TRAFFIC News to-go # 36

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G LI S

Ausgabe N°36 • Februar / März 2014 • Jahrgang 6 • trafficnewstogo.de

X PP ENDI

S.6 ZEITGESCHEHEN S.9 FEUILLETON

S.22 FILM

S.10 WETTER

ALTAUSSEE, BUDAPEST, PERTH UND SAO PAULO

BERLINS PALÄSTE DER ­F ILMTRÄUME

S.13

CHAPTER XXIX

EXKLUSIV-INTERVIEW: ENNIO M­O RRICONES G ­ EHEIME ­S ENSATION

MIT PETER O’TOOLE

PRESS!

WARUM STEUERSÜNDER AL CAPONES ERBEN VON HEUTE SIND

FEO ­A LADAG ­„ ZWISCHEN ­W ELTEN“

­S .12 BERLINALE ­S PECIAL

FREE

NEWS TO–GO

TRAFFIC N

S.28 KUNST A ­ NDREAS S.30

S.14 FILM

FUTURE BANKS

LETZTE BEGEGNUNG

A ­ NGELIDAKIS PRE-STATEMENT DER 8 . BERLIN BIENNALE

ENGLISH APPENDIX /

ARROGANT BASTARD & THE POWER OF PRODUCTION DESIGN



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Contributors

Ausgabe N°36 • Februar / März 2014 • Jahrgang 6 • trafficnewstogo.de

CONTRIBUTORS

MARC HAIRAPETIAN

UDO SPREITZENBARTH

THOMAS ABELTSHAUSER

Marc Hairapetian ist Herausgeber des von ihm 1984 begründeten Kulturmagazins „Spirit – Ein Lächeln im Sturm“, das 2014 30-jähriges Bestehen feiert. Er schreibt u.a. für NZZ, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche, SpiegelOnline, Cinema, ME.MOVIES und arbeitet an einer Biografie über Oskar Werner, die 2015 erscheinen soll. Als Filmexperte, der schon Größen wie Anne Hathaway, Tom Cruise oder Quentin Tarantino interviewt hat und auch selbst schauspielert sitzt Marc im Vorstand des Berliner Kinomuseums. Sein ständiger Begleiter ist der Sibirische Husky-Mix Felix.

New York war für Udo Spreitzenbarth Liebe auf den ersten Blick – was hätte da richtiger sein können als in Deutschland die Zelte abzubrechen und dem Herzen zu folgen? Nach nur einem Jahr im Big Apple hatte der Fotograf seinen Durchbruch mit einer Billboard-Anzeige am Time Square. Seitdem arbeitet er für internationale Magazine wie Vogue, Harper’s Bazaar und Elle, und für Kunden wie DKNY Jeans, Mavi oder Maybelline. Nachdem er für TRAFFIC News to-go bereits Mischa Barton und Leelee Sobieski portraitiert hat, ist Udo diesmal mit einer Serie von Supermodel und Medienmogulin Tyra Banks dabei.

Thomas Abeltshauser lebt und arbeitet als freier Autor seit 1996 in Berlin. Er studierte dort an der Freien Universität Filmwissenschaft und Publizistik und befasste sich in seiner Abschlussarbeit mit dem Begriff des Stars im Werk von John Waters. Seit 17 Jahren schreibt er über Film, Kunst und Gesellschaft sowie Reisereportagen für Monopol, Cicero, GQ, Ray, Die Welt und andere renommierten Magazine. Die drei großen Filmfestivals in Berlin, Cannes und Venedig sind feste Konstanten in seinem Arbeitskalender – für die Berlinale traf er für TRAFFIC News to-go Regisseurin Feo Aladag.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel auf Seite 48 in der Ausgabe 35 wurde von Frances Marabito vom Englischen ins Deutsche übersetzt.

TRAFFIC NEWS TO-GO “Constituting a new read” INHALT/CONTENT

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TRAFFIC News to-go Gormannstraße 20A D-10119 Berlin www.trafficnewstogo.de info@trafficnewstogo.de

VERLEGER Jacques C. Stephens V.i.S.d.P. jacques@trafficnewstogo.de REDAKTEURIN Quynh Tran SCHLUSSREDAKTION Quynh Tran DESIGN Julia Hell für Superbo WEBDESIGN Desisn MITARBEITER(INNEN) DIESER AUSGABE Thomas Abeltshauser, Feo Aladag, Andreas Angelidakis, Tyra Banks, Patricia Black, Kat Briones, Olivia Capadose, Conor Creighton, Thorsten Denkler, Go Penthouse, Valente Frazier (FireHouseManagement.com), Marc Hairapetian, Julia Hell, Natalie Holmes, Frances Marabito, Ty-Ron Mayes (maxinetall.com), Ennio Morricone, Millicent Nobis, Cooper Joel Penn, Luciano Pio, Miriam Rauh, Oscar Reyes, Fleury Rose (Artist by Timothy Priano), Polina Roytman, Dr. Inge Schwenger, Ernie Slaughter, Udo Spreitzenbarth, Jacques C. Stephens, Superbo, Quynh Tran, Adrian Stanley Thomas, Shar Rae Tucker for Anthony Leonard Salon @ Oribe Hair Care COVER PHOTO Tyra Banks fotografiert von Udo Spreitzenbarth, Fashion Director und Produzent: Ty-Ron Mayes, Co-Produzent: Oscar Reyes, Make-Up: Valente Frazier, Haar: Shar Rae Tucker, Maniküre: Fleury Rose, Special Thanks to Patricia Black at Albright Fashion Library / Besonderen Dank an Patricia Black bei Albright Fashion-Bibliothek OUTFIT Helmet, The Blonds. Jumper, Coco Johnsen. Ring, Larucci. DRUCK D+S Druck und Service GmbH ISSN 1869-943 X



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Zeitgeschehen

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AL CAPONES ERBEN ODER: WARUM STEUERVERBRECHER WEGGESPERRT GEHÖREN

von Thorsten Denkler ROBERT DE NIRO hatte ein wenig Sorge ob er es schaffen würde, sich ein ähnlich aufgedunsenes Gesicht anzufuttern wie das Vorbild für den späteren Film-Klassiker „Die Unbestechlichen“ von 1987. De Niro sollte Alphonse Gabriel „Al“ Capone spielen, den berüchtigten Chicagoer Gangsterboss. Er hat das dann ganz gut hinbekommen. In Erinnerung bleibt sein feist-verdutzter Gesichtsausdruck als er nicht etwa wegen Mordes, Förderung der Prostitution, Alkohol-Schmuggel oder illegalem Glücksspiel für schuldig gesprochen wird. Sondern wegen schnöder Steuerhinterziehung. „Euer Ehren! Euer Ehren! Ist das Gerechtigkeit?“ Ja, das ist es. Der wahre Capone bekam dafür 1931 elf Jahre Knast aufgebrummt. Capone war wohl der erste richtige Steuerverbrecher, den die Welt gesehen hat. Danach wurden Steuerverbrecher – vor allem in Deutschland – schnell wieder zu harmlosen Steuersündern. Sünden lässt sich leicht vergeben. Wer katholisch ist geht zur Beichte. Alle anderen zeigen sich freiwillig an. Dann können Steuern in Millionenhöhe hinterzogen worden sein. Wer alles brav angibt und ein bisschen Strafzins zahlt, der ist umgehend befreit von aller Schuld. Naja, fast. Es gibt ja noch die öffentliche Meinung. Und die sieht das inzwischen zum Glück doch etwas anders. Nehmen wir nur den Fall Alice Schwarzer. Um den Feminismus hat sich die Dame ja zweifelsohne verdient gemacht. Gerne sprach sie auch über Gerechtigkeit. Ohne die habe das Leben wenig Sinn, soll sie mal gesagt haben. Was sie damit nicht meinte war wohl Steuergerechtigkeit. Ein paar Milliönchen müssen es gewesen sein, die sie auf ein geheimes Konto in die Schweiz geschafft hat. Ist zumindest wahrscheinlich, weil sie 600.000 Euro nachzahlen musste. Das Geld war nur für den Fall, dass sie mal dorthin würde auswandern müssen, sagt sie. Als wenn ihre Konten in

­Deutschland aufgelöst würden, wenn sie nur die Grenze ­passiert. Schwarzer hat sich selbst angezeigt als der Druck auf die Steuerverbrecher im Land wegen diverser angekaufter Steuer-CDs immer größer wurde. Da muss ihr – huch – eingefallen sein, das sie selbst ja auch… Jetzt jammert sie, dass es mit der Selbstanzeige doch bitte gut sein muss. Jede Berichterstattung würde ihre Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte verletzten. Völlig richtig. Aber als kürzlich eine leicht verwirrte ältere Dame Oma in Wuppertal wegen mehrfachen Schwarzfahrens beinahe ins Gefängnis musste, da hat nach deren Persönlichkeitsrechten auch keiner gefragt. Und als Alice Schwarzer im Kachelmann-Prozess den Wetterfrosch schon vorverurteilte bevor die ersten Zeugen auftraten auch nicht. Diese Steuerschluderei ist aber auch lästig. Zum Beispiel für Helmut Linssen. Der müsste sich mit ehrlichem Geld ja eigentlich auskennen. Er ist Bundesschatzmeister der CDU, Finanzvorstand der RAG-Stiftung und war Finanzminister in Nordrhein-Westfalen. Irgendwie war da noch Geld von seinen Eltern oder so. Über 800.000 Mark. Das macht ja nichts. Aber was bitte macht das Geld erst auf den Bahamas, dann in Panama und zum Schluss wieder in Luxemburg? Warum hat er das Geld von den Konten stets in bar abgehoben? Eine Erklärung hat Linssen in den ersten Tagen nach Veröffentlichung der Bahamas-Kohle nicht, ist sich aber sicher, dass er keine Steuern hinterzogen habe. Hach, sind wir mal verrückt und glauben ihm. Er hat ja schon 2010 die zwei schönen Sätze gesagt: „Wer Steuern verkürzt, schadet dem Allgemeinwohl. Es handelt sich nicht um ein Kavaliersdelikt.“ Recht hat er. Zwei Jahre später ist ein Steuerverfahren gegen ihn eingestellt worden. Wegen Verjährung. Klasse Linssen. Blöd für Linssen ist jetzt, dass dieser Tage auch Klaus Wowereits Kulturstaatssekretär und Schöngeist André Schmitz über ein Steuervergehen stolperte. Das gute Beispiel könnte Linssen

noch in Not bringen. Schmitz, vermögender Erbe der Schwarzkopf-Shampoo-Dynastie, trat zurück, weil er wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde – wenn auch auf Bewährung. Das liegt zwar ein paar Jahre zurück. Aber Verjährungsfristen sind im öffentlichen Diskurs nicht angelegt. Interessant auch der Fall von Theo Sommer, Ex-Chefredakteur und trotz jüngster Verurteilung immer noch Mitherausgeber der superseriösen Wochenpostille „Die Zeit“. Ein schmaler, um Mitgefühl bettelnder Text in seinem Blatt – und die Sache ward mehr oder weniger ausgestanden. Fragt sich was passiert wäre, hätte eine Putzkraft in der Hamburger Zeit-Redaktion, sagen wir, Dr. Sommers Steuerbescheid ­mitgehen lassen. Es ist ein Elend mit den Steuerverbrechern. Sie tragen feine Anzüge, gehen durchaus ehrenwerten Berufen nach, sind anerkannte Mitglieder der feineren Gesellschaft. Kein Wunder: Steuern hinterziehen kann sich auch nicht jeder leisten. Dafür muss ja erst mal genug Geld das sein. Um, sagen wir, 100.000 Euro Steuern aus Zinserträgen hinterziehen zu können muss ein hübsches und gut angelegtes Vermögen auf einem Schweizer-/Liechtensteiner-/Luxemburger Konto hinterlegt sein. Steuern hinterziehen ist – sagen wir es frei raus – Diebstahl an jedem Bürger. Steuerverbrecher gehören hinter Gitter. Aber vielleicht reicht das nicht. Vielleicht sollte ihnen auch verboten werden, öffentlich finanzierte Straßen und Plätze zu benutzen, oder in die mit Steuergeld subventionierten Opern- und Theaterhäuser zu gehen. Oder ihre Kinder in städtische Kitas zu stecken. Oder im städtischen Freibad zu planschen. Vor allem aber muss mal langsam Schluss sein mit der strafbefreienden Selbstanzeige. Al Capone hatte die Chance auch nicht. Er wurde einfach verknackt. Und das völlig zu Recht.

zeitgeschehen@trafficnewstogo.de


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Zeitgeschehen

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1,2,3 Unhappy Endings von Cornelia Tomerius I EIN NOCH NICHT GANZ BEENDETES ENDE Wer auf der Berlinale einen Bären bekommt, so könnte man meinen, hat es geschafft. Vor allem, wenn der Preisträger kurz zuvor noch Schrottsammler in Bosnien war, rein zufällig für den Film entdeckt wurde – und eigentlich nur sich selbst gespielt hat. Doch Nazif Mujic, der für die Hauptrolle in dem Film „Eine Episode aus dem Leben eines Schrottsammlers“ von Regisseur Danis Tanovic im letzten Jahr mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, hatte nicht viel davon. Im Gegenteil: zurück in Bosnien bekam er weder neue Rollen, noch seinen alten Job wieder. Stattdessen erfuhr er einen Bandscheibenvorfall – und viel Häme. Ein gefeierter Schauspieler, der wieder Schrott sammeln will? Die Leute im Dorf lachten sich fast tot. Also nahm Nazif seine Frau und seine Kinder und ging erneut nach Berlin.

