TRAFFIC News to-go #26

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Ausgabe N°26 • September / Oktober 2012 • Jahrgang 4 • trafficnewstogo.de

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Pg. 6 Zeitgeschehen

Schluss mit Homo! Pg. 7 Zeitgeschehen

Apokalyptische Erschöpfung Pg. 7 Zeitgeschehen

J’accuse Ein Drink auf die Nächstenliebe! Pg. 8

Medizin Kolumne: Töne sehen ohne Drogen Pg. 8 Feuilleton

Raus aus dem Ghetto, rein ins Paradies. Der Philosoph Wolfgang Welsch über Kunst und Evolution

Pg. 10 Wetter

FREE PRESS!

NEWS TO–GO

TRAFFIC n

Pg. 25 Mode

Berlin, Miami, Paris, Düsseldorf: Musik, Mode, Kunst

Christiane Arp: Warum Mode mit Respekt zu tun hat

Pg. 11 Sport

Pg. 26 Berlin Inspires

Die Olympischen Spiele der Eier und Anarchichsten

Berlin Music Week, Fashion’s Night Out, Berlin Art Week

Pg. 13 8-Page Editorial

Pg. 27 Previews Berlin

I’M POSSIBLE

Special Guide: Musik, Mode, Kunst

Pg. 22–23 Musik

Pg. 28 Reisen

Philosophen unter sich: Jay-Z meets Karl Marx & Weltmusik ist tot. Es lebe Spoek Mathambo! Pg. 24 Kunst

Matthew Barney: Der Wagner Amerikas

Laurent Vernhes: Hotels brauchen eine neue Vision Pg. 30

English Appendix: Arrogant BASTARD, JAY-Z MEETS KARL MARX


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Contributors

Ausgabe N°26 • September / Oktober 2012 • Jahrgang 4 • trafficnewstogo.de

Contributors

Thorsten Denkler

Mallence und Patrice Bart-Williams

Mafalda Millies

Thorsten Denkler, geboren 1971 in Westfalen, fordert als Schülersprecher das Ende der politisch emotionslosen Schule, macht aber in der LandeschülerInnenvertretung von NordrheinWestfalen unangenehme Bekanntschaften mit quotierten Redelisten. Statt in die Politik, zieht es ihn in den politischen Journalismus; ab 1998 als freier Schreiber für die Tageszeitung in Bonn, ab 1999 als Volontär der taz und ab 2001 als Korrespondent für sueddeutsche.de in Berlin. Er hat unter anderem für die Financial Times Deutschland und die Frankfurter Rundschau gearbeitet.

2008 ließ Mallence für ihren Bruder, den Musiker Patrice, in Sierra Leone eine Jacke mit traditioneller Stickerei fertigen. Mitten in einem der härtesten Ghettos Freetowns lernte sie eine Gruppe Jugendlicher kennen, die buchstäblich unter einer Brücke lebten. Trotz oder gerade wegen der Warnung, diese zu meiden, suchte sie ihre Nähe. Es entstand eine Freundschaft und Zusammenarbeit, in der sie gemeinsam mit dem Label K1X eine Schuhkollektion kreierten, die schließlich bei Colette in Paris landete. Im 8-Page-Editorial erzählen sie ihre Geschichte.

Seit September drückt Mafalda Millies wieder die Schulbank und büffelt an der Hertie School of Governance in Berlin für ihren Master of Public Policy. Ihr Erststudium absolvierte die 23-Jährige in Kommunikationswissenschaften, Rhetorik und BWL an der American University in Paris. Nach ihrem Abschluss reiste die Hamburgerin ein Jahr lang durch Asien, bevor sie nach New York zog, um sich in der Welt des Krisenmanagements auszuprobieren. Seit ihrer Rückkehr schreibt sie über Politik, Kultur und Kunst unter anderem für Cicero Online und Horst & Edeltraut.

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Zeitgeschehen

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Wenn zwei Menschen in Ehe leben wollen, dann hat es dem Staat egal zu sein, wer da vor seinen Standesbeamten steht.

Nicht Homo! Einfach Ehe! von Thorsten Denkler Zwei Menschen lieben sich, kommen zusammen, wollen heiraten, vielleicht eines Tages Kinder großziehen, vielleicht hat einer schon Kinder. Sie suchen den Schutz des Staates. Wollen abgesichert sein. Verständlich. Es ist Aufgabe des Staates, solche Verantwortungsgemeinschaften zu fördern. Steht ja auch so im Grundgesetz. Gilt nur nicht für jeden. Die staatliche Institution der Ehe ist immer noch Mann und Frau vorbehalten. Wollen zwei Männer oder zwei Frauen standesamtlich heiraten, dann heißt das noch immer verschwiemelt „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, im Volksmund auch Homo-Ehe. Weil sie eben etwas anderes sein soll als eine Ehe. Wenn Kirchen die Heirat von Schwulen und Lesben in ihren Gotteshäusern ablehnen, mag das anachronistisch sein. Auch Homosexuelle glauben an Gott und zahlen Kirchensteuer. Eine Kirche aber ist eine Gesinnungsgemeinschaft. Ein Staat nicht. Der Staat soll das Zusammenleben der Bürger miteinander regeln. Und zwar frei von jeder Diskriminierung. Ein Staat, der nur Heteropaa-

re zu einer ordentlichen Ehe zulässt, der diskriminiert gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Nicht erst einmal hat das Bundesverfassungsgericht die vielen Ungleichbehandlungen von Homo- und Hetero-Ehe in diversen Gesetzen bemängelt. Dazu gehörte bereits die Hinterbliebenenrente von Beamten im öffentlichen Dienst, die Erbschafts- und Schenkungssteuer, der beamtenrechtliche Familienzuschlag und die Grunderwerbsteuer. Es gibt noch mehr solcher Seltsamkeiten: Manche Unternehmen dürfen nur geführt werden, wenn der Inhaber eine bestimmte berufliche Qualifikation nachweisen kann. Apotheker etwa. Stirbt der Hetero-Apotheker, darf er das Unternehmen seiner Frau und Nichtapothekerin vererben. Die muss dann nur einen Apotheker einstellen. Ein schwuler Apotheker kann das Unternehmen nicht seinem Lebenspartner überlassen, wenn der kein Apotheker ist. Sinn ergibt das nicht. Bald wird das Bundesverfassungsgericht wieder handeln, dann wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit die steuerliche Gleichbehandlung der Homo-Ehe fordern. Ehegattensplitting für alle. Das Splitting stammt aus einer Zeit, in der

Ehe gleichbedeutend mit Familie und Familie ohne Ehe nicht denkbar war. Heute ist Familie überall, wo Kinder sind. Das Splitting müsste abgeschafft werden oder besser zu einem reinen Familiensplitting ausgeweitet werden. Steuervorteile gäbe es dann nicht mehr für Paare, sondern nur noch für Familien. Für Homo-Paare ist nicht der Steuervorteil wichtig, sondern die längst überfällige Gleichstellung. Sie wollen keine Ehe zweiter Klasse führen. Sie wollen eine Ehe führen. Ohne Homo. Dazu gehört auch, dass sie das gleiche Adoptionsrecht bekommen wie Hetero-Paare, dass das Sorgerecht an Homo-Paare angepasst wird, dass schwule Paare ihr Recht wahrnehmen können, gemeinsame Kinder aufwachsen zu sehen, ob nun von einem Partner biologisch gezeugt, empfangen oder schlicht gemeinsam adoptiert. Einen objektiven Grund gibt es dafür nicht, dass Homo-Eltern hier nicht längst gleichberechtigt sind. Viele Kinder leben bei ihren homosexuellen Eltern, sie gedeihen nicht mehr oder weniger prächtig als bei biologischen und verheirateten Eltern. Diese Eltern lieben ihre Kinder mit der gleichen Hingabe wie Heteros. Ein Elternteil aber darf auf dem Papier nicht

die Mama oder nicht der Papa sein. Sie dürfen nicht gemeinsam Eltern sein. Im Alltag spielt die sexuelle Identität des Einzelnen kaum noch eine Rolle. Schwule und Lesben sind Ärzte, Krankenschwestern, Anwälte, Journalisten, Sportler, Außenminister, Bürgermeister, Gärtner, Sterbebegleiter, Psychologen. Sie sind auch Diebe, Mörder, Dealer. Sie bekommen Bundesverdienstkreuze und sitzen im Knast. Sie leben ihre Sexualität anders, aber sie leben ihr Leben nicht besser oder schlechter als Heteros. Sie lieben, lachen, weinen, hassen, jubeln, verraten, mobben, stänkern, loben, wie alle anderen. Absurd, dass das überhaupt gesagt werden muss. Sobald sie aber als Paar auftreten, weist der Staat ihnen eine Sonderrolle zu. Sie bekommen eine Sonderbehandlung. Weil sie so anders sind. Angeblich. Solange Homo-Paare nicht die gleichen Rechte und Pflichten haben wie Hetero-Paare, ist das eine Diskriminierung. Dabei gilt doch eigentlich: Vor dem Gesetz sind alle gleich. In guten wie in schlechten Zeiten. zeitgeschehen@trafficnewstogo.de


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Erschöpfung III

Auch eine andere seltene Erscheinung mit Augenringen braucht mal ein bisschen Zeit zum Abschalten. Kanzlerin Angela Merkel ist im August in die Republik Moldau geflogen. Der Kampf um den Euro nehme durch den Besuch keinen Schaden, hieß es gleich beschwichti-

gend aus dem Kanzleramt. Die Chefin dürfe sich vor dem endgültigen Untergang - oder wie es in den Zeitungen heißt: „Euro-Dämmerung“ – ja wohl noch mal einen kleinen Staatsbesuch-Abstecher leisten. Dort gibt es zwar nichts zu holen und zu handeln aber das Land hat seinen Staatsschatz, statt in Form von Gold oder Aktien, in Wein angelegt. In einem gigantischen unterirdischen Stollensystem, das einst deutsche Kriegsgefangene graben mussten, lagert eine der größten Weinsammlungen der Welt. Etwa ein bis zwei Millionen Flaschen – so genau hat noch keiner nachgezählt. Ist auch recht mühsam. Gleich auf dem Rollfeld bekam Merkel von einem jungen Mann in schwarzer Wollmütze und bestickter Tracht einen Tonkrug gereicht. Der moldawische Premier Vladimier Filat wollte unbedingt mit der mächtigsten Frau der Welt anstoßen. Er hatte sich sehr auf den „äußerst wichtigen Besuch“ gefreut, aus der Hauptstadt 152 Lastwagen Müll wegschaffen lassen, Bäume und Blumen gepflanzt und extra frischen Rollrasen verle-

Etwas mehr als ein „Plumps“ war wohl der Absturz von Brigitte Nielsen. Böse PaparazziBilder zeigen sie in einem Park in Los Angeles so bucklig, faltig und zerzauselt, dass sie schon fast Ähnlichkeit mit einem gewissen Staatsoberhaupt haben könnte. Wenn da nicht die Kippe in der Hand und die billige WodkaFlasche in der Handtasche wäre und das lila Cappi auf dem Kopf. Und die Tatsache, dass die dänische Schauspielerin gerade einen TVöffentlichen Alkoholentzug hinter sich hat. Davor hatte sie sich im Reality-Show-Format einer plastischen Kompletterneuerung unterzogen, sich in Deutschland, England, Italien, Frankreich und Dänemark in Wohncontainer, Villen, Studios, Bauernhöfe und Wohnungen sperren lassen, war im australischen Dschungel knietief im Morast versunken und hatte sich für eine englische Real-Doku schließlich umbringen lassen. Ob man bei einem Schlückchen Wodka im Park da wirklich von einem Absturz sprechen kann? Sie sei in letzter Zeit eben sehr viel gereist und habe viel gearbeitet, erklärte Nielsen später. Vielleicht sollte sich die blonde Supereuropäerin einfach mal nach Moldau begeben. Dort könnte sie dem Staat bei der genauen Bestimmung seines Schatzes helfen und sich ein Stück Rollrasen zum Ausnüchtern an einen ungestörten Ort mitnehmen.

