TRAFFIC News to-go #21

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Ausgabe N°21 • Februar / März 2012 • Jahrgang 3 • trafficnewstogo.de

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PRESS!

NEWS TO–GO

TRAFFIC n

S.6 Zeitgeschehen

S.8 Feuilleton

S.22 Film

S.24 Film

Ein König für Deutschland!

Tolle Bilder allein stehen für nichts

Sehen heiSSt glauben

Wir sollten offener mit Narzissmus umgehen

So richtig weiß keiner, was Christian Wulff eigentlich getrieben hat, das Amt des Bundespräsidenten zu übernehmen. Und wenn er ehrlich ist mit sich, dann müsste er sich eingestehen: Er wusste es auch nicht. Im Bus, während seiner letzten Sommerreise durch Niedersachen als Ministerpräsident, wurde er gefragt, was er denn will mit dem Amt. Seine Antwort: Darüber habe er sich noch keine Gedanken gemacht. Das werde er im Herbst dann sehen. Er hat dann zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober… von Thorsten Denkler

Als ich im Oktober letzten Jahres gefragt wurde, ob ich Lust hätte als Regie-Dozent gemeinsam mit Prof. Michael Ballhaus sein Seminar „The Location as a Character“ an der Filmhochschule München durchzuführen, hatte ich zum Glück Zeit und musste nicht lange überlegen um zuzusagen. Ich bewundere Michael Ballhaus für seine herausragende Kameraarbeit schon seitdem ich Filmemacher werden wollte. Als ich Anfang der 90er Jahre an einem britischen Dokumentarfilm über Neonazi Führer in Europa und über… von Züli Aladag

Am 11. Februar 2006 wurde auf der Berlinale ein Weltstar geboren, der auf der Pressekonferenz mit den anwesenden Journalisten seinen 16. Geburtstag feierte: Q’orianka Kilcher spielte jenseits aller Disney-Klischees die Powhatan-Prinzessin Pocahontas in Terrence Malicks Meisterwerk „The New World“. Seit diesem Tag kennen sich Q’orianka (als Nachfahrin der Inkas heißt ihr Name in der deutschen Übersetzung „Goldener Adler“) und Marc Hairapetian. Sechs Jahre später läuft auf dem Filmmarkt der Berlinale… von Marc Hairapetian

Wenige Tage vor der Berlinale steht Lars Eidinger noch als Hamlet auf der Bühne. Die zehn Tage des Filmfestivals hat er sich aber freigehalten, schließlich läuft dort Hans-Christian Schmids neuer Film „Was Bleibt“ im Wettbewerb. Und Lars Eidinger spielt darin die Hauptrolle. „Was Bleibt“ handelt von einem Familienwochenende, das eskaliert. Was hat Sie an dem Film interessiert? Zuallererst die Arbeit mit Hans-Christian Schmid, weil ich totaler Fan bin. Es ist als Schauspieler immer schwer, wenn man mit… von Thomas Abeltshauser

S.7

Zeitgeschehen 1,2,3 & J’Accuse

S.8

Medizin Kolumne Rette sich wer kann S.10

Sport

Kommunismus, Tennis und die prekäre Evolution der Arten S.12

Das Wetter

Kingston, Moskau, Peking & Hammerfest S.13

8-Page Editorial Gregor Törzs im Deutschen Theater

S.24

To-Go Boutique S.26

Film

Film ab! S.28

Buch Reviews

Im Schatten des Jaguars, Chapter XIV

Zum Tode Carl Weissners & Der Mann im Mond S.29

Acting

Kurzgeschichte

Sehnsucht nach dem Sturm S.30

Arrogant Bastard

Choosing wealthy friends, the food is so much better / English Appendix




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Contributors

Ausgabe N°21 • Februar / März 2012 • Jahrgang 3 • trafficnewstogo.de

© Sasha Kramer

Contributors

Züli Aladag

Gregor Törzs

Thomas Abeltshauser

Deutscher Filmpreisträger und Grimmepreisträger Züli Aladag, 1968 in der Türkei geboren, lebt und arbeitet in Berlin. 2002 feierte Züli Aladag mit dem Boxerdrama Elefantenherz, mit Daniel Brühl in der Hauptrolle, sein mit mehreren Preisen ausgezeichnetes Kinodebüt. Gemeinsam mit Feo Aladag gründete er 2005 die Produktionsfirma Independant Artists und produzierte damit den Kinofilm Die Fremde. Der Film war die deutsche Auswahl für den Auslandsoscar 2011. In dieser Ausgabe erzählt Züli von seiner Erfahrung mit Michael Ballhaus.

Gregor Törzs, geboren 1970, begann seine Werbe-Karriere in seiner Heimatstadt Hamburg bevor er nach Los Angeles zog um dort unter den Oscar-Gewinnern John Dykstra und Doug Smith Cinematogrophie im “Visual FX house Apogee” zu lernen. Seine Arbeit wurde bei mehreren internationalen Ausstellungen sowie Messen gezeigt. 2010 erweiterte er seinen fotografischen Horizont und lernte erfolgreich Gummi und Platindruck. Auch begann er die Arbeit mit großformatigen, analoger mikroskopischer Fotografie. www.gregor-toerzs.com

Thomas Abeltshauser ist freier Journalist und Autor und lebt seit 1996 in Berlin. Für Magazine wie Neon, GQ, Ray, Mate und diverse Tageszeitungen (u.a. Die Welt, taz) schreibt er über Kino, Popkultur, Gesellschaft und Reise. Die drei großen Filmfestivals in Berlin, Cannes und Venedig sind feste Konstanten in seinem Arbeitskalender. Wenige Tage vor der Berlinale hat er für Traffic den Berliner Schauspieler Lars Eidinger getroffen, der als Hauptdarsteller in Hans-Christian Schmids neuem Film „Was Bleibt“ im Wettbewerb zu sehen ist.

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Zeitgeschehen

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Ein König für Deutschland! von Thorsten Denkler So richtig weiSS keiner, was Christian Wulff eigentlich getrieben hat, das Amt des Bundespräsidenten zu übernehmen. Und wenn er ehrlich ist mit sich, dann müsste er sich eingestehen: Er wusste es auch nicht. Im Bus, während seiner letzten Sommerreise durch Niedersachen als Ministerpräsident, wurde er gefragt, was er denn will mit dem Amt. Seine Antwort: Darüber habe er sich noch keine Gedanken gemacht. Das werde er im Herbst dann sehen. Er hat dann zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 2010 in Bremen eine Rede gehalten in dem der Satz auftauchte: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Das war es. Das war sein Beitrag zur deutschen Geschichte. Und natürlich der Umstand der erste Bundespräsident zu sein, der sich völlig selbstverschuldet in den Ruf gebracht hat, ein notorischer Schnäppchenjäger zu sein, der nicht in der Lage ist, auch nur eine Hotelrechnung, einen privaten Flug, selbst zu bezahlen und sich qua Amt auch noch bei Privatkrediten Sonderkonditionen aushandelt. Einfach, weil er die richtigen Freunde hat. Einfach, weil er es kann. So einen Bundespräsidenten braucht kein Mensch. Da haben es die Briten leichter. Queen Elisabeth II hat gerade ihr 60tes Thronjubiläum

Ich würd die Krone täglich wechseln. Würde zweimal baden. Die Lottozahlen eine Woche vorher sagen. Bei der Bundeswehr gäb es nur noch Hitparaden. Ich würd jeden Tag im Jahr Geburtstag haben. (Rio Reiser, König von Deutschland 1986)

gefeiert. Nicht, dass das britische Königshaus keine Skandale kennen würde. Meist ist es die jüngere Generation, die über die Stränge schlägt. Die Queen nicht. Sie gibt keine Interviews. Sie fügt sich in ihre durch Erbmonarchie zugewiesene Rolle. Die Queen ist Pflichterfüllung pur. Als Prinzessin Diana starb, hat sie ihre Trauer versteckt, hat sich zurückgezogen. Der Film „Die Queen“ mit Helen Mirren in der Hauptrolle hat das wunderbar herausgearbeitet. Ihr Pflichtgefühl verbot ihr, ihre Trauer öffentlich zu zeigen. Sie hat erst spät gemerkt, welche Bedeutung Diana für ihr Volk hatte. Aber: Sie hat es gemerkt. Sie ist zurück nach London gekommen und hat den Menschen Respekt gezollt, die zu Tausenden vor dem Buckingham Palace geweint und ein Blumenmeer ausgelegt haben. Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Queen Elizabeth II und Bundespräsident Christan Wulff. Der Queen ist bewusst, dass sie die Krone nur trägt, weil das Schicksal sie

in die königliche Familie hineingeboren hat. Sie ist klug genug zu wissen, dass diese Tradition auf fragilen Füßen steht. Wulff dagegen scheint nicht bewusst zu sein, dass sein Amt letztlich auf dem Vertrauen der Bürger zu der Person begründet ist, die es bekleidet. Gut, es hat Karrieresprung – als etwas anderes scheint er es nie gesehen zu haben – zuallererst Angela Merkel zu verdanken, die ihn 2010 in der irrigen Annahme zum Bundespräsidenten gemacht hat, Wulff wäre eine integre Persönlichkeit. Aber Bundespräsident werden und es dann bleiben sind inzwischen zum Glück zwei völlig verschiedene Angelegenheiten. Es ist im nachhinein gut, dass Horst Köhler 2010 als erster Bundespräsident überhaupt dieses, im Vergleich zur britischen Krone junge Amt, zurückgegeben hat. Da kann niemand sagen, so etwas hätte es noch nie gegeben. Davor wäre es als undenkbar erschienen, den Rücktritt eines Bundespräsidenten überhaupt in Erwägung zu ziehen. Einer der Gründe,

weshalb der moralische Druck, sich zurückzuziehen, schwer auf Wulff lasten müsste. Die Queen weiß es eben besser. Sie kennt die Geschichte des britischen Königshauses und weiß, dass selbst eine so stabil erscheinende Monarchie nicht unverrückbar ist. Von 1649 bis 1659 war die Monarchie praktisch abgeschafft. Reihenweise sind Könige hingerichtet oder ermordet worden, wenn das Volk oder eine bestimmte politische Klasse des Herrschers überdrüssig waren. Queen Elizabeth sitzt jetzt 60 Jahre auf dem Thron. Ihr zugute kam, dass es größtenteils 60 friedliche Jahre in einem geeinten Europa waren. Aber sie hat auch selbst dafür gesorgt, dass das Volk sie nach wie vor verehrt. Sie hat immer in glaubhafter Demut ihrem Volk gegenüber gehandelt immer in dem Wissen, dass das Amt ein Geschenk ist und Bürde zugleich. Sie verleiht dem die Würde, die es verdient. Wulff dagegen verhöhnt und verspottet sein Amt mit jedem Tag, den er länger im Schloss Bellevue verbleibt. Wenn Deutschland einen Bundespräsidenten hätte wie Großbritannien eine Königin, gegen die Einführung der Monarchie wäre nichts mehr einzuwenden. zeitgeschehen@trafficnewstogo.de


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Netzwerke 3

die Aufständigen vorgeht, kann sich die internationale Staatengemeinschaft nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Obwohl selbst die Arabische Liga ein Einschreiten der Vereinten Nationen fordert, pochen China und Russland auf ihr Veto und blockieren so die Verabschiedung einer Resolution durch den UN-Sicherheitsrat. Die beiden Weltmächte sind mit Syrien noch aus „guten“ alten sozialistischen Zeiten verbandelt. Lawrow tat kund, der Konflikt ließe sich besser mit Worten als mit Waffen lösen. Inzwischen hat sich aber auch Al-Qaida mit Anschlägen in den Konflikt eingemischt. Der in Pakistan versteckte Anführer des Ter-

rornetzwerks, Aiman Al Zawahiri, warf der syrischen Regierung vor, „anti-islamisch“ zu sein, und rief zur Bewaffnung des Widerstands auf.