Asyl ­wollte er. Sogar seinen Silbernen Bären hätte er dafür hergegeben. Doch es half alles nichts. Bosnien gilt als sicheres Drittland, die Abschiebung als so gut wie sicher. Das Berlinale-Team schickte eine Limousine ins Flüchtlingsheim, organisierte eine Anwältin und quartierte Mujic in einem Hotel am Potsdamer Platz ein – damit er auf der diesjährigen Berlinale über den roten Teppich laufen und Ralph Fiennes und Bill Murray treffen kann. Wie es danach weitergeht? So viel steht fest: Die filmreife Geschichte des Nazif Mujic ist noch lange nicht zu Ende.

II DAS ENDE EINER FREUNDSCHAFT Nicht glücklich mit ihren Goldbären wurden auch so manche US-Bürger, die sich in den letzten Wochen bei Amazon eine Tüte Haribos bestellten. Die Goldbären in der Version „Gummy Candy Sugarless“ – produziert für den amerikanischen Markt und von selbigem schon Monate zuvor wieder genommen – e­nthielten

statt Zucker den Ersatzstoff Maltit (E965). Und der hat es in sich: Wer mehr als vier bis fünf Gummibärchen verzehrte, so erzählten Konsumenten, erlitt Magenkrämpfe, starke Blähungen, Durchfall. Auf den Toiletten führte das zu langwierigen Sitzungen, und im Internet – logisch! – zu einem Shitstorm, der seinem Namen alle Ehre macht. Hunderte von Verbrauchern klagten auf der Seite von Amazon ihr Leid. Zwischen den Durchfällen, so berichtete der eine, lag er „in Fötushaltung auf dem Badezimmerboden und flehte um Vergebung“. Ein anderer erfuhr ein regelrechtes „Magen-DarmArmageddon“, das sich anfühlte als würde „flüssiges Feuer, Giftmüll, Napalm“, durch den Körper laufen. Womit wir bei biologischer Kriegsführung wären. Ein Verdacht, der nahe liegt, ist das Verhältnis von Deutschen und Amerikanern ja derzeit nicht das Beste. Aber womit schlagen die Amis nun zurück? Und wo wird das alles hinführen? Wir empfehlen vorsorglich den Erwerb von Toilettenpapier aus dem Hause Penny. „Happy End“ heißt das.

III UND NACH DEM ENDE? Nicht glücklich über das Happy End, das sie selbst ersann, äußerte sich kürzlich J. K. Rowling, Autorin der Harry-Potter-Bücher. Es sei ein Fehler gewesen, dass die clevere Hermine am Ende den tollpatschigen Ron heiratete. Vermutlich, so gab die Autorin zu, wären die beiden ungleichen Charaktere früher oder später vor dem Paartherapeuten gelandet. Aber was soll’s? Wir werden es ohnehin nie erfahren. Ebenso wenig, wie wir jemals wissen werden, ob andere Paare der Filmgeschichte – Harry und Sally, Johnny und Baby, Susi und Strolch – tatsächlich glücklich geworden wären. Oder sich am Ende doch eher im Rosenkrieg zerfleischt hätten. Schließlich ist so viel Aufregendes geschehen bis beide endlich zusammenkamen, dass so ein Eheleben dagegen schnell öde wirken kann. Und nach dem Happy End, das wissen wir nicht erst seit der traurigen Geschichte von Nazif Mujic, schreibt das Leben erst die echten Dramen. In diesem Sinne: bis zum nächsten Mal!


Feuilleton

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„ZWISCHEN WEL von Dr. Inge Schwenger-Holst, Medizinerin, Unternehmerin und Vorsitzende des Vereins call a doc.

Steril bleibt steril… …auch wenn es auf den Boden fiel. Solche und ähnlich geistreiche Sprüche sind kommunikativer Alltag fast jedes Operationssaals. Dass dies aber schon lange nicht mehr witzig ist, belegen ca. 20.000 offizielle Todesfälle, die derzeit pro Jahr unsere Kliniken – zu Recht – in Verruf bringen, Todesfälle aufgrund sogenannter Krankenhaus-, oder genauer, multiresistenter Keime. Während bis vor Kurzem noch die Lehrmeinung galt, dass diese sogenannten nosokomialen Infektionen nahezu ausschließlich immunschwache, alte und/ oder schwerstkranke Patienten treffen, ist heutzutage selbst ein jugendlicher Triathlet nicht davor gefeit, bei einer Routineoperation mit einer kaum beherrschbaren Infektion des Operationsgebiets „beschenkt“ zu werden. Warum aber sind gerade die Tempel der a- und antiseptischen Reinlichkeit inzwischen zu Tummelplätzen höchst spezialisierter bakterieller Berufskiller geworden? Die Diskutanten auf Qualitätskongressen, Symposien und Konferenzen sind sich sicher: man muss im Inneren nach dem Dieb in Form undisziplinierter Mitarbeiter und fehlerhafter Putzpläne suchen, neue, noch modernere, noch besser wirkende Desinfektionsallheilmittel einsetzen. Gleichzeitig greift die Hilflosigkeit um sich, denn niemand kann letztlich erklären, warum gerade die hygienischen Hochsicherheitstrakte der Republik mehr Infektionen produzieren als eine Dorflatrine. Der Blick richtet sich daher nach Holland, wo eine ausgefeilte Untersuchung jedes Neuankömmlings vermeiden soll, dass dieser nicht gewollte Kleinstlebewesen in die Kliniken einschleppt. Die Gefahr geht also vom zukünftigen Patienten aus, der voll Genuss sein BreitbandAntibiose-Hähnchen verzehrt, das bereits eine entsprechend abgehärtete Keimflora aufweist. Vielleicht aber haben Kliniken und Masthähnchenfabriken etwas gemeinsam. Vielleicht entwickeln sich Außenseiterkeime nicht trotz, sondern wegen der alles abtötenden Hygienemaßnahmen hier wie dort. Wir Mütter wissen – ein bisschen gesunder Dreck macht ein gesundes Kind. www.calladoc.com

CALL A DOC die 24-7 Hotline für Ihr medizinisches Problem 01805 - 32 13 03 (0,14 EUR/min aus dem Festnetz)

Roman Walczyna

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Feuilleton

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Majestic

LTEN“ MIT FEO ALADAG

von Thomas Abeltshauser Frau Aladag, nach Ihrem Regiedebüt „Die Fremde“ über den Kampf einer Deutschtürkin für ein selbstbestimmtes Leben handelt Ihr zweiter Spielfilm „Zwischen Welten“, der jetzt im Wettbewerb der Berlinale Premiere feiert, vom Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan. Wie kamen Sie auf dieses Thema? Es fing mit einem Foto an, dass vor Jahren über meinem Schreibtisch hing als ich an meinem ersten Film arbeitete. Es war ein Pressefoto und zeigte einen deutschen Soldaten im Auslandseinsatz in Afghanistan. Das Motiv irritierte und beschäftigte mich. Wie stark ist der Grad der Traumatisierung, umgesetzt auf die Reflexion der Gesellschaft, auf den kämpfenden, sterbenden, tötenden Soldaten? Wo sind wir da politisch? Und was müsste ­kulturell passieren um mit ­einem größeren Selbstverständnis damit umzugehen? Das waren so U ­ rsprungsgedanken in 2002/2003. Ich hatte damals das Gefühl, dass dem Berufssoldaten, der darüber redet wie herausfordernd der Einsatz ist, meist entgegnet wurde: Selber schuld, man muss da ja nicht hingehen. Aber der Beruf Soldat kostet was im Kleinen, und dem wollte ich nachgehen. Warum gibt es das auf der Leinwand nicht? Es gab im deutschen Kino den kämpfenden deutschen Soldaten meist nur historisch. Im Fernsehen entstanden peu á peu Filme, die aber größtenteils unstimmig und leider oft schlecht recherchiert waren. Wenn man Arbeit von Soldaten im Einsatz und das Umfeld transparent machen will muss man sich schon die Mühe

der Sorgfaltspflicht machen. Diesen eigenen Anspruch der Authentizität hatte ich auch bei „Die Fremde“. Es fängt für mich immer damit an, zu fragen, zuzuhören, zu beobachten, versuchen zu lernen. Sie erzählen dabei nicht die klassische Geschichte vom Kriegstrauma. Das wäre mir zu naheliegend gewesen. Und damit hätte ich auch nur ein Extrem gezeigt, ich wollte aber im größtmöglichen Nenner das Spezifische suchen. Es gibt viele, die mit einer psychischen Belastung aus diesem Einsatz herausgehen, aber es ist im Durchschnitt nicht immer gleich ein posttraumatisches Belastungssyndrom. Sie erzählen die Geschichte eines Soldaten, der sich mit einem afghanischen Dolmetscher anfreundet und als sich dieser in einer Notlage befindet, sich zwischen seinem e­igenen Gewissen und den Befehlen der Vorgesetzten entscheiden muss. Beruht das auf realen Vorfällen? Das entwickelte sich durch viele Interviews, die ich auf Recherchereisen vor Ort geführt habe. Ich bin mit auf Patrouille gegangen und habe langsam Vertrauen gewonnen. Die S­oldaten und auch die Afghanen, die mir begegnet sind, haben sich nach und nach geöffnet und mir Geschichten erzählt, aus ­denen ich sehr viel gezogen habe. Es gibt fünf, sechs Ereignisse, zwei davon habe selbst miterlebt, die ich dann verarbeitet habe. Wie haben Sie überhaupt Zugang b­ekommen? Man fliegt ja nicht einfach mal nach Afghanistan… Auf deutscher Seite durch die Politik, das Bundesministerium der Verteidigung, und durch Gespräche mit politischen Beteiligten aller

Parteien. Ich wollte sicherstellen, dass wir zu keiner Zeit instrumentalisiert werden können. Wir brauchten Zugang und Support, aber es durfte nie embedded oder gesteuert sein. Und es gab auch viele Gespräche mit dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr. Für mich war das alles Neuland, ich hatte nie politischen Journalismus gemacht. Aber ich habe immer gesagt, dass ich garantiere, niemanden in die Pfanne hauen zu wollen, aber schon Dinge authentisch und menschlich sichtbar und fühlbar machen zu wollen. Also war die Devise: ‚Ich kann es nur mit euch tun, ich kann nicht mit einem deutschen Filmteam nach Afghanistan, wenn ihr euch querlegt.’ Das klingt jetzt einfach, war aber ein sehr gesprächsintensiver Prozess, der nicht ohne Rückschläge verlief. Von offizieller Seite gab es eine große Skepsis allen Medien gegenüber, weil sie sich die Bundeswehr in der Vergangenheit medial auch oft so gar nicht wahrhaftig dargestellt fühlte. Da musste ich viel Überzeugungsarbeit leisten. Und einige Beteiligte wissen immer noch nicht, was sie jetzt erwartet mit dem fertigen Film. Bis auf meine Art zu erzählen, wie ich es auch schon in „Die Fremde“ getan habe: nichts per se schlecht machen, sondern Fragen stellen und Mechanismen beobachten. Und in Bezug auf Afghanistan läuft ja vieles nicht gut, die Frage nach Visa für Dolmetscher etwa, deshalb ist der Film auch nicht ohne ­Systemkritik. Sie haben jahrelang darauf hingearbeitet diesen Film im Krisengebiet vor Ort zu drehen. Was hat Sie all die Zeit angetrieben und nicht aufgeben lassen?