Bamm. Wir ließen das Thema fallen, bestellten weitere Drinks, der Abend ging vorüber. Die Frage ging mir nicht mehr aus dem Kopf. War sie wirklich so naiv? Oder legte sie vielmehr den Finger in die Wunde: Wie solidarisch sind wir? Wie gehen wir Europäer miteinander um? Sind wir füreinander da oder lehnen wir uns zurück, weil wir das mit der Euro-Krise und den Rettungsschirmen nicht mehr verstehen und verlassen uns darauf, dass der Staat das schon machen werde? Und meine eigene Antwort? Ließ die nicht darauf schließen, dass ich unbewußt insgeheim dachte, wir (Deutschen) machten doch schon genug? Bekommen wir dafür etwas zurück? Quit pro quo, also? Während ich darüber nachdachte, fiel mir meine Euphorie während der Rede des damaligen Außenministers Joschka Fischers am 12. Mai 2000, also kurz nach Einführung des Euro,

in der Humboldt-Universität zu Berlin ein. In dieser mitreißenden Rede ging es um die politische Zukunft Europas. Eine Föderation europäischer Staaten schien greifbar und wir alle konnten an dieser wichtigen historischen Entwicklung teilhaben. Beim Nachlesen der Rede bin ich über diesen Satz gestolpert,: „Die Einführung des Euro bedeutete nicht nur die Krönung der wirtschaftlichen Integration, sie war zugleich ein zutiefst politischer Akt, denn die Währung ist nicht nur eine ökonomische Größe, sondern sie symbolisiert auch die Macht des Souveräns, der sie garantiert.“ Und der Souverän, das sind doch wir. Das Volk, die Menschen. Du und ich. Wir gestalten die Gemeinschaft, letztlich die europäische Gemeinschaft, mit. Wir teilen Hoffnungen, Nöte und Interessen. Und damit wären wir wieder bei der Solidarität. Vom Wortstamm her, steckt da

solide, also fest und unverbrüchlich drin. Man tritt füreinander ein, ist füreinander da. Und zuckt nicht bei der ersten Krise mit den Achseln, weil Merkel und Konsorten schon irgendwelche (steuerfinanzierte) Pakete schnüren und man selber damit aus dem Schneider ist. Wem Solidarität übrigens zu sehr nach Arbeiterbewegung klingt: Nächstenliebe ist das Gleiche. Und wir müssen ja nicht so weit wie Jesus in der Bergpredigt gehen, als er sagte: „Wer dich bittet, dem gib und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.“ Wir können ja einfach wieder darüber nachdenken, dass wir, angesichts einer europäischen Krise, freundlich miteinander umgehen und gebeutelten Spaniern oder Griechen wenigstens das Gefühl geben sollten, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sie nicht im Stich lässt. Abends mal gemeinsam ein Getränk nehmen, kann ja schon ein Anfang sein.

Die monatliche Apokalypse in drei Akten

Erschöpfung I Der Panda guckt wegen seiner dunklen Schatten unter den Augen ja sowieso immer ziemlich müde, matt und vorwurfsvoll leidend in diese unglückselige Welt. Seit letztem Monat muss er das noch ein bisschen mehr. Denn die Naturschutzorganisation WWF, die mit dem traurigen Blick des Bären ja auch Markenprodukte verziert und Spendenbriefe verschickt, hat für den 22. August den „Welterschöpfungstag 2012“ ausgerechnet. Das bedeutet, dass alles, was wir in diesem Jahr von nun an verbrauchen, von der Erde nicht regeneriert werden kann. Wir leben jetzt also offiziell auf Pump. Berechnet hat man das, indem man den Verbrauch von Holz, landwirtschaftlichen Früchten und Fischen zusammengezählt und mit der Fähigkeit der Biosphäre Kohlendioxid aufzunehmen, verrechnet hat. Das klingt zwar nach einer wilden Rechnung aber für Wildes

J'accuse von Uta Schwarz Neulich Abend saSS ich mit ein paar Freunden zusammen und wir redeten über dies und das und irgendwann darüber, dass in Spanien die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50 Prozent liege und viele daher nach Deutschland auswanderten. Daraufhin fragte eine Freundin: „Und was können wir für Spanien und die Spanier tun?“ Meine Reaktion ist mir inzwischen peinlich: Ich lächelte etwas geringschätzig, da ich die Frage so naiv fand und sagte: „Na, jetzt müssen wir ja erstmal Griechenland helfen, vielleicht können wir danach auch noch etwas für Spanien tun.“

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gen lassen – der allerdings gleich wieder geklaut wurde. Mithilfe der deutschen Kanzlerin wolle er Moldau an die EU heranführen, wie er später sagte. Liest der Mann keine Zeitung? Vom schweren Wein ermattet und irren EUTräumern ermüdet, ließ sich Merkel in einen goldenen Brokatsessel sinken. Der gab nach und „Merkel machte Plumps in Moldau“, um es mit einer Schlagzeile der BILD zu sagen.

1,2,3

von Greta Taubert

Zeitgeschehen

hat man beim WWF eben etwas übrig. Meistens eindringliche Worte – zuletzt gehört ebenfalls am 22. August, als der älteste Pandamann der Welt, BaoBao, an Alterserschöpfung im Berliner Zoo gestorben ist. Man bedauere das sehr, sagte der WWF-Leiter des Artenschutzes, noch wichtiger aber sei es, seine wild lebenden Verwandten in Asien zu schützen. Weil seine Wälder in China größtenteils zerstört worden seien, müsse man dem Panda neue grüne Korridore anlegen. Dann kann er endlich von Futterquelle zu Sexualpartner, zu Rückzugsfleck trapsen. Und sich mal wieder freuen.

Erschöpfung II


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Feuilleton

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Interview von Mafalda Millies

von Dr. Inge Schwenger-Holst, Medizinerin, Unternehmerin und Vorsitzende des Vereins call a doc.

Cerebrales Crossover Wissen Sie, wie das hohe C riecht oder haben Sie eine Idee, welche Melodie im Azurblau steckt? Schmeckt der Kuchen Ihrer Oma rund, während der aus dem Supermarkt lauter Ecken hat? Können Sie sich vorstellen, wie Rosenduft aussieht? Wenn ja, dann muss es nicht an dem noch wirkenden Joint liegen - vielleicht gehören Sie zu den 4% Synästhetikern, deren Gehirn es vermag auch ohne halluzinogene Drogen, ein Crossover zwischen den sonst so getrennt erscheinenden Sinneseindrücken herzustellen. Aber nicht nur Töne werden Farben zugeordnet, oder Gerüche gefühlt, auch Zeitintervalle oder andere Abstraktionen werden von Synästhetikern mit Formen oder Farben bedacht. Erst 1812 erschien die erste Studie über das sogenannte „Farbenhören“, die häufigste Ausprägung der Synästhesie. Was noch vor nicht allzu langer Zeit als Störung wahrgenommen wurde, ist heute ein populäres Forschungsfeld. Während es bei nahezu jedem Menschen eine Möglichkeit der Sensibilisierung für Cross-over Wahrnehmungen gibt, ist die sog. „genuine“ Synästhesie nicht lernbar, sondern erblich und offenbar bei Frauen häufiger anzutreffen. Die ehemaligen „Freaks“, unter Ihnen Kunst VIPs wie der Farben hörende Kandinsky, Baudelaire und Rembrandt, werden inzwischen als z.T. mit überdurchschnittlicher kreativer Begabung und Kreativität gesegnete Minderheit anerkannt. Ein Eindruck der künstlerischen Vielfalt vermittelt die Virtuelle Ausstellung "Synästhesie" Helena Bergmann – Melanie Voerman Media System Design 2006. Trotzdem haben viele Synästhetiker ihr Coming Out noch nicht gehabt, teils, weil es Ihnen peinlich ist, z.B. Töne zu schmecken, teils weil sie ihre eigenen synästhetischen Wahrnehmungen verdrängen. Für alle die, die eine Ahnung haben, dass es bei Ihnen im Kopf bunter zu geht als bei uns Schmalspursensorikern, gibt es einen Test zur Wahrheitsfindung auf http://www.sensequence.de oder Sie loggen sich auf http://www.synesthete.org in die Synestesia Battery ein. Immer stehen Ihnen natürlich unsere Sinnesprofis, die Hals-Nasen-Ohren-, Augenärzte und Neurologen von call a doc zur Verfügung.

