TÜV SÜD
journal ROBE #16 AUF DIE P chen Innovation von Was der Westen in Sa nen kann Schwellenländern ler WEG #24 AUF DEM des Deutschen AktienDie Geschäftsführerin sitionen Frauen in Führungspo er üb ts itu st in PUNKT #28 AUF DEN tlich ein Wie funktioniert eigen Computertomograf?
# 01 2013
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Durchbruch imehr? SchimetneineSnchvifef grekladen Es kom ff O r e d t f n u k u Die Z a d t s i k i t s i g o L e shor
Editorial
LIEBE LESERINNEN UND LESER, in dieser Ausgabe des TÜV SÜD Journals nehmen wir Sie mit auf eine Reise in die Zukunft: Ein Abstecher mit der Bahn nach Norditalien, in einem gigantischen Tunnel direkt unter den Alpen hindurch? Schon in wenigen Jahren wird dies möglich sein. Fahrerlose Autos, die uns sicher von A nach B bringen? Erste Feldversuche laufen. Wertvolle Rohstoffe aus nicht mehr benötigten Konsumartikeln sortenrein trennen? Forscher entwickeln schon jetzt vielversprechende Konzepte. Über alle diese Entwicklungen können Sie auf den folgenden Seiten lesen. Einen interessanten Beitrag darüber, was erfolgreiche Innovationen ausmacht, liefert Navi Radjou, Professor an der Universität von Cambridge. Seine These: Neue Produkte können gelegentlich technisch simpel sein – wenn sie nur die Bedürfnisse des Markts treffen (S. 16). Egal, ob man die Botschaft teilt, dass »gut manchmal gut genug ist «: Mit seiner Aussage, dass der Erfolg jeder Innovation davon abhängt, die (potenziellen) Kunden wirklich zu verstehen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen, trifft er voll ins Schwarze. Bei TÜV SÜD steht der Kunde im Mittelpunkt: Dies ist keine Floskel, sondern stellen wir in unserem kommenden Geschäftsbericht vor, der meine tiefe Überzeugung. Anfang Mai erscheint. Unter www.tuev-sued.de/geschaeftsbericht können Sie sich schon jetzt ein Exemplar vorab bestellen. In unserer neuen Strategie
Weitere Innovationen
2020, in der wir die Ziele unseres Unternehmens für die kommenden Jahre definiert haben, nimmt diese Kundenorientierung den zentralen Platz ein. Wir sind dann zufrieden, wenn unsere Kunden es sind. Unser Versprechen: TÜV SÜD hat es sich zum Ziel gesetzt, das kundenfreundlichste Unternehmen unter den Prüf- und Zertifizierdienstleistern zu sein. Nehmen Sie mich beim Wort! Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing. Axel Stepken Vorsitzender des Vorstands der TÜV SÜD AG 2 TÜV SÜD Journal
Inhalt
#06
TITELSTORY Mit über 57 Kilometern wird der Gotthard-Basistunnel der längste Tunnel der Welt. Die Vorbereitungen für den Testbetrieb laufen auf Hochtouren.
Auf die
Auf dem
Auf den
Was treibt Menschen weltweit um? Wir nehmen technische und gesellschaftliche Entwicklungen unter die Lupe.
Die Welt von morgen im Blick: Diese Innovationen könnten schon bald unser Leben prägen.
Nachgefragt! Unsere »Mehrwert«-Seiten machen komplexe Zusammenhänge leicht verständlich.
#16 Gut ist oft gut genug Erfolgreiche neue Produkte müssen technisch simpel, aber effizient sein, behauptet Innovationsforscher Navi Radjou. Als Vorbild sieht er Schwellenländer.
#22 Das Kompetenzzentrum Mit hochinnovativen Motoren- und Rollenprüfständen setzt das neue Technologie- und Umweltzentrum von TÜV Hessen Maßstäbe auf dem Gebiet der Fahrzeugprüfung und Emissionsmessung.
#28 Vorsorge in 3-D Die Computertomografie gilt inzwischen als gleichwertige Alternative zur Darmspiegelung. Aber wie funktioniert dieses medizinische Gerät eigentlich?
#18 Das Recycling der Zukunft Wertvolle Rohstoffe aus Handys, Computern oder Autos lassen sich nur schwer zurückgewinnen. Deshalb entwickeln Forscher neue Trenntechniken, die bis in die molekulare Ebene reichen.
#24 Frauen im Chefsessel Sie war die erste Frau an der Spitze einer deutschen Börse, heute ist sie Geschäftsführerin des Deutschen Aktieninstituts: Dr. Christine Bortenlänger über weiblichen Führungsstil.
#30 Ratgeber Wintersport Ob in den Alpen oder in den Rocky Mountains: Jetzt ist die Zeit für Ski-, Snowboard- und Rodelspaß. Fünf Tipps, damit das Vergnügen im Schnee stets ungetrübt bleibt.
