das Tempo rausnehmen, doch weil das im Umkehrschluss bedeutet, dass ich dann auch weniger Musik machen kann, wird das eventuell noch dauern.“ Man merkt, dass es Sammet derzeit einfach viel zu viel Spaß macht. Bei Edguy ist das der Verbund jahrelanger guter Freunde, bei Avantasia die vollkommene Freiheit und künstlerische Hoheit. „Das Schöne an Avantasia sind die kurzen Dienstwege, weil ich niemandem Rechenschaft schuldig bin“, nickt der Komponist. „Sascha Paeth ist natürlich ein enorm wichtiger Bestandteil dieses Projekts, weil er mit mir reflektiert, mir beim Arrangieren hilft und mich immer wieder auf gewisse Dinge aufmerksam macht. Unterm Strich habe ich bei Avantasia aber alles in der Hand, also kann ich alles aus dem Bauch heraus entscheiden.“ Selbst die Plattenfirma hat das Album zwei Tage vor diesem Interview erstmals gehört, Sammet lässt sich da nicht reinreden. Das ist auch der größte Unterschied zu Edguy, betont er. „Bei Avantasia fließen 100 Prozent der Energie in Kreativität und Produktion, bei Edguy fließen 90 Prozent in die Diskussion darüber, was wir tun sollen. Das macht es natürlich nicht schlechter“, lacht er, „aber ein wenig anstrengender.“

LIVE 24.+25. März 2016 Pratteln, Z7

Avantasia-Alben hat er in der Regel also deutlich flotter durchexerziert als Edguy-Platten, allerdings erweist sich eine gewisse logistische Komponente bisweilen als mordsmäßig zeitraubend. „Es kann dauern, ein Management zu überzeugen, dass der Ruf ihrer Künstler nicht völlig im Arsch ist, wenn sie bei diesem Projekt mitmachen“, meint er schmunzelnd. Geschadet hat das bislang noch niemanden. Im Gegenteil: Natürlich ist es auch die eklektische Schar von Ausnahmekünstlerin, die den Reiz dieses Projekts ausmacht. Und das wohlgemerkt für den Initiator ebenso wie für die Fans. Die können sich schon jetzt auf eine Tournee freuen, die zahlreiche der auf „Ghostlights“ vertretenen Gäste im Schlepptau hat. Michael Kiske, Jorn Lande, Amanda Somerville, Sascha Paeth, oder Eric Martin von Mr. Big sind einige der dauerhaft präsenten Köpfe, von einer dreistündigen Avantasia-Show ist derzeit die Rede. Tobias Sammet macht eben das, was er will. Seit über 20 Jahren. Das hat ihn ganz nach oben gebracht. Dass das nicht ewig so weiter gehen kann, weiß er natürlich trotzdem. „Man muss sich aber vor Augen halten, dass man gewisse Dinge nicht unter Kontrolle hat. Also tue ich das, was ich für richtig halte. So war es damals auch mit Edguy. In unseren Anfängen wurden wir von vielen Labels freundlich, aber bestimmt abgelehnt, weil sich kein Schwein für unsere Musik interessiert hat.“ Als Metal plötzlich wieder en vogue wurde, prangte sein Konterfei plötzlich auf den Titelseiten. „Obwohl wir uns um keinen Deut geändert haben“, ruft er verwundert aus. Das ließ eine Entschlossenheit in ihm entstehen, die er bis heute nicht abgelegt hat. „Mit ehrlicher Kunst kommt man irgendwann ans Ziel. Und wenn doch nicht, war es wenigstens ehrlich. Diese Einstellung werde ich niemals ablegen“, bekräftigt er. „Immer nur das Fähnchen im Wind zu sein, ist nichts für mich. Das wäre doch viel zu stressig.“

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Dave Mustaine ist zweifelsohne einer der besten Heavy-Metal Gitarristen aller Zeiten. Als Sänger stand er zwar immer wieder in der Kritik, doch konnte er zumindest einen eigenen Stil finden uns diesen verfeinern. Allerdings ist Dave Mustaine ein Charakter, der seit Jahrzehnten polarisiert und grundsätzlich kein Blatt vor den Mund nimmt. Ob es um politische/religiöse Ansichten oder das Runtermachen von ehemaligen Bandkollegen geht, ist ihm eigentlich egal. So schräg der sich zum Christentum bekennende Rotschopf mit der leicht nasalen Stimme und einer langen Drogenvergangenheit daherkommt, so spannend sind einige Platten, welche er in seiner über dreissigjährigen Karriere aufgenommen hat. Auch "Dystopia", das Ende Januar 2016 erscheinende Album, schlägt in diese Kerbe. TRACKS konnte mit dem umtriebigen Dave Mustaine sprechen. Mit dem neuen und fünfzehnten Studioalbum "Dystopia", welches Ende Januar erscheinen wird, schuf Mustaine, der übrigens Göttibub von Alice Cooper ist, mit seiner Truppe wiederum ein sehr gutes Album. "Ich bin sehr stolz darauf, dass ich seit über 30 Jahren mit Megadeth am Start sein kann. Es ist wie in vergangenen Zeiten, als man eine Karriere einschlug oder eine Stelle antrat, und dies dann bis zur Pensionierung durchzog. Auch Megadeth werde ich durchziehen und weitermachen. Das ist sozusagen meine Lebensstelle. Heutzutage ist es nicht selbstverständlich, dass man bei einem Projekt bei der Stange bleibt. Alles ist im Zeitalter des Internets und der schnellen Kommunikation viel volatiler geworden", führt Mustaine zum Thema aus, dass Megadeth eine der dienstältesten Thrash-Metal Kapellen sind. "Trotz der vielen Line-Up Wechsel in dieser ganzen Zeit bin ich sehr stolz auf alle Alumnis von Megadeth. Jedes Mitglied hat die Band auf seine Weise nach vorne gebracht. Einige Wechsel sind darauf zurückzuführen, dass die Arbeit im Studio mit derjenigen als Live-Musiker nicht zu vergleichen ist. Einige kamen mit dem Tourleben schlicht und einfach nicht klar", führt Dave weiter zu den Line-up Wechseln aus. Zu den beiden neuen sagt Dave: "Kiko kommt von einer viel melodischeren Band wie Megadeth (Anm: Angra aus Brasilien), doch konnte er mir mit seinem genialen Gitarrenspiel neue Impulse geben. Ich war etwas am einrosten. Bei ihm war das Gefühl das gleiche, als Marty Friedmann bei uns 1990 eingestiegen ist – es gab mir den Kick. Drummer Chris Adler ist ja bei Lamb Of God aktiv. Ich hätte ihn sehr gerne als festes und permanentes Mitglied, doch will ich bei Lamb Of God keine Probleme schaffen. Deshalb haben wir als weiteren Drummer Tony Laureano am Start, der einspringt, sobald Chris nicht kann. Allerdings versuchen wir die Termine so zu

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legen, dass Megadeth und Lamb Of God aneinander vorbeikommen. Alles in allem haben Dave "Junior" Ellefson und ich eine gute Freundschaft mit den beiden neuen Jungs, wir arbeiten sehr hart und ich bin der Meinung, dass wir hier das beste Line-Up seit der Periode von 1990 bis 1998 am Start haben." Musikalisch sieht Dave jedes Album als Schnappschuss seines aktuellen Befindens. Bei der Entstehung des Vorgängers "Super Collider" ging es ihm nicht sehr gut – der Tod seiner Alzheimer-Kranken Schwiegermutter, die sich im Rahmen eines Camping-Ausflugs verirrt hatte – ging ihm recht nahe. "Beim Schreiben der Songs für Dystopia" hatte ich eine sehr gute Zeit – wahrscheinlich gehen deshalb die Songs aufs Ganze, haha." Textlich werden auf Dystopia, das übrigens für eine negative Zukunftsvision steht, viele Themen verarbeitet. "Wie immer geht es bei Megadeth um Themen wie Krieg, Politik, Drogen usw. Allerdings sage ich nie, wie es sein muss, sondern gebe vielmehr verschiedene Sichtweisen wieder. Mir ist es wichtig, mit den Texten etwas auszusagen, anstelle über Autos und Frauen zu singen." Dave spinnt einen interessanten Gedanken, indem er die These aufstellt, dass Heavy Metal dann am meisten Erfolge feiert, wenn es der Welt schlecht geht: "Schau doch die Zeit in den 80er Jahren an, als im Rahmen des kalten Krieges ein Atomkrieg kurz bevorstand. Auch heute mit diesen ganzen Terrorgeschichten sieht es nicht anders aus. Die Welt ist beschissen und Heavy Metal ist ja erfolgreicher denn je." Als wichtigste Erfolge nennt der sehr selbstbewusste Dave Mustaine die vielen Platinauszeichnungen, welche er für Megadeth einheimsen konnte. Die Band hat im Laufe ihrer Karriere ca. 50 Millionen Tonträger verkauft. "Vielmehr allerdings als die rein messbaren Erfolge sind mir


MEGADETH Dystopia Capitol / Universal

Situationen, in welchen wir direkt anderen Menschen helfen können via Spenden oder dergleichen. Und das grösste für mich überhaupt ist es nach wie vor, auf der Bühne zu stehen und die Energie des Publikums zu spüren" gibt Dave zu Protokoll. Aus der Sicht von Dave sind (natürlich neben der neuen Scheibe) die folgenden Alben die wichtigsten Megadeth-Scheiben: "Peace Sells….But Who's Buying?" (1986), "Rust in Peace" (1990) und "Countdown To Extinction" (1992). Dies sind sicher die offensichtlichen Spitzenalben der Band, doch gibt es im Backkatalog einige weitere Perlen zu entdecken. Zu den grössten Enttäuschungen in seiner Musikerlaufbahn sagt Dave, dass ihm zum einem viele Leute in der Musikindustrie sauer aufstossen. Anderseits nennt er, dass er mit dem 1999 verstorbenen und auf den ersten beiden MegadethAlben zu hörenden Drummer Gar Samuelson (wohl der Beste, der je an dieser Position im Line-Up von Megadeth war) im Streit auseinandergegangen ist, und sich die beiden nie mehr ausgesprochen haben. Auch hat der Tod von Metallica-Bassist Cliff Burton im Jahre 1986 hat Dave Mustaine sehr stark getroffen. "Zu meiner Zeit bei Metallica waren Cliff und ich unzertrennlich, doch nach meinem Rauswurf gingen unsere Wege auseinander und wir haben uns kaum mehr gesehen". «An die Schweiz habe ich gute Erinnerungen, obwohl wir nie sehr viel dort gespielt haben. Ich kann mich allerdings an unseren allerersten Auftritt erinnern (das muss in den 80er Jahren gewesen sein), als viele Hell's Angels-Mitglieder im Publikum waren – das hat mir imponiert." An das Volkshaus in Zürich erinnert sich Dave auch gerne, obschon "man in so kleinen Hallen sein Ego auf die Seite legen muss, wenn man sonst auf Formel 1-Strecken spielt. Skurril ist, dass wir im Volkshaus Backstage immer sehr viele Hamburger von der bekannten Kette mit dem M zur Verfügung gestellt bekamen. Offenbar ging man davon aus, dass eine Band aus L.A. sich nur von FastFood ernährt, haha." Tourmässig werden Megadeth im 2016 unterwegs sein, auch bei uns. Also haltet die Augen offen.

lg. Mit Veränderungen auf zwei Positio-nen (neu an der Gitarre der Brasilianer Kiko Loureiro, früher bei Angra, und am Schlagzeug die etatmässige Lamb Of God-Drummaschine Chris Adler) schlägt das Thrash-Metal Urgestein Megadeth aus Los Angeles um Frontmann Dave Mustaine (voc./git.) zum insgesamt fünfzehnten Mal Studioalbumtechnisch zu. Im Vergleich zu den direkten Vorgän-geralben ist "Dystopia" melodischer in Sachen Gitarrenarbeit geworden, geht besser ins Ohr und ist gleichzeitig auf-grund des höheren Härtelevels griffiger. Los geht es nach einem orientalisch angehauchten Intro mit „The Threat Is Real“ – die treibende Rhythmusgitarren und Gitarrenleads drücken den recht harten Song nach vorne. Wie immer sorgen zahlreiche Breaks- und Rhythmuswechsel für viel Abwechslung. Auch zeigt sich Dave gesangstechnisch auf der Höhe. Der Opener ist schon der erste Knaller des Albums. Der etwas melodi-schere Titelsong „Dystopia“ beginnt mit einem famosen Gitarrenlead mit typischen Megadeth-Harmonien und geht nach dem Refrain in einen fast jazzigen Part über, der auch auf dem zweiten Album der Band, „Peace Sells...But Who's Buying?“ (1986) stehen könnte. Die Band hat offensichtlich Spass und tobt sich aus. Dem neuen, fantastischen Gitarristen Kiko wird genügend Raum zur vollen Entfaltung gelassen. Das nachfolgende und bereits vorab ver-öffentlichte „Fatal Illusions“ kann den beiden ersten Tracks das Wasser leider ganz nicht reichen, überzeugt dennoch durch das spannende und abgefahrene Schlagzeugspiel. Beim vierten Song, „Death From Within“, nerven nur die Shouts beim Refrain, ansonsten läuft auch dieser Track gut rein. Wieder ein Knaller ist der MidtempoSong „Bullet To The Brain“ geworden, der mit einem sehr pointierten Gitarrenlead beginnt und wiederum alle Trademarks von Megadeth

beinhaltet. „Post American Trauma“ groovt schön im Midtempo und erinnert zunächst an „Symphony Of Destruction“, dem grössten Bandhit, hat aber einen etwas Megadethuntypischen Refrain, der leider nur als durchschnittlich taxiert werden kann – der schwächste Song auf "Dystopia". Der längste Song des Albums, das epische „Poisonous Shadows“, ist eine Überraschung: Megadeth wagen sich in ungewohnte Gefilde des Bombasts, lösen das grossartig und zaubern einen gnadenlosen Groover. Nach dem Instrumental „Conquer Or Die“, auf welchem die Gitarristen richtig (aber melodisch) wüten, folgen zu Ende des Album drei kurze Songs: Das aggressive und gute „Lying In State“, das rockige und etwas schwächere „The Emperor“ sowie zum Schluss das punk-rockige „Foreign Policy“, welches mit viel Rotz daherkommt. Auf der Deluxe-Edition werden zwei weitere Songs als Bonus spendiert, welche für dieses Review leider nicht vorlagen. Mit dem in Nashville/Tennessee aufgenommenen „Dystopia“ haben Bandvisionär Dave Mustaine und Bassist/Gründungs-mitglied Dave Ellefson am Bass mit den beiden neuen und musikalisch perfekten Mitstreitern ein wütendes, vertracktes, technisches und sehr abwechslungs-reiches Thrash/Speed-Metal Album veröffentlicht, das in der Diskographie der Band einen hohen Platz einnehmen wird. Es ist zugleich das beste Megadeth-Album der Neuzeit (sprich nach der Reunion 2004) und hätte direkt nach dem Überalbum „Countdown To Extinction“ (1992) erscheinen können. Schon jetzt liegt mit „Dystopia“ eines der grossen Metal-Highlights von 2016 vor!

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lg. Witchcraft zelebrieren seit gut 15 Jahren den 70s Retro-Doom-Sound, der in der Folge von zahlreichen Bands kopiert wurde. Derzeit scheint sich diese Retro-Welle etwas abzuschwächen, was dazu führt, dass meist die besseren Bands überleben. Eine der besten Bands ist sicherlich Witchcraft aus Schweden, welches aus Sänger/ Gitarrist Magnus Pelander und wechselnden Mitgliedern besteht. Trotz zahlreicher Line-Up Wechsel (jetzt neu mit Schlagzeuger Rage Widerberg und Bassist Tobias Anger) konnte Pelander in der Vergangenheit vier grossartige Alben veröffentlichen: "Witchcraft" (2002), "Firewood" (2004) und "The Alchemist" (2007) sind kleine Perlen des analog-Sounds, währenddessen das nicht schwächere "Legend" (2012) etwas rockiger und moderner daherkam. Seither sind vier Jahre vergangen und es war sehr ruhig um die Band. Die Europatour zu "Legend" wurde abgesagt und man beschränkte sich auf wenige Gigs. Doch jetzt hat Pelander "Nucleus" aus dem Hut gezaubert, ein Album von Witchcraft, das wieder mehr Retro und vom Sound her wärmer als der direkte Vorgänger daherkommt. TRACKS konnte mit dem wortkargen aber sehr freigeistigen Magnus Pelander sprechen.

Die Anleitung für ein besseres Leben

Nach Veröffentlichung des Albums "Legend" im 2012 hast Du das komplette Line-Up ausgetauscht – wie bereits in der Vergangenheit auch schon geschehen. Was waren die Gründe für diese Veränderungen? "Naja, im letzten Fall war – diplomatisch ausgedrückt – die Kommunikation zwischen den Mitgliedern nicht wirklich optimal. Wir waren ja bis zu fünf Personen, was die Situation ja auch nicht erleichtert. Somit entschied ich, alleine weiterzufahren und mit Rage Widerberg und Tobias Anger zwei Freunde an Bord zu nehmen." Das neue Album "Nucleus" wird Anfang 2016 veröffentlicht. Wo siehst Du die wesentlichen Veränderungen? Magst Du bestimmte Tracks hervorheben? "Erstmals muss ich sagen, dass ich sehr erleichtert bin, dass das Album endlich fertig ist. Die Line-Up Wechsel sind immer frustrierend. Zudem ist die Fertigstellung eines Albums immer eine sehr nervenaufreibende Sache. Ich wehre mich allerdings vor Vergleichen, denn ich kommentiere meine Kunst grundsätzlich nicht – das wäre ein Desaster, wenn ein Künstler seine Kunst einordnen soll. Jeder Hörer soll sich ein eigenes Bild der Musik von Witchcraft machen." Kannst Du uns etwas zu den Songtexten erzählen? "Auch hier werde ich mich nicht äussern, denn meine Interpretation ist überhaupt nicht von Bedeutung. Allerdings kann ich eine Aussage machen – es geht in den Texten grundsätzlich darum, loszulassen, für sich selbst zu entscheiden oder auch mit dem Fluss zu gehen. Ich versuche nur, eine spirituelle Anleitung für ein besseres Leben zu geben. Am Schluss ist Musik eh Entertainment. Somit spielt das alles nicht so eine Rolle." Was hast Du für Tourpläne mit Witchcraft? "Hier ist noch nichts fest – meine Mitstreiter sind derzeit mit ihren Familien und anderen Projekten beschäftigt. Aber wir arbeiten daran und Witchcraft werden auf den Bühnen stehen." Wie entstehen Songs im Hause Witchcraft? "Das neue Album entstand eigentlich wie ein Solo-Projekt von

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mir. Ich war da von A bis Z für alles verantwortlich. Witchcraft ist seit je her im Studio quasi eine One-Man-Show. Die neuen Jungs waren mit anderen Dingen beschäftigt, weshalb sie im Studio nicht mit von der Partie waren. Für die Songs selber benutzte ich zum Teil Fragmente aus den 90er Jahren, welche ich noch auf Kassette hatte." Wo siehst Du die Haupteinflüsse von Witchcraft? "Hier werde ich Dir keine Bands oder dergleichen nennen. Mein Haupteinfluss ist das Leben und darin irgendwie kreativ zu sein. Ich versuche, meine Umwelt und mein Umfeld in Songs zu übersetzen. Haupteinflüsse sind somit Natur, meine Freunde und die Gesellschaft allgemein. Ich gehe sehr gerne nach draussen und erfreue mich an der unglaublich schönen Natur in Schweden." Witchcraft waren ja bereits anfangs der 2000er Jahre am Start, als die Band (wie auch die Landsmänner von Graveyard) aus Norrsken hervorging. Siehst Du Dich als Initiator der seit einigen Jahren grassierenden Retro-Rock Welle? "Nein, überhaupt nicht. Ich sehe mich vielmehr als freie Person, welche Kunst macht. Ich habe mich nie als genredefinierend betrachtet. Ich sehe meine Musik als höhere Stufe eine Sprache – just let the music do the talking." Phil Anselmo (ex-Pantera, Down) hat euch ja in der Vergangenheit recht gepusht und als Vorband von Down auf mehreren US-Tours eingeladen. "Ich habe Phil leider seit Jahren nicht mehr gesehen. Ja, das war eine sehr coole Zeit. Ich war auch sehr beeindruckt, Pepper Keenan, den Gitarristen von Down und C.O.C. zu treffen" Nenn uns Deine fünf Lieblingsalben aller Zeiten. "Slayer (South Of Heaven), The Mars Volta (Frances The Mute), Joanna Newsom (Ys), Linda Perhacs (Parallelogramms) und Mariam The Believer (Blood Donation).” Wusstest Du, dass für eure alten Vinyls in den Originalpressungen teures Geld bezahlt wird. Was hältst Du davon? "Das ehrt mich natürlich…und macht mich stolz, dass meine Kunst für gewisse Leute einen gewissen Stellenwert zu besitzen scheint."