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Ist das Kunstschaffen eine Dimension des Humanen, und somit als der Spezies Mensch eigen zu verstehen? Ohne Zweifel gibt es im Tierreich keinen Picasso, keinen Beethoven und keine Yoko Ono. Die Eigensphäre der Kunst entsteht erst im Zuge der kulturellen Evolution und findet sich nur beim Menschen. Allerdings haben unser Kunstschaffen und unser ästhetischer Sinn evolutionäre Vorbedingungen und Vorläufer. Unsere Fähigkeiten sind nicht vom Himmel gefallen, sondern haben sich aus animalischen Anfängen entwickelt. Handelt es sich bei der Kunst vielleicht um ein rein kulturelles Phänomen, um ein erlerntes Verhalten ohne direkte biologische Ursache? Kunst verlangt ästhetischen Sinn. Und der hat sich evolutionär schon lange vor dem Menschen, nämlich bereits im Tierreich entwickelt. Das war das große Thema des zweiten Teils von Darwins zweitem Hauptwerk „Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl“ von 1871. Die natürliche Auslese genügt nicht, sie muss durch die sexuelle Auslese ergänzt werden, und diese basiert auf ästhetischen Faktoren. Mit der zunehmenden Schönheitsproduktion auf Seiten der Männchen korrespondiert die Ausbildung eines ästhetischen Sinnes bei

den Weibchen; diese wählen den ästhetisch Attraktivsten zur Paarung. Insofern sind Schönheit und Ästhetik von ihrem Ursprung her sexuell motiviert und biologisch hochbedeutsam. Allerdings haben sie sich beim Menschen von dieser Motivation auch weithin gelöst. Wenn uns Gustav Mahlers sechste Symphonie tiefer ergreift als die vierte, so hat das nichts mit einem Unterschied der sexuellen Erregung zu tun und lässt sich nicht mit biologischen Kategorien erklären. Dennoch mag Sexuelles und Biologisches noch in unseren höchsten ästhetischen Genüssen nachklingen, vielleicht bezieht alle unsere kulturelle Aktivität von dorther ihre Antriebsenergie. Ganz unabhängig von unserem animalischen Unterfutter also dürften unsere hochkulturellen Aktivitäten nicht sein, aber sie haben doch ihre eigene Dynamik und Logik entwickelt, und ihre Feinbeschreibung muss mit kulturellen und ästhetischen, kann nicht einfach mit sexuellen und biologischen Kategorien erfolgen. Selbst wenn Freud damit Recht hätte, dass all unsere kulturellen Unternehmungen Sublimierungen des Sexualtriebs darstellen, so lässt sich doch der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Auflage von Kants Kritik der reinen Vernunft schwerlich libidinös erklären. Kunst ist, laut der maßgeblichen ästhetischen Theorien, in ihrem Kern autonom; Sie dient

in erster Linie keinen sozialen oder politischen Zwecken, sondern erschafft eine eigene Sphäre der sinnlichen Lust. Wie kann etwas entstanden sein, das sich so fernhält von allen praktischen Zwecken und Überlebensnotwendigkeiten? Das Autonomietheorem – die zentrale Erfindung der bürgerlichen Ästhetik des späten 18. Jahrhunderts – ist in fast jeder Hinsicht verquer. Erstens speist sich die Kunst, wie soeben erwähnt, aus uralten anthropologischen Antrieben und ist insofern weder autark noch autonom. Zweitens ist die ästhetische Lust nicht etwas, was sich unabhängig von unserer sinnlichen und kognitiven Organisation einstellt (wie schon Aristoteles betont hat). Und drittens ist die "Eigengesetzlichkeit" der Kunst („Autonomie“ bedeutet dem Wortsinn nach „Eigengesetzlichkeit“) stets von extra-artistischen – sozialen, politischen, kulturellen – Faktoren abhängig oder mit ihnen aufs Deutlichste verflochten. Die Ausbildung der Sondersphäre Kunst bedarf der sozialen Existenz von Kunstfreunden und Kunstzirkeln; Goyas Erschießung der Aufständischen von 1815 bezieht sich auf ein historisches Ereignis und ist ein politisches Fanal; und ohne einen vorgegebenen religiösen Kontext würden künstlerische Häresien schlicht ins Leere laufen. Im Übrigen sollten wir zwischen Kunst und ästhetischer Aktivität unterscheiden. Das „System Kunst“ ist

Der Philosoph Wolfgang Welsch über die animalischen Vorbedingungen des Kunstschaffens, das moderne Kunstghetto und warum wir vielleicht dem Paradies nahe kommen werden, wenn wir darüber hinaus wachsen.


Feuilleton

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eine Erfindung des 18. Jahrhunderts: Fortan sollte es um Kunst für Museen und Galerien, um Kunst um der Kunst willen, um KunstKunst gehen. Aber ästhetische Aktivität gab es schon jahrtausendelang, bevor dieses moderne Kunstghetto erfunden wurde. Und auch damals wurden großartige Leistungen vollbracht. Der Unterschied ist, dass es früher nicht um Kunst ging, sondern um die ästhetische Perfektionierung von Alltagsgegenständen, um die ästhetische Verbesserung der Lebenswelt und um das Ausreizen ästhetischer Potenziale für religiöse, politische oder auch private Zwecke. Nicht Kunst-Kunst, sondern Real-Kunst, Lebenswelt-Kunst war das Ziel. Und dann wurde gar ein Gedanke virulent, der bis heute lebendig geblieben ist: Dass es mittels der Kunst und der ästhetischen Tätigkeit eigentlich um so etwas wie „Lebenskunst“ (Schillers Ausdruck) gehen könnte und sollte. Im asiatischen Raum ist dieser Gedanke geradezu selbstverständlich: Die Kunst ist ein Weg, um unsere Humanität zu entwickeln und zu verfeinern; es geht nicht um Kunstwerke, sondern um eine ästhetisch inspirierte und gesteigerte Form der Existenz. Im Westen tauchte dieser Gedanke sporadisch auf: Wie gesagt bei Schiller, aber auch bei den Avantgarden des 20. Jahrhunderts und erneut in Beuys’ Idee der „sozialen Plastik“. – Vielleicht wird einmal eine Zeit kommen, wo Kunstwerke (Kunst-

Kunst, Museums-Kunst) überflüssig werden, wo alle ästhetische Aktivität vielmehr in der Gestaltung unserer sozialen Umwelt und im respektvollen Umgang mit der Natur und unseren Mitmenschen aufgehen wird – das müsste dem Paradies nahe kommen. Welche biologische Funktion hat die Kunst? Hat sie einen direkten Nutzen oder entstand sie als entbehrlicher Nebeneffekt anderer Gehirnaktivitäten? Wie Kunst oder intensivierte ästhetische Tätigkeit in der Entwicklung der Menschheit entstanden ist, stellt nach wie vor eine offene Frage da. Es gibt etliche Hypothesen dazu, aber keine abschließende Antwort. Klar ist jedoch, dass diese Aktivitäten zunächst einmal sozial nützlich gewesen sein müssen, sonst wären sie nach sporadischen Ansätzen wieder zusammengebrochen. Vermutlich war Kunst – wobei Körperbemalung, Rituale und Musik gute Anfangskandidaten sind – zunächst einmal Gruppenkitt: Sie verstärkte den inneren Zusammenhalt der Gruppe und diente zugleich deren äußerer Abgrenzung gegen andere Gruppen. Etwas davon ist noch heute im Theater oder bei Konzerten und Tanzdarbietungen zu verspüren. Kurzum: Ursprünglich dürfte die Kunst direkt sozial nützlich und von daher dann auch indirekt biologisch nützlich gewesen sein.

Ist der Mensch auf die Kunst (und Geistiges) angewiesen? Geistiges ist für uns Menschen essenziell. Unser Gehirn ist ein unglaublicher Apparat zur Selbstbezugnahme. Dazu hat es sich übrigens bereits vor Beginn der kulturellen Evolution vor ca. 40.000 Jahren entwickelt – und daraus ist dann gleichsam der Startschuss für die kulturelle Evolution erwachsen. Von den schätzungsweise 1014 Verbindungen in unserem Gehirn dient höchstens jede zehnmillionste dem Außenkontakt, während alle anderen Prozesse der internen Kommunikation dienen. Die Bahnen innerer Kommunikation überwiegen somit gegenüber denen äußerer Interaktion im gigantischen Verhältnis von 107:1. Wir Menschen sind Binnenkommunikations-Experten, sind fürwahr Reflexionswesen par excellence. Insofern sind geistige Tätigkeiten (im weitesten Sinne) unsere eigentliche Domäne. Selbstverständlich gehört dazu auch die Kunst und die ästhetische Tätigkeit ganz allgemein. Musik beispielsweise kann unglaubliche neuronale Erregungen auslösen. Diese betreffen nicht nur den auditiven Kortex, sondern das gesamte zerebrale System – man könnte geradezu von „neuronalen Symphonien“ sprechen. Ohne geistige Nahrung würden wir Menschen ebenso sehr/schnell verkümmern wie ohne physische Nahrung.

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Inwieweit ist die Kunst eine pure Lusttechnologie, die unser Leben verschönert, uns aber gleichzeitig unentbehrliche Energien raubt? „Lusttechnologie“ gefällt mir. Man muss freilich mit einer ganzen Reihe von Lustarten und Lustniveaus rechnen. Es gibt sinnliche aber auch kognitive Lust und ebenso körperliche, erotische usw. Sie sollten alle gelebt werden und die Kunst kann uns dazu verhelfen. Dass dies uns Energien nähme, kann ich nicht erkennen. Kunst ist doch eher eine Quelle von Energie. Im Psychischen und Mentalen gilt der physikalische Energieerhaltungssatz nicht. Hier verbrauchen Tätigkeiten nicht nur Energie, sondern schaffen auch neue.

Bibliographie Blickwechsel – Neue Wege der Ästhetik. Stuttgart: Reclam 2012, 339 Seiten, Euro 9,80. Mensch und Welt – Eine evolutionäre Perspektive der Philosophie. München: Beck 2012, 191 Seiten, Euro 14,95. Homo mundanus – Jenseits der anthropischen Denkform der Moderne. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2012, 1004 Seiten, Euro 78,00.

© FRANK STÖCKEL

KUNST VERLANGT ÄSTHETISCHEN SINN


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Das Wetter

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© Jen DeNike: Iemanjá, 2011 / Mendes Wood, São Paulo

das wetter von Eva Kazcor wetter@trafficnewstogo.de

BERLIN

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MIAMI

52° 30' 2'' N, 13° 23' 56'' E Frühherbstlich frisch – Spätsommerlich warm

25° 47' 15.64'' N, 80° 13' 26.92'' W Sommerlich heiSS im tiefen Winter

Artists space New York auf der ABC In NYC wird Kunst gekauft, in Berlin wird sie gemacht. Nun kommt NYC nach Berlin, um das Prinzip umzukehren. Die art berlin contemporary (kurz: abc), die sich anschickt die neue Kunstmesse im Berliner Kunstherbst zu werden, hat sich die Kunstförderung „Artists Space“ aus New York eingeladen. Die setzt sich seit über 40 Jahren mit dem Kunstbetrieb auseinander und wird nun in Berlin mit einem „Basar“, Vorträgen und zwei Ausstellungen aufwarten. 27 internationale zeitgenössische Kulturproduzenten, wie Verlage, Kinos, Plattenlabels, Architekten und Städteplaner hat Artists Space ausgewählt, auf dem Basar ihre Projekte zu präsentieren. Darunter äußerst interessante Namen wie „My Bauhaus Is Better Than Yours“, die geschätzten Grafikdesigner von „Project Projects“ und unser Lieblingsbuchhandel „Pro qm“. Das Ganze klingt recht intellektuell und theoretisch, aber wir rechnen mit einer gehörigen Portion New Yorker Sexiness.