#4 TÜV SÜD im Bild #14 5 Minuten mit TÜV SÜD
#21 Vor Ort #31 Termine/Impressum
#32 5 Minuten mit TÜV SÜD #34 Zu guter Letzt
PROBE
WEG
PUNKT
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TÜV SÜD im Bild
Die zwei Leben der
raupen Spätnachmittags rückt sie aus. Sie nennt sich »Beast«, ist so stark wie 527 Pferde und bringt 11,5 Tonnen auf die Waage. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 22 km/h erklimmt die 388-kWPistenraupe des Südtiroler Herstellers Prinoth Berghänge mit einer Steigung von bis zu 100 Prozent. Nachdem ihr riesiges Schild die Schneemassen verschoben hat und die Raupen den Schnee festgewalzt haben, zermahlt die Fräse des Fahrzeugs Schnee und Eisbröckchen puderzuckerfein. Der rote Finisher am Heck formt aus den winzigen Kristallen schließlich ein perfektes Stück Piste. Meter für Meter verrichtet die Raupe ihre Arbeit, immer in einem Skigebiet – oder sie beginnt ein zweites Leben: als Gebrauchtfahrzeug. Doch bevor die Prinoth-Pistenfahrzeuge, die auch nach mehreren Jahren Dienst noch Spitzenleistungen bringen, auf den Markt kommen, unterziehen neutrale Sachverständige von TÜV Italia die Fahrzeuge einer umfassenden Inspektion und dokumentieren ihren Zustand. Nur wenn dieser auch wirklich gut ist, gibt es das Gebrauchtmaschinen-Zertifikat der Tochtergesellschaft von TÜV SÜD. »Prinoth sieht in ihm eine Bestätigung der hohen Qualität seiner Fahrzeuge«, erklärt Bruno Paonessa, Direktor der Division Auto Service bei TÜV Italia. Wintersportfans und -regionen wollen sich schließlich auf perfekt präparierte Pisten verlassen können. Mehr Infos zum Thema: www.tuv.it
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TÜV SÜD imim Bild TÜV SÜD Bild
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Titelstory
t s r e t n u Dr 6 TÜV SÜD Journal
Titelstory
r e b ü r d t at Text: Sandra Lehmann
Fotos: Jan Scheutzow
57 Kilometer Schienen, 28 Millionen Tonnen Ausbruchsmaterial und 6.000 Kilometer Kabel: Der Gotthard-Basistunnel ist nicht nur der längste Eisenbahntunnel der Welt, sondern auch ein europäisches Jahrhundertprojekt, das den Bahnverkehr revolutioniert.
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Titelstory
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der Gotthard-Basistunnel beeindruckt mit
E
duard Gruner hatte sich die Zukunft näher vorgestellt. Der geistige Vater des Gotthard-Basistunnels war bis zu seinem Tod 1984 fest davon überzeugt, dass bereits im Jahr 2000 Güterzüge unter der Erde von der Schweiz nach Italien fahren. Zufrieden wäre er aber sicherlich trotzdem. Schließlich wird gerade ein Großteil der mehr als 65 Jahre alten, visionären Pläne des schweizerischen Ingenieurs und Verkehrsplaners umgesetzt – auf der längsten Baustelle der Welt. Bohrer mit einem Durchmesser von fast zehn Metern begannen 1998 zwei Röhren mit jeweils 57 Kilometer Länge durch die Alpen zu fräsen. Seit dem erfolgreichen Durchbruch im Oktober 2010 läuft nun der Innenausbau des Tunnels auf Hochtouren. Was Maurer und Elektriker im Schichtbetrieb leisten, bringt die Schweizerischen Bundesbahnen SBB ihrem Ziel, den Güter- und Personenverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, Tag für Tag ein Stück näher. Alternative zu Auto und Flugzeug
Warum man dazu einen Tunnel braucht? Enge Kurven, viele Straßenübergänge und Steigungen von bis zu 26 Promille machen den bisherigen Bahnverkehr zwischen der Schweiz und Italien langsam. Die unterirdische Doppelröhre soll 2016 fertig werden und gemeinsam mit dem Ceneri-Basistunnel, der
Harte Arbeit für harte Kerle: Die Fundamente für die Schienenanlagen werden im Gotthard-Basistunnel in Handarbeit gelegt.
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Rettungsquerschlägen
170.000
Kilometer Gesamtlänge
Kubikmeter Beton für die Fahrbahn und verlegten Kabeln in einer gesamtlänge von
6.000 Kilometern zeitgleich im Kanton Tessin entsteht, für eine schnellere Beförderung von Fahrgästen und Gütern sorgen. Personenzüge beispielsweise sollen für die Strecke von Zürich nach Mailand weniger als drei Stunden benötigen – statt wie bisher drei Stunden und 40 Minuten. Die Zeitersparnis ergibt sich hauptsächlich daraus, dass die Tunnelstrecke als sogenannte Flachbahn die jetzige maximale Steigung um mehr als die Hälfte auf zwölf Promille verringert. »Die neue Strecke erspart daher nicht nur bis zu einer Stunde Fahrtzeit, sondern es können auch mehr Züge darauf verkehren –
mehr als 300 pro Tag. Damit entlasten wir die Straßen um ein Vielfaches und werden zur echten Alternative für den Auto- und selbst den Flugverkehr«, sagt Maurus Huwyler, Mediensprecher bei der AlpTransit Gotthard AG. Die Tochtergesellschaft der SBB nimmt im Auftrag der Regierung die Rolle des Bauherren wahr und koordiniert das Jahrhundertprojekt. »Unser Ziel ist nicht nur, Personen von A nach B zu bringen, sondern auch die Integration des schweizerischen Bahnsystems ins europäische Hochgeschwindigkeitsnetz«, erklärt Huwyler. Doch nicht nur
Titelstory
Wer hier arbeitet, muss nicht nur viel Sorgfalt, sondern auch eine hohe körperliche Belastbarkeit mitbringen. Bei der Gleismontage werden die meisten Arbeitsschritte kniend ausgeführt.
