Tracks 4 16 (Juli/August 2016)

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No. 4/2016 Juli/August 6. Jahrgang

Das einzige Schweizer Gratis-Magazin für musikalische Lebenskultur

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IN EXTREMO BIFFY CLYRO TARJA DEEP PURPLE DELAIN ROXETTE ADELE CANDLEMASS BILLY TALENT THE MONKEES ERIC BURDON HIGH FIGHTER HENÄ KRIS KRISTOFFERSON

BLUES PILLS

AVANTASIA * OUTSIDER SHOP * HEITERE MAGIC NIGHT * LUNA OPEN AIR CINEMA *



Inhalt FEATURES / INTERVIEWS: BLUES PILLS

18

Mit ihrem Debütalbum sorgte das Quartett vor zwei Jahren für begeisterte Kritiken und schlug europaweit ein wie ein Komet. Wer Festivals zwischen Burg Herzberg, dem Montreux Jazz Festival und Wacken spielen kann, braucht sich über mangelnden Zuspruch aus allen Lagern nicht beklagen. Wo die Blues Pills aufschlugen, wurden sie begeistert empfangen. Mit seinem neuen Album ruht sich das Quartett nicht auf Bewährtem aus sondern erweitert den eigenen musikalischen Horizont erheblich.

- ROXETTE

4

Nie mehr auf Tour

- ERIC BURDON

10

Unermüdlich

- THE MONKEES

16

50 Jahre

- TARJA

26

Zwischen Licht und Dunkel

- DEEP PURPLE

28

Studioreport

- BILLY TALENT

34

Höhenangst

- DELAIN

36

Holland Symphonie

BIFFY CLYRO

24

- HIGH FIGHTER

Sommer 2014. Wilde Jahre liegen hinter Biffy Clyro. Ihr Album „Opposites“ ging in Großbritannien auf die Eins und sicherte sich Gold, die folgenden Tourneen wurden zum Triumphzug. Aus den wilden, lauten und punkigen Alternative-Rock-Schotten waren gestandene Rockstars geworden, die die großen Bühnen für sich beanspruchten. Mit ihrem siebten Album „Ellipsis“ schreiben die drei unzertrennlichen Freunde ihre Alternative-Saga fort, nach den beiden abgeschlossenen Albumtrilogien steht jetzt ein musikalischer wie inhaltlicher Neustart ins Haus.

IN EXTREMO

39

Narben und Kreuze

- CANDLEMASS

42

Rückkehr der Doom-Legende

- KRIS KRISTOFFERSON

54

Werkschau

Schweizer Szene: - MAGIC NIGHT

44

Heitere Open Air (Foreigner, Texas...)

- LUNA OPEN AIR CINEMA 45

30

Die größte Mittelalterrock-Band der Welt wird nicht müde. Gerade erst, so scheint es, sind die letzten Töne des Jubiläumsfestivals zum 20. Geburtstag verklungen, da kündigt sich schon das nächste Donnerwetter an. „Quid Pro Quo“, so der vielsagende Name des neuen Albums, ist so etwas wie die zeitgemäße Quintessenz dieser zwei Dekaden – laut, wild, unbeugsam – und deutlich mittelalterlicher als zuletzt.

Alle Jahre wieder grosses Kino

- OUTSIDER OLTEN

46

30 Jahre im Dienst des Rocks

- HENÄ

46

Angstlos

LIVE REVIEWS - AVANTASIA - ADELE

57 58

Reviews

6

Mainstream/Indie/Alternative Bob Dylan, Eric Clapton, Paul Simon, Tom Odell, Meghan Trainor, Zucchero, Tanzwut, Steve Gunn, Mudcrutch, MaidaVale,Udo Lindenberg, The Kills, Cold Truth, Candlebox, Buffalo Summer...

38

Hard/Heavy/Metal Sixx A.M., Dominanz, Flotsam & Jetsam, Lita Ford, Omen, Q5, Treat, Thunderstone...

48

Swiss Booost, Möped Läds, Moritz, Red Shoes, The Fridge, Schaltkreis Wassermann, The Uprising, Vale Tudo...

54

Re-Releases Kris Kristofferson, Tiny Tim

35

DVD/BluRay Doro

56

Buch In The Pines -Murder Ballads-, Erfolgreich im Musikbusiness

56

Blues/Soul/World

60 62

Konzertkalender

Royal Southern Brotherhood, No Sinner...

Wettbewerb / Impressum

3


Wie damals, nur heute

Der Schock sitzt tief: Marie Fredriksson wird nie wieder Konzerte spielen können! Glück im Unglück ist, dass das nicht das Ende der Pop-Helden Roxette bedeutet. Den klanglichen Beweis liefert das neue Studioalbum „Good Karma“, das die alten Tugenden der Schweden im besten Sinne aufgreift. bs. 30 Jahre nach der Gründung von Roxette geht eine Ära zu Ende. Zwar wird die Band weiter bestehen und die schwedische Erfolgsgeschichte fortschreiben; Auftritte wird es jedoch keine mehr geben. Wie Per Gessle vergangenen April verkündete, ist seine langjährige Partnerin Marie Fredriksson auf einem Auge fast erblindet, das Gehen fällt ihr schwer. Alles Folge des Hirntumors, der zwar entfernt wurde, aber erhebliche Nachwirkungen hinterlassen hat. Schon auf der Jubiläumstournee war Fredriksson deutlich anzusehen, wie geschwächt sie ist, das Bühnenaus ist die überfällige und verständliche Konsequenz. Dass nach drei Jahrzehnten schwedischer Popgeschichte, nach über 75 Millionen verkauften Tonträgern und unvergessenen Hits wie „The Look“ oder „Joyride“ dennoch nicht Schluss ist, kann als gute Nachricht des Popjahres 2016 gewertet werden. Den Beweis erbringt „Good Karma“, ein Album, das Per Gessle zufolge erstmals seit langer Zeit zustande kam wie die ganz frühen Roxette-Werke. „Unsere letzten Platten entstanden teilweise on the road oder über einen längeren Zeitraum hinweg“, so der 57jährige Schwede. „Diesmal ist es ein Werk, das maßgeschneidert für uns ist und am Stück entstand.“ Äußerst passend also für all diese runden Jubiläen: Das zehnte Album zum 30. Bandgeburtstag – klar, dass „Good Karma“ etwas Besonderes ist. „Weißt du, wenn man schon so viele Jahre aktiv ist, stellt man sich irgendwann unweigerlich die Frage, warum man eigentlich noch ein neues Album machen sollte. Ich versuchte, diese Frage mit einer Herausforderung zu beantworten.“ Also entschied sich Gessle, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die bislang keine Rolle für Roxette gespielt hatten. In enger Zusammenarbeit mit ihm entstand tatsächlich so etwas wie das klassische Roxette-Album des Jahres 2016. Traditionell und unverkennbar, ja, aber mit jeder Menge frischem Wind, neuen Sounds und modernen Produktionsmethoden. „So könnte man den groben Masterplan hinter dem Album beschreiben!“, zeigt sich der Schwede hocherfreut. „Der Vintage-Sound unserer frühen Tage ist unsere DNS, der ich in meinen Songs nicht entgehen kann. Wichtig war nur, dass es so klingt, als wäre es für die Gegenwart geschrieben. Und nicht etwa für 1989.“ Ein wichtiger Nenner in dieser Gleichung sind die elektronischen Elemente, die so präsent im Vordergrund sind wie noch auf keinem anderen Roxette-Album. „Sogar viele der Gitarrensounds wurden am Synthesizer erzeugt“, gibt Gessle mit einem neckischen Lächeln zu, „und es hat tierischen Spaß gemacht, all diese Dinge mal auszuprobieren. Dennoch habe ich es mir nicht nehmen lassen, die eine oder andere akustische Gitarre einzuspielen. Ich bin schließlich immer noch ich.“ Und Roxette sind immer noch Roxette. Um das festzustellen, muss man nur Stücke wie „It Just Happens“, „Good Karma“ oder „Some Other Summer“ hören. Gefühlvolle, romantische, bittersüße und federleichte Popsongs, getragen von diesen beiden unverkennbaren Stimmen, die die Achtziger und Neunziger zu dem gemacht haben, was sie sind. Dass Roxette nie stehengeblieben sind, dass sie bei aller Liebe zu ihren Fans und ihren Klassikern stets nach vorn geschaut haben, gereicht ihnen jetzt zum Vorteil. Den alten Tugenden

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abzuschwören, kommt für jemanden wie Gessle dennoch nicht in Frage. „Für mich braucht ein guter Popsong immer noch einen großartigen Refrain. Nur damit kannst du dich von den Trillionen Songs da draußen abheben. Pop ist die Musik junger Leute, also ist ja auch völlig klar, dass ich als 57-jähriger Kerl aus anderen Quellen schöpfe. Alles andere wäre aber auch viel zu seltsam.“ Obwohl er nach Selbstaussage eher zur alten Garde gehört, hat er im Gegensatz zu vielen Kollegen nicht nur Negatives über den gegenwärtigen Status der Musikindustrie zu sagen. „Wenn man mal davon absieht, dass heute alles viel zu schnell verheizt wird und darauf getrimmt ist, in möglichst kurzer Zeit möglichst großen Profit zu machen, ist doch eigentlich alles ganz in Ordnung. Es sind andere Zeiten, klar, und manchmal wünschte ich mir, dass sich die Plattenfirmen mehr Zeit für ihre Künstler nehmen würden.“ Bands wie Roxette haben sie noch, die Langlebigkeit, die unbegrenzte Halbwertszeit. Auch deshalb ist ein Per Gessle relativ entspannt, wenn es um die Zukunft seiner innig geliebten Band geht. „Ende offen“, meint er salopp und wir dann noch etwas konkreter. „Die nächste Zeit sind wird noch gut beschäftigt mit Singles und den dazugehörigen Videos, Tourneen sind bis auf weiteres allerdings gestrichen. Pläne für ein neues Album gibt es derzeit auch keine, allerdings möchte ich betonen, dass dies nicht das Ende von Roxette ist. Wir werden schon sehen, was passiert.“

ROXETTE Good Karma Parlophone/Warner bs. Die Karmalehre besagt, dass dem, der Gutes tut, auch Gutes widerfährt. In dieser Hinsicht müssen sich Roxette in nächster Zeit also erst mal keine Sorgen machen. Im Jahr des 30. Bandbestehens legen sie ihr zehntes Werk „Good Karma“ vor, in vielerlei Hinsicht der Archetypus eines Roxette-Albums. Kraftvolle, mitreißende Popsongs treffen auf bittersüße Balladen, typisch schwedische Melodien auf verstärkt elektronische Elemente. Per Gessle und Marie Fredriksson haben es auch nach all den Jahren nicht verlernt, ihren unverkennbaren Sound gegenwartsfähig zu machen, präsentieren ein Album, das die Quinzessenz des Duos ins Jahr 2016 holt. Natürlich wissen sie, was man von einer Band wie Roxette erwartet, nach über 75 Millionen verkauften Tonträger ist somit auch auf „Good Karma“ nicht mit allzu großen Überraschungen zu rechnen. Dafür aber mit unbeschwerten, kundig geschmiedeten Popsongs, die schöne Erinnerungen an die Vergangenheit heraufbeschwören ohne verkitscht nostalgisch zu wirken. Das kann man nicht oft genug betonen.



REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative

ERIC CLAPTON I Still Do Polydor/Universal hef. Er tut es noch immer, wie er es selber im Albumtitel auf den Punkt bringt. 71 und noch kein bisschen eingerostet: good ol' Slowhand zelebriert das, was er schon immer am besten konnte – melodiöse Blues-Balladen, locker swingende Up-tempo-Titel und Songs im J.J. Cale-Style, fingerschnippend, relaxed und laid-back, mit teils minimalistischen Arrangements und, wenn er die Songs selber schrieb, auch mit lakonischen, persönlichen Texten. Was Clapton zu sagen hat, sagt er mit seiner Gitarre und seiner filigranen Technik, die noch heute individuell, typisch Clapton eben, aus Hunderten anderer Saitenvirtuosen erkennbar ist. Die 12 Titel sind Musik zum Entspannen, die Komponisten teils sehr hochkarätig: Bob Dylan („I Dreamed I Saw St. Augstine“), J.J. Cale („Can't Let You Do It“, „Somebody's Knockin'“), Blues-Gott und Clapton-Idol Robert Johnson („Stones In My Passway“) oder Skip James („Cypress Grove“). Das Album ist kein Meisterwerk im Sinne von, ich zeige Euch hier nochmals, was für ein fantastischer Gitarrist und Solist ich bin, sondern es enthält einfache, warme down-to-earth-Songs voller Gefühl und vielen Molltönen im Blues-Schema, feinfühlig, mit teils eingestreuten Zydeco-Handorgelklängen und Slide-Gitarre. Plus eine faustdicke Überraschung. Auf dem wunderschönen Titel "I Will Be There" spielt und singt ein gewisser Angelo Mysterioso mit. Dabei handelt es sich um keinen geringeren als den verstorbenen Ex-Beatle George Harrison, einen engen Clapton-Freund, der bereits früher mit ihm zusammen komponierte, zum Beispiel den Cream-Klassiker "Badge". Produziert hat, wie zuletzt vor 40 Jahren, der legendäre Glyn Johns, dessen Namen man auf Pop-Klassikern der Rolling Stones, Eagles, The Who, Led Zeppelin und einigen anderen findet. "Slowhand" hiess das damalige Produkt der beiden, das in den USA dreifach Platin einheimste und im Rest der Welt ebenfalls chartete. "I Still Do" ist Claptons 23. Studioalbum und das erste seit "Clapton & Friends: The Breeze, An Appreciation of JJ Cale" von 2014. Das AlbumCover ist Kunst von einem, dessen Handschrift schon auf dem Cover des Beatles-Klassiker "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" oder "Face Dances" von The Who zu sehen war: Sir Peter Blake, der den Gitarrengott portraitierte. Clapton-Fans werden dieses Album ebenso lieben wie die 22 zuvor, plus wohl auch die mit Cream, Blind Faith und Derek & The Dominos. Ob sich die heutige Generation dafür noch begeistern könnte, ist eine rein rhetorische Frage. 18 gewonnene Grammys in einer über 50-jährigen Karriere freilich zeigen, dass Eric Clapton vieles nicht falsch gemacht haben kann. Das zeigt zusätzlich noch die Tatsache, dass Clapton als einziger Rockmusiker dreimal (!) in der „Rock and Roll Hall Of Fame“ vertreten ist: mit den Yardbirds (1992), mit Cream (1994) und als Solo-Künstler (2000).

6

UDO LINDENBERG

JOHN ILLSLEY

Stärker als die Zeit

Long Shadows

Warner Music

Musikvertrieb

hef. "Udo 70" war mal und ist wieder. Wie bitte? "Udo 70" hiess 1970 eine der ersten grossen DeutschlandTourneen von Udo Jürgens; die Plakate mit diesem Slogan und dem Bild "des erfolgreichsten Unterhaltungsmusikers im deutschen Sprachraum" (Wikipedia). Udo 70 ist brandaktuell; Udo Lindenberg wurde am 17. Mai 70 Jahre jung. Brandaktuell ist "Lindi" auch, weil dieses Album in Deutschland auf Anhieb Platinverkäufe schaffte und von Null direkt an die Spitze der deutschen Hitparade stürmte. Auf die Lindenberg-Tournee freute sich ganz Deutschland, von jung und alt bis uralt. Weil Lindenberg heute nicht nur längst deutsches Kulturgut ist und Erfinder des Deutschrock, sondern weil er sich nochmals aufgerafft und mit einem Super-Album allen Kritikern das Maul gestopft hat. Wer heute von Udo spricht, meint Lindenberg. Udo L. hat uns viel gegeben, vor allem Sprüche, die in der deutschen Sprache Einlass fanden, auch wenn viele nicht von ihm selber, sondern von seinem einstigen Saxofonisten Olaf Kübler stammen wie etwa "Alles klar auf der Andrea Doria" oder "Johnny Controlletti". Die Copyright-Frage jedenfalls wurde nie zum Gerichtsfall. Die Sprüche auf diesem ausgewogenen Lindenberg-Album sind wohl Udo Original. Udo bleibt Udo. "Volle Dröhnung", "Hoch die Tassen" etwa. Oder: "Ich habe geraucht wie ein Schlot und gesoffen wie ein Loch", in der herrlich schrägen Ballade "Mein Body und ich". Weiter: "Ich habe alles eingeschmissen, was mir in die Finger kam, die chemischen Keulen kamen sehr gut an." Und: "Mein Body, Du und ich, wir lassen uns nicht im Stich. Trotzdem leben wir immer noch", mit der Quintessenz: "Wir sind die Meister im Überleben." Ja, Udo lebt, zum Glück nach all dem, und er ist so gut wie schon länger nicht mehr. "Wenn Du gehst" ist poetisch und romantisch, eine Liebesballade zum Weinen schön. Dann gibt's da "Kumpel Harry Hänger" in "Coole Socke". Oder zum grossen Finale der Titelsong "Stärker als die Zeit". Trauriger, aber auch intensiver und einfühlsamer geht wohl kaum. 15 Songs, von denen einige tief unter die Haut gehen. Chapeau, Udo!

hef. Das hätte ich dem langen Schweiger nie zugetraut. Bei Dire Straits sprach der schüchterne, hochgewachsene Bassist kaum ein Wort. Fragte man die Band-Kollegen, ob John Illsley ein Problem habe, meinten sie lakonisch, er lebt halt noch bei seiner Mama. Das war Anfang der 1980er Jahre in den Hochzeiten der Band um Gitarrenpicker und Sänger Mark Knopfler. Straits füllten die Stadien, ihre Platten machten Rekordumsätze, und die Band zerfiel. KnopflerBruder David und Drummer Pick Withers stiegen wegen der Egos ihres Bandleaders aus und wurden durch mehrere Musiker ersetzt. 1985 war Schluss mit Dire Straits, Knopfler mochte sich nicht dauernd selber reziklieren. John Illsey verschwand in der Anonymität, tauchte auch in neuen Knopfler-Bands nicht auf. Doch dank dem stillen Illsley sind Dire Straits wieder auferstanden. Was der da mit Straits-Keyboarder Guy Fletcher, Gitarrist Robbie McIntosh und anderen StudioCracks vorlegt, ist zwar Straits light. Doch die Stimme swingt im rauchigen Timbre von Knopfler, die Gitarren sind Knopfler-like pickend, die Melodien relaxed und megacool. Illsley, der zuvor schon mit sechs anderen Platten in der Anonymität blieb, könnte es mit dieser Scheibe wieder ins Hit-Licht schaffen. Titel wie "Ship Of Fools" sind perfekt zum Entschleunigen, locker fliessende Melodien mit viel Gefühl, straits-mässig eben. Ach ja, bei der Mutter wohnt John nicht mehr. Er hat mittlerweile Familie mit fünf Kindern. Zwei Töchter singen hier im Background mit.

MEGHAN TRAINOR Thank You Sony Music hef. Jetzt häutet sich die Gans für die 22-jährige Sängerin, Singschreibe rin und Multi -Instrumentalisten aus Nantucket Massachusetts. Für ihr Multi-Platin-Debüt "Title" inklusive den weltweiten Mega-Hit "All About That Bass"


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS hatte die blutjunge Künstlerin nicht nur einen Grammy für als "Best New Artist" gewonnen, sondern setzte sich mit der Single an die Spitze sowohl der US- als auch der britischen Charts wie auch in Deutschland und der Schweiz. Dieser so herrlich schnoddrig vorgetragene Titel wird noch heute regelmässig in den Radios gespielt und noch nicht verleidet wie viele andere bis zum Erbrechen gespielte Hits. Album 2 ist die grosse Bewährungsprobe für Meghan. Die besteht sie locker. Der erste Hit "No" aus ihrem zweiten Album ist genau so cool wie ihr grossartiger Einstand. Auch der Nachfolger, das aktuelle "Me Too", fährt mit seinem swingenden Bass im Intro gleich aus dem Rahmen. Meghan hat einfach die ohrwurmigen Riffs, in aktuellstem Soundkleid arrangiert mit elektronischen Spielereien und vollmündigen Chören, voll drauf. Dabei kopiert sie nicht etwa ihr Debüt, sondern lässt es mit R&B und Hip-Hop-Elementen sowie mit ihrer erfrischenden Stimme mit hohem Wiedererkennungswert richtig krachen. Zum Beispiel "Mom" für ihre Mutter Kerri Trainor, eine fetzende Liebeserklärung. Mitbeteiligt an einigen Songs: Ryan Tedder von OneRepublic und Jason Derulo.

BEYONCE Lemonade Sony Music hef. Es scheint der neueste "Trick" der grossen Musiknamen zu sein, quasi über Nacht, ohne grosse Vorankündigung, ein neues Album zu veröffentlichen. Beyoncé und Radiohead sind die aktuellsten Beispiele hierfür. Vielleicht freilich scheint die schöne Ehefrau von RapMogul Jay-Z ihre Gründe für diesen Schnellschuss gehabt zu haben. Raus damit, bevor der Ehemann Wind davon kriegt. Warum das? Madame möchte sich mit einigen Songs am ungetreuen Gatten rächen. Und bevor der mit einer einstweiligen Verfügung das Album stoppen kann, ist das längst in allen SocialMedia-Kanälen unrückholbar zu hören. Kostproben gefällig? "Mein Vater hat mich vor Männern wie dir gewarnt" (in "Daddy Lessons") oder "Wenn du das noch mal machst, dann verlierst du deine Frau für immer". Im Video dazu zertrüm-

mert die scheinbar "Gehörnte" ein paar Autos mit dem BaseballSchläger. Die bittersüsse Rache einer betrogenen Frau, nach der Millionen Männer in der ganzen Welt lechzen? Es sieht so aus. Die Ehe des "bestverdienenden Paar Hollywoods“ am Ende? Musikalisch unterstützt auf den 12 neuen Songs wird Beyoncé von einer ganzen Riege erfolgreicher Männer: Jack White („Don't Hurt Yourself“ in Whites unnachahmlichen Rockstil mit scheppernden Gitarren), Kendrick Lamarr, The Weekend und James Blake (das sanfte „Pray You Catch Me“). Musik mit brisantem Text-Inhalt, zwischen geilem R&B ("All Night"), Balladen und Up-tempo. Bleibt noch eine Frage offen zum Schluss: Warum hat Beyoncé das Album auf Jay-Zs StreamingKanal veröffentlicht und damit die eingangs aufgestellte These ad absurdum geführt? Anzunehmen ist eher, dass der Inhalt der neuen Lieder schierem Kalkül entspringt, Kasse zu machen nämlich. Mit einem Skandal verkauft man mehr Platten als mit schwülstigen Liebesliedern, welche die Gefühle dem Göttergatten gegenüber beschreiben.

BOB DYLAN Fallen Angels Sony Music hef. Schon wieder Frank Sinatra? Fällt Saint Bob denn nichts mehr Neues ein? Immerhin hat der eben 75 Jahre jung gewordene Folk-Altmeister letztes Jahr mit dem SinatraVorgänger-Album "Shadows In The Night" gezeigt, dass er nicht nur Klassiker covern, sondern auch noch immer singen kann und nicht krächzen wie auf vielen seiner letzten Platten üblich. Ja, richtig "schön" singen, zumindest, wenn man den Massstab der Dylan-Stimme der letzten Jahre als Gradmesser nimmt. Wie auch immer: Das 37. Studioalbum der US-Legende wurde von Jack Frost produziert. Dylan wählte u.a. Kompositionen von Leuten wie Johnny Mercer, Harold Arlen, Sammy Cahn und Carolyn Leigh aus, darunter Sinatra-Evergreens wie "It Had To Be You" und "Young At Heart". Die Aufnahmen fanden letztes Jahr in den Capitol Studios in Hollywood statt. Dylan verzichtete auf Orchester und Big Band, sondern spielte die Songs der Swing-Legende mit seiner Tour-Band abgespeckt und auf den Punkt à la Dylan ein. Bereits fest stehen die Daten der USTournee, die im Sommer starten wird. Dabei soll Dylan ausschliesslich die Sinatra-Titel spielen.

Kolumne Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie von Christian Hug

Yo! Yo! for Bobo Wir müssen endlich mal ein paar Vorurteile über DJ Bobo klären. Und wer jetzt meint, er (oder sie) könne die Nase rümpfen und aufhören zu lesen, der (oder die) soll gefälligst hierbleiben und weiterlesen. Danke. Also: Der Stil: Nasenrümpfer machen meistens einen kapitalen Denkfehler: Sie vergleichen DJ Bobo nicht mit Seinesgleichen, sondern vermischen die Genres. Sie sagen zum Beispiel: Shakira ist viel besser als DJ Bobo. Oder, wenns in der Schweiz bleibt, noch schlimmer: Shakra sind viel besser als Bobo. Aber dieser Vergleich funktioniert nicht. Weil Shakira, Shakra und DJ Bobo verschiedene Musik machen. Die erste trällert AllerweltsAmi-Pop, die zweiten spielen Rock und Bobo Eurobeat. Richtig wäre der Vergleich: DJ Bobo ist viel besser als alle, die je auf einer der 231 Alben der Super-EurobeatReihe zu hören waren. Das würde so stimmen. Der Sound: Abgesehen davon muss man neidlos eingestehen, dass DJ Bobo ein extrem gutes Gespür hat dafür, was Hitparadenhörer zurzeit gerne hören. Wer sich ein neues Bobo-Album genau anhört, erkennt in der Ferne der Songs allerlei Melodien, die ähnlich sind wie die, die gerade durchs Radio schwirren. Das ist erstens legitim, weil das für Hitparadenmusik gängige Praxis ist (oder ist irgend jemand ernsthaft der Ansicht, Shakira schreibt ihre Songs mutterseelenalleine in einer einsamen Waldhütte?). Zweitens bewerkstelligen das Bobo und sein Team exzellent. Die Show: Bobo macht tolle Shows. Die sind aufwändig, das stimmt. Und pompös sind sie auch. Aber warum soll das negativ sein? Was ist der Unterschied zwischen Bobos Bühnenfiguren und Iron Maidens Eddie? Eben. Und die Tänzer von Bobo sind super. Die wissen, was sie tun. Bobos Ehefrau singt Playback auf der Bühne: Ja und? Schon Michael Jackson selig hat schwierige Gesangspassagen auf der Bühne playback eingespielt. Pop dieser Art ist Show, Popmusiker dieser Art sind Illusionisten. Echtheit: Absolut «ehrlich», um das Zauberwort der Puristen zu bemühen, ist Bobo, wenn er zu seinen Fans spricht. Da war zum Beispiel dieses Konzert in der Luzerner Allmend, 20'000 Leute, und Bobo sagte nichts anderes als «sali zäme, isch schön sinder alli da», und es ging eine Welle der Rührung durch das Stadion. Bobo sagt nie den üblichen Humbug wie «raise your fucking hands for...» oder so. Der Name: Ist scheisse, das sagt sogar Bobo (natürlich in netteren Worten). Aber wer würde seinen Namen freiwillig ändern, wenn er (oder sie) mit diesem Namen Welterfolge feiert? Fazit: Man muss DJ Bobo oder seine Musik oder seine Frau oder seine Show nicht mögen. Aber ihm gebührt grosser Respekt. Zurzeit plant DJ Bobo eine neue Tour, bis jetzt 26 Konzerte in Deutschland und der Schweiz in grossen Hallen. Und ein neues Album wird's dann auch geben. Darauf sind wir gespannt. Und wir freuen uns auf die Konzerte. Das soll ihm mal einer nachmachen. Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte, was selbstredend auch für das Album gilt, das er und seine unbebrillten Freunde veröffentlicht haben.

7


REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative THE MONKEES Good Times! Rhino/Warner bs. Im Grunde genommen sind die die erste weltweit erfolgreiche Casting-Band der Welt. The Monkees, Anfang der Sechziger für eine TVShow über eine erfolglose Rock'n'Roll-Truppe engagiert, entwickelten sich von der Westküste Amerikas aus schnell zum weltweiten Phänomen. Dieses Phänomen wird 50 – und feiert den Anlass mit einem brandneuen Studioalbum. Richtig gehört – The Monkees sind zurück. Ohne den verstorbenen Originalsänger Davy Jones zwar, dafür mit dem ersten neuen Material seit rund 20 Jahren. Obwohl es die gestandenen Herren mittlerweile bestimmt selbst könnten, ließ man auch „Good Times“ von internationalen Songwritern schreiben. Und was für welchen: OasisNörgler Noel Gallagher ist dabei, Britpop-Erfinder Paul Weller oder Rivers Cuomo von Weezer. Sie alle bekamen die Aufgabe, einen typischen Monkees-Hit zu komponieren und erledigten sie durchaus unterhaltsam und launig. Gewiss, allzu viel Genie und Arbeit steckt nicht in den bewusst einfach gehaltenen, sonnenverwöhnten Bubblegum-Pop-Songs. Aber das war ja auch die ganze Idee dahinter! Zudem ist mit „Love To Love“ ein wunderbarer Surf-Song enthalten, der noch von Jones selbst eingesungen wurde. Unschuldig, unbeschwert und unkompliziert, das Ganze.

IN EXTREMO Quid Pro Quo Vertigo/UniversalMu bs. Ein Schlag, ein Ton, ein Name: Hier kann es sich nur um In Extremo handeln! Unverkennbar, furios und glorreich steigen die Sieben mit „Störtebeker“ in das Geschehen auf „Quid Pro Quo“ ein und legen schon mit diesem Opener einen archetypischen Song vor, wie man ihn seit „Vollmond“ nicht mehr von ihnen gehört hat. Dennoch ist das zwölfte Studioalbum der Berliner Mittelalterrocker kein Schritt zurück. Es scheint vielmehr so, dass sich die Vagabunden nach ihrem eigenen Festival zum 20. Geburtstag mehr denn je auf das besonnen haben, was sie wirklich ausmacht: Freiheit, Suff und Hymnen. Nie um Überraschungen verlegen, widmet man der heimlichen Liebe Russland mit „Roter Stern“ und „Schwarzer Rabe“ gleich zwei Songs. Besonders bedeutsam: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“ ist dann so etwas wie ein politischer Song gegen den ekelhaften Rechtsruck in Europa. Ein starkes, ein wichtiges Stück – gerade von einer Truppe wie In Extremo, die sonst eher für zügellose Feierei bekannt ist. Von der gibt es auf „Quid Pro Quo“ natürlich gewohnt viel – und zwar erstmals seit gefühlt zehn Jahren wieder mit dieser unnachahmlich geglückten Balance zwischen moderner Rockwucht und mittelalterlichem Budenzauber („Pikse Palve“!). Donnerwetter, die Herren, das nennen wir mal eine reife Leistung.

STEVE GUNN Eyes On The Lines Matador rp. Der in Brooklyn beheimatete Sänger und Gitarrist Steve Gunn hat als Tour-Gitarrist von Kurt Vile's Band The Violators auf sich aufmerksam gemacht. Mit Vile hat er im letzen Jahr auch das Album «Parallelogram» veröffentlicht. Gunn hatte aber ein musikalisches Leben davor und hat eines daneben. Seit 2007 veröffentlicht er Soloalben. «Eyes On The Lines» ist bereits sein circa siebtes (ohne die diversen Kollaborationen). Im Vergleich zu seinem letzten Solowerk «Way Out Weather» (2014) hat Gunn Veränderungen, vor allem am Gitarrensound, vorgenommen. Der dominierende folkige Grundtenor hat sich in Richtung von Bands wie den Allman Brothers, Wishbone Ash, Little Feat, Grateful Dead oder zuweilen Television verschoben. Steve Gunn bietet in den neun Songs filigrane Gitarrenarbeit, mal wunderschön fliessend dann wieder unberechenbar wie eine Jamsession. Dass er dem frühsiebziger Folk noch nicht abgeschworen hat, demonstriert er mit dem Abschluss «Ark». Nick Drake, Michael Chapman und ein Jimmie Spheeris hätten mit Sicherheit ihre Freude am besagten Song.