Art Basel Miami Beach Der Deutsche Sommer bot definitiv zu wenig Wärmevorrat, um den Winter mit einem gekonnten Lächeln zu überstehen. Müssen wir auch nicht - der Dezember lockt mit der Art Basel Miami Beach. Hier versammelt sich vom 6. bis 9. Dezember 2012 die internationale Kunst- und Partyszene. Auf der Miami Edition der Art Basel ist alles einen Tick größer als in der Schweiz: Die Privatsammlungen, die Hotels (kein Kunststück), die Entfernungen, die Privat-Jets und natürlich die Partys, wie unsere Lieblingsfeier aus Berlin, der Broken Hearts Club. Dieses Jahr werden 266 Galerien ca. 3000 Künstler vorstellen und wem das nicht reicht, der schaut sich die benachbarte Design Miami an. Miami ist eigentlich der Auftakt für das Kunstjahr 2013, und die Muttermesse in Basel (13.-16. Juni 2013) das Highlight. Halt! Verpassen darf man nächstes Jahr auf keinen Fall die erste Ausgabe des jungen Art Basel Ablegers „Art Basel in Hongkong“ vom 23. bis 26. Mai 2013.

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PARIS

48° 51' 24.12'' N, 2° 21' 2.88'' E Herbstlich kühl Pitchfork Music Festival Gut geschützt im grünen Park zu Beginn des kühlen November (1.-3.11.2012) wird Paris auf dem PITCHWORK MUSIC FESTIVAL die Hipster-Mähne schütteln. In der beeindruckenden Stahlkonstruktion der Grande Halle de la Villette hat Pitchfork, der weltweit größte Musikblog der Indie-Szene, zum zweiten Mal die Crème de la Crème der Independent Musiker in Paris versammelt. Darunter Animal Collective, Robyn, Sébastien Tellier sowie John Talabot. Die Webseite von Pitchfork Media schreibt seit 1995 diese Art von Bloggermärchen, an dessen Anfang ein Musikstudent steht und ein paar Jahre später 170.000 Leser pro Tag. Kein Wunder, dass die Rezensionen der Pitchfork Schreiberlinge über die Karrieren von jungen Bands entscheiden können – eine ihrer Entdeckungen: Die kanadische Indie-Rockband „Arcade Fire“. Seltsam, wenn man sich in Paris trotz aller Euphorie nicht auch ein wenig genussvolles Anti-USA-Nörgeln gönnen würde. Man fragt sich dort gerade, warum fast alle Bands aus den USA kommen, wo doch Europa voll von Indie Musik ist? Bon. Pitchfork schweigt und plant die dritte Ausgabe des Festivals: In NYC.

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BERLIN / DÜSSELDORF 4

52° 30' 2'' N, 13° 23' 56'' E / 51° 14' 0'' N, 6° 47' 0'' E Herbstlich Fashion’s Night Out Die ersten kühlen Luftströme haben uns im Park umschmeichelt. Der Blick glitt suchend zum Himmel, um nach den ersten Drachen zu schauen und uns wurde ein wenig seltsam zumute. Der Herbst schleicht sich heran und bringt uns, neben Melancholie, dieses wundervoll sehnsuchtsvolle Ziehen im Herzen nach Transformation, aka nach dem Alles verändernden Outfit für die bunte Jahreszeit. Als sich die VOGUE vor vier Jahren mit ihrer FASHION’S NIGHT OUT anschickte, Klamotten kaufen ein bisschen glamouröser zu gestalten, hat sie sicher nicht mit einem Erfolg dieser Größe gerechnet. Wenn Berlins Luxusboutiquen am 6. September, gefolgt von Düsseldorf in der Nacht darauf, ihre Schwingtüren bis Mitternacht öffnen, sind sie nicht allein. Das nächtliche Shoppingevent findet mittlerweile in 19 Ländern statt und nennt sich selbstbewusst „A Global Celebration of Fashion“. Ach ja, liebe Fashion Blogger der Hashtag lautet #FNO – just saying.

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Sport

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© Wolfgang Staudt

Ausgabe N°26 • September / Oktober 2012 • Jahrgang 4 • trafficnewstogo.de

DIE OLYMPISCHEN SPIELE VON BERLIN von Conor Creighton Übersetzt aus dem Englischen von Lilian-Astrid Geese Nachdem die Welle des guten Willens und des positiven Zuspruchs nach dem Fall der Mauer abgeebbt war, bewarb sich Berlin 1990 um die Ausrichtung der Olympischen Spiele im Jahr 2000. Die Idee an sich war keineswegs absurd. Zwar war die Stadt nach wie vor in vielerlei Hinsicht geteilt, war pleite und noch nicht in der Lage, die Hauptstadtrolle von Bonn zu übernehmen. Doch immerhin hatte man soeben den Kommunismus besiegt und damit eine Aufgabe bewältigt, an der JFK, LBJ, Nixon, Carter, Ford und Reagan mit der größten Armee der Welt gescheitert waren. Die Berliner preschten mutig voran mit dieser Idee, doch man sah ihnen damals nach, dass sie glaubten, ihnen würde alles gelingen. Bekanntermaßen gingen die Spiele im Jahr 2000 allerdings an Australien und Europa musste den Wecker stellen und in aller Herrgottsfrühe aufstehen, um die Wettkämpfe live zu verfolgen. Die Afghanen hatten dieses

Problem nicht. Sie durften wegen der Taliban nicht einreisen, was die hasserfüllten Männer mit den Bärten letztlich als Sieg verbuchten. Berlin verlor das Kandidatenrennen um Olympia 2000. Jedoch nicht aus Geldmangel: DaimlerBenz und Siemens hatten zusammen bereits 100 Millionen US-Dollar aufgebracht. Es lag auch nicht an mangelndem Engagement: Man hatte gigantische Dossiers zu allen IOK-Mitgliedern aufgestellt, die – kaum zu glauben! – sogar Listen ihrer jeweiligen sexuellen Präferenzen und präferierten Alkoholmengen enthielten. Detailliert notiert wurde auch, ob ein IOK-Mitglied ‚käuflich’ war oder nicht. Für irgendetwas wollte man die 100 Millionen schließlich ausgeben! Berlin machte sich jede Menge Arbeit, und verlor dennoch, da die antiolympische Bewegung derart leidenschaftlich gegen die Spiele kämpfte, dass das IOK kalte Füße bekam und sich weigerte, die Stadt noch einmal zu betreten. Angefangen hatte es, wie immer, mit einer Erklärung: „Wir Berliner wollen keine Mammutprojekte, die die Machtelite, unterstützt von Polizei und Medien, ohne unser Einverständnis plant und umsetzt. Die Regierung macht große Versprechen.

Doch das Geld bekommen nur die Reichen“ argumentierte die antiolympische Bewegung. Es folgte eine einzigartige Serie von Guerilla-Attacken, harmlose Angriffe, bei denen niemand zu Schaden kam, es sei denn er hatte eine Allergie gegen Lärm oder Eigelb. Zwanzig Berliner Demonstranten nutzten die feierliche Eröffnung des Olympischen Museums in Lausanne - dem drallen Baby des IOK – für ein Sperrfeuer mit Eiern von freilaufenden Hühnern. Mitarbeiter von Unternehmen, die die Bewerbung befürworteten, standen auf dem Weg ins Büro vor zugeklebten Türschlössern. Und selbst kleinere Sportveranstaltungen in der Stadt erhielten Besuch von anarchistischen Gruppen, die in Richtung der beteiligten Sportler spuckten, grölten oder pinkelten. Geboten wurde das exakte Gegenteil der britischen Fahnenmeere und der vorbehaltlosen, nationalstolzen Unterstützung der Olympiade in London. Während das IOK in einem Hotel im sonnigen Monte Carlo beriet, welcher der Kandidaten - Sydney, Peking, Manchester, Istanbul und Berlin – den Zuschlag bekommen sollte, zogen in der frierenden deutschen Hauptstadt

Zehntausende durch die Straßen und machten genug Lärm, um weltweit für Schlagzeilen zu sorgen. Es war die Macht des Volkes und gleichzeitig das Ende der Berliner Bewerbung; Berlin wurde nicht länger als Gastgeber für die Olympischen Spiele in Erwägung gezogen. Nun hegt Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit erneut olympische Ambitionen. Trotz der dramatischen Geschichte der Spiele glaubt er, dass seine Stadt es diesmal schaffen kann: 2020 soll Berlin Veranstalter sein. In acht Jahren also. Gewiss, sie werden wieder protestieren und die Klebersprays zücken. Die Eier und die Anarchisten werden wieder da sein. Vielleicht in geringerer Zahl als damals, doch darum nicht weniger hartnäckig und entschlossen, wie der Marathonläufer auf der letzten Meile, den nur noch zwei Konkurrenten auf der Bahn von der Medaille trennen. Und Wowereit hat Recht, wenn er sagt, was alle wissen: „Es ist unmöglich, 100% jubelnde Berliner zu bekommen.“ Schauen wir mal! sport@trafficnewstogo.de


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Musik

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Historisch unterscheidet man zwei Gesellschaftsformen: Kollektivismus und Individualismus. Der Kollektivismus des 20. Jahrhunderts erscheint dabei in unterschiedlichen Versionen: Sozialismus, Faschismus, Nationalsozialismus, Sozialstaat und Kommunismus waren seine prägnantesten Formen. Dagegen ist der ungezügelte Kapitalismus das einzige vom Individualismus geprägte Gesellschaftssystem. C. Bradley Thompson Kaum ein Jahr war derart von Weltuntergangszenarien geprägt wie dieses, und in kaum einer anderen Epoche wurde die Katastrophe so nachdrücklich prophezeit, studiert oder gefürchtet. Die düsteren Hopi, die alten Azteken und selbst Nostradamus scheinen sich einig. Milliarden Erdlinge der Gegenwart sind sich dank der massiven Kommunikation aus religiösen Gruppen, Bildungseinrichtungen, sozialen Verbänden, via Internet, mündlicher Überlieferung, Radio, Smartphone, Film, Fernsehen und, wie meine Frau sagt, dank ihres genetischen Gedächtnisses der zu erwartenden Ereignisse bewusst. Dagegen möchte ich, bevor sich 2012 dem Ende neigt, Ihre Aufmerksamkeit auf ein ungleiches Philosophenpaar lenken. Dabei muss ich vermutlich niemanden von der philosophischen Qualität eines Karl Marx überzeugen. Shawn Carter dagegen, als Rapper aka Jay-Z, dürfte jedoch in dieser Hinsicht unterschätzt werden. Darf man ihn überhaupt auf das gleiche intellektuelle Niveau stellen, wie einen der berühmtesten und bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts? Erlauben Sie mir, dass ich mich erkläre: Die USA, Jay-Zs Heimat, sind wahrscheinlich die berühmteste kapitalistische Gesellschaft der Welt, und der Musiker selbst ist ein unmittelbares Produkt seiner Umwelt. Im aktuellen sozialen Klima ist der Star begehrt und sein Name hat Markenwert im Marketing für das, was der Endverbraucher kaufen soll. Im Trend zu liegen, Trendsetter zu sein, ist der Schlüssel zum Erfolg, Durch seine Kombination von profiliertem Networking und smarten Business-Entscheidungen gilt Jay-Z als einer der besten Kandidaten für die Vermarktung von Produkten. Zu seinen zahlreichen Holdings gehört die Fitnessstudiokette „40/40“, er hält Anteile an der Kosmetiklinie „Carol's Daughter“, ist Co-Brand Director für Budweiser Select, Immobilieninvestor bei JHotels, und Geschäftspartner von Steve Stoute, dem Mogul der Musikbranche, Gründer der Full-Service-Werbeagentur „Translations“. Karl Marx: Es ist schlimm, Knechtsdienste selbst für die Freiheit zu verrichten und mit Nadeln, anstatt mit Kolben zu fechten. Ich bin der Heuchelei, der Dummheit, der rohen Autorität und