Hard/Heavy/Metal REVIEWS HONEYMOON DISEASE The Transcendence Napalm / Universal lg. Mit der 2014 veröffentlichten Single "Fast Love" konnten die vier Schweden von Honeymoon Disease (zu Deutsch "Hochzeitsreisen-Blasenentzündung“...) einen kleinen Achtungserfolg landen. Die Band aus Göteborg mit unter anderem zwei Damen am Start (Jenna, Gesang/ Gitarre sowie Acid an der weiteren Gitarre) rockt munter drauflos. Mit dem hippieartigen Look könnte man fast geneigt sein, hier eine weitere pure 70s Retro-Rock Band zu sehen, wie sie jetzt überall aus dem Boden schiessen, doch das ist nicht ganz richtig. Klar kommen Hard Rock-Elemente von Bands wie Deep Purple und Thin Lizzy deutlich zum Vorschein, doch der Haupteinfluss scheint Kiss zu sein. Auch hört man ein bisschen Girlschool heraus, was sicherlich an den Chören der beiden Damen liegt. Als Anspieltipps können "Higher", "Imperial Minds" oder "Gotta Love" genannt werden. Sehr cooles Album des gemischten Doppels, das an die Glanztaten der Hellacopters oder Imperial State Electric erinnern lässt. Ein wahrer Augenfänger ist das gelb/schwarze Outfit, das wie eine Porno-Version von Stryper aus den 80ern daherkommt. Auf Vinyl selbstverständlich noch verschärfter...

SECRETS OF THE MOON Sun Prophecy lg. Die deutsche Black Metal-Band, die meist in Midtempo-Gefilden agiert, dafür umso intensiver rüberkommt, konnte 2006 mit "Antithesis" einen wahren Meilenstein schaffen. Das siebte Album der seit 1995 bestehenden Osnabrücker Formation zeigt die Band – ohne ihre Wurzeln zu verleugnen – in stilistischer Hinsicht weiter geöffnet. Wie bei einigen Acts in letzter Zeit wie Watain, In Solitude und Tribulation oder Tiamat in den 90er Jahren, wenden sich Secrets Of The Moon musikalisch dem Gothic zu, ohne den ganzen damit verbundenen Pathos zu übernehmen. Der Opener "No More Colours" kann ganz klar dem Black Metal zugeordnet werden, während Songs wie "Hole" oder "Man Behind The Sun" mit ihren grossen Melodien eher dem Gothic/ Wave zugehörig sind. Die beiden Seiten tun der Band gut, welche mit "Sun" wieder einen Schritt nach vorne gemacht hat. In Sachen Intensität bleibt "Antithesis" nach wie vor unerreicht.

CAGE Ancient Evil Sweden Music Group mv. Ausnahme-Shouter Sean Peck gibt dieses Jahr so richtig Vollgas. Nach den sehr guten Releases von Denner/Sherman und Death Dealer gibt es mit der neuen Cage bereits die dritte Platte mit Peck am Gesang innerhalb kürzester Zeit. Und „Ancient Evil“, das 7. Album der US Power Metal Kings, ist der mit Abstand beste Release dieser drei „Sean Peck-Outputs“. Eigentlich hatte die Band ja mit den grandiosen Vorgängeralben, allen voran dem 2011er Meisterwerk "Supremacy Of Steel", die Messlatte bereits unglaublich hoch angesetzt. Aber Cage vollbringen die Meisterleistung und liefern mit „Ancient Evil“ einmal mehr einen wuchtigen Dampfhammer aus purem Stahl, der die Konkurrenz ohne Gnade an die Wand knallt. Granaten wie der gewaltige Titeltrack, das mörderische Albumhighlight „Blinded By Rage“, das fulminante „Symphony Of Sin“ oder das epische „Tomorrow Never Came“ zeigen einmal mehr, dass es nur eine Band gibt, die das Erbe von Judas Priest’s „Painkiller“ würdig fortsetzen kann. „Ancient Evil“ ist zudem ein ambitioniertes Horror-Konzeptalbum, welches über 19 Songs die Atmosphäre einiger King Diamond Klassiker heraufbeschwört. Auch wenn sich vielleicht einige ab den hörspielartigen Passagen zwischen den Songs stören werden, sie passen wirklich gut und helfen dem Konzept und der Atmosphäre. Sean Peck beweist mal wieder seine grosse Klasse als Sänger ohne Limits nach oben und dass er sich weder hinter einem Rob Halford noch dem Diamantenkönig verstecken muss. Somit ist „Ancient Evil“ nichts anderes als eine deftige Machdemonstration der mit Sicherheit weiterhin besten US Metal Band der Gegenwart. Metal Without Mercy!


Zur端ck nach vorn

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hh. Die Meldung, dass Mark Fox wieder in seine alte Band zurück gekehrt ist, war schon eine kleine Sensation. Zumal die Trennung vor sechs Jahren von unschönen Nebengeräuschen überschattet war und Fox sich danach erfolgreich als Solokünstler in Szene setzen konnte. Dass diese Trennung aber auch eine gute kreative Seite hatte, beweist das hervorragende neue Album „High Noon“, welches Ende Januar veröffentlicht wird und Shakra in neuer Stärke zeigt. Bandchef Thomas Muster und Fox haben das Kriegsbeil begraben und zeigen sich im Gespräch mit TRACKS hochmotiviert für eine gemeinsame musikalische Zukunft.

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Vor gut sechs Jahren hatten sich die Wege von Mark Fox und Shakra getrennt. Das lief ja nicht in Harmonie über die Bühne. Dass ihr jetzt wieder zusammen seid ist sicher eine grosse Überraschung. Wie kam es dazu? Wurde das aus der Not geboren, weil Shakra keinen neuen Sänger finden konnte? Thomas: Nachdem John Prakesh bei Shakra ausgestiegen ist, war ich drauf und dran die Gitarre an den Nagel zu hängen. Mit einem neuen Sänger weitermachen, das wäre dann der vierte bei Shakra,

«Für mich war klar, wenn es für mich mit Shakra weitergehen soll, dann nur mit Fox.» - Thomas Muster hätte vielleicht funktioniert. Aber das Gefühl, voll dahinter zu stehen, war einfach nicht da. Ich dachte mir: Vielleicht ist das ja jetzt der Moment, wo es mit Shakra fertig ist. Aber wenn es doch noch für mich einen Weg geben sollte, dann nur mit Fox. Ich hatte damals auch ein Radiointerview mit Fox gehört, in dem er sagte, dass Shakra ein Stück weit auch sein Baby sei. Und daran habe ich mich erinnert. Ich will sicher nichts Schlechtes über John sagen, aber er hatte zu Shakra nie so den Bezug wie Fox. Deswegen ist er auch nicht mehr dabei. Für John war Shakra nie der Lebensinhalt. Aber das Fox wieder zurück ist, wurde sicher nicht aus der Not geboren. Ich habe überhaupt nicht nach einem neuen Sänger gesucht. Thom (Blunier) schon, aber für mich war klar, wenn es für mich mit Shakra weitergehen soll, dann nur mit Fox. Und dann hast du ihn angerufen? Thomas: Nein. Ich hatte damals Chris von Rohr ein Mail geschrieben, dass John ausgestiegen ist. Einige Zeit danach, das war Ostern 2014, hat mich Chris angerufen und gefragt, ob ich mir schon überlegt hätte, den Fox wieder zurückzuholen. Klar, hatte ich mir das überlegt, sonst hätte ich ihm ja nicht geschrieben. Ich hatte überhaupt keinen Kontakt mehr zu Fox, wusste aber, dass Chris den hatte und gehofft, dass er diesen Kontakt wieder herstellen könnte. Und ein paar Tage haben wir uns schon bei Chris getroffen. Und was für ein Gefühl war das für dich, plötzlich wieder von Shakra zu hören? Fox: Chris hatte mich angerufen und gefragt, wie das so bei mir aussähe, ob ich mir vorstellen könnte, wieder mit Shakra das Gespräch zu suchen oder vielleicht sogar noch mehr. Ich habe ihm gesagt, ich bräuchte zwei, drei Tage Zeit zum überlegen. Nachdem ja seit der Trennung ein paar Jahre vergangen waren, waren auch die Emotionen nicht mehr so hoch wie damals. Aber ich habe schon ein paar Stunden später Chris angerufen und gesagt, ok, machen wir mal eine Sitzung und schauen,

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wie das heute so aussieht. Und dann haben wir uns kurze Zeit später getroffen und uns mit der Problematik, die wir damals hatten, auseinandergesetzt. Wir haben dabei herausgefunden, dass die Probleme eigentlich gar nicht so gross waren, sie hatten nur immer mehr Gewicht bekommen. Das hatte auch mit der Musik nichts zu tun, denn wir hatten ja trotzdem immer noch zusammen gespielt. Aber ich habe das Gefühl, dass wir jetzt ein anderes Fundament haben, dass Thomas und ich zusammen eine Basis gefunden haben und nach vorne sehen. Wir arbeiten jetzt auch sehr eng zusammen, denn wir ziehen ja am gleichen Strick, wir wollen ja das Gleiche. Das finde ich sehr wichtig, aber damals war das überhaupt nicht möglich. Vielleicht war diese Trennung für uns nötig. Thomas: Ja, das sehe ich auch so, wir begegnen uns jetzt auf Augenhöhe. Damals hatte ich mehr Erfahrung, war ja auch älter und schon lange dabei. Und dann kam Fox als junger Schnaufer, und es ging dann für ihn auch wohl alles zu schnell. Die Erfahrungen, die wir mit Shakra hatten sind über die Jahre ja Schritt für Schritt gemacht worden, aber für ihn kam das sehr plötzlich. Ich hatte mich als derjenige gesehen, der weiss wie es läuft. Und da haben wir dann Differenzen bekommen. Ich habe dann aber viel Respekt vor dem bekommen, was er als Solokünstler gemacht hat. Natürlich hatte ich viel über ihn gemotzt, aber gleichzeitig musste ich mir auch sagen, dass es mir imponiert hat, wie er mal schnell zwei Soloalben gemacht hat, alles selbst getextet und auch noch produziert. Ich habe gemerkt, da ist jemand, der wirklich will und der hat die Stimme und auch einen hohen Wiedererkennungswert. Den müssen wir nehmen, wir müssen schauen, dass wir das mit dem Fox wieder auf die Reihe bekommen. Wir müssen nicht in Amerika nach einem neuen Sänger suchen, wenn 20 km von mir entfernt der richtige Sänger für Shakra lebt. Und jetzt, wo wir beide älter geworden sind, sind die alten Probleme nicht mehr das Thema. Ich finde es wichtig, dass er jetzt seine eigenen Erfahrungen gemacht hat. Und dann haben wir uns gesagt, wir müssen uns wieder zusammen tun, denn zusammen sind wir stärker als jeder für sich allein. Mit welchem Gefühl seid ihr zu eurem ersten Treffen nach dem Split gefahren? Thomas: Einerseits mit einem komischen Gefühl, andererseits hatte ich eine Mission. Ich wusste ja, ich habe nichts zu verlieren und kann an diesem Tag nur gewinnen. Wenn ich gemerkt hätte, dass immer noch alles eingefroren ist und wir uns nichts zu sagen gehabt hätten, wäre ich nach zehn Minuten wieder abgehauen. Aber so ist es denn nicht gekommen. Fox: Ich hatte mich auf das Treffen irgendwie gefreut, denn ich bin davon ausgegangen, dass es unter einem positiven Aspekt passiert. Denn um uns gegenseitig wieder an den Hals zu gehen, dafür hätten wir uns nicht treffen müssen. Ich war gespannt, was dabei herauskommen würde. Thomas: Und von Rohr hatte mir auch gesagt, wenn wir bei Krokus diese ganzen viel grösseren Probleme, die wir hatten und wo es um sehr viel Geld ging, überwinden konnten, dann könnt ihr das ja wohl auch. Und dann kam noch dazu, dass es kein angenehmes Gefühl für mich war, all die Jahre in dem Wissen zu leben, dass man mit jemandem so verkracht ist. Denn man läuft sich ja irgendwann wieder über den Weg. Wie hat Thom Blunier auf die geplante Rückkehr von Fox reagiert? Thomas: Ich habe ihn ziemlich schnell von unserem Treffen bei von Rohr informiert. Das hatte ja niemand bei Shakra gewusst. Wir waren zu der Zeit bei Shakra etwas gespalten. Thom hatte sich auf die Suche nach einem neuen Sänger konzentriert und ich hatte gesagt, dass ich nicht mehr mit einem neuen Sänger weitermachen will. Er war zu Anfang sehr skeptisch. Aber das war verständlich, denn ich war das ja selbst auch. Aber ich hatte mehr Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen. Bei ihm hat das länger gedauert, bis er sich entschieden hatte. Schlussendlich waren es die neuen Songs, die ihn überzeugten.


Fox: Ich bin nach Langnau gefahren und habe mit ihm gesprochen. Wir haben dann ein paar Stunden diskutiert und die alten Probleme besprochen – ähnlich wie Thomas und ich das vorher gemacht hatten. Aber er hatte da auch schon gewusst, dass Thomas und ich schon an neuen Songs arbeiten. Wie war dann die Stimmung bei den Aufnahmen im Studio? Fox: Wir hatten wirklich eine super, lockere Atmosphäre. Ich habe mich sehr wohl gefühlt und war auch nicht so angespannt wie früher. Früher habe ich oft gedacht, ich bin zu wenig gut. Das ist jetzt nicht mehr so. Ich konnte frei und ungezwungen meine Sache machen, wir haben viel gelacht und hatten Spass. Thomas, du bist ja der Hauptsongschreiber. Im Vergleich zu früheren Shakra-Alben gibt es auf „High Noon“ eine stärker hörbare Blues-Basis. Hast du den Blues jetzt entdeckt oder kam das automatisch und eher unbewusst? Thomas: Das kam wohl unbewusst, denn ich bin eigentlich mehr dem Metal zugehörig. Thom ist eher ein Blues-Gitarrist, deshalb klingt das jetzt wohl so. Wir hatten auch früher schon einige Songs, die in diese Richtung gingen, jetzt ist es aber konsequenter. Ich habe mich dieses Mal beim Songwriting auch praktisch ausschliesslich an Shakra orientiert und nicht wie früher an anderen Bands, die ich jeweils gerade gut fand. Deshalb findet man auch hier und da auf der neuen Platte ein paar Riffs und Licks, die auch schon mal ähnlich auf unseren alten Platten vorkamen. Aber das ist mir egal. „High Noon“ ist ein Bauch- und kein KopfAlbum. Fox, du bist ja als Solokünstler relativ erfolgreich gewesen. Wirst du neben Shakra weiter solo arbeiten oder gibt es jetzt nur noch Shakra? Fox: Also, zur Zeit ist es gar nicht möglich beides zu machen. Das kann ich nicht parallel laufen lassen. Ich werde das sicher nicht auf alle Zeiten begraben, eine Solokarriere kann man irgendwann wieder fortsetzen, aber zur Zeit ist das nicht aktuell. Das wäre ja auch blöd, denn ich will mich voll auf eine Sache konzentrieren. Und mit Shakra habe ich viel zu

«ich habe das Gefühl, dass wir jetzt ein anderes Fundament haben, dass Thomas und ich eine Basis gefunden haben und zusammen nach vorne sehen» - Mark Fox tun und ich will nichts vernachlässigen. Irgendetwas von beiden Sachen würde drunter leiden und das wäre scheisse! Thomas: Er hatte ja früher auch schon ein Soloprojekt unter dem Namen Fuchs – das war so ein Mundart Ding. Ich war völlig dagegen, ich wollte den Shakra Sänger nicht in einer anderen Funktion sehen. Verbieten konnte ich ihm das ja nicht, aber er wusste genau, dass mir das überhaupt nicht passte. Aber wenn er jetzt mal solo was macht, ist das ok. Ich will und kann ihm nichts vorschreiben. Mir ist es heute wichtiger, dass er zufrieden ist. Das sehe ich heute eben anders als früher. Werdet ihr mit Shakra auch Fox-Songs spielen? Thomas: (lacht) Gestern habe ich zumindest einen geübt. Ja, vielleicht machen wir einen Song. Er hat ja gute Sachen gemacht und wir werden es probieren. Wir werden sehen, wenn wir die Proben starten, was funktioniert und was nicht.

SHAKRA High Noon Universal hh. Mit dem bereits als Single ausgekoppelten „Hello“ starten Shakra furios in ihr neues, inzwischen 10. Album. Und sofort wird klar, dass die Rückkehr von Fox das beste ist, was den Emmentalern Rockern passieren konnte. Fox ist prächtig bei Stimme und beweist einmal mehr, wie auch auf seinen Solo-Platten, dass er ein ausgesprochen grosses Talent für packende Melodien und Hooklines hat. Mit dem Titel-Track „High Noon“ folgt ein schwerer Midtempo-Rocker mit grosser Dynamik und auch hier glänzt Fox wieder mit toller Gesangsleistung – was sich auch in den restlichen 10 Songs in gleichbleibender Qualität fortsetzt. Mit „Into Your Heart“ wird das Gaspedal wieder voll durchgedrückt, bevor mit „Around The World“ ein Heavy-Bluesrocker folgt. Und so geht es weiter, es wird hart und heavy mit grosser Dynamik auf hohem Energielevel gerockt. Die einzige Ausnahme ist die obligatorische Ballade „Life's What You Need“ mit einem hymnenhaften, starken Refrain. An „High Noon“ gibt es verglichen mit den Vorgänger-Alben diverse Auffälligkeiten. Da wäre mal ein tiefes Eintauchen in den Classicrock der 70er bei gleichzeitiger Reduzierung von typischen

Shakra-Metal-Elementen. Was darin resultiert, dass Shakra (bzw. Thomas Muster als Hauptsongschreiber) hier den Songs erlauben, sich natürlich zu entfalten und ihre Seele zu offenbaren. Etwas, das mit diesem Tiefgang auf noch keinem Shakra-Album zu erleben war. Die Kunst dabei ist die Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit, mit der Shakra hier zu Werke gehen. Zudem hat Thomas Muster als Songlieferant hier seine Meisterprüfung mit Glanz absolviert, es gibt auf der ganzen Platte praktisch keine Füller – alle Songs haben Rasse und Klasse und brillieren (ich wiederhole mich) durch hohe Dynamik. Und dazu trägt in sehr hohem Mass

Gitarrist Thom Blunier bei. Was der Mann auf diesem Album abliefert, ist ganz grosses Kino! Blunier gehört schon seit langen Jahren zu den besten SaitenArtisten des Landes, aber was der Mann hier anbietet, ist die vorläufige Krönung seines Schaffens. Unglaublich packende Melodiebögen, ein tiefes Gefühl für die richtigen Licks an den richtigen Stellen und herausragendes technisches Können – absolut und einschränkungslos begeisternd, die Definition für meisterliches, songdienliches Spiel. An dieser Leistung müssen sich fortan selbst etablierte und erfolgreiche Schweizer Rockgitarristen messen lassen und die meisten davon werden gegen Blunier ziemlich alt aussehen. Der herausragenden Leistung von Blunier, Muster und Fox schliesst sich die Rhythmus-Fraktion nahtlos an, Bassist Dominik Pfister und Drummer Roger Tanner liefern stets den prächtig harmonierenden treibenden, fett groovenden Teppich, auf dem sich die neuen Songs erst richtig in ihrem Glanz entfalten können. Fazit: „High Noon“ ist nicht nur das bislang reifste und tiefgehendste Album der Emmental-Rocker – sondern schlichtweg ihr absolut bestes.