8

DESTINATION ANYWHERE

THE KILLS

Unter den Wolken

Domino Records

Modern Noise/Al!ve ip. Wenn man die Truppe durchzählt, kommt man auf sieben Musiker, die aus Siegen in Nordrhein-Westfalen stammen und seit 2006 Pop-Punk mit Gebläse präsentieren. In Kurzform und mit entsprechendem Beat nennt sich das Ska; allerdings sind die dafür typischen Offbeats auf „Unter den Wolken“ sehr sparsam und gewählt platziert, was sehr sympatisch ist. Ausserdem setzen die sieben Siegener seit ihrem letzten Album auf deutsche Texte, was auf den ersten Blick im Kontrast zum englischen Bandnamen steht, der aber beim zweiten Hinsehen Licht ins Dunkel bringt, da Destination Anywhere vor zehn Jahren in englischer Sprache angefangen haben. Auf „Unter den Wolken“ sind die Texte also für hiesige Hörer gut verständlich und der dem Repertoire innewohnende Humor kommt damit gut zur Geltung. In „Ohne dich“, einer flotten Strassenfegernummer, die ein bisschen in Richtung der Ärzte schielt, sinniert der verlassene Protagonist beispielsweise „Ich bin das Essen, das anbrennt“ und schreibt der Liebsten am Ende des Songs eine Message, die nett anfängt und mit „Hier liegt noch Kram von dir rum, bring ich dir gerne vorbei“ in weniger nettem Ton und musikalisch perfekt untermalt abgeschickt wird. „Es ist nicht schlimm, dass du gestört bist“ kommt als Trost und Refrain in „Dein Stalker“ vor und ziert ein weiteres Highlight des Albums. Im Vergleich zu den Ärzten, dem man sich in diesem Genre auf Deutsch vielleicht stellen darf/muss/soll, ist das Texting noch nicht immer ganz auf den Punkt gebracht, aber trotzdem sehr gutes Handwerk. Dafür steht auch gerade „Couchurlaub“, Destination Anywheres Hit mit grossem Ska-Anteil und viel guter Laune. Die Produktion ist sauber und geradezu fehlerfrei, wenn auch vielleicht für diese Art Musik ein bisschen zu brav und poliert. Einzig das Cover des Albums geht gar nicht. So gute Musik muss auch über die äussere Hülle vermarktet werden und mit dem Gekrakel ist der Kaufanreiz eher nicht so gross, trotz Witz. „Unter den Wolken“ kann man sich aber echt gut im Sommer für die nächste Poolparty vormerken und seine Gäste auf hohem Niveau bespassen.

mh. The Kills, das sind die amerikanische Sängerin Alison Mosshart und der britische Gitarrist Jamie Hince und die beiden musizieren bereits im 16ten Jahr zusammen. Auf dem neuen und fünften Album erleben wir eine Achterbahn der Gefühle und Stimmungen. Die ersten elektronischen Klänge vom Opener „Doing It To Death“ wirken etwas abschreckend… bis dann die Gitarre einsetzt und man sich wieder etwas heimischer fühlt. Der Refrain kommt dann aber recht gut, ziemlich poppig und erinnert stark an Melissa Auf Der Maur. „Days Of Why And How“ dümpelt etwas langweilig vor sich hin und bis dann im letzten Drittel die Gitarre dem Song nochmals einen Tritt in den Arsch verpasst und ihn somit etwas interessanter macht. „Let It Drop“ wirkt mit seinem progressiven Element irgendwie wie ein SoundtrackSong, mal dramatisch, dann wieder entschleunigt, der Funke mag allerdings nicht so richtig zu springen. „Hum For Your Buzz“ hätte dann genau so gut aus der Feder von Juliette Lewis stammen können. Songs wie „Hard Habit To Break“, „Bitter Fruit“ oder „Impossible Tracks“ machen mehr Spass, kommen druckvoller und stimmiger daher, sprich mehr Gitarren, das gefällt. Der stärkste Song der Scheibe ist allerdings eine Ballade: „That Love“ stellt mit seiner Ruhe, dem Gefühl, dem Piano und der traurigen, melancholischen Stimme alles andere in den Schatten. Beth Hart wäre fast ein wenig neidisch.

Ash & Ice

ULYSSES Law And Order Black Glove Recordings rp. «Eye On You» aus dem Ulysses-Debüt «Everybody's Strange» wurde 2011 vom renommierten Classic Rock Magazin zu einem der 100 besten Songs gewählt. Für eine komplett unbekannte wie Ulysses (auf Deutsch Odysseus) ein Riesenerfolg. Fünf Jahre und zwei Alben später ist das Quartett aus dem englischen Bath mit einem Album am Start, das diesen Erfolg noch toppen könnte. «Law And Order» offeriert eine knackige Mischung aus


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS Classic- und Glamrock, die über das gewisse Etwas verfügt und keinen Hehl aus seiner Herkunft macht. Die Band um Sänger und Gitarrist Luke Smyth hat sich T-Rex, The Sweet, The Darkness, Black Crows, Thin Lizzy oder Slade verinnerlicht. Ulysses präsentieren diese Einflüsse spielerisch, erfrischend, unbekümmert und sind einer guten Melodie nie abgeneigt, auch wenn sie gelegentlich haarscharf am Kitsch («Smiling», «Dirty Weekend»,«Yellow Sunshine#1») vorbeirauscht. Gewisse Peinlichkeiten passen ja zum Glamrock, der erstmals Anfangs der 1970er Jahre die Charts unsicher machte. Ulysses umschiffen solche und andere Momente mit einem musikalischen Augenzwinkern, so dass man ihnen nicht böse sein kann. Hier schimmert die Cleverness durch, die man auch Odysseus nachsagte. Und wenn das Ganze dann in selbstironisch nachhaltigen Gute-Laune-Stampfern wie dem Titeltrack, «Smiling», «Dirty Weekend», «Mary Jane» oder «Typical Scorpio» mündet, ist alles vergeben und vergessen.

JEFF ANGELL'S STATICLAND Jeff Angell's Staticland UDR ip. Es ist erstaunlich, dass ein Musiker wie Jeff Angell mit seiner Band Staticland auf Facebook kaum 4000 Fans hat. Immerhin fast 4000, das ist schon was. Aber gemessen an der Musik und der Qualität derer müsste da mindestens noch eine 0 dahinter stehen. Mal Abgesehen davon, dass Jeff Angell nach einigen anderen Formationen auch unter dem Namen Walking Papers mit Duff McKagan (Guns'n'Roses) und Mike McCready (Pearl Jam) für einiges Aufsehen gesorgt hat, dürfte sein Dirty Blues/Postrock eigentlich das gleiche Klientel wie zum Beispiel das eines Jack White ansprechen. Staticland sind vielleicht ein bisschen nachvollziehbarer und rockiger, aber die Nähe ist nicht nur über den Produzenten, sondern auch über die Musik auszumachen. Eine ganz ruhige Nummer ist allerdings „The World Is Gonna Win“, das sich hörbar vor dem grossen Chris Whitley verneigt. Das Schöne an diesem selbstbetitelten Album ist, dass die Songs so roh klingen, als wären sie mal eben im Vorbeifahren aufgenommen worden. Dafür sind sie bei genauerem

Hinhören aber viel zu gut arrangiert und fesseln einen tatsächlich ein ums andere Mal. Straighte Rocker mit viel Abwechslung, die einen knorrigen Charme besitzen und die in modernem Retrosound von Vance Powell in Szene gesetzt werden, überzeugen hier von der ersten bis zur letzten Rille. Spezialschätzchen „NOLA“, das mit typischem und gezügeltem New Orleans Second Line Beat rollt. Überraschendes Album von einem hier bisher zu unbekannten Musiker, das man sich gerne zulegen darf.

TANZWUT Schreib es mit Blut AFM/Musikvertrieb em. Tanzwut sind mittlerweile alte Hasen im Musikgeschäft. Seit nunmehr 16 Jahren existiert die Band, welche mit der Mixtur aus Poesie, Mittelalter-Rock und deftigen Gitarren ihre Anhänger überzeugt. Mit ihrem neusten Werk „Schreib es mit Blut“, das 15 Beiträge enthält, geht es denn auch ordentlich zur Sache. Die deutschen Texte sind sehr durchdacht. Man hört sich gerne die Geschichten an, die musikalisch einwandfrei untermalt worden sind. Der Opener „Schreib es mit Blut“ ist ein gelungener Einstieg, der viel Power, krachende Gitarren und spannende Beats aufweist. Der Track „Bruder Leichtsinn“ fällt durch seine Härte und die vielen Tempowechsel auf. Die Nummer „Chaos“ ist geprägt von Industrial-Elementen, einem schnellen diabolischen Gesang, Dudelsack-Duellen und treibenden Rhythmen. „Reiter ohne Kopf“ ist eine Komposition, die vor allem von der fesselnden Erzählung lebt. Zu diesem Song wird es auch den ersten TanzwutComic geben, welcher der auf 1000 Stück limitierten DeluxeBox beigelegt ist. Diese Box enthält auch einen Vertrag mit dem Teufel der mittels dazugehöriger Schreibfeder und „Blut“ sofort unterzeichnet werden kann. Auf dem Digipack ist auch noch der Bonustrack „Stille Wasser“ zu finden, der mit Liv Kristine (Ex-Leaves' Eyes) eingesungen wurde. Die normale Version „Stille Wasser“ ist ein balladeskes Stück, das trotz gedrosseltem Tempo sehr kraftvoll und eindringlich daher kommt. Auch erwähnen muss man an dieser Stelle „An den Klippen“. Eine dramatische Liebesgeschichte in dynamischen und schweren Klängen verpackt, die durch Dudelsackmelodien etwas Leichtigkeit erhalten. Liebhaber klassischer

Spielmannslieder kommen in diesem Fall spätestens mit „Wer wir sind“ auf ihre Kosten. Die sich kontinuierlich steigernde Härte macht diesen Song zu einer treibenden Mitsingnummer. Tanzwut haben mit „Schreib es mit Blut“ ein facettenreiches, kurzweiliges und tolles Album abgeliefert.

CUB SPORT This Is Our Vice Nettwerk kw. Dieses Album ist anmutig wie kein anderes. Die Band zeichnet sich durch elektronischen IndiePop aus. Beschwingt umschmeichelt sie den Hörer schon nach den ersten Tönen. Dabei gibt die Basslinie die nötige Coolness. Viele der Songs hätten eine Würdigung für sich verdient. Schön ist “Sun“, weil er Chöre, Kirchenglocken und einen standfesten Bass sehr passend vereint. “I'm On Fire“ klingt fast wie aus den 80er Jahren und bekommt durch das Schlagzeug einen treibenden Herzschlag. Wenn man “Stay“ zum ersten Mal hört, findet man es fast schon unangenehm, wie hoch der Refrain gesungen wird. Dazu klingen die Chöre im Hintergrund leise wie Geister, also alles ganz eigensinnig. Passend sieht man übrigens auf dem Albumcover die Band als Geister. Insgesamt ist alles sehr sommerlich, romantisch gehalten und dabei stellen die jungen Australierer nichts Kompliziertes an. Das Quartett hat mit dem Debut “This Is Our Vice“ einen guten Auftakt geliefert.

THE PINEAPPLE THIEF Your Wilderness Kscope/Peaceville bs. Sie sind die Underdogs der englischen Rock-Welt. Und sehr zufrieden mit diesem Status: The Pineapple Thief haben sich über die Jahre ihre ganz eigene, gefühlsbetonte und andächtige Nische im Prog-Rock-Universum geschaffen. Stets darauf bedacht, seine Musik fortzuentwickeln, mauserte sich Mastermind Bruce Soord über die Jahre zu einer Art zweiten Steven Wilson, dessen Alben jedes Mal aufs Neue faszinieren. „Your Wilderness“ gelingt der Spagat zwischen musikalischem Anspruch und Unterhaltung ähnlich gut wie dem großen Vorgänger „Magnolia“. Leise Momente, behutsam in gefühlvolle Ausbrüche gesteigert, viel Schwelgerei, ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Gitarren, Synthies, Pianos und dem wohligen Gesang. Eskapismus in musikalischer Form, ein ganz und gar feingeistiges Rock-Album. Vielleicht könnte man Post Prog dazu sagen – wenn Schubladen wie diese nicht eh Schall und Rauch wären.


ERIC BURDON & THE ANIMALS

Er ist einer der letzten noch aktiven Grossen, die zu Beginn der 60er das goldene Beat-Zeitalter eingeläutet und vor allem geprägt hatten. Inzwischen 75-jährig läuft Eric Burdon zu neuer Klasse auf, wie sein begeisterndes Konzert von 2014 in Zürich eindrücklich bewies. Im September kommt der Brite mit der unverkennbaren Stimme wieder ins Volkshaus zurück.

Live 2. September 2016 Zürich, Volkshaus

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hh. Als seinerzeit der Beat das Laufen lernte, stand bei den ersten erfolgreichen Bands melodischer Rock'n'Roll mit Pop zersetzt hoch im Kurs (Beatles, Hollies etc.). Auch optisch präsentierten sich diese Bands gefällig, um nicht zu sagen nett. Mit zunehmendem Erfolg der rebellischen, dem Rhythm&Blues und hartem Rock'n'Roll zugewandten Rolling Stones kamen auch andere, neue „dreckigere“ Truppen an die Front, die sich ebenfalls hauptsächlich am Blues orientierten. Neben den Pretty Things waren es vor allem die Animals mit ihrem Ausnahmesänger Eric Burdon, die mit Hits wie „House Of The Rising Sun“ und „Don't Let Me Be Misunderstood“, „We Gotta Get Out Of This Place“, I'm Crying“ oder „See See Rider“, eine No.1 in Canada, schnell die britische Szene aufrollten. Nach Auflösung der Original-Animals machte Burdon mit den New Animals weiter und es gelangen ihm in der Flower Power-Zeit weitere Hits wie „San Franciscan Nights“, „When I Was Young“, „Good Times“ und/oder „Sky Pilot“. Ende der 60er war aber hier Schluss und Burdon frönte in den folgenden Jahren mit der Funk-Band War seiner Leidenschaft zu schwarzer Musik. Auch hier gelang ihm mit „Spill The Wine“ ein respektabler Hit. In den folgenden Jahren gab es immer wieder Animals Reunionen, allerdings mit stets wechselnden Musikern, was in erster Linie dem schwierigen Charakter von Burdon geschuldet war. Heute ist der nun weisshaarige Sänger, der nach wie vor als einer der allzeit besten Sänger (Rolling Stone) gilt und 1994 in die Rock'n'Roll Hall Of Fame aufgenommen wurde, immer noch ein Garant für authentischen, energetischen Bluesrock, der nach wie vor ausnahmslos jedes Publikum mit seinen intensiven Konzerten begeistert. Altersbedingt dürfte man allerdings nicht mehr häufig die Möglichkeit haben, diesen aussergewöhnlichen Musiker live zu erleben. Deshalb empfiehlt es sich, die Gelegenheit am Schopf zu packen, wenn Burdon mit seinen Animals im September noch einmal nach Zürich kommen wird.



REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative

JEAN-MICHEL JARRE Electronica 2: The Heart Of Noise Sony Music hef. Der französische Keyboards-Wizzard wandelt mit seinem Projekt "Electronica" auf den Erfolgsspuren seiner Vergangenheit. "Electronica Volume 1" ist das weltweit erfolgreichste Jarre-Album seit 1983 ("Magnetic Fields"), mit Top-Ten-Platzierungen in 30 Ländern. Der "Napoleon der Maschinenmusik" (Der Spiegel), der weltweit vor Hunderttausenden von Menschen performte, vom Place de la République in Paris, beim Papstbesuch in Lyon bis vor der Grossen Mauer in China, hat für den zweiten Teil von "Electronica" Stars aus aller Welt besucht, teils hat er mit Versatzstücken aus deren Oeuvre Songs geschmiedet. Auf "Exit" etwa spricht der mittlerweile in Moskau lebende Whistleblower Edward Snowden, der Überwachungs- und Spionagepraktiken der Geheimdienste bloss legte. Dabei auf diesem Album sind neben vielen anderen Weltstars auch drei Schweizer: Boris Blank und Dieter Meier von Yello mit dem Gänsehaut erzeugenden, von Dieter Meier mit seiner tiefen Stimme intensiv gesprochenen "Why This, Why That And Why" plus Kinderchor, eine geniale Jarre/Blank-Kooperation, sowie Thomas Fehlmann von The Orb ("Switch On Leon"). Von wunderbar schwebenden Sphärenklängen bis zu elektronischen Experimenten wie etwa im Titel mit Peaches ("What You Want") wird das ganze Spektrum von Elektroklängen abgefeiert. Die instrumentalen Jarre-Songs "The Heart Of Noise" heben sich dabei mit den Jarre-eigenen Klangteppichen wohltuend von den teils flippigen Titeln in Zusammenarbeit mit seinen musikalischen Gästen ab. Die Pet Shop Boys, Primal Scream und Gary Numan bleiben ihren musikalischen Traditionen treu, umso spannender deshalb ihr Mix mit den Jarre-Klängen. Der deutsche HollywoodKomponist Hans Zimmer lässt es mit Jarre in "Electrees" swingen und flirren, Cyndi Lauper setzt anfangs ihr Mädchenstimmchen aus "Girls Just Wanna Have Fun" kongenial ein und wird dann doch noch "erwachsen". Alles in allem ein höchst spannender Sound-Trip durch das JarreUniversum, aufgepeppt mit Koryphäen aus anderen Musiklagern wie Siriusmo, Christophe, Sebastien Tellier und Jeff Mills. Die einzelnen Tracks wurden im übrigen nicht etwa gegenseitig mittels Rüberbeamen von Musikdateien produziert, im Gegenteil. Wie eingangs erwähnt, brachte JeanMichel Jarre die Musik zu den Mitmusikern, nach Berlin ebenso wie nach Hollywood und auch nach Zürich. Jarres Reise dauerte insgesamt sechs Jahre! Jean-Michel Jarre Live in der Schweiz: 11. Juli Jazzfestival Montreux, 18.11. Hallenstadion Zürich, 25. 11. Arena Genf.

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TOM ODELL

ZUCCHERO

Wrong Crowd

Black Cat

Sony Music

Universal Music

hef. "Songs zu schreiben ist merkwürdig", sagt Singer/Song writer und Pianist Tom Odell. Der 26-jährige blonde Engländer, der vor drei Jahren mit seinem unglaublichen Debüt "Long Way Down" und der Single "Another Love" nicht nur hierzulande tierisch abräumte und bei Open Airs ganz oben auf der Liste der auftretenden Künstler stand, weiss, warum er das sagt. Weil die Erwartungen nach diesem Wahnsinns-Einstand auch entsprechend hoch sind, die Erwartungen von Publikum und Presse. "Die Inspiration beim Songschreiben reagiert auf die Aussenwelt, und das kann schwierig sein", erklärt Odell seinen ersten Satz. "Deshalb war es für mich wichtig, bei einem Album-Nachfolger nichts zu überstürzen. Ich wollte nicht um jeden Preis einen Zweitling raushämmern, nur weil die Öffentlichkeit das vielleicht von mir erwartet. Sondern ich wollte warten, bis mich die Muse, sprich: Inspiration, küsst. Deswegen habe ich viel gelesen und mir viele Filme angeschaut, bevor ich überhaupt anfing zu arbeiten." Das Resultat kann sich hören lassen. Die zehn neuen Odell-Songs, produziert von Jim Abbiss, dem Produzenten von Adele, Birdy bis Kasabian und Arctic Monkeys, sind feinfühlige Lieder wie etwa der Titelsong "Wrong Crowd". Das muss auf Deutsch nicht unbedingt falsches Publikum heissen wie die wörtliche Übersetzung, sondern eher passend ist hier „falscher Umgang“. Odell ist reifer geworden, die Arrangements filigraner, aber auch dramatischer, mit saftigen Streichern, und nicht mehr nur vom Piano dominiert. Die Themen der Songs freilich sind etwas gewöhnungsbedürftig. Es soll eine fiktive Story um Isoliertheit sein und den Versuch, einen Ort zu finden, an dem man sich wohl fühlt. Die Story um einen Mann, der sich nach der Natur sehnt und einer vergifteten Welt zu entfliehen versucht. Na ja, solange die Musik so gut, ohrwurmig und anspruchsvoll ist wie hier, kann man auch mit einem vielleicht etwas gar queren Inhalt gut leben.

hef. Bei vielen "altgedient en" Stars fragt man sich, wo holen die sich nach ihren vielen bereits veröffentlichten Alben noch ihre Inspirationen her? Zucchero, der die meisten Songs selber schreibt, beantwortet diese rhetorische Frage mit der Tatsache, dass sein letztes Album vor sechs Jahren erschienen ist. Wenn man von diesen sechs Jahren drei abzieht, die durch Welttourneen ausgefüllt waren, so bleiben drei Jahre für die Kreativität und die Studioaufnahmen. Diese drei Jahre scheint Adelmo Fornaciari, wie Zucchero mit bürgerlichem Namen heisst, gut genutzt zu haben. "Black Cat" ist ein feines Album. Nur: Zucchero hat uns seit den Anfängen seiner Karriere – bei uns startete diese Karriere im zweiten Teil der 1980er Jahre – sehr verwöhnt. Mit Alben wie etwa "Oro, Incenso e Birra", mit "BlueSugar", "Spirito di Vino" und dem vielleicht besten bis dato, "Shake" von 2001. Produziert von Cracks wie Don Was und T Bone Burnett, lässt "Black Cat" die grossen Balladen vermissen, die all seinen bisherigen Alben die Krone aufsetzten. Traumsongs wie "Ahum", "Senza una donna", "Miserere", "Cosi celeste" oder "Diamante". Dafür tat er sich bei einem Titel mit zwei Koryphäen der Musikgeschichte zusammen. U2-Stimme Bono schrieb den Text zu "Streets Of Surrender (S.O.S.)", Dire-StraitsMastermind Mark Knopfler gibt in diesem wunderbaren Lied ebenso wie in "Ci si arrende" sein legendäres Gitarrenpicking zum besten. Bonos Text handelt vom Anschlag auf das Pariser Konzertlokal Bataclan vom letzten November. In seiner Aussage zum neuen Album widerspricht Zuc meiner eingangs erklärten Theorie, er hätte drei Jahre Zeit zum Schreiben der 13 neuen Songs gehabt. "Eigentlich wollte ich von Anfang an nichts anderes als ein Album produzieren, dessen Lieder frühmorgens spontan entstehen, ohne an Erfolg oder Hitparaden denken zu müssen", sagt Zucchero. Ein bisschen so, fast etwas


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS ungeschliffen, tönen einige der neuen Songs auch. Unter diesen Prämissen habe ich mir "Black Cat" gleich nochmals reingezogen. Und in der Tat: Mit diesem Wissen im Hinterkopf habe ich mich ein bisschen versöhnt mit dem neuen Song-Material. Zucchero-Konzerte in der Schweiz: 31. Oktober Hallenstadion Zürich, 2. November Arena Genf.

COLVIN & EARLE Shawn Colvin & Steve Earle Nonesuch hef. Bereits 2014 unternahmen zwei der bedeutendsten Singer/ Songwriters der USA eine gemeinsame Tournee, unplugged und ausverkauft, zu hören auf dem Live-Album "Songs And Stories, Together On Stage". Jetzt haben die Folk-Sängerin und der Roots-Rocker ein gemeinsames Studio-Album aufgenommen, produziert von Americana-Urgestein Buddy Miller. In den USA jubeln die Kritiker und vergleichen diese Kooperation mit der Zusammenarbeit von Alison Krauss und Led-Zeppelin-Sänger Robert Plant, die im grossartigen Album "Raising Sand" mündete. "Colvin & Earle" enthält neben sechs OriginalTiteln der beiden Interpreten auch diverse hochkarätige Coverversionen, zum Beispiel "Ruby Tuesday" (Rolling Stones), "Raise The Dead" (Emmylou Harris) sowie eine bluesige Neuaufnahme des Nashville-Teen-Klassikers "Tobacco Road" in einer höchst spannenden Version. Die eigenen Songs sind teils sehr melancholisch, "The Way That We Do" etwa oder "You're Right (I'm Wrong)", eine sehr persönliche Bestandsaufnahme der beiden. "Colvin & Earle" ist ein Ausdruck jahrzehntelanger Freundschaft mit gegenseitiger Bewunderung, einerseits musikalisch eher spartanisch gehalten, anderseits mit einer unglaublichen Tiefenwirkung.

MUDCRUTCH 2 Reprise/Warner hh. Bevor Tom Petty mit seinen Heartbreakers loslegte, hatten er und seine späteren

Heartbreakers Mitstreiter Benmont Tench und Mike Campbell in der ersten Hälfte der 70er die Gruppe namens Mudcrutch. Da der Erfolg jedoch in sehr überschaubaren Bahnen verlief, die Truppe veröffentlichte gerade mal zwei Singles, löste sich Mudcrutch 1975 auf und ein Jahr später ging das Trio zusammen mit Drummer Stan Lynch und Bassist Ron Blair als Tom Petty & The Heartbreakers an den Start. 2008 trafen sich die Originalmitglieder von Mudcrutch wieder und nahmen ein Album auf, das direkt auf Platz 8 der US-Charts einstieg und rundum prächtige Kritiken bekam. Nun, acht Jahre später kommen die Herren mit dem Album-Nachfolger, treffend „2“ betitelt, hinter dem Ofen hervor. Und welche Überraschung: es gibt keine musikalischen Überraschungen. Mudcrutch setzen genau das fort, was sie mit ihrem Debüt begannen und das sind entspannter Countryrock und schöne Songs. Eigentlich genau das, was man von Tom Petty über all die Jahre bereits kennt und liebt. Der einzige Unterschied ist wohl nur, dass die Mudcrutch Songs nicht ganz so schnittig und poliert daherkommen wie Petty's Soloplatten und etwas stärker die Countrywurzeln sehen lassen. Sie präsentieren doch eine gewisse Rauheit mit Ecken und Kanten, die dem Gesamtsound durchaus gut tut. „2“ wird besonders allen Petty-Fans gefallen, denen der Sänger in den letzten Jahren etwas zu poppig geworden ist. Unterm Strich bleibt aber, dass Mudcrutch die etwas (country)rock'n'rolligere Version von Tom Petty & The Heartbreakers sind.

MAIDA VALE Tales Of The Wicked West Sign Records

erscheint 5.8.

hh. Vier junge Ladies aus Schweden namens MaidaVale kommen mit einem erstaunlichen Debüt-Album an den Start. Erstaunlich deshalb, weil man den Sound, den das Quartett hier abliefert, bislang bei Girl-Bands selten bis gar nicht zu hören bekam. Es handelt sich um knietief in den 70ern verwurzelten bluesigen Hard-/Classicrock mit einer unüberhörbaren Psychedelic-Dosis. Und trotz ihres jungen Alters haben die vier Ladies ihre Lektion gelernt und bringen die Songs dermassen authentisch rüber, als wären sie in der Blütezeit des Classicrocks

PAUL SIMON Stranger To Stranger (Deluxe Edition) Universal Music

hef. Fünf Jahre nach seinem letzten Album "So Beautiful Or So What" veröffentlicht die US-Musik-Legende, die am 13. Oktober – wie kürzlich Bob Dylan – ebenfalls 75 Jahre alt wird, sein 12. Solo-Album seit dem Split von Simon & Garfunkel 1970. Die Wunderwerke mit dem erfolgreichsten Pop-Duo der Musikgeschichte nicht mitgezählt. 1965 standen Simon & Garfunkel mit "The Sound of Silence" erstmals an der Spitze der USHitparade. Viele weitere Nr. 1-Hits sollten noch folgen, alle komponiert und getextet von Paul Simon. Dass er ein vielfältiger Songschreiber geblieben ist, zeigt er hier einmal mehr. Und er zeigt auch, dass man sich noch mit 75 Jahren musikalisch weiter entwickeln kann. Auf der Deluxe Edition gibt es neben den elf neuen SimonKompositionen zusätzlich fünf Titel, drei davon LiveTracks. "New York Is My Home" gibt Simon im Duett mit Dion DiMucci plus ein ein-minütiges "Guitar Piece 3", nur Simon und seine sanfte Akustikgitarre. Sanft ist auch das Stichwort zu den neuen Simon-Klängen und zu seiner Stimme. Sie ist noch so warm wie vor 50 Jahren, warm und zärtlich. Wie etwa beim elften Titel "Insomniac's Lullaby" – bei diesen fliessenden Melodietönen schläft auch jemand mit grossen Schlafschwierigkeiten beruhigt ein. Und das ist als Kompliment gedacht. "In A Parade" erinnert an die Musik aus dem innovativen Album "Graceland", Afrika und Rhythmus-Instrumente dominieren diesen abgehenden Titel. Da wurden Instrumente verwendet, die Simon scheinbar völlig kirre machten. Diese Instrumente heissen Marimba Eroica, Kithara, Chromelodeon und Zoomoosophone, Sonic Canons und Cloud Chamber Bowls. Was immer das ist und wie immer das aussieht: Es fägt locker dahin. Der Titelsong und "The Riverbank", "The Werewolf" und "Wristband" sind – laut Simon – von spanischem Flamenco beeinflusst. Händeklatschen und Stampfen mit den Füssen auf dem Holzboden wie die Flamenco-Tänzer haben Simon derart inspiriert, dass er gleich eine ganze Flamenco-Truppe, die ihm sein Percussionist Jamey Haddad empfohlen hatte, von Boston nach New York ins Studio einfliegen liess. Die Spanier legten den GrooveTeppich für die teils experimentellen Klänge. Über all diesen zärtlich arrangierten Liedern schwebt der Melodien-Reichtum des unglaublichen Songschreibers Paul Simon, dessen Songs noch immer verblüffen. Diese Musik lässt keine Wünsche offen, und das gilt nicht nur für Simon-Fans only...

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REVIEWS Mainstream/Indie/Alternative Pally’s kurz und knapp GAZEBOS - Die Alone Eines vorweg: Die Gazebos sind mit dem DiscoSänger Gazebo weder verwandt, verschwägert noch bekannt. Musikalisch bewegt man sich gar in entgegengesetzten Richtungen. Das ziemlich lo-fi klingende Debüt («Die Alone» wurde im Keller auf einem 8-Spurrekorder aufgenommen) der Band aus Seattle orientiert sich am frühachtziger US-Wave und –Punk von Bands wie The Nuns, Suburban Lawns oder den Los Microwaves. Abgehackte Riffs, dröhnende Synthies und die zuweilen lakonisch klingende Stimme von Frontfrau und TattooKünstlerin Shannon Perry sorgen für nostalgische (und wehmütige) Erinnerungen. VITA BERGEN - Disconnection Glücklicherweise klingen die schwedischen Vita Bergen nicht so lebensmüde wie die Menschen auf dem Cover ihres aktuellen Albums «Disconnection» dreinschauen. Der Indierock der Band um Sänger William Hellström hat immer wieder punkigen Biss und zuweilen ordentlich Tempo. Der Auftakt «In The City» (höre ich hier Joy Division?) und das an die Sisters Of Mercy (mit einem Schuss Punk) mahnende «Replace» seien hierfür erwähnt. Da und dort darf es auch etwas Dramatik («Curtains») oder Indie-Dance (Titeltrack, «Closer Away» und «Alexia») sein. Please Connect. GREAT MOUNTAIN FIRE - Sundogs Taucher am Himmel. Grosses Bergfeuer. Sonnenhunde. Ekstatisch tanzende Jugendliche im Video zu «5-StepFever». «Sundogs», das zweite Album der belgischen Band um Sänger und Gitarrist Thomas de Hemptinne macht den Liebhabern von Indierock Beine. Im Geiste von Bands wie Tom Tom Club, Talking Heads, Debbie Harry, Stone Roses, The Klaxons und etwas Shriekback offeriert das Quintett immer wieder funky Indierock, der zwangsläufig einige tanzgleiche Zuckungen (und mehr) in den Beinen auslöst. THE BABOON SHOW - The World Is Bigger Than You The Baboon Show (Anspielung auf die schwedische Regierung, die sich ihrer Meinung nach wie eine Horde wilder Affen aufführt) aus Stockholm, Schweden, zeigt auch auf ihrem nunmehr siebten Album (und unzähligen EPs und Singles) keine Ermüdungserscheinungen. Zwei Jahre nach ihrem letzten Werk «Damnation» haut die Band um Sängerin Cecilia mit «The World Is Bigger Than You» dem geneigten Hörer schnörkelosen Punkrock um die Ohren, der aber auch Finessen parat hält. In «The Hermit» vereinen sich mechanisch stampfende Beats mit Elektronik zu punkiger Tanzbarkeit. Und im ungewohnt langen Abschluss «Lost You In A Second» (fast 4 Minuten) singt Cecilia im Duett mit Mando-Diao-Sänger Björn Dixgård, der den Song speziell für The Baboon Show geschrieben hat. LUTHER DICKINSON - Blues & Ballads – A Folksinger's Songbook: Vol. I & II Der Amerikaner Luther Dickinson präsentiert mit «Blues & Ballads – A Folksinger's Songbook: Volume I & II» eine Sammlung von abgespeckten Versionen von Songs von seiner Band North Mississippi Allstars und eigenen Lieblingsnummern. Geholfen haben dem Sohn von Jim Dickinson (Produzent und Musiker) Grössen wie Jason Isbell, Jim Lauderdale, Amy LaVere und Mavis Staples. «Blues & Ballads – A Folksinger's Songbook: Volume I & II» kommt gerade recht, um als Soundtrack zum Sonnenuntergang draussen auf der Veranda zu dienen. Der Sonnenaufgang («Hurry Up Sunrise») kann dann ruhig etwas warten. K-ESSENCE - We Prefer The Night «We Prefer The Night» ist nach « Prince Of Pawns» der Zweitling der aus der polnischen Stadt Katowice stammenden Formation K-Essence. Die Band angeführt von Bartek Czarno-Ksiê¿yk (auch Kopf der Indieband NeLL) durchschreitet in den elf Song ein weites musikalisches Feld. Theatralische Momente wechseln ab mit knackigen Rockern, geheimnisvoller Indierock reiht sich an holde Schwermut und Schlaftrunkenes reicht vertrackten IndieProgrock die Hand. Kommt mir gar nicht polnisch vor.

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aufgewachsen. Zudem gibt es an ihren musikalisch technischen Fähigkeiten absolut nichts zu meckern (speziell die tolle Gitarrenarbeit) und kaum Abstriche gegenüber den meisten ihrer männlichen Kollegen zu machen. Lediglich die jetzt schon gute Sängerin Matilda Roth könnte an der Bandbreite ihrer Stimme noch arbeiten und hier und da noch ein Brikett zulegen. Aber wir sind sicher, im Laufe der kommenden Jahre nach vielen, vielen Konzerten und dem einen oder anderen Whisky wird sich das von allein ergeben. Die Rhythmus-Sektion ist ebenfalls mehr als amtlich unterwegs, hat einen tollen Groove und haut mächtig rein. Die Band liefert dynamisches Songmaterial und lässt ihren Liedern stets Luft zum Atmen, weiss genau wo sie sich zurücknehmen muss um anschliessend wieder wuchtig und heavy loszurocken. Auch wenn es beim Songwriting noch noch nicht von A-Z in der Oberliga abgeht, ist „Tales Of The Wicked West“ ein überraschend gutes und stimmiges Debüt geworden und vor allem ein grosses Versprechen an die Zukunft. Dass MaidaVale übrigens ohne eine Platte veröffentlicht zu haben beim letztjährigen Schweden Rock Festival gebucht wurden, unterstreicht den Status und den sehr guten Ruf, den das Damenquartett bereits in seiner Heimat hat. Auch Fans von Acts wie Blues Pills sollten MaidaVale unbedingt antesten.