unseres Schmiegens, Biegens, Rückendrehens und Wortklauberei müde gewesen. Also die Regierung hat mich wieder in Freiheit gesetzt. (Brief von Marx an Arnold Ruge vom 25. Januar 1843, MEW 27/415) Jay-Z: It's a secret society, all we ask is trust. (Song, Get Your Mind right Mami) Jay-Z ist am Brooklyn Nets NBA Basketball Team beteiligt und leitet die Urban-Clothing Linie „Rocawear“ mit einem Jahresumsatz von 700 Millionen US$. Das Unternehmen selbst verkaufte er für 206 Millionen US$ an Iconix, ist aber nach wie vor als Direktor an Bord. Shawn Carters Nettowert wird mit 450 Millionen US$ beziffert. Im September wird er einige Konzerte im, auch als Barclays Center bekannten, Brooklyn Nets Stadium geben. Außerdem beginnt er mit den Dreharbeiten für „Jay-Z’s Budweiser Made in America“, einem Konzertfilm plus Lebensgeschichte des Rappers. Produziert wird das Ganze von Imagine Entertainment unter der Regie/Leitung von Ron Howard und Brian Glazer. Jay-Z: I'm not a businessman. I'm a business, man! Let me handle my business, damn. (Song, Diamonds from Sierra Leone) Karl Marx: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. (Kritik des Gothaer Programms) Shawn Carter, der Geschäftsmann, und Jay-Z, der Künstler, sind die gleiche Person. Oder? In den Texten des Rappers, die oft autobiografisch daherkommen, finden sich Elemente seiner Philosophie. Wenn man den ewigen Künstlern John Lennon, Bob Marley und Jim Morrison zuschreibt, dass ihre Songs Synonyme ihrer Perspektiven und Ideologien waren, kann auch JayZs Lyrik als für seine Überzeugungen stehend verstanden werden. In den 1960er Jahren lebten revolutionäre Gedanken gegenüber Konzernen und Regierungen. Heute ist der Rap aus seiner rebellischen Phase heraus gewachsen und steckt in einer Midlife-Crisis. Die Topkünstler der Szene sind selbst Unternehmer geworden. Belege dafür finden sich in den Inhalten der Songs der Elite des Genres. Die Türen in die Galaxie der Wirtschaft stehen ihnen weit offen. Das wiederum führte natürlich zu neuen Verschwörungstheorien. Hören wir Jay-Zs Worte: Jay-Z: I’d rather die enormous than live dormant. (Can I Live Lyrics) Karl Marx: Es ist nicht etwa die "Geschichte", die den Menschen zum Mittel braucht, um ihre - als ob sie eine aparte Person wäre - Zwecke durchzuarbeiten, sondern sie ist nichts als die Tätigkeit des seine Zwecke verfolgenden Menschen. (Die heilige Familie, VI. Kapitel) Erfüllt von kapitalistischer Migräne kollidieren

sie mit den Worten von Karl Marx. Der deutsche Philosoph war Poet, Ökonom, Soziologe, Historiker, Journalist und revolutionärer Sozialist, und vielleicht einer der einflussreichsten Denker des Sozialismus, den die Welt je gesehen hat. Auch Jay-Z ist hochintelligent. In seinen Songtexten finden sich jede Menge Jugendbilder und deutlich zur Schau gestellter männlicher Mut. Zieht er so sein Zielpublikum in den Bann? In jedem Fall finden sich Nachweise für seinen profunden Intellekt zuhauf in seinen Stücken. Jay-Z: Go to hell This is God engineering

This is a Hail Mary pass, y’all interfering he without sin shall cast the first stone so y’all look in the mirror double check your appearance b-tch I said I was amazing Not that I’m a Mason (Free Mason Lyrics) Genießen Sie sie. Aber seien Sie gewarnt: Einige seiner Text könnten ein reiferes Publikum verletzen, andere sind inspirierend. Auch die Worte von Karl Marx mögen einem Unternehmer als Angriff erscheinen und gleichzeitig können sie lehrreich sein.

© Barron Claiborne

von Jacques Magloire, New York Übersetzt aus dem Englischen (S.30)

© Andrew Zaeh

EIN MUSIKER NAMENS „JAY-Z“ VERSUS KARL MARX ODER DIE MIDLIFECRISIS DES RAP UND DER KAPITALISMUS


Musik

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Spoek Mathambo nennt seine Musik Township Techno. Er schafft damit einen neuen Blick auf die südafrikanische Kultur und darüber hinaus.

ICH STEHE AM RAND. DA, WO MAN DIE GUTE ENERGIE AUFNIMMT.

Spoek Mathambo stellt die eigentliche Idee des Rappers, bzw. die Erwartungen an ihn, im aktuellen Mix dieses Genres krass in Frage. Als Nthato Mokgata, in Soweto, Johannesburg, in Südafrika geboren, wählte er den Künstlernamen Spoek Mathambo, was sich mit „Knochengeist“ übersetzen lässt. Spoek Mathambo ist Avantgardekünstler und reflektiert realistisch das Leben und die Erfahrungen in einer Stadt in einem Land, das von seiner Geschichte nicht loskommt. Jeder wahre Künstler transportiert in seiner Musik ungeschminkt seine Gefühle und bekräftigt sie, während er in stimmlich gemalten Bildern seine Botschaft vermittelt. Spoek integriert in seine lyrischen Rhythmen knappe Melodien und futuristische Beats. Er kombiniert verschiedene Klänge und Produktionstechniken, die in eine musikalische Perspektive münden, die in Gitarrenriffs und vibrierenden Klängen ihren Ausdruck findet. Hier performt ein Künstler, der die Grenzen weit in die nächste Galaxie verlagern will. Clever gestaltet Spoek einen einzigartigen Sound, den er als „Township Techno“ bezeichnet und der einfließt in ein spezifisches Ambiente, das einen neuen Blick auf die südafrikanische Kultur und über sie hinaus möglich macht. Spoeck ist Rapper, DJ und Musikkenner. Er begeistert das Publikum in Europa ebenso wie in Südamerika. Während die Popszene immer wieder die gleichen Hymnen hervorbringt und an Weiterentwicklung offenbar nicht interessiert ist, haben es neue Stimmen, die die Komplexität des Lebens entziffern und Sounds produzieren können, die die Sprache voran bringen, schwer. Dabei verdienen sie Applaus, wenn sie durch die Malaise des künstlichen Unsinns in unsere moderne Musikwelt dringen. Das Publikum in Brooklyn war dieses Jahr in der glücklichen Lage, Spoek Mathambo live beim Weeksville Music Festival zu hören. Wir saßen draußen, unter einem Baum auf dem Rasen des 1838, vom freien Afroamerikaner James Weeks, zur Förderung des Aufbaus einer eigenständigen Community von Geschäftsleuten, Schulen und Ärzten für Menschen mit afrikanischen Wurzeln, gegründeten Weeksville Heritage Center, und blickten in den Himmel, während das Abendlicht die Bühne nach seinem

sik durchdringen. „Selbst in Südafrika spielen nur wenige Sender meine Musik: Weder Pop-, noch World Music-, noch Rap-Radios bringen meine Songs. Ich verkaufe weder Afrika per se, noch Weltmusik als Künstler, als schwarzer afrikanischer Künstler. Dies hier ist kein leichtgängiges Popalbum.“ Die Programmmacher mögen ängstlich oder zu stark vom Mainstream beeinflusst sein, doch auch Spoek selbst hält seine Musik mit ihren Texten und ihrem eigenen Sound für grenzwertig. „Ich verwirre die Leute mit meiner Musik, sagte mir mal ein Amerikaner. Die Leute wollen aber nicht verwirrt werden. Und genau das sage ich, genau darauf will ich hinaus: Die Leute wollen keine Konfusion.“ Sein zweites Album, Father Creeper, lässt sich stärker auf das musikalische Bewusstsein von Textur und Muster ein. Hier geht es weniger um Verwirrung, als um die Darstellung der zahlreichen, vielschichtigen Vibrationen seines Denkens. In „Let Them Talk“ kombiniert er ein Riff im Stil der 1960er mit einem psychedelischen Echo und seinem eigenen „Township Tech“. So entsteht ein kaskadierendes Retro-Feeling in einem Sound, der durchaus als Highlight des Albums bezeichnet werden kann. In unserem Gespräch über Musik und den Wunsch, zu wachsen und zu expandieren, wird deutlich, dass Spoek mit der eingeschlagenen Richtung zufrieden ist und erwartungsvoll in die Zukunft blickt. „Ich will immer bessere Songs schreiben, die immer mehr Menschen begeistern.“ Oh ja, Spoek ist ehrgeizig. Und er ist sich des Anpassungsdrucks einer spezifischen sozialen Blase bewusst. „Ich will keine dumme Musik oder Kunst in der Nische produzieren. Das reizt mich nicht. Ich bin ein großer Fan von Prince. Er kommentierte gesellschaftliche Themen wie Rasse, Politik und Gender. Musik ist etwas Natürliches und Organisches für mich. Du machst Musik und spielst sie in den Raum, und wen sie erreicht, den erreicht sie.“ Wer Spoek Mathambos Musik hört, bleibt nicht unberührt. Es wird Nacht. Er sitzt im Schneidersitz auf dem warmen Gras, blickt in den Nachthimmel und scheint einen Stern zu pflücken, während er die letzten Worte spricht: „Ich weiß nicht, was die Leute erwarten. Ich mache einfach, was ich will. Ich reise durch die Welt. Ich stehe am Rand, da wo man gute Energien aufnimmt, wenn man kohärent ist und hart arbeitet.“ Wir spüren die Energie, Spoek. Wir spüren sie. © Sean Metelerkamp

von Adrian Stanley Thomas Übersetzt aus dem Englischen von Lilian-Astrid Geese

Auftritt in die Dämmerung hüllte. Gewiss, Südafrika war eine Inspiration für seine Geschichte: „Ich begann zu schreiben, als ich zehn oder elf Jahre alt war. Ich nahm den Stift zur Hand und schaute, was geschah. Es gab kein Vorher, keine Vorgaben. Es war etwas ganz Neues.“ Spoek lehnt sich zurück und betrachtet den Nachthimmel, und man hat das Gefühl, dass jedes einzelne Wort zärtlich berührt wird. Seine Musik ist nicht nur für die Menschen in Soweto oder Afrika allgemein wichtig. Er nutzt die Chance, Künstler zu sein. Nicht mehr und nicht weniger. Seinen spezifischen Sound zu hören, bedeutet, Musik wahrzunehmen, die sich in jede mögliche Richtung neigt. Spoek verweist auf die Schwierigkeiten, die er nach wie vor als südafrikanischer Rapper hat, und auf das Vertrauen, mit dem er seine mutigen Texte produziert, die seine Mu-