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Tieftouriger Motor-Doom aus Basel

PHASED lg. Nach drei Alben ("Music for Gentlemen" (2003), "Medications" (2006) and "A Sort Of Spasmic Phlegm Induced By Leaden Fumes Of Pleasure" (2009)) steht die seit neuestem aus vier Mitgliedern bestehende Basler Band Phased mit "Aeon" mit ihrem nunmehr vierten Album in den Startlöchern. Stilistisch konnte man früher den Sound der Formation als psychedelischen Space-Rock-Doom oder als Doom mit einem Hawkwind-Einschlag einordnen, doch hat nun ein Wandel zu schwerem und dronigem Doom stattgefunden. Doch lassen wir am besten gleich den umtriebigen Drummer Marko Lehtinen (auch Ashtar) zu Wort kommen und zu den Veränderungen Stellung beziehen.

Marko, wo siehst Du die hauptsächlichen Unterschiede zwischen "Aeon" und dem doch sechs Jahre alten Vorgängeralbum? Das neue Album ist langsamer. Schon der Vorgänger markierte einen Schritt weg von den Stoner-Elementen unserer ersten Alben in Richtung langsamer Tempi und schwerer Riffs. "Aeon" führt diese Entwicklung in Richtung Doom nun konsequent weiter. Das ist der hörbare Unterschied. Und der Klang des Albums ist anders. Wir hatten die bisherigen Alben alle bei V.O. Pulver in Gelterkinden produziert. Das neue Album wurde in London von Richard Whittaker gemischt, dessen Sound-Ideen etwas mehr Retro als diejenigen von V.O. klingen. Sind auf "Aeon" alles neue Songs enthalten oder habt ihr im Fundus der Band gegraben? Die Songs sind alle neu, wobei neu ein dehnbarer Begriff ist. Den Opener "Seed of Misery" spielen wir zum Beispiel schon seit gut fünf Jahren. Die anderen Songs sind alle etwas neuer, zum Teil erst kurz vor den Aufnahmen entstanden. Und "Into The Gravity Well", die Drone-Nummer ohne Schlagzeug und Bass zur Mitte des Albums, ist mehr oder weniger eine Einzelleistung von Frontmann Chris Sigdell. Ich fand, das hypnotische Teil würde gut auf das Album passen und dennoch ein bisschen Abwechslung bringen. So landete es schliesslich auch auf "Aeon". Als Bezeichnung für euren Stil benutzt ihr den Begriff "Psychedelic Doom/Motor Doom". Woher kommt dies? Die Bezeichnung Psychedelic Doom drängte sich in letzter Zeit geradezu auf. Wir sind ja heute eine Doom-Band, haben aber die psychedelischen Elemente von früher beibehalten. Deshalb der Ausdruck. Und "Motor Doom" stammt von unserem ehemaligen Labelboss, Stefan Koglek von Elektrohasch. Wir fanden den Ausdruck bis vor kurzem sehr passend, da unser Sound treibender, schneller und rockiger war als derjenige der meisten Doom-Bands. Auf dem neuen Album läuft unser Motor allerdings mit weniger Touren… 6 Jahre Abstand zum Vorgänger ist eine sehr lange Zeit – wie kam es zu dieser Pause? Eigentlich machten wir nie eine Pause, aber gewisse Dinge verlangsamten unsere Kreativität. Private Prioritäten, die wenig Zeit für die Band liessen, spielten da eine Rolle. Und dann gab es zahlreiche Besetzungswechsel, die auch Zeit beanspruchten. Unser langjähriger Bassist Chris Walt stieg aus, weshalb wir einen neuen Bassisten finden und einarbeiten mussten. Der Nachfolger Marco Grementieri (ex-Zatokrev) blieb jedoch nur knapp anderthalb Jahre. Und schon mussten wir den nächsten Bassisten suchen. Meine Frau Nadine (ex-shEver) sprang für einige Konzerte ein, stieg aber nicht fest ein. Und so verzögerte sich alles weiter. Auf dem Album ist deshalb auch als Gastbassist unser ehemaliges Mitglied Michael Greilinger zu hören – was ein absoluter Glücksfall war, denn er kannte und spürte Phased aus dem Effeff. Das Besetzungkarussell hat sich aber nach den Aufnahmen noch etwas weiter gedreht... Nach den Studioaufnahmen und nach dem Job von Michael Greilinger stieg der jetzige Bassist Harald Binder als festes Mitglied bei uns ein. Auch er war ein Glücksfall, denn wir glaubten nicht, in Basel nochmals jemanden zu finden, der in jeder Hinsicht so gut zu Phased passt. Ganz neu dabei ist jetzt zudem der Gitarrist Florian Schönmann. Damit ist Phased seit November erstmals ein Quartett. Nun freuen wir uns, nach unserer

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Foto: Georg Szabo

Plattentaufe in Basel ein paar weitere Gigs im In- und Ausland zu absolvieren. Erzähl mal aus Deiner Sicht vom besten Live-Gig der Band, den Du erlebst hast? Den besten Gig aus rein spielerischer Sicht müssen wir irgendwann vor rund neun Jahren gegeben haben, als wir mit Chris Walt super aufeinander abgestimmt waren. Da gab es immer wieder richtig magische Momente auf der Bühne, vor allem in den langen, spacigen Songs, in denen wir improvisierten. Von der Stimmung her war aber das Doom Shall Rise-Festival im 2013 in Göppingen/Deutschland ein absoluter Höhepunkt. Wir spielten vor fast 1000 Leuten und wurden vom Publikum und den Veranstaltern wie Rockstars behandelt. Wie kam es zum Wechsel zu Czar of Bullets, dem Basler Label von Fredy Rotter (Zatokrev)? Wir kennen Fredy schon seit Jahren. Ausserdem haben Nadine und ich im vergangenen Sommer das Debüt unseres Bandprojekts Ashtar bei Czar of Bullets veröffentlicht. Wir machten sehr gute Erfahrungen damit, und so empfahl ich das Label. Wir standen zu dem Zeitpunkt kurz vor Unterzeichnung eines Vertrags mit einer Plattenfirma aus Berlin, entschieden uns im letzten Moment aber für Fredy. Das Vertrauen zu Fredy war weit grösser. Marko, nenn uns doch Deine drei Lieblingsalben aller Zeiten? Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich höre sehr viel verschiedene Musik und die drei liebsten Platten meines Lebens könnten sein: Das weisse Album der Beatles, "From Elvis in Memphis" von Elvis und "Selling England By The Pound" von den frühen Genesis – oder aber "Loveless" von My Bloody Valentine, "Houdini" von den Melvins und "Pornography" von The Cure. Es sind zu viele, um nur drei zu nennen. Doom Metal ist allerdings nicht dabei. Was ist der grösste Traum mit Phased? Ganz ehrlich? Ich glaube nicht, dass wir mit Phased nach all den Jahren wirklich noch träumen. Chris und ich sind gestandene Familienväter und schon so lange dabei. Da träumt man nicht mehr vom grossen Erfolg. Aber wenn wir mit dem neuen Album und dem neuen KonzertBooker ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und ein paar wirklich coole Auftrittsmöglichkeiten bekommen würden, wäre das schon mal sehr cool.



PHASED Aeon Czar Of Bullets

lg. Die Basler Stoner/Doom/ PsychedelicInstitution um Frontmann und Gitarrist Chris Sigdell ist in dieser Form seit 2001 aktiv und liefert mit "Aeon" ihr viertes reguläres Album ab. Im Vergleich zum Vorgänger und wie von Drummer Marko im Interview bestätigt, kommt "Aeon" doomiger, weniger psychedelisch und somit härter daher. Es dominieren fette, teilweise fast schon dronige Riffs und der recht zurückhaltende, aber zu jeder Zeit charakteristische Gesang von Chris Sigdell. Schon der Opener und längste Song des Albums „The Seed Of Misery“ gibt den Takt klar an und kommt superheavy und in Electric Wizard-Manier daher. Beim folgenden und anständig kurzen „Burning Paradigm“ hört man gar etwas uralte Saint Vitus heraus. Der vierte Song und somit das die Mitte des Albums bildende „Into The Gravity Well“ ist sozusagen eine Solonummer von Chris und ist reinster DroneDoom ohne Schlagzeug. Auch die anderen Nummern sind lumpenreine Doomer und lassen

das Album sehr kompakt wirken. Es schimmern nach wie vor hier und da alte Hawkwind durch, doch das war es auch schon mit dem Psychedelischen. Mit „Aeon“ haben Phased eine stilistische Kurskorrektur vorgenommen, die der Band sehr gut zu Gesicht steht. Cooles Album, welches den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht.

KING ZEBRA Wild! Wild! Wild! Pretty Good Lookin' Records Spass inne Backen und Hurra im Gesicht, das sind King Zebra aus Zürich. Das Quintett spielt Sleaze/Hardrock mit extrem hohem Gute-LauneFaktor und trifft sich irgendwo auf einem Nenner mit den Bands, die vor allem Mitte der Achziger bis in die Neunziger hinein für Furore gesorgt haben. Namentlich kann man da unter anderem Poison nennen (wenn die musikalisch besser gewesen wären), sowie Mötley Crüe und Def Leppard. Vor allem Tracks wie „Never Stop Trying“ und die letzte Nummer „Good Time“ stehen für die Partykom-

patibilität der Band. „Penny Hollywood“ ist der laid back Midtempo-Rocker mit riesigem Ohrwurm-Refrain und gehört unbedingt zu den drei besten Songs des Albums. Zu diesen Highlights gehört auch „Point Of No Return“, der die Herzen der Hair Metal-Liebhaber mit einem rotzfrechen Eddie Van Halen Gitarrenlick erobert, und die Liebeserklärung an ihre Heimatstadt Zürich „Welcome To Longstreet“. King Zebra dürfen eigentlich auf keiner ordentlichen Hardrock-Sause fehlen, denn sympathischerweise fehlt ihnen die aufdringliche Ernsthaftigkeit in ihrem MakeUp, die sie mit einer eher sleaze-punkigen Attitüde ersetzen und dabei durchblicken lassen, dass sie sich selbst nicht ganz so ernst nehmen. Eine Kostprobe dafür lieferten sie bereits mit ihrer ersten Scheibe, die sie humoresk mit „Greatest Hits“ betitelten. Dass sie es trotzdem ernst meinen, hört man ihrer Musik an, denn die ist handwerklich ordentlich gemacht , das Songwriting sitzt an den richtigen Stellen und die gemeinschaftliche Produktion der Band im Little Creek Studio mit V.O. Pulver holt genau den druckvoll-rohen Sound aus den Songs, der dem Album bestens

steht. „Wild! Wild! Wild!“ ist ein Album, das bei jedem Hördurchgang mehr Spass macht und vor allem einige Ohrwürmer platziert, die man so schnell nicht wieder los wird. Grosses Sleaze-Kino aus Züri!

STRAINED NERVE The New Dawn Non Stop Music lg. Strained Nerve, eine jüngere Band aus dem Aargau, spielt Metalcore oder in anderen Termini ausgedrückt eine Mischung zwischen Modern Metal und melodischem Death Metal. Der Fünfer holzt und groovt sich durch neun Songs. Das Songwriting ist sehr abwechslungsreich gehalten und Sänger Ash kann mit seiner variablen Stimme den Songs einen eigenen Stempel aufdrücken. Auch weiss die Instrumentierung gut zu gefallen. Anspieltipp: der Opener "Unlocked And Loaded", zu dem es auch ein Video gibt. Die Produktion des mit gut 31 Minuten sehr kurzen Albums drückt ganz schön, so dass "The New Dawn" eine relativ kurzweilige Angelegenheit ist, was in diesem Genre nicht immer zutrifft.

Gotthard Songs zum Mittrommeln HENA HABEGGER The Drumbook Of Bang! Gotthard Publishing

hh. Hena Habegger, Gotthard-Drummer und Gründungsmitglied, hat sich einen Traum erfüllt. Mit „The Drumbook Of Bang!“ veröffentlicht er in Zusammenarbeit mit dem französischen Drummer, Pädagogen und Dozenten Pascal Boy sein erstes Drumbook. Auf über 100 Seiten gibt es zu allen Songs des Gotthard-Albums „Bang“ komplette Schlagzeug Transkriptionen inklusive Workshops sowie Informationen, Übungen und Beispiele, wie man diese Tracks eins zu eins nachspielen kann. Ein besonderes Leckerli und in dieser Art einmalig sind die beigefügten Playbacks, identisch mit den Original-Files von „Bang!“, neu gemischt, jedoch ohne Drum-Spuren. Das heisst für jeden Drummer, der sich dieses Buch besorgt, ab in den Proberaum, Kopfhörer auf (oder noch besser: die P.A. auf „volles Rohr“) und zu den Original-Playbacks von Gotthard in die Felle dreschen und dabei Hena Habegger möglichst alt aussehen zu lassen (kleiner Scherz am Rande). Über seinen Traum, den er nun in die Realität umgesetzt hat, sagt Hena: „Die Drum-Performance

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auf „Bang!“ ist wohl die beste und interessanteste meiner Karriere, deswegen habe ich mich entschlossen ein Drumbook zu diesem Album zu veröffentlichen. „Bang!“ enthält alles, was ein Drummerherz begehrt: Up- und Midtempo-Rocker, groovende Bluesund Boogie-orientierte Songs, fette Balladen und mit dem Song „Maybe“ sogar einen Touch Country.“ Das Buch bietet einen tiefen Einblick in Henas song- und banddienliches Drumming, seine Technik und Spielweise. Zusammen mit dem schönen Bildmaterial und tollen Grafiken bekommt man wertvolles Lehr- und Lernmaterial, das sich auch hervorragend als aussergewöhnliches Geschenk für jeden Nachwuchsdrummer anbietet. Das Buch ist im Gotthard-Online-Shop und an den Merchandising Ständen erhältlich.



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Pausenlos kreativ

BASTIAN BAKER ub. Vor vier Jahren eroberten die Hit-Singles „Lucky“ und „I'd Sing For You“ die Schweizer Charts. Kurz darauf veröffentlichte Baker sein Erstlingswerk „Tomorrow May Not Be Better”, welches Platin-Status erreichte und ihm einen Prix Walo sowie einen Swiss Music Award einbrachte. Der zweite Long Player „Too Old To Die Young“ folgte im Herbst 2013 und erreichte Platz 1 in der Schweiz. Claude Nobs, Mitbegründer des Montreux Jazz Festivals, hatte Baker in Zermatt spielen sehen und spürte die Kraft und Leidenschaft von Tim Buckley (dem Vater von Jeff). Anfänglich als Eintagsfliege abgetan, steht Baker heute voll im Leben und hat sich zu einem ernstzunehmenden SingerSongwriter entwickelt. Im November legte der Westschweizer ein nachdenkliches und ehrliches drittes Album vor. TRACKS traf den 24-jährigen Lausanner, der weit davon entfernt ist, abzuheben oder sich selbst zu ernst zu nehmen.

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Gratulation zum neuen Album. „Facing Canyons“ klingt wie der Soundtrack Deiner Reisen. Tatsächlich ist „Ain't No Love” im Bus auf dem Heimweg aus Belgien entstanden, „Charlie From Sydney” in Las Vegas und Island. Die Idee zu „I Want You“ hatte ich in Paris. Alle Songideen entstanden während meinen Konzert-Reisen der letzten 1 ½ Jahre. Nach der Rückkehr in die Schweiz konsolidierte ich die Fragmente und stellte die Songs fertig. Dafür brauchte ich die Ruhe und Geborgenheit, die mir meine Familie und die Berge gaben. Wir spielten in 35 Ländern. Die Idee zum Album-Titel kam während der US-Reise im Juni 2015. Oft war ich alleine nur mit meiner Gitarre unterwegs wie in Brasilien. In Algerien hingegen war die ganze Band mit dabei. In Japan oder Deutschland trat ich zusammen mit unserem Pianisten Simon Jaccard als Duo auf. Dieser Gig am Schlossgrabenfest in Darmstadt war echt der Hammer. Die Leute gingen voll ab, doch wegen eines Stromausfalls endete das Konzert schliesslich abrupt. Steht der Titel „Facing Canyons“ als Metapher für Höhen und Tiefen im Leben? Beim Anblick der Canyons habe ich viel über mich selbst

„Tell The Night“ ist der letzte Song, den ich für das Album geschrieben habe. Nur zwei Tage vor dem Studio-Termin und mit Sicht auf die Les Diablerets-Gletscher. Interessanterweise sprachen die Engländer im Studio von der „Alpine Melody“, obwohl sie nicht wissen konnten, dass der Song in den Alpen entstand. Tatsächlich ist „Tell The Night“ auch mein Favorit und ein Karriere-Highlight. Kürzlich spielten wir das Stück in St. Gallen, da hatte ich eine drei Minuten anhaltende Gänsehaut. “Two Thousand Years” hast Du mit der amerikanischen Singer-Songwriterin Beverly Jo Scott eingespielt. BJ ist eine tolle Frau und Musikerin, die ich in Belgien kennenlernte. Ich habe echt viel von ihr gelernt. Was hat es mit Belgien auf sich? „I'd Sing for You“ wurde im belgischen Radio rauf und runter gespielt und so folgten Auftritte in Clubs und später an Festivals. Schliesslich war ich 2014 Jurymitglied in der belgischen Ausgabe von „The Voice“. Ich bin sehr gerne in Belgien und mag Land und Leute. Zudem haben sie geile Bands dort wie beispielsweise Girls in Hawaii, die ich sehr

«Ich benötige keine kreativen Pausen, sondern bloss ein bis zwei Tage Ruhe um wieder fit zu sein»

gelernt. Diese Gesteinsschichten existierten Jahrtausende vor mir und werden Tausende von Jahren nach mir noch bestehen. Diese Erkenntnis entspannt mich und macht mich gelassener. Dadurch kann ich meinen Platz in der Welt besser einordnen und verstehen. Aber klar, das Leben ist Wellen unterworfen. Mal schaust du von oben nach unten, mal von unten nach oben. Wo wurde die neue Scheibe eingespielt? Wir haben in den Angelic Studios in der Nähe von Banbury (UK) mit dem Produzenten Toby Smith gearbeitet. Smith war Komponist und Keyboarder der britischen Funk- und Acid Jazz-Band Jamiroquai. Sein Studio auf dem Lande ist sehr ruhig gelegen. Wir haben dort gewohnt und hatten eine fantastische Zeit. Der bewegende Titel “Tell The Night” oder der Bluesrocker “Two Thousand Years” gefallen mir am besten.

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mag. Du hattest bereits einen Profi-Vertrag von HC FribourgGottéron in der Tasche. Wieso hast Du Dich schliesslich für die Musik entschieden? Die Musik bereitet dir keine körperlichen Schmerzen (lacht). Als Junge waren mir Musik und Eishockey gleich wichtig. Ich pflegte beide Leidenschaften. Schon immer war ich jedoch von der amerikanischen Roots Music beeinflusst. Meine Eltern hatten Platten der Eagles, von Bob Dylan oder Simon & Garfunkel im Regal stehen. Prägend war auch die Chance, als 12-jähriger bei einem Projekt von David Richards, dem ehemaligen Toningenieur von Queen, der nach Freddie Mercurys Tod die Mountain Studios in Montreux übernahm, mitzuwirken. Später spielte ich meinen ersten Song „Lucky“ ein und so nahm alles seinen Lauf... 2011 warst Du der Schweizer Shootingstar. Im Refrain des Songs „Everything We Do” singst Du von aufregenden


Anfängen, Zweifeln und Enttäuschung. Fängst Du leicht Feuer und brennst dann völlig für eine Sache? Absolut. Ich lebe jede Sekunde meines Lebens intensiv und bin sehr begeisterungsfähig. Am Anfang ist immer alles super, ob in Beziehungen oder im Beruf. Doch nach einiger Zeit frage ich mich, was kommt als Nächstes? Wenn ich etwas verstanden habe und gut kann, zaudere ich nicht lange und mache mich wieder auf den Weg um Neues zu entdecken. Brauchtest Du neue Inspiration für ein weiteres Album? Nein, nicht unbedingt. Ich benötige keine kreativen Pausen, sondern bloss ein bis zwei Tage Ruhe um wieder fit zu sein. Ich erhole mich sehr schnell und brauche keine Breaks. In den letzten vier Jahren haben wir nun drei Alben rausgehauen und ich verspüre noch keine Müdigkeit. Ich werde solange Musik machen, wie ich kann. Sie bleibt meine grösste Leidenschaft.

machen wir. Dann drehe ich mich um und rufe unserem Schlagzeuger den Namen des nächsten Stücks zu, den er meist nicht auf Anhieb versteht (lacht). Wenn ich alleine unterwegs bin, erstelle ich keine Set List, sondern wähle die Songs intuitiv aus. Es ist der Austausch mit dem Publikum, den ich am meisten liebe.