Networking in Pakistan wird auch dem Iran nachgesagt. Dieser soll dort vom „Vater der pakistanischen Atombombe“, Abdul Khan, nukleares Know-how erworben haben. Der Gottesstaat knüpft auch mit den russischen Freunden fleißig Wissensnetze und hat noch viel mehr mit dem Assad-Clan gemeinsam, zum Beispiel die schiitische Konfession, die

Auf der Jagd nach dem „Bösen“ war 25 Jahre lang auch der ehemalige Polizist Pradeep Sharma im Herzen einer anderen Atom-Macht. Im Einsatz für eine Spezialeinheit im Moloch Mumbai soll der Inder über 112 Gangster getötet haben. Statt Vorladungen erntete er Ruhm und Ehre. Doch nun wird ihm wegen Verbindungen zu Verbrecher-Netzwerken der Prozess gemacht. Bereits vor ein paar Jahren war Sharma wegen angeblicher Kontakte zur Unterwelt vor den Richter zitiert worden. Seine Anwälte schimpften damals, es handle sich um eine politische Inszenierung. Man habe mit der Festnahme eine „Angst-Psychose“ erzeugen und so die organisierte Kriminalität schützen wollen. Der Fall endete mit einem Freispruch, doch weitere Anklagen, etwa wegen illegaler Zuwendungen durch Mobilnetzbetreiber, folgten. Neben Korruption und Bestechlichkeit wird Pradeep Sharma außerdem vorgeworfen, einen Auftragsmord für einen Immobilienhändler begangen zu haben.

ger Hochstapler. Jemand, der viele Leben lebte. Bis zu seiner Verhaftung 2008 über zwanzig Jahre als Clark Rockefeller im amerikanischen Bundesstaat New England. In Bayern geboren, ging er mit 17 Jahren für ein Austauschjahr nach Amerika und kehrte nie zurück. Bald nannte er sich Christopher Chichester. Er zog nach San Marino, legte sich einen britischen Akzent und eine angebliche Verwandtschaft mit Lord Mountbatten zu. Er war charmant und umtriebig. Er lebte zur Untermiete bei Ruth „Didi“ Sohus, im gleichen Haus wohnte auch ihr Sohn John und seine Frau Linda. 1985 verschwinden die beiden plötzlich. Etwas später verschwindet auch Gerhartsreiter/Chichester. Didi Sohus meldet ihren Sohn und seine Frau ein halbes Jahr später als vermisst. Erst 1994, als der neue Besitzer des Hauses den Garten umgräbt, um einen Pool

zu bauen, werden menschliche Überreste gefunden. Es sind die Knochen von John Sohus. Von seiner Frau Linda fehlt bis heute jede Spur. Als die Polizei 1985 ermittelt, wollen sie auch mit Chichester sprechen, doch sie können ihn nicht finden. Kein Wunder: Chichester gab es auch nicht mehr. Dafür aber den Börsenmakler Chris Crowe. Gerhartsreiter hatte sich erneut verwandelt und es mit Charme und Chuzpe sogar ins New Yorker Bankgeschäft geschafft. Erst 1991 fällt den Kollegen auf, dass Crowe wohl doch nicht soviel von Aktien versteht. Bevor er gefeuert werden kann, verschwindet er. 1992 taucht dann ein gewisser Clark Rockefeller in New York auf. Gerhartsreiter hat die Rolle seines Lebens gefunden: Clark Rockefeller ist exzentrisch und hat berühmte Verwandte. Er heiratet 1994, 2001 bekommt das Paar eine Tochter. Als die Ehe 2007 zerbricht

und Mutter und Tochter nach England ziehen, ist Gerhartsreiter plötzlich verloren. 2008 entführt er bei einem Besuch seine Tochter. Und wird geschnappt. Schnell stellt die Polizei fest, dass sie zwar keinen echten Rockefeller, wohl aber einen lang vermissten Zeugen in einem Doppelmord gefunden haben. In den vergangenen drei Jahren sammelte die Staatsanwaltschaft soviel Beweise, dass sie inzwischen davon überzeugt ist, es nicht nur mit einem Zeugen beim Verschwinden von John und Linda Sohus, sondern mit dem Hauptverdächtigen zu tun zu haben. Gerhartsreiter hat am 9. Februar auf nicht schuldig plädiert und das Gericht gebeten, ihn doch bitte mit Mr. Rockefeller anzusprechen. Ob er lediglich ein moderner Münchhausen oder doch ein Mr. Ripley ist, der über Leichen geht, wird sich erst im Prozess zeigen.

Der Februar in drei Akten

Netzwerke 1 Für den Assad-Clan wird es in Syrien immer ungemütlicher. Während Präsident Baschar Al Assad vor Kurzem in Damaskus den russischen Außenminister Lawrow empfing, demonstrierten in der Stadt Homs die Menschen weiter. Nach wie vor organisieren sie sich über soziale Netzwerke und sammeln sich in Moscheen, um von dort aus den Protest zu organisieren. Ihr Ziel: Umsturz der sozialistischen Einparteienherrschaft. Obwohl das Assad-Regime weiter brutal gegen

J'accuse von Uta Schwarz Welchen Preis würden wir zahlen, um glamouröser und aufregender zu erscheinen, als wir sind? Wie viel würden wir tun, um die zu werden, die wir sein wollen? Würden wir unser altes Leben über Bord werfen? Lügen und täuschen? Würden wir dafür morden? In diesen Tagen steht in Kalifornien ein Mann vor Gericht, der am 21. Februar 51 Jahre alt wird und über drei Jahrzehnte lang alle Menschen um sich herum davon überzeugt hat, ein anderer zu sein, als er ist. Das ist erwiesen. Christian Karl Gerhartsreiter ist ein einzigarti-

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Unterstützung der Hisbollah und den schlechten Ruf. Der Physiker Wjatscheslaw Danilenko soll laut Internationaler Atomenergie-Organisation an einem geheimen sowjetischen Waffenprogramm gearbeitet und das dort erworbene Wissen an den Iran verkauft haben. Sollte das stimmen, kann der Iran jetzt AtomSprengköpfe auf eine raketenkompatible Größe schrumpfen. Danilenko, der eigentlich für die Erfindung eines Verfahrens zur Herstellung von Diamanten bekannt ist, bestreitet alles. Trotzdem entsenden die Vereinigten Staaten gerade zwei zusätzliche Flugzeugträger in den Persischen Golf und dementieren Meldungen über einen bevorstehenden Angriff auf die ölreiche Bastion der „Achse des Bösen“ nicht mehr. Verdächtig.

1,2,3 von Sebastian Weier

Zeitgeschehen

Netzwerke 2


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Feuilleton

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von Züli Aladag

Rette sich, wer kann von Dr. Inge Schwenger-Holst, Medizinerin, Unternehmerin und Vorsitzende des Vereins call a doc. „Die Notaufnahme (auch Rettungsstelle) ist eine Anlaufstelle im Krankenhaus zur Akutversorgung und ist Teil der Notfallmedizin“ – soweit Wikipedia. Während sich der ganz normale „Emergency-Room“ Junkie hierbei einen Stab höchst engagierter und bestens ausgebildeter blaukitteliger Engel vorstellt, die zwischen offener, im Gang durchgeführter Herzoperation, schwerstblutenden Messerstichverletzungen, ominösen Vergiftungsfällen und blauangelaufenen Kindern mit Erbse im unteren rechten Lungenflügel höchst erfolgreich hin und her retten, sieht der Alltag deutscher Notfallmedizin leider oft sehr anders aus. Dass man sich nur im äußersten Notfall und selbst dann besser nicht in (irgend)eine Rettungsstelle deutscher Provinz begeben sollte, legt der heldenhafte Rettungsstellentest durch Selbstversuch der Traffic-Redaktion nahe: Tatort Berlin Mitte, St. Hedwig Krankenhaus, Problem: rasant aufgetretenes Fieber über 39°C, Schüttelfrost, fast zugeschwollener Rachen mit Luftnot und Heiserkeit. Leistung: „HNO hammwa hier nich, gehnse woanders hin!“ – Ende der fachlichen Betreuung und Beratung des englisch sprechenden Patienten. Weiter geht es nach Hannover, in die zentrale Rettungsstelle der medizinischen Hochschule. Problem: Schwerer Sportunfall bei mehr als 40 km/h, Gedächtniseinbuße, Splitterbruch des Schlüsselbeins, im Notarztwagen bereits zunehmende Lähmungserscheinungen des rechten Armes, Prellungen und Schürfwunden im gesamten Gesicht. Leistung: Bauchsonografie (!), Schulter-Röntgen, keinerlei Schädel- oder Halsdiagnostik, eine Operation wird als nicht dringend eingestuft. Die richtigen Adressen wären gewesen: Fall 1 – Bundeswehrkrankenhaus – sofortige Aufnahme, Antibiotikatherapie und Operation. Fall 2 – DRK Kliniken Westend, Zielführende Diagnostik und Operation. Bleiben Sie also lieber gesund und unfallfrei, nehmen Sie im Fall des Falles ihren wirksamsten Talisman und ggf. besten Freund mit und unterschreiben Sie nichts ohne Ihren Anwalt.