COLD TRUTH Grindstone Blue Rose/Massacre hh. Das Nashville Quartett präsentiert auf seinem neuen Longplayer wieder den von ihnen gewohnten und beliebten Mix aus Blues- und Classicrock mit einer mächtig fetten Southern Rock Breitseite inklusive tolle Dual-Leadgitarren. Mit Thane Shearon hat die Band einen stimmgewaltigen Sänger, der problemlos mit Johnny Van Zant (Lynyrd Skynyrd), Warren Haynes (Gov't Mule) oder Chris Robertson (Black Stone Cherry) auf einer Stufe steht und zudem noch ein herausragender Saitenartist ist. 12 Songs hat der Nashville-Vierer auf dem neuen Album verewigt und man kann zweifellos sagen, hier wird nichts anbrennen gelassen. Volles Rohr, aber mit Rasse und Klasse und einem herausragenden Gespür für absolut geile Rocksongs mit prächtigen Hooklines machen „Grindstone“ zu einem absolut

unverzichtbaren Album für jeden Fan von typischem handgemachten, dreckigen US-(Biker)Rock. Selbst „ruhigere“ Songs haben immer eine ungeheuere Wucht, aber ohne den Groove zu opfern oder den Hörer zu erschlagen. „Grindstone“ ist ein hammergeiles Album und wie bereits erwähnt absolut unverzichtbar vornehmlich für Fans von Acts wie Molly Hatchet, Lynyrd Skynyrd, Black Stone Cherry oder Blackfoot bis hin zu AC/DC. Ach ja, nicht zu vergessen – die Produktion entspricht der musikalischen Klasse voll und ganz – druckvoll, transparent und livehaftig donnern Cold Truth durch die Boxen. Volltreffer!!!

BUFFALO SUMMER Second Sun UDR/Warner hh. Sie kommen zwar aus Wales, klingen jedoch als wören sie im Süden der USA zuhause. Das liegt am fetten Southernrock, der eine Hauptbasis des Buffalo Summer Sounds ist. Den mixt das Quartett allerdings meisterlich mit typischem 70er Classicrock britischer Prägung. Tonnenschwere ZeppelinRiffs, harte bluesende Free-Einflüsse und frühe Whitesnake-Ingredienzien sorgen für ein brodelndes, zündendes Gemisch. Sänger Andrew Hunt liegt stimmlich oft dicht an Coverdale (als der noch Stimme hatte) und Jay Buchanan (Rival Sons), jedoch ohne sie zu kopieren. Dafür hat Hunt genug Eigenständigkeit und vor allem das Talent für tolle Gesangsmelodien, die aus den durchweg guten Songs sehr gute Songs machen. Die Band spielt amtlich mit sattem Druck und groovt hervorragend. Ds Album wurde im Studio live eingespielt, lediglich einige Gitarrensoli und ChorGesangs-spuren wurden noch draufgepackt. Das hört man dem Album an, es klingt frisch und stellenweise spontan. Produziert wurde «Second Sun» von Barrett Martin (Screaming Trees), der das Optimale aus der Band herauskitzeln konnte und alles in einen warmen, harmonisch stimmigen Sound setzte. Dabei liess er der Band ihren «Dreck» und das macht neben den tollen Songs und der herausragenden spielerischen Bandleistung den Reiz des Albums aus.

CANDLEBOX Disappearing In Airports Eternal Sound Records/Membran ip. Viel ist ja nicht übriggeblieben aus der Gründungszeit der Seattle-Rocker Candlebox. Gerade mal Sänger Kevin Martin steuert das Schiff weiter, aber das macht er seit Anfang der 90er souverän und professionell. Er weiss ja auch, wohin


Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS die Reise geht und bleibt nach wie vor in bekannten Gewässern. Wer Candlebox kennt oder streckenweise verfolgt hat, der weiss, dass bei diesen alten Hasen solider Rock geboten wird, teilweise auch noch mit einer Prise Seattle-GrungeWehmut, aber dafür mit weniger lauten Gitarren. Martin und seine Crew haben ausserdem, und gerade auf dem neuen Werk „Disappearing In Airports“, ein erstaunliches Händchen für grossartige Melodien. Unbedingt anzuführen sind in dieser Beziehung der Opener „Only Because Of You“, „I Want It Back“ oder die Ballade „Spotlights“.Mit „Crazy“ ist sogar ein Song dabei, der auch Muse gefallen würde und flottere Nummern wie „God's Gift“ sorgen für gut sortierte Abwechslung. Wo die Jungs sich mit ihren ersten beiden Alben „Candlebox“ und „Lucy“ vor gut 20 Jahren noch mit vergleichsweise sperrigem Ellbogen-Grunge den Weg an die Chartspitzen freigekämpft haben, tun sie das heute mit erwachsen gewordenem Alternative Rock, der runder und mainstreamiger klingt. Steht ihnen gut, ist nachvollziehbar und geht vor allem gleich beim ersten Durchlauf direkt ins Ohr. Feines Album für Fans von beispielsweise Matchbox Twenty, die ein wenig folkiger sind, oder Third Eye Blind, die mit ein bisschen Humor etwas gröbere Stücke aus dem Stamm gehauen haben. „Disappearing In Airports“ ist ein Ohrenschmeichler.

ANGELA AUX Wrap Your Troubles In Dreams Millaphon Records rp. Florian Kreier, der hinter Angela Aux steckt, hat sich schon als Rapper, Electro -Kraut-Funker (was immer das ist), Geschichtenschreiber, Journalist und Veranstalter betätigt. Für sein Soloprojekt Angela Aux ist er zum Folker geworden. Das Cover von «Wrap Your Troubles In Dreams» (Kreier trägt darauf eine Mädchenperücke) und auch die Texte böten viel Raum für Spekulationen. Das lassen wir mal schön sein und konzentrieren uns auf die Musik. Der Auftakt «Fucked Up Blues» bietet nicht, wie man vermuten könnte, Blues, sondern behutsamen Folk, der sich in Richtung Elliott Smith und etwas Bon Iver streckt, ergänzt mit feinen Zwischentönen. In

eine ähnliche Kerbe haut «Make Up Your Mind». Zurücklehnen und über den Text sinnieren erlaubt. «Alien Song», ebenfalls ein Folksong, hat dann etwas dezent Bedrohliches. Die Textzeile «I Am An Alien» begleitet einem dafür noch eine Weile. Elliott Smith hätte, wenn er noch unter uns weilen würde, dann sicher Freude an kommenden Song «Simone Please». Ich auch. Bei «No Encore» lässt Kreier anschliessend kurz seine Nähe zum Hip Hop aufblitzen. Im Hintergrund zitiert er eine Zeile aus «The Message» von Grandmaster Flash. Und übrigens, «No Encore» ist im Vergleich zum nächsten Track «Big City Blues», der wieder nichts mit Blues zu tun hat, tatsächlich bluesig. Nicht immer ist drin, was draufsteht. So geht es weiter, nicht bluesig, sondern folkig bis am Schluss. Der Titeltrack mahnt dann gar noch etwas an Lou Reed. Soll so sein. Ende.

RADICAL FACE The Family Tree: The Leaves Nettwerk rp. «The Family Tree: The Leaves» ist der Abschluss der Family-TreeTrilogie. Radical Face Mastermind Ben Cooper erzählt in den drei Alben, «The Roots» (2012), «The Branches» (2013) und jetzt «The Leaves» die Geschichte der Northcotes Familie aus dem 19ten Jahrhundert, die in ihren Reihen Hexen, Magier, Geister und andere mysteriöse Gestalten haben. Als musikalische Basis dient dem in Jacksonville, Florida, geborenen Cooper, atmosphärischer Indiepop. Im Abschluss «The Leaves» erzählt er mit behutsamer und oft schwebender Stimme wunderliche Geschichten über Wiedererweckung von Tieren («Secrets»), Befreiung aus den Ketten der eigenen Vergangenheit («The Ship In Port»), dem Finden eines vor langer Zeit vergrabenen Tagebuchs («Old Gemini») und auch persönliche Begebenheiten und Momente. «Bad Blood» thematisiert z.B. seine schwierige Kindheit. Nach seinem Coming-Out als 14-jähriger wurde er Zuhause rausgeschmissen und zog bei seinem leiblichen alkoholkranken Vater ein. Die entrückt klingenden und verträumten Passagen auf «The Family Tree: The Leaves» vermitteln den Eindruck, als wolle Ben Cooper

mit seiner Musik auch der eigenen Wirklichkeit entfliehen, in eine Traumwelt, in der fast alles möglich ist.

MAYFLOWER MADAME Observed In A Dream Night Cult Records rp. Durch die geografische Lage bedingt, ist es in Norwegen gerade im Winter länger dunkel und auch kälter. Das kann mitunter schon etwas aufs Gemüt schlagen. Das der eine oder die andere da schon man den Blues bekommt, scheint fast normal. Bei der aus Oslo stammenden Mayflower Madame ist es der Post-Punk-Psychedelic-Blues. Ihr zweites Album nach der EP «Into The Haze» (2013) ist eine düstere Angelegenheit. Songtitel wie «Lovesick», «Upside Down (The Death Loop)», «Forever // The End Of Everything» versprechen nicht gerade Partymusik. Aber die Dunkelheit hat immer auch etwas Faszinierendes an sich. Das Quartett um Sänger und Gitarrist Trond Fagernes spielt in den vielschichtigen acht Songs mit Stimmungen, Kontrasten, Dramatik und laut /

leise. Der Auftakt «Confusion Hill» demonstriert diesen Ansatz am besten. Bedrohlich anschwellende Sounds kollidieren mit Gitarren-Feedback à la Bauhaus. Der Song fliesst dann, fast unverhofft, in harmonischere Gewässer mit klaren, hellen Gitarren à la Cure. Bevor der Gesang, irgendwo zwischen Peter Murphy, Andrew Eldritch und Ian McCulloch situiert, einsetzt, begehren harsche Gitarren auf. «Confusion Hill» gleitet in der Folge sphärisch, mit bedrohlichen Untertönen (immer wieder erheben sich lärmige Gitarren) dahin. Die Liebesschmerz-Nummer «Lovesick» klingt wie Chris Isaak from hell. In «Self-Seer» befeuern dramatische Gitarrenriffs die Erinnerung an Echo And The Bunnymen. Das unheimliche «Upside Down (The Death Loop)» hinterlässt mit den bedrohlich flirrenden Sounds und der in den Hintergrund gemischten Stimme beklemmende Gefühle. Nach dieser intensiven Phase klingen Songs wie «Into the Haze» und der Titeltrack fast etwas beliebig. Es fehlt ihnen an der Kraft und Ausstrahlung der vorangegangen Songs. Erst der Abschluss, das fast fünfminütige «Forever // The End Of Everything» sorgt wieder für dramatische Momente.


So kurz ihre Karriere auch gewesen sein mochte, so legendär sind die Monkees bis heute. Mit „I'm A Believer“ machten sie sich früh unsterblich, mit „Good Times!“ melden sie sich zu ihrem 50. Geburtstag sogar mit einem neuen Album zurück.

The Monkees 2016 (v.l.n.r.) Mike Nesmith, Mickey Dolenz, Peter Tork bs. „Psychedelic Bubblegum“, so nannten die Monkees ihren Sound früher gerne mal. Mitte der Sechziger in Los Angeles für eine Fernsehserie gecastet, in der sie eine ambitionierte, aber erfolglose Band mimten, wurde aus Micky Dolenz, Michael Nesmith, Peter Tork und Davy Jones sehr bald eine richtige Band. „I'm A Believer“, „Daydream Believer“ oder „Last Train To Clarksville“ hießen ihre größten Hits, auf dem Scheitelpunkt ihres Erfolgs 1967 verkauften sie mehr Platten als die Beatles und die Rolling Stones zusammen. Zusammen! Klar, diese Welle hielt nicht lange an, dennoch sind The Monkees bis heute aktiv. Zwar gab es seit 1996 kein neues Album, immer mal wieder trat man jedoch auf, machte von sich reden. Zuletzt 2012, als die traurige Nachricht vom Tod ihres Sängers Davy Jones um die Welt ging,

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jetzt endlich wieder mit guten Nachrichten. Und die brauchen natürlich auch einen guten Namen. „Good Times!“ haben die Westküstler ihr zwölftes Album getauft, eine gewollte Anknüpfung an den typischen Monkees-Sound der Sechziger. Wie zu den Anfängen ihrer Karriere, wurden auch diesmal wieder ganz bewusst Sogwriter aus aller Welt herangezogen, um den Monkees-Sound im Jahr 2016 zu neuem Leben zu erwecken. Micky Dolenz und die anderen seinen zwar keine „großen Musikhörer abseits von ein wenig Sinatra zum Martini“, dennoch fiel ihm in den letzten Jahren etwas auf. „Mir scheint, dass nahezu die gesamte Indie-Rock-Szene unseren klimpernden Gitarrensound der Sechziger aufgreift. Das brachte uns auf die Idee, klassische Monkees-Songs von modernen Interpreten


schreiben zu lassen.“ Gesagt, getan: Unter anderem wurden Noel Gallagher, Paul Weller oder Rivers Cuomo (Weezer) angeheuert, um ihren Teil zum Comeback des Jahres beizutragen. „Es war erstaunlich zu sehen, wie viele Künstler Interesse daran hatten“, freut sich Dolenz. Wie es sich für eine Band wie The Monkees gehört, die weltweit über 75 Millionen Alben verkauft hat und von den meisten mit ihren Hochzeiten in den Sechzigern verbunden wird, regiert auf „Good Times!“ auch ein ausgesprochenes Vergangenheitsbewusstsein. Da ist zum Beispiel die Nummer „Love To Love“, in den Sechzigern geschrieben von Neil Diamond und eingesungen vom Originalsänger Davy Jones. Mit dem überschäumenden Titeltrack ist eine weitere Nummer aus den Sechzigern am Start, erstaunlicherweise fügen sich diese rund 50 Jahre alten Songs nahtlos mit den neuen Kompositionen zusammen. Der Monkees-Sound, er ist eben wirklich zeitlos. Gemessen an der enorm kurzen Zeitspanne von rund drei Jahren im Rampenlicht, ist das ziemlich erstaunlich. „Das sehe ich genauso!“, gibt sich Dolenz regelrecht geschockt darüber, dass

The Monkees 1967(v.l.n.r.): Mike Nesmith, Mickey Dolenz, Davy Jones, Peter Tork es seine Band noch gibt. „Ich meine, ich bin 70 Jahre alt. Wie konnte das nur passieren?“ Soll er doch froh sein. Die Musikwelt zumindest ist regelrecht

entzückt über diesen seltenen Glückfall. In einem äußerst tragischen Musikjahr 2016 ist ein Album wie „Good Times!“ zumindest eine selige Abwechslung.


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Eine goldene Ära

Was Soul-Göttinnen wie Aretha Franklin oder Ella Fitzgerald mit Schweden zu tun haben? Beide liefen schon im Kinderzimmer von Elin Larsson rauf und runter. Die junge Sängerin ernährte sich von der Plattensammlung ihrer Eltern, singt gern auch mal in einem schwedischen Gospelchor und veröffentlicht mit ihren Blues Pills jetzt das sensationell geglückte, wohlig-soulige zweite Album „Lady In Gold“.

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LIVE 22.10.2016 Pratteln, Z7 Special Guest:

KADAVAR


bs. Sie schlugen ein wie ein Komet, der die Welt erhellte, anstatt die Sonne zu verdunkeln. Die Blues Pills, ein junges Unterfangen aus drei Ländern und von zwei Kontinenten, sorgten 2014 mit ihrem Debüt für offene Münder, begeisterte Kritiker und fassungslose Reaktionen. Diese Stimme! Diese Gitarre! Dieser Groove! Dieses Feeling! Wo bei den vielen anderen zuvor durchgestarteten Retro-RockBands gern sofort die Vergleichskeule geschwungen wurde und wo bar jedweder Vernunft jede Band mit Orange-Amps oder Bart mit Sabbath, Led Zeppelin oder den Doors verglichen wurde, spürte man sofort, dass hier etwas anders war. Blutjung, wie die Band damals war, bewies man eine seltene Mischung aus musikalischem Können und unglaublich viel Gefühl, wurde binnen weniger Monate vom Geheimtipp zur arrivierten Szenegröße. Janis Joplin oder Grace Slick wurden herangezogen, um die Stimmgewalt der Elin Larsson in Worte zu fassen, Dorian Soirraux verdrehte kaum volljährig allen mit seinem entfesselten Gitarrenspiel den Kopf. Schnitt. Rund zwei Jahre sind seither vergangen, die Blues Pills mehrfach um die Welt gereist. Wer Festivals zwischen Burg Herzberg, dem Montreux Jazz Festival und Wacken spielen kann, braucht sich über mangelnden Zuspruch aus allen Lagern nicht beklagen. Wo die Blues Pills aufschlugen, wurden sie begeistert empfangen. Da ist es durchaus erstaunlich, dass sie schon mit ihrem Nachfolger „Lady In Gold“ einen ungewöhnlich großen Schritt gehen. Anstatt also ein zweites Album abzuliefern, das sich an der Erfolgsformel des Debüts bedient, macht der schwedisch-französisch-amerikanische Verbund etwas, das in den Sechzigern und Siebzigern Gang und Gebe war: Man entwickelte seinen Sound gehörig weiter, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Wo zuvor eine furiose Mischung aus Blues Rock, psychedelischem Übermut und kernig-dreckigem Hard Rock regierte, hält jetzt der Soul Einzug. Der leidenschaftliche, bittersüße, harmonische und vor Herzblut überschäumende Soul, den Sängerin Larsson seit ihren Kindertagen kennt und liebt. „Soul war für mich schon immer ein riesiger Einfluss“, weiß die hübsche junge Schwedin zu berichten. „Diese Musik ist für mich der singulär beste Weg, mich auszudrücken, und ich freue mich riesig, dass wir diesmal deutlich in diese Richtung gegangen sind. Das Album ist vielleicht eine kleine Ecke weniger wild und rockig, aber deswegen nicht weniger intensiv.“ Recht hat sie! Manch einem mag diese Wildheit und diese gewisse Giftigkeit fehlen, die Stücke wie „Devil Man“ ausgezeichnet hat. Sie wurde aber durch etwas viel Besseres ersetzt, das die Blues Pills noch einzigartiger und origineller macht, als sie das ohnehin schon sind: Ein kontemporärer Act zwischen Soul und Blues Rock, der das Erbe der Fünfziger, Sechziger und Siebziger mit seinen Orgeln, Gospelchören und gesungenen Beichten am Leben hält. „Uns war mehr

denn je wichtig, uns von diesem abgenudelten, generischen Blues-Rock-Ding fernzuhalten, weshalb wir uns sehr viel Mühe bei den Arrangements gegeben haben und eher den Song als Gesamtheit im Blick hatten.“ Was Gitarrist Sorriaux damit meint, ist vor allem: Erlaubt ist, was der Musik gut tut. Selbst wenn das bedeutet, dass es kein typisches Liedschema gibt. Tatsächlich führt diese liberale Herangehensweise sogar zu den stärksten Momenten auf „Lady In Gold“. „Es stand nie im Raum, jetzt etwas besonders abgedrehtes oder besonders eingängiges zu machen“, so Sorriaux weiter. „Es ging einzig und allein um die Songs.“ Das zeigt sich auch daran, dass man sich trotz eines durchaus straffen Zeitplans Zeit für die Songs nahm. „Wir begannen Ende 2014 mit den Arbeiten an diesem Album, waren aber natürlich nicht durchgehend damit beschäftigt. Das“, ist sich Larsson sicher, „gab den Songs eine Menge Zeit, um zu reifen und zu wachsen und verschaffte uns stets eine völlig neue Perspektive.“ Den Druck, so gibt sie angenehm freimütig und unaufgesetzt zu, den habe sie indes schon gespürt. Kein Wunder: Das Album ging in der Schweiz in die Top Ten, in Deutschland gar auf Rang vier der Charts. „Wir waren noch dazu so viel live unterwegs, dass wir eigentlich keine einzige Deadline halten konnten“, gibt der Gitarrist mit der wilden Mähne gequält grinsend zu. Am Ende wurde aber alles gut, wie Larsson zufrieden

«Das Wort Freiheit gefällt mir in Verbindung mit unserer Musik sehr.» Elin Larsson

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abnickt: „Ich bin sehr froh darüber, dass wir uns nicht beirren ließen und uns die Zeit genommen haben. Dem Album hat das verdammt gut getan.“ Von etwaigem Druck ist auf dem Album nichts zu spüren. Vielmehr klingt das glorreiche „Lady In Gold“ so, als habe sich die gesamte Band für ein paar Wochen im Studio eingeschlossen, geraucht, getrunken und einfach drauflos gejammt. Das, so die Sängerin, scheint dann auch gar nicht so fern der Realität zu sein. „Die Songs wurden eigentlich erst im Studio zu dem, was sie sind. Die meisten beruhen auf Jams, die wir dann arrangierten und verfeinerten.“ Vollkommene Freiheit also? Sie nickt begeistert: „Das Wort Freiheit gefällt mir in Verbindung mit unserer Musik sehr. Besonders bei „You Gotta Try“ fühle ich sie. In dieser Nummer singe ich übrigens auch im Chor. Ich bin seit einiger Zeit Mitglied in einem kleinen Göteborger Chor, der auch in diesem Song zu hören ist.“ Er handelt davon, seine Bestimmung zu finden und ihr bis ans Ende zu folgen. Klingt ziemlich nach dem bisherigen Werdegang der Blues Pills. In der Tat sind sie eine dieser seltenen Formationen, die sich schon früh und mit Haut und Haar ihrer Vision verschrieben und dafür auch viel aufgegeben haben. Für selbstverständlich hält die Band dennoch nichts, was ihnen in den letzten Jahren widerfahren ist. „Wir haben zwar verdammt hart gearbeitet, aber das heißt ja noch lange nicht, dass man Festivals wie Rock am Ring, Download oder Hellfest spielt. Das ist wie eine außerkörperliche Erfahrung“, blickt Larsson immer noch ein wenig baff zurück. Wider Erwarten schlagen sich diese Erlebnisse nicht unmittelbar in den Texten lieber. Ganz der Soul-Tradition verschrieben, adressiert sie die elementarsten Dinge in ihren Texten, singt von den Schrecken der Liebe, von Enttäuschungen, vom Leben und vom Tod. Dezidiert weniger hippieesk, aber nicht weniger glaubhaft. „Nach den Texten des Debüts fragte ich mich eine lange Zeit, worüber ich schreiben könnte. Meine Mutter meinte eines Tages, dass mich die Dinge, über die ich schreiben könnte, um mich herum längst existierten. Das löste eine Blockade und ich ließ mich plötzlich von allem inspirieren, was das Leben hergab.“ Dass der Tod eine Schlüsselfunktion spielt, hat nichts mit Schwarzmalerei zu tun. Der Tod, so weiß der Soul-Kanon, ist

BLUES PILLS Lady In Gold Nuclear Blast/Warner

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«Uns war mehr denn je wichtig, uns von diesem abgenudelten, generischen Blues-Rock-Ding fernzuhalten» Dorian Soirraux

schließlich untrennbar mit dem Leben verbunden. Deshalb ist der personifizierte Sensenmann bei den Blues Pills eben auch die geheimnisvolle „Lady In Gold“. „Wir wollten weg vom Klischee dieses Kapuzenmanns“, sagt Larsson dazu. „Sie kann dir als schöne junge Frau oder als bösartige alte Hexe begegnen.“ Das Leben und der Tod, beide haben eben immer zwei Seiten.

bs. Überraschungen gibt es sogar noch im reichlich überfischten Becken des Classic Rock. Eine davon bescheren uns die multinationalen Senkrechtstarter Blues Pills mit ihrem zweiten Album „Lady In Gold“. Hatte man sie nach dem erfolgreichen Start mit dem selbstbetitelten Debüt, nach hohen Chartplatzierungen und massig Tourneen noch vorschnell in die rohe, dröhnende Blues/Hard RockEcke gesteckt, müssen die Parameter schon jetzt, gerade mal zwei Jahre später, vollkommen neu angepasst werden. Klar ist: Den Blues haben die Blues Pills immer noch, so etwas ist ja auch wie ein hartnäckiger Husten, der dich nicht loslässt. Sie zeigen mit „Lady In Gold“ aber eindrucksvoll, dass sie keine von diesen RetroTrittbrettfahren sind, die immer nur

am selben Sabbath-Groove oder Jefferson-Airplane-Lick festhalten, und entdecken den Soul für sich. Den flammenden, schwarzen, bittersüßen und vor Leidenschaft brennenden Soul. Orgeln, Gospelchöre, monotone Drumbeats und die alles überragende Stimme von Elin Larsson stellen sicher, dass die Blues Pills nach ihrem Erstling auch 2016 die Stars in ihrem Genre bleiben. Eingefasst in einen wunderbar wohligen, warmen und organischen Sound, breiten die jungen Musiker ihr ganzes Können aus, zeigen mehr noch als auf dem ersten Werk, dass es hier um die Gesamtheit geht und nicht etwa um einzelne Songs. An dieser güldenen Lady nämlich, so viel dürfen wir mutmaßen, führt dieses Jahr kein Weg vorbei.



Drei gegen alle

Biffy Clyro demonstrieren auf ihrem siebten Album „Ellipsis“ gewohnte Geschlossenheit. Ganz nebenbei legt der schottische Dreier eine aufregende, aufwühlende und aufputschende Kurskorrektur aufs Parkett. Die unzertrennlichen Freunde sprachen mit TRACKS über Erwartungen, Bruderschaft und Wiedergeburt.

bs. Sommer 2014. Wilde Jahre liegen hinter Biffy Clyro. Ihr Album „Opposites“ ging in Großbritannien auf die Eins und sicherte sich Gold, die folgenden Tourneen wurden zum Triumphzug. Aus den wilden, lauten und punkigen AlternativeRock-Schotten waren gestandene Rockstars geworden, die die großen Bühnen für sich beanspruchten. Wie immer im Lager des Trios ging man einen überraschenden Weg, entschied sich an diesem neuerlichen Karrierehöhepunkt nicht für Vollgas, sondern für ein Jahr Pause. „Damit die Leute unseren lieben Biffy nicht irgendwann satt haben“, begründete es Sänger und Charmebolzen Simon Neil damals. Man ließ es ruhig angehen, ging gern in den Pub, ließ Inspiration herein, wenn sie anklopfte, und verarbeitete das Geschehene angemessen. Eine bessere Entscheidung hätten die Schotten nicht treffen können, muss man mal wieder anerkennend feststellen. Mit ihrem siebten Album „Ellipsis“ schreiben sie ihre Alternative-Saga fort, nach den beiden abgeschlossenen Albumtrilogien steht 2016 ein musikalischer wie inhaltlicher Neustart ins Haus. „Ellipsis“ kündet von Wiedergeburt, vom Ende eines Alten und dem zauberhaften Beginn von etwas Neuem. „So schön eine Routine auch ist, zieht man am Ende doch immer wieder dieselben Schlüsse“, kommentiert Neil, der mittlerweile ziemlich lange Haare bekommen hat und damit natürlich blendend aussieht. „Deshalb haben wir uns diesmal regelrecht dazu gezwungen, den Takt zu wechseln. Weniger eine Rockband also, die die Songs formt, sondern eher ein Trio, das die Songs darüber entscheiden lässt, wo sie hinwollen. Dass am Ende unser bisher freudigstes Album herauskommt, ist erstaunlich, weil wir es in dunklen Momenten und in zweifelndem Bewusstsein begannen.“ Das klingt verwunderlich. Wer 2013 die großen Bühnen von Leeds und Reading headlinte, müsste doch eigentlich mit dem nötigen Selbstbewusstsein gesegnet sein. Der Sänger

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schüttelt den Kopf. „Vor „Ellipsis“ waren wir das erste Mal wirklich unsicher, wohin es mit Biffy Clyro gehen sollte“, bekennt er und unterstreicht, dass gerade diese Unsicherheit das Album geprägt hat. Letzten Endes war es ihre GangMentalität, ihre unzertrennliche Freundschaft, die zum Zeil geführt hat „Ein wenig mehr „Fuck You!“-Attitüde eben“, lacht er. „Ist uns doch egal, ob ihr uns mögt oder nicht. Wir sind Biffy Clyro und wir lieben uns! Das klingt vielleicht großspurig, aber manchmal geht man gestärkt aus schweren Zeiten hervor. Und das war diesmal tatsächlich der Fall.“ Nachzuhören ist das unter anderem in „Wolves Of Winter“, eine donnernde Hymne, die von einer Dokumentation über Wölfe und ihr Territorialverhalten geprägt wurde. Einer Band wie Biffy Clyro merkt man die freundschaftliche Beziehung in jedem Interview, bei jedem Konzert an. Seit Tag eins zusammen, eine verschworene Einheit, die sich zu 101 Prozent auf jedes einzelne Element verlassen kann. Aber reicht das, um zu ergründen, warum die Schotten anders sind als andere Rockbands? „Ich weiß, dass wir anders sind als andere Rockbands, aber nicht genau, weshalb“, zuckt auch Schlagzeuger Ben Johnston die Schultern, wird aber von seinem Zwillingsbruder James ergänzt: „ Als Menschen, als Freunde, als Brüder, als Liebende in einer Band zu sein, hat eine Menge damit zu tun. Viele Bands propagieren diese Bruderschaft, aber oftmals meinen sie es eben nicht ernst.“ Keine Egos, volles vertrauen – eine gesunde Arbeitsstimmung, die Mut macht und Raum für Risiken schafft. „Wir gehen durchaus Risiken ein, die nicht viele Rockbands eingehen würden“, nickt Neil. „Folk, Electro und sowas verwenden wir, wie es uns passt. Wir haben einen sehr gemischten Geschmack, und obwohl den jeder Mensch hat, weil niemand als Iron-Maiden-Fan geboren wird, leben wir diesen Geschmack freier aus. Ich spielte sechs Jahre Geige,


bevor ich zur Gitarre wechselte, und das beeinflusste wiederum mein Gitarrenspiel mehr als alles andere.“ Eine herkömmliche Band sind sie eben nicht, das sollte mittlerweile klargeworden sein. Dass man sich nach dem bisweilen recht progressiven Epos „Opposites“ wieder mehr direkten, reduzierteren Songs zugewandt hat, ist deswegen noch lange kein Zugeständnis an den Mainstream oder eine leichtere Konsumierbarkeit im Streaming-Zeitalter. „Es war einfach an der Zeit, mal wieder etwas unkontrollierter zur Sache zu gehen“, meint der Sänger schulterzuckend. „Niemand soll je im Vorfeld wissen, was ihn auf einem BiffyClyro-Album erwartet. Mir ist es lieber, dass alle schockerstarrt zuhause sitzen, weil sie uns alles zutrauen. Das ist doch auch viel lustiger, oder?“ Was heute so locker und augenzwinkernd klingt, wurde tatsächlich in Schmerz geboren. Eine Menge Leute in Neils Umfeld starben, er hatte gesundheitliche Probleme und durchaus so etwas, das man eine Schreibblockade nennen kann. „Ich wusste nicht, wohin mit mir, zog mich zurück, wurde unzuverlässig und sagte Verabredungen oft in letzter Minute ab“, blickt er ernst zurück. Gerettet hat ihn, was auch sonst, die Liebe in Form von seiner Frau Rebecca. „Erst als ich merkte, wie unglücklich ich sie machte, weil sie verzweifelt versuchte, mich aus diesem Loch zu holen.“ Irgendwann setzte er sich ans Piano... und schrieb. Schrieb einen Song nach dem anderen. Eine Wiedergeburt im besten Sinne also, eine Neuerfindung und ein Bekenntnis an die Liebe. Klingt schnulzig, ist aber so – und wird auf „Ellipsis“ rekordverdächtig unpathetisch dargeboten. Ja, Biffy Clyro sind zurück. Man sollte ihnen besser nicht in die Quere kommen.

BIFFY CLYRO Ellipsis 14th Floor/Warner bs. Sechs Fäuste für ein Halleluja: Biffy Clyro sind die mit Abstand unzertrennlichste Band der Alternative-Rock-Welt. Von Anfang an als verschworenes Trio unterwegs, haben Simon Neil sowie die Zwillinge Ben und James Johnston mit ihrem siebten Album „Ellipsis“ abermals einen Wendepunkt erreicht. Konzeptionell gesehen befinden sich die Schotten am Fuß ihrer dritten Album-Trilogie, dem Anlass entsprechend haben sie eine weitere Häutung hinter sich. „Ellipsis“ gibt die Lust an progressiven Sounds nicht auf, lässt aber durchaus eine Hinwendung zur Hymnenwucht früherer Werke erkennen und enthält mit der Nummer „Herex“ eine Biffy-Huldigung an Grenzensprenger wie Deafheaven. Mit der einen oder anderen Ballade („Rearrange“ schrieb Neil für seine Frau) ergibt sich ein sehr abwechslungsreiches Gesamtbild, in sich stimmig und dennoch immer wieder aufs Neue überraschend. Wer erst mit „Opposites“ zur Band stieß, wird vielleicht ein Weilchen brauchen, um sich in dieser Welt zurechtzufinden. Allen anderen dürfte es eine helle Freude sein, dieser wiedergeborenen Band wieder bei der Arbeit zuhören zu dürfen.