BASTIAN BAKER Facing Canyons Phonag Records

Seit Jahren engagierst Du Dich für „Jeder Rappen zählt“ und bist nach Jordanien gereist. Siehst Du Dich als Weltenbürger mit globaler Verantwortung? Den Song „Leaving Tomorrow“ schrieb ich eigens für JRZ. Letztes Jahr besuchte ich ein syrisches Flüchtlingscamp in Jordanien und spielte für die Leute dort. Das hat mich schon sehr bewegt. Könntest Du Dir vorstellen, in Zukunft mehr politische Songs zu schreiben? Das Stück „Charlie From Sydney” handelt davon, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Im Titel stecken die Geiselnahme von Sydney vom Dezember 2014 sowie der Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo kurz darauf. Im Chorus des Songs äussere ich Protest, aber nicht gegen eine spezielle Person. Es hat mich sehr beschäftigt, dass bei beiden Ereignissen unschuldige Menschen ums Leben kamen und ich gleichzeitig in Las Vegas war und mir die News im Fernsehen anschaute. Da haben wir auf der einen Seite unsere kleinen Probleme, während Menschen anderswo um ihr Leben fürchten. Ich ärgere mich über die Ohnmacht gegenüber solchen Attentaten, die wir trotz Terror-Warnsystemen nicht wirklich verhindern können. Dein „White Room” ist eine entspannte Ballade mit eingängigem Refrain, die wenig mit dem „White Room“ von Cream zu tun hat. Genau. Das ist eines dieser Lieder, bei dem der Titel nichts mit dem Inhalt zu tun hat (lacht). Die Melodie und den Text habe ich tatsächlich geträumt. Da besucht mich jemand in meinem Hotelzimmer. Aber am Ende ist alles nur ein Traum und da passt ein weisses Zimmer dazu. Ab März 2016 wirst Du auf CH-Tour mit Robert Francis (US-Singer-Songwriter) gehen. Ich freue mich extrem. Schliesslich war ich nun ganze zwei Jahre nicht mehr in der Schweiz unterwegs. Robert war und ist einer meiner Lieblingskünstler. In der Zwischenzeit kennen wir uns auch persönlich. Ich bin wirklich sehr froh, dass es mit der gemeinsamen Tour geklappt hat. Francis hatte seinen Durchbruch in Frankreich. Gilt ein Prophet nirgends weniger als in seinem Vaterland? Das gilt vielleicht für ihn, aber nicht für mich. Ich bin eigentlich genau das Gegenteil (lacht). Wie wird das Live-Konzept aussehen? Spielst Du Solo oder mit Band? Wir werden mit der kompletten Band spielen. Zum ersten Mal wird auch eine Bläsersektion mit dabei sein. Das wird der Wahnsinn. Mit dem Songmaterial, das wir beisammen haben, könnten wir inzwischen 3 bis 3 ½ Stunden durchspielen, wie Bruce Springsteen. Es wird keine grossartige Show geben, bei der jedes Detail durchgeplant ist, sondern eine möglichst spontane Sache. Wir werden eine grobe Set List zusammenstellen, aber die wird nicht in Stein gemeisselt sein. Wenn uns jemand einen Songwunsch zuruft, okay,

ub. Während der letzten 18 Monate konzertierte Baker in 35 Ländern. Auf seinen Reisen sind elf durchwegs eingängige Songs entstanden, die der Rückkehrer in der Schweiz in Ruhe fertigstellte. Letzten Sommer fuhr Baker mit vier Freunden durch Amerika. Beim Anblick der beeindruckenden US-Canyons entstand die Idee zum AlbumTitel. Hinter der Platte steht ein Konzept: Die einzelnen Songs sind verkettete Momentaufnahmen wie in einem ReiseTagebuch. Baker ist unterwegs. Mit ausgebreiteten Armen lässt er sich auf dem Berggipfel den Wind durch die Haare wehen. Tragend und friedvoll erklingt der wunderbare Refrain des Auftakts “White Room” mit Country Song-Touch. Der Westschweizer Singer-Songwriter schreibt hauptsächlich Liebeslieder, den Ohrwurm „Tattoo On My Brain” kennt mittlerweile jedes Kind, doch er denkt auch kritisch über sich selbst und die Welt nach („Everything We Do”). Mit „Charlie From Sydney” spricht Baker die blutigen Terroranschläge der jüngsten Zeit an und ärgert sich über die Ohnmacht gegenüber tragischen Attentaten und Geiselnahmen. Nur bierernst ist das Leben dann doch nicht: „I Want You” kommt als (zu) poppiger Soul Funk daher, „We Are The Ones” als kraftvoller und ausgelassener Irish Folk-Song. Im Duett mit B. J. Scott spielt Baker erstmals verzerrte BluesrockRiffs ein („Two Thousand Years”). Trotzdem: Nachdenkliche und bewegende Balladen wie „Planned It All” oder „Tell The Night“ sind seine Stärke und machen das Album schliesslich aus.

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ANNA

Tango in Amerika

ROSSINELLI Mit „Takes Two To Tango“ präsentiert das Basler Trio um Sängerin Anna Rossinelli das dritte reguläre Album und gleichzeitig das ambitionierteste. Drei Monate waren Anna und ihre beiden Jungs Georg Dillier und Manual Meisel in den USA unterwegs, sammelten Eindrücke, die in den neuen Songs verwendet wurden, trafen Musiker, die sich auf dem neuen Album verewigen konnten und wurden dabei von einer Film-Crew begleitet.

hh. Ende November erschien das neue Album, das bereits im Vorfeld für einige Aufregung gesorgt hatte. Doch dazu später. Einerseits war der Veröffentlichungstermin wegen des Weihnachtsgeschäfts sicher eine gute Entscheidung, andererseits jedoch auch unglücklich. Denn viele internationale Bestseller spekulieren ebenfalls auf die umsatzstärkste Zeit des Jahres, wie beispielsweise Adele, Silbermond oder Helene Fischer und blockieren die TopPositionen der Charts, wo „Takes Two To Tango“ ansonsten sicher gelandet wäre – so langte es beim Eintritt in die Schweizer Hitparade „nur“ für Platz 7. Schade zwar, macht aber hoffentlich nichts, denn die Qualität des neuen Rossinelli-Albums ist hoch genug, um langfristig den grossen Erfolg des 2013er Albums „Marylou“ zu egalisieren, wenn nicht zu überrunden. Zweifellos ist „…Tango“ das musikalisch bislang beste Album des Trios vom Rheinknie. Die Entstehungsgeschichte ist dabei relativ ungewöhnlich. Dazu Georg Dillier: „Wir hatten die Songs bereits geschrieben, bevor wir zu einem dreimonatigen Trip durch die USA aufgebrochen sind. Dort haben wir verschiedene Musiker getroffen, die auf unsere Songs gespielt haben. Das haben wir mit einfachen Mitteln an Ort und Stelle aufgenommen, archiviert und später unseren eigenen Aufnahmen im Studio

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zugefügt.“ Die Idee zu dieser „musikalischen“ Reise entstand schon lange vorher, bevor der Plan schliesslich umgesetzt wurde. Anna erklärt: „Wir haben eineinhalb Jahre intensiv an der Realisation gearbeitet, ein 40-seitiges Dossier geschrieben, um damit Zuschüsse von Stiftungen zu bekommen, die Songs geschrieben, Leute in den USA kontaktiert, die ganze Infrastruktur organisiert, das war eine Menge Arbeit.“ Manuel ergänzt: „Ursprünglich war die Idee, nur einen Song in den Staaten aufzunehmen. Aber dann haben wir uns gefragt, ob wir auch das neue Album wieder so angehen wollen, wie die davor oder ab wir dieses Mal etwas Neues probieren. Und dann haben wir uns schnell entschlossen, das ganze Album dort aufzunehmen.“ Auf die Frage, ob die Gastmusiker bereits von der Schweiz aus ausgesucht wurden, antwortet Georg: „Wir hatten keine bestimmten Musiker auf dem Plan. Wir haben uns bei Kollegen erkundigt, welche Musiker sie in den USA kennen und so Kontakte bekommen. Und über diese Kontakte haben sich dann weitere ergeben. Aber vieles ist auch dort spontan entstanden. So haben wir zum Beispiel in einem Club einen Steel-Gitarristen gesehen, und Steel-Guitar wollten wir sowieso gerne auf dem Album haben. Wir wollten auch gern einen Gospel-Chor haben. Den haben wir dann dort drüben gesucht und auch gefunden.“


Schlussendlich ging es in ein New Yorker Studio, wo das Trio die auf ihrem Trip gewonnenen Inspirationen und Eindrücke dann in die neuen Songs einfliessen liess und sie einspielten. Gemischt wurde das Werk dann jedoch in der Schweiz von Produzent Simon Kistler. Die Reise war sehr abenteuerlich, wie Anna erzählt: „Wir waren zu fünft unterwegs. Manuel, Georg und ich plus Florens Meury und Milan Büttner, die den Roadtrip gefilmt haben. Alle zusammen auf engstem Raum in einem Van. Geschlafen haben wir in Motels, manchmal alle fünf in einem Raum.“ Gespielt wurde natürlich auch, von Jam Sessions in Clubs bis zur Strassenmusik, wobei diese Gigs immer spontan entstanden. „Geplant war da nichts,“ sagt Anna, „das wäre auch so ohne weiteres nicht möglich gewesen, denn dann hätten wir ein Arbeitsvisum gebraucht. Wir sind aber als Touristen in die USA gekommen.“ Aus Sicht der Band sind die hier gewonnen Erfahrungen nun deutlich auf dem neuen Album zu hören. So sagt Anna zur Frage, inwiefern sich das neue Album von seinen Vorgängern unterscheidet: „Es ist weniger poppig und nicht überproduziert. Jedes Instrument hat mehr Platz im Gesamtsound, alles ist im Vergleich zu früher wesentlich reduzierter und intensiver. Ich denke auch, dass wir vom Songschreiben her reifer und erwachsener geworden sind.“ Und Manuel ergänzt: „Wir haben auch viel mehr Zeit in die Vor-Produktion investiert, viele Ideen und Song-Fragmente entstanden in einem Zeitraum von über zwei Jahren vor dem Trip. Erst im Studio haben wir das dann zum Schluss alles auf den Punkt gebracht.“ Soweit so gut, gemessen an der künstlerischen Qualität von „Takes Two To Tango“ hat sich der Aufwand voll und ganz gelohnt. Wirtschaftlich hingegen darf man aber durchaus ein grosses Fragezeichen setzen. Die Kosten, die die Produktion inkl. des dazugehörigen halbstündigen Films verschlang, sind gewaltig. Zumindest für ein Produkt, das (voraussichtlich)nur in der Schweiz erscheinen wird. Dass die Band den Gesamtetat von ca. SFr. 180'000 nicht aus eigenen Mitteln stemmen konnte, versteht sich von selbst. Sie können zwar von ihrer Musik leben, aber grosse Sprünge liegen nicht drin. Ihre Plattenfirma beteiligte sich zu einem Teil an den Kosten, es blieb jedoch immer noch ein stattlicher Betrag übrig. Da die Zuschüsse von Stiftungen nicht in der erhofften Höhe ausfielen, entschloss sich die Band, die fehlenden finanziellen Mittel per Crowdfunding reinzuholen. Und das sorgte bei Publikmachung für einen gewaltigen Shitstorm in der grössten Gratis-Tageszeitung des Landes. Es hagelte Beschimpfungen und Kommentare, viele Leser bekamen den Eindruck, Rossinelli wollten sich einen 3-monatigen USA-Urlaub finanzieren lassen. Obwohl das natürlich nicht den Fakten entspricht, darf man sich trotzdem fragen, ob der heutige Markt überhaupt noch Produktionen in dieser finanziellen Grössenordnung zulässt. Umso mehr als es sich (nur) um ein nationales Produkt handelt, wo die Verkäufe überschaubar sind. Wobei der grösste Teil der investierten 180'000.- für einen halbstündigen Film draufging, der voraussichtlich höchstens 1-2 mal im Schweizer TV ausgestrahlt werden dürfte. Da ist die Frage nach Sinn und Unsinn durchaus berechtigt, zumal der Film auf Grund der beschränkten Einsatzmöglichkeiten keine grossen Auswirkungen auf den CD-Verkauf haben wird und Anna Rossinelli mit diesem Film-Geld locker zwei weitere CD-Produktionen realisieren könnte – sogar in den USA . So gesehen waren die heftigen Reaktionen der Fans und Leser auf die Crowdfunding-Aktion sicher verständlich und nachvollziehbar. Mittlerweile haben sich die Wogen der Empörung geglättet, das Album ist da, der Film auch – und so bleibt zu hoffen, dass sich die im Vorfeld entstandenen negativen Schwingungen nicht noch nachträglich auf die Verkäufe von „Takes Two To Tango“ auswirken. Denn das hätte das Album nicht verdient – dafür ist es viel zu gut geworden!

ANNA ROSSINELLI Takes Two To Tango Universal Mit «Bang Bang Bang»steigt das Trio recht passend in das neue Album ein. Anna singt mit viel Gefühl (was man eigentlich von jedem Song des Albums sagen kann) zwischen energisch und weich - genau passend zum Text, absolut songdienlich. Dabei erinnert sie von der Stimmfarbe her an Lana Del Rey, bewahrt sich aber stets ihre eigene Persönlichkeit. «Takes Two To Tango» ist in der Gesamtheit ein schönes Album geworden, dem man deutlich die Erfahrung des Trios über die letzten Jahre anhört. Rossinelli ist erwachsen geworden, die Songs klingen ausgereift und gehen trotz des hohen Pop-Appeals keine ausgetretenen Pfade. Klar, das Rad erfinden die Basler nicht neu, aber sie unterscheiden sich deutlich vom vorherrschenden Hitparaden-Einerlei und glänzen mit grosser Authenzität. Jeder Song hat Qualität, Füller sind praktisch keine auszumachen (Ausnahme das etwas langweilige «Streets Of Love») und das Album bietet hohe Abwechslung, was für einige Überraschungen und große Nachhaltigkeit sorgt. Mit «King Mustafa» ist sogar ein potenter Sommer-Hit gelungen, der zwar nicht unbedingt in diese Jahreszeit passt, aber die Vorfreude und Sehnsucht nach Sonne und Strand schürt. Der Sound ist von Produzent Simon Kistler intim und warm mit hoher Transparenz gestaltet, wirkt nie überladen und lässt den Liedern viel Raum zum Atmen. Fazit: Rossinelli haben mit «Takes Two To Tango» ihren vorläufigen musikalischen Höhepunkt erreicht. Es dürfte für das Trio nicht einfach sein, sich hier künftig selbst zu übertreffen.

EXCELSIS Tod u Vergäutig Non Stop Music em. Mit dem „Intro (Dr schwarz Tod)“ führen die Emmentaler den Hörer gemächlich in ihr neustes Folk-Metal-Konzept-Album „Tod u Vergäutig“ ein. Vorlage hierfür ist Jeremias Gotthelfs Geschichte „Die schwarze Spinne“. „D Gschicht“ als eigentlicher Opener zeigt dann auf beeindruckende Weise, was Excelsis drauf haben. Ordentlich schnell im Strophenbereich, Midtempo im Refrain, gepaart mit einer herrlichen Melodie, Flöteneinsätzen, eingängigen Riffs und dann ist da noch die Mischung zwischen Berndeutsch und der englischen Sprache, die hervorragend funktioniert. Wenn das mal kein Alleinstellungsmerkmal ist?! Die Stimme von Sänger Münggu ist angenehm variabel. Mal clean, mal growlig, aber nie künstlich oder kühl. Dieser Song sticht auch nach mehrmaligem Hören immer wieder hervor. Es folgt „Heiligs Wasser“. Eine eher typische Excelsis-Nummer. Episch, versehen mit Dudelsackklängen, sphärischen Keyboard-Elementen und schleppenden Rhythmen. „Üsi Freiheit“ haut da in etwa in die gleiche Kerbe ohne dabei wie ein Abklatsch zu wirken. Es folgt der Track „Maimond“, der wieder sehr rasant und schwungvoll klingt, während der Refrain wieder grosses Mitsing- und Grölpotenzial aufweist. Hier ist kein einziges Lied ein Füller. Da passt alles: Die Stimmung, die Emotionen, die Spielfreude und auch das Handwerk. Man könnte an dieser Stelle auf jede einzelne Komposition eingehen, was erstens den Rahmen sprengen würde und zweitens gar nicht von Nöten ist. Excelsis haben sich im Laufe der Jahre hörbar gesteigert und mit „Tod u Vergäutig“ ein unglaublich starkes und mitreissendes Werk abgeliefert. Es besteht kein Risiko, wenn man hier blind zugreift und sich das Album kauft. Jeremias Gotthelfs „Die schwarze Spinne“ ist wunderbar vertont respektive interpretiert worden. Es sind deswegen auch die Lyrics, die diese Scheibe absolut hörenswert machen. Last but not least reden wir hier auch noch von sage und schreibe 72 Minuten Spielzeit. Excelsis, dir sit geili Sieche!

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Hardcore-Nostalgie!