»Präzisionsarbeit die Infrastruktur könnte vom Megabau Gotthard-Basistunnel profitieren, sondern auch die sensible Umwelt der Alpenregion. Denn Züge auf einer Flachbahn verbrauchen deutlich weniger Energie und verursachen damit auch weniger CO2-Emissionen. In guten Händen
Um diese Dinge machen sich die Arbeiter im Tunnel derweil keine Gedanken, denn der nächste Zug mit frischem Beton ist bereits unterwegs. Bereits verlegte Schienen bekommen ihr festes Fundament. Im Gegensatz zu oberirdischen Strecken werden die Gleise hier in einem Betonbett fixiert, um größtmögliche Lagestabilität für die Züge zu gewährleisten. Gearbeitet wird in mehreren Abschnitten. Ein Teil der Handwerker montiert die Schwellen unter die bereits ausgelegten Schienenstränge. Das erfordert nicht nur präzises Arbeiten, sondern auch genaue Messtechnik. Denn sind die Schienen einmal fest im Fundament verankert, können sie nicht mehr verschoben werden. Erst wenn sie mithilfe eines Gleis-
ist bei einer Hochgeschwindigkeitsstrecke das A und O. Sie minimiert das Risiko von Unfällen.« – Hans Funder, Vorarbeiter
messwagens exakt ausgerichtet sind, füllen Fachkräfte den Schacht zur Hälfte mit Beton. Dabei ist volle Konzentration und eine ruhige Hand gefragt. »Das Material muss den hohen Geschwindigkeiten standhalten können. Damit der Beton später nicht porös wird, muss er besonders sauber verarbeitet werden. Wenn wir an dieser Stelle nicht ordentlich arbeiten, riskieren wir Unfälle«, sagt Hans Funder, Vorarbeiter im Gotthard-Basistunnel. Täglich kommen so bis zu zwei Kilometer fertige Strecke zusammen.
Im Notfall hier lang! Die Querschläge, die beide Tunnelröhren miteinander verbinden, ermöglichen im Ernstfall eine sichere und schnelle Evakuierung aller Fahrgäste.
Kleine Kästen für mehr Sicherheit
Trotz der zeitaufwendigen Präzisionsarbeit liegt das Projekt gut im Plan. War die Eröffnung der Strecke ursprünglich für 2017 geplant, ist heute von 2016 die Rede. »Wenn TÜV SÜD Journal 9
Titelstory
»Momentan liegen wir mit dem Projekt sehr gut
im Zeitplan.
Wenn es so weitergeht, beginnen wir Ende 2013 mit dem Versuchsbetrieb.« – Maurus Huwyler, Mediensprecher AlpTransit Gotthard AG
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Titelstory
Mit TÜV SÜD in sicheren Bahnen Überall auf der Welt sind Menschen und Märkte auf die sichere Beförderung von Personen und Gütern angewiesen. Mit den Angeboten zur Prüfung und Zertifizierung von Bahnsystemen sorgt TÜV SÜD Rail für die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Gleis- und Signalanlagen, der Energieversorgung und Schienenfahrzeugen. Experten für die Schiene Basis für den Erfolg ist die mehr als 30-jährige Erfahrung bei der Begutachtung von einzelnen sicherheitsrelevanten Komponenten bis zu vollständigen Metrosystemen und Hochgeschwindigkeitsstrecken weltweit. Experten auf allen relevanten Feldern, beispielsweise Brandschutz, Lauftechnik, Strukturfestigkeit, Soft- und Hardware, Risiko- und Gefährdungsanalysen und Instandhaltung unterstützen Hersteller, Behörden und Betreiber an zwölf Standorten in Europa und 18 Standorten weltweit.
die Arbeiten weiterhin so zügig voranschreiten, können wir schon Ende 2013 mit dem Probebetrieb starten«, sagt Huwyler. Damit der reibungslos läuft und die Züge später gefahrlos den Tunnel passieren können, fehlen auf der Strecke noch wichtige Details: die sogenannten Balisen. Die unscheinbaren gelben Kästchen, die an Kühlakkus erinnern, sind technische Wunderwerke, die den sicheren Zugverkehr im Tunnel erst möglich
machen. Sie werden direkt ans Eisenbahngleis montiert und übertragen Informationen der vorbeifahrenden Züge über ein spezielles digitales Funksystem (GSM-R) direkt an eine angeschlossene Leitstelle und auf das Fahrerdisplay des Zuges. Bei Spitzengeschwindigkeiten von 250 km/h kann der Zugführer Signale so besser wahrnehmen als am Streckenverlauf. Im Ernstfall können die Balisen sogar Leben retten. Bricht im Tunnel beispielsweise ein Brand aus, meldet die Balise das Feuer in der Leitstelle und gibt den genauen Standort des Zuges durch. Auch für die Evakuierung ist der Gotthard-Basistunnel gut ausgestattet. Entlang der gesamten Strecke befinden sich alle 325 Meter sogenannte Querschläge, kurze Tunnel, die beide Röhren miteinander verbinden und mit hitzebeständigen Brandschutztüren verschlossen werden können. Im Notfall gelangen die Fahrgäste so schnell auf die andere Seite, wo sie von einem Rettungszug in Sicherheit gebracht werden. Nach der Schicht ist vor der Schicht
Während sich der Arbeitstag im Tunnelabschnitt Amsteg-Erstfeld für Hans Funder langsam dem Ende zuneigt, sind einige Arbeiter in Gedanken schon bei der nächsten Schicht. Bis die Testphase auf der Strecke be-
Volle Konzentration für Präzisionsarbeit: Der Betonmischzug muss mit viel Fingerspitzengefühl navigiert werden, damit die Betonmasse zentimetergenau in der Fahrrinne platziert werden kann.
ginnen kann, müssen noch Hunderte Balisen installiert und mehr als 2.000 Meter Kabel verlegt werden – natürlich wie gewohnt mit ruhiger Hand und klarem Kopf.
Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/rail
Basisarbeit: Vom Betonmischzug aus wird die fertige Masse in der Fahrrinne verteilt.
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Standpunkte
Stand-
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Fengler Professor für die Gestaltung von Bahnanlagen an der Technischen Universität Dresden
»Dem unterirdischen Zugverkehr gehört die Zukunft, zumindest in der Alpenregion.«
O
b Personen- oder Güterverkehr, die Zukunft des Transportwesens in den Alpen liegt unter der Erde. Mit einer Untertunnelung der Alpenhauptkette kann nicht nur wertvolle Zeit, sondern auch CO2 eingespart werden. Das schützt die sensible Alpenregion. Weniger Emissionen, keine Lärmbelästigung und mehr volkswirtschaftlicher Nutzen: Keine Frage, in Hochgebirgen ist Güter- und Personenverkehr künftig nicht nur auf der Schiene, sondern auch unterirdisch besser aufgehoben. Gerade im Gotthard-Basistunnel kann der Güterverkehr seine systemeigenen Vorteile sehr gut ausspielen. Durch die geringe Steigung ist es nicht mehr nötig, einen Güterzug von mehreren Lokomotiven ziehen zu lassen. Gleichzeitig verkürzt sich die Streckenlänge erheblich und es können endlich die im Flachland üblichen Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 120 km/h gefahren werden, was den Transport höherer Gütermengen in kürzerer Zeit ermöglicht. Ähnliches gilt auch für den Personenverkehr in den Eisenbahn-Basistunneln, der dort mit bis zu 250 km/h Höchstgeschwindigkeit fahren kann. Bei mittleren Reiseentfernungen von bis zu 800 Kilometern wird die Eisenbahn dank der Tunnel konkurrenzfähig zum Pkw- und Flugverkehr. Aus dem Blickwinkel der Allgemeinheit dürfte zudem unbestritten sein, dass die CO2-Bilanz der Eisenbahn besser ist. Also ein Gewinn für alle: Reisende, Anwohner und Wirtschaft.
Zug verkehr Tunnel oder Streckenausbau?
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Standpunkte
W
ann ein Tunnel mehr bringt als der Ausbau der Strecke, hängt von vielen Faktoren ab. Am wichtigsten ist eine Strecke ohne nennenswerte Steigungen, um den Verkehr allgemein von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Auf einer Flachbahn, egal ob unter oder über der Erde, können Züge effizienter fahren. Trotzdem liegt in ganz Europa der Schwerpunkt der Investitionen noch immer im Straßenund Luftverkehr – dabei könnte sich gerade im Gütertransport ein Umdenken lohnen. Lärmbelastung und Emissionen würden sich nachhaltig reduzieren lassen. Hier nimmt die schweizerische Politik mit ihrer Unterstützung von Schienenbauprojekten eine klare Vorreiterrolle ein. Bereits 2008 beschloss das Parlament das Projekt »Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur« mit zahlreichen Tunnel- und Ausbauarbeiten. Die Ziele sind klar definiert: Es geht um die Erhöhung der Streckenkapazität, um die Stabilisierung des Fahrplans und um die Verringerung von Fahrtzeiten. In diesem Gesamtzusammenhang ist der Gotthard-Basistunnel zu sehen. Aber neben dem Ausbau der Transitachsen darf auch auf der für die Schweiz mindestens ebenso wichtigen Ost-West-Achse der Güterverkehr nicht vernachlässigt werden.
Punkte
Dr.-Ing. Dirk Bruckmann, Bauingenieur Leitender Wissenschaftler an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH)
»Ausbau oder Untertunnelung? Es muss generell in die Zuginfrastruktur investiert werden.«
Die Zukunft des Güter- und Personenverkehrs liegt auf der Schiene, da sind sich die Experten Dr. Dirk Bruckmann und Prof. Dr. Wolfgang Fengler einig. Aber führt die Reise dorthin durch den Tunnel oder besser auf offener Strecke?
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5 Minuten
Kooperation für die chemische Industrie
EMV-Prüfungen in Singapur nach europäischen Standards
TÜV SÜD als Arbeitgeber immer beliebter
TÜV SÜD wird im Bereich Chemie Service künftig eng mit dem Unternehmen maexpartners zusammenarbeiten. Beide Unternehmen vereinbarten eine strategische Kooperation. Gemeinsam bieten sie nun das komplette Dienstleistungsangebot für die Prozessindustrie an: von der Strategieentwicklung, dem Prozessaudit und der Anlagenüberwachung bis zur operativen Umsetzung.