CALL A DOC die 24-7 Hotline für Ihr medizinisches Problem 01805 - 32 13 03 (0,14 EUR/min aus dem Festnetz)

Als ich im Oktober letzten Jahres gefragt wurde, ob ich Lust hätte als Regie-Dozent gemeinsam mit Prof. Michael Ballhaus sein Seminar „The Location as a Character“ an der Filmhochschule München durchzuführen, hatte ich zum Glück Zeit und musste nicht lange überlegen um zuzusagen. Ich bewundere Michael Ballhaus für seine herausragende Kameraarbeit schon seitdem ich Filmemacher werden wollte. Als ich Anfang der 90er Jahre an einem britischen Dokumentarfilm über Neonazi Führer in Europa und über Geschichtsrevisionismus mitwirkte und entsprechende Recherchen im Neonazimilieu machte, wählte ich den Decknamen Victor Ballhaus. Der Nachname war eine Respektsbekundung an den Kameravirtuosen Michael Ballhaus. Während unseres Seminars in München erzähle ich ihm von dieser Anekdote. Er ist gerührt und lächelt. Michael Ballhaus, Director of Photography, kann auf ein künstlerisch vielschichtiges, produktives und sehr erfolgreiches Werk aus über fünf Jahrzehnten zurückblicken. Im Theater seiner Eltern, beide waren Schauspieler, fing er als junger Mann an zu fotografieren. Stücke und Schauspieler. Als er 1958 als 18jähriger bei den Dreharbeiten zu Max Ophüls’ „Lola Montes“ dabei sein darf, ist das für ihn wie eine Offenbarung und entflammt seine Faszination Kino. „Bis dahin hatte ich nur Fotos gemacht. Ich stand mit offenen Augen da und dachte, jetzt bewegen sich die Bilder und fangen an zu laufen“. Seine ersten Filme als Kameramann drehte Michael Ballhaus bereits ab 1960 beim Südwestrundfunk. Als die Deutsche Film und Fernsehakademie in Berlin 1968 gegründet wurde, holte ihn der Filmemacher Peter Lilienthal, mit dem er bereits Filme gemacht hatte, als ersten Kamera Dozenten an die DFFB, an der er bis 1970 lehrte. Er drehte u.a. 16 Filme mit Rainer Maria Fassbinder und prägte die Ästhetik der Fassbinder Filme und des deutschen Kinos in einer seiner spannendsten Schaffensphasen maßgeblich mit. Er ist ein großer Erzähler und Innovateur der Bildsprache des Kinos. Er hat mehrere Generationen von Filmemachern und Bildgestaltern inspiriert und seine Arbeit wird eine Inspirationsquelle bleiben. Er arbeitete 25 Jahre lang in den USA. Seinen ersten Film in New York, „Dear Mr. Wonderful“, drehte er mit Peter Lilienthal und Joe Pesce 1982. Sein erster amerikanischer Film war „Baby it’s You“ (1983) von John Sayles. Und 1985 begann mit „After Hours“ eine lange und sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit Martin Scorcese. Es entstanden Filme wie „Age of Innocence“, „Good Fellas“, „Gangs of New York“ und „The Departed“, für den Scorcese endlich seinen lange verdienten ersten Regie-Oscar bekam. Michael Ballhaus arbeitete unter anderen mit den Regisseuren Mike Nichols, Francis Ford Coppola und Robert Redford zusammen. Auf der Filmographie von Michael Ballhaus stehen 112 Filme. Als ich ihn frage, ob er noch einen Film machen wird, denkt er kurz nach und dann sagt er in seiner erfrischend jungen Art: „You never say no in this business“. Bei unserem ersten Gespräch erzählt mir Michael Ballhaus, was er mit dem Seminar für die fünf Kamerastudenten beabsichtigt. „Ich habe festgestellt, dass die Studenten zu wenig über die Wichtigkeit der Drehorte nachdenken. Was sagen die Motive über die Figuren aus?“ „Der Look eines Filmes entsteht hauptsächlich durch die Drehorte.“ Er möchte, dass ich eine Abschiedsszene schreibe oder auswähle, die wir an fünf verschiedenen

Der preisgekrönte Regisseur Züli Aladag über die H gemeinsamen Workshop mit Filmstudenten

Tolle Bilde stehen fü Drehorten mit den selben Darstellern inszenieren können. In 14 Tagen sollen fünf kurze Filme entstehen. Ich mache eine Liste mit 15 meiner Lieblingsfilme, versuche mich an Abschiedsszenen zu

erinnern. Finde so manche gute Szene wieder und bleibe dann unwiderruflich an der Trennungsszene aus „Kramer gegen Kramer“ (1976) mit Dustin Hofman und Meryl Streep hängen. Die Szene ist etwa dreieinhalb Minuten lang, hat eine hohe Intensität und


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das Scheckheft hin und überreicht ihm einen Abholschein für die Reinigung. Er solle nicht vergessen die Kleidung abzuholen. Er hält das alles für einen Scherz und versucht sie zur Rede zu stellen. Sie ist fest entschlossen zu gehen, sie kann es nicht erklären. „Du hast einfach die falsche Frau geheiratet.“ Den 8-jährigen Ben nimmt sie nicht mit, „er ist besser bei Dir aufgehoben, ich bin keine gute Mutter“. Die Fahrstuhltür schließt und Tom bleibt allein im Flur zurück. Als Regisseur bin ich an Charakteren, Konflikten und starken Geschichten interessiert, gleichermaßen wichtig ist mir die visuelle Umsetzung, das Denken in Bildern, die Suche nach der richtigen Form, die Übersetzung der Charaktere und ihrer Emotionen. Ich beziehe meine Kameraleute früh in eine ästhetische Diskussion zu den Projekten ein. Die Verständigung darüber ist wie eine eigene Sprache, eine Grammatik die man lernen muss. Michael Ballhaus ist so ein sensibler und präziser Übersetzer. Das Auge der Geschichte, der Charaktere, des Regisseurs. Die „Kramer gegen Kramer“ Szene ist so gut geschrieben, dass die Kamerastudenten sich zwangsläufig auf einer inhaltlichen Ebene damit auseinandersetzen müssen und nicht versuchen die Inhalte den Bildern unterzuordnen, sondern umgekehrt. Auch Michael Ballhaus sieht das so. „Tolle Bilder allein stehen für nichts. Man sollte da nicht in die Falle der Eitelkeit tappen, sondern sich immer in den Dienst der Geschichte und der Charaktere stellen… Was ich weitergeben kann ist ein Gefühl für meine Arbeit, meine Einstellung zu Stoffen, Schauspielern, den Respekt vor ihrer Arbeit, den Respekt für die Regisseure mit denen ich gearbeitet habe. Und ich bewundere sie zum größten Teil für die Arbeit die sie machen.“ Die Liebe zu seinem Beruf hat offenbar auch seine Söhne angesteckt. Florian Ballhaus ist ein sehr gefragter DOP in den USA und Sebastian Ballhaus einer der besten Regieassistenten zwischen Berlin und Kapstadt.

Hollywoodlegende Michael Ballhaus und einen

der allein ür nichts spannende Wendepunkte. Die beiden haben einen 8-jährigen Sohn. Er ist ein New Yorker Werber, der endlich einen großen Auftrag an Land gezogen hat und diese Überraschung zuhause seiner Frau mitteilen möchte. Doch sie hat schon gepackt und

wird ihn offensichtlich verlassen. Da er aber pausenlos redet und telefoniert, kommt sie zunächst nicht dazu es ihm zu sagen. Dann bricht es aber gnadenlos aus ihr heraus „Tom, ich verlasse Dich...“ Sie legt ihm die Wohnungsschlüssel, die Kreditkarten,

Ich fahre nach Zehlendorf zu Michael Ballhaus und zeige ihm die Szene. Er findet sie sehr gut und so wird sie unsere Arbeitsgrundlage für das Seminar. „Wie jung Dustin und Meryl damals waren“, sagt er. Seine Erinnerungen an die Dreharbeiten zu „Tod eines Handlungsreisenden“ flackern auf, den er gemeinsam mit Volker Schlöndorff und Dustin Hofman 1985 gedreht hat. Wir erzählen den Studenten nicht, aus welchem Film die Szene ist, damit sie sich nicht von der Machart beeinflussen lassen. Und bis zum Schluß kommt auch keiner darauf. Bei unserer Vorbesprechung im riesengroßen Neubau der Filmhochschule, einem architektonischen Prestigeobjekt gegenüber der alten Pinakothek in München, sprechen wir mit den fünf Kamerastudenten des 4. Studienjahres über den Seminaransatz „The Location as a Character“. Das Wesen der Szene soll auf fünf unterschiedliche Motiven übertragen werden. Die Drehorte beeinflussen den Szenenaufbau, das Staging der Darsteller, ihre Bewegungen und ihre Positionen zueinander. Und nicht zuletzt geht es an jedem Drehort darum die der Szene, dem menschlichen Konflikt, den Charakteren und ihren emotionalen Zuständen entsprechenden Bilder, Brennweiten, Kamerabewegungen und Lichtstimmungen zu kreieren. Wir sehen uns Drehorte an und wählen sie mit den Studenten aus und ordnen sie ihnen zu. Hauptbahnhof, Wohnung, eine futuristische U-Bahn Station, der Stachus bei Nacht und ein Bürogebäude.

Feuilleton

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Die Studenten haben zwar großen Respekt vor Michael Ballhaus, aber Michael Ballhaus ist ein so warmherziger, offener, neugieriger und großzügiger Mensch, der keine große Distanz aufkommen lässt. Es geht ihm nicht darum den Studenten seine Bildsprache aufzuzwängen. Sie sollen unbedingt eigenständige Ideen entwickeln, aber sie müssen sie begründen können, sich Gedanken machen über die visuelle Umsetzung der Szene und ihre Emotionalisierung. Wenn Michael Ballhaus während der Dreharbeiten eine Probe oder eine Aufnahme auf dem Monitor betrachtet, ist er hoch konzentriert. Sein Blick ist fokussiert. Ihm entgeht nichts. Er macht die Studenten auf Dinge aufmerksam. Er stellt ihnen Fragen. Macht manchmal Vorschläge, aber er möchte, dass sie in der Auseinandersetzung eigene Antworten und Lösungen finden. Als ich ihn frage, ob er glaubt, dass man einen künstlerischen Blick lernen könne oder vermitteln könne, antwortet er: „Man kann versuchen viele gute Filme zu sehen. Ich habe nie Lehrer gehabt. Meine Lehrer in den 60er Jahren waren die Nouvelle Vague, Godard, Truffault, aber auch Bergmann. Godards „Le mépris“ („Die Verachtung“) habe ich über zwanzig Mal gesehen, um hinter das Geheimnis der Kameraarbeit von Raoul Coutard zu kommen. Auch Bergmanns Kameramann Sven Nykvist hat mich sehr inspiriert.“ Innerhalb von zwei Wochen sind fünf unterschiedliche kurze Filme einer intensiven Abschiedsszene entstanden. Am Ende werten wir alle fünf Filme im Rohschnitt aus und geben den Studenten Feedback auf ihre Arbeit. Und auch wenn es die selbe Szene mit den selben Darstellern ist, hat jede Szene durch die Wahl der Locations ihr eigenes Wesen, ihren eigenen Charakter. Die Studenten müssen erst mal alles sacken lassen. Jeder hat bei den Dreharbeiten der Komilitonen eine Funktion übernommen. Nachts und an den Wochenenden haben sie die Rohschnitte erstellt. Im Schnitt sieht man die Fehler die man gemacht hat und daraus lernt man. Am Abend sichten wir die Filme, die wir mit der hochentwickelten ALEXA, einer 35mm HD Kamera von ARRI gedreht haben, auf der großen Leinwand des Kinos der Hochschule. Als das Licht ausgeht und wir die Filme im Kino sehen ist sie wieder da, die Begeisterung für die Magie der Bilder und für das Kino. Zum Abschluss des Seminars schenkt Michael Ballhaus den Studenten Stéfane Hessels Bestseller „Empört Euch“. Das ist sein Aufruf an die Studenten zur eigenen Haltung. Beim Filmemachen wie im Leben. Auf meine Frage was ihn filmisch noch interessieren würde, antwortet er: „Licht ist etwas faszinierendes. Wie wirkt es auf den Menschen?“ „Mich würde ein Film interessieren, der sich stark mit der Dunkelheit auseinandersetzt. Es ist nicht einfach sie mit der Kamera einzufangen. Die Dunkelheit und all ihre verschiedenen Schattierungen erzeugen eine große Spannung.“ Das Seminar mit Michael Ballhaus war nicht nur eine sehr schöne Zusammenarbeit, sondern auch eine Begegnung mit einem sehr besonderen und liebenswerten Menschen. Ein Mann mit einer großen Lebensweisheit, einer großen Liebe für die Menschen und einer unglaublich positiven Ausstrahlung. Ich mag seinen Humor, seinen Sprachwitz und das lebendige und lächelnde Funkeln in seinen Augen.