Ich bin irgendwann einfach stur. Wenn ich gemerkt habe, dass da eine Macht einfach nur zeigt, dass sie die Macht hat, dachte ich nur: Nein, nicht mit mir. Dazu sind wir zu weit fortgeschritten, jetzt erst recht. Die Momente gab’s. Ich hatte einfach das Ziel, etwas sichtbar zu machen, die Perspektive zu verschieben. Mit einem anderen Selbstverständnis rangehen und vom Alltag deutscher Soldaten zu erzählen. Und ich wollte auch die afghanische Seite mal anders zeigen. Dieses Image, das sind immer nur Taliban, vor denen man Angst haben muss, und wenn es mal positiv ist, dann sind es die Burka-Frauen. Aber es gibt eine junge Generation, die das Land jetzt schon auf ihren Schultern trägt und für uns beginnt meiner Ansicht nach die Verantwortung, jetzt erst recht, mit dem Abzug der internationalen Truppen. Da müssen eine Hilfestellung und ein Bewusstsein bleiben. Vor allem auch jenseits der militärischen und sicherheitspolitischen Verantwortung dem Land Afghanistan und seinen Menschen gegenüber. Wenn das nicht passiert war womöglich der ganze Einsatz umsonst. Und damit auch 54 Tote und viele Versehrte auf deutscher Seite. Wie sollte diese Verantwortung aussehen? Die Schaffung von Arbeitsplätzen, der Aufbau einer stabilen wirtschaftlichen Struktur und natürlich Bildung, Bildung, Bildung… für alle.

ZWISCHEN WELTEN feiert im Wettbewerb der Berlinale Weltpremiere und läuft ab 27. März im Kino.


Das Wetter

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Sonja Leser

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DAS WETTER Buda dos Subúrbios

von Quynh Tran

wetter@trafficnewstogo.de

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SAO PAULO

53° 31’ N, 13° 24’ O

23° 55’ S, 46° 63’ W

STÜRMISCH Wer hätte gedacht, dass dieses beschauliche Örtchen in Österreich eines Tages noch großes Kino machen würde? Genau dort hatte Adolf Hitler am Anfang des Zweiten Weltkriegs in einem Bergwerk geraubte Kunstschätze eingelagert um sie später in seinem Führermuseum auszustellen. Natürlich hat er die Rechnung ohne die Alliierten gemacht – die haben bereits 1943 eine Sonderabteilung zum Schutz von Kunst- und Kulturgut eingerichtet um die wichtigsten Gegenstände und Gebäude zu sichern. George Clooney hat den Kunstschutzoffizieren, die sich durch die Kriegswirren zur Kunst durchgekämpft und sie sicher gestellt haben mit „The Monuments Men“, wie sie auch im Volksmund genannt wurden, ein Denkmal in der Filmgeschichte gesetzt. Außerhalb des Wettbewerbs feiert der Film zur 64. Berlinale seine Premiere am Produktionsstandort.

SCHWÜL Dicht an dicht gedrängte Hochhäuser aus Stahl und Beton, Menschenmassen und tropische Luft – in Brasiliens größter Stadt kann es schon mal ungemütlich werden. Giovana und Leo, beide an der Schwelle zur Adoleszenz macht diese Atmosphäre, übervorsichtige Eltern, und tagtägliche Langeweile am Pool, schon mal zu schaffen. Daniel Ribeiros Film „Hoje eu quero voltar sozinho“ zeigt in träumerischen Sequenzen Jugendliche auf der Suche nach sich selbst, im Kampf mit den eigenen Gefühlen von paternalistischen Strukturen zu vor der Kulisse einer beengten brasilianischen Großstadt. Wie die Handlung schon vermuten lässt wird der Film in der Panorama-Sektion der Berlinale gezeigt, die sich auf Autoren- und Arthouse-Produktionen konzentriert.

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PERTH

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BUDAPEST

31° 95’ S, 115° 85’ O

47° 28’ N, 19° 03’ O

STRAHLEND Kristallblaues Meer, atemberaubende Landschaften, verschlafene Küstenorte – „The Turning“, bringt den Zuschauer auf eine Reise entlang der Westküste Australiens. Vorbei an zerklüfteten Felsen, unberührter Natur und malerischen Städten, zu sonnengebräunten Surfern und Fischern am Meer ebenso wie ins Hinterland zu den Aborigines und Farmern, spinnt der Film vor epischen Bildern individuelle Geschichten. Die 18 Anthologien, die von verschiedenen Regisseuren basierend auf Autor Tim Wintons Kurzgeschichten adaptiert worden sind, zeigen im wahrsten Sinne des Wortes Leben und Natur des kleinen Kontinents und sind eine Ode an seine Heimat. Der australische Beitrag wird im Rahmen der Berlinale Special Galas außerhalb des Wettbewerbs gezeigt.

BEWÖLKT Budapest gilt als eine der schönsten Städte Europas, entlang der Donau und in der Altstadt reiht sich ein prächtiges Gebäude ans andere. Vor harmonischer Berglandschaft und historischer Kulisse sollte man meinen, die Gäste und Mitarbeiter von Wes Andersons „The Grand Budapest Hotel“ müssten ein sorgenfreies Dasein voll Freude und Opulenz fristen. Aber am Horizont ziehen Wolken auf, denn der Tod einer alten Dame und das Aufstreben der Nationalsozialisten auf dem Kontinent bringen die Ruhe in dem Hotel gewaltig ins Wanken. Wes Andersons „The Grand Budapest Hotel“, der zwischen den Weltkriegen spielt und die Odyssee von Gustave H und Zero Moustafa folgt eröffnet dieses Jahr offiziell den Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele in Berlin.

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Jaromir Tretina

ALTAUSSEE

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Jason Welles

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Sport

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© Frederic Humbert

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DAS GOLDENE ZEITALTER DES RUGBY IN DEUTSCHLAND von Conor Creighton aus dem Englischen von Frances Marabito Rugby ist in Deutschland noch unpopulärer als sein ewiger Winter. Das Spiel hat die Nation nie gefesselt, obwohl sich die deutschen Teams in der Geschichte des Rugby stets gut geschlagen haben. Einmal waren die Deutschen sogar das zweitstärkste Team auf dem europäischen Kontinent. Frankreich konnte sie als einziges Land schlagen. Seltsam, dass das Interesse erstarb, bzw. sich nicht einmal steigern konnte. Die Länder, in denen Rugby populär ist, sind jene, die unter dem Einfluss des ehemaligen Vereinten Königreiches lagen. Neuseeland hat das beste Team der Welt, Südafrika spielt beeindruckend, Irlands Team legt eine wahnsinnige Energie an den Tag und Wales hat die beste europäische Mannschaft – Länder, die es kaum auf eine Handvoll olympischer Goldmedaillen bringen, aber dafür Spitzenreiter im Rugby-Sport sind. Das liegt vielleicht daran, dass sich der Geist der „alten Welt“ über dieses Spiel legt. Es ist weit davon entfernt, modern zu sein, seine Sprache entstammt dem privaten englischen Schulsystem. Im Gegensatz zum Fußball, kann es einem schwer fallen, einem ­Rugby-Spiel zu

folgen, wenn man keinen persönlichen Zugang zur Welt der Teams hat. Diese Tatsachen, samt der fehlenden Prägung durch das British Empire, haben der Verbreitung des Spiels in Deutschland Steine in den Weg gelegt. Wie dem auch sei, im Februar fällt der Auftakt zum „Six Nations“-Turnier. Es ist der ultimative Rugby-Wettkampf, obwohl der „Rugby World Cup“ um einiges größer ist. Doch hier kämpfen Nationen gegeneinander, die mehr oder weniger Nachbarn sind. Hier wird die Tradition harter Stammeskriege ersetzt. Der Wettkampf ist wie eine Familienfehde. Und wie jede Familienfehde ist ihre Austragung intensiv. Man kennt die Stärken und Schwächen des anderen gut. Jeder, der schon einmal durch den Prozess einer Scheidung ging, kann bezeugen, dass man erst jemanden lieben muss, bevor man ihn derart hassen kann. Schottland, Irland, Wales, Frankreich, England und Italien nehmen am „Six Nations“ teil. Rugby ist ein komplizierter Sport, und daraus folgen die Verständnisprobleme, die außerhalb des alten Britischen Reiches herrschen. Das Spiel hat einen natürlichen Fluss, doch es wird ständig durch angeordnetes Gedränge („scrums“) und „throw-ins“ ­unterbrochen. Es ist kein Spiel, das man beobachten und dann einfach nachspielen

kann. Ein Spiel wie dieses, das natürliche und logische Vorgehen – wie das Vorwärtswerfen des Balls oder sein Ergreifen, nachdem er nach einem Angriff („tackle“) zu Boden gefallen war – als Regelverstoß betrachtet, ist für die Deutschen womöglich schwerlich hinnehmbar. Rugby kann dahingleiten, doch normalerweise scheppert es ordentlich auf dem Spielfeld, stolpert, kriecht und keucht. Aber Moment mal – es tut sich was im deutschen Rugby. Man spricht von Revival, von einem rasanten Aufschwung. Innerhalb nur eines Jahres haben sich die Deutschen in der Weltrangliste um zehn Plätze nach oben vorgeschlagen und liegen jetzt auf Platz 26. Das ist noch nicht so hoch, dass einem schwindelig werden könnte, aber hoch genug, um ihre Ärsche nicht nass werden zu lassen. In klaren Worten, Deutschland kann sich für den Rugby World Cup 2015 qualifizieren. Das ist ihnen noch nie zuvor gelungen. Aber möglicherweise ist es der Beginn eines Goldenen Zeitalters im deutschen Rugby und bedeutet viel für den Sport allgemein. Wer möchte nicht ein gutes deutsches Rugby-Team in Europa spielen sehen? Vielleicht wird es sogar den „Six Nations“ hinzugefügt, wie das italienische Team 2000. Natürlich müssten sich die Deutschen erst

daran gewöhnen, von Teams wie Irland und Frankreich fertiggemacht zu werden, doch mit der Zeit würden sie lernen, Niederlagen einzustecken und gelegentlich vielleicht sogar einen Sieg zu erringen. Aber nichts ist in Stein gemeißelt, noch haben sie sich nicht qualifiziert. Bei ihren jetzigen Spielen sind sie geschockt, wenn sie mehr als tausend Zuschauer haben. Fakt ist jedenfalls, dass sich die Deutschen bei einem Sport, den sie mögen, immer selbst übertreffen, und falls sie sich qualifizieren sollten, wird ihnen eine große Unterstützerwelle entgegenschlagen. Verwirrte Unterstützer womöglich, die sich zunächst einmal mit dem Augen-Quetschen („eye-gouging“), dem „up and under“-Kick und der „rolling maul“-Taktik anfreunden müssen. Der „Six Nations“-Wettkampf findet an den Wochenenden ab Anfang Februar bis Mitte März statt. Das ist eine gute Gelegenheit, um sich mit Deutschlands potenziell beliebtestem Sport der Zukunft vertraut zu machen.

sport@trafficnewstogo.de


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Style

Ausgabe N°36 • Februar / März 2014 • Jahrgang 6 • trafficnewstogo.de

Zoopalast

Zoo Palast / Jan Bitter

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Lange der Ort, an dem die Filme des Wettbewerbs gezeigt wurden und das historische Herzstück der ­Berlinale: Nach dreijähriger Bauzeit erstrahlt der ­Zoopalast in der Hardenbergstraße 29a in neuem Glanz. Großzügiger Reihenabstand, breite Ledersessel mit verstellbaren Rückenlehnen und ein Saal von imposanter Größe, der über 1000 Besucher fasst – hier wurde Filmgeschichte geschrieben und bis heute strahlt dieser Ort eine glanzvolle Erhabenheit aus. Säle: 7
 Platzkapazität: 1.650 Größte Leinwand: 21m x 8,80m

2 1. Clutch Night Fever Delia von Bogner 2. Schwarzes Klied von Augustin Teboul 3. High Heels Noemi von Hinfray & Censi für Scarosso

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GLAMOUR IN BERLIN: FILM AB! von Miriam Rauh