Kein Licht ohne Schatten

Tarja sind dunkle Zeiten nicht fremd. Nach ihrem Rauswurf bei Nightwish stand ihre Laufbahn 2005 auf der Kippe, die finnische Sängerin war ganz unten. Schon im darauffolgenden Jahr startete sie ihre Solokarriere – und offeriert mit ihrem bereits siebten Studioalbum „The Shadow Self“ nicht nur einen weiteren Beweis für ihr Durchsetzungsvermögen, sondern zugleich ein bewusst düsteropulentes und aggressives Zeugnis dafür, dass es keinen Sommer ohne Winter geben kann.

LIVE 18.10.2016 Pratteln, Z7

bs. Und plötzlich sind zehn Jahre vergangen. Ein Jahrzehnt, in dem sich Tarja Turunen mehr als erfolgreich als international arrivierte Solokünstlerin etabliert und den überlebensgroßen Schatten von Nightwish ein für allemal verlassen hat. Insbesondere die Epoche seit ihrem letzten Werk „Colours In The Dark“ ist von beispielloser Produktivität gekennzeichnet. Zwei Live-Alben, ein Klassik-Opus, weltweite Konzerteinsätze, Kollaborationen, Videodrehs, Weihnachtsaufnahmen und zwischenzeitlich die Geburt ihrer Tochter. Ziemlich viel für drei Jahre – und dennoch noch lange nicht das Ende. Nach dem Prequel-Album „The

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Brightest Void“ legt die finnische Rockdiva mit „The Shadow Self“ gleich ihr nächstes, mittlerweile siebtes Soloalbum vor. „Eine internationale Karriere wie meine ist ein einziges gigantisches Puzzle“, lacht sie. Trotz Promotion-Stress und Termindruck ist sie gut gelaunt und locker, wirkt sehr zufrieden. „Vor allem dann“, fährt sie fort, „wenn zwei so verschiedene Karrieren wie bei mir zusammenkommen.“ Rock und Metal, so die Sängerin, müssen oft separat organisiert werden. „Da ist es natürlich einerseits ein Glücksfall, dass mein Mann gleichzeitig auch mein Manager ist und wir viele Dinge zuhause besprechen und koordinieren


können. Andererseits macht es uns uns dreijährige Tochter ganz schön schwer, bei der Sache zu bleiben.“ Wieder lacht sie ihr helles Lachen. Es ist überdeutlich, dass sie sich in ihrer Rolle als unabhängige Künstlerin zwischen Rock und Klassik gefällt. „Ich genieße die einzigartige Freiheit, dass ich mir aussuchen kann, was ich wann tue“, nickt sie mit Nachdruck. „Allerdings ist es in den letzten Jahren so viel geworden, dass ich keinerlei Freizeit hatte. Ich weiß, dass ich das ändern muss, weil ich dringend Zeit zum Durchatmen brauche, aber ich wusste ja, worauf ich mich einließ, also werde ich bestimmt nicht meckern.“ In der Tat hätte vor zehn Jahren wohl kaum jemand erwartet, dass ihr der Neustart nach dem Zerwürfnis mit Nightwish so schnell – und so erfolgreich – glücken würde. Schon ihr Erstling „My Winter Storm“ schoss 2007 an die Spitze der finnischen Charts, holte in mehreren Ländern Gold oder gar Platin. Seither hat sie kontinuierlich und mit Vollgas gearbeitet. An ihrer Karriere, aber auch auf anderen Baustellen. „Ich habe in letzter Zeit sehr viel für meine Stimme getan, sodass ich heute mehr Spaß am Singen habe als jemals zuvor“, verrät sie und setzt lachend hinzu: „Mittlerweile kann ich sogar mit einem Orchester auftreten, ohne davor von Albträumen geplagt zu werden.“ Sieh an, selbst eine studierte und etablierte Sopransängerin kann also noch etwas lernen. „Aber natürlich!“, bricht es aus ihr heraus. „Ich genieße die Herausforderungen, die mir die Musik jedes Mal stellt, und lerne jeden Tag etwas Neues hinzu.“ Das gibt sie direkt an ihre Fans weiter, sozusagen, indem sie sich auf jedem weiteren Album innerhalb ihres eigenen Kosmos neu erfindet. „Meine Fans sind loyal, sie wissen, dass ich sie immer wieder aufs Neue fordern werde. Ich möchte mich stetig erneuern, und das wissen sie. Mehr noch: Sie akzeptieren und erwarten es sogar.“ Mit „The Shadow Self“ gilt es jetzt, das bislang aggressivste Album ihrer bisherigen Karriere zu goutieren. Wie es dazu kam, kann die 38-Jährige schnell erklären. „Mir schwebte schon lange vor, mal ein Album zu machen, das die rohe Energie meiner Liveshows einfängt. Diese Energie brauche ich, um die Show durchzustehen, und diese Energie hatten wir diesmal auch im Studio.“ Das ist natürlich deutlich schwerer als auf einer Bühne. Immerhin fehlt im oftmals sterilen, drögen Studioumfeld das Publikum, das den Künstler anfeuert, das ihn trägt. „Wir gaben uns also wirklich Mühe, um auch bei den Aufnahmen Hintern zu treten“, lacht sie – und kann mit dem Resultat durchaus zufrieden sein. Die rohe, harte Seite der Gitarren/Bass/SchlagzeugFraktion ist aber nur die eine Seite. Auch hinsichtlich der Orchestrierung und der Themen ist „The Shadow Self“ dunkler als die bisherigen Werke. „Die Themen von „The Brightest Void“ und „The Shadow Self“ sind zunächst mal dieselben: Die Gegensätzlichkeiten des Lebens. Liebe und Hass, Himmel und Hölle, positiv und negativ, Schatten und Licht, Yin und Yang“, setzt sie zur Erklärung an. „The Brightest Void“ ist eher leichter und „The Shadow Self“ ein sehr persönlicher, sehr dunkler Trip in mein Innerstes. Jedes Licht wirft einen Schatten, das sieht man auch in uns Menschen. Ich erachte mich als sehr positiven Mensch, lache viel und unterhalte mich gern, jedoch gibt es auch eine Dunkelheit in mir, die alles Melancholische genießt.“ Das fördert einige der bewegendsten, aber auch gespenstischsten Momente ihrer bisherigen Laufbahn zutage und kann zudem mit einer bislang unerreichten Harmonie zwischen Rock und Klassik glänzen. Das hört die in Argentinien lebende Künstlerin besonders gern. „Seit Jahren zerbreche ich mir den Kopf darüber, wie man diese beiden Soundwelten in der Produktion und im Mix am besten unter einen Hut bringt, ohne einem von beiden die Schau zu stehlen“, stöhnt sie beim Gedanken daran. „Ich strebte immer schon eine Harmonie an und wollte nie diesen Soundwall, aus dem man nichts heraushören kann. Bei mir erfüllt jedes Instrument einen Zweck, spielt eine besondere Rolle, und deshalb muss es auch gebührend gewürdigt werden.“ Was auch immer sie also diesmal anders gemacht hat: Es war die richtige Entscheidung.

Erscheint 5.8. TARJA The Shadow Self earMusic/tba

bs. Licht und Schatten, Tag und Nacht. Dualitäten wie diese bestimmen unsere Existenz, lenken unsere Schritte, machen uns aus. Finnlands Rock-Diva Tarja weiß, dass es keinen Sommer ohne Winter geben kann, dass auf jedes Jammertal ein Gipfel der Erlösung folgt. Deshalb widmet sie dieser Thematik mit ihrem neuen Album „The Shadow Self“ sowie dem vorausgegangen Prequel „The Brightest Void“ gleich zwei Alben. Das Hellere, Freundlichere davon ist eindeutig „The Brightest Void“. Auf „The Shadow Self“ setzt sich Tarja bewusst mit der Schattenseite auseinander. Nur richtig also, dass sie das bisher düsterste und härteste Material ihrer Solokarriere präsentiert – sinfonisch, mystisch und voller geisterhafter Schatten. Besser denn je glückt ihr die Verschmelzung von Rock und Orchester, erstmals erhält jedes Stilmittel den nötigen Raum, um zu atmen, um sich zu entfalten. Im Opener „Innocence“ sind das ausgedehnte, kaskadierende Piano-Passagen, bei „Demon In You“ dank Arch-Enemy-Sängerin Alissa White-Gluz diabolische Grunts, bei „Love To Hate“ sakrale Gesangsabschnitte. Es ist alles da, was Tarja jemals ausgezeichnet hat. Nur irgendwie runder, stimmiger, nachvollziehbarer als jemals zuvor. Ganz nebenbei sorgt sie mit ihrer Darbietung des Muse-Songs „Supremacy“ für eine kongeniale Interpretation. Dass diese stilistische Nähe zuvor nie aufgefallen war...


Studio Report

Mit der knapp 50-jährigen Karriere, den bahnbrechenden und wegweisenden 70er Alben inkl. dem bis heute als bestes Live-Album der gesamten Rockgeschichte angesehenen „Made In Japan“ haben es die Briten nun im April 2016 endlich auch geschafft in die Rock'n'Roll Of Fame aufgenommen zu werden. Auch wenn sie es schon lange verdient hätten sich auf den Lorbeeren ihre Erfolgs auszuruhen, Ian Gillan und seine Jungs lassen nicht locker und rocken auch im Rentenalter unaufhörlich die weltweiten Bühnen. Nach dem Album „Now What?!“ (2013), mit dem die Briten wieder dieTopPositionen einiger europäischen Charts eroberten, waren bzw. sind Deep Purple bereits wieder voll mit der Produktion eines neuen Longplayers beschäftigt. Bassist Roger Glover liess TRACKS exklusiv bei den Aufnahmen hinter die gehüteten Aufnahmessessions blicken. Fotos: Roger Glover hh. Wie auch beim gefeierten und für viele Fans besten Album seit langer Zeit „Now What?!“ hat sich Produzentenlegende Bob Ezrin (u.a. Kiss, Alice Cooper, Pink Floyd) wieder den Briten angeschlossen, um den Nachfolger einzuspielen. Ezrin war fürwahr ein echter Glücksgriff bzw. die beste Entscheidung, denn er verstand es meisterhaft, den alten Spirit der Anfangstage von Purple in die heutige Zeit zu transportieren. So darf man an das kommende, bislang unbetitelte neue Album des Briten-Fünfers durchaus wieder hohe Erwartungen stellen. Und so viel sei schon mal verraten, die neuen Songs, in die Roger Glover TRACKS exklusiv reinhören liess, haben es wieder in sich. Dabei waren zu diesem Zeitpunkt noch keine Gesänge aufgenommen und Glover's Session-Aufnahmen waren sehr rohe Übungsmischungen. Aber auch schon hier drang der einzigartige Purple-Geist aus jeder Note.

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TRACKING ROOM, Nashville


Gestartet wurden die Arbeiten wie bei DP üblich mit Jam-Sessions. Die fanden bereits im Februar 2015 in Bottrop im deutschen Ruhrpott statt, wo sich die Band 9 Tage lang in einer Halle verbarrikadierte und neue Songideen auslotete. „Wir haben schon immer so gearbeitet. Wenn wir uns zu Pre-ProductionSessions treffen, gibt es keine fertigen Songs. Höchstens ein paar Riff-Ideen,“ erklärt Roger Glover, „die werden dort ein wenig in Struktur gebracht, es kristallisieren sich aber bereits ein paar Arrangements heraus.“ Ein knappes Jahr später, im Januar 2016, traf man sich dann in Nashville im „Tracking Room“ mit Produzent Bob Ezrin, wo auch „Now What?!“ entstand. In zwei Wochen wurden hier die groben Songstrukturen in die richtigen Bahnen gebracht und es entstanden vierzehn neue Songs, die praktisch ausnahmslos live im Studio eingespielt wurden. Ob die allerdings alle auf dem neuen Album verewigt werden, ist derzeit noch unklar – wie überhaupt der Release des Albums wie auch

BOB EZRIN

STEVE MORSE, BOB EZRIN, IAN GILLAN

DON AIREY

der Titel noch in den Sternen stehen – aber der Veröffentlichungs-Termin ist noch für dieses Jahr vorgesehen. Erstaunlich an der Arbeitsweise von Deep Purple ist, dass zum Zeitpunkt der Studioaufnahmen noch keine feste Gesangslinien existieren, höchstens ein paar Ideen. Gillan nimmt nach Abschluss der Sessions die fertigen Songs in der Instrumental-Version mit nach Hause nach Portugal, wo er dann zusammen mit Roger Glover an den Texten arbeitet. Ende April ging es dann zur Feier der Aufnahme in die Rock'n'Roll Hall Of Fame zurück in die Staaten, und im Anschluss daran trafen sich Gillan und Glover mit Bob Ezrin im kanadischen Toronto, um zwei Wochen lang dort den Gesang aufzunehmen. Wann dann der finale Mix des Albums gefertigt wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest – wird aber voraussichtlich diesen Sommer erfolgen, denn der Release des neuen Albums sollte nach Möglichkeit im Spätherbst 2016 sein.

ROGER GLOVER bei IAN GILLAN in Portugal

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Die Rückkehr der räudigen Sieben

bs. Wer sein neues Album mit einem Kracher wie „Störtebeker“ eröffnet, hat leichtes Spiel. Lange gab es nicht mehr eine derart ikonische In-Extremo-Hymne, ein prächtiges Stück Mittelalterrock mit bratenden Gitarren, furiosen Sackpfeifen und einem Thema, das besser zu In Extremo passt als die gern zitierte Faust aufs Auge: Der Robin Hood der Meere, der die reichen Schiffe kaperte, um den Armen zu geben – regelrecht unverständlich, dass die Berliner erst nach satten 20 Jahren Bandgeschichte darauf kamen. „Frag uns mal!“, meint Michael Rhein augenzwinkernd bei einem ausgedehnten Interview in einem Münchener Büro. „Wir konnten kaum glauben, dass dieses Thema bislang tatsächlich an uns vorbei gegangen war.“ Na, besser spät als nie. Zumal die Zeit mal wieder reif war für

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eine Hymne wie „Spielmannsfluch“ oder „Vollmond“, ein von der ersten Sekunde zündender Song, der auch live für Furore sorgen wird. „Warte mal ab, bis wir den auf den Festivals spielen“, so der Sänger und Bandgründer weiter. „Ich sehe schon die Staubwolke vor meinem inneren Auge.“ Die letzten Staubwolken, sie sind noch gar nicht so lange her. Vergangenen September feierten die Spielmänner den 20. Bandgeburtstag im denkbar großen Stil – zwei Tage lang auf der Freilichtbühne Loreley am Rhein, mit vielen musikalischen Gästen, speziellen Setlists, einem Mittelaltermarkt und tausenden begeisterten Fans. „Dieses Festival gab uns allen unglaublichen Aufwind“, blickt Micha mit glänzenden Augen zurück. „Die Fans, die anderen Bands, der Mittelaltermarkt, alles hat gepasst. Es war ein


Die größte Mittelalerrock-Band der Welt wird nicht müde. Gerade erst, so scheint es, sind die letzten Töne des Jubiläumsfestivals zum 20. Geburtstag verklungen, da kündigt sich schon das nächste Donnerwetter an. „Quid Pro Quo“, so der vielsagende Name des neuen Albums, ist so etwas wie die zeitgemäße Quintessenz dieser zwei Dekaden – laut, wild, unbeugsam – und deutlich mittelalterlicher als zuletzt.

zweitägiges Fest, das uns mal wieder sehr deutlich gezeigt hat, wie gut wir es eigentlich haben.“ Gefeiert haben In Extremo unter dem Namen „20 wahre Jahre“. Große Worte, die durchaus den Tatsachen entsprechen, wenn man sich die Karriere der Band mal genauer vor Augen führt. Verbiegen ließ man sich trotz großer Erfolge nie, stets gegeben waren Bodenhaftung und Bescheidenheit, auch der Draht zur Basis riss nie ab. „Natürlich gab es immer mal wieder Momente, an denen es nicht leicht war oder an denen man den Arsch zusammenkneifen musste“, so Micha, „doch wir können jetzt nach 20 Jahren wirklich sagen, dass wir uns nie verbogen haben.“ Lead-Gitarrist Sebastian Lange ergänzt seinen Kollegen: „Als ich 2000 zur Band kam, waren die Konzerte voller Besucher mit T-Shirts, auf denen sich unleserliche

Bandnamen befanden. Das hat sich mittlerweile stark geändert, aber die unleserlichen Bandnamen gibt es eben immer noch.“ Den Wind vom Jubiläumsfestival noch im Rücken, legen In Extremo mit „Quid Pro Quo“ jetzt ihr zwölftes Werk vor – ein Werk mit einer dennoch nicht gerade leichten Entstehungsgeschichte: Am 23. Dezember 2015 brannte der neue Proberaum der Band in Berlin-Pankow ab – gerade mal einen Tag, nachdem sie ihn bezogen hatten. „Das war natürlich große Scheiße“, so Michas trockenes Urteil. „Schuld daran war wohl der Nachbar direkt nebenan. Glück im Unglück war, dass wir erst einen Tag zuvor dort eingezogen sind und noch gar nicht alles ausgepackt oder rübergeschafft hatten. Wären die Mittelalterinstrumente

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schon dort drin gewesen, wären sie entweder durchs Feuer oder durch den Löschschaum zerstört worden.“ So kam die Band mit einem blauen Auge davon. Klar, Weihnachten war mehr oder weniger gelaufen – „aber immerhin wurde niemand verletzt“, betont Schlagzeuger Florian Speckhardt ganz richtig. Umso erstaunlicher, dass „Quid Pro Quo“ dennoch so rasch fertig geworden, vor allem aber so stark geworden ist. Er nickt: „Wir hatten eben trotzdem alle total Bock auf dieses Album und haben diesmal sogar mehr als jemals zuvor gemeinsam an den Songs und den Lyrics gearbeitet.“ Micha pflichtet ihm bei: „Das kam in der Vergangenheit zwar auch schon mal vor, aber nicht in diesem Ausmaß. Diesmal war es teilweise wirklich die gesamte Band, die an der Entstehung schon dort drin gewesen, wären sie entweder durchs Feuer oder durch den Löschschaum zerstört worden.“ So kam die Band mit einem blauen Auge davon. Klar, Weihnachten war mehr oder weniger gelaufen – „aber immerhin wurde niemand verletzt“, betont Schlagzeuger Florian Speckhardt ganz richtig. Umso erstaunlicher, dass „Quid Pro Quo“ dennoch so rasch fertig geworden, vor allem aber so stark geworden ist. Er nickt: „Wir hatten eben trotzdem alle total Bock auf dieses Album und haben diesmal sogar mehr als jemals zuvor gemeinsam an den Songs und den Lyrics gearbeitet.“ Micha pflichtet ihm bei: „Das kam in der Vergangenheit zwar auch schon mal vor, aber nicht in diesem Ausmaß. Diesmal war es teilweise wirklich die gesamte Band, die an der Entstehung eines Stückes mitwirkte.“ Das könnte natürlich durchaus der Grund sein, weshalb „Quid Pro Quo“ wie ein archetypisches In-Extremo-Album nach den Vorgaben von 2016 wirkt. Er ist wieder voll da, dieser Zauber, der vor allem die ersten Mittelalterrock-Werke umwehte. „Siehste, und genau das wollten wir auch erreichen!“, freut sich der Sänger mit der Berliner Schnauze. „Wir wollten einfach mal wieder ein Album, das durch und durch wir sind.“ Zudem schöpfen die Sieben ihre Klangpalette deutlich mehr aus, einige Elemente, darunter im beinharten Titeltrack, gehören da locker zu den aggressivsten, die es bisher bei der Band zu hören gab. „Nee, findste echt?“, meint Micha dazu. „Ich würde ja sagen, wir waren früher schon mal härter.“ Schlagzeuger Specki sieht das anders: So hart wie diesmal waren wir noch nie, das ist ja beinahe thrashig.“ Liegt auch daran, erzählt er weiter, dass mehr als einmal der erste Take im Proberaum genommen wurde, weil er so roh und druckvoll klang. „Warum tausendmal neu spielen, wenn es schon beim ersten Mal geil klang?“, so seine berechtigte Frage dazu. Es ist unschwer zu erkennen, dass eine Menge frischer Wind durch die Köpfe der Bandmitglieder und durch das Album weht.

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Ja, da erweist man sogar seinen punkigen Wurzeln die Ehre, indem man im Titeltrack das Geben und Nehmen unserer Gesellschaft an den Pranger stellt. „Wir sind keine politische Band, und werden das auch nicht, aber manche Dinge regen uns eben so sehr auf, dass wir einfach das Maul nicht halten können“, so Michas Statement dazu. Der Sänger betont, dass In Extremo keine politische Band waren, sind oder sein werden. „Manche Dinge müssen aber einfach gesagt werden. Auch wenn danach wieder gelacht und getrunken wird.“ Natürlich ist auch eine Karriere wie die von In Extremo auf dem Prinzip von Geben und Nehmen, das ist den Künstlern klar. „Es geht uns ja auch eher darum, dass jeder nur noch dann etwas gibt, wenn er auch was zurückbekommt. Nichts ist mehr umsonst, jeder erwartet eine Gegenleistung. Das ist doch zum Kotzen.“ Dreh- und Angelpunkt sind und bleiben aber der Schalk im Nacken, der Kneipenabend, die Freiheit und die Melancholie des Zechers beim Kater am nächsten Morgen. Klar, dass da auch eine Menge Gastsänger Bock drauf haben. Diesmal mit dabei: Marcus Bischoff von Heaven Shall Burn und Hansi Kürsch von Blind Guardian – beides Ikonen auf ihrem Gebiet, die ihre ganz eigene Note beizutragen wissen. „Ich fand es total irre, als Hansi im Studio meinte, dass er noch nie auf Deutsch gesungen hat. Das muss man sich mal vorstellen!“, lacht Micha, dem die Freude über das neue Werk seiner Truppe deutlich anzumerken ist. Liegt vielleicht auch daran, dass In Extremo diesmal Russland eine besondere Ehre erweisen – in Form der Stücke „Roter Stern“ und „Schwarzer Rabe“, aber auch durch den Original Moskauer Kosakenchor. „Russland ist für mich wie ein Stück Heimat, weil ich es seit der Kindheit kenne“, gibt Micha Rhein preis. „Die Erlebnisse, durch Russland zu reisen, sind unvergesslich. Diese Weite, diese Melancholie, diese Monumentalität. Du fährst mit dem Zug durch die Einsamkeit, kommst an einen See, der wahrscheinlich so groß wie München ist, und siehst plötzlich hunderte Zelte auf dem Eis stehen – Zelte von Eisfischers, die hier draußen in der Kälte und Leere ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das sind Bilder, die du nicht vergisst.“ Dank Alben wie „Quid pro Quo“ können auch wir daran teilhaben.

LIVE 20. Oktober 2016 Zürich, Komplex 457

Tickets gewinnen Seite 62



Dunkle Wolken über Kanada Es musste ja so kommen. Schlagzeuger Aaron Solowoniuk räumt gesundheitsbedingt den Drumschemel bei Kaliforniens PunkrockGiganten Billy Talent. Die lassen sich nicht unterkriegen und melden sich erwartet lautstark mit „Afraid Of Heights“ zurück. Dennoch fiel ihnen keine Entscheidung in der bisherigen Karriere so schwer.

bs. Wenige Bands von der Größenordnung Billy Talents bestehen seit dem ersten Tag in derselben Besetzung. Vier gegen den Rest der Welt, so das Credo von Benjamin Kowalewicz, Ian D'Sa, Jonathan Gallant und Aaron Solowoniuk, das die Kanadier in den letzten 13 Jahren ganz nach oben brachte. Vier Alben umfasste ihr Punkrock-Siegeszug, eine märchenhafte Geschichte von Erfolg, Freundschaft und zündenden Hymnen. Doch es war ihnen nicht vergönnt, dauerhaft glücklich zu sein. Schlagzeuger Aaron erkrankte an MS, mal ging es ihm besser, mal schlechter, Anfang des Jahres dann die Hiobsbotschaft. Aaron musste die Band verlassen, um zu pausieren und sich um seine Gesundheit zu kümmern. Eine Rückkehr ist nach aktuellem Stand zumindest fraglich. Und Billy Talent? Standen vor der schwersten Entscheidung ihrer Karriere. „Als es mit Aarons Gesundheit bergab ging, zogen dunkle Wolken für uns auf“, gibt ein ernster Jonathan Gallant offen zu. „Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Das Album war im Grunde fertig geschrieben, die Texte standen, die Drums waren programmiert, aber nicht aufgenommen. Wir standen kurz davor, ins Studio zu gehen, als er die Band verlassen musste.“ Die Band musste also entscheiden, ob die bereits recht lange vierjährige Pause noch um ein weiteres Jahr verlängert werden sollte – in der Hoffnung, Aaron würde es bis dahin besser gehen. „Am Ende jedoch“, so der Basser, „war es Aaron, der uns beschwor, ohne ihn weiterzumachen. Er wollte wirklich, dass wir dieses Album aufnehmen und veröffentlichen.“ So war es entschieden, „Afraid Of Heights“ wurde ohne ihn aufgenommen. Zwar betont Jonathan, dass Aaron weiterhin ein Teil von Billy Talent sei, der in viele Prozesse eingebunden ist. Faktisch sitzt mit Jordan Hastings (Alexisonfire) aber eben ein anderer Mann hinter der Schießbude. Leicht waren die Aufnahmen somit also bestimmt nicht. „Wir stecken immer noch mittendrin in unseren Problemen, doch gerade deswegen tut es so gut, jetzt mit diesem Album zurückzukehren“, ist sich der Bassist sicher. „Für mich ist dieses Album ein Meisterwerk und ein Zeugnis unseres Willens, mit starken Songs, die eine deutliche Sprache stecken.“ Für ihn und den Rest der Band ist Jordan ein regelrechter Glücksfall gewesen – und so ganz nebenbei der einzige Kandidat, der überhaupt für den Posten in Frage kam. „Jordan verstand die Situation sofort und machte es uns wirklich sehr leicht. Selbst ich, der in der Band am meisten Zeit mit Aaron verbringt und mit dem ich auf Tour immer meine Spielchen durchgezogen habe, fühle mich sofort sehr wohl mit ihm in der Band.“ „Afraid Of Heights“ ist deswegen vielleicht kein Seelenstriptease

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geworden, aber doch ein streckenweise düsteres und nachdenkliches Album, das die Schatten widerspiegelt, die die Band erst mal hinter sich lassen musste. „Wenn ich das Album höre, sehe ich die Reise, die wir hinter uns haben. Ich höre Mitgefühl, Ausdauer und Mut, höre aber auch andere Menschen als die, die wir heute sind“, äußerst sich Jonathan. „Themen wie Empathie und Veränderung kommen nicht das erste Mal bei uns vor, wurden aber noch nie derart offen und schonungslos behandelt.“ Wie der Albumtitel schon besagt, besingen die Kanadier die kleinen und großen Ängste des Alltags, kleiden unsere Kämpfe gegen sie in kraftvolle, dickköpfige und letzten Endes triumphierende Songs zwischen Rock, Alternative und Punk. Reifer klingt das, essentieller. Aber auch überzeugender. Und noch mehr auf den Punkt gespielt. „Die neue Situation sorgte dafür, dass Ian, der das Album wieder produzierte, noch achtsamer an die Musik heranging, weil er sich auf einen neuen Schlagzeuger einstellen musste. Wir waren alle konzentrierter und aufmerksamer, was dem Album meiner Meinung nach wirklich gut getan hat.“ Es war, soviel steht jetzt fest, die richtige Entscheidung, den Ängsten, Zweifeln und Unsicherheiten offen zu begegnen. „Afraid Of Heights“ ist dadurch nicht nur ein willkommenes Billy-TalentComeback, sondern auch ein gutes Beispiel dafür, wie wir den Ängsten dieser Welt begegnen können. „Mit gutem Beispiel vorangehen und einfach ein guter Mensch sein, der sich nicht von den Schreckensmeldungen unterkriegen lässt. Höflich sein, die Tür aufhalten, anderen Menschen helfen, gegen Trump sein. Wenn jeder versuchen würde, ein wenig besser zu sein, wäre das doch ein toller Anfang.“

BILLY TALENT

Erscheint 29.7.

Afraid Of Heights Warner bs. In diesem Album steckt alles, was Billy Talent in den vier Jahren seit „Dead Silence“ zugesetzt hat. Der krankheitsbedingte Ausstieg ihres Schlagzeugers Aaron Solowoniuk, die daraus resultierende Krise, der Rechtsruck in Europa, die gefährliche Idiotie eines Donald Trump... eigentlich seltsam, dass „Afraid Of Heights“ bei all diesen unschönen Dingen kein finsteres Metal-Album geworden ist. Dennoch hört man den Kanadiern ihre Wunden, Ängste und Kämpfe an. Es gibt sie immer noch, die explosiven Punkrock-Hymnen. Sie stehen jedoch einer Menge ernster, wichtiger und genau deswegen packender Songs gegenüber, die bisweilen an eine bessere Variante von Green Day erinnern und bei Tracks wie „This Is Our War“ zu einigen der größten Momente der Karriere werden. „Afraid Of Heights“ ist Unterhaltung und Katharsis in einem. Billy Talent haben erfreulicherweise nicht aufgegeben, haben weitergekämpft. Und belohnen sich und den Rest der Welt jetzt mit einem Comeback nach Maß.


DVD/BluRay DORO Strong And Proud - 30 Years Of Rock And Metal Nuclear Blast mv. Doro, die deutsche Metal Queen schlechthin, muss sicher niemandem mehr vorgestellt werden. In der Metal- wie auch Rockszene weltweit ist die Blondine mittlerweilen überall bekannt und beliebter denn je. Und nun gab es für Doro wieder einmal ein grosses Jubiläum zu feiern, sie steht nämlich bereits seit satten drei Jahrzehnten auf den Bühnen dieser Welt. Dies wurde mehr als würdig monatelang gefeiert (mittels einer grossen Tour und einer gigantischen Wacken Open Air-Show). Klar, dass man dieses Ereignis für die Ewigkeit festgehalten hat und die Auswertung liegt nun vor und wird die Doro-Fans weltweit begeistern. Denn es gibt reichlich Material auf den 3 DVDs zu bewundern. In mehr als sieben Stunden gibt es drei völlig unterschiedliche Konzerte zu sehen. Da gab es natürlich die riesige Wacken Open Air-Show, welche auf einer eigenkonzipierten Bühne mit tonnenweise Gästen und vielen Showelementen ein echtes Highlight für Doro und die Band wurde. Der Sound und die Bildqualität ist hervorragend, die Spielfreude auf der Bühne begeistert nun auch zuhause vor dem Bildschirm und Gäste wie Phil Campbell (Motörhead), Joakim Broden (Sabaton) oder Chris Boltendahl (Grave Digger) runden das Ganze perfekt ab. Dazu gibt es noch die Jubiläumskonzerte aus Düsseldorf vor ausverkauftem, total begeistertem Publikum zu sehen. An zwei Abenden ging es einmal mit 40-köpfigem Klassik-Orchester und einmal in der puren Heavy Metal-Variante mit mächtig Power ab. Und natürlich auch wieder mit vielen Gästen wie Biff Byford (Saxon),

Blaze Bayley (ex-Iron Maiden, Udo Dirkschneider, Hansi Kürsch (Blind Guardian) oder Sabina Classen (Holy Moses). Die bärenstarken Setlists liessen kaum etwas zu wünschen übrig und enthalten neben den wichtigsten Doro-Songs auch unzählige Warlock-Klassiker und coole Coverversionen (z.B. „Princess Of The Dawn“, „Fear Of The Dark“ oder „Denim And Leather“). Und das Ganze natürlich auch hier mit wirklich super Sound, Licht und Bild. Das perfekt passende Coverartwork zu diesem Package wurde übrigens erneut von Doro‘s Lieblingskünstler Geoffrey Gillespie gemalt und ist genial worden. Als wäre das alles noch nicht genug, gibt es als Highlight dieses DVD-Pakets eine fast zweieinhalbstündige Dokumentation namens „Behind The Curtain: Inside The Heart Of Doro“. Ein Musikfilm, der den Fan mitnimmt hinter die Bühnen, auf Tour und immer ganz nah zu Doro und ihrer Band. Wer also schon immer mal tiefe Einblicke hinter die Kulissen von Doro und der ganzen Band/Tour-Maschinerie wollte, wird hier bestens bedient. Es zeigt sich dabei einmal mehr, dass Doro in diesem Business absolut einzigartig und einfach liebenswert ist. Und man spürt das Herzblut, dass Doro in diesen Film und die DVDs gesteckt hat. Deshalb unbedingte Kaufempfehlung!