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Sport

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Kommunismus, Tennis und die prekäre Evolution der Arten von Conor Creighton Übersetzt aus dem Englischen (S.30) von Lilian-Astrid Geese Selbst im hermetisch abgeschotteten Nordkorea hatte man davon gehört: Per Mundpropaganda, Rauchsignal und anderen Kanälen erfuhren die Menschen, während sie um schwächelnde Kohlefeuer hockten, Baumrindensuppe schlürften und sich an ihren eigenen Fußnägel sattkauten, von diesem Tennismatch, das den Monat Januar in Melbourne abschloss. Sie registrierten, dass die Westler mitten im Rekordsommer in einem Land mit extrem ungastlichem Klima zwei junge Männer sechs Stunden lang einem harten Filzball hinterher jagen ließen und es Unterhaltung nannten. „Ha!“, sagten sie zueinander. „All das Gerede über Korruption und Folter im westlichen Wesen ist wahr. Vergiss den Tunnel, Kim! Hör auf zu graben! Wir bleiben.“ Nun gut. Vielleicht hob dieses Tennismatch nicht wirklich die schwindene Moral der letzten großen Marvel Comics Diktatur. Doch es zeigte, dass etwas mit uns Menschen geschehen ist: Wir haben die Latte ein bisschen höher gelegt. Und selbst wer meint, dass Tennis ein Sport für reiche Kids in viel

Eine hohe Welle erhöht jedes Bug, nicht wahr? Doch nicht immer möchte das Boot, dass man es hebt. zu großen Gärten und einem endlosen Vorrat weißer Socken ist, kann darauf stolz sein. Normalerweise ist die Evolution ein Prozess, der sich langsamer vollzieht als das Gras, welches auf der sonnenabgewandten Seite des Berges wächst. Sie verläuft so gleichmäßig und zögerlich, dass die einzige Möglichkeit, ihren Fortschritt zu messen, darin besteht, eine Generation lang zu schlafen. Doch von Zeit zu Zeit erreicht sie in ihrem Schneckentempo eine freie Straße und legt einen höheren Gang ein. Bei diesen seltenen Gelegenheiten erlebt die Menschheit ihren ganz eigenen Moment einer „Odyssee im Weltraum“. Am 29. Januar, bei 40° Grad Hitze, nahmen Novak Djovkovic und Rafael Nadal das Gerippe eines toten Tieres auf, um heftigst aufeinander ein zudreschen. Und während sie das taten, erhielt jede-r von uns ein Update der aktuellsten Version des eigenen Ich. Am Ende des Spiels mussten die beiden Männer noch zwei Reden lang auf dem Center Court ausharren. Ihre Folter dauerte noch ein Weilchen an. Novak spürte seine Zehen

nicht mehr, die seit dem dritten Satz in Blut schwammen. Rafa kam am nächsten Morgen nicht mehr allein aus seinem Hotelbett: Krämpfe hatten ihn zum Krüppel gemacht. Sechs Stunden lang ein Tennismatch verfolgen ist gewiss weniger befriedigend als, sagen wir mal, das Spalten von Atomen, die zufällige Entdeckung eines Krebsheilmittels oder des siebten Sinns. Doch alle, die zu jener Stunde noch wach waren, oder es am folgenden Morgen sahen, wurden in dem Augenblick, als Novak sein Hemd aufriss, ein wenig zum Hulk. Der Mensch war neu geboren. Eine hohe Welle erhöht jedes Bug, nicht wahr? Doch nicht immer möchte das Boot, dass man es hebt. Angesicht solcher Errungenschaften ist es nicht leicht, sich zu positionieren. Wie im vergangenen Herbst, als die Lichtgeschwindigkeit nicht einmal sondern zweimal gnadenlos getoppt wurde. Mit diesem Ereignis änderte sich alles. Es zeigt, dass wir im Grunde mehr können, als wir glauben. Wir sind stärker, als

gedacht. Damals, in den 1960ern, lief niemand den 100-Meter-Sprint unter 10 Sekunden. Heute bewältigen allein über vierzig Amerikaner diese Distanz in kürzerer Zeit. Für jemanden, der nur ein vages Verhältnis zum Sport hat, und für den es eine „Heldentat“ ist, wenn man es schafft, sich trotz Kater zu waschen und zu essen, ist die Nachricht, dass ein Sportereignis die Menschheit ein weiteres Mal voran gebracht hat, Besorgnis erregend, denn von nun an wird alles nur noch schwerer. Wir mögen die Stars auf dem Center Court bejubeln und sie dafür preisen, dass sie über den Punkt hinaus spielen, an dem man ein Pferd erschießen würde. Aber im Licht großartiger sportlicher Leistungen sollten wir nicht vergessen, dass wir alle dafür einen Preis bezahlen. Der erste Mann, der einen Marathon lief, brach im Ziel tot zusammen. Heute bekommen selbst Amputierte oder Krebsüberlebende nur noch Fanfaren, wenn sie unter drei Stunden bleiben. Tennis ist nur ein Spiel, und dies ist nur eine Kolumne. Doch wie der eine zum anderen Nordkoreaner im kalten Licht eines weiteren asiatischen Winters sagte: „Lieber er als ich.“ sport@trafficnewstogo.de


March 3-4, 2012 STATION-Berlin | Luckenwalder Str. 4-6 | Berlin- Kreuzberg | berlinerfahrradschau.de | facebook.com/berlinerfahrradschau AYFA_REN%%% MJ=$=8?II8;D8>8Q@E


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Das Wetter

Ausgabe N°21 • Februar / März 2012 • Jahrgang 3 • trafficnewstogo.de

das wetter wetter@trafficnewstogo.de 1

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schwül-warm 18° 0' 46'' N, 76° 48' 3'' W

frostig-frisch 55° 45' N, 37° 35' O

Kaum ein Künstler hat eine derart ikonische Aura wie Bob Marley. Wer an Reggae denkt, denkt an ihn. Wer an Rastafari denkt, denkt an ihn. Wer an Jamaika denkt, denkt an ihn. Wer an Marihuana denkt, denkt an ihn. 1981 starb er mit nur 36 Jahren an Krebs, beerdigt wurde er in seiner Heimat, zusammen mit einer roten E-Gitarre. 2011 jährte sich sein Todestag zu 30. Mal, Anlass für Kevin Macdonald, einen Film über ihn zu machen, der jetzt bei der Berlinale läuft. Dafür holte der Regisseur nie gesehenes Filmmaterial aus Archiven, sprach mit Kollegen, Geliebten und Marleys Familie und trug spannende Mitschnitte seiner Konzerte zusammen. Marleys Musik war politisch, die soziale Ungerechtigkeit wie sie sich in den Townships von Kingston manifestierte, färbte zeitlebens die Inhalte seiner Songs. Er rief zur Revolution auf und inspirierte Menschen weltweit – das macht sein Werk zeitlos.

Die Retrospektive der diesjährigen Berlinale hält eine ganze Schatzkiste voller vergessener Filmperlen bereit. 1922 wagten der russische Filmprofi Moisej Alejnikow und der deutsche Unternehmer Willi Münzenberg ein cineastisches Joint Venture: Sie gründeten das Filmstudio Meschrabpom in Moskau und den Ableger Prometheus in Berlin. Das Duo teilte die politische Einstellung, propagierte den Aufstieg der Arbeiterklasse, orientierte sich an der avantgardistischen Ästhetik à la Sergej Eisenstein und produzierte in 14 Jahren rund 600 Werke. Hitler und Stalin schoben dem Projekt schließlich einen Riegel vor. Mehrere Jahre lang dauerte die Recherche in diversen europäischen Archiven, unter dem Titel „Die rote Traumfabrik“ zeigt die Berlinale die Spiel-, Animations- und Dokumentarfilme jetzt erstmals versammelt in einem Programm, begleitet von hochkarätigen Musikern.

Peking

Hammerfest

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heiSS-kalt 39° 56' N, 116° 23' O

eisig-klar 70° 40' N, 23° 41' O

Er zerschmetterte eine historische chinesische Vase. Er recherchierte die Namen der bei einem Erdbeben in den Ruinen schlampig gebauter chinesischer Schulen umgekommenen Kindern und baute ihnen ein Monument aus 9.000 Schulranzen. Er zeigte dem Berliner Reichstag und dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking den Stinkefinger. Und es tat ihm nie leid, selbst nicht nach fast drei Monaten Haft, die er vergangenes Jahr in einem chinesischen Gefängnis absitzen musste. Warum auch, er gehört zu den Popstars der Szene, seine Arbeiten verkaufen sich gut. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der erste Dokumentarfilm über Chinas bekanntesten zeitgenössischen Künstler in die Kinos kommen würde. Jetzt stellt die Berlinale „Ai Weiwei: Never Sorry“ vor. Zwei Jahre lang begleitete Journalistin Alison Klayman den querköpfigen Künstler und komprimierte 100 Stunden Material zu einem dichten Porträt.

18 Filme buhlen im Wettbewerb der 62. Berlinale um einen funkelnden Bären, darunter Matthias Glasners neues Melodram „Gnade“, gedreht in Hammerfest im äußersten Norden Europas, über dem Polarkreis, wo die Sonne im Winter nie ganz aufgeht. In dieser surrealen, ständig dämmernden norwegischen Schneelandschaft macht eine deutsche Familie ein traumatisches Erlebnis und muss sich plötzlich mit existenziellen Fragen auseinandersetzen. Die Jury um den britischen Filmemacher Mike Leigh kann sich auf großes Kino freuen. Unter anderem dabei: Die bezaubernde Schauspielerin Charlotte Gainsbourg, Tochter von Traumpaar Serge Gainsbourg und Jane Birkin, Hollywoodstar und Frauenschwarm Jake Gyllenhaal und der iranische Regisseur Asgahr Farhadi, dessen meisterhafter Film „Nader und Simin – Eine Trennung“ vergangenes Jahr den goldenen Bären gewann und gerade für zwei Oskars nominiert wurde.

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Foto: Alison Klayman

Moskau

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© Alamode Film, Foto Jakub Bejnarowicz

Kingston

Semjon Semjonow

von Sabine Weier

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Zur 62. Berlinale, dem größten Publikumsfilmfestival der Welt, sehen wir auf die Urspünge des Schauspiels, auf die Bühne. Und ins Innere der Akteure: Was bedeutet spielen? Der Fotograf Gregor Törzs ging dafür ans Deutsche Theater. Der Dramaturg Hans Jürgen Pullem befragte angehende Schauspieler und recherchierte bei jenen, die bereits ihr halbes Leben auf der Bühne verbringen.

