engelsloge n°48

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OPER

ZEITENWENDE Eine neue Generation ist am Werk, mit neuen Visionen. Doch dann wird das Alte an die Küste gespült und kehrt zurück. Antú Romero Nunes inszeniert Mozarts Idomeneo.

DIE BRITISCHE KÜNSTLERIN PHYLLIDA BARLOW GESTALTET DAS BÜHNENBILD FÜR IDOMENEO (HIER IHR WERK DRAWING RELATING TO IDOMENEO SET DESIGN BY PHYLLIDA BARLOW, 2020)

Ein Vater muss seinen Sohn opfern, um seine Pflicht gegenüber einer göttlichen Instanz oder höheren Macht zu erfüllen. Wie machen Sie dieses antike ­Thema für heute g ­ laubhaft? ANTÚ ROMERO NUNES: Mozart hat Idomeneo ja nicht in seiner ei­ genen Zeit spielen lassen, sondern entwirft eine Historisierung und macht quasi eine griechische Tragödie. Insofern lasse ich das Stück in einer Art historisierten Phantasiewelt spielen. Für mich ist das zentrale Thema: jemand kommt nach Hause und sein Platz ist besetzt. Es geht darum, vom Leben Abschied zu nehmen, der nächsten Generation etwas zu hinterlassen und quasi ins Nichts zu gehen. Es geht um den Gegensatz zwischen alt und jung. Das finde ich sehr emotional und aktuell. Der Konflikt zwischen Vater und Sohn ist ein typisches Thema für Mozart. Was hat es damit auf sich? Gerade jetzt während der Pandemie fällt mir auf, dass man andere Menschen für sein eige­ nes Leid verantwortlich macht. Und dass man nicht bereit ist, die Welt zu akzeptieren, wie sie ist. Dieses Abarbeiten an einer Vaterfigur könnte man auch auf eine Menschheit bezie­ hen, die sich an einem fehlenden Gott oder ei­ ner irrationalen Situation abarbeitet. Insofern 8

passt das Thema, nach einem Schuldigen für die eigenen Proble­ me zu suchen, heutzutage besonders gut. Und bei Mozart ist das eben immer der Vater. Idomeneo wirkt zum Teil wie ein Kammerspiel. Wie ­bringen Sie diese Intimität auf die Bühne? In dieser Oper stecken verschiedene Spielsituationen. Einerseits gibt es sehr intime Kammerspielsituationen, andererseits gibt es aber auch so etwas wie einen griechischen Chor. Aus einer Grup­ pe treten einzelne Leute heraus und springen in ein Kammerspiel. Und dann gibt es noch die gro­ ßen, emotionalen Monologe. Man hat also quasi drei Formen nebeneinander. Gerade das macht mir an dieser Oper so viel Spaß, dass sie verschie­ dene Spielweisen anbietet und dadurch sehr dy­ namisch wird. Ist die strenge Abfolge von Rezitativ und Arie der opera seria ein Korsett oder eher eine Chance? Man muss das Korsett als Chance begreifen. Die Phantasie beginnt ja mit der Begrenzung des Raums. Es gehört zum Wesen der Oper, dass man sich die Zeit nimmt, in einer Arie bei einer Emotion stehenzubleiben, diese durchzudeklinieren und dann wieder zur Handlung zurückzukehren. n° 48


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