Das TÜV SÜD-Testlabor für Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) in Singapur prüft nach europäischen Standards. Dies ist jetzt offiziell vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt anerkannt worden. Hersteller von Fahrzeugen und Komponenten können damit in dem südostasiatischen Staat direkt für den internationalen Markt testen lassen. Geprüft wird nach den Normen EN/ISO 17025:2005 und EN/ISO 17020:2004.
Spitzenbewertung im aktuellen Universum-Arbeitgeberranking der Zeitschrift »Wirtschaftswoche«: Mehr als 4.500 Ingenieure mit maximal acht Jahren Berufserfahrung wurden befragt. TÜV SÜD landete unter den Top 20 (Vorjahr: Platz 31). Damit zählt das Unternehmen zu den beliebtesten Arbeitnehmern für Ingenieure in Deutschland, auch international holt der Konzern in Rankings kontinuierlich auf.
georg.moravec@tuev-sued.de
shirlee.lee@tuv-sud-psb.sg
thomas.schultz@tuev-sued.de
TÜV Report: Mängel an Autos nehmen zu
Die Mängel an den Autos auf Deutschlands Straßen nehmen immer mehr zu. Das zeigt der TÜV Report 2013, der Anfang Dezember 2012 vom Verband der TÜV e.V. vorgestellt wurde. In ihn fließen die Daten aus mehr als acht Millionen Hauptuntersuchungen ein, die in Deutschland zwischen Juli 2011 und Juni 2012 durchgeführt wurden. Jedes fünfte vorgeführte Auto weist mittlerweile mindestens einen erheblichen Mangel auf, am häufigsten wird die Beleuchtung beanstandet. Die goldene Plakette – für den Gebrauchtwagen mit den wenigsten Mängeln – geht in diesem Jahr an den VW Polo. Lediglich 2,2 Prozent der Polos, die das erste Mal zur HU fahren, fallen durch erhebliche Mängel auf. Auf den Plätzen zwei bis drei folgen der Mazda 3 sowie der Audi Q5. Ebenfalls Ende 2012 vorgestellt wurde der TÜV Bus-Report – mit ganz ähnlichen Ergebnissen. Auch bei Reise-, Überland- und Linienbussen stieg die Zahl der erheblichen Mängel gegenüber dem Vorjahr leicht an. Die TÜV SÜDExperten können aber beruhigen: Denn sicher ist der Busverkehr trotzdem. Die Zahl der Fahrzeuge, die bei der Hauptuntersuchung aus dem Verkehr gezogen wurden, bleibt konstant niedrig. vincenzo.luca@tuev-sued.de
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TÜV SÜD wächst mit Erneuerbaren Energien
Der Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung ist eines der wichtigsten aktuellen Themen weltweit. TÜV SÜD bietet verstärkt Dienstleistungen zur Optimierung der Energieeffizienz an – und baut sein Angebot im Bereich der Erneuerbaren Energien, vor allem der Windenergie, massiv aus. So hat sich das Unternehmen zwei Jahre nach dem Start seiner Einheit Offshore Wind Services in Hamburg als feste Größe in diesem Markt etabliert. Im Auftrag von Siemens Gemeinsam mit dem Tochterunter- prüfen die TÜV SÜD-Experten zum nehmen PMSS bietet TÜV SÜD Beispiel 30 Offshore-Windturbinen international Beratungsleistungen für des Projekts Riffgat in der Nordsee. Betreiber, Hersteller und Investoren Windenergie ist auch im Binnenland ein entscheidender Energieim Bereich der Windenergie an. lieferant für die Zukunft. TÜV SÜD hat dies mehrfach in Deutschland aufzeigen können – beispielsweise beim Windatlas für Baden-Württemberg und der Windpotenzialkarte für Hessen. Die Analysen der TÜV SÜD-Fachleute zeigen: Durch die technische Weiterentwicklung und Nabenhöhen der Windkraftanlagen von 140 Metern und mehr werden Standorte in waldigen Mittelgebirgslagen zunehmend für die Windenergie interessant. peter-herbert.maier@tuev-sued.de
5 Minuten
Corporate Health Award für vorbildliche Arbeitgeber
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Die gesündesten Unternehmen Deutschlands stehen fest: Mitte November 2012 zeichnete TÜV SÜD gemeinsam mit der Tageszeitung Handelsblatt, dem Bera- Fast tungsunternehmen EuPD Research und Unternehmen bewarben sich für der Techniker Krankenkasse Arbeitgeber in neun verschiedenen Kategorien mit die vierte Auflage des Corporate dem Corporate Health Award aus. Prä- Health Awards 2012. miert wurden Unternehmen, die sich vorbildhaft für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter einsetzen und damit Standards setzen. Unter den Bewerbern setzten sich große Arbeitgeber wie die Landeshauptstadt München, IBM Deutschland, EnBW oder OTTO ebenso durch wie kleinere Arbeitgeber – beispielsweise die Universitätsmedizin Mannheim oder die OKE-Gruppe. monika.niedermeier@tuev-sued.de
Minuten mit TÜV SÜD
Akkreditierung in China
TÜV SÜD ist »Marke des Jahrhunderts«
TÜV SÜD ist eine der stärksten Marken Deutschlands: Der Technologie- und Prüfkonzern hat einen herausragenden Bekanntheitsgrad und genießt hohes Ansehen. Dies wurde jetzt auch von externer Seite anerkannt: Zum zweiten Mal in Folge erhielt TÜV SÜD den Preis »Marke des Jahrhunderts«. Das Unternehmen gehört damit zum exklusiven Kreis von etwa 250 deutschen Marken, die jeweils als Repräsentanten mit Alleinstellungsmerkmal für ihre Produktgattung stehen. Für die prominent besetzte Jury war klar: TÜV SÜD steht stellvertretend – quasi als Synonym – für die deutschen Prüfdienstleister. Bei den »Marken des Jahrhunderts« befindet sich das Unternehmen damit in bester Gesellschaft: Unter anderem wurden die Marken Haribo, Tempo, Persil oder der Dübelhersteller Fischer ausgezeichnet. Dr. Boris Gehring (Foto, r.), Leiter der Division Industry Service von TÜV SÜD, nahm die Auszeichnung im Rahmen einer Gala Ende November im Berliner Hotel Adlon aus den Händen des Verlegers Dr. Florian Langenscheidt entgegen. boris.gehring@tuev-sued.de
Konsumprodukte in Indien unter der Lupe Die global tätigen Kunden von TÜV SÜD schätzen die weltweite Verfügbarkeit qualifizierter Experten. Gerade in der Division Management Service wird es beispielsweise immer wichtiger, dass ein einziger Auditor für alle Standorte der Kunden weltweit einsetzbar ist – denn nur so können belastbare Vergleichsanalysen durchgeführt werden. Für den Einsatz in China ist TÜV SÜD jetzt gut gerüstet: Die nationale Akkreditierungsbehörde CCAA bescheinigte den Mitarbeitern eine hohe Kompetenz. Angestrebt wird eine automatische Anerkennung der TÜV SÜDAuditoren durch die CCAA.