1

2

Berlinale

Auf den Trümmern eines ehemaligen Tanzpalastes in der Kantstraße 12a gebaut, wird der Delphi Filmpalast schon seit den Anfangsjahren der Berlinale bespielt. Seit den frühen 80er Jahren ist er neben dem Arsenal Kino die Hauptspielstätte für Filme aus dem Forum-Programm, und, dem nostalgischen Charme des Interieurs zum Trotz, technisch auf dem neuesten Stand. Besucher zollen der historischen Stätte gerne mit ausgefallenen Roben Tribut; schon zur Eröffnung durch Kinobetreiber Walter Jonigkeit im Jahr 1949 galt ­dieses Kino als das eleganteste der Stadt. Säle: 1
 Platzkapazität: 1.600 Größte Leinwand: 17,6m x 8,0m

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Robin Kater

Delphi Filmpalast 1. Jacke & Sweater von dyn 2. Jackett von dyn 3. Seidenhemd von sopopular 4. Guccio, Scarosso Heritage Collection

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FUTURE

BANKS

PHOTOGRAPHY

UDO SPREITZENBARTH udophotography.com

FASHION DIRECTOR & PRODUCER

TY-RON MAYES maxinetall.com

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Ausgabe N°36 • Februar / März 2014 • Jahrgang 6 • trafficnewstogo.de

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Berlinale Palast

1. Lederjacke & schwarzer Chiffon von Augustin Teboul 2. Weiße Chiffonrocke von Augustin Teboul 3. High Heels Alessia von Hinfray & Censi für Scarosso

Eigentlich ist der Berlinale Palast am Marlene-Dietrich-Platz 1 ein Musical-Theater – mit unzähligen Metern ­rotem Teppich verwandelt es sich im Februar zur ­Spielstätte der Wettbewerbsfilme und in einen der aufregendsten Laufstege der Welt. Hier präsentieren sich die Stars und Sternchen der heimischen Filmszene gemeinsam mit internationalen Größen aus Hollywood-Publikum, Journalisten und Fotografen. Auch die Eröffnungsfeier und die Vergabe der Preise werden an diesem Ort zelebriert. Säle: 1 
 Platzkapazität: 1.600 Größte Leinwand: 17,6m x 8,0m

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UM WAS SICH DIE GESPRÄCHE AUF DER BERLINALE IN DIESEM JAHR DREHEN? NEBEN ­ANEKDOTEN ÜBER S­ KANDALE UND NEUEN FILME WIRD ES AUCH DIE EINE ODER ANDERE GESCHICHTE ZU OUTFITS ÜBER DIE VORGEHALTENE HAND HINAUS IN DIE ZEITUNGEN UND MAGAZINE SCHAFFEN. PREISVERDÄCHTIGE ANWÄRTER FÜR INTERNATIONALE ANERKENNUNG HABEN WIR ZU DEN VIER SCHÖNSTEN SPIELSTÄTTEN KOMBINIERT, IN EINEM C ­ OLLAGENARTIGEN PORTRAIT IHRER B ­ ESUCHER.

2 Auch wenn der Name anderes verheißt - einem internationalen Publikum war das Kino an der Karl-Marx-Allee 33 erst nach dem Mauerfall zugänglich. In den Jahren 1961-64 im Stil der „DDR-Moderne“ gebaut präsentiert sich das Haus seinen Besuchern mit großzügigem Foyer, beidseitigen Treppenaufgängen, aufwändiger Vertäfelung und einem Paillettenvorhang, der die kulturelle Vergangenheit des Ortes in einem hellen Licht erstrahlen lässt. Zur Zeit der Berlinale werden hier Filme aus Wettbewerb, Berlinale Classics und Berlinale Special und einige Premieren aus dem Bereich Panorama gezeigt. Für viele Berliner ist diese eine der schönsten Spielstätten der Stadt. Säle: 1
 Platzkapazität: 551 insgesamt Größte Leinwand: 14m x 6,0m

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International 1.Ricardo Tisci für Nike Air 2. Anzug von Kilian Kerner 3. Violet Leaf Hair Balm von Aesop 4. Kleid von Kilian Kerner

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Film

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ENNIO MORRICONE: „ICH GEHE IMMER NACH VORNE!“

von Marc Hairapetian ICH WILL NICHT mit Ihren Scores zu Italo-Western starten, sondern mit dem „Clan der Sizilianer“, den viele Filmmusik-Liebhaber für Ihre beste Arbeit halten. Der Regisseur Henri Verneuil war Armenier. Und die Armenier in der Diaspora lieben diese Musik, obwohl oder gerade weil sie sehr italienisch ist. Mein armenischer Vater sagte einmal: „Da steckt das ganze Leben drin. Der Soundtrack ist cool, melancholisch, sexy und würdevoll zugleich, und klingt so als würde man mit geradem Rücken durchs Leben gehen. Morricones Musik ist einfach universell.“ Welche Erinnerung haben Sie an Verneuil und den „Clan der Sizilianer“? Dass hat Ihr Vater sehr schön gesagt. Mille Grazie! Natürlich kann ich mich an Henri Verneuil und den Film gut erinnern. Er war einer der ersten Regisseure, die eng mit mir zusammen arbeiten wollten. Verneuil, war ein sehr sympathischer Mann, der mir viele Komplimente machte und mir sehr half meine ersten Unsicherheiten als Filmkomponist zu überwinden. Es war nach dem einzigen französischen „Italo“-Western „(Die Hölle von) San Sebastian“ bereits unsere zweiter Film. (Tappt sich lachend an die Stirn) Jetzt habe ich selbst angefangen, über Western zu sprechen...! Verneuil war ein Meister des spannungsgeladenen Unterhaltungsfilms mit inhaltlicher Tiefe. Später haben wir noch bei „Der Coup“, „Angst über der Stadt“ und meinem LieblingsPolitthriller „I wie Ikarus“ intensiv zusammengearbeitet. „Der Clan der Sizilianer“ war 1969 eine ziemlich mühselige Arbeit. Jedes Mal, wenn ich für einen Film arbeite, versuche ich auch immer Elemente einzubauen, die mich selbst interessieren. Ich erzähle Ihnen jetzt etwas, was ich noch nie erzählt habe: „Der Clan der Sizilianer“ basiert auf Johann Sebastian Bachs Präludium für Orgel in a-Moll sowie auf seiner „Neunten“. Seine Klavierübungsstücke für Schüler nannte er nicht unbescheiden Sinfonien. Im Grund besteht das Hauptmotiv der 9. nur aus diesen vier Tönen. (Singt sie vor) Aus diesen vier Noten, habe ich das Thema vom „Clan der Sizilianer“ gemacht. Im Grunde hört es sich einfach an, aber allein das hat mich über einen Monat Arbeit gekostet. Darüber legte ich ein sizilianisches Motiv. Ich ließ zwei Melodien gegeneinander ankämpfen, weil der von Jean Gabin in der Rolle des Vittorio Manalese angeführte „Clan der Sizilianer“ erst mit dem von Alain Delon verkörperten französischen Bandit Roger Sartet kooperiert um nach erfolgreichem Juwelenraub mit ihm aneinander zu geraten. Doch wissen Sie, was den Soundtrack bis heute zu einem meiner erfolgreichsten macht, so dass er sogar von John Zorn und jungen Leuten aus der Club-Kultur mehrfach gecovert wurde? Vielleicht die Verwendung von für einen orchestralen Score untypischen Geräuschen wie Pfeifen oder Instrumenten wie­ Maultrommel und E-Gitarre? Richtig! Gerade die geradezu stoisch eingesetzte Maultrommel

verleiht dem Soundtrack etwas Lässiges, dass durch das E-Gitarrenriff unterstützt wird. Ich setzte auch einen Synthesizer bei der Szene ein, in der sich Alain Delon am Strand des sizilianischen Anwesens raubtierartig auf die sich in der Sonne rekelnde, nackte Irina Demick stürzt, die hier mit einem der Söhne Gabins verheiratet ist. Somit wird das Unheil heraufbeschworen - und das wollte ich mit einer explosiven, erotisch aufgeheizten Musik unterstreichen. Nicht nur in Frankreich, sondern auch in den USA und vor allem in Deutschland brach der Film Kassenrekorde und das Soundtrack-Album verkaufte sich ebenfalls hervorragend. Und was macht Ihre Musik so universell? Vielleicht, dass sich verschiedene Elemente harmonisch ergänzen oder aber auch konterkarieren. Die zumeist elegischen Streicher sprechen jung und alt an wie der unvermutete Einsatz von Chören oder der opernartige Gesang von Edda Dell‘Orso. Dadurch, dass ich auch häufiger Schlagzeug verwende, sind viele Stücke sehr tanzbar. Ich liebe einfach Musik und damit meine ich nicht nur meine eigene, sondern auch die der anderen. Ich bin wirklich stolz, dass ich Freunde meiner Musik aus allen fünf Kontinenten habe. Stimmt es, dass Sergio Leone Sie bereits nach der Drehbuchlektüre Ihre Musik komponieren ließ und den Soundtrack dann am Set vorspielte um die Schauspieler in die richtige Stimmung zu versetzen? Mit Sergio Leone habe ich lange experimentiert, den Soundtrack zu finden, während der Film noch in der Entstehung ist. Vor allem bei „Spiel mir das Lied vom Tod“ haben wir das so gemacht und den Schauspielern die Musik beim Dreh vom Tonband in Orchesterlautstärke vorgespielt. Das erklärt dem Publikum auch, warum Charles Bronson, der sich an dem von Henry Fonda gespielten Mörder seines Bruders rächen will, manchmal wie hypnotisiert durch die Szenerie wandelt. Er war betört, ja, fast zugedröhnt von der Musik, diesem absichtlich etwas schiefen Mundharmonika-Spiel und der sägenden E-Gitarre! Diese Methode habe ich danach auch mit anderen Regisseuren weiter ausgeführt. Normalerweise wird die Musik zum SoundDesign erst dazu gemischt wenn der Feinschnitt nach dem Rohschnitt einsetzt. Man kann da nicht wirklich die Stimmung des Films wiedergeben, denn vielleicht hat der Regisseur zuvor eine ganz andere Musik im Kopf gehabt. Als Komponist ist es mir wichtig, im Entstehungsprozess eingebunden zu werden. Wichtig ist, dass der Regisseur auch die Musik versteht, weil das Endresultat sonst eine zu große Überraschung für ihn darstellt. Auch das Tempo eines Stücks ist enorm wichtig. Allein eine Musik von nur 20 Sekunden kann enorm viel bewirken. Wenn man die Musik vorher hört, kann man gewisse Szenen etwas länger oder kürzer drehen. Die Musik bringt etwas zum Ausdruck, was im Film normaler Weise nicht zu sehen oder hören ist. Deswegen hat mich Sergio Leone auch immer als seinen musikalischen Drehbuchautoren bezeichnet. Sehr schmeichelhaft für mich.