Kunst

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Archive

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von Timo Feldhaus Matthew Barney frönte dem Bombast, lange bevor Damien Hirst das Geld zu Kunst verklärte. Der amerikanische Künstler fügte in den 90er Jahren fantastische Budgets zu sagenhaften Filmproduktionen zusammen und der Zuschauer freute sich von 1994–2002 auf den Cremaster Cycle wie heute auf einen Batman: Eine rätselhafte, spektakuläre Materialschlacht, benannt nach dem Muskel, welcher bei Temperaturveränderungen oder emotionalen Vibrationen die männlichen Hoden hebt oder senkt. Barney war ein amerikanischer Footballspieler, bevor er in Yale zum Künstler wurde. Die Grenzen der Körperlichkeit und der Physis, sie waren immer sein Hauptthema. Über Jahre galt er als der genialste Künstler der Gegenwart, eigentlich so ähnlich, wie seine Frau Björk das zur selben Zeit im Feld der Popmusik durchexerzierte. Besonders wichtig, sein überbordend enigmatischer Filmzyklus "Cremaster" und die Performance-Reihe "Drawing Restraint" - ein fantastisch verschachteltes Werk, hochgradig aufgeladen, komplex ineinander verwoben und ultraexzessiv. Er bediente sich aus der Biologie, Sexualität, Geschichte, Sport und Medizin, ließ legendäre Figuren wie den Entfesselungskünstler Harry Houdini, den Doppelmörder Gary Gilmore, den amerikanischen Footballstar Jim Otto, die Hardcore-Band Agnostic Front, das Model mit den Prothesen, Aimée

Matthew Barney - Der Vorseher Mullins, Richard Serra oder General MacArthur auftreten und stellte ihnen Figuren aus der Mythologie anbei. In seinen Kunstfilmen kämpfen Satyrn in einer Luxuslimousine, Freimaurer vollziehen einen blutigen Initiationsritus und ein Liebespaar trennt sich mit Messern die Beine ab, während sie auf den Wal warten. Das Publikum strömt in die Ausstellungen des Superstars, fasziniert von Ekel und Schauder. Barney machte Kunst für alle, jedenfalls für viele, die sich sonst nicht für Kunst interessierten. Seit 2008 arbeitet er nun an einer neuen Serie namens "Ancient Evenings". In Detroit arrangierte er eine an Norman Mailers gleichnamigen Roman angelehnte neunstündige PerformanceOper, nach der die 200 geladenen Zuschauer sagten, dass sie froh seien, es überlebt zu haben. Die Ergebnisse der biblischen Performance schleppte er im letzten Jahr in seine Galerie „Gladstone“ und präsentierte sie in der Ausstellung DJED Skulpturen. Sie waren nicht mehr nur aus seinen bevorzugten Materialien Vaseline und Prothesenplastik gefertigt, sondern aus Eisen, Bronze, Blei und Kupfer. 25 Tonnen geschmolzenes Eisen lagen ei-

nigermaßen unförmig am Boden. Es wirkte merkwürdig, dass dieser Wagner des modernen Amerikas und Großmeister des Gesamtkunstwerks nun so vehement als Bildhauer verstanden werden wollte. Schaut man heute noch einmal sein wahnsinniges Werk an, muss man sagen, dass nicht der Bombast einen umhaut, sondern dass er verschiedenste ästhetische Codes, die aktuell in aller Munde sind, bereits vor vielen Jahren in seine Welt integrierte, nebeneinander stellte und vorwegnahm: Die elegante Verbindung von archaischer Mythologie und Technologie, das manische Interesse an zeitgenössischem Corporate Design und dem abgeschabten Glanz der Hollywoodkultur, das Automobil und die modische Sport- und Prollkultur der westlichen Welt und ihren Körperkult. Denn genau diese Themen behandelt eine neue Generation von Künstlern heute noch einmal neu. Es scheint fast, als wäre Matthew Barney nicht hauptsächlich Athlet und Artist, sondern ein Alchemist und Vorseher, der seinen Blick auf die Welt in die Zeit verstreut, auf alle möglichen Künstler und Felder verteilt hat.


Mode

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interview von Anne Hansen Die Vogue-Chefredakteurin über OnlineShopping, Fehlkäufe und über Trends, die es nicht gibt. Frau Arp, man stellt sich immer vor, dass die Vogue-Chefredakteurin zum Einkaufen in aller Ruhe in ausgewählte Läden geht, Stoffe in die Hand nimmt, Schnitte begutachtet, Farben auf sich wirken lässt und so das Einkaufen zum sinnlichen Erlebnis werden lässt. Sitzen Sie manchmal auch stumpf vor dem Computer und kaufen ganz unromantisch per Klick? Natürlich, denn es ist alles eine Frage der Zeit. Sicher ist es schön, so einzukaufen, wie Sie es beschrieben haben. Aber zeitlich ist das meistens nicht machbar. Und dann kaufe ich online ein. Online-Shops boomen, Portale wie Zalando verdreifachen ihre Umsätze innerhalb eines Jahres. Steckt dahinter wirklich nur ein Zeitproblem der Konsumenten? Ich denke, dass der Erfolg von Online-Shopping darin liegt, dass man die Sachen zu Hause in den privaten Räumen anprobieren kann. Man bestellt Teile, die auf den ersten Blick gar

nicht zu einem passen. Die Schwelle, etwas anzuziehen, was man eigentlich nicht ist, aber vielleicht sein möchte, ist zu Hause viel niedriger als im Laden. Im Geschäft dagegen ist die Verkäuferin da, fragt permanent, wie es sitzt… . …man steht in Umkleidekabinen mit grausigem Licht…. Genau! (lacht) Zu Hause hat man die Chance, etwas Neues für sich zu entdecken. Frauen werden durch Online-Shops mutiger, denke ich. Außerdem ist es auch eine Frage der Verfügbarkeit. Sie sehen ein Stück auf dem Laufsteg und wohnen in einer Kleinstadt in Norddeutschland – da ist Online-Shopping die einzige Möglichkeit, es überhaupt zu bekommen. Dann wird die stöbernde Genießerin immer mehr zur Rarität? Gehört dem Online-Shopping die Zukunft? Ich denke nicht, dass sich Online-Shopping und der Kauf im Laden widersprechen. Im Gegenteil: Durch das Internet kann man sich viel leichter über Mode informieren, man kann sich verschiedene Designer ansehen, unbekannte Labels ausprobieren. Das generelle Interesse an Mode steigt dadurch, weil der Zugang größer

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Die Rücksendequoten von Online-Shops sind enorm. Deutschland scheint im Rausch der Fehlkäufe zu sein. Haben Sie auch schon mal daneben gegriffen? Als ich Anfang 20 war, kamen die stonewashed Jeans auf den Markt. Jeder musste sie unbedingt haben, ich auch! Dabei fand ich sie hässlich und habe sie nie getragen. Es gibt aber auch heute Kleidungsstücke im Schrank, die ich zunächst nicht trage, sondern erst einige Jahre später. Das sind dann aber keine Fehlkäufe, sondern Wiederentdeckungen.

Französische Frauen zum Beispiel scheinen das mit der Muttermilch aufgesogen zu haben. Ihr Umgang mit Mode ist wesentlich lässiger und entspannter als in Deutschland. Hier geht es oftmals weniger um Stil, sondern darum, praktisch gekleidet zu sein, ist mein Eindruck. Stimmt, „Biedermeier“ ist nicht ohne Grund ein deutsches Wort. Die Art, wie wir uns kleiden, ist Erziehungssache. In Deutschland ging es noch nie darum, sich zu schmücken, sondern immer nur um die Notwendigkeit. Wichtig ist aber, dass wir uns davon lösen. Es ist nicht falsch oder oberflächlich, sich mit Mode zu beschäftigen. Im Gegenteil: Sich schön anzuziehen ist eine Form des Respekts meiner Umwelt gegenüber. Es ist doch wirklich absurd. Wenn man es in der Gesellschaft „geschafft“ hat, ist es für jeden legitim, dass der Mann ein großes Auto fährt. Wenn die Frau aber ein schönes Kleid trägt, wird sie belächelt. Die Insignien der Macht sind immer noch männlich.

Ein Plädoyer, das Paillettenkleid aus den 80er Jahren im Schrank hängen zu lassen und darauf zu warten, dass es irgendwann wieder Trend wird? Für mich gibt es keine Trends, sondern nur gute und schlechte Kleidungsstücke. Mode ist darüber hinaus sowieso nicht nur für einen kurzen Moment geschaffen. Gibt es dennoch für Sie ein modisches No-Go? Eigentlich nicht. Zugegeben, bei Leggins würde ich jeder Frau raten, sich genau zu überlegen, ob sie die wirklich unbedingt tragen will und kann. Aber dann sieht man am nächsten Tag drei junge Mädels auf der Straße in Leggins, die darin einfach toll aussehen. Wissen Sie, wenn man sich in etwas wohl fühlt, geht eigentlich alles. Mode soll einfach Spaß machen. Ich bin viel zu demokratisch, für das was ich tue (lacht).

Sie sind auf einem Bauernhof in Norddeutschland aufgewachsen. Wie sind Sie erzogen worden? Die allgemeine Auffassung zu der Zeit war, dass eine Frau heiraten und Kinder bekommen muss. Meine Eltern waren zum Glück sehr liberal und haben mir und meinen drei Geschwistern alle Freiheiten überlassen. Ich durfte überall hin denken. Nach einem Praktikum bei einer Strick-Zeitung war schließlich klar, wohin die Reise gehen würde.

Sie sagen, dass Frauen Kleider tragen müssen und nicht umgekehrt die Kleider ihre Trägerinnen. Klingt ziemlich kryptisch. Was genau meinen Sie damit?

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Die Vogue-Chefredakteurin spricht vor Vogue Fashion’s Night Out über Online-Shopping, Fehlkäufe und über Trends, die es nicht gibt.

Es geht um die Art, mit der man ein Kleidungsstück trägt. Wenn man Ausstrahlung hat, kann das Outfit noch so hässlich sein, und niemandem fällt es auf. Es bringt nichts, nur etwas sein zu wollen. Man muss einfach Haltung haben.

ist. Und prompt traut man sich, vor Ort in den Laden zu gehen. Wissen schafft Sicherheit.