Chapter XIV

Acting

Fotografie Gregor Törzs Texte Hans Jürgen Pullem, Dramaturg

like in real life


so quiet


Wenn du als Schauspieler schon ans Theater gehst, musst du doch etwas anderes suchen als Ruhm und Geld – denn das kriegst du dort sowieso nicht in dem Maße. Es kann mir keiner erzählen, dass es da nicht um… dieses besondere Fünkchen Leidenschaft geht, das nur wir komischen Theaterleute haben.

das erfolgstreppchen


Als ich um zehn Uhr auf die Uhr sah, war es neun.

the critic


nightmare


Die letzten 60 Sekunden vor dem Betreten der B체hne: Herzrasen, zitternde H채nde und rasender Puls.

the ropes of separation


Euphorie, Furcht, Aufregung. Habe ich auch alles beisammen. Sitzt der Hut richtig. Locker dich. Einatmen. Ausatmen. Oh, mein Stichwort‌ los geht's.

the ropes of separation II


Wenn ich das Publikum nicht mitkriegen würde, müsste ich meinen Beruf nicht ausüben. Das ist der Sex bei dem Beruf, dass ich das Gefühl habe, ich steh da und spüre für einen Moment, dass mir alle zuhören… Es ist ein Moment von absoluter Überkonzentration und ständigem Austausch… Wann sind die Leute dran und wann verliere ich sie und wann hole ich sie wieder ran…

Interviews mit Caroline Siebert, THE ROPES OF SEPARATION Anna Sosnik, THE ROPES OF SEPARATION II Beide 5. Semester, Schauspielschule Charlottenburg Zitate THE CRITIC: Unbekannt DAS ERFOLGSTREPPCHEN: Fritzi Haberlandt im Gespräch mit Gerhard Jörder THE AUDIENCE: Lars Eidinger Herzlichen Dank an Deutsches Theater und Gaby Schweer

the audience


WER JUNG BLEIBEN WILL

MUSS FRÜH DAMIT ANFANGEN.

Entdecken Sie das Geheimnis unserer Quelle unter www.voeslauer-derfilm.com



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Film

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Sehen heiSSt glauben

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Interview mit Q’orianka Kilcher von Marc Hairapetian Am 11. Februar 2006 wurde auf der Berlinale ein Weltstar geboren, der auf der Pressekonferenz mit den anwesenden Journalisten seinen 16. Geburtstag feierte: Q’orianka Kilcher spielte jenseits aller Disney-Klischees die Powhatan-Prinzessin Pocahontas in Terrence Malicks Meisterwerk „The New World“. Seit diesem Tag kennen sich Q’orianka (als Nachfahrin der Inkas heißt ihr Name in der deutschen Übersetzung „Goldener Adler“) und Marc Hairapetian. Sechs Jahre später läuft auf dem Filmmarkt der Berlinale ihre Produktion „The Power of Few“, mit Christopher Walken und Christian Slater, an. Anlass genug für ein erneutes Gespräch mit dem „Goldenen Adler“, der es zur Entspannung liebt, mit seinen Freunden „um Mitternacht einen Berg zu besteigen und von dort oben die Sterne zu betrachten“. Was bedeutet Dir Dein Name? Ich bin sehr stolz auf ihn. Meine Mutter hat einfach zwei Quechua-Wörter zusammengefügt und bis 2006 war ich die einzige Person auf der Welt, die diesen Namen trug. Nach „The New World“ erhielten viele Kinder den Namen Q’orianka, was mich glücklich macht. Du wurdest in Deutschland geboren und hast Deine Kindheit auf Hawaii verlebt. Nun wohnst Du in Los Angeles. Dein Vater ist ein direkter Nachfahre der Inkas, Deine Mutter halb deutschschweizerischer Herkunft. Erinnerst Du Dich an Deinen Geburtsort Schweigmatt? Ist Hawaii auch ein Teil Deiner Heimat? Schweigmatt ist ein winziger Ort im südlichen Schwarzwald mit 14 Häusern. An einem klaren Tag kann man die Berge der Schweiz, Italien und Frankreichs, deren Gipfel immer mit Schnee bedeckt sind, sehen. Einer der friedlichsten und schönsten Plätze der Welt! In einem kleinen Gartenhaus, das meine Großmutter selbst gebaut hat, verbrachte ich die ersten vier Monate meines Lebens. Auf Hawaii lebte ich vom zweiten bis zum neunten Lebensjahr. Meine Erinnerungen gehen dorthin zurück, wo ich Hügel erklomm oder in den Wellen des Meeres und in den Bambus-Wäldern spielte. Ich spreche etwas Deutsch. Vielleicht sollte ich eine zeitlang in Deutschland leben und arbeiten. Das würde meine Grammatik stark verbessern. Auf meine Quechua-Huachipaeri-Herkunft bin ich besonders stolz. Als Teenager habe ich erstmals das Hochland von Peru besucht und damit begonnen, mich für die Menschenrechte, die Rechte der Ureinwohner und die Umwelt zu engagieren. Eines Tages werde ich definitiv dort leben, vielleicht sogar für immer, weil ich den Amazonas und seine Menschen liebe. Eine tiefe Verbundenheit zu Hawaii hast Du auch darin zum Ausdruck gebracht, dass Du in „Barbarian Princess“ die hawaiianische Prinzessin Ka’iulani verkörpert hast. Ich war schon als Kind eine große Bewundererin von Ka’iulani. Auch heute noch beeindruckt mich ihre Tapferkeit, ihr diplomatisches Geschick, ihre Anmut und ihre innere Stärke. Als ich hörte, dass ein Film über meine Heldin gedreht werden sollte,

war ich sehr aufgeregt, weil ihre Geschichte einfach erzählt werden musste. 360 Millionen indigener Menschen leben auf dem Globus – ich bin eine von ihnen. Ka’iulani war eine Vorreiterin im Kampf für ihre Würde, Selbstbestimmung und den Erhalt ihrer Kultur. Mit 16 Jahren habe ich selbst als indigenes Mädchen bei der „UN Declaration of Indigenous Peoples Rights“ in Washington DC sprechen dürfen. Deswegen ist mir ihre Lebensgeschichte, die 1899 im Alter von nur 23 Jahren so tragisch endete, sehr nahe. Hoch gebildet, diplomatisch gewandt und die Medien für sich und ihr Anliegen einnehmend reiste sie mit 17 Jahren zum Präsidenten der Vereinigten Staaten, um ihn zu bitten, die Annektierung Hawaiis zu verhindern. Wie hat Dich Terrence Malick, der nach Stanley Kubricks Tod wohl größte lebende Filmregisseur, für sein Meisterwerk „The New World“ ausgewählt? An sich war ich gar nicht für die Rolle der Pocahontas vorgesehen, weil ich noch viel zu jung war. Als sie mit den Castings anfingen, war ich gerade 13. Doch Joanna Brooks, eine CastingAssistentin, sah mein Bild, das für eine andere Produktion eingereicht wurde und überredete den verantwortlichen CastingAgenten, mich für „The New World“ vorzuschlagen. Dann begann ein langwieriger Casting-Prozess, ich glaube insgesamt zwölf Mal musste ich vorsprechen. Anfangs wollte man mich wohl nicht, weil ich zu jung war und es Schwierigkeiten mit der Arbeitserlaubnis für ein Kind und seine Versicherung gab. Doch bei jedem Vorsprechen hatte ich den Eindruck, Terrence Malick und seine Produzentin Sarah Green mehr und mehr zu überzeugen – und so wurde ich schließlich als 14-jährige unter weltweit 3.000 Bewerberinnen für die Rolle ausgewählt.

agiere. Ich glaube, in unserem neuen Zeitalter der Technologie haben wir neue Werkzeuge gefunden, um Millionen Menschen unsere Geschichten nahe zu bringen. Mir persönlich geht es darum, im Film- und TV-Bereich sowie Internet positive Botschaften zu vermitteln. Ich bin mir dabei meiner Verantwortung als junge Künstlerin bewusst, denn sehen heißt glauben. (Film-) Bilder können alle von uns auf einer tieferen Ebene berühren – und auf ein höheres menschliches Level hieven. War es schwer, das $7.5 Millionen Budget für „The Power of Few“ zusammen zutragen? Ja, und ich bin heilfroh, nach fast sieben Jahren und einigen grauen Haaren später, dass wir es zusammenkratzen konnten. Es war vor allem schwer Investoren zu finden, die Möglichkeiten für unseren Film sahen, wo eigentlich nur Risiken bestanden. Du hast eng mit Regisseur Leone Marruci zusammengearbeitet und dabei auch unkonventionelle Wege beschritten. So ist das Publikum ein Teil Eures Films geworden... Mit Leone fing ich 2006 an, über die Möglichkeiten von „The Power of Few“ zu brainstormen. Wir wollten mit den Gewohnheiten des konventionellen Films brechen – und unsere Fans und das Publikum auf interaktive Weise mit in den Film einbeziehen. Wir luden per Internet alle Träumer und Visionäre ein, aktiv am künstlerischen Prozess mitzuwirken. Das Resultat sieht man im Film. Doch unser Anliegen geht weit über den Film hinaus.

Was denkst Du heute über Deine „The New World“-Erfahrung? Pocahontas zu spielen, war wirklich ein Segen für mich, nicht nur als Schauspielerin. Ich durfte mithelfen, eine humanitäre Botschaft direkt in die Herzen der Zuschauer zu senden. Nur kurze Zeit nachdem der Film herauskam, lernte ich, meine Stimme öffentlich als Werkzeug für die Bewahrung der Natur und die Rechte indigener Menschen zu nutzen. Vor allem in Peru, wo ich viele Kontakte zu meinen Brüdern und Schwestern habe, die darum kämpfen, dass ihre Rechte respektiert und ihre Stimmen vom Rest der Welt gehört werden.

„The Power of Few“ ist in der Tat ein inhaltlich wie formal ungewöhnlicher Film, in dem Spione, Cops, heiliger Narren und schwer bewaffnete Kinder an einem Tag der Gefahr und unbegrenzten Möglichkeiten aufeinander treffen. Du selbst bist darin als Motorrad-Kurierin Alexa zu sehen. Worum geht es in Deinen eigenen Worten in dem Film? Für mich ist „The Power of Few“ die Geschichte von menschlichen Verwicklungen an ungewöhnlichen Plätzen. Es geht auch um ein allgegenwärtiges hoffnungsvolles Gefühl, dass in eine Großstadtkriminalgeschichte verpackt wird, die aus den unterschiedlichsten Perspektiven erzählt wird. Mancher Zuschauer könnte vielleicht gemäß heutigen Sehgewohnheiten denken, dass der Film noch gewalttätiger hätte sein können, doch wir wollten nicht offene Türen einrennen, um ein Publikum zu erreichen, dass sich ohnehin nicht für die Botschaft des Filmes interessieren würde. Und diese wandelt sich nämlich von „The Power of Few“ in „The Power of You“. Deswegen wird der Film, an dem Journalisten, Blogger und Fans über unsere Seite gewaltigen Einfluss auf Handlungsstränge und den Schnitt nehmen konnten, für mich immer mehr als ein Film sein.