Sie haben insgesamt 500 Soundtracks für Kino- und TV-Filme komponiert. Kommt man durch den Druck nicht auch in die Versuchung, sich selbst zu recyceln? Woher stammt Ihre Inspiration? Ich gehe immer nach vorne, lerne von einer Erfahrung zur nächsten und versuche, mich nie zu sehr zu wiederholen. Das gilt nicht für mich, sondern für alle Größen des Kinos und der Musik. Johann Sebastian Bach und Anton Webern, der Schöpfer der atonalen Musik, sind immer eine große Quelle der Inspiration für mich gewesen. Durch Webern kam bei aller Melodiösität meiner Musik auch das etwas sperrige und außergewöhnliche Element in meine Soundtracks. Vielleicht macht diese Kombination meinen Erfolg aus, weil meine Musik nicht zu poliert auf Wohlklang getrimmt ist, sondern auch Ecken und Kanten hat. Im Grunde gibt es bei jedem wirklich guten Komponisten dieses unverwechselbare Etwas, das wie ein Stempelabdruck erkennbar ist. Sprechen wir über ihre bevorstehenden Deutschland-Auftritte. Aus Ihrem gigantischen Gesamtwerk könnten Sie ja praktisch wochenlang vorspielen. Wie ist ausgerechnet diese Auswahl entstanden? Die Auswahl besteht aus einer Mischung, bei der ich einerseits weiß, was dem Publikum gefällt, aber anderseits auch das spielen will, was mir gefällt und was ich dem Publikum näher bringen will. Deutschland ist für mich das musikalische Land schlechthin. Ich liebe auch Beethoven, der sehr kraftvoll und freigeistig komponierte. Es betrübt mich etwas, dass man mich hierzulande - mit Ausnahme von Ihnen fast nur nach Sergio Leone und Italo-Western befragt, dabei machen diese Soundtracks nur acht Prozent meines Schaffens aus. Ich habe viel mehr Filmmusiken komponiert für große und wichtige Regisseure wie Gillo Pontecorvo oder Giuliano Montaldo, die in Deutschland vielleicht nicht so bekannt sind. Auch die sogenannte Musica Assoluta, die absolute Musik, die ich jenseits der Soundtracks k­ omponiert habe, liegt mir sehr am Herzen. Ich habe ebenfalls 500 von diesen Musiken komponiert. Für die Deutsche Grammophon machte ich Aufnahmen avantgardistischer Musik, die viele gar nicht kennen. Da bietet sich bei den Konzerten die Gelegenheit neben den Hits „Für ein paar Dollar mehr“, „Zwei glorreiche Halunken“, „Es war einmal in Amerika“, „Mission“, „Cinema Paradiso“ oder „Die Unbestechlichen“, wo das „Al Capone“-Thema mit gestopfter Trompete gespielt wird, auch diese eher unbekannten Stücke zu spielen. Sie sind in diesem Jahr 85 geworden und seit nunmehr 52 Jahren im Filmgeschäft. Wie viel hat sich für Sie verändert bei der Umstellung von analoger auf digitale Technik? Eigentlich habe ich diesen Prozess fast vorausgesehen, bevor er stattgefunden hat. Bei meinem alten Magnetofon konnte man nur acht Spuren bei einer Bandbreite von 1 Zoll aufnehmen. Ich wollte aber 24 Spuren haben, indem ich drei

epiclectic

500 FILMMUSIKEN IN 52 JAHREN, DAZU ÜBER 500 WEITERE KOMPOSITIONEN: ­E NNIO MORRICONE, GEBOREN AM 10. NOVEMBER 1928 IM RÖMISCHEN STADTTEIL ­T RASTEVERE, IST EINE LEBENDE LEGENDE. AM 11. FEBRUAR 2014 SPIELT DER MAESTRO ERSTMALS IN BERLIN - BEREITS JETZT SIND 8000 KARTEN VERKAUFT. IM GESPRÄCH MIT MARC ­H AIRAPETIAN BLICKT DER UNGEBROCHEN VITALE BACH-LIEBHABER, DER NICHT IMMER NUR ÜBER ITALO-WESTERN REDEN MÖCHTE, AUF DIE AUFS UND ABS SEINER KARRIERE UND VERRÄT EINE FILMMUSIKALISCHE SENSATION, DIE NICHT ZUSTANDE KAM.


Massimo Gallotta

Mal Acht-Spuren jeweils getrennt aufnahm. Die Regisseure waren beim Hören von jeweils acht Spuren verwirrt bevor sie den Endmix hörten: „Deine Musik ist ja gar nicht fertig!“ Da die Regisseure keine Komponisten waren konnten sie sich nicht vorstellen, wie die fertige Musik klingen würde. Diese Probleme gibt es nicht mehr, denn heute kann man digital alles machen. Für Giuseppe Tornatores neuen Film „The Best Offer“ habe ich allerdings wieder getrickst. Ich ließ alle Instrumente einzeln aufnehmen, ohne dass ein Musiker wusste, was der andere gespielt hatte. Der Endmix sollte dadurch etwas Unberechenbares haben. Das hat nicht nur Tornatore gefallen, sondern auch den Mitgliedern der Europäischen Filmakademie, die mir in diesem Jahr den Preis für die beste Musik verliehen. Gehen Sie eigentlich mit dem gleichen Ehrgeiz an einen Soundtrack heran, wenn Ihnen ein Nachwuchsregisseur nur ein geringes Honorar bieten kann? Sind Sie da noch Idealist? Es ist nie vom Geld abhängig. Mein Job war und ist immer an der Seite des Orchesters. Das war schon so, als ich als Theater- und Rundfunkkomponist begann und danach für das Fernsehen arbeitete oder Popsongs schrieb. Für mich ist die Herausforderung, ob ich bei einem Film musikalisch etwas zu sagen habe und mich stets verbessern kann. Natürlich wollte und will ich Geld verdienen. Ich habe mich auch immer bezahlen lassen, mal mehr, mal weniger. Aber der Hauptgrund ist die Liebe, die ich für die Musik habe. Deswegen ­komponiere ich heute noch im fortgeschrittenen Alter. Wird mir viel Zeit gegeben, nehme ich sie mir. Wird mir nur wenig Zeit gelassen, arbeite ich schneller. Dann arbeite ich ganze Nächte durch, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Die meisten Regisseure beten Sie an. Gibt es auch einen, der Ihnen das Leben schwer gemacht hat? Obwohl ich für Bernardo Bertolucci bereits die Partituren zu „Vor der Revolution“ (1964) und zur Dostojewski-Adaption „Partner“ (1968) schrieb, horchte er sich 1976 im Vorfeld seines Epos 1900 bei Kollegen um ob ich wirklich ein so guter Komponist wäre. Na, immerhin hat er mich doch noch engagiert.

Für welchen Film hätten Sie lieber nicht den Soundtrack komponiert? Für Pier Paolo Pasolinis „Die 120 Tage von Sodom“. Es war zwar wichtig, einen Film über die Verbindung von Vergewaltigung, Folter und Mord im faschistischen Marionettenstaat Salo in Anlehnung an de Sades gleichnamiges Werk und Dantes „Inferno“ zu machen, doch ich habe ihn mir nie wieder angesehen. Und was war Ihre größte Enttäuschung? Leider konnte 1966 aus vertragsrechtlichen Gründen meine Musik zu „Die Bibel“ nicht verwendet werden, so dass der begabte, all zu früh verstorbene Toshiro Mayuzumi kurzfristig einspringen musste. Eine kleine Genugtuung war es für mich, dass ich 30 Jahre später gleich für mehrere TV-Filme Episoden aus dem Alten und Neuen Testament vertonen durfte. Hat es Sie nicht aus nicht ein bisschen verärgert, dass Ihre wohl berühmtesten und besten Soundtracks wie „Zwei glorreiche Halunken“, „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Die gefürchteten Zwei“ („Il Mercenario“) und „Der Clan der Sizilianer“ keine Preise erhalten haben und Sie bei bisher fünf Nominierungen als bester Komponist 2007 „nur“ einen Ehren-Oscar entgegen nehmen durften? In den 1960er und 1970er Jahren waren Italo-Western und französische Gangsterfilme zwar international erfolgreich, wurden aber von der Filmkritik und den Auswahlgremien für Preisvergaben als Genre-Filme abgetan und deswegen nicht berücksichtigt. In Hollywood erhielt ich meine erste Oscar-Nominierung immerhin schon 1979 für Terrence Malicks „In der Glut des Südens“; den ersten Preis in meiner Heimat, den David Di Donatello, gewann ich hingegen erst 1988 für Giuliano Montaldos „Brille mit Goldrand“. Wen oder was vermissen Sie? Vor allem Bruno Nicolai, der bis zu seinem Tod 1991 viele meiner Soundtracks dirigiert hat und selbst ein wundervoller Komponist war. Haben Sie ein Ritual bei dem Sie besonders gut komponieren können? Schlicht und ergreifend bei mir zu Hause. Aber manchmal

kommen mir die besten Ideen beim Autofahren. Dann parke ich schnell irgendwo und mache mir Notizen. Haben Sie einen Tipp für junge Filmkomponisten? Es gibt einen Tipp: Im Grunde lernen, ganz viel lernen bei guten Komponisten und immer selbst ein bisschen angeben. Damit holt man sich das Selbstbewusstsein, um protzige, richtig starke Musik, zu komponieren. Mit welchen Regisseuren hätten Sie gerne zusammengearbeitet oder würden es noch tun? Normalerweise beantworte ich diese Frage nicht, weil ich immer soviel Arbeit hatte, dass ich nie dazu gekommen bin, mir etwas zu wünschen, doch es gibt eine Sache im Leben, die mir passiert oder besser gesagt nicht passiert ist, und das finde ich bis heute noch schade. Da war ein US-amerikanischer Regisseur im britischen Exil, hmm, wie hieß er doch gleich... Stanley Kubrick! Er rief mich Anfang der 1970er Jahre an, ob ich die Musik zu „Uhrwerk Orange“ schreiben könnte. Am Telefon waren wir uns eigentlich über alles einig, sogar über das Geld. Doch Kubrick, der aus London angerufen hatte, wollte aus Flugangst nicht nach Rom reisen. So habe ich allein in Rom angefangen, an der Musik zu schreiben. Irgendwann hat Kubrick bei Sergio Leone angerufen und gefragt, ob ich eigentlich mit dem Job bei ihm zufrieden wäre. Und Leone antwortete: „Ja, ist er, auch wenn er derzeit viel um die Ohren hat. Parallel arbeitet er doch gerade an meinem Score zur „Todesmelodie“. Daraufhin hat Kubrick leider nie wieder bei mir angerufen. Er drehte nur alle drei bis fünf Jahre einen Film, ich hingegen schrieb zu dem Zeitpunkt jährlich 15 Soundtracks. Gerne hätte ich für den besten Regisseur aller Zeiten zum besten Film aller Zeiten komponiert. „Uhrwerk Orange“ ist, wie Luis Bunuel gesagt hat, der einzig wahre Film über die moderne Zeit. Ein Plädoyer für die Willensfreiheit des Menschen, der selbst entscheiden soll, ob er gut oder böse handelt. Ich hatte sehr gute Ideen für das Opening mit Anti-Held Alex De Large und seinen drei Droogies in der Korova-Milchbar, doch ich muss neidlos anerkennen, dass Walter Carlos mit seinen wuchtig-hypnotischen Synthesizer-Klängen, die auf Henry Purcells „Music for the Funeral of Queen Mary“ basieren, den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Besser hätte ich es auch nicht machen können!


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Film

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PETER DER GRÖSSTE Er war „Lawrence von Arabien“, „Lord Jim“ und „Der Löwe im Winter“. Eine letzte Begegnung mit dem genialen irischen Schauspieler, der am 14. Dezember im Alter von 81 Jahren in London verstarb. von Marc Hairapetian WAR PETER O‘TOOLE der uneheliche Sohn von Orson Welles? Das mutmaßte 1996 Filmkritiker David Thomson in seinem Buch „Rosebud - The Story of Orson Welles“. Der Charakterdarsteller O‘Toole wurde am 2. August 1932 im irischen Connemara geboren, wo auch der damals 17-jährige US-Amerikaner Welles lebte. Auch wenn sie stilistisch betrachtet kaum unterschiedlicher hätten sein könnten, werden beide in der Film- und Theater-Welt als Giganten bezeichnet, zumindest würde es erklären, dass Genie vererbbar ist. Gemeinsam haben beide in jedem Fall einen Ehrenoscar (Welles 1971, O‘Toole 2003). Während Welles zumindest 1942 einen „regulären“ Academy Award für das „Beste Drehbuch“ zu „Citizen Kane“ erhielt, in den Kategorien „Bester Hauptdarsteller“, „Beste Regie“ und „Bester Film“ aber leer ausging, ist Peter O Toole mit acht „Bester Hauptdarsteller“-Nennungen der am meisten nominierte Schauspieler, der nie in dieser Kategorie gewann. Der schlaksige Beau mit den wasserblauen Augen und den strohblonden Haaren, der auf die Verkörperung von gebrochenen Helden abonniert schien, weigerte sich zunächst, den Sonderpreis der Academy of Motion Picture Arts and Sciences anzunehmen. Er schrieb der „feinen Gesellschaft“ einen Brief, in dem er mitteilte, dass er noch „im Spiel sei“ und gern mehr Zeit hätte den „hübschen Kerl“ zu gewinnen. Die Academy entgegnete, dass sie ihm den Oscar für sein ­Lebenswerk ­verleihen würde, ob es ihm nun passe oder nicht. Als er in der Talkshow von Charlie Rose weiter darauf beharrte, den Ehren-Oscar nicht entgegennehmen zu wollen versuchten ihn schließlich seine Kinder vom Gegenteil zu überzeugen. So entschied sich O‘Toole doch noch im Jahr 2003 zur Verleihung zu erscheinen. Die Trophäe wurde ihm dann ausgerechnet von Meryl Streep überreicht, die heute mit mittlerweile vier Auszeichnungen den Oscar-Rekord als „Beste Schauspielerin“ hält… Doch Preise können Patina ansetzen, zumal O‘Toole für seine besten Leistungen - allen voran als „Lord Jim“ (1965), der in Richard Brooks kongenialer Joseph-Conrad-Adaption im fernöstlichen Dschungel nach der „zweiten Chance im Leben“ sucht, nicht einmal nominiert war. Was machte die Faszination des Peter Pans unter den Schauspielern aus? Schöner als er ist kein Weißer durch die Wüste geritten. ­Kühner hat niemand mit seinen arabischen Brüdern Attacken gegen die türkischen Besatzer geführt. Verzweifelter hat niemand beim Verlust seiner treuen Bediensteten in den wolkenlosen Himmel geschaut. Die Rede ist von „El Aurens“, den O‘Toole in seinem Durchbruch zum Weltstar in David Leans Meisterwerk „Laurence von Arabien“ (1962) verkörperte. Das Anders-Sein, ob es sich nun um eine Lebensphilosophie oder die sexuelle Orientierung handelt, ist wohl kaum eindrucksvoller verkörpert worden als von O‘Toole, der sich nur noch selbst übertreffen konnte. Den eigenen Helden-Status relativierte er hier selbst in einem philosophischen Gespräch mit seinem von Paul Lukas gespielten väterlichen Freund „Papa Stein“: „Ich bin ein sogenannter Feigling gewesen und ein sogenannter Held... Ich glaube, Feiglinge und Helden sind nur Menschen, die im Bruchteil von Sekunden etwas Außergewöhnliches tun.“ Außergewöhnlich ist in der Tat alles, was der seinerzeit mit 23 Jahren jüngste „Hamlet“ des renommierten Bristoler Old Vic Theatre später auf der ­Leinwand tat. Der leidende Zug um seinen Mund ist zu seinem erotischen Markenzeichen geworden, ob in „Lawrence von Arabien“, „Lord Jim“ oder als Prostituierte-mordender Wehrmachtsgeneral Tanz