Soll das ein Witz sein? Auf den ersten Blick erscheint das tatsächlich so. Man muss schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben, um sich überhaupt noch an diese handlichen Plastik-Teile mit dem Tonband-Inhalt zu erinnern, die vor über 40 Jahren für eine Revolution in der Musikszene sorgten, aber durch die digitale Audiotechnik an Bedeutung verloren und inzwischen fast gänzlich vom Markt verschwunden sind. Offenbar entdecken aber Nostalgiker nach dem Revival der VinylSchallplatte nun aber auch die seinerzeit so erfolgreichen Musikkassetten (MC) wieder neu. Die Adon AG in Neuenhof ist eins der wenigen europäischen Werke, die heute noch oder besser gesagt wieder in der Lage sind, diesen „antiken“ Tonträger zu produzieren.

hh. Die Adon AG war jahrelang eine der grössten CDProduktionsstätten der Schweiz. Inzwischen wurde die Produktion der Silberlinge im eigenen Haus eingestellt und nach Österreich ausgelagert. Gemäss Stephan Heim, Marketing-Chef der Adon AG, ist das einerseits durch den Rückgang der CD-Produktionsaufträge bedingt, andererseits aber auch dadurch begründet, dass Adon durch die Produktion im europäischen Ausland den Schweizer Kunden bei gewohnt gleichbleibenden ServiceLeistungen nun bessere, international konkurrenzfähige Preise bieten kann. Und nun bietet Adon neben CDs und Vinyl auch Musikkassetten an. Dazu Stephan Heim: „Wir produzieren schon immer Musikkassetten. Das geht zurück auf die Firma KPK (Kassetten Produktion Kieser) in Bergdietikon, die in die Adon AG integriert wurde. Die Produktionsmaschine, ein Eigenbau, ist immer noch das Original aus den 80ern. Und weil wir über die Jahre immer mal wieder Aufträge für MCs, wenn auch in kleinen Auflagen erhielten, haben wir uns nie von dieser Maschine getrennt. 2015 ging es wieder, im Vergleich zu den Vorjahren, massiv ab. Wir könnten die ganze Auflage von den „Drei ???“ (Jugendhörspiel-Serie) nachproduzieren, wir konnten die neue Motörhead auf Kassette machen und wir haben auch Anfragen und Aufträge von Bands, die aus Spass kleine Auflagen von MCs wollen. Wir haben jetzt auch ein sogenanntes Bundle mit Vinyl, CD und MC im Angebot. Für Vinyl-Platten gibt es ja jetzt auch vermehrt wieder Plattenspieler zu kaufen und ich habe das Gefühl, dass das auch für Kassetten-Recorder/Player wieder kommen wird.“ Trotzdem stellt sich die Frage nach dem Warum und Wieso, wo es doch CDs gibt, die man selbst bespielen kann und die in der Handhabung ungleich unkomplizierter sind. Man erinnere sich nur an den immer wieder auftretenden, höchst ärgerlichen Bandsalat bei MCs, wo das Band vom Player „verschluckt“ wurde und nicht mehr zu gebrauchen war. „Das ist reine Nostalgie“, ist sich Stephan Heim sicher, „viele von uns sind mit MCs aufgewachsen. Da konnte man früher Mix-Tapes machen und die auch im Auto hören. Ich hatte bis 2003 noch einen MC-Player im Auto. Das gibt es heute alles nicht mehr, es gibt auch kaum noch MC-Player zu kaufen.“ Also reine Liebhaberei, die jedoch langsam grössere Kreise zieht. Bei Adon häufen sich jedenfalls die Anfragen von Bands nach solch einem Bundle aus Vinyl, MC und CD. Dass bei Adon vermehrt Aufträge für MC-Produktion verzeichnet werden, liegt sicher daran, dass es in Europa nur noch 3 – 5 Maschinen gibt, die Kassetten machen und Adon hat eine davon. „Man hat lange gesagt, Kassetten

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«In Amerika ist die MC wieder gross im Kommen» - Stephan Heim (Adon AG)

laufen nur noch auf dem afrikanischen Markt. Wir haben das mal recherchiert und es stimmt nur bedingt. Dort werden in den Autos inzwischen auch CDs gehört, denn die Staubentwicklung auf den Strassen dort ist nicht mehr so gross, dass zwingend MCs gebraucht werden. Aber wir haben gemerkt, dass es bei den MCs ein Nischenbedürfnis gibt. Es gibt einen Produzenten in Nordamerika, der stellt CDs, Vinyl und MCs her und macht heute 25% seines Umsatzes mit MCs. In Amerika ist die MC wieder ganz gross im Kommen.“ Einen rationalen Grund für die Renaissance der MC gibt es ausser der erwähnten Nostalgie eigentlich nicht. Umso erstaunlicher ist die steigende Nachfrage. Aber wie zur Zeit bei Vinyl wird auch diese höhere Nachfrage zu einem Problem bei den Lieferfristen, denn es gibt weltweit nur noch einen Grosshändler für die Tonbänder. „Wir hatten jetzt gerade einen Engpass und mussten intensiv nach Bandmaterial suchen. Es gibt noch einige Händler im Osten, die Bandmaterial in kleinen Mengen anbieten. Wir mussten die Produktion von den „Drei ???“ kurzfristig unterbrechen, weil wir kein Band mehr hatten. Heute kann nicht mehr irgendwo anrufen und ein paar Kilometer Tonband bestellen, da muss man suchen,“ sagt Stephan Heim, „aber ich denke, das könnte sich nun wieder ändern. Wir sind auf jeden Fall ausgerüstet und ready für den Ansturm, falls er denn kommt!“


DVD/BluRay

DVD/BluRay

ANATHEMA A Sort Of Homecoming (1 DVD/2 CD) Dscope em. Das vorliegende Werk der britischen Formation Anathema ist eine Hommage an ihre Heimat Liverpool. In der dortigen Kathedrale haben die Herren ihren neusten Wurf „A Sort Of Homecoming“ aufgezeichnet. Um es gleich vorneweg zu sagen: Ihre Doomund Gothic-Metal-Songs aus den Anfangsjahren der Band, werden in dieser beeindruckenden Kulisse und in diesem Rahmen nicht zum Besten gegeben. Die Herren haben sich zu Meistern des Alternative Rock und Progressive Rock entwickelt und zeigen in diesem Konzertfilm ein grosses Spektrum ihres Könnens und Schaffens der letzten Jahre. Dass Anathema stets auf hohem Niveau agieren ist nicht neu, aber Fans und Medienschaffende haben gleichermassen das aufgezeichnete Akustik-Set als „einzigartig“ bezeichnet. Unter dem Strich ist es aber nicht die musikalische Höchstleistung, welche hier jeden Hörer und Zuschauer verzaubert. Es ist das

Gesamtpaket, welches einem einen angenehmen Schauer verspüren lässt. Diese gewaltige Location, die Klänge, die Atmosphäre, die in einem perfekten Sound direkt ins Wohnzimmer transportiert werden, das sind die Attribute, welche „A Sort Of Homecoming“ so exzellent werden lassen. Es sind die atemberaubende Architektur der Kathedrale und das Filigrane in der Musik, welche so wunderbar miteinander verschmelzen. Hier wurde ein Zeitdokument veröffentlicht, das jeden Musikliebhaber verzückt. Ein mehr als gelungenes Heimspiel Anathemas.

LENNY KRAVITZ Just Let Go – Live Eagle Vision hh. Während seiner 2014 Europa-Tour liess Lenny Kravitz diverse Shows filmen, woraus dieser Konzertfilm schlussendlich gefertigt wurde. Es handelt sich also nicht um den Mitschnitt eines einzigen Konzerts, sondern um einen KONZERTFILM! Und das heisst auch, dass es keine zusammenhängende LivePerformance gibt, sondern praktisch alle 1-2 Songs werden Interviews mit Lenny und seinen Musikern eingefügt, Aufnahmen aus den Bandproben und Backstage-Impressionen. Das macht das ganze Werk zwar interessant und sprengt den Rahmen der üblichen Konzert-Dokus, man hätte sich allerdings gewünscht, dass es in der Menüführung die Möglichkeit gäbe, die Live-Darbietungen am Streifen zu geniessen und die Interviews etc. im Bonus-Teil zu platzieren. Aber das ist meckern auf hohem Niveau, denn das Material auf dieser DVD/BluRay ist absolut sehensund hörenswert und in seiner Gesamtheit auch sehr interessant. Störend auf Dauer sind allerdings die Kommentare seiner Musiker, die sich je länger je mehr darauf beschränken, was Lenny doch für ein toller Typ ist und wie toll das ganze Team untereinander harmoniert. Das mag alles stimmen, ermüdet bzw. langweilt aber auf Dauer. Die LiveMitschnitte hingegen sind grandios, was in erster Linie an der herausragenden Band liegt, die tatsächlich perfekt wie eine Einheit harmoniert. Alle Musiker haben maximale Klasse, wobei speziell Bassistin Gail Ann Dorsey und Drummerin Cindy Blackman Santana eine herausragend funktionierende GrooveMaschine bilden. Was diese beiden Mädel hier abliefern, sucht seinesgleichen – besonders das harte, druckvolle und dennoch immer swingende Drumming von Carlos Santana's

Ehegattin ist nicht nur für alle weiblichen Trommler Anschauungsunterricht der höchsten Klasse. Gail Ann Dorsey gilt ohnehin seit langen Jahren als eine der weltweit besten Bassistinnen und stand bereits mit fast allem, was Rang und Namen hat, auf der Bühne oder im Studio. Aber auch der komplette Rest der Band steht den beiden Frauen in Klasse und Rasse in absolut nichts nach – was unterm Strich heisst: Diese Formation ist die beste Band, die Lenny in seiner gesamten Karriere bislang zur Seite stand. Lenny selbst gibt sich dynamisch rockend und publikumsnah und bietet seinen Fans in vollem Umfang, was sie erwarten. Und das sind neben einer Top-Performance natürlich seine Hits. Die gibt es hier im Dutzend plus weitere sechs Songs im Bonus-Teil in bestem Sound. Mit einer Gesamtlänge von über 150 Minuten gibt es hier ordentlich was auf die Augen und Ohren. Alles in Allem: Klasse Band, klasse Songs – alles auf höchstem Niveau. Was will man mehr?

THE SWEET Action – The Ultimate Story Sony hh. Zeitlebens hatte die britische Glamrock-Band ein persönliches Problem damit, dass sie in der Szene anfangs der 70er nicht als ernstzunehmende Band respektiert wurde. Das lag zum Einen daran, dass sie zu Beginn ihrer Karriere mit Riesen-Pop-Hits wie „Coco“, „Poppa Joe“, „Little Willy“ und „Wig Wam Bam“ ausschliesslich die Teenie-Szene bedienten, zum Anderen daran, dass sie nicht als Album-Band wahrgenommen und nur auf ihre Singles reduziert wurden. Mit dem Beginn der Glamrock-Zeit verpassten sich The Sweet ein musikalisch härteres Image und lieferten mit u.a. „Ballroom Blitz“, „Blockbuster“, „Hell Raiser“ oder „Teenage Rampage“ brilliante Power Rocksongs ab, die durchweg in Deutschland Platz 1 der Charts belegten und auch in ihrer britischen Heimat für Topplatzierungen sorgten. Nun wurden sie auch als Album-Band wahrgenommen, die LPs „Desolation Boulevard“ mit den Hits „“The Six Teens“ und „Fox On The Run“ sowie „Give Us A Wink“ mit den Hits „Action“ und „The Lies In Your Eyes“ fanden auch in der härteren Rockszene jede Menge Fans. Das Markenzeichen der Truppe war der ausgefeilte Harmoniegesang, den sie auch live hervorragend reproduzieren konnten. Ab Mitte der 70er Jahre liessen die Mega-Erfolge nach und als Sänger Brian Conolly wegen massiver Alkohol-Probleme 1979 die Band verlassen musste, machten die restlichen drei Bandmitglieder Andy Scott (gtr), Steve Priest (bs) und Mick Tucker (dr) als Trio weiter, wobei Priest den LeadGesang übernahm. 1981 verabschiedete sich auch Steve Priest. Mit wechselnden Begleitmusikern ist Andy Scott bis heute unter dem alten Bandnamen unterwegs (Mick Tucker verliess die Band 1990) und reproduziert die alten Hits. Das vorliegende Box-Set beinhaltet 3 DVDs, die speziell bei den Fans der Band Sturzbäche von Freudentränen verursachen werden. Jede Menge Playback-TV-Auftritte in damals angesagten Sendungen wie u.a. „Top Of The Pops“ oder „Musikladen“, ein bislang unveröffentlichter Live-Mitschnitt aus dem Bremer „Musikladen“ von 1974 bis hin zu zwei Live-Shows ohne Conolly und Priest aus dem Londoner Marquee von 1986 und dem Hannoveraner Capitol von 1991 (ohne Mick Tucker). Zudem gibt es eine BBC-Doku „All That Glitters“, die aber leider viel zu kurz ausgefallen ist. „Action – The Ultimate Story“ ist ein ausführliches, akribisch dokumentiertes Werk über eine der verkanntesten, dennoch megaerfolgreichsten und musikalisch besten britischen Bands aus der Zeit, als man mit krachigen, melodiösen Hardrock-Songs noch die Charts-Spitzen stürmen konnte.

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ReReleases, Best Of, Tributes SCORPIONS Taken By Force (1977, Bonus Tracks) Tokyo Tapes (1978, Bonus Tracks plus 1 CD) Lovedrive (1979, Bonus Tracks plus 1 DVD) Animal Magnetism (1980, Bonus Tracks) Blackout (1982, Bonus Tracks plus 1 DVD) Love At First Sting (1984, Bonus Tracks plus 1 CD und 1 DVD) World Wide Live (plus 1 DVD) Savage Amusements (Bonus Tracks plus 1 DVD) BMG Rights/SPV lg. Anlässlich des fünfzigsten Bandjubiläums legt die erfolgreichste deutsche Hard-Rock/Heavy Metal-Band Scorpions aus Hannover - ihre acht Alben aus der klassischen Zeit von 1977 bis 1989 (sechs Studioalben und zwei LiveScheiben) in remastered Versionen unter den Weihnachtsbaum. Alle Scheiben kommen mit hochwertigem Bonusmaterial sowie fetten Booklets mit zahlreichen unveröffentlichten Fotos daher.

Die frühen Zeiten aus den siebziger Jahren – als die Scorpions Krautrock-artig begannen – werden somit ebenso wie die Zeit nach dem Mauerfall (es sei nur "Wind Of Change" genannt…) aussen vor gelassen. Den Anfang macht „Taken By Force“, das letzte Album mit dem unverwüstlichen Hippie Uli John Roth an der Gitarre (und gleichzeitig das Debüt von Drummer Hermann Rarebell). Das Album ist abwechslungsreich und recht HardRock-lastig ausgefallen und enthält ein paar sehr coole Tracks wie "Steamrock Fever", das Jim Hendrix gewidmete "We'll Burn The Sky" und den alles überragenden siebten Song "He's A Woman, She's A Man". Als Zusatz gibt es hier ein paar wertige Bonustracks aus dieser Zeit. Da das Album "Taken By Force" in Japan sehr erfolgreich war, bot es sich an, Aufnahmen der Japan-Tour aus dieser Zeit zu veröffentlichen, was schliesslich mit dem ersten Live-Album der Scorpions – das grossartige "Tokyo Tapes" – geschah. Auf dieser Live-Scheibe werden alle Qualitäten von Scorpions eindeutig: energiereiche Shows mit brillanter musikalischer Darbietung gepaart mit steter Interaktion mit dem Publikum. Insbesondere genial ist die Gitarrenarbeit von Uli John Roth und Rudolf Schenker, welche die Songs anders als auf den Alben interpretieren (man höre zum Beispiel den Titelsong der zweiten Scorpions-Scheibe "Fly To The Rainbow". Als Bonus sind auf dieser Doppel-CD weitere Live in Japan aufgenommene Titel zu hören (teilweise Songs, die in anderen Versionen auf "Tokyo Tapes" bereits enthalten sind, sowie zusätzlich "Hell Cat" und "Catch Your Train" von der "Virgin Killer"-Scheibe sowie die japanische Nationalhymne). Dieses Live-Album ist eine der besten Veröffentlichungen von Scorpions und zeigen eine Band – wenn auch nicht auf ihrem kommerziellen Höhepunkt – auf höchsten künstlerischem Niveau. Genial! Nach "Tokyo Tapes" wurde 1979 "Lovedrive" aufgenommen – auf welchem neben dem direkten Nachfolger von Gitarrist Uli John Roth, dem Hannoveraner Matthias Jabs

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(ein ehemaliger Nachhilfeschüler von Bassist Francis Buchholz), auch Michael Schenker zu hören ist, der sich während den Aufnahmen bei der Band gemeldet hat, weswegen Scorpions Matthias Jabs vor die Tür setzten. Während der nachfolgenden Tour fand die Rochade zu Matthias Jabs definitiv statt, denn Michael Schenker konnte auf Tour nach mehreren Zusammenbrüchen nicht mehr mit dem Tempo mithalten. Von den Songs her sind auf "Lovedrive" die nach wie vor im Set der Scorpions etablierten Tracks wie "Holiday", das Instrumental "Coast To Coast", das rassige "Another Piece Of Meat", "Loving You Sunday Morning" sowie der Titelsong als Highlights zu nennen. Das mit einem sehr gelungenen und sehr markanten Coverartwork versehene Album (Mann und Frau in Abendgarderobe befinden sich auf dem Rücksitz einer Limousine. Der Mann hat der Frau an die entblößte Brust gegriffen. Die Brust und die Hand des Mannes sind durch ein großes rosafarbenes Stück Kaugummi verbunden, das sich durch das Bild zieht) markierte auch den Durchbruch von Scorpions in den USA. Als Bonus kommt nur ein Song (Demo-Version von "Holiday"), dafür liegt eine DVD mit einem kompletten Gig in Japan von der dazugehörigen Tour bei. Die Erfolgsmaschine lief wie geölt und das unter grossem Zeitdruck 1980 veröffentlichte und recht harte und düstere "Animal Magnetism" hievte die Band auf der Erfolgsleiter weiter nach oben und gilt nach wie vor als Bandklassiker. Der grösste Hit ist da "The Zoo", der in zahlreichen Stripclubs zum Standard-Repertoire gehört, gefolgt vom getragenen Titelsong und dem Opener "Make It Real". Die Non-Album Single "Hey You" ist ein cooler Bonussong mit Rudolf Schenker an den Vocals. Ansonsten finden sich fünf Demo-Versionen weiterer Songs. 1982 kam dann eines der besten Alben der Bandgeschickte heraus: „Blackout“. Neben dem Titeltrack avancierten Songs wie „No One Like You“ und „Dynamite“ zu unsterblichen Hits und gelten nach wie vor als Klassiker des deutschen Hard-Rocks. Neben Demo-Versionen von drei Non-Album Songs sowie vom Titeltrack kommt der Re-Release mit einer DVD, die es wahrlich in sich hat! Der Set der Scorpions beim legendären Rock Pop In Concert im Dezember 1983 in Dortmund (u.a. mit Grössen wie Ozzy Osbourne, Def Leppard, Judas Priest und Iron Maiden) wird dem Fan in voller Länge auf dem Silbertablett serviert und zeigt eine bewegungsfreudige Band auf dem kreativen Höhepunkt ihres Schaffens, die auf der Bühne alles gibt. Insbesondere die beiden Gitarristen Rudolf Schenker sowie Matthias Jabs geben neben Frontmann Klaus Meine ordentlich Gas. Abgerundet wird die DVD mit den beiden Clips zu „No One Like You“ und „Arizona“ und einem sehenswerten Rückblick auf die Entstehung des Albums. 1984, wenige Monate nach dem Gig in Dortmund, erschien das mit Mehrfachplatin ausgezeichnete „Love At First Sting“. Dieses Album mit so unterschiedlichen Songs wie die Kracher „Bad Boys Running Wild“, „Rock You Like A Hurricane“ sowie „Coming


ReReleases, Best Of, Tributes Home“, dem Groover „Big City Nights“ und der Hammerballade „Still Loving You“ hievte die Scorpions auf dem nächsten Level und brachte der Band einen weiteren Erfolgsschub und etablierte die Band als eines der grössten Hard-Rock Acts weltweit. Als Bonus gibt es zwei Demo-Versionen der Albumsongs „Coming Home“ und „Still Loving You“ sowie drei weitere unveröffentlichte Tracks. Highlight dieses üppigen, mit einer Bonus-CD und Bonus-DVD ausgestatteten Packages ist sicher das sich auf der CD befindende und damals ausverkaufte Konzert aus dem New Yorker Madison Square Garden (Juni 1984). Auch die DVD ist sehenswert, insbesondere die offiziellen Videos und die PlaybackAuftritte in deutschen TV-Shows (man erinnere sich an „Na Sowas!“ und „Peters Pop Show“). Auch gefällt die von der Band heute erzählte Story zum Album. Nach diesem Riesenerfolg musste ja fast ein Live-Album her. Das 1985 veröffentlichte "World Wide Live" gehört ja zu einem der besten und massivsten Alben der Rockgeschichte. Die Aufnahmen entstanden gegen Ende 1984 sowohl in Europa wie auch in den USA. Die Band wirkt auch hier enorm tight, spielfreudig und die Songs kommen härter und kerniger daher. Zudem kann Matthias Jabs erstmals auf einem LiveAlbum sein Können unter Beweis stellen, das kein Material enthält, welches älter als "Lovedrive" (1979) ist. Auch hier spendieren die Scorpions eine DVD mit Live-Aufnahmen. Nach dem Riesenerfolg des vorangegangenen Studioalbums „Love At First Sting“ und der dazugehörigen Live-Scheibe „World Wide Live“ lastete ein enormer Druck auf die Scorpions. Nahezu drei Jahre dauerte die bis anhin aufwendigste Produktion in der Bandgeschichte (letztmals mit dem seit dem dritten Album „In Trance“ der Band zur Seite stehenden Produzenten Dieter Dierks). Wenn auch das Album mit dem Titel "Savage Amusements" sehr gut war und Scorpions als gereifte Hard-RockBand zeigte (Songs wie „Don't Stop At The Top“, „Rhythm Of Love“ und „Media Overkill“ sprechen da für sich), konnte das Album hierzulande trotz grossem Erfolg musikalisch nicht ganz an die beiden Vorgängeralben anknüpfen. Doch mit der Scheibe wurde im Rahmen der sich anbahnenden Öffnung von Osteuropa der Triumphzug von Scorpions in der damaligen Sowjetunion vorbereitet (nach der Wende waren die Scorpions dort Superstars) Auf der Bonus-DVD wird nebst den offiziellen Clips und einem Making-Of der Dokumentartfilm „To Russia With Love“ gezeigt, welcher die ersten Auftritte einer westlichen Band überhaupt im damaligen Leningrad (heute St. Petersburg) erzählt und als sehr spannender Zeitzeuge durchgeht. Als Fazit ist zu sagen, dass besser als hier Rereleases nicht aufgezogen werden können. Sowohl für Kenner als auch für Einsteiger sind die Scheiben unverzichtbar. Sehr toll ist auch die limitierte Vinyl-Box mit allen Alben und allen Tracks (inkl. Bonus) zusätzlich als CDs.