Mit der Eröffnung eines hochmodernen Prüflabors für Konsumprodukte hat TÜV SÜD seine Präsenz in Indien weiter verstärkt. Das mit modernster Technik auf vier Etagen ausgestattete Labor in Gurgaon nahe der indischen Hauptstadt Neu-Delhi bietet Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsleistungen für Lebensmittel, Textilien, Leder und andere Produkte wie Spielzeug, Schmuck oder Kochgeschirr unter einem Dach. Mit diesem Labor – dem größten für die Prüfung von Konsumprodukten in Indien, Bangladesch und Sri Lanka – betreibt TÜV SÜD insgesamt elf Prüflabore auf dem indischen Subkontinent. Es verfügt über modernste Prüfstände und umfasst auch ein mikrobiologisches Labor sowie ein chemisches Labor mit Präzisionsgeräten für die Massenspektrometrie, für Ultrahochleistungschromatografie und Gaschromatografie. Mit seinen Leistungen unterstützt TÜV SÜD die indischen Unternehmen bei der Aufgabe, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Das Labor bietet Prüfungen für den lokalen Markt und Prüfungen von Exportwaren nach internationalen Qualitäts- und Sicherheitsstandards.
eva.lindgren@tuev-sued.de biswas.shyamli@tuv-sud.in
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Auf die Probe
AUF DIE PR O B E
TECH#16 LOW GIE STRATE CLING #18 RECY UNFT DER ZUK
Navi Radjou, 42, ist Lehrbeauftragter an der Universität von Cambridge und beratendes Mitglied des Weltwirtschaftsforums. Mit seinem Buch »Jugaad Innovation« (Wiley 2012) hat er eine Diskussion über neue Innovationsstrategien ins Rollen gebracht.
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Auf die Probe
Ist gut auch gut genug? Um konkurrenzfähig zu sein, müssen neue Produkte technisch simpel, sicher und effizient sein, behauptet der amerikanische Innovationsforscher Navi Radjou. Im Interview erklärt er, was Industrienationen dabei von Schwellenländern lernen können.
Text: Lukas Pitule
Herr Radjou, was machen Länder wie Indien, Brasilien oder China besser als der Westen? Unternehmen in Schwellenländern haben gelernt, mit geringen finanziellen und personellen Mitteln auszukommen. Sie kennen keine großen Entwicklungsabteilungen und Forschungsbudgets. Trotz der erschwerten Bedingungen schaffen sie Produkte, die einfach, funktional und gleichzeitig qualitativ hochwertig sind. Damit erfüllen sie die Bedürfnisse der Kunden. Ich nenne das frugale Innovation. Können Sie ein Beispiel nennen? Tata Motors aus Indien hat mit dem Tata Nano den günstigsten Pkw der Welt konstruiert. Diese Idee hat die Automobilbranche nachhaltig verändert. Louis Schweitzer, der damalige Chef von Renault-Nissan, brachte daraufhin 2004 den Dacia Logan, ein energieeffizientes Fahrzeug mit allen wesentlichen Funktionen für rund 10.000 Dollar, auf den Markt. Das Motto dahinter: Gut ist gut genug. Offensichtlich gibt es auch in Europa eine große Nachfrage nach bezahlbaren Autos, die auch ohne Hightech ihren Zweck erfüllen.