Mit Anfang 20 hast Du Deine eigene Produktionsfilme „Q Films“ gegründet. Du bist Mitproduzentin Deines neuen Films „The Power of Few“. Was hat Dich an dieser Zusatztätigkeit gereizt? Ich liebe es, kreativ zu sein, Kontakte zu erstellen und talentierte Köpfe zusammen zuführen. Als Produzent habe ich dafür noch mehr Möglichkeiten. Ich kann viel direkteren Einfluss auf einen Film nehmen, als wenn ich „nur“ vor der Leinwand

Laurence Olivier hat gesagt, Schauspielerei wäre die Vermittlung von Illusionen. Oskar Werner wollte dem Publikum den Traum schenken. Was ist richtig? Und was möchtest Du dem Publikum geben? Oskar Werner hat recht. Ich möchte den Zuschauern ermöglichen, einen Blick außerhalb ihres Gesichtskreises zu nehmen und außerdem die Inspiration für einen großen Traum zu geben, den sie eigenständig weiterverfolgen sollen.

Bist Du noch mit Terrence Malick in Kontakt? Terrence Malick war und bleibt mein größter Mentor. Manchmal ruft er mich an, um zu hören, wie es mir geht und was ich mache. Und das bedeutet mir sehr viel. Ich bin auch noch mit einigen Schauspielern wie Colin Farrell oder Christian Bale eng befreundet.


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Film

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Wenige Tage vor der Berlinale steht Lars Eidinger noch als Hamlet auf der Bühne. Die zehn Tage des Filmfestivals hat er sich aber freigehalten, schließlich läuft dort HansChristian Schmids neuer Film „Was Bleibt“ im Wettbewerb. Und Lars Eidinger spielt darin die Hauptrolle.

Brionvega — Algol Red TV Get your hands on this limited edition portable TV before the drawings of the 199 advanced manufactured pieces, designed by Richard Sapper and Marco Zanuso, are 6-feet under. The Brionvega army green TV should have been placed in Stanley Kubricks film, imagine if Private Leonard ‘Gomer Pyle’ Lawrence would have watched a rerun of Mash on this retro-cut army barrack style TV, he would have never faced the pyschological problems he expressed in Full Metal Jacket.

Wir sollten offener mit Narzissmus umgehen Interview mit Lars Eidinger von Thomas Abeltshauser

kann ich mich dagegen selbst nur schwer einschätzen, ich bin da sehr unsicher und auf das Urteil anderer angewiesen.

„Was Bleibt“ handelt von einem Familienwochenende, das eskaliert. Was hat Sie an dem Film interessiert? Zuallererst die Arbeit mit Hans-Christian Schmid, weil ich totaler Fan bin. Es ist als Schauspieler immer schwer, wenn man mit einem bestimmten Regisseur arbeiten will, das kann man nicht wirklich forcieren. Ich bin einmal in einem Restaurant zu Christian Petzold an den Tisch gegangen und habe gefragt, ob er nicht mal Lust hat, in die Schaubühne zu gehen. Das war natürlich eine indirekte Bewerbung. Aber er ist bis heute, glaube ich, nicht gekommen. Es wäre schön, wenn man da initiativ sein könnte, aber man muss darauf warten, dass man angerufen wird. Und hier hatte ich Glück. Schon beim ersten Casting hat mir Hans-Christian gesagt, dass sie mich schon beim Schreiben für die Rolle im Kopf hatten.

Ist die Interaktion mit dem Publikum auch der Grund, warum Sie als DJ auftreten? Das hat damit zu tun. Man hat eine gewisse Macht, die Stimmung und Atmosphäre zu beeinflussen und es macht Spaß, ein Gespür dafür zu entwickeln, euphorische Momente auf der Tanzfläche zu provozieren. Manchmal weiß ich ganz genau, wenn ich jetzt dieses Stück spiele, schreien die Leute. Das ist ein Glücksgefühl und treibt mich an. Und natürlich kompensiere ich damit ein bisschen, dass ich doch kein Popstar geworden bin. Das war lange ein Traum von mir. Ich finde es wahnsinnig faszinierend, wenn jemand auf der Bühne so im Fokus steht. Und als DJ nutzt man die Musik anderer, um etwas Ähnliches zu erreichen. Das ist ein bisschen wie früher, wenn man mit den Kumpels nach der Schule Mini Playback Show im Wohnzimmer gemacht hat. Man legt was auf und tut so, als wäre man auch so cool wie die Jungs, die das singen.

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Schmid sagt über Sie, Sie seien idealtypisch für das, was er sich unter dieser Figur vorgestellt hat. Wie viel haben Sie denn tatsächlich mit der Rolle gemeinsam? Als Schauspieler hat man natürlich schon eine Sehnsucht, sich zu verwandeln. Das passiert mir immer wieder, dass Produzenten sagen, der ist ganz gut, aber nicht mit der Frisur. Die können sich oft nicht mal vorstellen, dass man sich für eine Rolle verändern kann. Haare kann man auch schneiden. Früher fand ich immer Schauspieler toll, die jedes Mal ganz anders waren. Und jetzt merke ich bei mir, dass die Figuren schon immer viel mit mir zu tun hatten. Ich suche nach einem direkten Zugang, nach einer Unmittelbarkeit, wo mir ein Verstellen im Weg stehen würde. Das wäre aber mein Ziel: etwas extrem fremdes zu spielen und trotzdem bei mir zu bleiben, auch wenn das paradox klingt. Sie gehören seit 1999 zum festen Ensemble der Schaubühne, stehen seit ein paar Jahren aber auch regelmäßig vor der Kamera. Eine künstlerische oder eine finanzielle Entscheidung? Geld hatte ich immer genug. Ich habe schon als Kind beim SFB mein Taschengeld verdient und musste auch während des Schauspielstudiums nicht nebenher jobben, weil ich parallel als Gast am Deutschen Theater gearbeitet habe. Ich hatte also schon immer das Glück meine Entscheidungen frei von finanziellen Zwängen treffen zu können. Auf der anderen Seite, reich wird man mit den Filmen, die ich mache leider auch nicht. Trotzdem war es eigentlich vielmehr umgekehrt, dass ich eher durch Zufall ans Theater gekommen bin. Als Kind habe ich beim Fernsehen angefangen und dann davon geträumt, Filmstar zu werden. Ich habe in dem Sinn keinen Faible fürs Theaterleben, nach der Vorstellung noch stundenlang in der Kantine trinken und diese ganzen Klischees. Das schreckt mich eher ab. Meine Eltern hatten mich auch nie mit ins Theater genommen, das habe ich erst richtig kennen gelernt, als ich schon auf der Schauspielschule war. Was ist beim Arbeiten der Unterschied zwischen Bühne und Filmset? Das sind zwei verschiedene Berufe, ich kann die Erfahrungen, die ich im Theater gemacht habe, im Film kaum anwenden. Ich fühle mich im Film noch bei Weitem nicht auf dem Niveau wie auf der Bühne, aber vielleicht ist das auch gut. Im Theater ist das Publikum für mich ungeheuer wichtig und ich habe ein genaues Gespür dafür entwickelt, ob die Zuschauer mitgehen. Ich merke auch, wenn die Leute ihre Gehirne ausschalten. Wenn Du allerdings umgekehrt spürst, dass Dir 450 Leute zuhören und sich interessieren, ist das absolut berauschend. Beim Film

Wollen alle Schauspieler geliebt werden? Das ist der Urgrund, auf die Bühne zu gehen. Da braucht mir keiner was anderes zu erzählen. Wir sollten viel offensiver mit dem Narzissmus umgehen, der einfach wichtiger Bestandteil unseres Berufs ist. Wenn ich das sage, werde ich oft missverstanden, dabei ist es bei Popstars das Normalste der Welt. Wenn ich sage, ich bin der beste Schauspieler der Welt, ist das nichts anderes, als der Rapper, der sagt, er ist der beste MC der Welt. Da regt sich auch keiner auf. Wie gehen Sie mit Kritik um? Kommt ganz darauf an. Letzte Woche zum Beispiel habe ich Hamlet gespielt und mein letzter Satz war „Der Rest ist Schweigen“, danach geht das Licht aus. Und ins Black. Vor dem Applaus sagte jemand laut im Publikum „Na endlich!“. Da bin ich von der Bühne in den Zuschauerraum und habe gefragt, wer das war. Ein Typ in der ersten Reihe guckte betreten auf den Boden, aber um ihn herum haben alle auf ihn gezeigt. Ich war nach drei Stunden spielen wohl recht emotionalisiert und habe ihn angeschrien, was ihm einfällt sein Kommentar so prominent in die Stille vor dem Schlußapplaus zu platzieren, und das seine Meinung dadurch ein völlig unverhältnismäßiges Gewicht bekommt. Wenn’s ihm nicht gefällt soll er doch gehen oder Buh rufen. Ich fand das extrem kränkend und feige im Schutz der Dunkelheit einen dreistündigen Theaterabend mit so einem so herablassenden Zwischenruf abzuwatschen. Am 14. Februar hat „Was Bleibt“ Premiere im Wettbewerb der Berlinale und auch Jurypräsident Mike Leigh wird Sie sehen. Und Anton Corbjin! Alleine zu wissen, dass Charlotte Gainsbourg sich den Film anschauen wird! Schon das empfinde ich als Auszeichnung. Ich habe mal Michael Haneke gefragt, ob er sich nicht mal „Alle Anderen“ anschauen will und er meinte, er hätte ihn auf DVD gesehen und nicht durchgespult, das war schon etwas besonderes. Und auf der Berlinale kann keiner spulen. Was ist aufregender: Eine Theaterpremiere oder eine Filmpremiere auf der Berlinale? Eine Theaterpremiere. Denn da muss ich ja erst noch spielen. Diese Nervosität, die man im Theater hat und die in Angst kippen kann, die hat man beim Film vielleicht vor einer schweren Szene, aber nicht vor der Premiere. Da freue ich mich nur. Für einen Regisseur ist das was anderes, der ist bei seinem eigenen Film hypersensibel, da kann jeder Huster an der falschen Stelle der absolute Horror sein.

Gerald von Foris © 23/5 Filmproduktion GmbH

www.brionvega.tv




Film

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von David Torcasso

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62. Berlinale

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Festival del film Locarno

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9. bis 19. Februar 2012

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1. bis 11. August 2012

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Dior - Kleid aus schwarzer, bestickter Seide

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Das Internationale Filmfestival in Locarno bietet die schönste Kulisse aller Filmfestivals: Wenn sich 8.000 Cineasten abends in der lauen Sommerluft auf der Piazza Grande unter dem Sternenzelt versammeln, um sich die neusten Filme auf Großleinwand anzuschauen, entsteht ein mediterranes Flair erster Klasse. Die Bestuhlung und die Freiluftatmosphäre des Festivals sind das absolute Highlight. Während zehn Tagen werden in der kleinen Ortschaft im italienisch sprechenden Teil der Schweiz hunderte von Filme, sowie der Wettbewerb um den Goldenen Leoparden, gezeigt. Auch Retrospektiven prägen die Tradition von Locarno. Dieses Jahr widmet sich das Festival dem großen HollywoodRegisseur Otto Preminger. Locarno lebt sowieso von Menschen und ist darum auch geprägt von Autorenfilmen – Filme, in denen der Regisseur sämtliche Aspekte, wie Drehbuch oder Schnitt, mitbestimmt.