LED ZEPPELIN Mothership – The Very Best Of Vinyl-Box-Set (4 LPs) Warner hh. Nachdem nun alle regulären ZeppelinAlben in remasterter Form in verschiedenen Formaten veröffentlicht wurden, kommt zuguterletzt nun mit „Mothership“ eine BestOf-Kollektion. Für Fans der Band bietet das Box-Set von der Titel-Auswahl nichts Neues und ist so gesehen eher eine Empfehlung für alle, die das Gesamtwerk dieser überirdischen Truppe nicht im heimischen Regal haben. Klar, kann man sich bei der hier vorliegenden Titelauswahl streiten, ob nicht der eine oder andere Song noch „unbedingt“ hätte dabei sein müssen – aber auch so bietet das Set einen sehr guten Überblick über die wichtigen und essentiellen Songs der Briten. Was dieses Box Set aber auch für diejenigen unverzichtbar macht, die bereits „Best Ofs“ von Zeppelin besitzen, ist der unglaubliche Sound dieser Vinyl-LPs. Jimmy Page hat mal wieder alle Register seines Könnens gezogen und herausgekommen ist ein Klangbild von einer ungeheuren Transparenz, gepaart mit mächtigem Druck und einer Klarheit, die es bis jetzt noch auf keiner vorherigen Best-Of-

Veröffentlichung zu hören gab – es bläst einen förmlich vom Hocker. Geradezu ein Paradebeispiel für die einzigartige Soundqualität einer Vinyl-LP, besonders wenn sie als 180gr. Schwergewicht daherkommt. Wer die Zep-Klassiker in einem brillianten, bislang noch nicht erlebten bzw. vorstellbaren Sound geniessen will, mit all ihrer Wucht und Wärme, kommt an diesem Box Set nicht vorbei. Ein wahres Meisterwerk sowohl musikalisch wie soundtechnisch!

SMALL FACES The Decca Years 1965-1967 Deluxe Box Set Universal hh. Leider wird diese „Zwergen“Combo in den Rockhistorien der 60er Jahre zumeist nur am Rande behandelt, was bei wirklichen Kennern der damaligen Szene einer geradezu sträflichen Unterlassung gleichkommt. Songs wie „Wat'cha Gonna Do About It“, „Hey Girl“, „Sha La La La Lee“, „All Or Nothing“, „My Mind's Eye“ oder „Shake“ (um nur einige zu nennen) gehörten zum Besten, was in der Beat-Ära überhaupt an den Start gebracht wurde. Die kleinwüchsigen Musiker, allen voran Sänger/Hauptsongschreiber und Gitarrist Steve Marriott, der später mit Humble Pie zum Superstar aufstieg, waren das musikalische Aushängeschild der Mod-Bewegung und gehörten in England mit ihrem erdigen, rockigen und rudimentären Sound zu den beliebtesten Bands. Ausserhalb ihrer Heimat konnten sie diesen Erfolg leider nur in Ansätzen wiederholen. Bevor sie zum vom Stones-Manager Andrew Oldham gegründeten Label Immediate wechselten und auch dort 2 weitere Klasse-Alben aufnahmen, veröffentlichten sie bei Decca 2

FANNY Rock And Roll Survivors Cherry Red rp. Fanny waren mehr als Rock 'n' Roll Überlebende. Die philippinischamerikanischeBand war die erste reine Frauenband, die von einem Majorlabel unter Vertrag genommen wurde und eine der ersten Frauenrockbands überhaupt. Das war

reguläre LPs. In diesem Box Set bekommt der Fan alle für Decca aufgenommen Songs plus zum Teil unveröffentlichtes Materail in Form von Studio-Outtakes und Live-Mitschnitten. Die Songs wurden von den Original-Tapes remastert und kommen fett und druckvoll durch die Boxen. Lediglich bei den BBC-Session-Tracks muss man einige Abstriche im Sound machen, was der damaligen Technik geschuldet ist. Daran wird sich der Fan allerdings nicht stören, denn die Freude über all diese jetzt gebündelt erhältlichen Titel macht diese kleinen Schwächen mehr als wett. Insgesamt wurden hier satte 91 Songs auf 5 CDs gepackt und zusammen mit einem schönen 72-seitigen Booklet und 4 Band-Foto-Postkarten ergibt das ein Paket, das in keiner gut sortierten Sammlung fehlen darf. Dieses Box-Set wird der Bedeutung und der grossen Klasse dieser Band mehr als gerecht. Bleibt zu hoffen, dass es nun auch bald ein gleichwertiges Box Set mit den Immediate-Aufnahmen geben wird. 1969. Ihr Debüt erschien 1970. Als 1974 ihr fünftes und letztes Album «Rock And Roll Survivors» veröffentlicht wurde, war die Band um June und Jean Millington bereits am Auseinanderfallen. June hatte die Band schon nach «Mothers Pride» (1973) verlassen. Auch ihr bisher grösster Erfolg mit der Single «Butter Boy» (Platz 29 in den Billboard-Charts) konnte daran nichts ändern. Fanny waren nicht nur Vorbild für andere Frauenrockbands (Runaways, The Go Go's, u.a) auch beispielsweise David Bowie zählte zu ihren Fans. 2007 erhielt Fanny für ihr Werk die «Rockrgrl Women Of Valor»Auszeichnung.

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ReReleases, Best Of, Tributes GOLDEN EARRING 50 Years Anniversary Album Red Bullet/H'Art hh. Die Holländer gehören zu den dienstältesten Bands weltweit. Gegründet 1961 als The Golden Earrings von Gitarrist/Sänger George Kooymans und Bassist Rinus Gerritsen veröffentlichten sie 1965 das erste Album „Just Earrings“, welches gleich drei Top Ten Hits abwarf. 1967 stiess

That was then... ...and this now

Sänger/Gitarrist/Flötist Barry Hay dazu und 1970 machte Drummer Cesar Zuiderwijk das bis heute beständige Line Up komplett. Mit „Radar Love“ landete das Quartett 1973 den ersten weltweiten Hit, es sollte zugleich der grösste ihrer gesamten Karriere. „Radar

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Love“ ist zudem bis heute einer der fünf meistgecoverten Songs der Rockgeschichte. Mit diesem Song knackten die Holländer den amerikanischen Markt und wieder holten dort ihren Erfolg 1982 mit „Twilight Zone“. In Europa, besonders in ihrer Heimat, England und Deutschland, sowie auch in der Schweiz gehörten Golden Earring in den 70ern zu den erfolgreichsten Live-Bands, was in erster Linie

ihren wilden, extrovertierten Shows geschuldet war, die auch im internationalen Vergleich Ihresgleichen suchten, speziell Rinus Gerritsens Bass- und Cesar Zuiderwijks Drum-Soli waren absolut sensationell. Die bis heute anhaltende Karriere ist zum einem gewichtigen Teil darin begründet, dass sich die Holländer über all die Jahre musikalisch stets weiterentwickelten und sich den jeweiligen Trends anpassten, ohne jedoch ihre Wurzeln zu verlieren. Auch wenn sie in den 80ern vermehrt Popeinflüsse in ihren Sound integrierten, gaben sie nie ihre hardrockige Basis auf, blieben immer höchst authentisch. Das resultierte darin, dass sie während ihrer gesamten Karriere stets neue, junge Fans dazugewinnen konnten ohne ihre alten Anhänger zu vergraulen. Ein weiterer und wohl wichtigster Baustein dieser aussergewöhnlichen Karriere ist das herausragende Songwriter-Talent speziell im Verbund von George Kooymans und Barry Hay, praktisch jedes Album enthält neben ausgekoppelten Single-Hits einige wahre Rockjuwelen. Diese aus 4 CDs und einer DVD ( Live Mitschnitt vom 23.6.1984 aus Leiden/Holland) bestehende Kompilation bietet eine hervorragende Retrospektive aus der ein halbes Jahrhundert umfassenden Karriere des Holland-Vierers mit all den Hits und vielen tollen Album-Tracks. Gemessen an guten und sehr guten Songs aus 50 Jahren Golden Earring hätte man problemlos noch mindestens 2 zusätzliche CDs bestücken können. Aber auch so wird das „50 Anniversary Album“ mit den 50 enthaltenen Songs der grossen Klasse dieser Band voll und ganz gerecht.


ReReleases, Best Of, Tributes OVERKILL Historikill: 1995-2007 (13 CD) Nuclear Blast / Warner lg. Die in den letzten Jahren wiedererstarkte East-Coast Thrash-Legende um Reibeisenstimme Bobby "Blitz" Ellsworth und Bassist D.D. Verni fährt mit einem Boxset auf, das es wahrlich in sich hat. Obschon Mitte der 90er Jahre Heavy Metal in seiner traditionellen Ausprägung – und dazu zählt zweifelsohne Thrash Metal auch dazu – nicht gerade das angesagteste Genre war, liessen sich Overkill nicht beirren und machten trotz ihrer unerreichbaren vier klassischen Alben aus den 80er Jahren ("Feel The Fire", "Taking Over", "Under The Influence" und "The Years Of

TUCKER ZIMMERMAN Ten Songs RPM rp. Der Amerikaner Tucker Zimmerman war in den Sechzigern vor einer Einberufung in den Vietnamkrieg nach London geflohen. Dort lebte der in San Francisco geborene Zimmerman zuerst einmal auf der Strasse. Durch eine glückliche Fügung kann er in Kontakt mit dem EMI-Haus-Produzenten Tony Visconti (David Bowie, T-Rex, Thin Lizzy, Manic Street Preachers, Morrissey, u.a), der Zimmerman's Songs mochte.

MOTORPSYCHO Supersonic Scientists / A Young Person's Guide To Motorpsycho Stickman Records rp. Eine Motorpsycho-Anthology zusammen zu stellen, ist ein schier unmögliches Unterfangen. Zu gross, vielschichtig, breitgefächert und kontrastreich sind ihre fast unüberschaubaren Veröffentlichungen. Seit ihrer Gründung 1989 hat die norwegische Band

DARK MILLENNIUM Out Of The Past (Demos/1999 & 1991) Ashore The Celestial Burden (1992) Diana Read Peace (1993) Century Media/Universal lg. Die aus dem Sauerland/Deutsch land stammende und 1989 gegründete Formation Dark Millennium konnte anfangs der 90er Jahre mit ihren beiden Studioalben " Ashore The Celestial Burden" und "Diana Read Peace" im Underground etwas Aufmerksamkeit erwecken. Doch statt wie viele andere Bands in dieser Zeit auf ausgetretenen Pfaden zu gehen hatten Dark Millennium seinerzeit eine eigene Vision, wie ihre

Decay") munter weiter und liessen ein Thrash-MetalGeschoss nach dem anderen auf die Fangemeinde los. Trotz teilweiser modernerer Einflüsse (man beachte die Grooves auf dem 97er-Album "From The Underground And Below) blieb die Band ihren Wurzeln im Grossen und Ganzen treu und tourte nach wie vor ausgiebig rund um den Erdball. So blieben Overkill eine der grösseren Thrash-Metal Bands und brachten in der mit dieser schicken Box aufgearbeit-

eten Zeit ein paar coole Scheiben wie das recht melodische und sehr gute "Killbox 13" (2003) sowie "Bloodletting" (2000). Neben den Songs der sieben regulären Studioalben (plus das Coveralbum "Coverkill") in der Zeit von 1995-2007 finden sich im "Historikill"-Böxchen auch die alten Hits: Mit "Hello From The Gutter" wird eine Best-Of spendiert und die beiden karriereumspannenden Live-Scheiben aus besagter Zeit haben auch Eingang in das passend zur Bandfarbe in grün gehaltene Boxset gefunden. Als Bonus kommt noch eine Extra-CD mit unveröffentlichtem Demo-Material sowie ein Johnny Cash Cover ("Man In Black"). Empfehlenswert!

Zusammen nahmen sie 80 von seinen bis dahin 300 verfassten Songs auf. Visconti überliess dem studierten Musiker (Zimmerman hatte im California Youth Symphony Orchester gespielt) dann die Auswahl. 1969 erschien sein Debüt, schlicht «Ten Songs» betitelt. Die Folk basierten Songs zeigten einen jungen Mann auf der Suche nach seinem Platz in der Welt, manchmal wütend, desillusioniert. Dann wieder mit Selbstzweifeln, aber auch poetisch. Die Wut rührte her von der Unzufriedenheit mit der damaligen US-Politik. In «A Face That Hasn't Sold Out» thematisierte er seine Angst, sich selber für den Erfolg zu verkaufen. Dieser Entscheid wurde ihm abgenommen. Der Vertrag, den er mit einem Musik-Manager abgeschlossen hatte, verbot Zimmerman für drei Jahre für

ein anderes Label Songs einzuspielen. Beworben wurde «10 Songs» auch nicht. Immerhin hörte David Bowie Zimmermans Musik. 1971 nahm seine Begleitband Spiders From Mars, hiessen damals noch Ronno, sein «4th Hour Of Sleep» auf. Bowie selber kürte 2006 «Ten Songs» zu einem seiner 25 Lieblingsalben. Songs wie «A Face That Hasn't Sold Out» oder «Children Of Fear» versprühen auch heute noch eine rebellische Kraft. Die Wiederveröffentlichung enthält sieben Bonustracks, u.a das in Italienisch gesungene «La Rinascente» (Zimmerman hatte eine Zeitlang in Rom gelebt) und drei in Französisch gesungene Songs (Zimmerman lebt seit 43 Jahren in Belgien).

um die beiden einzigen konstanten Mitglieder Bent Sæther und Hans Magnus «Snah» Ryan 16 Alben, diverse EPs, Livealben, Projekt- und Kollaborationsalben veröffentlicht. Stilmässig reicht die Palette von Folk, Pop, Hardrock, Psychedelik, Punk, Indierock, Metal, Stonerrock, Grunge, Progrock, Südstaatenrock bis hin zu Country. Die Doppel-CD «Supersonic Scientists», die durch eine Motorpsycho-Ausstellung im norwegischen Nationalmuseum für Rock angestossen wurde, fängt im Jahre 1993 an, mit einem Track von ihrem dritten Werk «Demon Box» und endet mit «Toys» einem Song von 2014. Das Hauptaugenmerk wurde auf eher rockige Songs (CD 1) und eher poppige Songs (CD 2) gelegt, also keine allzu

grossen stilistischen Ausreisser. Natürlich kann man jetzt bemängeln, dass dieser oder jener Song fehlt. Ich persönlich hätte beispielsweise auch noch «That Ol' White Line» (von «The International Tussler Society» oder «Hey Jane» (von «Trust Us») auf das Album gepackt. Auf der anderen Seite sind dafür wirklich unverzichtbare Songs (meiner Meinung nach) wie «The Other Fool», «Go To California» oder «Cloduwalker» darauf. Für Einsteiger ist «Supersonic Scientists» sicherlich bestens geeignet. Lohnenswert ist natürlich auch der beigelegte ausführliche Familienstammbaum von Motorpsycho.

Ausprägung von Death Metal klingen sollte: düster, abwechslungsreich, atmosphärisch und mit coolen und vielen Riffs versehen. Die Songstrukturen sind recht komplex und musikalisch kann man hier eine Kreuzung der Stimmungen, wie sie auf ganz alten Scheiben von Paradise Lost und My Dying Bride zu finden sind, mit der Komplexität von Alben von Morbid Angel oder Atheist erkennen. Vor allem auf dem ersten Album, "Ashore The Celestial Burden" zelebrierten Dark Millennium diesen Stil, während auf dem nachfolgenden "Diana Read Peace" progressiver Death-Metal vorherrschte und Einflüsse wie Atheist und Cynic vermehrt durchschimmerten. Allerdings zerbrach diese visionäre Band leider kurz nach Veröffentlichung von "Diana Read Peace", was angesichts der Qualität der Band eine Schande ist. Nach gut 20 Jahren vermag der Erstling "Ashore The Celestial Burden" fast

besser zu gefallen, vereinigt er doch die Aggressivität des Death Metal mit der Vertracktheit des Progressive Metal. Zudem kommt auf "Diana Read Peace" der cleane Gesang teilweise recht schwachbrüstig herüber. Nun sind die beiden Scheiben sowie die davor veröffentlichten beiden Demos sorgfältig remastered worden und sowohl als Dipipack-CDs wie auch als LPs in verschiedenen Farben veröffentlicht worden. Schöne Veröffentlichungen, deren Anschaffung durchaus lohnenswert ist.