»Im Westen
verlangt eine neue Bescheidenheit der Kunden frugale Innovationsstrategien.« Sind diese Lowtech-Produkte wirklich konkurrenzfähig? Das müssen sie sein. Sie müssen genauso hohe Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen erfüllen. Nur kommen sie ohne die vielen Extrafeatures aus, die kaum jemand braucht. Wäre Hightech in Schwellenländern nicht genauso erfolgreich? Nein. Bleiben wir beim Automobilmarkt. In Indien zum Beispiel haben alle Besserverdiener Chauffeure. Autos, die viel für den Fahrer bieten, sind dort nicht gefragt. Kaufentscheidend ist der Komfort im Fond. Glauben Sie, dass sich das Prinzip »Gut ist gut genug« auch in Industriestaaten durchsetzt? Im Westen ist eine neue Bescheidenheit zu beobachten, die sich in der Nachfrage nach ökologischen, simplen und bezahlbaren Produk-
ten und in einer entsprechenden Lebensweise äußert. Bestes Beispiel dafür ist Carsharing, ein Trend, der immer mehr Anhänger findet. Was raten Sie westlichen Firmen? Angesichts knapper werdender Ressourcen und Sparzwängen infolge der Wirtschaftskrise sollten sich Unternehmen proaktiv überlegen, wie sie die frugale Innovationsstrategie adaptieren können. Denn wenn sie es nicht tun, öffnen sie im heimischen Markt der Konkurrenz – dazu zählen Start-ups und Wettbewerber aus Schwellenländern – Tür und Tor. Auch in den vielversprechenden Märkten in China, Indien, Russland und Brasilien werden Konzerne aus Europa und den USA ansonsten nicht erfolgreich sein. Mehr Infos zum Thema Unternehmensführung: www.tuev-sued.de/akademie_de/seminare_management TÜV SÜD Journal 17
Auf die Probe
Klar getrennt
Recycling klingt nach grünem Punkt, Altpapier und Glascontainer. Das Recycling der Zukunft allerdings wird zum Wettbewerbsfaktor, wenn sich damit seltene Rohstoffe zurückgewinnen lassen. Via »Molecular Sorting« zum Beispiel, einem Verfahren zur Stofftrennung auf kleinster Ebene.
Text: Timour Chafik
D
ie Welt ist ein geschlossener Kreislauf: Alles, was ist, und alles, was war, kommt garantiert in irgendeiner Form zurück. Das klingt hochphilosophisch, ist aber oft nur der Apfel, der nicht weit vom Stamm zu Humus verrottet, oder die banale Aludose, die sich geadelt in einer Autokarosserie wiederfindet. Alles ist, alles fließt, alles bleibt. Man könnte auch sagen: Alles wird recycelt. Oder: Man sieht sich immer zweimal. Wenn es nur so einfach wäre. Denn der Mensch ist erfinderisch und hat gelegentlich große Ideen. Er forscht, entwickelt, treibt voran und braucht dazu immer besseres, immer spezielleres Material. Rohstoffe, die gestern vielleicht noch genügten, gehören 18 TÜV SÜD Journal
heute schon zum alten Eisen, im wahrsten Sinn des Wortes. Die Industrie verlangt in ihren immer kürzeren Innovationszyklen nach immer komplexeren, leistungsfähigeren Werkstoffen. Irgendwann genügt dem Automobilbau die recycelte Aludose einfach nicht mehr. Die Vorkommen versiegen, die Preise ziehen an
»Rohstoffe intelligenter und effizienter zu nutzen ist ein elementarer Beitrag zur Sicherung des Industriestandortes Deutschland. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten stärkt eine hohe Ressourceneffizienz die Industrie im globalen Wettbewerb«, schreibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung
in seiner Veröffentlichung »Innovative Technologien für Ressourceneffizienz – rohstoffintensive Produktionsprozesse«. Das klingt noch einigermaßen entspannt, hat aber einen ökonomisch höchst brisanten Hintergrund: Die weltweiten Rohstoffvorkommen versiegen, zeitgleich steigt die Nachfrage in Schwellenländern rasant, entsprechend ziehen die Preise an. Die Welt mag vielleicht ein geschlossener Kreislauf sein, in dem in Summe nichts verloren geht. Die jährlich rund 60 Milliarden Tonnen Rohstoffe, die ge- und verbraucht werden, wechseln allerdings nur zu gerne je nach Verwendungszweck ihre Aggregatzustände, Reinheitsgrade und ihre Zusammensetzung. Die »Rohstoff-DNA« wird letztlich
Auf die Probe
»Neue Baustoffe
erfordern neue Trenn- und Sortiertechniken, sonst lassen sich die Rohstoffe nicht mehr zurückgewinnen.« – Prof. Jörg Woidasky
Glas und die Grenzen bisherigen Recyclings Glasfaserkabel könnten noch bessere Leiter sein, würde nicht ein geringer Eisenanteil den Datenfluss bremsen. Die Frage ist: Wie lässt sich das Metall herausfiltern?
durch Innovation grundlegend verändert: »In der Automobilbranche werden heute zum Beispiel für Träger- und Dachstrukturen leichte Hochleistungswerkstoffe zu Hybridbauteilen kombiniert, die übermorgen zum Recycling anstehen. Solche Hochleistungswerkstoffe erfordern neue Trenn- und Sortiertechniken. Mit konventionellen Recyclingprozessen werden sich solche Werkstoffe künftig in vielen Fällen nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll zurückgewinnen lassen«, sagt Prof. Jörg Woidasky, der am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie in Pfinztal bei Karlsruhe Koordinator des Projekts »Molecular Sorting for Resource Efficiency« ist. Ein sogenanntes Übermorgen-Projekt.