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„Ich bin zu demokratisch für das, was ich tue.“

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Previews

Ausgabe N°26 • September / Oktober 2012 • Jahrgang 4 • trafficnewstogo.de

© Hoyt 2012, Clown and Pig

Wenn es die Lange Nacht der Museen gibt, dann soll auch die Mode ihr abendliches Shopping-Event haben. Glamour ist jedenfalls garantiert, wenn über 200 Geschäfte bis spät in die Nacht geöffnet haben und mit Sonderpromotionen, Weltpremieren, Limited Editions und kreativen Ideen, Parfums, Kosmetik und anderen Accessoires von Dolce & Gabbana, Giorgio Armani und Unrath & Strano, die zum ersten Mal von der Parfümerie Douglas zur Verfügung gestellt werden, aufwarten.

Sex is Kicking Death in the Ass While Singing Akim Monet in der Side by Side Gallery (14. Sept. – 27. Okt)

© Slice, George Legrady

Die ewige Besessenheit des Menschen, Sex und Tod übten immer schon eine besondere Faszination auf die deutschen Expressionisten aus. Die Ausstellung, die im Titel Charles Bukowski zitiert, komplementiert die Sammlung von Drucken aus dem frühen 20. Jahrhundert um die verstörenden Skulpturen des Gegenwartskünstlers Sacha Holt.

Refraction George Legrady bei Nature Morte (8. Sept.- 12. Okt) Refraction, die neue Installation des digitalen Einzelgängers George Legrady, ist eine Rückkehr zur analogen Zeit. Legrady verwendet erst jüngst wiederentdeckte Aufnahmen, die vor fast vierzig Jahren auf einem Galaball in

Videolounge Guy Ben Ner in der Berlinischen Galerie (9.-26. Sept) Als Höhepunkt der monatlichen Installationen seiner vor einem Jahr eröffneten Videolounge tritt Guy Ben Ner, der Erfinder und Kurator des gleichnamigen Projekts, für die zwölfte und letzte Show anlässlich der Berlin Art Week selbst auf die Bühne. Das Programm umfasst Projekte des israelischen Künstlers aus den vergangenen zehn Jahren, darunter Berkeley's Island (1999), Moby Dick (2000), Second Nature (2008) und Spies (2009). Zusammen mit den sie logisch ergänzenden Sujets ‚Familie’ und ‚Literatur’ zeichnet die Installation die bewegende und unterhaltsame Reise Ben Ners vom ‚Hauskünstler’ zum einsamen Abenteurer nach.

Mit ihrer Präsentation der Teilnehmer der diesjährigen Preview Berlin in der kleinen Kreuzberger Galerie Scotty Enterprises ist Christine Niehoffs Transportables Endzeitmuseum eine Miniatur und zugleich wirkmächtige Erkundung des möglichen Endes der Menschheit. Absurde Überlegungen werden ins Extrem geführt und damit akzentuiert. Ohne einen Hauch Humor kann man sich einem derart ernsthaften Thema jedoch nicht widmen. Und humorvoll ist die Künstlerin. Gleich das erste Exponat trägt den Titel „Mit dem Atom gegen den Klimawandel“ und verweist auf einen Zeitungsartikel aus jüngerer Zeit, der vorschlägt, den Klimawandel mittels eines Atomkriegs zu bewältigen.

Six Decades of Rock ´n´ Roll Mark Robinow Künstler im nhow Hotel (4. Sept.-6.Okt.) Im Rahmen der Berlin Music Week „Sound Plus Vision“ präsentiert der eklektische Ku-

rator Mark Rabinow (Ibiza) eine vielfältige und faszinierende Auswahl von Rock ‘n’ Roll-Bildern renommierter und talentierter Fotografen. Zu den Künstlern der Ausstellung zählen Gered Mankowitz, Mick Rock, Lynn Goldsmith sowie Michael Heeg. In ihrer Fusion von Kunst und Musik verdeutlicht die Show die einzigartige Inspiration, die das ehemalige Underground Genre für die Popkultur in Mode, Kunst, Film und Sprache darstellt.

Sound Development City Zehn Siegerprojekte bei The Wye (15.-18. Sept.) Initiiert vor zehn Jahren von der Schweizer Künstlerin Nia Schmidheiny verbindet und fördert das Sound Development Projekt unkonventionelle Menschen und Ideen. Das Ziel: Die Fusion von Philosophie und Kunst. Das neue Projekt: Sound Development City, realisiert von Künstlern verschiedener Disziplinen und Genres. Das Projekt ist zur Zeit auf Tournee in Berlin, London und Zürich. Präsentiert werden die elf Finalisten aus einer Auswahl von 199 Künstlern, die Projekte zur Erkundung der Stadt eingereicht hatten. Das Experiment umfasst also mehr als Klang und Musik. Es bewegt sich in die Welt des Theaters, der Performance, Media Designs, Architektur, Aktivismus und Bücher.

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© Angela Ferreira, Arne Kaiser

Vogue Fashion Night Verschiedene Locations, berlinweit (6. Sept.)

© Guy Ben-Ner Courtesy Galerie Konrad Fischer Berlin/Düsseldorf

Ungarn entstanden. In ihrer, auf bizarre Weise inszeniert erscheinenden, cinematografischen Qualität komponiert er sie in, für ihn typisch, inspirierter und interaktiver Weise spielerisch in die Installation und kombiniert so alte und neue Technik. Durch den 1940er-Jahre-Effekt, der in eine Computeranimation und eine VierkanalAudio-Video-Komposition eingebetteten sogenannten Linsenabzüge entsteht die Illusion von Tiefe. Legrady ist ein echter Pionier und Meister der Multimedia-Kunst.

von Natalie Holmes Übersetzt aus dem Englischen von Lilian-Astrid Geese

Futur II Christine Niehoff bei Scotty Enterprises (16. Sept. – 6. Okt.)

The Rolling Stones © Gered Mankowitz

PREVIEWS BERLIN: MUSIC WEEK, ART WEEK & FASHION'S NIGHT OUT

Between Walls and Windows: Architektur und Ideologie Valerie Smith im Haus der Kulturen der Welt (1.-30. Sept.) Das Haus der Kulturen der Welt ist das perfekte Beispiel für Architektur als Symbol urbanen Lebens. 1956 als Westberliner Kongresshalle entworfen, entstand die Bauikone auf einem Hügel, und war als ein Zeichen der Freiheit in Richtung Osten gedacht. 1989, im Jahr des Mauerfalls, wurde der Ort zu einem Zentrum wahrhaft pluralistischer Kunst und Kultur, an diesem diese präsentiert und gleichzeitig das Verständnis der Kulturen gefördert werden sollte. Heute erscheint das Gebäude auf charakteristisch selbstreflexive Weise als Kunstwerk selbst: Als Skulptur, die in einer aufregenden und umfassenden mehrdimensionalen Ausstellung die Ideologie und Agendas der Nachkriegszeit offenbart.

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Reisen

Ausgabe N°26 • September / Oktober 2012 • Jahrgang 4 • trafficnewstogo.de

Laurent Vernhes

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Ist Freundlichkeit in Hotels keine Selbstverständlichkeit? Leider nicht. Besonders in Design-Hotels war es lange Zeit Mode, Mitarbeiter nach ihrem Aussehen auszuwählen, nicht nach ihren Fähigkeiten. Gäste wurden oft mit einer gewissen Herablassung behandelt, weil die Hoteliers dachten, die Gäste fänden das cool. Ich glaube, das war ein Irrtum. Als Gast will man freundlich und aufmerksam behandelt werden. Nehmen wir das Claska in Tokio, eines meiner Lieblingshotels. Dort sind die Angestellten nicht ausnehmend hübsch, aber hervorragend geschult und sehr zuvorkommend. Das ist ein wirklich cooles Hotel, gerade weil das Personal diesen Eindruck nicht zu vermitteln versucht. Sie sprachen von der persönlichen Note, die Sie an Hotels schätzen. Worin kann die bestehen? Zum Beispiel in einem besonderen Design. Oder auch in einem besonderen Umgang mit Musik. Und damit meine ich nicht Hotels, denen ein externer Musikkurator irgendein Klangkonzept übergestülpt hat. Sondern etwa die Hotels von Chris Blackwell, dem früheren Chef von Island Records, dem Musik naturgemäß wichtig ist. Er hat in seinen Hotelzimmern ein paar großartige Internet-Radiosender voreingestellt, die ich vorher nicht kannte, seitdem aber ständig höre. Blackwell hat keinen Allerweltsgeschmack, und das merkt man in seinen Hotels nicht zuletzt an der Musik.

„Das Hotel als sozialer Raum“ Ein sonniger Spätsommervormittag in Berlin: Laurent Vernhes sitzt beim Frühstück vorm Hotel Adlon. Dass er hier logiert, ist insofern untypisch, als seine Vorliebe gerade nicht den namhaften Hotels gilt, sondern den heimlichen Stars unter den Herbergen dieser Welt. Vor zwölf Jahren hat der Franzose mit Michael Davis Tablet Hotels gegründet, ein Internetportal für außergewöhnliche Boutique- und Luxushotels. Seitdem reist er um den Globus, um seine Auswahlliste zu überprüfen und zu erweitern. Ein Gespräch über gute Hotels, unfreundliche Rezeptionisten und Hotelzimmermusik.

von Dominik Fehrmann Ständig in teuren Hotels zu logieren, ist für viele Menschen der Inbegriff von Luxus. Abwechslung ist Luxus. Die vorletzte Nacht habe ich auf einem Bauernhof in Frankreich verbracht. Ganz spartanisch. Das war toll. Jede Nacht in einem Fünf-Sterne-Hotel zu verbringen, wäre todlangweilig. Auch wer die finanziellen Mittel hat, sollte die Übernachtung in Fünf-Sterne-Hotels nicht zur Routine werden lassen. Reisen sollte ja gerade das Gegenteil von Routine sein.

Was macht ein Hotel für Sie zu einem guten Hotel? Es muss eine persönliche Note haben, auf irgendeine Art originell sein. Ich lasse mir gern Bilder von Hotels zeigen. Wenn ich keine Ahnung habe, wo sich das Hotel befindet, wenn es überall auf der Welt stehen könnte, ist das schon mal ein schlechtes Zeichen. Und natürlich braucht ein gutes Hotel auch ein Mindestmaß an Komfort. Nichts Aufwändiges. Ein gutes Bett. Ein Bad mit Badewanne und genug heißes Wasser, um sie zu füllen. Vor allem aber: Freundlichkeit. Ich finde, nichts ist wichtiger für das Wohlgefühl eines Hotelgastes als freundliche Angestellte.