Die Niederlande bieten vielen guten Dingen ein Zuhause: Tulpen, Gouda, Fahrrädern und Musik, um nur einige zu nennen. Vor allem die Musik hat gerade im symphonischen Metalbereich in Form von Within Temptation, Epica und Delain internationales Aufsehen erregt und drei der besten Bands des Genres gestellt. Delain feiern in diesem Jahr ihren zehnten Geburtstag und tun dies in verschiedenen Varianten, wie Frontfrau Charlotte Wessels TRACKS verrät. ip. Die Verbindung von Delain zu einer bestimmten Band aus demselben Genre wird offensichtlich, wenn man ungefähr 15 Jahre in der Zeit zurückreist. Martijn Westerholt spielte damals als Keyboarder bei Within Temptation, die sein Bruder gegründet hatte. 2001 musste er die Band aufgrund einer Krankheit verlassen und begann ein Jahr später damit, am Vorgänger von Delain zu arbeiten. Zusammen mit Charlotte Wessels und einem äusserst illustren Haufen an skandinavischen Symphonic-Koryphäen wie Marco Hietala (Nightwish), Liv Christine (Leave's Eyes) und Musikern von Epica, Orphanage und God Dethroned wurde 2006 das Debut „Lucidity“ aufgenommen und veröffentlicht und seitdem hat sich Delain einen verdienten Platz in den Reihen der Symphonic-Metalbands erspielt. Diese Konstellation fordert nun natürlich diverse Vergleiche mit bereits genannten Bands heraus, aber Charlotte hält sich so gut wie möglich davon fern: „Ich mag all die anderen Bands sehr gerne und wir sehen uns als Kollegen und Freunde, nicht als Konkurrenz. Das gilt auch für mich als Sängerin. Es gibt immer Leute, die besser oder schlechter sind als man selbst. Ich denke, es ist wichtig, dass man sich Kritik nicht zu sehr zu Herzen nimmt und genauso wenig sollte einem das Lob zu Kopf steigen.“ Vergleiche mit ähnlichen Acts sind eine Sache. Sich

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gegenüber den anderen Bands auch zu behaupten, ist etwas ganz anderes. Delain gelingt das einerseits mit sehr eingängigen, fast schon poppig-schlichten Arrangements, die für oft sehr beladene Symphonic-Songs eher aussergewöhnlich sind, was aber auch einen einfachen Zugang zu ihrer Musik ermöglicht. „Auch unsere Texte unterscheiden sich von denen anderer Symphonic-Bands, die oft Fantasygeschichten vertonen“, erklärt Wessels, „denn bei uns geht es meistens um Themen, die im Hier und Jetzt passieren. Ich glaube, damit können sich die Hörer ganz gut identifizieren.“ Ihren Geburtstag feiern Delain mit einer Reihe an Projekten, die über das Jahr verteilt werden. Neben der „Lunar Prelude“-EP und dem neuen Album ist eine spezielle Show im Dezember geplant, die das Jubeljahr gebührend abschliessen soll. Diese Show im Paradiso in Amsterdam wird für eine später erscheinende DVD/Bluray gefilmt und ebenfalls als sämtliche gängige Audioformate erhältlich sein. Den Weg zu dieser Show will die Band als Videotagebuch dokumentieren und Häppchenweise über pledgemusic.com und dann auch auf der DVD veröffentlichen. „Wir wollen unsere Fans an den Vorbereitungen für die Birthday Show im Dezember und an der Tour im Sommer teilhaben lassen. Ob das alles gesittet abläuft oder in völligem Chaos endet, werden wir dann sehen“, lacht


Wessels und fügt kryptisch hinzu: „Alles verraten wir aber noch nicht, ein bisschen was bleibt vorerst noch als Überraschung bei uns.“ Auf die Frage, ob sich in diesen zehn Jahren rückblickend irgendwelche Skandale oder Anekdoten angesammelt haben, erzählt die Sängerin eine schmerzhafte Geschichte über ihren Bassisten: „Die Story, die uns am meisten Boulevardpresse gebracht hat, war wohl die, als sich Otto einen Hodenriss zugezogen hat. Wir spielten in Birmingham und er stand zu nah an einer unserer Konfettikanonen.“ Der Bassist selbst beschrieb den Unfall damals in allen schauderhaften Details und wer sich das genauer durchlesen möchte, darf sich gerne anhand entsprechender Stichworte dazu durchgooglen. Nichts für schwache Nerven... Auf das neue Album angesprochen sagt Wessels, dass auch dieses von verschiedenen Geschichten und Büchern inspiriert worden sei, ähnlich dem Vorgänger „Lilith's Brood“. Für die neue Platte habe sie vor allem die Figur Death aus dem Sandman-Comic von Neil Gaiman inspiriert, da dieser Charakter im Gegensatz zu gängigen Schnitterpersonifizierungen kein Gerippe im Umhang, sondern ein junges Mädchen im Gothic-Look ist. „Vor allem hat aber ein bestimmtes Filmscript eine grosse Rolle gespielt“, gibt die Sängerin preis, schliesst den kurz beiseite geschobenen Vorhang aber gleich wieder und sagt geheimnisvoll: „Genaueres dazu verraten wir erst kurz vor dem Erscheinungsdatum.“ Das neue Werk wurde auch wieder von Band-Mastermind Martijn Westerholt produziert. Den Vorteil darin beschreibt Wessels damit, dass alle Entscheidungen, die den Sound, die Arrangements oder das Songwriting betreffen, innerhalb der Band getroffen werden können und damit vollkommen frei sind. Auch betont sie, dass Westerholt fantastische Arbeit geleistet habe, wenn man bedenke, dass er nicht nur als Musiker und Songwriter, sondern eben auch als Produzent beteiligt war.

Delain starteten ursprünglich als feste Einheit aus Wessels und Westerholt. Diese Einheit wurde mit wechselnden Gastmusikern und Duettpartnern ergänzt und hat sich mittlerweile zu einer festen Band zusammengeschlossen. Daher sind alle beteiligten Musiker auch mitspracheberechtigt und arbeiten am Songwriting mit. Insofern ist die nahe Zukunft, sprich die nächsten sechs Monate bis zum Jubiläumskonzert, für alle Bandmitglieder vollgepackt mit einer Menge an «Es gibt immer Leute, die besser oder spannungsreichen schlechter sind als man selbst.» Momenten. Die gleiche Spannung dürfte den Fan gepackt haben, denn gerade für ihn werden die nächsten Wochen und Monate einige Überraschungen bereithalten. Als nächstes dürfte der Release des neuen Albums auf dem Plan stehen und auf der darauffolgenden Tour machen Delain auch in der Schweiz halt. Tickets sichern ist somit Pflicht für alle Freunde des Symphonic Metals, aber auch für diejenigen, die vielleicht vor härteren Tönen bislang zurückgeschreckt sind, weil Delain einen guten Zugang ins Genre bieten.

LIVE 30.10.2016 Pratteln, Z7


REVIEWS Hard/Heavy/Metal PHANTOM 5 Phantom 5 Frontiers Records mv. Phantom 5, so nennt sich das brandneue „German“-Allstar-Projekt aus dem Hause Frontiers Records. Die Besetzung mit ExBonfire Sänger Claus Lessmann, Tausendsassa Michael Voss (u.a. Casanova, Mad Max, Bonfire) an der Gitarre zusammen mit Robby Boebel (Frontline), Ex-Scorpions Bassist Francis Buchholz sowie Axel Kruse (Jaded Heart) am Schlagzeug klingt jedenfalls extrem vielversprechend. Und schon der Opener „All The Way“ macht sofort klar, dass die hohen Erwartungen erfüllt werden und Phantom 5 alle Freunde des melodischen deutschen Hard Rocks begeistern werden. Das darauf folgende „Blue Dog“ ist eine feine AOR-Hymne mit viel 80er Jahre-Touch, welche mitreisst und dem Hörer ein fettes Grinsen ins Gesicht zaubert. Nicht nur aufgrund des markanten Gesangs von Claus Lessmann klingen Phantom 5 nach alten Bonfire, das Songwriting wurde wohl bewusst in diese Richtung geleitet und beim Song „Don’t Touch The Night“ gibt’s dann auch eine glasklare Bonfire-Hommage. Weitere Highlights gibt’s mit dem Ohrwurm „Someday“ und der wunderschönen, ergreifenden Ballade „Since You’re Gone“. Ein Fest für Fans der alten Bonfire ! Auch die übrigen Songs sind nur unwesentlich schwächer und bieten tollen, melodischen Hard Rock mit charismatischem Gesang. Phantom 5 klingen tatsächlich mehr nach Bonfire als Bonfire selbst und dürften mit Sicherheit sehr bald den Projekt-Status hinter sich lassen und eine fest Band werden.

DRIVE SHE SAID Pedal To The Metal Frontiers Records mv. Mit Drive She Said ist eine weitere 80er Jahre AORBand wieder zurück am Start. Mit dem selbstbetitelten 1989er Debüt und der 1991er Hitscheibe "Drivin‘ Wheel" machte sich die Band damals einen sehr guten Namen in der AOR-Szene. Zwar gab es 1993 noch eine Scheibe, aber danach war erstmal Schicht im Schacht (wie bei fast allen Bands dieser Stilrichtung). Das Comeback erfolgte im 2003 mit dem Album "Real Life", war allerdings nicht gerade langlebig. Satte 13 Jahre nach

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diesem letzten Werk veröffentlicht die Band um die beiden Recken Al Fritsch (Gesang/ Gitarre) und Mark Mangold (Keyboards) nun tatsächlich noch einmal ein Album. Und "Pedal To The Metal" lässt vom Titel her erstmal etwas verwirrt auf Heavy Metal statt AOR/Melodic Rock tippen. Aber keine Sorge, das neue Drive She SaidAlbum ist meilenweit vom Heavy Metal entfernt und bietet ganz im Gegenteil eine regelrechte Zeitreise in die 80er Jahre, wo Synthesizer ganz hoch im Trend waren und poppiger Hard Rock für Millionen-Umsätze und reihenweise feuchte Höschen sorgte. Tracks wie „Writing On The Wall“, „Rainbows And Hurricanes“ oder „Said It All“ sind jedenfalls todsichere Hits und bilden zusammen mit dem wunderschönen „In Your Arms“ (tolles Duett mit Fiona) die Highlights der Platte. Wer gerne mal eine ganze Wagenladung Plüsch und Keyboardsounds im Hard Rock mag, wird diese Platte lieben. Auch wenn natürlich nicht alle Songs vollends zünden und mit „IM The Nite“ sogar noch ein sehr merkwürdiges Experiment auf der Platte landete (Techno ?), „Pedal To The Metal“ macht trotzdem sehr viel Spass und ist definitiv eine Pflicht für jeden AOR-Fan.

DYNAZTY Titanic Mass Spinefarm/Caroline mv. Dynazty waren doch bis vor kurzem noch eine dieser unzähligen aufsteigenden Hard Rock/ Melodic Metal-Bands aus Schweden. Doch mit dem letzten Album „Renaturs“ (2013) änderte die Band die Richtung bereits in härtere Gefilde. Und nun ist auf dem neuen Album „Titanic Mass“ vom alten Stil der Band eigentlich nichts mehr übrig geblieben. Dynazty spielen jetzt lupenreinen europäischen Power Metal à la Hammerfall, Powerwolf oder Kamelot. Nimmt man noch die knallharte und moderne Produktion von Peter Tägtgren (Pain) dazu, dürfte auch der letzte alte Anhänger der Band sich enttäuscht abwenden. Ausser natürlich, man mag auch die erwähnten Power Metal-Bands und findet die Entwicklung von Dynazty genau richtig. Dann wird „Titanic Mass“ gut gefallen, denn mit "The Human Paradox", dem geilen Titeltrack oder „The Beast Inside“ haben die Schweden durchaus sehr starkes Material für dieses Genre zu bieten. Dazu haben die Jungs

mit Nils Molin ein weiteres Ass im Ärmel, denn der Sänger liefert hier wieder eine bestechend starke Leistung ab. Was der Scheibe etwas fehlt ist ein wenig Mut für kleinere Experimente oder Abwechslung, so klingt doch vieles mit der Zeit recht ähnlich. Ob sich Dynazty mit dem neuen Stil durchsetzen werden wird sich zeigen, einfach wird es aufgrund der Masse an Veröffentlichungen im Power Metal-Bereich sicher nicht werden.

LITA FORD Time Capsule Steamhammer/SPV mv. Lita Ford bringt nach der sehr starken „Living Like A Runaway“Platte aus dem Jahr 2012 mit „Time Capsule“ ein ganz spezielles Album auf den Markt. Nachdem die amerikanische Sängerin/Gitarristin vor kurzem ihre Autobiografie "Living Like A Runaway, A Memoir" veröffentlichte, wird nämlich nun auch auf dem neuen Album kräftig in der Vergangenheit gewühlt. Alle auf dem Album stehenden Songs sollen bereits in den glorreichen Achtzigern aufgenommen worden sein und die Aufnahmen seither unveröffentlicht vor sich hin gemodert haben. Dazu kommt, dass sich auf den Aufnahmen eine stattliche Anzahl namhafter Musiker die Ehre gaben: Billy Sheehan (Bass), Rodger Carter (Schlagzeug), Dave Navarro (Mandoline), Jeff Scott Soto (Gesang), Rick Nielsen und Robin Zander (Chorgesang) und Kiss-Frontzunge Gene Simmons (Bass). Da erstaunt es erst schon ein wenig, dass diese Platte damals nie fertiggestellt und veröffentlicht wurde. Nach einigen Durchläufen ist allerdings leider auch klar, dass die Songs zwar ganz gut, aber halt nicht an die starken Alben der damaligen Zeit herankommen. Einige Highlights des Albums sind der Opener “Where Will I Find My Heart Tonight” (tolles Balladenduett mit Jeff Scott Soto), das amtlich rockende “Black Leather Heart” sowie der Gene Simmons-Groover “Rotten To The Core”. Definitiv witzig für Szenekenner ist auch das Intro, in welchem der wütende Chris Holmes (ex-W.A.S.P. und exEhemann von Lita) auf der Suche nach seinen Autoschlüsseln ist. Dazu gibt’s auch ein paar leider zu kitschige Sachen und leicht unfertig klingende Instrumentalstücke. Zum Sound muss man sagen, dass er sehr roh gehalten ist, vermutlich

wurden die Demoaufnahmen der damaligen Zeit leider nicht zu Ende produziert, was ebenfalls schade ist. Alles in allem sicher eine interessante Sache für Die Hard-Fans der in die Jahre gekommenen Rockgöttin und für unverbesserliche 80er Jahre Nostalgiker. Alle anderen warten lieber auf das nächste reguläre Album oder eine längst fällige Europatournee.

TREAT Ghost Of Graceland Frontiers Records mv. Die Schweden Treat waren in den glorreichen 80ern mal ziemlich erfolgreich und spielten sogar einmal auf dem legendären Monsters Of Rock-Festival. Auch wenn die Band immer ein wenig im Windschatten der riesigen Europe blieb, so konnte man damals doch weltweit einiges reissen, bevor dann Anfang der 90ern Grunge die meisten Bands dieser Machart wegfegte, so auch Treat. Im Jahr 2010 erschien dann mit „Coup De Grace“ ihr langersehntes und tolles Reunionalbum und umjubelte Gigs am Sweden Rock oder Bang Your HeadFestival motivierten die Band zum Weitermachen. So liegt nun nach erneut 6 langen Jahren ein neues Album vor. Und das Warten hat sich zum Glück gelohnt, „Ghost Of Graceland“ bietet wie erhofft erstklassigen, melodischen Hard Rock mit wunderbaren Melodien, dem richtigen Gespür für gute Hooklines und fantastischen Vocals von Sänger und Gründungsmitglied Robert Ernlund. Insgesamt wirkt der Sound auf „Ghost Of Graceland“ zwar leicht moderner und anspruchsvoller als auf den alten Klassikern, aber das spricht natürlich mehr für die Band und ihre Entwicklung als Musiker. Ohrwürmer wie „Ghost Of Graceland“, "Too Late To Die Young" oder "Everything To Everyone" sowie das sich genial aufbauende “Do Your Own Stunts” werden mit Sicherheit jeden Treat-Fan glücklich machen. Nicht zu vergessen „Together Alone“, die obligatorische, wunderschöne Ballade für romantische Stunden. Die astreine Produktion unterstreicht den erstklassigen Eindruck des Albums, welches nach ein paar Durchgängen immer mehr zündet und sich entfaltet.


HIGH FIGHTER

Rolle. "Wir bewegen uns ja nicht im total traditionellen Metal-Bereich, wo das Genre tatsächlich total männerdominiert ist. Im Doom/Sludge/Stoner ist das eh kein Problem. Ich versuche, durch meine Auftritte zu überzeugen." Und das gelingt der charmanten Frontlady ohne Zweifel. Der Titel des neuen Albums "Scars & Crosses" schreit nach einer Interpretation. ""Scars & Crosses" rundet den Gesamtkontext des Albums gut ab. Inhaltlich geht es um die Aufarbeitung von Wunden aus der Vergangenheit und die Bewältigung verschiedener seelischer Narben. Im weiteren Sinne singe ich in den Songs über seelische Narben, religiöse Themen und in vielen Metaphern über Himmel und Hölle", erklärt Mona. Die Texte schreibt Mona am liebsten bei einem oder zwei Gläschen Wein und hat für das Niederschreiben ihrer Ideen immer ihren Notizblock dabei. "Sobald etwas über mich kommt oder ich ein Erlebnis habe, welches ich aufzeichnen möchte, zücke ich meinen Block." Musikalisch erachtet Mona "Scars & Crosses" als kompakter und mehr auf den Punkt gebracht als die bereits schon sehr gute EP. "Wir haben die Songs schon oft live gespielt, so dass diese auch wachsen konnten. Sie sind unter anderen Umständen entstanden als die EP, die wir bloss als Proberaum-Demo aufgenommen haben", erklärt Mona. High Fighter sind Garant für passioniert dargebotenen Metal/Sludge/Doom/Stoner. Im Juli werden High Fighter wieder auf Konzertreise sein, diesmal leider ohne Show in der Schweiz. Aber auch daran arbeitet die Band…

HIGH FIGHTER Scars & Crosses Svart Records Nachdem die Band erst Ende 2014 ihre Gründung bekanntgegeben hat, sorgten eine kurz darauf veröffentlichte EP sowie zahlreiche Shows für rasche Kenntnisnahme von High Fighter in interessierten Kreisen. Jetzt steht mit "Scars & Crosses" das erste Album der Truppe in den Regalen. TRACKS hat Sängerin Mona Miluski auf den Zahn gefühlt. lg. Dass High Fighter gleich bei Svart Records, einem bereits rechts etablierten finnischen Label untergekommen sind, überrascht etwas. "Offenbar hat den Label-Verantwortlichen unsere Arbeit gefallen. Und wir fühlen uns bei Svart sehr gut aufgehoben", erklärt Mona. Die Story von High Fighter aus Hamburg ist ja bis jetzt eine sehr erfolgreiche Angelegenheit. "Alle in der Band sind erfahren (mit Bands wie unter anderem Pyogenesis, A Million Hopes oder Buffalo Hump), weshalb wir gleich nach Bandgründung eine EP eingespielt haben. Verschiedene Shows – und insbesondere auch die Tour mit Ahab und Mammoth Storm – haben uns weiter Auftrieb gegeben. Aber es ist festzuhalten, dass wir auch viel für die Band geben. Alle Ferien gehen hierfür drauf und wir geben mächtig Gas. Dazu kommen noch unsere guten Netzwerke innerhalb der Szene". Allerdings sei es laut Mona das Wichtigste, dass man sich als Band fast wie eine Familie fühlt und der Spass definitiv im Vordergrund steht. Auf die Haupteinflüsse von High Fighter angesprochen, sprudelt es aus Mona nur so heraus: "Obwohl auch alter Blues Pate stand und unser Bassist sich auch gerne elektronische Sounds reinzieht, findet sich in unserem Sound eine grosse Ladung Metal wieder. Bands wie Down, Pantera, Black Sabbath, EyeHateGod, Crowbar oder die mächtigen Kyuss können für High Fighter als Quelle der Inspiration betrachtet werden." Nach wie vor hat es wenig Bands im härteren Musikbereich, welche mit Frontfrauen agieren. Mona gibt zu Protokoll, sich so wohl zu fühlen in ihrer

Q5 New World Order Frontiers/Musikvertrieb lg. Q5 aus Seattle konnten vor vielen Jahren zwei Duftmarken setzten: 1984 mit dem tollen HardRock Album "Steel The Light" und ein Jahr später mit dem deutlich AOR-lastigen "When the Mirror Cracks". Trotz der Bandauflösung 1991 und auch dank dem

Nachfolgeprojekt Nightshade (das es auf drei Alben brachte) blieben Q5 Musikfans in Erinnerungen. Nach ein paar Live-Auftritten unter dem Banner Q5 in den letzten Jahren haben Gitarrist Rick Pierce und Sänger

lg. Nachdem die letztjährige EP ("Goat Ritual") der Hamburger Band High Fighter sehr gut aufgenommen wurde, folgt nun mit "Scars & Crosses" das reguläre Debüt des im Doom, Stoner und Heavy Metal verwurzelten Fünfers. Der Opener „A Silver Heart“ beginnt Southern-mässig, bevor er in eine Doomwalze übergeht, die direkt aus den Sümpfen von Louisiana kommen könnte (gepaart mit einer Prise kalifornischem Wüstensand aus Palm Valley). Das darauffolgende „Darkest Days“ ist etwas weniger lavaartig (beginnt fast funkig), und überzeugt mit seinem starken Rock-Einschlag und seinem sehr harten Schluss, bei welchem sich Mona die Seele aus dem Leib schreit. Weiter groovt „The Gatekeeper“ sehr schön langsam, bevor mit „Blinders“ ein Song folgt, der ganz High Fighter ist, und in welchem schnelle und langsame Parts gut kombiniert werden. Die weiteren vier Songs des Albums gehen gleich weiter und das Album läuft sozusagen als Ganzes gut rein. Die grossen 90s Bands wie Monster Magnet, Down oder Kyuss können sicherlich als Einfluss zitiert werden, doch tut man der Band Unrecht, diese als blosse Kopie zu betrachten. Neben der gnadenlos eingespielten Band tut das variable Gesangsorgan von Frontfrau Mona Miluski sein Übriges – zwischen Gesang und selten eingesetzten krassen Growls ist da alles dabei. High Fighter haben auf „Scars & Crosses“ ein tolles Gebräu aus Doom, Stoner und Sludge geschaffen! Empfehlenswertes Album.

Jonathan K. wieder Lunte gerochen und tatsächlich ein neues Q5-Album auf die Reihe gekriegt. Auch dabei vom alten Line-Up ist Bassist Evan Sheeley. Trotz einiger guter Songs fehlen aber auf "New World Order" die dramatischen AOR-Momente von "When The Mirror Cracks" oder auch die Maiden-beeinflussten Songs des Debüts ("Lonely Lady"). Die

Songs sind teilweise im stampfigen Midtempo-Bereich gehalten und leider auch etwas austauschbar geworden. Dennoch ist "New World Order" ein recht solides Melodic-Album geworden, das eine Chance verdient hat. Anspieltipps: der Titelsong sowie "Unrequited (A Woman Of Darkness And Steel)" und "Just One Kiss".

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REVIEWS Hard/Heavy/Metal DOMINANZ Noxious NonStopMusic em. Dominanz ist eine ExtremeMetal-Band aus Bergen in Norwegen. Mit „Noxious“ legen die Skandinavier ihr zweites Album vor, das bedeutend härter und düsterer ausfällt als ihr Erstlingswerk „As I Shine“. Man hört dem Quartett eine deutliche Black-Metal-Basis an. Der Gesang ist fies und finster, wie es sich gehört, und der Grundtenor ist entsprechend dunkel, hart und brachial. Und doch sind da Industrial-Elemente, und Melodien wahrzunehmen, die sich erstaunlich gut und angenehm im Gedächtnis festkrallen. Samples, die durchaus einen künstlerischen Aspekt aufzeigen haben auf dieser Scheibe ebenso ihre Daseinsberechtigung wie auch symphonische Metal-Parts. Keyboardklänge sind demzufolge ebenfalls eingewoben worden, aber so dezent und punktuell eingesetzt, dass diese klar als eine Bereicherung und Auflockerung empfunden werden. Die Rhythmuswechsel werten „Noxious“ ebenfalls auf, weil tolle Spannungsbögen entstehen. Sogar wenige klare Gesangspassagen sind bei Dominanz möglich, die hervorragend in das Gesamtpaket passen. Die angepriesene GenreBezeichnung „Extreme Metal“ darf man effektiv nicht wörtlich nehmen, sonst werden die Erwartungen gewaltig enttäuscht. Dominanz sind mehr als Extreme-Metal-Band zu verstehen, weil sie sich erlauben zu experimentieren und verschiedene Einflüsse in ihr musikalisches Schaffen integrieren. So sind neun Tracks entstanden, die durch Vielfalt, Einfallsreichtum und Kreativität glänzen und entsprechend Spass beim Hören bereiten. Einziger Wermutstropfen: Die Produktion klingt etwas dürftig und schepprig. Da ist noch reichlich Luft nach Oben, aber ansonsten ist „Noxious“ mit seinen vielen Überraschungsmomenten, der Schwermut und der Destruktivität absolut Top!

FLOTSAM AND JETSAM Flotsam And Jetsam AFM Records mv. Eine der besten aber auch unterbewertetsten Thrash/Speed Metal-Combos

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überhaupt ist endlich wieder mit neuem Material am Start und wird mit dem neuen, selbstbewusst betitelten Album hoffentlich für Furore in der Szene sorgen. Nach den wirklich grandiosen Liveshows der letzten Jahre konnte man sich mehr als freuen auf neues Studiomaterial von Arizona’s finest und tatsächlich hat die Band den Schwung und die Energie ihrer Liveshows diesmal auf Band festhalten können. Schon das Eröffnungsdoppel „Seventh Seal“ und „Life Is A Mess“ ballert den Hörer mit entfesselten Gitarrenriffs und kongenialen Leads, Killergesang und mega wuchtigen Drums von Neuzugang Jason Bittner (Shadows Fall) so richtig vom Sessel. Was für ein Auftakt, aber es kommt noch besser. Nach dem Groovemonster „Taser“ folgt mit Track Nummero Vier das Albumhighlight namens „Iron Maiden“. Und der Song hält was der Titel verspricht, eine Hommage an die beste Band der Welt und klingt tatsächlich wie Maiden on Speed. Absolut herrlich dabei die Leadgitarren und cleveren Breaks und natürlich die Gesangslinien. Nicht nur hier beweist Sänger Eric A.K., dass er nach wie vor zu den absolut weltbesten Metal-Sängern überhaupt gehört. Auch wenn nicht alle Songs das sehr hohe Niveau halten können (z.B. „Creeper“ hätte man früher als B-Seite einer Single verbraten), es gibt noch mehr als genügend weitere hochkarätige Knaller wie der Old School Brecher „L.O.T.D.“ (Fortsetzung von „U.L.S.W“?), das melodiöse „Time To Go“ oder das düstere „Smoking Gun“. Es ist klar, an den beiden Erstlingswerken „Doomsday For The Deceiver“ und „No Place For Disgrace“ kann nicht gerüttelt werden, dies sind unerreichbare Meilensteine und geniessen zu Recht Kultstatus. Aber auch die Frühneunziger-Scheiben „Cuatro“ und „Drift“ bewegten sich damals auf einem extrem hohen Level und zu diesem hat die Band nun immer mehr zurückgefunden (bereits die letzten superben Werke „The Cold“ und „Ugly Noise“ deuteten an, zu was Flotsam And Jetsam noch fähig sind und sein werden). Auf ihrem neuen Album haben sie nun mit fetter Produktion und tollem Artwork ein Meisterstück und bestes Album seit über 20 Jahren vorgelegt. Kaufen, Anlage aufdrehen und grinsend die alte Luftgitarre aus dem Keller holen...

SIXX:A.M. Prayers For The Damned Eleven Seven Music mh. Mötley Crüe wurden theatralisch und mit viel Pomp und einer ausgedehnten Abschiedstournee zu Grabe getragen. Damit sich aber die Kreativität nicht aufstaut und der Langeweile kein Einzug geboten werden kann, hat sich Bassist Nikki Sixx schon seit Längerem entsprechend vorbereitet und ist dadurch für die post-Crüe-Zeit bestens gewappnet. Otto-Normalverbraucher sucht sich Hobbies für die Zeit nach der Pensionierung: fotografieren, Wassergymnastik oder Wandern. Sixx hingegen scheint nicht zur Ruhe kommen zu wollen/können. Mit Sixx:A.M. hat sich der 57jährige ganz klar gegen den Ruhestand entschieden. Das A im Bandnamen bezieht sich auf den Gitarristen DJ Ashba und das M verweist auf den Sänger James Michael. In dieser Formation wartet nun bereits die dritte Scheibe in den Regalen gekauft zu werden. „Prayers For The Damned“ schlägt in dieselbe Kerbe wie die beiden Vorgänger und böse Zungen behaupten gar, dass der Sound der Band an Muse erinnert. Diesem Vergleich soll hier nicht zugestimmt werden, denn Muse sind überbewertet. „Prayers For The Damned“ kommt auf jeden Fall wieder sehr melodisch, melancholisch, gefühlsvoll und ausgefeilt daher, teils fast etwas kitschig wie im Song „Rise“. Es geht aber auch anders: „I'm Sick“ oder „The Last Time (My Heart Will Hit The Ground)“ sind Songs die richtig gut kommen, eine härtere Schiene fahren und Lust auf mehr machen. Als Anspieltipp eignet sich das druckvolle „Can't Stop“. Fest steht, beim neuen Album handelt es sich um Vol.1, was erahnen lässt, dass noch mehr folgen wird und genau das soll noch dieses Jahr geschehen mit der Vol.2Scheibe.

VEKTOR Terminal Redux Earache/NonStopMusic lg. Vektor, 2002 im Bundestaat Arizona/US A gegründet und bisher mit zwei Alben ("Black Future" und

"Outer Isolation") in Erscheinung getreten, setzen mit "Terminal Redux" zum grossen Rundumschlag aus. Ihr schneller, technischer und sehr progressiv gespielter Thrash-Metal verlangt dem Hörer alles ab, denn die Songs sind sehr lang, hart und vertrackt. Schon der Opener "Charging The Void" kann mit seinen gut neun Minuten Spielzeit als schwer verdaulich, aber grossartig bezeichnet werden. Gleiches gilt für den wohl besten Song des Albums "Cygnus Terminal". Die sehr grosse Klasse der Band zieht sich durchs ganze Album – einzig der Gesang von Gitarrist David DiSanto (zwischen kreischend und guttural) fällt etwas ab. Vektor sind somit nicht jedermanns Sache, sondern werden Fans von Bands wie Voivod, Coroner, Realm, Watchtower, Anacrusis oder Rush begeistern. Vektor finden auf eine geniale Art die Verbindung zwischen Technik (Musik) und Fantasy (Story) und bieten ein viel- und tiefschichtiges Album, welches seine Strahlkraft erst nach vielen Hördurchläufen offenbart. "Terminal Redux" ist ein Anwärter auf das Album des Jahres.

DESTRUCTOR Back In Bondage Pure Steel Records mv. Destructor aus Cleveland veröffentlich ten anno 1985 einen absoluten US-Metal Klassiker namens „Maximum Destruction“ und standen kurz davor, zusammen mit ähnlichen Acts wie Exciter, Jag Panzer oder Omen die Gunst der Metal Maniacs im Sturm zu erobern. Dann ereignete sich eine wahre Tragödie für die Band; der noch sehr junge Bassist Dave Holocaust wurde kaltblütig ermordet. Logischerweise war danach Schluss mit Destructor, das geplante zweite Album wurde nie veröffentlicht. Doch nun hat die Band zusammen mit Pure Steel Records Erbarmen und bringt dieses grandiose Werk doch noch heraus. „Back In Bondage“ ist also kein „neues“ Destructor-Album sondern der nie veröffentlichte „Maximum Destruction“ Nachfolger, allerdings hat man die alten Stücke noch mit drei Songs vom 1999er ReunionDemo ergänzt. Für US-Metal Fans ist das ein wahres Geschenk, bietet das Album doch genau wie der alte Debut-


Hard/Heavy/Metal REVIEWS Klassiker eine kongeniale Mischung aus Speed Metal und Thrash Metal, gekrönt mit den kräftigen Killervocals von Sänger Dave Overkill. Furiose Granaten wie “G-Force“, „Tornado“, „Fight“ oder „Triangle“ atmen mit jeder Sekunde den wahren Stahl und sprühen nur so vor 80er Jahre Attitude. Dazu gibt es mit ruhigeren „N.B.K.“ und dem epischen „The Shedding Of Blood And Tears" viel Abwechslung und fesselnde Gänsehautmomente zu erleben. Ein fantastisches Album und natürlich absoluter Pflichtkauf für alle „Keep It True“- und „Headbanger‘s Open Air“-Pilger.