Die Berlinale ist mit rund 450.000 Kinobesuchern eines der größtes Publikumsfestivals der Welt. Jedes Jahr werden bis zu 400 Filme präsentiert. Die erfolgreichsten krönt eine internationale Jury mit dem Goldenen und Silbernen Bären. Die Berlinale gehört in jeden Berliner Kalender und versetzt die deutsche Hauptstadt jedes Jahr in Ausnahmezustand. Besonders mögen die Berliner aber auch all die Partys und Shows rund um das Filmfestival. Was auch zu den Filmfestspielen gehört und jedes Jahr für Unverständnis sorgt – das Gemeckere an der Filmauswahl. Dabei feiern dieses Jahr großartige Filme Weltpremieren wie „Captive“ mit Isabelle Hupert, der neue Film der Brüder Taviani „Caesar Must Die“ oder Billy Bob Thorntons „ Jayne Mansfield’s Car“.

Fashion-Filme, die zu Locarno passen: Stardesigner Karl Lagerfeld kann nicht nur schöne Mode kreieren und tolle Fotos schießen. Das Multitalent beweist nun auch noch in seinem ersten Film „The Tale of a Fairy“ sein Gespür für Ästhetik und Stil in bewegten Bildern.

Fashion-Filme, die zur Berlinale passen: Seit Zombie-Boy die Berliner an der Fashion Week in seinen Bann gezogen hat, sind wir große Fans des Models. So auch das Fashionlabel Thierry Mugler, für das Regisseur Mariano Vivanco einen Film mit Zombie-Boy gedreht hat. Auch Lady Gaga spielte schon eine Rolle für die Image-Filme von Mugler.

www.pardo.ch

www.berlinale.de

film

AB!

Internationales Filmfestival Shanghai

World Film Festival Montreal

16. bis 24. Juni 2012

23. August bis 3. September 2012

Das Shanghai International Film Festival SIFF ist zweifelsohne die wichtigste Filmveranstaltung in Asien. Mit Chinas boomender Wirtschaft wächst auch die heimische Filmindustrie rasant. Das SIFF ist deshalb ein Must-see für jeden Filmemacher und Regisseur. 1993 wurde das International Filmfestival Shanghai gegründet und zog schon damals über 300.000 Zuschauer an. Die Gewinner erhalten am Ende des Festivals den Goldenen Pokal als Auszeichnung. Die Auswahl der Filme ist aber keineswegs auf nur auf asiatische Werke beschränkt: 2006 und 2007 gewannen mit Franziska Meletzky „Frei nach Plan“ und Chris Kraus „Vier Minuten“ zwei deutsche Filme den Goldenen Pokal in der Rubrik „Bester Film“.

Das World Film Festival in Montreal wurde 1977 von Ingrid Bergman erstmals eröffnet. Seither ist es das einzige Filmfestival in Nordamerika, das einen Wettbewerb präsentiert. Der begehrte Hauptreis heißt wohl deshalb auch „Grand Prix of the Americas“. Das Herz des Festivals bildet das Centre Cinema Imperial, das jährlich tausende Filmbegeisterte in einer einmaligen Kulisse anzieht. Dort gibt es aber nicht nur Filme zu sehen, sondern die Besucher können auch an Symposien mit diskutieren und an einem riesigen Markt die verrücktesten Filmrequisiten und Filmposter kaufen. Die Besonderheit des Festival liegt darin, dass tatsächlich die ganze Vielfalt von Filmen aus allen Kontinenten gezeigt wird: 2011 und 2010 gewannen mit „Hasta la Vista!“ und „Adem“ etwa zwei belgische Filme den Hauptreis.

Fashion-Filme, die zu Shanghai passen: Der Film für die Hotelkette „The Luxury Collection“ verpflichtete gleich mehrere Stars für einen 15-minütigen Imagefilm: Regie führte Luca Guadagnino, das Konzept lieferte Fashion-Guru Waris Ahluwalia und in der Hauptrolle spielt Agyness Deyn – www. thefilmhere.com www.siff.com

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Fashion-Filme, die zu Montreal passen: Tilda Swinton ist die liebste Hollywood-Schauspielerin der Designer – und bekennt sich auch immer wieder zu ihrer Leidenschaft für Mode. So spielte sie in einem Kurzfilm von Fotograf Ryan McGinley für das Label Pringles of Scotland. www.ffm-montreal.org


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Reviews

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Die Andere Seite Berichte aus dem Großraum der Phantastik von Ralf Diesel

Im Schatten des Jaguars

Zum Tode Carl Weissners

Der Mann im Mond

In einer unbestimmten Zukunft finden Archäologen Fragmente unserer heutigen Zeit. Sie können sich noch keinen Reim darauf machen, wissen nicht, ob die untergegangene Zivilisation kriegerisch oder friedfertig war. Eine andere Geschichte beginnt mit einer derart dieszeitigen Unterhaltung zweier Männer, dass sich die Reise des einen zu anderen Planeten als selbstverständlich ausnimmt. Hier wie in der Zukunft geht es um die „Zauberkünste dieser Zivilisation“, um das Versprechen, dass die Fortentwicklung der Gesellschaften das Glück aller heben wird. Doch bleibt alles unzusammenhängend. Geschichte ist fragmentarisch, daran ändert auch die Zukunft nichts. Irgendwo in der Zeit befindet sich ein nicht auffindbarer Sinn. Die Geschichten sind archäologische Funde aus der Zukunft einer fragmentarischen Gegenwart. Die Ära der Science Fiction ist vorüber, äußerte sich Gorodischer vor kurzem. Gerade in dem Moment, in dem ihre Geschichten hier in Deutschland mit diesem Band aus der drohenden Versenkung gehoben werden. Ein Glücksfall.

Er brachte den amerikanischen Underground und die Beats nach Deutschland und ins Deutsche, Bukowski, Burroughs, … dann Zappa und Bob Dylan. Oder Ballard. Ballard, der unverdrossen an Randexistenzen entlangschrieb. Weissners Übersetzung des Romans Atrocity Exhibition von 1969 (bei ihm: Liebe & Napalm) liegt in einer Neuausgabe vor. Dieser „condensed novel“ ist Markstein experimenteller englischer Literatur, zig-fach die Referenzen darauf – so bei Joy Division. Für Weissner Markstein seiner Übersetzerlaufbahn. In dieser Art stets im Hintergrund agierend, stammen zwei Romane aus eigener Hand: Die Abenteuer von Trashman und Manhatten Muffdiver. Mit grenzwertiger Sprache bewegt er sich an grenzwertigen Realitäten. Weissner wie Ballard bewegt sich am Rande der Machbarkeit. An den Extremen der Gesellschaft kippt der Mensch in eine Andersartigkeit. Nicht immer erträglich. Weissner gab dem die deutsche Stimme. Er brachte maßgeblich den Stein des Anstoßes ins Rollen. Sein Tod bewegt – und gibt Anlass, ihn und auch Ballard neu zu lesen.

Es sucht ein gewisser adliger Gonsales im 16. Jahrhundert Ruhm und Ehre auf einer vertrackten Odyssee um die Welt. Das geht gründlich schief. Als es ihn auf eine abgeschottete Insel verschlägt, rettet er sein Leben vor Angreifern mithilfe einer Flugkonstruktion. Diese befördert ihn auf den Mond. Er findet Aufnahme bei den vernunftgeleiteten Bewohnern, doch bleibt das Ziel seine Familie in Spanien. Sich geschickt den Lunariern entwindend, landet er in China, wo er einem spanischen Laienbruder seine Niederschrift übergibt. Anerkennung soll ihm vorauseilen. Der Bischof Francis Godwin schlägt sich mit diesem ersten aller Mondfahrt-Romane aus dem Jahr 1638 auf die Seite der Wissenschaften. Im Fantasiespiel fordert er den Verstand heraus, was ihm eine gewichtige Gegnerschaft und somit kein leichtes Leben bescherte. Seine Vorausschau, u.a. von einer zukünftigen Kommunikationsform, die wir heute Telefon nennen, basiert auf den Glauben an wissenschaftliche Erkenntnis. Doch nimmt er auch die Unvernunft vorweg. Die wohl realistischste Phantastik, die je verfasst wurde.

Angélica Gorodischer Im Schatten des Jaguars Golkonda Verlag, Berlin 2011 183 Seiten, mit einem Nachwort von Rike Bolte

J.G. Ballard Liebe & Napalm Milena Verlag, Wien 2008 Gebunden

Francis Godwin Der Mann im Mond Ullstein Verlag, Berlin 1986 96 Seiten, auch: Der fliegende Wandersmann nach dem Mond

16,90 Euro

19,90 Euro

Antiquarisch


Kurzgeschichte

Ausgabe N°21 • Februar / März 2012 • Jahrgang 3 • trafficnewstogo.de

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Zwei Vulkane erschienen aus dem gerade noch glatten Meeresspiegel. Sie wuchsen heraus, vor einem undurchdringbaren grauen Gebirgszug mit dunklen Zickzackwegen für uns und unsere Sherpas. Aber das war zu weit weg, man konnte von meinem Hochsitz keine kleinen Esel mehr erkennen. Dann senkten sich die Vulkane wieder und ein Schwarm Schwäne stürzte vom Himmel hinab, denn sie hatten gerochen, dass das rosa Wasser warm ist. Allerdings fehlte ihnen offenbar dieses Subtile in ihrer Tierwahrnehmung, denn sobald sie das Wasser durchbrachen, zerkochten sie in der Hitze. Ich musste nicht lange warten, bis sich die Vulkane wieder zeigten und sich über dem Linken ein magnetischer Wirbel aus Dampf und Materie bildete, der so stark wurde, dass ich den Sog unter der Haut spürte.

Sehnsucht nach dem Sturm von Julia Zange

Ich hätte gerne einmal den Club-Salat mit Hähnchen, ohne Antibiotika. Privilegierte weiße Mädchen und amerikanische Plastiktüten-Boys, die seelisch verwahrlost waren, weil sie nie ein Butterbrot in die Schule mitbekamen, nur mampfige Sandwiches voller Mayonnaise und ohne Brotrinde (denn die Seele ist in der Rinde) und privilegierte deutsche Provinzmädchen, die keine Ahnung hatten von zerstörtem Familienleben an der amerikanischen Ostküste. Wie sollte man sich da verständigen? Alle fliehen Berlin im Winter in afrikanische Schlösser, Künstler-Camps in Mexiko oder einfach in den Süden des Landes, wo ein bemalter Hippy-Elefant ihnen die Tür zu einem kurzfristigen Schaumbad offenhält. Wenn die Deutsche Bahn nur nicht so teuer wäre. Ohhhhhhh ihr ernsthaften Poeten, die sich ein Büro gekauft haben, gibt es wirklich nichts mehr an dem sich zu leiden lohnte? Retten wir die verlorenen Söhne mit unseren Butterbroten. Man sorgt sich um die menschliche Orientierung. Nach den Wegmarken, den Faltkarten, den Gestirnen. Wir werden nur noch rechts und geradeaus geleitet. Ach Siri. Ich muss keine Proleten mehr an den Wegrändern befragen und die Gefahr eingehen, dass sie mich später zum Skatspielen einladen werden. Ich kann den Engel in meiner Brust austauschen gegen meine Startseite.