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MUSIK zum LESEN PAUL TRYNKA Sympathy For The Devil Die Geburt der Rolling Stones und der Tod von Brian Jones Hannibal Verlag hh. Wenn heute von den Rolling Stones die Rede ist, verbindet man damit in erster Linie Mick Jagger und Keith Richards. Erst danach kommt Charlie Watts, gefolgt von Ronnie Wood - von Brian Jones spricht dagegen niemand mehr. Dabei war es der blonde Multiinstrumentalist, der die Stones gründete, den Grundstein für deren bis heute anhaltende mega-erfolgreiche Karriere legte, das Bad-Boy-Image der Stones und deren Sound prägte, Jagger und Richards ihr musikalisches Handwerk lehrte und dem rockigen Rhythm&Blues zum weltweiten Durchbruch verhalf. Zugleich war er ein begnadeter Musiker mit grossen Visionen, der das, was man erst viel später unter „World Music“ verstand, bereits in den 60ern vorwegnahm. Gedankt hat ihm das niemand, am wenigsten seine Stones-Kollegen Jagger und Richards, vor denen ihn zu Beginn sein Mentor Alexis Korner gewarnt hatte: „Nimm nur einen von den beiden in deine Band, sonst werden sie dich kaltstellen“. Und so geschah es. Aber Jagger und Richards für das Ausbooten des Stones-Gründers allein die Schuld in die Schuhe zu schieben, trifft trotz grosser Berechtigung aber nicht wirklich den Kern des Problems. Brian Jones selbst war für sich und viele seiner kollegialen Zeitgenossen

WILLIE NELSON mit David Ritz Mein Leben: Eine lange Geschichte Heyne Verlag hh. Willie Nelson ist die lebende Legende der amerikanischen Countrymusik. Mit 22 Nummer 1 Singles, 14 Nummer 1 Alben und 19 Grammy Auszeichnungen ist

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das grösste Problem. Der exzentrische Stone hatte zwar neben seiner riesigen Musikalität durchaus grosse positive Charakterzüge, aber die dunkle Seite seiner Psyche machten den Kollegen je länger je mehr die Zusammenarbeit mit ihm zu einer wahren Tour de Force. Jones galt als dominant, egoistisch, narzistisch, nervend und in hohem Mass unzuverlässig und als er sich in immer höherem Mass Drogen und Alkohol einverleibte, degradierte er sich selbst zu einem ungeliebten, depressiven und nicht mehr gebrauchten Anhängsel, dem schlussendlich auch sein grösstes Kapital, die aussergewöhnliche Musikalität, verloren ging. Sein früher Tod 1969 (Jones ertrank in seinem eigenen Swimming Pool) sorgte für wildeste Spekulationen, die Gerüchte,

der 1933 Texaner einer erfolgreichsten Musiker aller Zeiten. Ausserdem wirkte Nelson in knapp 40 Film- und TV-Produktionen als Schauspieler mit. In seiner über 400-seitigen Biografie erzählt der Megastar seine Lebensgeschichte, spannend, informativ und überaus unterhaltsam. Geboren und aufgewachsen unter ärmlichsten Bedingungen in Abbott/Texas bei seinen Grosseltern, musste er, als er alt genug war einen Erntesack hinter

dass Jones ermordet wurde, halten sich bis heute – entbehren aber (spätestens nach der Lektüre dieses Buchs)wohl jeder Grundlage. Paul Trynka, der Autos dieser akribisch recherchierten und sehr seriösen Biografie, die sich unter Verzicht auf boulevardesken Sensationsjournalismus fesselnd und spannend liest, hat sich bereits eine Namen als Autor von hochgelobten Biografien über David Bowie und Iggy Pop gemacht und sein Buch „Portrait Of The Blues“, eine Sammlung von Interviews mit über 60 Bluesmusikern, gilt als Meilenstein. Zudem ist er Herausgeber des „Mojo“ Magazins und einer der Gründer von „The Guitar Magazine“. Mit „Sympathy For The Devil“ hat Trynka ein weiteres Meisterwerk erschaffen.

sich herzuschleppen, mit seiner Oma in die Baumwollfelder. Daheim wurden die Wände der klapperigen Holzhütte mit Zeitungspapier abgeklebt, damit der Wind nicht durch die Ritzen pfeifen konnte. Schon früh lernte er durch die schwarzen Baumwollpflücker den Blues kennen, seine grosse Liebe galt jedoch der traditionellen Countrymusik. Nelson brachte sich das Gitarrespielen bei und klapperte über lange Jahre als Musiker in anderen Bands die texanischen Honky Tonks ab. Das Song- und Textschreiben war für Nelson eine besondere Gabe, Schreibblockaden kannte er nicht, seine Kreativität war grenzenlos und hält bis heute an. Ein grosses Verdienst des kleinen Mannes mit den langen Haaren war, dass er es schaffte, Rednecks und Hippies bei Konzerten friedlich zu vereinen, was noch in den 70ern für unmöglich gehalten wurde. Seine Biografie, die er mit Hilfe von Autor David Ritz (verfasste als Co-Autor Biografien von B.B. King, Smokey Robinson, Etta James und Aretha Franklin) niederschrieb, wimmelt von Anekdoten und Erinnerungen, die ein scharfes Bild vom südlichen Amerika von den 40er Jahren bis heute zeichnen. Dass Nelson trotz seiner grossen Gläubigkeit kein Kind von Traurigkeit war (und immer noch ist) und den Freuden des Lebens in hohem Mass zugetan ist, daraus macht er kein Hehl. Zudem ist Nelson seit Jahrzehnten ein


MUSIK zum LESEN überzeugter Kiffer, der vehement für die Legalisierung von Marihuana eintritt und sich bis heute seine täglichen Rationen gönnt. Sehr amüsant in diesem Zusammenhang ist seine Erinnerung, als er bei seinem alten Freund Jimmy Carter, inzwischen US-Präsident, nach Washington eingeladen wurde und nachts kiffend auf dem Dach des weissen Hauses den Ausblick über die Hauptstadt genoss. Willie Nelson ist sich als Outlaw des Country und Western über all die Jahre treu geblieben, der Mann, der sich nicht von der mächtigen Nashville-Country-Mafia einverleiben liess und ein dermassen hartes Leben als Musiker, das heute nur noch schwer vorstellbar ist, überlebte und der Szene einen nachhaltigen Stempel aufdrückte. Die Biografie ist ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte, geschrieben von einem Mann mit grossem Herzen für seine Familie und Freunde. Die Geschichte eines rastlosen Rebellen, der mit weicher Stimme und seiner abgerockten Gitarre namens Trigger die Countryszene nachhaltig veränderte und prägte. Ein wirklich tolles Buch, in dem der Autor kein Blatt vor den Mund nimmt und auch nicht davor zurückschreckt, sich selbst nicht immer im schönsten Licht darzustellen. Das ganze serviert er mit einem gesunden Humor, der das Buch zu einem wahren Lesevergnügen macht und nicht nur bei Country&Western-Fans für ein paar Stunden hervorragender Unterhaltung sorgen wird.

PETER HINCE Queen Intim: Groupies, Gin und Glitter Auf Tour mit Queen Hannibal Verlag hh. Peter Hince war der Mann unter Freddy Mercury's Flügel. Soll heissen, Hince war lange Jahre Roadie der Queen-Diva, wie auch von Bassist John Deacon. Während der Queen Shows war sein Platz unter Mercury's Konzertflügel, von wo aus Hince dem Meister das Mikro reichen musste und auch ansonsten alles um Freddy's und Deacon's Umfeld zu beobachten hatte, um im Notfall sofort zur Stelle zu sein. Diesen Job, wie auch alle anderen Aufgaben, die mit einer Band auf Tour einhergingen, erledigte der Roadie dermassen gut, dass er zwar Angestellter aber auch ein enger Freund und Vertrauter der beiden Queen-Musiker wurde. Hince gibt in seinem Buch einen spannenden Blick hinter die Kulissen der zeitweise grössten Rockband der Welt, verzichtet aber auf das Ausbreiten von intimen Details aus dem Leben seiner Arbeitgeber, ergeht sich höchstens mal in Andeutungen. Dass das Buch trotzdem überaus lebenswert ist und selbst der eingeschworene Queen-Fan hier noch jede Menge detaillierte News über seine Lieblinge erfährt, ist begründet darin, dass nur sehr wenige Menschen über solch einen langen Zeitraum dermassen nah am Geschehen waren, wie Hince. Die fehlenden „sensationellen Intimitäten“, die man auf Grund des Buch-Titels durchaus erwarten könnte, macht Hince jedoch

mit viel Humor und Atmosphäre wett und schlussendlich ist man froh, dass hier keine Legenden-Zerstörung betrieben wird. Hince begegnet auch nach alle den Jahren, seit er den RoadieJob an den Nagel gehängt hat, den Musikern immer noch mit grossem Respekt, Treue und Verbundenheit. „Queen Intim“ ist mit über 300 Seiten ein stattlicher Wälzer, der jedoch zu keiner Minute langweilig oder bemüht wirkt. Im Gegenteil, es ist klasse Lesestoff, flüssig und spannend geschrieben, in dem auch jede Menge Einblicke in den harten Knochenjob eines Rockband-Roadies gegeben werden. Nicht nur für QueenFans sondern auch für jeden BiografieLiebhaber sehr zu empfehlen.


LIVE REVIEWS ip. Die Crüe zum unwiderruflich letzten Mal sehen, das wollten viele. Nicht ganz so viele wie vor drei Jahren, als sie mit Slash im Vorprogramm das Joggeli rockten, aber immerhin fand ein veritabler Nostalgiehaufen aus allen Himmelsrichtungen den Weg nach Basel, um den Glamrockpunks aus L.A. die letzte Ehre zu erweisen. Der Abend des finalen Konzerts auf Schweizer Boden wurde denn auch zum Klassentreffen derjenigen, die mit Mötley Crües Musik einen guten Teil ihrer Jugend verbracht hatten. Optisch kamen die Fans aus sämtlichen Kategorien von „Komme gerade aus dem Büro“ bis „vorgezogene Fasnacht“, wobei gerade letztere zu dem Rundum-Sorglos-Spasspaket beitrugen, für das auch der gesamte Abend stehen sollte. Für ein angedeutetes Stirnrunzeln sorgte jedoch die Verpflichtung von Alice Cooper

MÖTLEY CRUE, ALICE COOPER Basel, St. Jakobshalle 9.11.15

als Support Act. Denn die war nicht nur hierarchisch streng genommen respektlos, sondern auch in musikhistorischem Sinne merkwürdig, da Cooper fast zwanzig Jahre länger als die Crüe auf der Bühne steht und noch lange nicht über eine Rente nachdenkt. In diesem Sinne hätte die Verpflichtung einer jungen, angesagten Band wie zum Beispiel den Black Veil Brides eventuell mehr Sinn gemacht, die Halle unter Umständen noch etwas mehr gefüllt und ein paar jüngere Zuschauer angelockt, um dem Event die Aufmerksamkeitskulisse zu geben, die er eigentlich verdient gehabt hätte. Da Alice Cooper aber nicht nur ein hervorragender Entertainer, sondern auch Kult ist und zeitlich mit Mötley Crües grösstem Erfolg gleichzieht (sowohl „Girls, Girls, Girls“ als auch „Trash“ waren die bestverkauften Alben der beiden Acts und datieren sich beide auf das Jahr 1989), darf man den Meister des Schockrocks trotzdem jederzeit und unter allen Umständen willkommen heissen. Seine Show lieferte sämtliche zu erwartenden Gimmicks, Gilloutine und Boa inklusive, und ebenfalls sämtliche seiner Hits der letzten Dekaden. Vor allem „Poison“, die Nummer, die ihm zu einem späten Erfolg verhalf, motivierte das Publikum zu Luftgitarren und Mitsingchorälen. Blickfang auf der Bühne war unbestritten Nita Strauss, Coopers neue Gitarristin und Nachfolgerin von Orianthi. Die 28jährige Saitenqueen, die vor allem durch ihren Job bei der Coverband The Iron Maidens Aufsehen erregte, berserkerte in dicken Rock'n'Roll-Stiefeln über die Bühne und bereicherte die Show mit solider Gitarrenarbeit. Die Gastgeber eröffneten ihren letzten Gang pünktlich mit „Girls,

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Fotos: Marion Gross

Girls, Girls“, zwei schnuckeligen BackingGehilfinnen und obligaten Pyros, deren inflationärer Gebrauch im Verlaufe des Abends fast beängstigende Ausmasse annahmen. Nichts anderes erwartet man aber vom Quartett aus L.A. und unterlegt wurde das Spektakel mit einem Querschnitt durch die Bandhistorie. „Wild Side“, „Smoking In The Boys Room“ oder „Looks That Kill“ waren die Wellenbrecher der ersten beiden Drittel, bevor die Halle in Dunkelheit und Stille erstarrte. Auf diesen Moment hatte ein grosser Teil des Publikums gewartet: Mit den Klängen von „Carmina Burana“ hatte das nervöse Getrippel von einem Bein aufs andere endlich ein Ende und der Höhepunkt der Show nahm seinen Lauf. Tommy Lee hatte sich hinter seinem Drumkit festgezurrt und schwebte solierend unter Dubstep-Gewitter, das mit Black Sabbath, den Beastie Boys und Led Zeppelin angereichert wurde, über die Köpfe des Publikums zum Mischpult und zurück. Ein echtes Erlebnis fürs Auge und sein adrenalinberauschter Spruch „This is a dream come true since I was a kid“ war vermutlich etwas vom ehrlichsten, was der Abend zu bieten hatte. Kaum zu glauben und fürchterlich traurig, dass man den Spinner nie wieder mit einer seiner Konstruktionen auf unseren Bühnen sehen darf. Nach Tommy Lee war Mick „The Undertaker“ Mars mit einem Solo dran. Viele Gründe gäbe es darüber zu nennen, dass dieses Gitarrensolo nicht unter den Top 10 der jemals gespielten Livesoli landen wird. Wohl aber waren diese paar Minuten die wahrscheinlich rührendsten Augenblicke, die auf einer Bühne aufgeführt wurden. Kaum vorstellbar, welche Schmerzen der an einer rheumatisch-entzündlichen Krankheit der Wirbelsäule leidende Gitarrist im Verlauf seines Lebens ausgehalten hat, während er seiner Leidenschaft auf der Bühne nachgehen konnte. Für dieses Durchhaltevermögen gebührt ihm eine Menge Respekt. Überhaupt befindet dieses letzte Konzert der 1990er-Ikone ausserhalb jeder musikpolizeilichen Kritik. Ein solcher Event ist zum Geniessen und Feiern da, nicht zum Stänkern. Die Zieleinfahrt mit „Life Wire“, „Dr. Feelgood“ und „Kickstart My Heart“ schweisste alle anwesenden Schwestern und Brüder im Geiste noch einmal zusammen und die Zugabe „Home Sweet Home“ in der Mitte der Halle entliess das Publikum mit einem zwar wehmütigen, aber auch aufgeräumt-abgeschlossenen Gefühl in die Nacht. Danke, Mötley Crüe, für die Jahre voller Ohrwürmer, Spass und der Gratwanderung an den Klippen des Rock'n'Roll.


LIVE REVIEWS NIGHTWISH, ARCH ENEMY, AMORPHIS Basel, St. Jakobshalle 28.11.15

Fotos: Sonya Vaucher

mv. Das Billing mit gleich drei hochkarätigen Bands liess MetallerHerzen höher schlagen. Nightwish bewiesen ein gutes Händchen und hatten mit Arch Enemy und den Landsmännern von Amorphis zwei zur Zeit sehr angesagte Metal-Bands mit im Gepäck. So war es dann auch nicht wirklich erstaunlich, dass die St. Jakobshalle in Basel das „Ausverkauft“-Schild an die Kasse hängen konnte. Leider war Basel wohl nicht gewappnet für so viel Andrang (gleichzeitig zum Konzert fand noch die Extasia Messe statt), so benötigte der Redakteur dieses Berichts wie auch unzählige Fans von Pratteln bis zur Halle in Basel fast 90 Minuten (die Parkings waren zudem alle überfüllt und weitere Parkplätze wurden in der Nähe gar nicht angeboten). Nach endloser Geduld im Stau und langer Parkplatzsuche war irgendwann dann trotzdem die Halle erreicht und Amorphis leider bereits vorbei. Arch Enemy hatten gerade begonnen und begeisterten die Fans mit ihrem modernen Death Metal, welcher dank der grandiosen Leads und Soli der Gitarrenmeister Michael Amott und Jeff Loomis immer wieder herrlich melodiös wirkte. Augenfang war aber natürlich die mit ihren blauen Haaren auf der Bühne richtig leuchtende Sängerin Alissa White-Gluz, welche wirklich Vollgas gab, rumwirbelte, durch die Luft sprang oder mit Flagge über die Bühne stolzierte. Zudem staunt man immer wieder, wie so eine zierliche Frau solche aggressiven Growls hinbekommt. Die Setlist präsentierte natürlich vor allem das aktuelle Album „War Eternal“. Die Fans umjubelten die Band aber bei jedem Song, egal ob alt oder neu. Die grossen Highlights waren der Oldie „Ravenous“ und das alles zerstörende, finale „Nemesis“. Die Band verliess die Halle unter begeisterndem Applaus und darf sehr zufrieden sein. Dann wurde es eine Weile dunkel, bevor Nightwish kurz nach 21 Uhr mit einem lauten Knall loslegten und mit „Shudder Before the Beautiful“ gleich mit Vollgas in die Setlist einstiegen. Und was die Band an diesem Abend an Feuer, Rauch und Licht ablieferte, war einfach nur beeindruckend und eine wahre Freude. Bei fast jedem Song knallten Pyros oder CO2-Fontänen hoch, dazu gab im Hintergrund eine starke visuelle Untermalung in Form großer LED-Panels und

ALISSA WHITE-GLUZ (ARCH ENEMY)

FLOOR JANSEN (NIGHTWISH) eine absolut gigantische Lightshow. Das soll aber nicht heissen, dass Nightwish es nötig hätten, damit von ihrer Musik abzulenken. Die Band präsentierte sich in absoluter Höchstform und brachte eine sehr mutige, anspruchsvolle Setlist mit. So wurden mit „Ghost Love Score“ und „The Greatest Show On Earch“ gleich zwei orchestrale Monumentalwerke gespielt. Solche Stücke live zu bringen, braucht Mut und grosses Vertrauen in die eigene Musik. Die Zuschauer honorierten es zum Glück und bekamen dafür auch einige sehr eingängige Songs zum Mitfeiern und Mitsingen präsentiert wie die aktuelle Single „Élan“ oder die Hits „Nemo“ und „I Want My Tears Back“. Und wer immer noch daran zweifelte, ob die „neue“ Sängerin Floor Jansen die richtige Wahl war, wurde nun mit den absolut beeindruckenden Versionen von „Stargazers“ und „Sleeping Sun“ garantiert restlos überzeugt. Die ganze Band zeigte viel Spielfreude, hatte einen sehr guten, klaren wie druckvollen Sound und zog alle Register ihres Könnens, so dass nach ca. 100 Minuten alle zufrieden waren und der Ärger über das Verkehrschaos längst vergessen war. Eine wahrlich bombastische, grandiose Show, welche Nightwish da in Basel abfeuerten. In dieser bestechenden Form wird die Band mit Sicherheit auch in Zukunft ganz vorne mitreden.


LIVE REVIEWS BLACKBERRY SMOKE, THE RECORD COMPANY Zürich, Dynamo 23.10.15

Fotos: Ian Keates

hh. Fast genau ein Jahr nach dem Gig im Komplex Club kamen die Georgia-Rocker wieder nach Zürich. Aber dieses Mal ins Dynamo, das eine wesentlich bessere Infrastruktur bietet. So gab es für alle Besucher des gut gefüllten Venues einen unversperrten Blick auf die Bühne, der Sound liess nichts zu wünschen übrig und man bekam sein Bier ohne lange Wartezeiten. Also alles im grünen Bereich, dieses Mal wirklich kein Grund für Verägerungen unter den Fans. Und so war die Stimmung prächtig, was gleich die Support-Truppe The Record Company zu spüren bekam. Obwohl das amerikanische Trio musikalisch absolut nichts Überraschendes oder Neues zu bieten hatte, sie spielten hundsgewöhnlichen Bluesrock der Marke „schon hundert Mal gehört und meistens besser“, und auch die optische Präsenz nicht besonders aufregend war, wurden sie mit grossem Applaus bedacht, was die Musiker offensichtlich sehr beeindruckte. Nun denn, alle hatten ihren Spass und nach einer guten halben Stunde hatten The Record Company ihren Job erledigt. Nach einer kurzen Umbaupause wurden BLACKBERRY SMOKE dann mit frenetischem Hallo begrüsst und legten gleich satt rockend los. Der Sound bestens abgemischt und die sympathische Ausstrahlung der Truppe, besonders vom pausenlos grinsenden Gitarristen Paul Jackson, liessen absolut nichts zu wünschen übrig.

Die Band, obwohl seit Jahren permanent auf Tour, liess ihre Darbietung jedoch nie zur Routine verkommen, sondern glänzte mit grosser Spielfreude. Ihr Laid Back Gemisch aus Southern-, Rootsund Country-Rock, den speziell Bands aus Georgia pflegen (man erinnere sich an die Georgia Satellites), gepaart mit diesem unglaublich grossen Songjuwelen-Repertoire und der herausragenden Leistung der Musiker machte aus diesem Konzertabend einmal mehr ein begeisterndes Erlebnis. Und das generationsübergreifend! Denn das Publikum setzte sich aus gestandenen Alt-Rockern, Bikern, jungen bis jüngsten Rockfans und „Normalos“, die man eher auf ruhigen Blues- oder Jazzkonzerten vermuten würde, sowie für diese Musik einen überraschend hohen Frauenanteil zusammen. Und alle hatten sie grossen Spass, feierten die Band aufs Feinste und sangen ganze Songpassagen lauthals mit. Dass Blackberry Smoke zu den derzeit besten Bands in diesem Genre gehören, die den Southernrock entstaubt und ihm mit grosser Hingabe und Klasse wieder neues Leben eingeimpft haben, stellten sie im Dynamo eindrücklichst zur Schau. Hoffen wir, dass auch künftig die Schweiz im Tourplan der Blackberrys immer einen festen Platz haben wird.