OMEN Hammer Damage Pure Steel Records mv. Dass wir das noch erleben dürfen… das neue Omen Album „Hammer Damage“ wurde eigentlich bereits vor etwa acht Jahren zum ersten Mal angekündigt. Es folgten aber trotz grandioser Liveshows in Europa immer wieder Line-Up-Wechsel und merkwürdige Statements zur Verschiebung dieses Releases. So wurde „Hammer Damage“ in der True Metal-Szene langsam aber sicher zum Running Gag und neuen „Chinese Democracy“. Nun ist das Al-bum tatsächlich da und nach schlappen 13 Jahren Wartezeit (das letzte Omen Album „Eternal Black Dawn“ erschien 2003) sind die Erwartungen der Fans und Presse natürlich in galaktische Sphären gestossen. Nun, dass die Band um Gitarrist Kenny Powell nicht an ihre übermenschlichen 80er Klassiker herankommen würde war ja eigentlich klar (die ersten drei Omen Alben „Battle Cry“, „Warning Of Danger“ und „The Curse“ sind in Szenekreisen unumstritten das Nonplusultra in Sachen Epic Heavy Metal). Aber warum nach so langer Wartezeit ein Album erscheint, dass soundtechnisch wie ein mieses Proberaum-Demo klingt und dazu noch den schlimmsten Drumcomputer seit Angelo Sasso aufweist, ist echt eine Schande und wird den Fans wohl für immer ein Rätsel bleiben. Das ist doppelt schade, denn mit bärenstarken Songs wie „Eulogy For A Warrior“, „Cry Havoc“, „Knights“, „Hellas“ und dem alles überragenden Killer „Chaco Canyon (Sun Dagger)“ schaffen Omen tatsächlich das Kunststück, an die alten Heldentaten anzuknüpfen und so wäre „Hammer Damage“ eigentlich ein würdiger Nachfolger für „The Curse“ geworden. Auch Sänger Kevin Goocher (Phantom X) macht seinen Job hervorragend und ist der bestmögliche Ersatz für den unvergesslichen J. D. Kimball (R.I.P.), nachdem Omen ja leider George Call vor ein paar Jahren gefeuert hatten. Kenny Powell hat also ein wirklich unerwartet starkes Album geschrieben, vor allem die Gitarrenarbeit ist herrlich episch und beeindruckend wie früher. Aber wie bereits erwähnt zerstört der wirklich schlechte Sound und noch mehr der viel zu simpel und schlecht programmierte Drumcomputer leider jede Atmosphäre und die Freude an der Musik. Es ist nun den Fans überlassen, sich dieser klanglichen Herausforderung zu stellen und das Album trotzdem zu lieben oder eben zu hassen...

SUNSTORM Edge of Tomorrow Frontiers Records mv. Joe Lynn Turner kennt mit Sicherheit jeder Rocker, schliesslich hat der umtriebige Sänger schon mit den Grössten der Grossen zusammen gearbeitet, u.a. Rainbow, Deep Purple und Yngwie Malmsteen. Sunstorm ist eines seiner Projekte, welches er zusammen mit Frontiers Records und deren Hausund Hofsongwriter Alessandro Del Vecchio schon länger erfolgreich betreibt. So ist „Edge Of Tomorrow“ bereits das vierte Sunstorm-Album. Als Fan der kraftvollen, grandiosen Stimme von Turner ist man immer wieder froh, dass er noch Lust hat auf solche Musik und weiterhin solch tolle Alben aufnimmt. Denn es ist eigentlich schon erstaunlich, wie wenig die Zeit seiner Rockröhre anhaben konnte, immerhin ist der gute Turner mittlerweile schon Mitte 60. So trotzt er auch auf „Edge Of Tomorrow“ locker der Zeit und dem Alter und singt mal wieder wie ein junger Gott. Absolute Höhepunkte und Melodic Metal Granaten wie „Edge Of Tomorrow“, „Nothing Left To Say“, „Don’t Walk Away From A Goodbye“ oder “Burning Fire” werden damit zum absoluten Freudenfest während selbst etwas mittelmässigere Songs wie „You Hold Me Down“ oder „Tangled In Blue“ allein durch den Gesang extrem aufgewertet und zu guten Stücken werden. Und über allem thront die hymnische Gänsehautnummer „The Darkness Of This Dawn“. Es gibt somit kaum Durchhänger, das Album macht wie seine Vorgänger von

vorne bis hinten viel Freude (auch dank der dynamischen und sehr druckvollen Produk-tion) und sollte von Anhängern der melodi-schen Rockkunst bedenkenlos eingetütet werden.

THUNDERSTONE Apocalypse Again AFM Records mv. Freunde des finnischen “Power Metal” werden jubeln, den Thunderstone sind zurück, und zwar mit Gründungsmitglied und Sänger Pasi Rantanen. Und mit ihm hat die Band offensichtlich zu alter Stärke zurückgefunden. Denn „Apocalypse Again“ orientiert sich ganz klar an den ersten Thunderstone-Alben und bietet alles, was Fans von Stratovarius, Sonata Arctica und eben Thunderstone so lieben: Extrem eingängige Refrains, packende Melodien sowie virtuose Gitarren- und Keyboardeinlagen. Am besten kommt dies zur Geltung bei Hymnen wie dem Opener „Veterans Of The Apocalypse“, den hitverdächtigen „Fire And Ice“ und „The Path“, dem Albumhöhepunkt „Higher“ sowie dem leicht epischen wie progressiven Abschluss-Longtrack „Barren Land“. Auch wenn Thunderstone sich auf dem Vorgängeralbum mit Sänger Rick Altzi (At Vance, Masterplan) wacker schlugen und sicher nicht schlecht waren; der Wiedereinstieg von Pasi Rantanen hat die Band definitiv beflügelt und so ist „Apocalypse Again“ ein absolut klassisches Power Metal Album europäischer Machart geworden, dass die Band mit Sicherheit innert Kürze wieder zurück auf die Erfolgsspur und somit in die Charts katapultieren wird.


lg. Anlässlich der Veröffentlichung der EP "Death Thy Lover" der Schweden von Candlemass – das erste Lebenszeichen seit "Psalms For The Dead" (2012) – konnte TRACKS mit dem äusserst redseligen Gitarristen Mats "Mappe" Björkman (mit Unterbrüchen seit 1984 bei der Band dabei) über den neuen Output sprechen sowie in der Vergangenheit von Candlemass wühlen. Candlemass ist für den Doom-Metal, die langsame Spielart harter Sounds, so etwas wie ein Wegbereiter und hat den Sound der Urväter Black Sabbath mit dem klassischen Heavy Metal kombiniert und so grossartige Alben geschaffen. Welche sind aus Deiner Sicht die wichtigsten Scheiben von Candlemass? Zum ersten muss ich sicher unser Debüt "Epicus Doomicus Metallicus" (1986) nennen, welches der Startschuss für Candlemass als Band war und sicher ein genredefinierendes Album ist. Gleich wichtig ist aus meiner Sicht "Nightfall" (1987), denn damit wurden wir mit Sänger Messiah Marcolin auch als Live-Band aktiv. Sehr relevant finde ich auch unser Comeback "Candlemass" aus dem Jahre 2005. Wie stehst Du zum Statement, dass Candlemass eine der originalen Doom-Bands ist? Das macht mich natürlich sehr stolz. Den Sound, den wir auf "Epicus Doomicus Metallicus" geschaffen haben, gab es ja in dieser Form vorher kaum. Wir standen am Anfang des epischen Doom, was mich heute noch erschauern lässt, denn damals haben wir halt einfach ein Album gemacht. Was waren denn die Haupteinflüsse von Candlemass (und des Vorläufers Nemesis) in den Anfangstagen?

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Uns haben die alten Bands auf Metal Blade Records ungemein beeindruckt, insbesondere die kalifornischen Trouble mit ihrem genialen Gitarrenduo Franklin/Wartell. Deren erstes Album "Psalm 9" (1984) war so etwas wie der Startschuss für uns. Die andere sehr wichtige Band ist Black Sabbath. Unser Basser (und Bandchef) Leif Edling ist ein grosser Sammler der Band und besitzt zuhause eine riesige Sammlung. Vor den skandinavischen Metalbands wie OZ, Bathory, 220Volt, Heavy Load oder wie sie alle heissen, haben wir grossen Respekt, sehen diese aber nicht als Haupteinflüsse. Der Werdegang von Candlemass ist mit mehreren Auflösungen, Reunions sowie wiederkehrender Line-Up Wechsel nicht einfach zu verfolgen. Da hast Du recht. Das Chaos begann, als wir als Nachfolger von Messiah den Sänger Thomas Vikström engagierten, der allerdings eher aus der Pop-Ecke kam und somit "Chapter VI" zu einem eher geschliffenen Album machte, was uns zurückblickend nicht so gepasst hat. Als dann der Erfolg ausblieb, begann Leif mit einem SideProject namens Abstract Algebra und Candlemass wurde erstmals auf Eis gelegt. Doch es ging dann immer weiter mit der Band bis zur grossen Reunion mit Messiah und


den guten Jahren mit Robert Lowe am Gesang. Auch war zunächst nicht klar, ob auf dem Album "Candlemass" (2005) Messiah überhaupt singen würde, denn die Vorbereitungsphase war etwas chaotisch. Mit Tony Martin (ex-Black Sabbath) hatten wir damals den perfekten Ersatzmann in den Startlöchern. Doch Tony insistierte, dass wir mit Messiah arbeiten – er gehört doch einfach zum prägendsten Candlemass Line-Up. Was war der Grund für die Trennung des ersten wichtigen Candlemass-Sängers Messiah Marcolin (aktiv in der Band von 1987-1991 und 2002, 2004-2006) sowie dann mit seinem Nachfolger Robert Lowe (2006-2012), der von Solitude Aeturnus kam? Mit Messiah war es immer sehr schwierig klarzukommen. Er hatte seine Launen und er brachte immer viel Unruhe in die Band. Dennoch bin ich froh, dass wir die Reunion in den Nullerjahren gemacht haben. Das White Album (Anm. "Candlemass" aus dem Jahre 2005) ist ja ein starkes Stück geworden. Bei Robert, der zu uns von den Texanern von Solitude Aeturnus stiess, war die Situation anders. Obwohl er ein genialer Sänger ist und auf den Alben grossartig rüberkommt, waren die Probleme bei den Live-Auftritten. Er wollte die Texte nie lernen und las diese somit vom Teleprompter ab. Dazu kam ein Alkoholproblem. Es kommt doch überraschend, dass ihr nach der Ankündigung, nie mehr etwas zu veröffentlichen, nun mit einer EP ums Eck kommt. Wie kam es dazu? Wir hatten nach dem Rausschmiss von Rob Lowe und der Zerstörung unseres Rufs als gute LiveBand dermassen die Nase voll, dass wir uns mit unserem alten Freund Mats Levén an den Vocals zusammentaten (Anm.: Mats hat auch bei Krux und früher bei Abstract Algebra mit Leif Edling gearbeitet). Nach ein paar tollen Auftritten, unter anderem auf dem Roadburn in Holland im Jahre 2014, konnte sich die Band festigen und es wurden aus dieser neuen Energie Songs geschrieben. Diese bilden die aus meiner Sicht sehr gelungene EP "Death Thy Lover". Wird nun ein vollständiges Album folgen? Werdet ihr eine Tour machen? Über ein neues Album haben wir noch nicht gesprochen. Konzerte werden wir vorerst auf Festivals geben. Eine Europa-Tour wird für November geplant, während wir noch vorher im Oktober 2016 nach Japan gehen. Wird Bandchef und Bassist Leif Edling wieder mit Candlemass auf der Bühne stehen? Er fällt ja seit Längerem aus und ist nur noch studiotechnisch aktiv (u.a. auch mit Avatarium). Ja, leider sieht es danach aus, dass Leif länger ausfallen wird, denn – obwohl er 2016 ein paar Konzerte geben wollte – fühlt er sich nach wie vor ausgebrannt. Somit wird er sich nach wie vor auf seine Studioarbeit konzentrieren müssen. Welche sind Deine fünf Lieblings-Metal-Alben? Die erste Scheibe von Ted Nugent, "Battle Hymns" von Manowar, Rainbow – "Rising" (ich habe sie auf dieser Tour damals 1976 live gesehen) sowie "Demons & Wizards" von Uriah Heep und "Psalm 9" von Trouble. Black Sabbath steht bei uns allerdings sehr weit oben. Candlemass haben immer wieder tourtechnisch in der Schweiz Halt gemacht. Hast Du spezielle Erinnerungen an einen Gig? Ja, so um 2003 haben wir einen Gig in einem Keller in Zürich abgehalten, der legendär ist, da er der längste Candlemass-Gig aller Zeiten war. Wir haben über zweieinhalb Stunden gespielt (Anm.: Der Gig fand im April 2003 im Dynamo in Zürich statt und zeigte eine Band mit einem Messiah in Hochform an den Vocals).

CANDLEMASS Death Thy Lover Napalm/Universal

lg. Etwas überraschend meldet sich die schwedische Doom/Heavy Metal Band Candlemass zurück, nachdem vor ein paar Jahren verkündet wurde, nur noch LiveShows zu spielen und auf neue Aufnahmen zu verzichten. Offenbar hat man mit dem Sänger Mats Levén (ex-Malmsteen, Treat, Therion und viele andere Bands) Lunte gerochen und somit vier Songs aufgenommen. Schon der Titelsong und beste Track "Death Thy Lover" packt den Hörer und ist trotz einiger Doom-Referenzen auch tief in den 70er Jahren verwurzelt (Rainbow). Auch die nachfolgenden "Sleeping Giant", "Sinister,N'Sweet" und "The Goose" sind klassische Doomer in traditioneller Machart, welche auf fetten Riffs basieren und der Stimme von Mats genügend Freiräume gewähren. Mehr davon – also ein ganzes Album bitte!


Magic Night

Music History live

In diesem Jahr feiert eins der schönsten Schweizer Open Airs das 25-jährige Jubiläum. Vom 12.-14. August geht das beliebte Heitere Open Air in Zofingen wieder über die Bühnen und glänzt einmal mehr mit einem bunten Stilgemisch, in dem auch Schweizer Acts stark vertreten sind. In diesem Jahr haben die Veranstalter zwei zusätzliche Tage im Angebot. So gibt es am 11.8. ein Volksschlager Open Air und am Mittwoch, 10.8. die Magic Night.

FOREIGNER

hh. Headliner der Magic Night sind die Multi-Platin-Seller FOREIGNER. Seit ihrer Gründung 1977 hat die Band um Gitarrist Mick Jones über 80 Millionen Platten verkauft und eine Reihe von Songs geschrieben, die zweifellos als All-Time-Evergreens in die Popgeschichte eingegangen sind. Titel wie „Urgent“, „Juke Box Heroes“, „Cold As Ice“, „Waiting For A Girl Like You“ –um nur einige zu nennen-, sowie die Rockballade schlechthin „I Wanna Know What Love Is“ haben die Jahrzehnte überdauert und gehören bis heute zu den Dauerbrennern der internationalen Radiostationen. Die Fans dürfen sich auf ein Hitfeuerwerk der Extraklasse freuen, zumal Foreigner auch heute noch zu den besten Poprockbands zählen, die man live erleben kann. Noch nicht ganz so lange im Geschäft, aber immerhin auch schon 25 Jahre dabei sind TEXAS, die Band um die schottische Sängerin Sharleen Spiteri. Auch Texas gehören zu den erfolgreichsten Acts der internationalen Popszene. Mit 35 Millionen verkauften Tonträgern und Hits wie «I Don't Want A Lover», «Say What You Want», «Summer Son» oder «Inner Smile» hat sich die schottische Band einen Platz in der Riege der allzeit grössten britischen PopBands gesichert. Ein sicherer Wert für beste Unterhaltung und schweisstreibende Konzerte sind die ORIGINAL BLUES BROTHERS, die bereits unzählige Male in der Schweiz gastierten. Die von Dan Aykroyd und dem verstorbenen James Belushi gegründete Band lieferten nicht nur einen der besten Musikfilme, sondern begeistern vor allem als Live-Band mit Klassikern aus der 60er Soul Ära. Den Auftakt an der Magic Night macht das Schweizer Urgestein HANERY AMMAN, der bei Rumpelstilz die Musik zu solchen Mundart-Klassikern wie «Rosmarie», «Alperose», «Rote Wy», «Kiosk» oder «Teddybär» schrieb. Da der Interlakener Keyboarder gesundheitsbedingt nur noch eine überschaubare Anzahl von Konzerten absolviert, darf man sich besonders auf den sympathischen und legendären Musiker freuen. Alle wichtigen Infos zum diesjährigen Heitere Open Air sind unter www.heitere.ch zu finden.

Sharleen Spiteri TEXAS

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HANERY AMMAN

ORIGINAL BLUES BROTHERS


Leckerbissen unterm Sternenhimmel Aarau 12.7. - 21.8.

Arbon 15.7. - 21.8.

Über die letzten Jahre haben sich die Open Air Kinos in der Schweiz zu wahren Publikumsmagneten entwickelt und locken eine immer grössere Besucherzahl in die „Kinosäle“ unter freiem Himmel. Die willkommene Alternative zum herkömmlichen Kinobesuch erfreut damit speziell Cineasten, die warme Sommerabende ungern in vollbesetzten Räumen verbringen, aber deshalb in dieser Jahreszeit ebenso ungern auf ausgewählte Film-Highlights verzichten.

Martigny 27.6. - 21.7.

Bellinzona 11.8. - 4.9.

Murten 6.7. - 11.8.

Brig 20.8. - 27.8.

St. Gallen 16.7. - 7.8.

Delémont 5.8. - 27.8.

Fribourg 21.7. - 23.8.

Frick 6.7. - 30.7.

Sie sind aus dem CH-Sommer nicht mehr wegzudenken: Filmerlebnisse auf der Grossleinwand unter freiem Himmel. Geschichten, die unter die Haut gehen – Storys, welche die ganze Palette menschlicher Gefühle hervorrufen – Themen, die neue Einsichten und Erkenntnisse näher bringen, davon leben die zahlreichen Open Air – Arenen der Schweiz. Landauf, landab – eingebettet in attraktive Natur oder umgeben von der speziellen Ambiance historischer Gebäude – stehen Tribunenplätze, Leinwände, Gastrobetriebe bereit, den Menschen den Sommer zu verschönern. Von Mitte Juni (Lugano) bis Anfang September (Bellinzona) geht die Schweiz ins Kino unter dem Himmelsdach. Die Präsenz der Luna Open Air Cinema in allen Landesteilen mit ihren 19 Arenen sorgt für ein attraktives Freizeitvergnügen in der heissen Jahreszeit. Die Jahre 2015 und 2016 bieten einen enormen Reichtum und eine Vielfalt an sehenswerten Filmen. Qualitätsansprüche an diese ungebrochen populäre Kunstform lassen sich auch in dieser Saison 2016 befriedigen: Verpasstes lässt sich so nachholen, Begeisterndes kann noch einmal goutiert werden. Ob „Heidi“, „SchellenUrsli“, „Carol“ oder „Julieta“ (Regie: Pedro Almodovar) – die Personennamen rücken Einzelschicksale ins Zentrum. Natürlich geht es in vielen Filmen um Menschen, deren Lebensumstände berühren: „Der Grosse Sommer“, „Brooklyn“, „Danish Girl“, „Ein ganzes halbes Jahr“ („Me Before You“), etc. werden die Gemüter des Publikums in Bann ziehen. Wenn einiges nachdenklich stimmt, stimuliert anderes die Lockerheit des Seins; „Ice Age“, „My Big Fat Greek Wedding“ „Star Wars“ oder „The Secret Life Of Pets“ gehören dazu. Kundenfreundlichkeit gehört zur Erlebnis-Philosophie der Luna Open Air Cinema. Zuvorkommende, freundliche MitarbeiterInnen sorgen für das Wohl der Kinogänger. Dazu gehören auch hohe Ansprüche an die kulinarische Betreuung. Open Air Kino soll ein Fest der vielen Sinne sein.

Vevey 15.7. - 13.8.

Wohlen 8.7. - 7.8.

Zofingen 8.7. - 4.8.

Schloss Heidegg 20.7. - 14.8.

Kreuzlingen 5.7. - 31.7.

Uster 25.7. - 21.8.

Lugano 15.6. - 21.7.

Luzern 13.7. - 21.8.

Zug 11.7. - 18.8.

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30 Jahre

OUTSIDER METAL SHOP OLTEN Jubeljahre sind keine Herrenjahre ip. Kaum ein anderer kennt das Musikbusiness aus Händlersicht so gut wie Fribi aus Olten. Seit 30 Jahren ist der Ladenbesitzer und Merchandise-Spezialist in der Szene verwurzelt, hat denkwürdige Treffen mit Bob Geldof oder Scott „Wino“ Weinrich überlebt und ist für jeden noch so aussergewöhnlichen musikalischen Kundenwunsch zu haben. Was ihn ausmacht ist seine Direktheit, seine Spürnase für die verstecktesten Perlen und seine unerschöpfliche Sachkenntnis. Dass er all das noch mit angeborenem Enthusiasmus würzt, hat ihn zu einem der verlässlichsten Dealer der harten Musik gemacht. Im Gespräch über sein 30. Jubiläum kamen allerhand wissenswerte und unterhaltsame Insidereinblicke aus seinem Metier zu Tage. Ring frei für Backstage-Wissen über Geldof, die fanfreundliche Doro, Festival-Hintergründe und den überraschenden Special Guest des OutsiderJubiläumskonzertes.

Fribi, wie hast du mit deinem Geschäft angefangen? Mit dem Verkauf von Merchartikeln habe ich eigentlich schon vor 30 Jahren begonnen. Damals lief das allerdings von zu Hause aus. Ich habe das Merch direkt bei den Bands bezogen und weiterverkauft. Irgendwann waren aber dann zu viele Leute bei uns zu Hause und wenn jeden Abend einer bei dir klingelt und fragt, was es Neues auf dem Markt gibt, dann wird das schon etwas anstrengend (lacht). Da habe ich mir gedacht, dass ein eigener Laden als Anlaufstation vielleicht die bessere Lösung wäre. Mittlerweile sind wir mit dem Geschäft bestimmt sechs Mal umgezogen, waren aber hauptsächlich in Olten ansässig. Was sind persönliche Highlights deiner Geschäftskarriere? Du lädst ja ab und zu Bands für Autogrammstunden ein. Gibt es da Anekdoten oder denkwürdige Momente? (lacht) Ja, die gab es! Ein persönliches Highlight war, dass Wino (Obsessed, The Hidden Hand, St. Vitus) herkommen konnte. Und

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ganz speziell war natürlich, dass letztes Jahr Bob Geldof einfach hier reinmarschierte. Wir haben uns über eine Stunde lang unterhalten, obwohl Metal überhaupt nicht sein Ding ist, und uns gegenseitig einen Scheissgeschmack attestiert (lacht). Er ist ein echt bodenständiger Typ und eher der Punkrocker, das hat mich überrascht. Aber vor allem die Akustikshow mit Wino, der mit dem Singer-Songwriter Conny Ochs bei uns gespielt hat, war für mich ein grosses Erlebnis. Für andere ist Lemmy eine Ikone, für mich ist es Wino. Aber genau diese Begeisterung, die du für Bands und Musiker hast, ist ja der Antrieb dafür, dass du diesen Job schon so lange und gerne machst. Ihr hattet ja sicher nicht nur gute Zeiten. Das ist Idealismus pur. Fakt ist, dass du davon nicht reich wirst. Du könntest davon leben, wenn du alles alleine machst. Aber zusammen mit dem Mailorder ist das kaum zu bewältigen. Wenn du mit kleinem Budget leben kannst und Bock auf einen 15-


Stunden-Tag hast, dann geht das. Doro ist extra für eine Autogrammstunde zu dir nach Olten geflogen, obwohl sie weder auf Tour war, noch eine neue Platte draussen hatte. Ja! Ich dachte, das wäre schön, sie hier zu haben, als Dankeschön an ihre Fans. Sie fand das super. Sie antwortete auf meine Anfrage: „Ja klar, mach ich, coole Idee!“, ohne irgendwelche Bedingungen oder Extrawürste. Das hat mich schwer beeindruckt. Ausgerechnet an dem Tag hatte sie sich so eine üble Erkältung eingefangen, dass sie kein Wort rausgebracht hat und wollte die Autogrammstunde wirklich nur auf 60 Minuten begrenzen. Letztendlich hat sie aber fast drei Stunden lang ganze Romane und Widmungen auf Platten geschrieben, Fotos mit wirklich jedem Fan gemacht, mit den Kindern der Fans geredet und was nicht alles noch. Man kann ja von ihrer Musik halten, was man will, aber menschlich ist sie eine der grossartigsten Personen, die ich jemals kennengelernt habe, vor allem in diesem Business. Ich glaube, das ist die Geheimzutat für ihren Erfolg. Als Fan bekommst du sehr viel von ihr zurück. Das ist auch live so: Wenn sie auf der Bühne steht und die Stimmung gut ist, dann spielt sie zweieinhalb Stunden. Du kriegst sie nicht mehr von der Bühne runter. Unglaublich! Lass uns noch mal zurück zu deinem Jubiläum schwenken: Die 30 Jahre werden ja nicht nur auf dem Papier gefeiert, sondern du hast dir eine Reihe von verschiedenen Goodies ausgedacht. Ja, wir haben uns dazu entschieden, das ganze Jahr über ein bisschen zu feiern. Wir hatten Rabattaktionen und kleine Konzerte. Aber der Hauptevent wird am 3. September im Coq d'Or steigen. Wir haben Sin Starlett da, Zatokrev und Poltergeist. Musikalisch wird das also ein sehr bunter Abend und vor allem freue ich mich auf unseren Special Surprise Act. Mach uns nicht neugierig! (grinst) Wir konnten die legendären Hellmute dazu überreden, noch einmal auf die Bühne zu kommen. Du machst Scherze. Nein, sie kommen wirklich. Das wird nur eine One/Off-Show und ich habe sie echt lange bearbeiten müssen, damit sie auftreten (lacht). Ich wollte einfach etwas haben, worüber die Leute noch lange reden und durchdrehen, vor allem natürlich auf die Region bezogen. Hellmute gibt es ja seit 2008 nicht mehr. Damals hatten sie ihr Abschiedskonzert im Kiff in Aarau gegeben, das war eine Riesensause mit allen Ex-Mitgliedern und Gästen. Die Leute reden heute noch darüber, wie geil der Abend war. Traurig ist ja an sich, dass solche Bands an ihren Abschiedskonzerten mehr Publikum als in ihrer ganzen Karriere haben. Aber kaum sind sie nicht mehr da, werden sie interessant. Das war ja bei Celtic Frost oder Coroner auch nicht viel anders. Ich möchte, dass sich der Abend für alle lohnt. Weil das Coq d'Or ja nicht riesig ist, ist der Eintrittspreis mit 30.- relativ hoch angesetzt. Allerdings gibt es für jeden Besucher auch ein kleines Geschenk dazu. Letztes Mal war das ein T-Shirt und dieses Mal darf man sich überraschen lassen. Verdienen tue ich daran nichts, aber das ist auch nicht das Ziel. Es soll einfach ein geiler Abend werden. Aber die Idee, einen exklusiven Event zu organisieren, um den sich die Leute prügeln müssen, ist eigentlich nicht so schlecht. Hoffentlich (lacht)! Weißt du, bei lokalen Bands gehst du manchmal einfach anstandshalber vorbei, weil sie bei dir einkaufen oder du ihre Platten im Laden verkaufst. Aber wenn du dann drei Anlässe pro Woche hast, wo du dich zeigen müsstest, dann wird es schon etwas viel. Dann denke ich oft, ich wäre jetzt lieber mit einem Bier auf dem Sofa. Du brauchst nur Facebook aufzumachen und dann steht da: „Du hast diese Woche 12 Veranstaltungen“. Wie soll man das bewerkstelligen? Da sieht man mal den Umfang des Ganzen. In den Achzigern hattest du kaum Shows, wo du hingehen konntest. Alle paar Monate lief mal eine Tour von jemandem auch in der Schweiz vorbei. Es gab ja auch nur einen Bruchteil der Bands, die es heute gibt. Das kommt noch dazu. Ausserdem mussten sie nicht so oft touren, weil sie noch ganz gut von den Albumverkäufen leben konnten. Da warst du als Fan voller Begeisterung dabei, hast zwei Monate vorher noch das Ticket an die Wand gepinnt. Heute ist Facebook voll von Events mit Rammstein, Iron Maiden oder AC/DC. Das beisst sich ja alles selber in den Schwanz. Als Künstler verdienst du nichts mehr mit Platten, also musst du viel touren.

Weil du soviel tourst, kommt keiner mehr an deine Shows, weil jeder weiss, dass du nächstes Jahr wieder da bist. Das ist so. Guck dir die Shows von Iron Maiden oder AC/DC an. Das sind Konzerte, die mehr als hundert Franken kosten, plus Anreise und Verpflegung, plus Shirt. Da bist du pro Person an einem Abend locker 250.- Franken los. Und das drei oder vier Mal innerhalb kürzester Zeit! Das kann sich kein Mensch mehr leisten. Selbst, wenn du ins Z7 gehst, wo das Ticket vielleicht nur 40.- Franken kostet, ist das Geld halt weg. Dann ist noch Wacken oder Greenfield oder wie die Festivals alle heissen. Es gibt ja fast 300 Open Airs alleine in der Schweiz! In jedem Kaff unserer Region findet mittlerweile ein Open Air statt. Das ist doch vollkommen blödsinnig. Wenn du ein Festival organisierst, musst du ja erstmal vier oder fünf Jahre lang warten, bis du damit in die schwarzen Zahlen kommst. Nicht zu erwähnen die ganzen Auflagen, die du aufgebrummt bekommst. Die Bands sind das kleinste Problem an der Organisation. Die Auflagen und die ganze Infrastruktur sind der helle Wahnsinn. Ich habe neulich gelesen, was es kostet, ein Dixi-Klo aufzustellen. Das haut dich aus den Socken. Mit Reinigung inklusive An- und Abtransport kostet ein einziges Dixi 1200.- Franken. Und als Veranstalter musst du auf das Fassungsvermögen des Geländes dann eine bestimmte Anzahl Toiletten zur Verfügung stellen, und zwar ob so viele Leute kommen oder nicht. Solche Dinge weiss ein Festivalbesucher ja nicht. Aber auch als Standbesitzer bekommst du horrend hohe Mietpreise vorgelegt. Da gibt es Festivals, bei denen du 18'000.- Franken Standmiete für drei Tage bezahlen sollst. Das verdienst du niemals! Wieviele Platten soll ich denn da pro Tag verkaufen? Das ist alles ein totales Überangebot von Konzerten, Klamotten und Platten geworden. Du wirst wahrscheinlich, nicht ohne Ironie, in Zukunft auf vegane Shirts und blankpolierte CDs aus dem Biosortiment von politisch korrektem Anbau zurückgreifen. Wie sieht dein Blick nach vorne für die nächsten zehn Jahre aus? (lacht) Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass die CD ein Auslaufmodell ist. Das hatten wir ja schon einmal mit Vinyl. CDs braucht heute keiner mehr, weil man alles downloaden kann. Und mittlerweile kaufen die älteren Kunden lieber wieder eine Schallplatte, weil das wertiger ist. Stimmt ja auch. Vielleicht hat die CD in einigen Jahren auch wieder ein Revival, wie Schlaghosen (lacht). Vielleicht nicht in der Dimension, denn auch Vinyl ist eigentlich nach wie vor nur ein kleiner Prozentsatz. Wann hörst du auf, Metalartikel zu verkaufen? (überlegt lange) Einerseits ist es ja nicht der kommerzielle Aspekt, der mich diesen Job machen lässt. Es ist die Freude an der Sache. Du kannst im Laden oder an Konzerten mit Menschen diskutieren und lernst Leute kennen, die einfach bei uns reinspazieren, weil sie von jemandem weiterempfohlen worden sind. Das ist mehr Lohn als jeder Franken. Die Szene und den Kontakt zu pflegen ist mir alles wert. Wenn allerdings nur noch drei oder vier Käufer pro Woche auftauchen, dann muss ich mir wirklich überlegen, ob ich mir so ein teures Hobby noch leisten kann. Ich biete ganz gerne Spezialitäten oder auch signierte Alben an, für die meine Kunden gerne und explizit dafür in den Laden kommen. Dein Vorteil im Vergleich zu anderen grossen OnlineAnbietern ist, dass du quasi die Doro der Plattenverkäufer bist: Für jeden immer da. Das ist mein Job. Und den mache ich so gerne, dass ich am liebsten nur im Laden stehen würde. Wenn sich das Geschäft nicht mehr rentieren würde, fahre ich lieber mit ein paar Kartons an Plattenbörsen und lagere den Rest in meiner Garage ein. Ich brauche den Kontakt zu den Leuten.