in Anatole Litvaks „Die Nacht der Generale“. O‘Toole beherrschte nicht nur das ernste Fach, sondern auch die Komödie, zu der er sich erst zwingen musste, dann aber brillierte wie an der Seite von Audrey Hepburn in „Wie klaut man eine Million?“ oder umgeben von einem Haufen Schönheiten in „Was gibt‘s Neues, Pussy?“. In letztgenanntem Film demonstrierte er als nymphomaner Modejournalist zu den Klängen des Songs „My Little Red Book“ im Pariser Crazy Horse Club, dass auch ein männlicher Striptease sexy sein kann. Ab den 1970er Jahren wurde seine Rollenauswahl noch exzentrischer. Paradebeispiele sind sein geisteskranker, zutiefst religiöser Aristokrat Jack Gurney in „The Ruling Class“ oder der gegen die Windmühlen des Lebens kämpfende Don Quijote im Musical „Der Mann von La Mancha“. In dem Skandal-Film „Caligula“, aus dem Regisseur Tinto Brass aufgrund von Hardcore-Szenen der Penthouse-Produzenten seinen Namen im Vorspann zurückzog, bewies O‘Toole als Kaiser Tiberius Mut zur Hässlichkeit. Vollkommen verwirrt, raunte ihm Kollege John Gielgud beim Dreh zu: „Sag, Peter, spielen wir jetzt in einem Pornofilm mit?“ Kurz vor seinem 80. Geburtstag ließ Peter O‘Toole eine Bombe platzen, die seine Anhängerschar mit Wehmut erfüllte. Am 10. Juli 2012 verlautbarte er in einem Statement, dass er die Schauspielerei an den Nagel hängen würde: „Es ist Zeit für mich, die Flinte ins Korn zu werfen, mich vom Film und von der Bühne zu verabschieden. Ich habe nicht mehr das Herz dafür, und es wird auch nicht mehr zurückkommen. Das Schauspieler-Leben brachte mir öffentliche Unterstützung, emotionale Erfüllung und materiellen Komfort. Es hat mich mit feinen Menschen zusammengeführt, mit guten Begleitern, mit denen ich das unausweichlicher Los aller Schauspieler geteilt habe: Flops und Hits. Wie auch immer glaube ich daran, dass jeder selbst entscheiden sollte, wann er geht. Deswegen beende ich meinen Job ohne eine Träne und sehr dankbar.“ Peter Seamus O‘Toole, der ehemalige Journalist (er arbeitete vor seiner Stipendium an der Royal Academy of Dramatic Arts als Reporter und Fotograf) und später exzellente Autobiograph („Loitering with Intent“) war äußerst öffentlichkeitsscheu. Er vermied Interviews, ließ er sich doch mal dazu überreden, war er allerdings kaum zu stoppen. In seinem Haus im Londoner Stadtteil Hampstead empfing er nur selten Gäste. Mir wurde die Ehre zuteil - und nichts, wirklich nichts deutete auf seinen nahen Tod hin. Alkohol bot der vorbildlich gealterte Gentleman, der eine exquisite Antiquitätensammlung sein Eigen nannte, nicht an. Nachdem er Mitte der 1970er Jahre bei einer Leberoperation „fast draufgegangen“ wäre, rührte er keinen Tropfen mehr an. Ehrlich gab er zu, es zu genießen, ein Star zu sein. „Mögen Sie es auch, befragt zu werden?“, entfuhr es mir darauf. „Oh, ja - wenn die Fragen interessant sind! Ich war schließlich auch einmal so ein junger, neugieriger Journalist wie Sie!“, kam es schlagfertig zurück. Ob sein Image als „Schwieriger“ eine Unterstellung der Presse oder Wahrheit wäre, wollte ich weiter wissen. O‘Toole antwortete augenzwinkernd: „Ich gehöre ja zum Götter-Clan, also zum Verein der Schauspieler, Nachrichtensprecher, Rennpferde und Regisseure. Wir werden alle angebetet, und das bedeutet auch, dass alles, was wir tun, wahnsinnig wichtig ist. Nun kann man sich dauernd kontrollieren. Oder man schert sich einen Teufel drum. Ich habe immer letzteres bevorzugt.“ Früher sah er sich als „zorniger junger Mann“, ganz in der Tradition von John Osbornes Rebellendrama „Blick zurück im Zorn“: „Mein Kumpel Richard Burton, den ich nur Dickie nannte ,und ich waren bereit alles zu verändern und an den Grundfesten des Theaters zu rütteln. Wir waren aber auch melancholisch und alles andere als pflegeleicht, ertränkten unseren Weltschmerz im Whiskey. Das ging sogar so weit, dass eine spätere Zusammenarbeit mit Stückeschreiber John Osborne scheiterte, weil ich ihm

zu ­aufbrausend auftrat, was ich heute bedauere.“ Sein Lieblingspublikum sah der dreifache Vater, der um seinen aus der Verbindung mit dem Model Karen Brown stammenden Sohn Lorcan einst einen erfolgreichen Sorgerechtsstreit führte, in den Kindern, bei denen er sich immer größter Beliebtheit erfreute und auch nach seinem Tod erfreuen wird: „Die Kids von heute sprechen mich natürlich mehr auf meine „Lassie kehrt heim““-Verfilmung von 2005 an als auf „Lawrence von Arabien“. Wir müssen auch junge Menschen respektieren. Lassen Sie mich Konfuzius zitieren: „Respektiere sie, denn sie werden eines Tages all das sein, was du jetzt bist.“ Wie entspannte sich Peter der Große eigentlich am besten? „Mit Cricket spielen und Musik. Ich höre am liebsten Ludwig van Beethoven und Bob Dylan, der sich von allen mit dem Rock‘n‘RollVirus infizierten ­Künstlern am meisten weiterentwickelt hat“. Interessant ist auch die Auflistung der Filme, in denen O‘Toole mitspielen sollte, es aber nicht tat - oder die nicht zustande kamen. So war er in Stanley Kubricks nie realisiertem „Napoleon“-Epos als britischer Widersacher von Oskar Werner als Bonaparte vorgesehen. Für den ersten „Tron“Film, der die digitale Welt vorwegnahm und in das Innere eines riesigen Computers führte, wo eingescannte User und festinstallierte Programme sich erbitterte Kämpfe lieferten, absolvierte er Probeaufnahmen, bevor er das Handtuch schmiss: „Obwohl Teile des Films in meinem Lieblingsformat 70mm Panavision gedreht wurden wie einst „Lawrence von Arabien“ und „Lord Jim“, kam mir diese Computergeschichte bei „Tron“ wie Hokuspokus vor. Doch der Film hat seine Qualitäten, wie ich dann im Kino feststellen musste.“ War Orson Welles sein Vater? „Blödsinn!“, winkte er ab. „Wer ist der beste lebende Schauspieler?“, frage ich, ohne mir einer eventuellen Provokation gleich bewusst zu sein. „Marlon Brando, John Gielgud und Oskar Werner“, kommt es mit ehrlicher Bewunderung, über seine Lippen, um nach einer Kunstpause fortzufahren: „- bis zu ihrem Tod. Lebendige fallen mir gerade nicht ein.“ Angst vorm Sterben kannte der Filmheld nicht, aber zumindest räumte er ein: „Ich bin aber auch nicht scharf drauf. Als Grabinschrift wünsche ich mir: „Es wird schon reichen“. Ich habe diesen Spruch auf dem Etikett einer chemischen Reinigung entdeckt, zu der ich meine Jacke brachte. Ich habe mich halb totgelacht!“ O‘Toole hegte eine leidenschaftliche Abneigung gegen Hollywood. Er hatte dort kaum Filme gedreht, obwohl ihn in Kalifornien jeder kannte: „Was ich an der Traumfabrik nicht mag, ist die Inkompetenz. Außerdem stelle ich mir ein anderes Leben vor als das in einer Filmkolonie. Nach der Arbeit brauche ich etwas anderes - auch wenn die Zeiten von Wein, Weib und Gesang für mich vorbei sind. Früher hingegen habe ich es mitunter ganz schön wild getrieben“, lachte er in sich hinein. Und warum hatte er nicht schon den Oscar für „Lawrence von Arabien“ erhalten? „Die Academy-Mitglieder geben zwar gerne Frauen für ihre erste richtige Rolle einen Oscar, aber nicht Männern. Die müssen sich erst mit einem zweiten oder fünfzigsten Film die Sporen verdienen“, nahm er es mit Galgenhumor. Traurigerweise erhielt sein letzter große Film „Venus“, den „Notting Hill“-Regisseur Roger Michell mit viel Feingefühl inszenierte, keinen deutschen Verleih - trotz O‘Tooles Oscar-Nominierung für den Part eines frustrierten Schauspiel-Veterans, der durch die Begegnung mit einer ziellosen 19-jährigen (Jodie Whittaker) aus seiner Lethargie gerissen wird. O‘Toole, der einen beim Abschied persönlich zur Tür geleitete, konnte es verschmerzen: „In England kommen auch keine deutschen E ­ rfolgsfilme ins Kino.“ Nun wird Peter der Größte einen regulären Oscar, für den er lange Zeit wie ein „Löwe im Winter“ kämpfte, nicht mehr erringen. Zur ewigen Schande von Hollywood.


Aplantage


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von Olivia Capadose aus dem Englischen von Frances Marabito BILDLICH GROSSARTIGE FILME werden durch eine kunstvolle Kameraführung geschaffen, begleitet von gut inszeniertem, kreativem, und durchdachtem Szenenbild. Während die Kamera die gewünschte technische Ästhetik erzeugt, gibt erst die geschickte Verwebung aus Farbe, Textur, Einrichtung und Kleidung, die der Szenenbildner vornimmt, dem Film seine Dynamik und Überzeugungskraft. Cleveres Szenenbild kann Themen und Plots stumm transportieren, Einfluss auf das kommerzielle Verhalten der Gesellschaft nehmen, und unmerklich steuern, wie wir die „Wirklichkeit“ betrachten. Man nehme Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“. Der Film basiert auf einem spärlichen Drehbuch und präsentiert eine sich nur langsam entfaltende Handlung, und doch galt das bahnbrechende Szenenbild als zukunftsweisend für alle nachfolgenden Umsetzungen des Universums im Film. Kubricks Vision fütterte das weltrauminteressierte Publikum der 1960er Jahre nicht nur mit einer meisterhaft konstruierten Raumstation, sondern auch mit makellosen Innenräumen aus eigens entworfenem Design, modernistischem Mobiliar und einem bizarren, aber traumhaft schönen Schlafzimmer mit leuchtend weißem Boden im Louis-XVI-Stil. Die hypnotischen Bilder des Films überwältigen uns, ohne dass wir merken, wie Kubricks imaginäre Vorstellung vom Weltraum zu unserer eigenen wird – ähnlich der Betrachtung eines Fotos, das die eigene Erinnerung trübt und ersetzt.