Wir spielten in den falschen Grotten von Santa Fee oh weee was kommt nach dem Ende der Metaphysik? Ihr lieben Kleinen man sollte nicht meinen, dass ihr es so weit gebracht habt und so verloren seid.

AUFPLATZENDE Bauten. Das ist kein Gewächs, lieber Freund. Das ist eine Explosion. Die Gewalt ist mein Freund. Mein wärmender Schatz. Wenn ich nur all diese fremden Sprachen verstehen könnte… Waldstürze Walsitze Ethnographische Lichtungen Kindschaft und Seilschaft Liebesheiraten und frische Milch für Nationen, die sich nicht fühlen, außer wenn sie bluten müssen. Dann fühlen sie das gemeinsame Opfer.

So viele bereiten sich auf den Weltuntergang vor, sie tragen eine Armbrust in der Manteltasche für alle Fälle diese Sehnsucht... Was hilft es sich über gesichertes Wissen den Kopf zu zerbeißen Ich nehme meine Gegenwart an, denn ich bin in ihr da die Phänomene ja immer die gleichen bleiben brauche ich mich nicht wehren.......... was habt ihr nur erfahren..... ich möchte in die Welt passen

Von Allem gibt es viel fast Alles ist ersetzbar es sammelt sich nicht mehr an die Inszenierung, Welten in der Welt Die Sehnsucht nach Wut, nach Kampf, nach Klarheit, nach Untergang und Extrem das Leben des Gegenteils, weil uns die Geschichte ja vernünftig gemacht hat. Die Befriedigung der Bedürfnisse Gier Als-ob Anhäufung (drei Schneckenhäuser) Die schöne Zukunft die Demokratie die Zukunft ohne Zucker Was die Kinder sich ausdachten

Auch die Fütterung der Seele ist wichtig Ich möchte raus aus euren Bedürfnissen, die meine geworden sind in die Steppe der Mongolen wo Europäer nach Yak-Milch stinken Was für eine Unverschämtheit wo ist denn der hintere Eingang ins Paradies? ich möchte nicht dass meine Seele weiterlebt wenn ich tot bin ich möchte irgendwann unendlich schlafen, das steht mir zu.

Wo soll ich hin? Der Hund weiß, was er zu tun hat. Er kaut den Stock mit aller Kraft, während er meine Hand nur so zerbeißt, dass die Haut nicht blutet. Der Hund weiß, was er tun muss. Das hat ihm niemand beigebracht.

I like.

Den Schaum vor dem Maul kannst du dir abstreifen und nebenbei damit noch ein Bild malen welches von einer Karawane an Analytikern dann interpretiert wird und dann eine Abhandlung darüber veröffentlichen über die Produkte der Produkte der kleinen Tiere War der Mensch je mit sich selbst im Rhythmus? Und wäre das gut für ihn? Aus wie vielen Sehnsuchtsschichten ist unser historischer Körper gebaut? Was macht unsere Zeit aus? Hang zur Ehrlichkeit und Akzeptanz Interesse an allem

Mutig sein — schwierig Anders sein — unmöglich Tod der Kunst Handwerk Blick in die Zukunft lässt nur noch erschaudern Fragwürdigkeit des Rebellentums mehr Tropennächte immer mehr Rebellion ohne Forderung Habermas und Kunststoffmasken Glaube an die Planbarkeit der Bildung des Lebenslaufs ein Algorithmus muss her Meine blau-äugige Sonne mit deinem verdammt offenen Gesicht in dem sich natürlich der Abgrund vermählt Münzen fallen dir aus der Hand und Ehrfurcht ist dir nicht fremd man sieht in uns was wir fürchten da sind die Sterne und so viele Möglichkeiten.


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English Appendix

Ausgabe N°21 • Februar / März 2012 • Jahrgang 3 • trafficnewstogo.de

ARROGANT BASTARD

by Adrian Stanley Thomas, New York City CHOOSING WEALTHY FRIENDS, THE FOOD IS SO MUCH BETTER Okay, the holidays are completely out of my system thank goodness, so it’s time for us to get back to aggressive negativity. A place I like to call home. Where we can conjure up disparaging things to say about the world freely with the armor of honesty at our backs, and all of the frailties it caresses like a smooth alabaster vase. A gullet open and yielding to the orifice of shame with the cascading stench of crimson wreaths; tell the radical kitten to calm down! We know what an impish wag is because you nestle up and associate with them on a daily basis. All the while yearning for a different life. Searching for the strength to be brave but giving in to populist concession. Will you be eternally sentenced to a life of conformity and compromise? It takes a steady shoulder to harness an argyle sentiment and then slowly feed on it. What do you expect? There’s a solution to this problem. Well everyone, I’ve made an important decision about “Friends” moving forward. Those colloquial persons that give you advice sometimes when you need it most, even though you are secretly

jealous of them because they are from a better family. I recognize that this is a soft spot for some of you. The word friend to you has special meaning in your life. You orchestrate the day as well as social gatherings around these friendships that provide comfort and re-assurance of the insecurities you harbor. Did you ever think that your life would be better if you only associated with wealthy people? Now before you cast dispersions on the idea, just think about it for a moment. What are the working class conversations about these days, the price of food, voting, the Constitution? You could be having really good meals prepared by chefs while listening to Pachelbel’s Canon in D Major. You could be doing this everyday. As we move into the 21st century we need to consider other options for our enjoyment. The word billion just sounds really important, doesn’t it? The quality of the evening will be fun for sure. Ask yourself this question; would you actually miss your current group of friends all that much? Even though they are your friends, you still don’t trust them. You mentally rate them on everything. This competition never has a finish line. I’m done with the mirage of complacency. What I mean is, you’ve gotten comfortable. You’ve settled into this because society told you that friendships of the heart were good for you. Is that so? The New Year requires that we make an assessment of the past

year and make an attempt to enhance the quality of our lives. In doing so, unfortunately that will not involve those of you who are low on funds. Now this may be a shock to some because I am very compassionate without an ounce of deceit or deception. Looking over the events of the past year such as, Occupy this and that, it’s given me cause to reflect on the choices that one makes with respect to social relationships. This sort of thing needs to be looked at for evaluation and kind of a “Clearing Out” of sorts. You need to streamline the number so you can corral the best team. As a result, I will be sending out severance letters to some of you. Who will I be moving away from in order to make room for new candidates? The one’s that have these wonderful meals with fresh vegetables and a sweet desert. I need you to really take some time with this. Picking wealthy friends is easy. You just follow the paper. You need to think about this, it’s similar to setting up your retirement; value, risk, long term, now this is the new way of thinking. I’m on to something folks. This might be bigger than the 1st industrial revolution. Individuals don’t grow unless they try to become better people. Now you have to pick your spots. Don’t get crazy. You need a bit of discipline or you’ll go crazy. You can do a bulk mailing of the folks you’re releasing.

Communism, tennis and the precarious evolution of the species by Conor Creighton German version on page 10 Even the North Koreans hunkered around weak coal fires, sipping treebark soup and chewing on their own toenails for nutrition know of that tennis match that rounded out the month of January in Melbourne. The news will have filtered in, as it does in that hermit of a country, through word of mouth, smoke signals and sewers, that the Westerners made two young men sprint after a hard cloth ball for six hours in one of the most climactically inhospitable countries in the world, during a record breaking summer, in the name of entertainment. “Pah”, they’ll say to themselves, “All that talk of the corrupt and tortured nature of the West is true. Stop digging that tunnel Kim. We’re staying put.” Now while that game of tennis may not have achieved the distinction of emboldening the flagging morale of the last great Marvel Comic dictatorship, it did show that something has happened to us humans – we just pushed the bar a notch higher. And even if you think tennis is a game for rich kids with too much garden and an endless supply of white socks, it’s still a reason for all of us to feel proud.

Normally evolution grows slower than grass on a cold hillside. Its pace is so steady and protracted that the only way to actually gauge it is to fall asleep for a generation. But every so often the slow moving traffic finds itself on an open road and drops into a high gear. On these rare occasions mankind has its very own 2012 moment. On the 29th of January, under 40 degree heat, Novak Djovkovic and Rafael Nadal picked up bones from the carcass of a dead animal and beat lumps out of each other. And by doing so we all got updated to the latest version of us. At the end of the game the men stood uneasily by the centre court while two long speeches condemned them to even further torture. Novak couldn’t feel his toes anymore. Since the third set they’d been swimming in blood. And Rafa would have to be helped out of his hotel bed the next morning as cramps had turned him into a cripple. Sitting through six hours of tennis might not leave you with the sense of gratification as say, splitting atoms, stumbling on cancer cures or discovering the seventh sense but for all who were still awake at the time or just caught up the next morning, the moment when Novak ripped his shirt open turned us all a little Hulk-like. Man had been recast. A high tide you see lifts every boat, but maybe some boats don’t want lifting.

And in the wake of this achievement it’s hard to know where to stand. It’s like last autumn when the speed of light was mercilessly broken not once but twice. This event changes everything. At root it means we’re capable of more than we imagined. We’re tougher than we thought. Back in the 60’s, no one had made a 100 m sprint under 10 seconds, today there are almost 40 Americans alone who have. For someone with just a desktop familiarity with athletics and who classifies ‘great human prowess’ as managing to feed and wash yourself while hungover, the news that a sporting event has once more pushed mankind forward is worrying as from here on in it’s only getting harder. We can applaud the stars of the court and commend them for playing past the point which you would shoot a horse dead, but it’s good to remember in light of immense sporting achievements that we all pay a price. The first man to run a marathon dropped dead at the finish line. Nowadays not even amputees or cancer survivors get much of a fanfare unless they’re breaking three hours. Tennis is just a game and this is just a column but as one North Korean said to the other in the cold light of yet another Asian winter, “Rather him than me.”


WWW.RADO.COM


PUT A SMILE ON A CHILD’S FACE.

Fiat 500 ist das offizielle Auto des 99FIRE-FILMS-AWARDS 2012 und sammelt damit zugunsten der RTL-Stiftung „Wir helfen Kindern e. V.“. Wenn Du also während der Berlinale einen Fiat 500 Hip shuttle siehst — einfach einsteigen, mitfahren und Wir helfen Kindern

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Kraftstoffverbrauch (l/100 km) nach RL 80/1268/EWG: kombiniert 6,1 – 3,9. CO2-Emission (g/km): kombiniert 140 – 90.

fiat500.de


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