OUTSIDER Jubiläumsparty 3. September 2016 - Coq d'Or , Olten mit

POLTERGEIST, ZATOKREV, SIN STARLETT Special Guest: HELLMUTE 47


BOOOST No Joking In The Laboratory Damp/Phonag hug. Haben wir eigentlich schon mal erwähnt, dass digitale Albumbemusterungen Scheisse sind? Reggae zum Beispiel, der ja primär auf fetten Basslinien aufbaut, klingt in digitalen Bemusterungen so, wie ein Glas abgestandenes Wasser schmeckt im Vergleich zu einem Glas schweren Burgunder. Eingedenk dessen gibts Folgendes

zum neuen Album der Reggae-Band Booost mit drei o aus Neuchatel zu sagen: Auf ihrem Debüt vor drei Jahren coverten sie noch allerlei Rock- und Pop-Songs in Reggae-Manier, was ja in aller Regel immer heiter daherkommt. Auf ihrem neuen Album haben sie nun die Stilbreite der gecoverten Songs des Debüts zur Inspirationsquelle für die ausschliesslich eigenen Songs ihres neuen Albums gemacht: Der ReggaeBoden bleibt, darauf aber frönen Booost dem Soul, dem Pop, den grossen Bläsersätzen, hin und wieder rockigen

MÖPED LÄDS Maximum PR Mopedcity ip. 1, 2 - 1, 2, 3, 4! Gitarren auf 12, drei Akkorde, dem Schlagzeug die Felle über die Ohren gezogen und dazu Sony Mopeds Stimme: We are Möped Läds! Die Luzerner Sedelband aus Zelle 12 ist seit Äonen Kult und eine Institution in der Schweizer Punkszene. Und deshalb läuft „Maximum PR“ ausserhalb jeglicher Review-Konkurrenz, da es einfach keine gibt. Die Leute hier sind Fachmänner und machen ihren Job seit über 25 Jahren. Da weiss man schon, wie man das ordentlich hinkriegt. Als Band und aktive Szenekenner/-aufrechterhalter, aber auch als Veranstalter und Künstler in diesem Genre hält die MöpedFamilie die Fahne immer noch am höchsten und es kann sich niemand wirklich mit diesen alten Hasen messen wollen. Und wer das doch tut, der wird Letzter. Für alle die, denen die Luzerner noch nie über den Weg gelaufen sind und die den Punk mögen, den auch die Ramones gefeiert haben: Gehet hin und kaufet (nicht downloadet!) „Maximum PR“! Denn wer hier auf den Wagen, oder das Moped, aufspringt, der holt sich bestimmt auch die älteren Alben. Und wer das nicht tut, der ist Letzter. Lieblingsstückchen auf „Maximum PR“ sind allen voran die Liebesbekundung an den unverzichtbaren Sedel, und alle anderen (darunter „Life's A Gas“ von den Ramones). Es ist unbedingt an der Zeit, dass mal einer auf die Idee kommt, einen alternativen Musikpreis zu vergeben. Denn was Sony Moped und seine Töfflibuebe seit 25 und mehr Jahren für die Kultur leisten, dafür muss manch ein herkömmlicher Preisträger drei Leben leben. Darum erhebe ich mich hier zu einer schriftlichen Standing Ovation. Vielleicht stehst du ja auch schnell für nur eine Sekunde mit dem Heft in der Hand auf, um den Möped Läds Respekt zu bekunden. Egal, ob du sie kennst oder nicht. Da freuen sie sich drüber, das weiss ich. Und wenn du das nicht tust... Nein, halt! Dein Füdli war gerade zwei Zentimeter über dem Stuhl, genau gesehen! Möge die Macht mit den Möped Läds (und dir) sein.

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Gitarren und einem Gesang zwischen Pop und nochmals Pop. Roots-Freunde wird das weniger begeistern, aber die sind mit «No Joking In The Laboratory» auch nicht angesprochen. Wer UB40 mochte und Eddy Grant lustig findet, wird hier bestens bedient.

MORITZ Sunset Tales www.moritzmusic.com hef. Sänger Moritz Schlanke und sein Gitarrist und Co-Komponist Marcel Jeker erzählen 14 SonnenuntergangsGeschichten voller Emotionen und Melodien. Das Duo aus Uster hat sich für dieses Album im Studio mit vier Musikern verstärkt. Moritz' Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert mit speziellem Timbre, vor allem, wenn er in tiefen Lagen und alleine singt. Das Ziel von Moritz ist im Pressetext klar formuliert: "Moritz ist ein Künstler fürs Radio. Das Ziel heisst Hitparade". Klare Ansage; entsprechend wurden die Songs auf Mainstream produziert. Um wieder die Band zu zitieren: "Mitreissende Songs über Leidenschaft und die Schönheit des Lebens – mit einer träumerischen Tiefe, aber ohne Kitsch." Nein, kitschig ist diese Musik nicht, sondern voller Energie. "Still und nachdenklich", so Moritz weiter. "Die Musik spannt einen Bogen von leiser Akustik zu erdigem Rock." Dann noch das Schluss-Bouquet des Pressetextes: "Sunset Tales ist der perfekte Soundtrack für diesen Sommer! Eine leichte Brise vom Ozean her, warme Sommertemperaturen, einen Moment einfangen mit den Liebsten. Und anschliessend davon erzählen." Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

RED SHOES Two Very Different Animals www.redshoes.ch hef. Diese fünf Thuner Herren scheinen echte Scherzkekse zu sein. Nicht nur wegen ihrer gefälligen Musik. Sondern auch wegen der Art, wie sie sich selber in der eigenen Pressemappe „verkaufen“. Das liest sich dann wortwörtlich so: "Der Albumtitel bedeutet zu Deutsch so viel wie <zwei Paar Schuhe>. Die Redewendung bringt das

Erfolgsrezept der Band auf den Punkt. Sie verschmelzen vermeintliche Gegensätze zur harmonischen Einheit, verbinden Gänsehautfeeling mit Partylaune. Diese <zwei Paar Schuhe> bringen Red Shoes leichtfüssig unter einen Hut. Dementsprechend facettenreich präsentieren sie sich hier. Während Songs wie <Changin'> grosse Emotionen transportieren, fördern Titel wie <Lake Tahoe> und <Under My Sheets> ihre Rock'n'Roll-Wurzeln zutage. Bei den Parodien wie <Dr Papst> und <So Long> offenbaren sie zudem ihr komödiantisches Talent. Hier ist es ratsam, das Hirn auf Standby zu schalten, um die Energie für die Lachmuskeln aufzusparen." Ende des Eigenlobes, wow! Ehrlich gesagt hätten Red Shoes solche Plattitüden gar nicht nötig. Der PlaceboText trifft zwar 100 Prozent ins Schwarze, doch wer diese Musik unbeeinflusst hört, wird auch so begeistert sein wie der Schreibende. Denn das ist im wahrsten Sinne dieses ausgelutschten Wortes aufgestellte Popmusik mit verschiedensten Ingredienzen, von HonkyTonk-Piano bis zu heisser Blues-Parodie. Ausserwöhnlich die hohe Stimme von Sänger Josua Romano. Diese allein macht aus diesem abwechslungsreichen Produkt ein ganz Spezielles. Auf der Gurten-Waldbühne, in der Arena Thun sowie beim "Heitere" in Zofingen erspielten sie sich zudem bereits einen Ruf als mitreissender Live-Act.

ROBERTO BRIGANTE Roberto Brigante www.robertobrigante.ch hef. Noch ein Berner Singer/ Songwriter, diesmal der Cantautore Roberto Brigante. Der Italo-Schweizer nennt sich selbst "der singende Plättlileger aus Thun"; er besitzt ein eigenes Bodenleger-Geschäft. Der aufgestellte Südländer mit dem schwarzen Beret als Markenzeichen hat zuvor mit "Poesia", "Va Bene!", "Pronto", "Piccante" und "Strada del Sole" bereits fünf Alben herausgegeben, eines gefälliger als das andere. Kein Wunder konnte er bereits über 15 000 Tonträger absetzen. Roberto ist auch in Sachen Live-Konzerte ein Vollprofi, obwohl die Musik für ihn Hobby geblieben ist. Über 350 Konzerte und diverse TV/Radio-Auftritte in der Schweiz, Italien und Deutschland



gehören wie die veröffentlichten CDs zu seinem Palmarès. Von seinen Profi-Musikerkollegen wird Roberto ebenso ernst genommen wie von mir. Sonst hätten sich wohl Leute wie Gölä, Pippo Pollina, Jane Bogaert, Tom Glatthard & Kusi wohl kaum für Duette mit ihm zur Verfügung gestellt. "Due Cuori, une vita, questa e la mia realita", zwei Herzen und ein Leben sind meine Realtität, sagt Roberto nach dem Motto "zwei Herzen schlagen in meiner Brust" über sein bis dato persönlichstes Album. Roberto ist ein talentierter Songschmied und Texter, der alle seine Gefühle in die acht neuen Songs dieses Albums legt. Bravo!

SCHALTKREIS WASSERMAN SKW Private Records rp. Bevor PJ Wassermann zusammen mit seiner leider 2011 verstorbenen Frau Stella mit dem Matterhorn Project (ich sag nur «Muh!») seinen Ruf als ernsthaften Musiker etwas ramponierte, brachte die beiden unter dem Namen Schaltkreis Wassermann die in der Elektronik- und Minimalmusik-Szene vielbeachte LP «Psychotron» (1980) heraus. Diese wurde 2005 bereits als CD mit vier Bonustracks und 2014 als Vinyl ohne Bonustracks wiederveröffentlicht. Die Doppel-LP «SKW» mit dem an «Psychotron» angelehnten Cover macht jetzt noch mehr schwer erhältliches Material von Schaltkreis Wassermann erhältlich. Zum Beispiel die beiden Tracks der sehr raren Single «Sex Is Out, Ich bin geklont» (1981). Daneben findet sich auch die zweite rare Single «Space Shuttle» (Signet aus Dr. Bruno Stanek's "Space Shuttle" TV Serie) zusammen mit der BSeite «Hyperspace». «Space Shuttle» ist ebenfalls in der längeren Maxi-Version enthalten. Die beiden späteren Tracks «Why» und «Lux» von 1986, ebenso schwer erhältlich, wurden überdies auf das Album gepackt. Gerade das an Kraftwerk erinnernde «Why» wäre wohl die logischere Weiterentwicklung des Schaltkreis Wassermanns Sounds gewesen als Matterhorn Project. Interessant ist auch die elektronische Neubearbeitung des Booker T & The MGs Klassikers «Time Is Tight» und das ebenfalls unveröffentlichte leicht orientalische angehauchte « Arabesque». Schade ist dafür, dass ausser einem Poster keine weiteren Infos zur Doppel-LP gelegt wurden.

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THE COMPANY OF MEN I Prefer The Company Of Men Mental Groove Records rp. The Company Of Men ist eine Art Westschweizer Indie-Supergroup. Die Gebrüder Chris (Favez) und Greg Wicky (Chewy, Pendleton) haben sich für «I Prefer The Company Of Men» mit Sandro Lisci (Chewy, Rosqo) und Jean-François Albelda (Yellow Teeth, Favez) zusammengefunden. Unbescheiden im Albumtitel, bescheiden im zumeist nachdenklich behutsamen wohligen Indiefolk-Pop. Auffallend die wunderbaren immer wieder mehrstimmigen Gesangsharmonien (alle vier Herren singen). Der Auftakt, das über fünfminütige «Ten Thousand Voices» beginnt wie ein flüchtiger Hauch («Singing Like Ghosts»), bis stampfende Drums und Gänsehaut-Breitwand-Harmoniegesang zum Chorus einladen, die aber alsbald wieder in der behutsamen Ruhe «der zehntausend Stimmen» verschwindeen. Beim zuerst etwas trocken und zurückhaltenden «Most Peculiar Man» geht im wunderbar himmlischen Chorus die Sonne auf, einfach «Doodoodoodoo». Wohlige Gänsehaut garantiert. Am dezent rauen «Hurrican Season» hätte auch ein Neil Young seine Freude. «Fran?ois Cevert» ist eine, für einmal Piano basierte, Ehrerbietung an verstorbene Autorennfahrer. Wieder blüht der Song im Chorus auf. Der Höhepunkt von «I Prefer The Company Of Men» bildet die wunderbare Indiepop-Nummer «All The Ladies». Von Chorsängerinnen wie Shirley Grimes, Muriel Rhyner (Delilahs) und Heidi Happy unterstützt, ist besagter Song eine 3 Minuten und 33 Sekunden lange Wohltat. «I Prefer The Company Of Men» ist definitiv eines der besten Schweizer Indiepop-Alben 2016.

THE RAMBLING WHEELS The Four Hundred Blows Irascible rp. Nach vier Studioalben veröffentlicht der 2003 in Neuchâtel ins Leben gerufene Vierer The Rambling Wheels ihr erstes Livealbum. Aufgenommen wurden die sechzehn Song im Théâtre de la Poudrière in Neuchâtel. Der grösste Teil der Songs stammt aus ihrem letzten Werk «The Thirteen Women Of Ill Repute»,

drei wurden von «The 300'000 Cats Of Bubastis» entnommen. Vier von «Furry Tales», einer von ihrem ersten selbstbetitelten Werk von 2005. Nur der Ukulelensong «If The Rain Falls (There's No Fun)» ist auf keiner ihrer Veröffentlichungen zu finden. Zumindest gibt es dazu ein lustiges Youtube-Video. Genau die optische Komponente fehlt den Songs zuweilen. Das Publikum vor Ort mag damals ihren Spass gehabt haben. Auf Tonträger kommt das zu wenig rüber. Das richtige Live-Feeling will sich nur vereinzelnd einstellen. Und immer wieder klingen die Studioaufnahmen vergleichsweise frischer, kantiger und rauer, was ihrem Indierock besser steht. «Somewhere To Go» aus «The 300'000 Cats of Bubastis» klingt live zu brav. Das GaragenrockFeeling inklusive knarzigem Bass kommt nicht rüber. Und der Abschluss, die temporeiche Garagenrocknummer «Mr. Potato Head On E's», klingt live wie ein Song von Inxs. The Rambling Wheels sind eine tolle Band. Das Geld für dieses Livealbum hätten sie aber lieber in ein neues Studioalbum investieren sollen.

THE MONSTERS The Jungle Moise Recordings Voodoo Rhythm hug. Das ist keine Albumbesprechung, das ist ein Loblied auf die schönschrägste Garagenband der Schweiz mit der längsten Ausdauer Europas: Seit 30 Jahren ruinieren die Monsters nun schon jede Party, auf der sie aufkreuzen. Seit 30 Jahren betreibt Kopf und Sänger Reverend Beatman alias Beat Zeller das Label Voodoo Rhythm und veröffentlicht darauf unermüdlich Garagenrock aus der ganzen Welt: Ein Kenner und Freak auf seinem Gebiet. Für die Fans von trashigen Gitarren ist jeder Release ein Leckerbissen und Beat-Man somit ein Held des Untergrunds und seine Monsters die Trashband der letzten drei Jahrzehnte. Wir verneigen uns vor den Monsters und bezeugen ihnen Ehre. Weil Geld kann man ja mit dieser Musik nicht machen. Was wiederum zu noch mehr Ehre gebührt! Das vorliegende Album ist übrigens ein Rerelease aus den ersten Jahren der Monsters. Zur richtigen Feier des Jubiläums erscheint dann im Herbst ein richtig neues Album der Monsters.

I.EXPLODE.I „…vo läbä, tod und dräckigä hünd“ Barrymore & Flare Rec. Co. mh. „Drei Mannen aus St. Gallen spielen Punk Rock“, so liest man auf der facebook-Site von i.explode.i, kurz und prägnant. Was daran ungewöhnlich ist, ist der Fakt, dass die Band ihr Album im breiten St. GallerDeutsch eingesungen hat. Ein sehr mutiger Schritt. Es kann nämlich geschehen, dass man manchmal ein wenig voreingenommen ist, wenn es um Schweizer Bands geht und oft sind diese Zweifel auch gerechtfertigt - im Falle von i.explode.i allerdings unbegründet. Denn wenn man sich auf die Scheibe und deren Texte einlassen kann, dann ist das Album ziemlich gross- und einzigartig, druckvoll, mit einer sehr tollen Stimme und einer druckvollen Produktion. „…vo läbä, tod und dräckigä hünd“ folgt auf die EP „Golden Boats“ aus dem Jahr 2014, worauf noch in Englisch gesungen wurde. Mit dem Schweizerdeutsch sticht die Band jetzt eindrücklich aus dem Punk Rock-Topf raus. Die Töne, welche diesem Silberling entlockt werden können, erinnern an Bands wie Backyard Babies oder The Bronx. Fazit: huärä geil!

THE FRIDGE Campus EP Red Brick Chapel rp. Für «Draw The Plot» (2012) hatte die Zürcher Band The Fridge um Sänger, Gitarrist und Songwriter Christian Müller noch auf die tatkräftige Hilfe von James Gruntz (Produzent, Aufnahme, Abmischung) gezählt. Ihr neues Werk, die Vinyl-EP «Campus EP» ist ohne ihn entstanden. Stimmungsmässig sind vier Indiefolk-PopSongs aber nicht unähnlich. Nachdenklichkeit bis zuweilen düster ist die Stimmung. The Fridge üben sich auf der EP meistens in Reduktion. Gerade die ersten drei Nummern kommen mit instrumentaler Zurückhaltung aus, aber mit Kontrasten. Der Auftakt «Portrait & Landscape» wird von FeedbackGitarren aufgeweckt. In «Only Fault» und dem Schweizerdeutsch gesungenen «Los Mou Zue» werden dezente Bläser dazwischen platziert. Der Abschluss, das indierockige «There Is Nothing You Can Not Be», wird von düsterer Elektronik eingeläutet. Der Song hellt dann aber zusehends auf.


FUELED BY GRACE The Rising Fueled Records ip. Mack Schildknecht ist in der Hardrock-Szene ein Begriff, denn der Gitarrist steht auch mit China auf der Bühne. Dem Castingformat Voice Of Switzerland klaute er vor drei Jahren kurzerhand Sänger Chahid Stuber und gründete dann zusammen mit Drummer Alain Ackermann und Tobias Zürcher am Bass die Band Fueled By Grace. Das Quartett hat sich offen- und hörbar gefunden, denn auf „The Rising“ gibt es elf schicke, hardrockende Songs, die eigentlich durch die Bank im besten Sinne Radioqualität besitzen. Vor allem und in unbedingt erster Linie klingt Fueled By Grace stimmig, eigenständig und wie aus einem Guss. Man merkt, dass mit Schildknecht ein Erfahrungswert hinter den Songs und Arrangements steht. Wer nach dem Haar in der Suppe sucht, der könnte eventuell geschmackstechnische Diskussionen zur Produktion auslösen. Die sind allerdings im Vergleich zum richtig guten Songmaterial zu vernachlässigen und da Geschmäcker eh einfach nur Geschmäcker

sind, kräht da kein Hahn nach. Ganz grosser Pluspunkt sind die teilweise genialen Hooks von Sänger Stubi, die man schlicht nicht mehr aus dem Ohr bekommt. Die coole Socke unter den elf Nummern ist „Addicted“, die Abrissbirne kommt in Form von „Desire“ und warum das dramatische, nach Alter Bridge schnuppernde „Sarah“ erst als letzter Song steht, muss man beizeiten mal nachfragen. „The Rising“ ist nicht nur in physischer Form ein rundes Album, sondern auch inhaltlich und macht durchgehend Laune. Live entfaltet das Gesamtpaket wahrscheinlich seine geballte Intensität und deshalb sollte man zum nächsten Konzert gehen und sich direkt vor Ort die CD für zuhause besorgen.

VALE TUDO Stone Cold Heart Subversiv Records lg. Die seit 2006 bestehende Hardcore Band Vale Tudo aus Zürich formierte sich aus der Asche von Px-Pain, und gehört mittlerweile zur Speerspitze des Hardcore Made in Switzerland. Viele Gigs in der Schweiz und im Ausland, drei Alben sowie eine mittels Doku - Film namens „A Trip, not a Tour“ festgehaltenen Mini-Tour in Marokko zementierten den guten Ruf der Band. Stilistisch bedient sich der Fün-

fer bei den grossen Hardcore Bands wie Cro-Mags, Madball oder Sick Of It All und versetzt den Sound mit einer gehörigen Thrash-Kante. Das neue und vierte Album "Stone Cold Heart" drückt den Hörer mit seiner Wucht und dem perfekten Sound wahrlich in den Sessel. Die ultimativen Qualitäten der Band offenbaren sich allerdings erst bei den sehr brachialen LiveAuftritten.

“Homebound“ aber ein durchaus interessanter Erstling, der dem Hörer meistens keine schwere Last auferlegt. Der Song “Is This Love“ klingt gleichzeitig vertraut, dabei aber auch durch den verzerrten Gesang sehr merkwürdig. “Devil On The Backseat“ ist bei David Bowie zu Hause. Langweilig wird es bei “Homebound“ sicher nicht.

THE GREAT LIGHT OF SLOW

THE UPRISING

Homebound Eigenvertrieb kw. Im ersten Moment will man “Homebound“ als Grunge oder ähnliches klassifizieren, vor allem wenn man “Good Life“ (Anspiel tipp) hört, das sich irgendwo zwischen fantastischer Tragik, Düsterkeit und Überlebenswillen findet. Jedenfalls passt das neue Album nicht wirklich in den Grunge, weil The Great Light Of Slow feiner sind. Die Band bietet durch den Gesang, das Klavier und die Gitarren immerzu eine ganz einmalige Stimmung. Alternativ beschreibt es wohl am besten. Spannend ist, wie man ab und an das Gefühl bekommt, dass sich die Musik nicht vom Fleck bewegt. Kann zwar gefährlich werden, wenn man als Hörer ein wenig ratlos zurückgelassen wird. Alles in allem ist

Exiled Eigenvertrieb lg. Die Death-Metal/MetalcoreBand aus der Ostschweiz kann mit "Fear The Truth" bereits eine Albumveröffentlichung vorweisen. Mit "Exiled" folgt nun eine 3-Track EP, welche den eingeschlagenen Weg noch konsequenter fortsetzt: Es herrscht melodiöser Death Metal vor, der vom in der Tat sehr krassen Brüllorgan von Sänger Andreas Sager lebt. Die Tracks "Exiled", "In Vain" und "Love Suppressed By Hate" ballern alles gnadenlos weg, wobei das kurze "In Vain" am besten kommt. Die EP ist für ein Demo mehr als gelungen und stellt auch die erste Vorproduktion für das für 2017 angedachte zweite Album der Band.


Angst ist ein schlechter Begleiter

HENÄ Die Geschichte von Henä ist wie ein "déjà vu". Sie erinnert an das Märchen von Gölä, dem Bauarbeiter, der Lumpeliedli schrieb und sie mit einer TopBand einspielte – für schlappe 20 000 Franken. Um dann mit "Uf u dervo" 300 000 Alben abzusetzen. Henä ist gelernter Chemie-Laborant, nahm das Mundart-Album "Mängisch" auf

hef. Bei allem, was Henä anpackt, ist es in erster Linie die Leidenschaft, die zählt. Am Anfang stand neben der Musik lange Zeit das Kunstturnen im Vordergrund, der Sport allgemein. "Bereits als kleiner Bub wusste ich, eines Tages mache ich nur noch Musik", erzählt Henä aka Heinrich Müller. Neben seiner beruflichen Tätigkeit – Henä besitzt einen eigenen KMU-Betrieb mit drei bis sechs Angestellten – gründete er mit Freunden eine eigene Band, "Trottoir", und tingelte durch die Clubs rund um Bern und Lyss. 2013, zum 75. Eidgenössischen Turnfest in Biel, entstand die Mundartversion des alten Turnerliedes "Turnerluscht". Dieser Song von Trottoir gilt seither als offizielle Hymne der riesigen STVFamilie. Doch Songschreiber Henä, der schon seit Beginn der Band für

HENÄ Mängisch Irascible hef. Gölä war und ist Bauarbeiter. Henä war Chemie-Laborant und ist jetzt KMU-Besitzer mit mehreren Angestellten. Beide singen in Berner Mundart. Gölä zusätzlich auf Englisch, Henä auch auf Französisch. Beide sind Segler. Während sich Gölä noch in währschaften Segeltörns am Rande der europäischen Küsten versucht, hat Henä schon vor 20 Jahren den Atlantik per Segelboot überquert. Damit enden die Parallelen der beiden Berner Musiker. Gölä ist im Herzen ein Rocker. Henä mag es eher sanft, ist auf seine Art ein Romantiker. Er beschreibt auf seinen sehr persönlichen Liedern vor allem seine Gefühle, sein Leben, seine

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Lieben (er hat mit seiner Frau drei Kinder), seine Lebenseinstellung, Themen einfach, hinter denen er stehen kann. Henäs Musik scheint anzukommen. Die Lokalradios quer durch das Land spielen seine Lieder rauf und runter. Auch Schweizer Radio SRF 1 hat Henä entdeckt und drei seiner Songs auf Heavy Rotation genommen. Folge: Das Album stürmte Mitte Mai direkt auf Platz 8 der Hitparade. "Zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Leuten am richtigen Ort zu sein", so beschreibt Henä sein Erfolgsrezept. Und die richtigen Songs zu schreiben, sagen wir. Jahrelang war er als Sänger mit der Gruppe Trottoir, für die er die meisten Songs schrieb, in der Schweiz unterwegs. Das wird er auch weiterhin tun, nur ab sofort unter seinem eigenen Namen Henä (bürgerlich heisst er Heinrich Müller wie der einstige TV-TagesschauModerator, der mittlerweile auch als

Sänger mit mehreren Platten im Gepäck unterwegs ist). Henäs Themen sind seine Familie ("Ich bin ein Familienmensch"), seine Vergangenheit – und die Musik. "Irgendwenn isch geng" ist eine Hommage an die Musik. Aufgewachsen mit den Liedern von Heino und Harry Belafonte, die er als Kind im Fond des Autos seines Vaters hörte, wurde Henä hauptsächlich von seinem grossen Idol Peter Reber, von Stephan Eicher sowie von den Cracks der Berner Szene, Polo, Rumpelstilz, Mani Matter, Patent Ochsner, Züri West, inspiriert. Und von ABBA, denen er aufgrund seiner traumhaften Melodien gut zugehört zu haben scheint. Auch wenn Henä bereits 45 ist: Dies ist der Start zu einer wunderbaren Karriere. Wetten?


die Mundartlieder von Trottoir verantwortlich zeichnete, fand es an der Zeit, seine eigenen Titel unter eigenem Namen zu verwirklichen. In Zusammenarbeit mit dem Produzenten Christian Hänni von der Band "Halunke" entstand in den Mazzive Sound Studios, für Henä ein "Siegel für höchste Qualität", sein erstes Soloalbum "Mängisch". "Nach dem Motto, mängisch muss man halt einen Schritt weiter gehen, Neues wagen und die Strassenseite wechseln", sagt Henä. Seine Lieder erzählen vom Auf und Ab des Lebens, vom Sein und Wollen, vom Hin und Her. Henä hat einiges zu erzählen. Und jetzt kommt der wichtigste Punkt. Der begabte Songschmied Henä verpackt seine Geschichten in melodiöse Soundperlen, so sanft und emotionell, dass die Radios landauf, landab auf diesen "neuen Gölä" aufmerksam wurden. Seitdem auch Schweizer Radio SRF 1 gleich mehrere seiner Songs täglich im Äther rotieren lässt, wurde die Vorgabe HitparadenPlatzierung recht schnell Tatsache. Im kommenden Sommer macht Henä erstmal zwei Monate Pause. In der Zwischenzeit wurde aus Trottoir die Henä Band. Das fanden auch die Mitglieder von Trottoir sinnvoll nach dem Hitparadenerfolg ihres Sängers und Komponisten. Unter diesem Namen geht es dann im Herbst auf Schweizer Tournee. "Für die Open-AirSaison kam das Album leider viel zu spät", bedauert Henä. "Aber ein paar kleinere Gigs stehen trotzdem an." Die Pause nützt Henä zum Schreiben neuer Songs. "Dafür ziehe ich mich jeweils in mein Musikzimmer zurück. Kürzlich reiste ich vier Tage nach Zermatt, wo ich mich einigelte und intensiv an neuen Liedern arbeitete. Zuhause zu arbeiten ist im partnerschaftlichen Sinn nicht optimal. Meine Frau sagt dann jeweils zu mir, <du schaust mich zwar an, aber du siehst mich nicht>, dermassen versunken bin ich in den kreativen Prozess. Da hat sie sicher recht. Beim Songschreiben kann ich mich völlig vergessen." Der Vergleich mit Gölä und Henäs Idol Peter Reber ist nicht abwegig, weder musikalisch noch im Wesen. Denn auch Henä ist ein Abenteurer. Reber segelte über den Ozean in die Karibik, wo er jahrelang auf dem Schiff wohnte und Songs schrieb. Gölä segelte kürzlich von Holland Richtung Afrika und hat noch weitere Abenteuer-Pläne. Die hat Henä schon lange hinter sich. Bereits 1995 schaffte er mit seiner damaligen Lebenspartnerin die Ozean-Überquerung, die Velos im Gepäck auf dem Schiff dabei, und landete auf der Karibik-Insel St. Lucia. Dort ernährten sie sich in den ersten Wochen hauptsächlich von Kokosnüssen und Rum. "Wir brauchten nicht viel", erinnert sich Henä. "Wir lebten sehr bescheiden. Von dort ging es weiter nach Martinique, das gehört noch heute zu Frankreich. Die Idee, über Kuba nach Mexico zu reisen, kostete Henä 20 Tage. Weil sie die Schnapsidee hatten, zuerst ein Visum zu beantragen, das sie als Schweizer Staatsbürger eigentlich gar nicht benötigten. Sie brauchten 20 Tage, um das herauszufinden. Die zwei Globetrotter schafften es dann doch und kurvten mit ihren Velos erstmal über die Zuckerinsel. "Es herrschte ein fantastisches Klima zum Velofahren; im Mai war es schlappe zehn Grad warm. Nach einem Jahr in Mexico und Zentral-Amerika kehrte Henä Ende 1996 in die Schweiz zurück. Henä: "Ich war voller positiver Energien, total erholt, voller Eindrücke und sehr weltoffen. In den Jahren in Latein-Amerika lernte ich Demut und Bescheidenheit. Die Menschen dort rennen nicht täglich nur dem schnöden Mammon hinterher. Auch wenn sie nichts haben, geben sie dir die Hälfte von nichts oder sogar mehr. In anderthalb Jahren auf der Reise erlebten wir nur gerade zwei Diebstähle, den ersten bereits am dritten Tag – am Bahnhof-Kiosk in Yverdon. Angst hatten wir nirgends, denn Angst ist ein schlechter Begleiter."


ReReleases, Best Of, Tributes

KRIS KRISTOFFERSON Umfassende Werkschau zum 80. Geburtstag Singer/Songwriter, Aktivist, Schauspieler - Kris Kristofferson ist eine lebende Legende der amerikanischen Pop-Kultur. Seine Kompositionen „Me And Bobby McGee“ und „Help Me Make It Through The Night“ sind weltweite Klassiker, aber nur zwei Songs aus dem riesigen Repertoire des Amerikaners. Am 22. Juni wurde Kristofferson 80 Jahre alt und zu diesem Jubiläum gibt es nun ein Box Set, in dem alle seine regulären LPs aus den Jahren 1970 – 1981 enthalten sind und somit auch seine erfolgreichsten Songs.

hh. Bereits 1966 gelang Kristofferson ein erster kleiner Erfolg, als der Countrymusiker Dave Duddley seine Komposition „Viet Nam Blues“ herausbrachte. Damit hatte sich Kristofferson einen Namen in der USCountryszene gemacht und die Grossen der Szene wie Roger Miller und Johnny Cash machten seine Songs zu Hits. Aber es sollte erst Janis Joplin's Version von „Me And Bobby McGee“ sein, die den Amerikaner auch ausserhalb der USA erfolgreich und bekannt machte. 1972 wurde sein Song „Help Me Make It Through The Night“ in der Version von Sammi Smith mit zwei Grammys ausgezeichnet. Seine Ehe mit der ebenfalls sehr erfolgreichen Sängerin Rita Coolidge war musikalisch ebenfalls sehr erfolgreich. Die beiden wurden als bestes Duo gleich drei Mal mit einem Grammy bedacht. Aber auch als Solokünstler gehörte Kris Kristofferson in den 70ern zu den beliebtesten und erfolgreichsten Singer/Songwritern der USA. Das jetzt veröffentlichte Box Set „The Complete Monument & Columbia Album Collection“ präsentiert die umfassendste Anthologie des Künstlers, die je zusammengestellt wurde und enthält 11 Studioalben (im Pappschuber mit dem Original-Cover-

Artwork), die Kris Kristofferson von 1970 bis 1981 eingespielt hat. Dazu kommen fünf Bonus-CDs mit unveröffentlichtem oder seltenem Live- und Studiomaterial aus der goldenen Ära des Künstlers, die er auf den Labels Monument und Columbia feierte. Die Sammler werden sich dabei besonders über drei rare Konzertmitschnitte (zwei davon waren bislang nicht erhältlich) aus den Jahren 1970 bis 1972, Kristofferson-Singles, die nie auf LP erschienen, Studio-Outtakes und unveröffentlichte Demos freuen. „The Complete Monument & Columbia Album Collection“ enthält zudem ein Deluxe Booklet, das Essays und Liner Notes enthält, die eigens für dieses Box Set verfasst wurden. Den Einleitungstext schrieb Fred Foster, der visionäre Labelgründer von Monument Records, der Kristoffersons Debüt aus dem Jahr 1970 veröffentlichte. Seine Ausführungen werden von einer künstlerischen Würdigung ("Kris Kristofferson True American Hero") aus der Feder des legendären Musikers und Produzenten Don Was und einem aufschlussreichen Porträt des angesehenen US-Journalisten Mikal Gilmore ergänzt.