Das faszinierende Design des Films beeinflusst seit jeher die Art und Weise, wie Menschen das Universum „sehen“. Zur Einflussnahme auf die visuelle Vorstellungskraft kommt die ikonisch gewordene Inneneinrichtung, die die Raumgestaltung im kommerziellen Bereich für Jahrzehnte geprägt hat. Kubricks Zukunftsvision entstand zwar in der Vergangenheit, es scheint aber, als habe er die Zukunft wahrhaftig vorausgesehen – er setzte einen Darsteller an einen DesignerSchreibtisch aus der ikonischen „Action Office“-Serie des Möbel-Designers George Nelson in den Empfangsbereich des Raumschiffes. Bis Mitte der 2000er Jahre wurden tatsächlich 70 % aller amerikanischen Büroräume mit dem unverkennbaren „Action Office“-Mobiliar ausgestattet. Wie unausweichlich die Verschmelzung von Szenenbild und Kommerz sein kann zeigt „A Single Man“ von 2009, in dem der prominente Modedesigner Tom Ford Regie führte. Angesichts seines professionellen Hintergrunds wurde sein Regiedebüt mit zynischen Vorhersagen langatmiger Werbung erwartet. Und tatsächlich ist es in einiger Hinsicht genau das, was der Film transportiert: ätherische Schwarz-und-WeißRückblenden auf glücklichere Zeiten am Meer, Großaufnahmen des schönen Spaniers Carlos und seiner malerisch geformten Lippen, aus denen provokativ und elegant der Zigarettenrauch entweicht, und ein Protagonist, der für einen Selbstmordgefährdeten doch irgendwie zu schick aussieht. Doch der Film erstickt nicht an seiner minutiös durchgeplanten Pracht, er bringt es zustande, unter der glanzvollen Oberfläche Themen wie Einsamkeit und Trauer aufzuzeigen,


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EN BIS ZU PARIS HILTONS DENHAM ACHT DES SZENENBILDS PSYCHO

von Miriam Rauh

Tobis

und dies nicht zuletzt durch sein smartes Szenenbild. In einer Anfangsszene kleidet sich Colins Firths Charakter George mit beinahe schmerzhafter Präzision – gebügelte Socken, ein makellos gefaltetes Hemd und blank polierte Schuhe werden dem Körper angelegt in der Hoffnung, diese Ordnung der äußeren Welt könne die innere vor dem Kollaps bewahren. Viele Szenen im Film spielen in Georges geschmackvollem Bungalow – ikonische Weltklasse-Architektur erbaut von John Lautner – eine Komposition aus Stahl, Glas, Beton und Redwood. Das Haus wirkt maskulin, transparent und offen, womöglich dient es als Metapher für Georges Kampf, eine Aufgeschlossenheit an den Tag zu legen, während es gleichzeitig seine Einsamkeit entblößt. Die subtile Kameraführung verabreicht Georges verstörter Existenz eine traumähnliche Qualität und ergänzt das perfekte Szenenbild durch noch vollkommenere, noch glänzendere Aufnahmen. Ohne diese makellose und dennoch authentische Architektur und Einrichtung des Hauses, hätte „A Single Man“ die damalige Zeit, den Charakter des Protagonisten sowie seine Gefühlswelt nicht so akkurat einfangen können. Auch diese atmosphärische Komposition ist das Ergebnis Szenenbilds. Denkt man dieses klare Konzept weiter, blickt man auf Sophia Coppolas Film „The Bling Ring“. Der Film, der die wahre Geschichte von Teenagern erzählt, die sich heimlich Zugang zu den Häusern von Celebrities verschaffen, spielt unter anderem in Paris Hiltons Villa und stellt damit eine hyperreale Schilderung der Geschehnisse in den Mittelpunkt. Paris Haus ist ein Leckerbissen und eine Ode an den Narzissmus der Promis –

die Räume quillen über vor luxuriösen Objekten und Stoffen, in dichten Reihen hängen und drängen sich farblich sortierte Gewänder, ein ganzer Raum ertränkt in Schmuck, 360°-Spiegel reihen sich um, und von gigantischen Porträts blickt die Hausherrin selbst herab. All diese Köstlichkeiten laden die jugendlichen Diebe ein, sich im Celebrity-Traum zu suhlen während die Zuschauer das Treiben beobachten – vermutlich angewidert, aber irgendwie auch angefixt. Das Haus ist fantastisch und surreal. Ironischerweise sieht es eher aus wie eine Filmkulisse und nicht wie ein reales, bewohntes Haus. Coppola sagt aber, ein solch verblüffendes Panorama für einen Film zu kreieren sei fast unmöglich – diese Beobachtung zeigt wie künstlich und leblos der Celebrity-Lifestyle sein kann. Die Dekadenz der Motive zieht sich durch den gesamten Film und bringt ihn mitsamt des Soundtracks mit Songs wie „Gucci Bag“ und „Super Rich Kids“ an den Punkt, an dem das Ganze irgendwie absurd wirkt. Später holt einen die Realität dann doch ein, es gibt einen Autounfall und die Teenager werden erwischt und belangt. Trotz dieser grellbunten Maßlosigkeit lässt das Szenenbild die Objekte im Film so verführerisch aussehen, dass der Zuschauer sich leicht wollüstig an der Gier der kriminellen Protagonisten beteiligen kann. Dem warnenden Unterton im Film zum Trotz reagierten Zeitschriften und Blogs auf den Film mit dem Versprechen ihren Leser(inne)n den „Bling Ring-Look“ verpassen zu können. Da kommt die Frage auf, wer hier die wahren Opfer sind – die ausgeraubten Stars, die indoktrinierten und verblendeten Teenager, oder – sehr besorgniserregend – vielleicht wir?

DASS KINOBESUCHER BEI BLUTIGEN SZENEN LACHEN IST EIN VERDIENST, DEN SICH QUENTIN TARANTINO MIT FUG UND RECHT AUF DIE KETCHUP-GETRÄNKTEN FAHNEN SCHREIBEN KANN; GANZE GENERATIONEN SIND MIT WITZEN ÜBER AUTOS UND CLEANER GROSS GEWORDEN. HINTER „DENHAM PSYCHO“, EINEM AKTUELLEN KLEINOD CINEASTISCHER KURZFILMKUNST, STEHT JEDOCH KEINESFALLS DER MANN AUS HOLLYWOOD MIT RABENSCHWARZEM HUMOR, SONDERN FLICKERING WALL AUS AMSTERDAM UND EIN AUS ENGLAND STAMMENDER JEANSHERSTELLER ALTER SCHULE. JASON DENHAM HABE BEI IHRER ERSTEN BEGEGNUNG SO VOLL INBRUNST UND LEIDENSCHAFT VON DER KUNST DER JEANSFERTIGUNG ERZÄHLT, DASS ER SICH SELTSAM BERÜHRT UND AN DIE BERÜHMTE VISITENKARTENSZENE AUS DEM KULTFILM „AMERICAN PSYCHO“ ERINNERT GEFÜHLT HABE, SO REGISSEUR HUGO KEJZER. DAS WERK, DAS GEMEINSAM MIT DENHAM ENTSTAND, IST EINE HOMMAGE AN BRETT EASTON ELLIS, TRADITION, ARBEIT UND DIE KUNST, SICH SELBST NICHT ZU ERNST ZU NEHMEN.

Pop-Up-Store & Kino vom 14. – 31 Februar 2014, THE BLUE YARD, Münzstraße 21-23, Hinterhof (Mitte), Berlin

Premiere „Denham Psycho“, Freitag 14. Februar 2014


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UweWalterCourtesyofBerlinBiennale

CharlieMakkiesCourtesyofBerlinBiennale

von Quynh Tran NOCH VOR DER ERÖFFNUNG der 8. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst unter Juan A. Gaitán im Mai 2014 wurde bereits am 25. Januar die erste Produktion der diesjährigen Ausstellung vom griechisch-norwegischen Künstler Andreas Angelidakis als „vorausgehendes Statement“ eingeweiht. Crash Pad – in den 1960er Jahren von Punks und Hippies als Ausdruck für einen ungestörten Rückzugsort benutzt – ist eine Rauminstallation aus zwei divergierenden, historischen Konzepten Griechenlands: weißen Säulen als Allegorie eines idealisierten Bildes der Antike als Wiege der westlichen Zivilisation auf der einen Seite, und bunten Teppichen, die die folkloristischen Kräfte der bäuerlichen Partisanen versinnbildlichen auf der anderen Seite. Andreas, wie fühlt es sich an, in der eigenen Arbeit zu sitzen und Menschen rein- und rauskommen zu sehen? Ich bin sehr glücklich darüber, den Raum belebt zu sehen. Genau das war die Idee dieses Projekts – einen Raum zu schaffen, der in gewisser Weise „wohnlich“ ist, der als komfortabler, gemütlicher Aufenthaltsort gesehen wird. Aspekte, die im ersten Augenblick nicht als Attribute einer Installation gesehen werden. Es ist ein semi-öffentlicher Ort, den die Künstlerinnen und Künstler der Biennale nutzen können und der an den Wochenenden für jedermann zugänglich ist. Ein Raum, der nicht nur Installation ist, sondern in dem Diskurse stattfinden. Gestern hat beispielsweise jemand nach der gegenwärtigen Situation in Griechenland gefragt. Was ist die gegenwärtige Situation und was bedeuten die wirtschaftlichen Umstände für die Kunstszene dort? Wenn es einen Ort in Europa gibt, an dem man die Krise spürt, dann ist es Athen. Im Stadtzentrum hat mittlerweile fast die Hälfte aller Läden geschlossen, an deren Stelle treten kleine Lebensmittelläden und Cafés. Im letzten Jahr sind viele europäische Journalistinnen und Journalisten nach Athen gekommen, eigentlich um über die Finanzkrise zu schreiben. Am Ende haben viele stattdessen angefangen über die sehr lebendige Kunstszene zu schreiben, die sie überraschenderweise vorgefunden haben. Die wirtschaftlichen Umstrukturierungen des Staates, die Spar- und Steuerpolitik, treffen die Kunstszene gar nicht so sehr, weil sie schon immer sehr unabhängig von den öffentlichen Finanzierungen war und sich Guerillaartig organisiert hat. Die Krise hat diese Szene nur umso mehr ­belebt. Je mehr Veränderungen es in einer Gesellschaft gibt, je mehr im Fluss ist, desto mehr Inhalte gibt es, und darauf

reagieren sie und reflektieren die Geschehnisse in ihrem Werk. Ist daher auch dein Interesse am Narrativ der griechischen Selbstwahrnehmung und deine eigene künstlerische ­E ntwicklung gekommen? Unter anderem. Die Teppiche in diesem Raum sind alle handgewebt. Ursprünglich habe ich sie ohne eine wirkliche Verwendung gekauft, eigentlich nur weil sie auf den Flohmärkten für fast nichts verkauft wurden, obwohl sie wertvoll sind und in mühsamer Handarbeit hergestellt wurden. Heute stellt niemand mehr diese Teppiche her, weil das viel zu aufwändig ist. Sie hören damit auf zu existieren und werden Relikte aus der Vergangenheit, ein Überbleibsel aus Zeiten des Osmanischen Reiches, das die Ursprünge der griechischen Folklore bildete. Als die Krise gerade begann habe ich ein Buch am Flughafen entdeckt, Richard Cloggs „A Concise History of Modern Greece“, und habe es mitgenommen weil es ein Moment war, in dem sich alle fragten, wohin es mit Griechenland gehen sollte. In diesem Buch war das Foto eines berühmten Cafés in Athen. Und was mich so getroffen hat an diesem Foto war, dass das Café geteilt war: auf der einen Seite waren Männer in Anzug und Brille, Uniformen westlicher Intellektueller, die an europäischen Universitäten ausgebildet wurden und ein romantisiertes Bild von Griechenland als Wiege der europäischen Gesellschaft hatten, die Billard spielten und Bier ­tranken, und auf der anderen Seite Männer in Folklore, die sich zu griechi-

schem Kaffee unterhielten. Diese zwei kontrahierenden Systeme Griechenlands konstituieren sein Selbstverständnis, aber auch seine Konflikte. Der Kampf zwischen diesen beiden Kräften hat schon 1893 zum ersten Bankrott des modernen griechischen Staates und zur Gründung des Vorläufers des Internationalen Währungsfonds durch Frankreich, Deutschland und Großbritannien geführt – eine Situation, die der heutigen sehr ähnelt. Heute wie damals wird in Frage gestellt, ob Griechenland als eigenständiger Staat existieren kann oder nicht, ob es zu Europa gehört oder nicht, und wie damals bleibt diese Frage ideologisch aufgeladen. Noch immer wird gerungen, zwischen einer folkloristischen Selbstwahrnehmung und einer idealisierten Wahrnehmung, die uns eigentlich von außen, von Europa gegeben wurde. Das hört sich fast wie eine postkoloniale Entwicklung an, in einem Land, das eigentlich nie als Kolonie gesehen wurde... Griechenland war zwar nie Kolonie, aber es war Teil eines anderen Reiches. Mit der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich hat Europa Griechenland quasi wieder als das Seinige und als Ursprung der westlichen Zivilisation „annektiert“. Die Elemente, aus denen Crash Pad entstanden ist, sind natürlich politisch aufgeladen. Aber trotzdem soll es nicht nur eine Installation mit einer Idee sein, sondern auch ein Raum, der unabhängig von dieser Idee existiert, der nicht didaktisch ist, sondern Diskurse anregen soll und Platz lässt, Ideen zu schaffen. Denn auch das gehört zum Motiv der diesjährigen Biennale.