DAVE MATTHEWS BAND Zürich, Hallenstadion 15.10.15

Fotos: Ian Keates

ub. Der letzte fette CH-Gig der DMB fand im Juli 2009 in Montreux statt. Dazwischen hatte sich Dave Matthews rar gemacht. Nicht wenige Schweizer Fans warten seit 20 Jahren auf die Gruppe. Damals hatte die Band am Openair St. Gallen gespielt und 1998 in Frauenfeld als Vorgruppe der Stones. Die Erwartungen waren entsprechend hoch, vielleicht zu hoch, zumal ein „very special evening“ mit zwei kompletten Sets (einem akustischen und einem elektrischen) angekündigt wurde. Bekanntlich ändert die Setlist der Band täglich: Während das Konzert in Lissabon noch zweigeteilt war, spielte man den Gig in Madrid tags darauf an einem Stück. Dies ist auch in Zürich so. Ohne Vorgruppe und Pause ruft die Gruppe ein gut 2 ½ –stündiges Set ab, welches dermassen wuchtig um die Ecke kommt, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Mit Matthews (Gitarre/Gesang), Carter Beauford (Drummer mit weissen Handschuhen), Stefan Lessard (Bass) und Geiger Boyd Tinsley stehen vier Mitglieder der legendären Urbesetzung von 1991 auf der Bühne. Hinzu kommen Gitarrist Tim Reynolds, Jeff Coffin (Saxofon, Querflöte) und Rashawn Ross (Trompete). Keyboards finden nicht statt. Der Sound entsteht aus reiner Handarbeit und hat nichts Synthetisches. Der fulminante Rocker „Don't Drink The Water“ von 1998 eröffnet den Abend. Im weiteren Verlauf setzt die DMB immer wieder auf ihre alten Hits “Warehouse”, “What Would You Say”, “Ants Marching” oder “Satellite” (allesamt vom ersten Studiowerk “Under The Table And Dreaming” von 1994) und präsentiert sich weitaus rockiger als auf dem aktuellen Album “Away From The World”, von dem nur gerade “If Only” gespielt wird. Als Zückerchen werden die brandneuen Tracks “Death On The High Seas” (gefolgt vom Bluesrocker “Kill The Preacher”) und “Black And Blue Bird” im Programm aufgenommen. Die DMB versteht es hervorragend, komplizierte

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LIVE REVIEWS Songstrukturen mit eingängigen Melodien zu verbinden. Funkige Basslines und ausgedehnte Jams mit irren Gitarrensoli (“You Might Die Trying”) machen das Konzert zum Erlebnis. In erster Linie geht es den Musikern um das Zusammenspiel und nicht um Spektakel. Das 7-Mann-starke Ensemble, dessen Darbietung auf höchstem Niveau für jeden Musik-Liebhaber beeindruckend ist, hält sich wie ein Orchester vornehmlich im Hintergrund und musiziert für sich selbst. Meister Matthews ist stimmlich auf der Höhe, sichtlich entspannt und bester Spiellaune. Die Interaktion mit dem Publikum sucht er nur oberflächlich und beschränkt sich auf die üblichen Anrede-Floskeln. Hie und da hätte man sich etwas mehr Show gewünscht. Einzig Tinsley wagt sich an den Bühnenrand und begeistert mit nie gesehenen, total abgefahrenen Geigen-Soli (“Crush”). Der Konzertabend endet mit dem infernalen Dylan-Cover „All Along The Watchtower“. Auf ein Drumsolo, „No. 41“ oder „Mercy“ wartet man vergebens. Es mag an den langen Pausen zwischen den Songs und des einhergehenden Energieausfalls oder an der Besonnenheit des Publikums liegen, dass der Funke nicht so recht zu springen vermag.

PAPA ROACH, FIVE FINGER DEATH PUNCH, DEVIL YOU KNOW Winterthur, Eulachhalle 12.11.15

Fotos: Sandro Thaler

mh. Die Eulachhalle in Winterthur lud ein an einem kühlen, nebligen Mittwoch-Abend im November zum Klang von Stromgitarren den Feierabend zu geniessen. Dass die Eulachhalle in Winterthur in ungefähr den Charme einer überfahrenen Katze versprüht, naja, darüber wollen wir mal wieder hinweg schauen. Den Auftakt an diesem Abend macht die neue Formation Devil You Know um den früheren Killswitch EngageSänger Howard Jones. Trotz reichlich Engagement schien der Funke nicht wirklich überzuspringen. Die Türen standen nun also offen für Papa Roach, die bereits etwas mehr Jahre auf dem Buckel haben. Seit ihrem grossen Durchbruch mit dem 2000er Album „Infest“ ist die Band unermüdlich auf Tour und im Studio. Im 2015 erschien bereits das achte Werk mit dem Titel „F.E.A.R.“. Face Everything And Rise, so der ausgeschriebene Titel des Albums, könnte auch gleich ihr Motto des Abends sein. Denn die Band sieht sich konfrontiert mit einer ausverkauften Halle voller, meist jüngeren, Fans der später folgenden Band. Gefühlt jeder Zweite Konzertbesucher trägt ein Five Finger Death Punch-Shirt. Papa Roach scheint das aber nicht im Geringsten zu kümmern, sie stellen sich dieser Aufgabe und lassen es krachen. Die Energie, die sie da auf der Bühne versprühen ist einfach nur bemerkenswert und atemberaubend! Da sind Profis am Werk! Papa Roach sind mittlerweile zu einer so gut geölten Maschinerie geworden, dass qualitativ kaum Abstriche gemacht werden können. Die Band hat sich stetig weiterentwickelt und hat es geschafft, ihrem Stil trotzdem treu zu bleiben. Leider wird das vom Publikum nicht auf gleiche Weise goutiert. Immer wieder muss der Sänger Jacoby Shaddix die Menge anstacheln und zum mitmachen bewegen. Es gab da schon einzelne DieHard-Fans von Papa Roach, die fast jeden Song mitsingen konnten, aber die waren rar gesät. Die Stimmung war nicht schlecht, nur so richtig vom Acker wollten die Pferde noch nicht. Die einzige Ausnahme war der Satz im zweitletzten Song: „Cut my life into pieces, this is my last resort…“. Hier FIVE FINGER DEATH PUNCH brannte dann doch

PAPA ROACH das eine oder andere Pferd durch. Den Mammutanteil an Sympathien beanspruchten aber Five Finger Death Punch für sich. Die US-Amerikanische Band gehört zurzeit zur absoluten Speerspitze des Heavy Metal. In ihrem Heimatland füllen sie ganze Football-Stadien und in Winterthur sehen wir sie quasi im intimen Rahmen vor 3500 Leuten. Natürlich sind die Leute fast ausgerastet als dann mit „Lift Me Up“ und „Hard To See“ endlich der Headliner die Bühne betrat. Auch hier merkte man, dass wieder Profis am Werk waren. Gekonnte Posen, die Gestik und die Interaktion mit dem Publikum lassen ihre jahrelange Erfahrung ebenfalls durchblicken. Hinter dem Mischpult aber schien offensichtlich, vor allem im ersten Drittel des Konzertes, die Ferienvertretung am Start gewesen zu sein. Klar, die architektonischen Verwinkelungen in der Eulachhalle sind vermutlich nicht optimal um den Raum auszuschallen… Aber was da gewerkelt wurde war fast ein bisschen peinlich, gerade für eine Band mit 10 Jahren auf dem Buckel. Die Stimme war nur schwer auszumachen im Klangwald… Gestört zu haben schien es aber nicht allzu viele Leute, denn der Grossteil der Menge ging ab wie Nachbars Lumpi. Und allmählich hatte sich dann im zweiten Drittel der Show auch die Mischpult-Crew an die räumlichen Verhältnisse angepasst und der anspruchsvolle Konzertgeniesser durfte dann unbekümmert den Rest der Show auf sich zukommen lassen.

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KONZERTKALENDER ADAM LAMBERT

CARMINHO

5.5. Zürich, Volkshaus

26.2. Zürich, Kaufleuten

ADELE

CELTIC WOMAN

17.+18.5. Zürich, Hallenstadion

19.2. Zürich, Hallenstadion

A-HA

DEICHKIND

4.4. Zürich, Hallenstadion

5.2. Basel, St. Jakobhalle

ANASTACIA

DEINE FREUNDE

11.4. Zürich, Kongresshaus

15.1. Zug, Galvanik

ANDREAS BOURANI

DELILAHS

8.2. Zürich, Maag

30.4. Luzern, Schüür

ANDY McKEE

DISTURBED

17.2. Zürich, Kaufleuten

8.6. Zürich, Komplex 457

ANNENMAYKANTEREIT

DIXIE CHICKS

16.4. Basel, Volkshaus

17.4. Zürich, Hallenstadion

AVANTASIA

DODO

24.+25.3. Pratteln, Z7

11.2. Lyss, KUFA

AZAD

19.2. Zug, Galvanik

20.2. Lyss, KUFA

25.3. Luzern, Schüür

BASCHI

DOTA

22.1. Aarau, Kiff

4.2. Zürich, Bogen F

29.1. Zürich, Plaza

DREAM THEATER

25.2. St. Gallen, Kugl

23.3. Zürich, Kongresshaus

26.2. Bern, Bierhübeli

EDOARDO BENNATO

4.3. Luzern, Schüür

18.3. Zürich, Volkshaus

10.3. Basel, Volkshaus

ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA

11.3. Solothurn, Kofmehl

3.5. Zürich, Hallenstadion

BEHEMOTH, ABBATH

ELLIE GOULDING

12.2. Pratteln, Z7

28.2. Zürich, Hallenstadion

BIRTH OF JOY

ELUVEITIE & FRIENDS

8.4. Zürich, Bogen F

2.1. Wetzikon, Eishalle

BLACK DALIAH MURDER

ENSIFERUM

1.2. Winterthur, Gaswerk

17.4. Solothurn, Kofmehl

BLACK MOUNTAIN

ERIC CHURCH

6.4. Zürich, Bogen F

6.3. Zürich, Kaufleuten

BLACK STONE CHERRY

FOALS

13.2. Zürich, Volkshaus

27.1. Zürich, Volkshaus

BLUES PILLS

GLASPERLENSPIEL

22.2 Solothurn, Kofmehl

4.3. Solothurn, Kofmehl

23.2. Fribourg, FriSon

GLEN HANSARD

BOY

23.2. Luzern, KKL

21.3. Zürich, Volkshaus

HALF MOON RUN

BRYAN ADAMS

29.2. Zürich, X-Tra

2.6. Zürich, Hallenstadion

HEATHER NOVA

BUENA VISTA SOCIAL CLUB

27.2. Rubigen, Mühle

31.3. Basel, Musical Theater

HECHT

BUIKA

26.1. Bremgarten, Stiefelnächt

25.2. Zürich, Kaufleuten

28.1. Basel, Kaserne

CARAVAN PALACE

29.1. Kirchberg, Eintracht

19.3. Zürich, Kaufleuten

30.1. Solothurn, Kofmehl 11.3. Aarau, KIFF

60

12.3. Rubigen, Mühle

18.3. Zürich, Plaza 24.3. Luzern, Schüür 29.4. Hasliberg, Wetterhorn 30.4. St. Gallen, Honky Tonk HERBERT GRÖNEMEYER 10.6. St. Gallen, AFG Arena HINDS 19.1. Zürich, Bogen F HURTS 22.2. Zürich, Maag IN THIS MOMENT 12.1. Zürich, X-Tra IRON MAIDEN + weitere Acts 3.6. Luzern, Allmend JAEL 10.3. Zürich, Kaufleuten JAMES BAY 15.3. Zürich, X-Tra JANET JACKSON 11.4. Zürich, Hallenstadion J.B.O. 22.1. Lyss, KUFA 23.1. Schaffhausen, Kammgarn JESS GLYNNE 22.3. Zürich, Plaza JOE JACKSON 16.2. Zürich, Volkshaus KATAKLYSM 30.1. Pratteln, Z7 KID IKARUS 28.4. Zürich, Bogen F LAURA PAUSINI 20.10. Zürich, Hallenstadion 21.10. Genf, Arena LUCA TURILLI'S RHAPSODY 5.2. Lyss, KUFA LUKAS MARSAND 11.3. Luzern, Schüür LURA 21.1. Zürich, Kaufleuten MEGAHERZ 27.1. Pratteln, Z7 MACKLEMORE & RYAN LEWIS 21.3. Zürich, Hallenstadion 22.3. Genf, Arena MIMIKS 20.2. Luzern, Schüür MONSTER MAGNET 21.3. Pratteln, Z7 22.3. Winterthur, Salzhaus

MOTÖRHEAD, SAXON,GIRLSCHOOL 8.2. Genf, Arena 9.2. Basel, St. Jakobshalle MÜSLÜM 30.1. Zug, Galvanik MUMFORD & SONS 16.5. Zürich, Hallenstadion MUSE 11.+12.5. Zürich, Hallenstadion MY SLEEPING KARMA 22.2. Pratteln, Z7 NATURALLY SEVEN 26.1. Zürich, Kaufleuten NICO SEMSROTT 17.3. Lyss, KUFA NEWTON FAULKNER 10.3. Zürich, Bogen F NOEL GALLAGHERs HIGH FLYING… 11.4. Zürich, X-Tra PABLO NOUVELLE 19.3. Luzern, Schüür P. FANKHAUSER & M. EVANS 12.4. Luzern, KKL POWERWOLF 8.4. Solothurn, Kofmehl PRIMAL FEAR 19.2. Pratteln, Z7 RAGE, HELLOWEEN 29.1. Pratteln, Z7 RAMMSTEIN + weitere Acts 4.6. Luzern, Allmend REETO VON GUNTEN 28.1. Lyss, KUFA ROBIN SCHULZ 2.3. Zürich, Volkshaus ROCK MEETS CLASSIC 12.4. Bern, Festhalle 13.4. Zürich, Hallenstadion ROCK THE RING: QUEEN, SCORPIONS, IGGY POP, MARILLION, SHAKRA, MANDO DIAO, EUROPE + mehr 17.-19.6. Hinwil ROD STEWART 1.7. Zürich, Hallenstadion RODGER HODGSON 20.2. Zürich, Volkshaus 21.2. Luzern, KKL SABATON 19.2. Zürich, Komplex 457


KONZERTKALENDER SALIF KEITA

THE FOUR MILLION VIEWS

26.3. Zürich, Kaufleuten

20.2. Zug, Galvanik

SCOOTER

THE IRON MAIDENS

29.2. Zürich, Hallenstadion

22.4. Luzern, Schüür

SHAKRA

THE KONINCKS

18.3. Pratteln, Z7

4.1. Luzern, Stadtkeller

19.3. Lyss, KUFA

THE PAPER KITES

24.3. Wetzikon, HoF

5.2. Zürich, Bogen F

31.3. Solothurn, Kofmehl

6.2. Pratteln, Z7

1.4. Zug, Chollerhalle

THE WINERY DOGS

2.4. Rubigen, Mühle Hunziken

13.2. Pratteln, Z7

8.4. Merishausen, Rock a. Randen

THERION

SHANTEL

20.1. Pratteln, Z7

5.2. Lyss, KUFA

THERAPY?

SHEARWATER

24.1. Luzern, Schüür

27.2. Zürich, Bogen F

26.1. Pratteln, Z7

SCHILLER

27.1. Schaffhausen, Kammgarn

10.10. Zürich, Hallenstadion

THRESHOLD

SILBERMOND

20.1. Aarau, KIFF

25.5. Zürich, Hallenstadion

TINDERSTICKS

SIVERT HOYEM

7.3. Zürich, Kaufleuten

19.3. Zürich, Plaza

TOMAZOBI

SKUNK ANANSIE

14.1. Lyss, KUFA

16.2. Zürich, X-Tra

TROUBAS KATER

SLAM & HOWIE

23.1. Lyss, KUFA

29.1. Langnau, Chäschäller

TURBOSTAAT

11.+12.2. Lenzerheide, Kurhaus

25.3. Zürich, Dynamo

19.3. Winistorf, Estrich

UK SUBS, TV SMITH

26.3. Hinwil, Pirates

7.2. Lyss, KUFA

15.4. Rubigen, Mühle Hunziken

UNHEILIG

SOFA SURFERS

19.2. Bern, Festhalle

18.1. Zürich, Bogen F

20.2. Kreuzlingen, Arena

SOULFLY

URIAH HEEP

16.2. Schaffhausen, Kammgarn

25.3. Schaffhausen, Kammgarn

17.2. Luzern, Schüür

26.3. Solothurn, Kofmehl

STEPHANIE BERGER

WALK THE MOON

25.2. Lyss, KUFA

4.3. Zürich, Kaufleuten

SUNRISE AVENUE

WISHBONE ASH

18.3. Zürich, Hallenstadion

18.2. Lyss, KUFA

TANITA TIKARAM

21.2. Pratteln, Z7

16.3. Zürich, Kaufleuten

WOLF ALICE

TANKARD

23.2. Zürich, Dynamo

23.4. Zürich, Dynamo

XANDRIA, SERENITY

TEXTURES

6.2. Solothurn, Kofmehl

18.2. Zürich, Dynamo

ZAZ

THE ANIMEN

16.3. Zürich, Hallenstadion

14.1. Zürich, Bogen F

ZUCCHERO

THE BOSS HOSS

2.11. Zürich, Hallenstadion

22.4. Winterthur, Eishalle

2RAUM WOHNUNG

THE DARKNESS

10.3. Zürich, Bogen F

20.1. Solothurn, Kofmehl


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Mitarbeiter Redaktion: Erika Moser (em) Rebecca Hügi (rh) Inga Pulver (ip) Kelly Widmer (kw) Martin Eyer (mey) Urs Breig (ub) Christian Hug (hug) Michael Vaucher (mv) Mario Hug (mh) Robert Pally (rp) Laurent Giovanoli (lg) Björn Springorum (bs) Ian Keates (Foto) Marion Gross (Foto)

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Jahrescharts 2015 Hier stellen die TRACKS-Mitarbeiter ihre Lieblings-Alben des letzten Jahres vor und wünschen gleichzeitig allen Lesern ein gesundes und musikalisch spannendes 2016. Inga Pulver

Erika Moser

Kelly Widmer

CLUTCH - Psychic Warfare BATALLION - Generation Movement PRO-PAIN - Voice Of Rebellion MOTÖRHEAD - Bad Magic KING OF THE NORTH - Sound The Underground

AHAB - The Boats of the Glen Carrig SWALLOW THE SUN - Songs From The North I II & IIIJACK FROST - Mélaina Cholé MARYLIN MANSON - The Pale Emperor GRAVEWORM - Ascending Hate

CHRIS CORNELL - Higher Truth MARYLIN MANSON - The Pale Emperor HURTS - Some Kind of Heaven DELTA RAE - After It All ADELE - 25

Urs Breig

Robert Pally

Mario Hug

STEVE EARLE & THE DUKES - Terraplane ROYAL SOUTHERN BROTHERHOOD - Don't Look Back SONNY LANDRETH - Bound By The Blues BALKUN BROTHERS - Balkun Brothers ANDREA BIGNASCA - Gone

DATURA 4 - Demon Blues BILL FAY - Who Is The Sender? SHANE TUTMARC - Borrowed Trouble FIREFLY BURNING - Skeleton Hill FFS - Same

THE DARKNESS - Last Of Our Kind MARMOZETS - Same KORITNI - Night Goes On For Days DEAD SARA - Pleasure To Meet You HOLLYWOOD VAMPIRES - Same

Laurent Giovanoli

Christian Hug

Michael Vaucher

SORCERER - In The Shadow Of The Inverted Cross CHRISTIAN MISTRESS - To Your Death ENSLAVED - In Times SACRAL RAGE - Illusions In Infinite Void TYRANNY - Aeons In Tectonic Internment

DANKO JONES - Fire Music LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA - Same QNTAL - VII MOTÖRHEAD - Bad Magic SLAYER - Repentless

IRON MAIDEN – The Book Of Souls W.A.S.P. – Golgotha SLAYER – Repentless DEF LEPPARD – Same QUEENSRYCHE – Condition Hüman

Hanns Hanneken

Björn Springorum THUNDER - Wonder Days BLACKBERRY SMOKE - Holding All The Roses MOTÖRHEAD - Bad Magic BLACK STAR RIDERS - The Killer Instinct CLUTCH - Psychic Warfare

Ian Keates AHAB -The Boats Of The Glen Carrig KADAVAR - Berlin STEVEN WILSON - Hand. Cannot. Erase DEAFHEAVEN - New Bermuda KYLESA - Exhausting Fire

THE DARKNESS - Last Of Our Kind BLACKBERRY SMOKE - Holding All The Roses MOTÖRHEAD - Bad Magic VINTAGE TROUBLE - 1 Hopeful Rd. THE BOSS HOSS - Dos Bros



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