TINY TIM The Complete Singles Collection (1966-1970) Cherry Red Records rp. Einiges war etwas anders bei Tiny Tim (Figur aus Charles Dickens' A Christmas Carol), der eigentlich Herbert Khaury hiess und 1932 in New York geboren wurde. Der Hüne, Tiny Tim war 1,90 Meter gross, hatte eine markante Hakennase, langes, lockiges Haar, ein breites Grinsen, das sein Pferdegebiss gut zur Geltung brachte, verfügte über eine gehörige Portion Selbstironie (Sein Künstlername, Songs wie «Am I Just Another Pretty Face») und irritierte und unterhielt immer wieder mit schrillen Interpretationen von Fremdmaterial. Sein grösster und leider einziger Hit, die Vaudeville-Nummer «Tip-Toe Thru' The Tulips With Me» (Das Original stammt von 1929)

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gab er mit einem überkandidelten Falsettsopran zum Besten. Tulip (Tulpe), taufte er auch seine Tochter, die er mit seiner ersten Frau Victoria Mae Budinger zeugte. Tim hatte Victoria übrigens 1970 als 17-jährige vor laufender Kamera geheiratet. Der Numer-17-Hit «Tip-Toe Thru' The Tulips With Me» war damals, 1968, wahrscheinlich ein ähnlicher Fremdkörper wie «They're Coming To Take Me Away, HaHaaa» von Napoleon XIV zwei Jahre zuvor. Aber genau dies braucht unsere allzu konforme Welt von Zeit zu Zeit. Eine Erinnerung daran, dass anders sein okay ist. Tiny Tim's, der es liebte Ukulele zu spielen und mit einer begraben wurde, erfrischende Eigenständigkeit war ein Lichtblick in der Eintönigkeit der damaligen Zeit. Ein Tiny Tim würde auch unserer heutigen Zeit gut tun. Zumindest erinnern uns Songs wie «April Showers», «On The Good Ship Lollipop», «Mickey The Monkey», «Tip-Toe Thru' The Tulips With Me» und seine Eigenkomposition «The Spaceship Song» daran, dass man nie aufhören sollte, seinen eigenen Weg zu gehen. Tiny Tim tat dies bis zum Schluss (er starb 1996).



REVIEWS Blues/Soul/World HONEY ISLAND SWAMP BAND Demolition Day Ruf Records hh. Dass diese Band aus New Orleans kommt, ist unüberhörbar. Diesen speziellen laidback Groove haben eben nur Musiker aus Crescent City. Auf ihrem vierten Longplayer, warm, transparent, einfach hervorragend produziert vom „Chef“ der US-Roots-Musik Luther Dickinson, begeistert das Quintett wieder mit einer Handvoll klasse Songs irgendwo zwischen The Band und North Mississippi All Stars, mit gelegentlichen Rolling Stones Sprenkeln. Damit werkeln sie in unmittelbarer Nähe einer anderen grossen New Orleans Band, den

schmerzlich vermissten The Subdudes. Musikalisch ist das ganze Werk überwiegend akustisch gehalten, mit tollen Slidegitarren und gefühlvoller Lap Steel . Alle Songs haben trotz der grossen Entspanntheit eine maximale Tiefenwirkung, berühren und treffen oft genug direkt die Seele. Für ihren Sound hätte sich die Truppe keinen passenderen Bandnamen aussuchen können. Das ist der echte, unverfälschte Sound, den man aus den Clubs des French Quarters hört. Grosse Klasse. Wer New Orleans kennt und liebt, wird beim Hören dieses Albums die eine oder andere Heimweh-Träne vergiessen. Und wie bei allen guten Platten mit Langzeitwirkung, viele Songs auf „Demolition Day“ entwickeln ihren Glanz erst richtig mit mehrmaligem Hören.

BEN POOLE Time Has Come Manhaton Rec/ Soulfood ub. Bereits von 2008 – 2011 tourte er als Leadgitarrist der Blues Lady Dani Wilde durch ganz Europa. Danach gründete er seine eigene Band. Erst 2013 folgte die beeindruckende Debüt-LP „Let's Go Upstairs“, weshalb er noch immer als Newcomer-Act gilt. Derzeit zählt Ben Poole zu den vielversprechenden Talenten der britischen BluesrockSzene. Ein weiterer Meilenstein seiner Karriere war die Einladung zum BluesFest London. Dieses Konzert wurde mitgeschnitten und im Oktober 2014 unter dem Titel „Live At The Royal Albert Hall“ veröffentlicht. Der von Kritikern geliebte Brite veröffentlicht nun sein zweites Studioalbum. „Time Has Come“ wurde in den Superfly Studios zusammen mit Produzent Wayne

Proctor und Engineer Andy Banfield aufgenommen. Ganz ordentlich rockt der Opener „Lying To Me“ sogleich los, doch Pooles sanfte Stimme will nicht recht zu den harten Riffs passen. Satte Soul-Blues-Nummern wie „I Think I Love You Too Much“ oder feinmaschige Balladen wie „You've Changed“ stehen dem 28-Jährigen Songwriter aus Brighton um einiges besser. Seine Gitarrensoli sind gewiss hervorragend und spielen in der oberen Liga. Das vielseitige Spiel trägt eine eigene und schöne Handschrift. In der Folge kommt der Rest der Platte mit „Longing For A Woman“ mehrheitlich sehr soulig und sanft daher. „Stay At Mine“ hat etwas mehr Pfiff und erinnert stimmlich an den 80erVokuhila-Star Richard Marx. Poole ist definitiv kein roher Bluesman, sondern pflegt den feinen und filigranen Stil. Generell ist er in der Robert Cray- oder John Mayer-Ecke anzusiedeln und den Freunden des dreckigen Bluesrocks nicht uneingeschränkt zu empfehlen.

MUSIK zum LESEN ERIK KRIEK In The Pines – 5 Murder BalladsAvant Verlag Im März erschien das neue Buch des gefeierten niederländischen Künstlers Erik Kriek („Vom Jenseits, und andere Geschichten“), eine Graphic Novel, die düstere CrimeStories nach Texten klassischer US-Folksongs erzählt. Die „Murder Ballad“ - in Deutschland auch als Moritat bekannt - ist das Herzstück der amerikanischen Folkmusik. In der angelsächsischen Tradition der Balladen, in denen das einfache, ungebildete Volk Geschichte und Fiktion zu Liedgut verdichtete und von Generation zu Generation weitergab, sind die Mörderballaden ungeschlachte, düstere Shortstories im Musikgewand, die wahre und erfundene Verbrechen besingen und an tragische Schicksale erinnern. Es sind Songs über unerwiderte Liebe, Verrat, Rache und den Tod. Musiker wie Bob Dylan und Johnny Cash haben die Mordballaden in den 70ern populär gemacht; heute sind es unter anderem Nick Cave und Steve Earle, die das Genre erneuern und mit eigenen Murder Ballads anreichern. In seiner düsteren Geschichtensammlung „In the Pines“ nimmt der niederländische Zeichner und Autor Erik Kriek fünf alte und neue Moritaten als Inspiration für fünf schaurige Erzählungen, die stets das Böse im Menschen suchen und finden. „Pretty Polly“ - nach einem alten traditionellen Folksong aus dem 18. Jahrhundert - ist eine maritime Rachemär über einen ungesühnten Frauenmord. „The Long Black Veil“, u.a. von Johnny Cash ein-gesungen, erzählt von den letzten Stun-den eines Unschuldigen vor seiner Hin-richtung. Gillian

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Welch, Steve Earle und Nick Cave lieferten die Songtexte für die restlichen drei Erzählungen. Erik Kriek - der 2014 mit seiner furiosen H.P. Lovecraft-Adaption „Vom Jenseits“ zum ersten Mal auf Deutsch in Erscheinung trat - ist aber nicht nur einer der talentiertesten Comickünstler Europas, sondern auch ein hervorragender Musiker. Und so liegt „In the Pines“ eine CD mit allen fünf zu den Murder Ballads gehörenden Songs bei, die Erik selbst mit der niederländischen BluegrassBand Blue Grass Boogiemen eingespielt hat. „In The Pines“ ist ein spannendes, sehr schön gezeichnetes Comicbuch, das in den Zeichnungen die düsteren, morbiden Geschichten hervorragend widergibt.

CHRISTOPH A.G. KLEIN Erfolgreich im Musikbusiness für Dummies Wiley-VCH Verlag hh. Du bist Musiker mit Leib und Seele und willst auf der Bühne oder im Radio gehört werden statt im Proberaum zu versauern. Christoph A. G. Klein zeigt, wie es geht: Denn gute Musik zu machen, reicht allein leider nicht aus. Von Marketing über Plattenverträge und Konzertveranstaltungen - Stolpersteine gibt es zur Genüge. In diesem umfangreichen und ausführlichen Leitfaden aus der „…für Dummies“ Ratgeberserie erfährt man alles über die verschiedenen Akteure im Musikgeschäft, wie man effektives Marketing betreibt, was bei Demotapes

und Liveauftritten beachtet werden muss/sollte und wie sonst noch mit Musik Geld zu verdienen ist. Dieses Buch ist praxisorientiert und beleuchtet alle wichtigen Aspekte des Musikbusiness. Zahlreiche Checklisten, Musterverträge und wichtige Adressen runden das Buch ab. Da das Werk aus deutscher Sicht verfasst wurde, sind natürlich einige Kapitel über die speziell deutsche Themen wie GEMA, GLV oder die Künstlersozialkasse nicht auf Schweizer Bedürfnisse/Gesetze zu übertragen – wie auch einige der hier abgedruckten Muster-Verträge nach deutschem Recht gefertigt wurden. Aber diese Kapitel kann man getrost überspringen, falls sie nicht doch für Schweizer Musiker, die direkt in Deutschland ihr Glück versuchen, relevant sind. Auch ohne diese spezifisch deutschen Themen bleibt jede Menge nützliches, hilfreiches und essentielles Material, mit dem sich jeder Musiker, der vorhat, mit seiner Leidenschaft seinen Lebensunterhalt zu verdienen, auseinandersetzen sollte. Der Autor Christoph A.G. Klein ist Fachmann und weiss genau, worüber er schreibt. Er ist Master Of Business Administration und Veranstaltungskaufmann. Klein war Dozent an der Akademie Deutsche POP und arbeitet seit 2001 in der Musikbranche. Seine Tätigkeiten reichen vom Bandbooking über Konzertveranstaltungen bis hin zu Promotionen und Kontakten zu Produzenten und Musikverlegern.


Blues/Soul/World REVIEWS

LIVE REVIEWS AVANTASIA

25.3.2016

Pratteln, Z7

Foto: Sonja Vaucher

ROYAL SOUTHERN BROTHERHOOD

NO SINNER

The Royal Gospel

Mascot/Rough Trade

Ruf Records hh. Zwei Jahre nach dem grandiosen Album „Don't Look Back“, in dem Bandchef Cyril Neville erstmals seine neuen Mitstreiter Bart Walker (gtr), Tyrone Vaughan (gtr) und Norman Caesar (kbds) vorstellte und das zu Recht eine Blues Music Award Nominierung erhielt, kommt die Louisiana-Soul/Funk/Blues-Truppe mit einem neuen Album an den Start. „The Royal Gospel“ wurde in nur 7 Tagen live im Studio eingespielt, ein Beweis dafür, wie sehr die Musiker inzwischen dank endloser Tourneen zu einer hervorragend harmonierenden Groove-Maschine zusammengewachsen sind. Überraschend Neues haben Cyril und seine Kollegen musikalisch nicht auf Lager, aber das hat auch wohl niemand erwartet oder gehofft. Sie machen das, was sie schon immer gemacht haben – und das machen sie auch auf „The Royal Gospel“ wieder vom Feinsten. Toller Louisiana bzw. New Orleans Groove, es bluest, funkt und rockt unterschwellig mit grosser Energie. Neben der herausragenden Bandleistung, einzelne Musiker besonders hervorzuheben ist sinnlos, hier hat jeder grosse Rasse und Klasse, ist natürlich Cyril Neville's Gesang Dreh- und Angelpunkt. Mit seiner warmen, soulvollen Stimme injiziert er den Songs dieses typischen Neville Brothers Feeling, das seine frühere Band zur beliebtesten New Orleans Band machte und die diesen speziellen Musikstil prägte. Dass die Songs aus Jams im Studio entstanden, ist den meisten deutlich anzuhören. Sie kommen frisch und spontan daher und lassen stets genug Raum für spannende Improvisationen. „The Royal Gospel“ ist ein typisches RSB Album, das für grosse Freude unter den Fans sorgen wird. Allerdings muss angemerkt werden, dass es bei aller vorhandenen Qualität songtechnisch nicht ganz die Klasse seines Vorgängers „Don't Look Back“ erreicht – aber es ist ihm sehr dicht auf den Fersen.

Old Habits Die Hard

ip. Colleen Rennison, Frontfrau der aus Vancouver stammenden Formation beschreibt den Kontrast zwischen No Sinners Debut und dem Nachfolger „Old Habits Die Hard“ wie folgt: „Das ist der gleiche Unterschied wie zwischen deinem High School Abschlussfoto und deinem ersten Polizeifahndungsbild.“ Und damit liegt sie auf jeden Fall absolut richtig. Die kanadische Bluesrock Band hat mit ihrem Debut „Boo Hoo Hoo“ schon eine recht grosse Fanbase überzeugt, legt mit ihrem neuen Album aber noch eine ordentliche Schippe Dreck obendrauf. Rennisons Gesang wird oft mit Aretha Franklin oder auch ansatzweise Janis Joplin verglichen, aber wo die genannten Vorbilder mit Weiblichkeit punkten, tritt Rennison burschikos Hintern. Oder, wie sie selber sagt, macht auf der Bühne den Robert Plant. Der würde im Röckchen zwar etwas albern aussehen, was die Intensität und Intonation angeht, stimmt aber auch der Vergleich ausserordentlich gut. Das betrifft auch den musikalischen Stil der Band, denn da hört man aus der sehr klassische Bluesrock-Grundlage einiges an Soul („Get It Up“) und viele subtile Led Zeppelin-Anleihen heraus, die ja von Haus aus natürlich in diese Schublade gehören. Ganz vorne dabei die Übernummer „Leadfoot“, der Stampfer mit Harmonica-Unterstützung, der Rennisons Gesang wohl mit am besten zur Schau stellt. „Friend Of Mine“ erinnert ein bisschen an Joss Stone und „When The Bell Rings“ ist ein düsteres Überraschungspaket gegen Ende des Albums. Insgesamt ist „Old Habits Die Hard“ extrem abwechslungsreich und aufgrund Colleen Rennisons wandelbarer Stimme und dem streckenweise überragenden Songwriting ein echter Ohrenschmaus für Bluesrocker.

mv. Avantasia, die ursprünglich vor vielen Jahren als einmaliges Metal-Oper-Projekt von Tobias Sammet (Edguy) gestartet wurden, sind nach unzähligen Chartalben und diversen meist total ausverkauften Tourneen mittlerweilen zu einer der grössten europäischen Metalbands avanciert und haben Tobi’s ehemalige Hauptband Edguy längst hinter sich gelassen (kommerziell aber vor allem auch in Sachen Songwriting-Qualität). Und so durften sich die Schweizer Fans im 2016 auf gleich zwei Konzerte hintereinander im Z7 in Pratteln freuen. Dass nach dem bärenstarken aktuellen Album „Ghostlights“ die Gigs ziemlich schnell ausverkauft waren spricht für sich. Aber was Tobi und seine riesige Musikermannschaft an diesem Abend boten, war schon absolut einzigartig und das Eintrittsgeld gleich zigfach wert. Welche Band spielt schon jeden Abend 3 ½ Stunden Hit für Hit dargeboten von einer ganzen Horde an genialen wie prominenten Musikern? Denn Tobi hatte es wieder einmal geschafft und mit Michael Kiske (Unisonic, ex-Helloween), Ronnie Atkins (Pretty Maids), Eric Martin (Mr. Big), Bob Catley (Magnum), Jorn Lande (Masterplan), Herbie Langhans (Sinbreed), Amanda Somerville, Oliver Hartmann (Gitarre), Sascha Paeth (Gitarre), Michael «Miro» Rodenberg (Keys), Felix Bohnke (Drums) und André Neygenfind (Bass) ein herrliches Ensemble für diese Tour zusammen zu kriegen, welches die Musik und den Spirit von Avantasia live erst so richtig zum Erlebnis machten. Und das Schönste war, dass es anscheinend keine Egoprobleme gab, jeder ergänzte den anderen und zusammen durfte man eine Art Metal-Musical der Superlative miterleben. Eine wahrlich geballte Ladung an Gesangspower und musikalischem Talent. Und die Freude war klar nicht nur im Publikum, vor allem Rampensau Ronnie Atkins, aber auch Jorn Lande oder Bob Catley strahlten um die Wette und man spürte eine riesige Spielfreude und den Enthusiasmus auf der Bühne. Und natürlich darf bei Tobi auch der Humor niemals zu kurz kommen. So war der kleine Mann auch heute wieder einmal nicht nur super bei Stimme sondern auch ein exzellenter Entertainer, welcher das Publikum fest im Griff hatte und herrlich unterhielt. Nicht zu vergessen natürlich die Songs selber, auch hier bot Tobi null Anlass zu Kritik. Bei 210 Minuten Setlist bekam so ziemlich jeder seine Lieblingssongs von Avantasia dargeboten. Dabei brachte Tobi neben unverzichtbaren Klassikern wie der Oberhymne „Reach Out For The Light“ oder dem bombastischen Hookmonster “Sign Of The Cross/The Seven Angels” von jedem Avantasia Album etwas, wobei „Stargazers“, „The Story Ain’t Over“, „The Scarecrow“ und „The Great Mystery“ am meisten Gänsehaut-Effekt erzeugten. Aber auch ganz neue Tracks wie der Setopener „Mystery Of A Blood Red Rose“, der Brecher „Ghostlights“ oder das phänomenale „Let The Storm Descend Upon You“ überzeugten auf der vollen Linie. Als beim grossen Finale schlussendlich alle Musiker gleichzeitig auf der Bühne standen und von Tobi nochmals einzeln vorgestellt und geehrt wurden, hatten Publikum wie Musiker alle ein grosses glückliches Grinsen auf dem Gesicht. Besser geht’s nicht und jeder hoffte, dass dies nicht die letzte Avantasia-Tour gewesen sein wird.

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LIVE REVIEWS ADELE

17.5.2016

Zürich, Hallenstadion

Foto: H. Elias Fröhlich

hef. So abgedroschen das klingt: Sie kam, sang – und siegte auf der ganzen Linie. Eine Wahnsinnsstimme, welche die teils eher flachen und langweiligen Songs vergessen lässt. Ein Bühnenbild, das einem den Atem verschlägt, vor allem diese riesigen Augen. Und eine Comedy-Show, die überhaupt nicht zur edlen Sängerin passt, dem derzeit wohl berühmtesten Popstar der Welt. Die sich so publikumsnah zeigte wie noch keine vor ihr und deren Stimme Gläser zu brechen imstande ist. Alles zusammen lässt am Ende, trotz zweier zäher Stunden, nur einen Schluss zu: überrragend! Ich habe sie alle gesehen, die berühmtesten, besten und erfolgreichsten Sängerinnen der Welt. Janis Joplin Ende der 1960er Jahre bei ihrem einzigen Europa-Konzert in Frankfurt. Tina Turner, mit der Ike & Tina Turner Revue als auch solo. Céline Dion im Hallenstadion sowie im FussballStadion Letzigrund. Whitney Houston ebenso wie Pink, Christina Aguilera, Britney Spears, Lady Gaga, Rihanna plus den weiblichen Superstar schlechthin, bevor Adele kam: Madonna. Das Rezept von Adele: mit dem kleinst möglichen Aufwand den ultimativen Effekt erzielen. Wobei kleinstmöglich bedeutet: keine Pyroshows und andere Effekte, die von der Show ablenken. Sondern die zwei riesigen Adele-Augen mit den langen gebogenen Wimpern und dem dicken schwarzen Lidstrich auf der die halbe Hallenseite überzogenen Riesenleinwand, hinter der sich, wie man später feststellen konnte, eine grosse Band mit Sängerinnen und Streichern versteckt. Diese schwarz umränderten Augen, die sich öffnen und schliessen, wirken fast bedrohlich wie "big sister is watching you". Und tatsächlich gibt es bei dieser Power-Stimme kein Entrinnen. Durch Mark und Bein geht sie, und trotz ihrer Lupenreinheit ist es ohne Ohrstöpsel kaum auszuhalten, zu eindringlich wirkt dieses ungeheure Stimmorgan auf die Ohren.

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Professionell, wie es sonst wohl höchstens in Las Vegas zur Norm gehört: Die Show – zum Glück ohne Vorprogramm – beginnt um Punkt 20.00 Uhr. Mit, klar doch, "Hello, it's me, from the other side." Der Anfang ist fast schon der musikalische Höhepunkt des Abends. Denn dieses Lied, weltweit auf Platz 1 der Hitparaden gelandet, ist eine Ballade, die einfährt, die einen packt und kaum mehr loslässt. Die ersten Töne nach der längeren Plattenpause legen den Sound-Teppich für ein grossartiges Konzert. Grossartig wegen der Attitüde des Mega-Stars. Adele ist eine witzige Entertainerin, mit typisch englischem Humor gesegnet, zuweilen recht vulgär, vor allem das teils nuttige, dreckige Lachen. Mein Gott, sie kommt so normal rüber, wie sie privat wohl auch ist! Die Sängerin mit der vollschlanken Leibesfülle würde man am liebsten an Ort und Stelle knuddeln. Von wegen Hollywood und Las Vegas, Madonna und Britney Spears: Adele trägt den ganzen Abend lang dieselbe dunkle Glitzerrobe. Tänzerinnen und Tänzer haben bei ihr nichts verloren. Um die Menschen zur Verzückung zu bringen, reicht Adeles Stimme samt Band, Streichern und Bläsern. Keine 007-Film-Ausschnitte auf der Riesenleinwand beim James-Bond-Song "Skyfall", einem weiteren Höhepunkt des Abends. Dafür fällt einmal mehr auf, wie gut dieses Lied ist, das Adele in zehn Minuten geschrieben haben will. Dann wird aus der unnahbaren Diva plötzlich der Mensch Adele, der das Publikum mit den Augen absucht, um Leute auszumachen, die sie auf die Bühne zu holen gedenkt. Sie scheint einen geradezu unglaublichen Spürsinn für die richtigen Fans zu haben. In praktisch jeder Show ihrer Welttournee stiftet sie Ehen und enge Freundschaften. Wie in Zürich Cory aus Michigan, der in der Limmatstadt einen Job suchte, um in der Nähe seines Freundes zu sein. Im


LIVE REVIEWS schnoddrigsten Dialekt verkuppelt Adele die zwei Homosexuellen, ohne vorab wohl zu wissen, dass Cory bereits einen Ehering in der Tasche hat, um seinen Martin auf den Knien um die Verlobung mit ihm zu bitten. Selfies mit der Diva natürlich inklusive, und zwar so lange, bis alle mit dem Resultat des Fötelis zufrieden sind. Egal, ob die Zeit läuft, wie lange da an der Bühnenrampe gequatscht und gelacht wird. Szenen so kitschig und schwülstig wie einige Adele-Songs. Die Nähe zum Publikum zeigt Adele auch, indem sie etwas zu ihren Tagen in Zürich erzählt, während hinten auf der Riesenleinwand die Limmat und die Häuser der Zürcher Innenstadt über den Bildschirm schweben. "Gestern war ich im Circus Nie", sagt sie. Ehemann Simon und Söhnchen Angelo natürlich dabei. "Spreche ich das richtig aus, Nie?" "Knie", schreit einer. "Am Abend dann besuchte ich das Konzert von Mumford & Sons. Ich sass da oben in der Loge. Ich denke, mitten unter Euch wäre das wohl besser rübergekommen." Allüren? Ein Fremdwort für Adele. Sie zählt sich zu denen, die da unten sitzen und sie anhimmeln. Grösstenteils Frauen und Mädchen, darunter ausnehmend viele Schwule und Lesben. Sie alle und viele andere mehr, auch Familien mit grösseren Kindern, verlustieren sich an 17 Adele-Songs. Titeln wie "Someone Like You". So viele Damenstimmen, die den Text Wort für Wort mitsingen, hat man im Hallenstadion noch kaum je gehört. Adele ist völlig verblüfft, schwärmt vom Zürcher Publikum. "Das ist jetzt erst mein drittes Konzert auf dieser Tour", säuselt sie. "Aber Ihr seid die mit Abstand lautesten bis anhin." Das Publikum applaudiert, schreit, kreischt. "Rumour Has It", eine der schnelleren Nummern, geht ab wie die Feuerwehr, das Bob-Dylan-Cover vom ersten Album "19", "Make You Feel My Love", lässt mit seinem bluesigen Touch und den vielen Molltönen die Härchen aufstehen. Mit der Zugabe zum Schluss nochmals Vollgas: "Rolling In The Deep", die Leute stehen längst und klatschen zum Rhythmus, zeigt, dass Adele Laurie Blue

Adkins aus Tottenham, London, die früher East 17 und die Spice Girls liebte, dass diese Adele auch eine Vergangenheit hat. Eine Vergangenheit in einfachsten Verhältnissen, das zeigen auch die eingeblendeten Kinderbilder von ihr beim Song "When We Were Young". Sie werde nach dieser Gewaltstournee wohl wieder eine längere Pause einschalten, drohte die Frau, die mit über 100 Millionen verkauften Tonträgern in der nächsten Zeit wohl kaum von einem anderen Rockstar überholt werden kann. Pause auch deshalb, weil die grosse Adele eine panische Angst davor hat, ihre Stimme zu verlieren und vor den Auftritten vor Lampenfieber jeweils fast stirbt, wie sie es selber sagt. 22.08 Uhr verschwindet Adele im Bühnenboden und winkt nochmals allen zu. Nach dem Schreiben dieser Kritik lese ich nochmals meine Konzertnotizen. Da steht folgendes: "Die Frau ist ein Vulkan, unglaublich sympatisch und publikumsnah, obwohl sie derzeit der grösste Popstar der Welt ist. Adele ist eine Stand-up-comedian, redet ohne Unterlass, holt dauernd Leute auf die Bühne, mit denen sie und das Publikum ihren Spass haben. Dazu hat sie eine Vulgarität drauf, die herzerfrischend ist, von "fucking shit" bis "shit shit shit shit", dazu ein nuttiges, dreckiges Lachen, sowas erlebt man nicht alle Tage. Doch leider schläft einem bei dieser teils sehr langweiligen Musik zuweilen das Gesicht ein. Die Power von Bass und Drums, unglaublich druckvoll, fahren voll in die Magengrube und machen vieles wieder wett. Etwas über zwei Stunden Adele – ein bisschen viel für einen gestandenen Musik- und Konzert-Kritiker. Aber rückblickend gesehen war es ein unglaubliches KonzertErlebnis, auch im Vergleich zu allem, was ich bisher im Hallenstadion gesehen habe. Für mich eine der fünf besten Shows aller Zeiten. Kurzum: Die Frau muss man einfach einmal gesehen haben. Quintessenz: So umwerfend Adele auch war – ein zweites Mal freilich würde ich mir das aber dann trotzdem nicht mehr antun. Foto: Gilbert Dupuis

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KONZERTKALENDER

präsentiert

ERIC BURDON & THE ANIMALS 2.9. Zürich, Volkshaus

IN EXTREMO 20.10. Zürich, Komplex 457

AMON AMARTH

BLIND BUTCHER, ZLANG ZLUT

FIDDLER'S GREEN

16.11. Zürich, Komplex 457

22.10. Luzern, Schüür

19.11. Pratteln, Z7

ANDREAS KÜMMERT & BAND

BLUE OYSTER CULT

GLASPERLENSPIEL

26.11. Pratteln, Z7

31.7. Pratteln, Z7

29.9. Bern, Bierhübeli

ARCH ENEMY

BLUES PILLS, KADAVAR

30.9. Zürich, X-Tra

21.9. Pratteln, Z7

22.10. Pratteln, Z7

HILLBILLY MOON EXPLOSION

AUGUSTA RAURICA LIVE: FISH,

BRUCE SPRINGSTEEN

3.9. Aarburg, Route 66 Festival

TANGERINE DREAM, LAZULI,

31.7. Zürich. Letzigrund

IN EXTREMO

TEN YEARS AFTER, C.THOMPSON …

BUDDY GUY

20.10. Zürich, Komplex 457

3.-11.9. Augst

5.7. Zürich, Kongresshaus

JAEL

BAD RELIGION

CARO EMERALD

15.9. Lyss, KUFA

11.7. Pratteln, Z7

3.11. Zürich, Kaufleuten

JETHRO TULL

BARCLAY JAMES HARVEST

CRAZY DIAMOND

13.+14.11. Basel, Musical Theater

21.11. Zürich, Volkshaus

11.11. Lyss, KUFA

JOHNNY CASH ROADSHOW

BASEMENT SAINTS

DAN BAIRD & HOMEMADE SIN

1.11. Pratteln, Z7

9.7. Olten, Coq d'Or

19.10. Luzern, Schüür

KISSIN DYNAMITE

29.7. Oppigen, Biohof

DEE DEE BRIDGEWATER

27.10. Pratteln, Z7

30.7. Etziken, Open Air

23.10. Luzern, KKL

KORPIKLAANI

BASCHI

DELAIN, EVERGREY

5.11. Solothurn, Kofmehl

15.10. Hunziken, Mühle

30.10. Pratteln, Z7

L'AME IMORTELLE

29.10. Kirchberg, Eintracht

DESTRUCTION, FLOTSAM&JETSAM

8.10. Pratteln, Z7

25.11. Lyss, KUFA

15.9. Pratteln, Z7

LAURA PAUSINI

2.12. Wetzikon, Scala

DIANA KRALL

20.10. Zürich, Hallenstadion

9.12. Baden, Nordportal

15.7. Zürich, Kongresshaus

21.10. Genf, Arena

10.12. Gelterkinden, Marabu

DONOTS

LIMP BIZKIT

16.12. Hasliberg, Wetterhorn

25.11. Zug, Galvanik

23.8. Zürich, Komplex 457

BEHEMOTH

ELEMENT OF CRIME

MANFRED MANN'S EARTHBAND

29.10. Luzern, Schüür

17.11. Luzern, Schüür

3.10. Pratteln, Z7

BEYONCE

ES BRENNT - WAS TUN

MANILLIO

14.7. Zürich, Letzigrund

9.7. Nufenen, OA Rheinwald

15.7. Bern, Gurtenfestival

BEN HARPER & INNOCENT CRIMIN.

23.7. Flüelen, Tells Bells OA

MARIA MENA

3.10. Zürich, Hallenstadion

6.8. Malans, OA

6.11. Zürich, Kaufleuten

BETH HART

EXODUS

METALSTORM Vol. 4: MOONSPELL,

6.7. Pratteln, Z7

8.8. Pratteln, Z7

BLACK SUN AEON, WOLFHEART,

BIRDY

FEUERSCHWANZ, IGNIS FATUU

CONTORSION, BLOODSTAINED GR.

27.9. Zürich, Kongresshaus

28.10. Pratteln, Z7

1.10. Luzern, Schüür


KONZERTKALENDER MINISTRY

STEEL PANTHER

31.7. Luzern, Schüür

8.8. Zürich, Komplex 457

MOTHERS FINEST

TARJA

8.9. Zürich, Kaufleuten

18.10. Pratteln, Z7

NADA SURF

THE BASEBALLS

16.11. Luzern, Schüür

13.10. Lausanne, Docks

NATHANIEL RATELIFF

14.10. Bern, Bierhübeli

12.7. Zürich. Kaufleuten

15.10. Basel, Volkshaus

NEW MODEL ARMY

16.10. Zürich, Kaufleuten

23.10. Luzern, Schüür

THE BREW

NICKELBACK

18.11. Lyss, KUFA

13.9. Zürich, Hallenstadion

THE CURE

OVERKILL, CROWBAR

4.11. B asel, St. Jakobshalle

2.11. Zürich, Dynamo

THE HOOTERS

PINK MARTINI

24.7. Pratteln, Z7

11.10. Zürich, Kaufleuten

THE LURKERS

PLACEBO

19.11. Zug, Galvanik

16.11. Zürich, Hallenstadion

THE QUIREBOYS

QUEENSRYCHE

21.11. Pratteln, Z7

21.8. Pratteln, Z7

TROUBAS KATER

RED HOT CHILI PEPPERS

4.11. Zug, Galvanik

5.+6.10. Zürich, Hallenstadio

UGLY KID JOE

RIVAL KINGS

31.10. Luzern, Schüür

8.10.Luzern, Schüür

28.10. Lyss, KUFA

ROBERT CRAY BAND

UNEARTH

15.10. Zürich, Kaufleuten

19.8. Luzern, Schüür

ROCKABILLY FESTIVAL

UP IN SMOKE FESTIVAL: ELECTRIC

23.-25.9. Lyss, KUFA

WIZZARD, TRUCKFIGHTERS, ELDER,

RODRIGUEZ

PENTAGRAM, MONKEY 3, COUGH,

6.7. Zürich, X-Tra

1000 MODS, YAWNING MAN u.a.

ROD STEWART

30.10.+1.11. Pratteln, Z7

1.7. Zürich, Hallenstadion

VANDEN PLAS

SCHILLER

9.9. Pratteln, Z7

10.10. Zürich, Hallenstadion

WALTER TROUT

SHARON ROBINSON

8.11. Pratteln, Z7

13.9. Zürich, Plaza

WARREN HAYNES

SLAM & HOWIE

13.7. Pratteln, Z7

16.7. Klewenalp, OA

WAYNE GRAHAM

13.8. Mannried, OA

9.11. Luzern, Schüür

25.8. Glarus, Sounds Of Glarus

WHITESNAKE, THE ANSWER

3.9. Oberarth, Horseshoe

9.8. Pratteln, Z7

10.9. Jaun, Oktopenair

WILCO

SOILWORK

15.11. Zürich, Volkshaus

1.7. Pratteln, Z7

YOUSSOU N'DOUR

SONATA ARCTICA

21.11. Zürich, Kongresshaus

19.10. Pratteln, Z7

Y&T

SUNS OF THYME

18.9. Pratteln, Z7

20.10. Luzern, Schüür

ZUCCHERO

STATUS QUO

31.10. Zürich, Hallenstadion

15.10. Zürich, Hallenstadion

2.11. Genf, Arena


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