ANDREAS ANGELIDAKIS


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English Appendix

ARROGANT BASTARD TRUE LOVE by Adrian Stanley Thomas, New York City JUST WHEN I think that Hollywood has no chance of impressing me or holding my attention with a film at all, one comes along that speaks to me and my followers on an organic level. I’m so giddy to tell you about this film, can you feel my excitement? Anyway, it’s a film that forges new ground for those that require more from a script than car chases and one night escapades after a night out of drinking at the pub. Now what could make me respond to a moving image in this way? What film has the ability to engage the modern day audience in such a way that presents bold questions about the true spirit of man? It could only be called HER. Finally, a film that explores real love between a man and a woman, that understands the most important part of a relationship is how the man is feeling, what the man needs and desires on a daily basis. Are you listening ladies? We all know that this is groundbreaking! If you’re a woman and you haven’t seen this film yet, shame on you! If you’re a man, I understand the apprehension. You’re scared. You know that after you see this film, you’ll need to have a conversation with your lady and that won’t be pleasant. Do you know why that won’t be pleasant? Don’t worry, I’ll tell you. The reason why it won’t be pleasant, is because your lady won’t understand the importance of the film or your needs. She’s been brainwashed by society. She’ll defer the conversation until a later date when you would like to go watch the game with your buddies. Your woman, like every other woman out there, has been brainwashed into thinking that the only pleasure that a man desires is the appreciation of the loins. Well, once you satisfy his loins, he’ll be fine. WRONG! Okay, that is pleasurable, we might need a little sports on television as well, but that’s not all there is! Yes, you are correct, it’s a major factor, but we need more. This film does what no other film has ever done; it shows a man in his true habitat, talking and communicating those heartfelt feelings and emotions that we all know a man is eager to express. The reason he doesn’t express them is mainly the fault of the lady. We now have a film that can help and assist the modern day woman develop the skills necessary to please us. The director Spike Jonze should be applauded for exposing the delicate frailty of relationships between a man and a woman. Throughout the history of cinema, no film has attempted to reveal the true feelings of a man uncensored and unmasked. The film tackles such a difficult topic while framing the dialog with an emphasis on the most important objective, teaching the female how to communicate lyrically with a male lion. Why has it taken so long? I was initially apprehensive about the film because any attempt to harness the power of conversation and emotion from a male perspective has been destroyed by filmmakers for so long. Theodore Twombly played by Joaquin Phoenix realizes

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that he’s found that one true person that listens and understands the complex thoughts of a man. Now aren’t you glad that film allows the general public to learn such a valuable lesson to repair all of the damage resulting from female ­magazines? Listen to me, I haven’t even told you the premise of the film. Well, Theodore meets this glorious woman Samantha (she’s the operating system that Theodore purchases) and thus begins a love affair that is true and honest. This film shows us the way to that wonderful open prairie of what I like to call “Emotion Through The Man”. I really like that. Samantha wants to please Theodore, that’s such a wonderful word, please. Anyway, Samantha is witty and understands how to speak to Theodore in a soft and responsive way. She’s a jewel, a true princess.

THE GOLDEN AGE OF RUGBY IN GERMANY.

bles, crawls and wheezes over the line. But, wait a minute, things are happening in German rugby. There’s talk of a revival. A rise in fortunes. In one year Germany have jumped ten places in the world rankings and now sit in 26th. Not so high that it’ll make them dizzy, but high enough that their bums are no longer wet. And in practical terms what this means is that Germany might just qualify for the Rugby World Cup in 2015. They’ve never done that before. This is potentially the beginning of a golden age in German rugby and it’s huge for the sport. Who wouldn’t want to see a decent German rugby team in Europe? Maybe they could even be shoehorned into the Six Nations as Italy were in 2000. Of course, the Germans would have to get used to teams like Ireland and France running them ragged initially, but in time they’d learn to take a beating and maybe even learn to win now and again. Of course, nothing is set in stone. They haven’t qualified for anything, yet. And when they play today, they’re shocked if more than a thousand people turn up to watch. But what’s inevitable is the German’s ability to excel at sports they like. If they do manage to qualify, there’ll be a swell of support coming their way. Confused support ,too, I’d imagine. People who’ll have to familiarise themselves with eye-gouging, up and unders and rolling mauls. The Six Nations tournament is on this weekend and every weekend until the middle of March. Now’s asz good a time as any for you to brush up on Germany’s ­favourite future sport.

by Conor Creighton German Version on p.11 Rugby’s less popular than the ever enduring winter in Germany. The game has never captured the nation, even though historically German teams have done well for themselves. At one point, Germany was the second strongest team on the continent. France were the only ones who could beat them. It’s strange then that the interest died off or, at least, didn’t grow. But then rugby’s popularity has always had a pattern loosely connected with the British empire’s zones of influence. New Zealand are the best team in the world. South Africa play a decent game too. Ireland are considered a power house. Wales are the best team in Europe. Countries that have barely a handful of Olympic gold medals between them are surprisingly good at rugby. Maybe this is because it has something of the old world to it. It’s far from a modern game. The language is taken straight from the English private school system, and, unlike football, it can be hard to watch a rugby game unless you have a personal connection to the teams. And perhaps that fact along with its empirical connections have soured rugby’s expansion in Germany. Nevertheless, February means the beginning of the Six Nations. It’s the ultimate rugby tournament. More so than the larger World Cup, and that’s because the nations who compete are all neighbours, more or less. It’s a replacement for tribal warfare. The competition is like a family feud. And as with all family feuds everyone knows each other’s strengths and the fighting is intense. As anyone who’s ever been through a divorce can testify, to really hate someone, you have to love them first. Scotland, Ireland, Wales, France, England and Italy make up the tournament. Rugby is complicated, hence the problems it has diffusing beyond the old Empire. The game has a natural flow but it is constantly interrupted by slow and often awkward show piece phases such as scrums and throw-ins. It’s not a game that you can watch and play immediately. And any game where natural, even logical actions, like throwing the ball forward or grabbing the ball when it’s on the ground after a tackle are outlawed would be hard for Germans to stomach. Rugby can glide, but usually it clanks, stum-

FROM SPACE ­ STATIONS TO PARIS HILTON’S ­BEDROOM: THE POWER OF PRODUCTION D­ ESIGN by Olivia Capadose German Version on p.26 VISUALLY MASTERFUL FILM relies on a formula of artful cinematography complimenting creative and well researched production design. But whilst cinematography applies a desired aesthetic film, it is the production designer’s skilful use of colour, texture, interior and fashion that underpins how convincing, how enticing, how dynamic a film really is. Clever production design can silently communicate themes and quietly influence how we ‘see’ reality whilst infiltrating the commercial market. Take Stanley Kubrick’s 2001: “Space Odyssey“. The film presents a slow developing plot with a scantily clad script, yet, the film’s groundbreaking design influenced how space would be interpreted within film thereafter. Kubrick’s vision fed a 1960s, space curious audience not only with believable, engineer-imagined space craft but also with pristine interiors accented by overly manufactured design, modernist furniture and a bizarre but beautiful Louis XVIstyle bedroom featuring luminous white floor. The film’s hypnotic visuals coax us in before we realise that Kubrick’s imaginary vision of space has become our own - similar to when one can’t decipher between a real memory and the familiarity of a photograph, the spellbinding design of 2001: “Space Odyssey“ has influenced the way that people now ‘see’ space. Further to his influence over the visualisation of space, the

film’s iconic interiors have also been credited with influencing commercial interior design for decades. Kubrick’s vision of the future is from the past yet it is as if he really was predicting the future - most notably the iconic „Action Office“ designs from which the space station reception desk derives became a staple in 70 percent of offices by the mid 2000’s. This intersection of production design and commerce is inescapable in the 2009 film “A Single Man“, primarily because the film’s director is world-renowned fashion designer, Tom Ford. In light of Ford’s profession, his first foray into directing was met with scathing predictions for a feature length advertisement. In some respects this is what the film delivers – ethereal black and white flashbacks to happier times by the sea, smoke billowing slowmotion from the perfectly formed mouth of Carlos, the Spanish hunk and a main character who looks remarkably well put together for a man on the apparent brink of suicide. But the film isn’t suffocated by its own gorgeousness, managing to communicate themes of grief and solitude through smart production design. In an early scene, Colin Firth’s character George dresses with almost painful precision - ironed black socks, immaculately pressed shirts and perfectly polished shoes are donned in the hope that by keeping his outside world together, his inside world won’t collapse. Much of the film is set within George’s home – an architecturally iconic John Lautner design built of steel, glass, redwood and concrete. It is a masculine design, transparent and open plan, perhaps serving as a metaphor for the openness George himself struggles to show while also emphasizing his aloneness. Subtle cinematography captures the dreamlike quality of George’s distracted existence whilst adding a flawless sheen to the production. But without the architecturally immaculate and ‘real’ design of his house, “A Single Man“ could not capture the time, the personality or emotion so accurately in the same way. This is the result of pure production. Taking this concept of pure production further is Sophia Coppola’s recently released film “The Bling Ring“. The film which tells the true story of a group of teens, who burgle the homes of celebrities in LA, features the actual house of Paris Hilton and by doing so presents a hyper-real depiction of events. Paris’s house is visually delectable and an ode to celebrity narcissism – rooms swathed in luxurious fabrics, row upon row of colour coded clothes, a room caked in jewels, 360 degree mirrors and giant photographs of Paris herself, all inviting the teenage thieves to indulge in the celebrity dream while the audience looks on – perhaps repulsed but perhaps also enticed. The house is fantastical and unreal; the irony is that it looks more like a film set than reality. Yet, according to Coppola, it would be near impossible to create a soundstage as astounding as the real deal – an observation which in turn highlights the extent to which celebrity lifestyle is literally unreal. This decadence of imagery is woven through the entire film alongside a soundtrack featuring songs such as ‘Gucci Bag’ and ‘Super Rich Kids’ to the point that it becomes sickly. Things do of course turn sour, there is a car crash and the teens inevitably get caught. But up to this point, despite its glaring gluttony, the film’s production design has made all the ‘stuff’ look so seductive that the audience is complicit in the desires of Coppola’s criminal protagonists. Despite the warning tone of “The Bling Ring”, some magazines and blogs have responded to the film by offering readers the chance to ‘get the Bling Ring look’ which poses the question - who are the real victims in this film – the stars being robbed, the indoctrinated kids blinded by celebrity culture, or most worryingly of all – us?


Björn Braun, Untitled, 2010 / Form: Surfacegrafik.de

ars viva 2013 / 14 Wahrheit / Wirklichkeit Björn Braun John Skoog Adrian Williams 8.2.— 6.4.2014

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