Was das Hotel-Design angeht, haben Sie schon vor Jahren beklagt, dass auch Boutique-Hotels, die sich ja Individualität auf die Fahnen geschrieben haben, einander immer mehr gleichen. Ist es schwerer geworden, außergewöhnliche Hotels zu entdecken? Ich denke, die Entwicklung verläuft zyklisch. Es gibt Phasen der Innovation und Phasen der Imitation. Was neu und erfolgreich ist, wird irgendwann kopiert und zum Trend. Und das Internet hat das Kopieren leicht gemacht. Im Moment befinden wir uns, was das Hotel-Design angeht, wieder in einer innovativen Phase. Ich habe in den letzten sechs Monaten mehr originelle Hotels gesehen, als in den ganzen letzten Jahren. Vor allem in Asien. Da herrscht ein unglaublicher Optimismus, da gibt es ja auch keine Eurokrise, das hilft, innovativ zu sein. Aber auch hier in Berlin passiert viel. Diese Stadt hat, neben Barcelona, die höchste Dichte interessanter Hotels in Europa. Und das beste Preis-Leistungsverhältnis. Was mir allerdings weltweit fehlt, sind neue konzeptionelle Ideen, die über ästhetische Innovationen hinausgehen. Welche Art konzeptioneller Ideen könnte das sein? Antworten auf die Fragen: Was ist das überhaupt, ein Hotel? Was für ein Ort sollte ein Hotel für einen Reisenden im 21. Jahrhundert sein? In den letzten zwanzig Jahren hat man verstärkt Wert auf ein gutes Design gelegt, auf exzellente Hotelrestaurants und aufregende Hotelbars. Aber das ist alles nicht wirklich neu. Sondern eine Wiederbelebung von Ideen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Auch die Idee des Arthotels, zum Beispiel, gab es schon in den 1920er Jahren. Wie also kann ein Hotel die Lebens- und Arbeitsweisen der heutigen Zeit berücksichtigen? Und Ihre Antwort? Ehrlich gesagt: Ich weiß es auch noch nicht genau. Aber Tablet Hotels hat vor kurzem einen Ideen-Wettbewerb namens „Rethink Hotels“ veranstaltet, dessen Ergebnisse wir gerade auswerten und demnächst veröffentlichen. Grob gesagt wird es darum gehen, mit dem Hotel einen sozialen Raum zu schaffen, ähnlich einer sozialen Plattform im Internet. Einen Ort, an dem sich Menschen begegnen und Erfahrungen austauschen. Nicht nur Gäste untereinander, sondern auch Gäste und Einheimische. Der Aufenthalt in einem Hotel sollte als große Chance begriffen werden, jenseits der alltäglichen Routine mit fremden Menschen in Kontakt zu kommen.


Ausgabe N°26 • September / Oktober 2012 • Jahrgang 4 • trafficnewstogo.de


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English Appendix

Ausgabe N°26 • September / Oktober 2012 • Jahrgang 4 • trafficnewstogo.de

Arrogant bastard WHAT ARE YOU LISTENING TO? by Adrian Stanley Thomas, New York City Traveling by mass transit in New York City is an adventure unto itself, let me tell you. Because people in general are a bit weird, it’s quite a sight to see swarms of Homo sapiens clamoring to either get on a train or off of a train without touching one another, it creates a delicate dance of armpits, attitudes, and baby strollers. I must say that the “Straphanger” as the traveling New Yorker is so aptly called wants and needs his or her space. In fact, they are willing to put up their fists and go a few rounds in a boxing ring to prove it if necessary. Because people watching is something that I thoroughly enjoy, and no I’m not a stalker. I’m a voyeur light; I think. Well; people watching should be an Olympic event, who needs water polo? Anyway, because I travel around using mass transit on a daily basis, the number of people that I see with earphones

A MUSICIAN NAMED “JAY-Z” VERSUS KARL MARX

von Jacques Magloire, New York City German version on page 22 Throughout history there have been two basic forms of social organization: collectivism and individualism. In the twentieth-century collectivism has taken many forms: socialism, fascism, nazism, welfare-statism and communism are its more notable variations. The only social system commensurate with individualism is laissez-faire capitalism. C. Bradley Thompson The Year 2012 may be the most highly studied, anticipated, and feared by humans in terms of Doomsday prophecies. The obscure Hopi Indians, the ancient Aztecs, and even Nostradamus seem to agree. Billions of present day Earthlings are aware due to immense communications via religious organizations, educational systems, social organization, the world-wide-web, word of mouth from generation-to-generation, radio, hand held gadgets, film, television and as my wife says, genetic

stuck in their ears seems to increase by the second. Everywhere I turn, it’s nothing but ear buds, headphones, large headphones, and the music is really loud. If I’m listening to it on the train and it’s loud, it has to be really hard on their eardrums. Everybody wants to block out the world and de-sensitize themselves by drifting off into this musical place while standing next to a bunch of irritated and sometimes smelly people on the train and the bus to. They’re all trying to shut out the world until they get to work unless that sort of thing is permitted in the office. If not, then “Traveling by Earphone” is the way that a number of New Yorkers prefer to get from A to C, in the hopes that they can skip (B) which stands for (bothersome people) without being disturbed. I should say that a lot of people who wear headphones do so because it prevents that one “icky” person from trying talk to them or start a conversation. I’m sure that women like putting up the Headphone Barrier as much as possible

just in case some weirdo tries to hit on them. So I understand the reasoning behind the headphone Bonanza that’s happening with the urban mass transit traveler. You don’t need to tell me twice about wanting to travel in peace. I could talk about stalking, I mean people watching all day, but that’s actually not the plot of my rant for this column. What I really want to say is that I will begin making a citizen’s arrest here in the city of New York of people who are listening to horrible music. Because I care about the youth of the city and being a role model and setting a good example for people in general, it is imperative that we arrest people who have bad taste in music. This is really long overdue. Now I’m not going to start naming all of the bad music out there, because I think the sensible folks know what horrible music is. By the way, don’t say anything, but I’m typing this column on the computer at my day job, and I’m listening to music on my headphones. So as I was saying, if you’re listening to

crappy music, I’m throwing you in the slammer homey. Just know that if the song is hot on the charts, it may cost you a night in jail. Yes, I know what the top songs are that you trend setters listen to, not because there on my IPAD, but because I’m listening to them through YOUR headphones when I’m on the train. What kind of person listens to music that looks like a child wrote it if you see it on paper? You know what else bothers me? If you need to keep repeating the same sentence over and over again in the same 8 bars, then you really need to focus on increasing your vocabulary. There has been a secret meeting with the police department here in the city and I’ve been given the full authority to arrest any individual who listens to any top 40 song. Now before some of you get scared about traveling on mass transit or riding the bus, just realize this, I’ll probably be making exceptions for ladies who are single with a bit of college education. My standards are getting lower, my girlfriend broke up with me, and I’m a bit lonely.

memory. On the contrary, before December approaches, I’d like to draw your attention to an unlikely pair of philosophers. I won’t need to convince you much about Karl Marx’s credentials as a philosopher, but Shawn Carter, the rap artist known as Jay-Z may come as an understated specimen. How can he even be placed upon the same intellectual status as one of the most famous and important thinkers of the 20th century? Please allow me to illustrate: The United States, Jay-Z’s home base, is perhaps the world’s most famous capitalist society. The musician is arguably a direct product of this environment. In the current social climate where celebrities are in demand and their names can be conveyed so strongly to represent a brand through marketing other products convincing the end-consumer with the best product in hand. Trending the market and trend setting is his key to success, although through a mixture of high profile networking and business savvy decision making, he is considered one of the best candidates to endorse products, among his many holding stake companies to name; a chain of sports clubs named “40/40”, Investor in Carol's Daughter–a line of beauty product, serves as co-brand director for Budweiser Select, Invested in a real estate development venture called J Hotels, co-founded a full service advertising agency called “Translations” with music industry mogul Steve Stoute.

Jay-Z: It's a secret society, all we ask is trust (song, Get Your Mind right Mami)

of the genre’s elite. Portals into the business galaxy are wide open for them. Of course this has brought about an increase in conspiracy theories. Let’s take a look at Jay-Z words.

Karl Marx: It is a bad thing to perform menial duties even for the sake of freedom; to fight with pinpricks, instead of with clubs. I have become tired of hypocrisy, stupidity, gross arbitrariness, and of our bowing and scraping, dodging, and hair-splitting over words. Consequently, the government has given me back my freedom. (Letter from Marx to Arnold Ruge)

Jay-Z became a minority owner of the Brooklyn Nets NBA Basketball team and serves as the director, his urban clothing line “Rocawear ” reportedly reached sales of $700 million annually, he sold the company to Iconix for $206 million and still remains on board as director, Shawn Carter’s net worth is set at a high of $450 million. This September he will embark on a concert series at the Brooklyn Nets Stadium also known as the Barclays Center, he will also began filming “Jay-Z’s Budweiser Made in America” a concert movie intertwined with Jay-Z’s Life story directed via Imagine Entertainment by Ron Howard in collaboration with Brian Glazer. Jay-Z: “I'm not a businessman. I'm a business, man! Let me handle my business, damn” (song, Diamonds from Sierra Leone) Karl Marx: From each according to his abilities, to each according to his needs. (Critique of the Gotha Program) Shawn Carter the businessman and Jay-Z the artist are one and the same or are they? The rapper’s lyrics which often appear to be autobiographical are the perfect source for extracting splices of his philosophy. If eternals like John Lennon, Bob Marley, and Jim Morrison wrote lyrics that were understood to be synonymous with their perspective ideologies, then I believe Jay-Z’s poetry can serve the same purpose in representing his beliefs. In the 60’s there was a sense of revolution against the corporations and any government establishment. Today, rap music has outgrown its own rebellious stage and is now experiencing a midlife crisis. Its top grossing artists have embraced the corporate world. The evidence can be seen in the lyrical contents

Jay-Z: “I’d rather die enormous than live dormant.” (Can I Live Lyrics) Karl Marx: History is not like some individual person, which uses men to achieve its ends. History is nothing but the actions of men in pursuit of their ends. (The Holy Family) Infused with a capitalist migraine they clash with those of Karl Marx’s. The German philosopher was a poet, an economist, sociologist, historian, journalist, and revolutionary socialist, maybe one of the most influential socialist thinkers the world has ever witnessed. Jay-Z is extremely intelligent as well. His lyrics are tainted with an abundance juvenile imagery and male bravado. Could this be a way of luring in his target audience? In any case evidence of his much deeper intellect is abundant in his songs. Jay-Z: Go to hell This is God engineering This is a Hail Mary pass, y’all interfering he without sin shall cast the first stone so y’all look in the mirror double check your appearance b-tch I said I was amazing Not that I’m a Mason (Free Mason Lyrics) Enjoy! Warning: some of his lyrics may offend mature audiences and others may be inspirational. Likewise, Karl Marx’s words may be offensive to an entrepreneur but may also offer a learning curve.


Objects being collected for Sandstars (2012) on Isla Arena, Baja California Sur, Mexico Photo by Gabriel Orozco Š Gabriel Orozco

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asterisms Unter den Linden 13/ 15, 10117 Berlin Daily, 10 am – 8 pm; Mondays, admission free; deutsche-guggenheim.de


Kraftstoffverbrauch (l/100 km) nach RL 80/1268/EWG: innerorts 7,7 – 4,4, außerorts 5,1 – 3,6, kombiniert 6,1 – 3,9. CO2-Emission (g/km): kombiniert 140 – 90.

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