Trennung auf der kleinsten, der molekularen Ebene
Die Fraunhofer-Forscher wollen das konsequente Wiederverwerten und Produzieren in Kreisläufen vorantreiben und dies – so ihr Ansatz – ohne den Einsatz neuer Rohstoffe. Indem Sekundärrohstoffe – also Rohstoffe, die durch Recycling gewonnen werden – gleich mehrfach genutzt werden, im Expertenjargon »Kaskadennutzung«, und in den Produktionsprozess zurückgeführt werden, lassen sich natürliche Ressourcen in großem Umfang einsparen. Im Fokus der Wissenschaftler: knappe Metalle sowie mineralische, organische und silikatische Rohstoffe, die bereits in den Produktionsbetrieben oder im ersten Aufbereitungsschritt abgetrennt
Glas spielt für künftige Schlüsseltechnologien eine bedeutende Rolle. Es ist für Solartechnologien, energieeffiziente Häuser, elektronische Anwendungen wie die Display- oder Beleuchtungstechnik sowie für Informations- und Kommunikationstechnologien unverzichtbar. In allen diesen Fällen wird ein Glas mit maximaler Transparenz benötigt, um eine möglichst hohe Leistung erzielen zu können. Maximale Transparenz bedeutet jedoch die Verwendung von reinsten Gläsern, sogenanntes Ultra-Weißglas. Zu den Stoffen, die bereits in geringster Konzentration von weniger als 0,1 Prozent die Transparenz deutlich senken, gehört das Eisen, eine natürliche Verunreinigung in den Ausgangsrohstoffen, aber auch einer der häufigsten Verschmutzer, weswegen bisher im Glasrecycling ein so genanntes Downcycling vorherrscht: Wertvolles Flachglas wird für die Herstellung von billigem Behälterglas verwendet. Maximal ein Fünftel der Alt-Flachgläser wird derzeit wieder in den Kreislauf der Flachglasproduktion zurückgeführt und dort mit ebenso teuren wie immer seltener werdenden hochreinen Rohstoffen vermischt.
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Auf die Probe
Die Nachfrage nach Photovoltaikmodulen wächst, doch das dafür nötige hochtransparente Glas ist knapp. Forscher des Fraunhofer-Instituts haben das Problem erkannt.
und in nur wenigen Schritten wieder aufbereitet werden können. »Die Trennprozesse sollen nun auf der kleinsten erforderlichen, das heißt bis hinab auf die molekulare Ebene erfolgen. Wir nennen das Molecular Sorting«, erläutert Woidasky. Zum Beispiel Glas: Zukunftstechnologien wie die Photovoltaik oder die Solarthermie, aber auch Glasfaserkabel brauchen mehr als banales Fensterglas. Vollkommen transparent soll das Glas dafür sein, so rein wie möglich, damit ein Maximum an Sonnenenergie eingefangen werden kann und möglichst viele Informationen schnell durch die Fasern gehen. Gefragt sind Gläser, die vor allem wenig Eisen enthalten – die am meisten verbreitete Verunreinigung im Glas –, weil das schon in geringen Mengen die Transmission als Maß für die Licht- und Energiedurchlässigkeit erheblich senkt. Derzeit wächst die Solarbranche so schnell, dass weder die natürlichen eisenfrei-
en Rohstoffquellen noch die Recyclingmenge von ausgedienten Photovoltaikmodulen mit hochtransparenten Gläsern ausreicht, um den Bedarf der nächsten Jahrzehnte an hochtransparentem Flachglas zu decken. Hier, so die Fraunhofer-Forscher, böte sich Flachglas als Rohstoffquelle an, das bisher etwa zu billigem Behälterglas weiterverarbeitet wird, aber auch als Ausgangsmaterial für Spiegel- und Automobilglas Verwendung findet. Billiges Flachglas, bei 1.500 Grad veredelt
Das Problem dabei: Der Eisengehalt dieses Flachglases ist zu hoch. Im Rahmen des Fraunhofer-Projekts werden derzeit Verfahren entwickelt, über die das Eisen auf molekularer Ebene vom Glas getrennt sowie verbleibende geringste Eisengehalte so umgewandelt werden, dass die Transmission nicht beeinträchtigt wird. »Im Prinzip fischen wir in der Glasschmelze bei rund
1.500 Grad Celsius die Eisenatome heraus«, so Woidasky. Entweder über chemische Prozesse, die die Eigenschaften des Eisens so verändern, dass es weniger Licht absorbiert, oder über magnetische Felder, »das ist aber noch im Laborstadium und daher noch sehr, sehr visionär«, sagt der Projektleiter. Die hochtransparente Glasscheibe, aus der das Eisen gefischt wurde, soll in etwa drei Jahren als Modell vorliegen. Übermorgen eben.
Mehr zum Thema Recycling: www.tuev-sued.de/anlagen_bau_industrietechnik/ technikfelder/umwelttechnik/abfallwirtschaft
1.500
Grad Celsius ist die Temperatur, bei der sich Eisenatome aus geschmolzenem Glas fischen lassen.
20 TÜV SÜD Journal 20 TÜV SÜD Journal
Vor Ort
Menschen:
Dem Wind auf der Spur
S
eine Erwartungen liegen hoch, genau gesagt 140 Meter. So weit ragt der Windmessmast am Rande des Hessenreuther Waldes in der Oberpfalz empor. Er ist das wichtigste Instrument für die aktuellen Forschungsarbeiten von Thomas Arnold. Mit der Messstation – eine der höchsten ihrer Art – erhebt der Diplom-Ingenieur der Abteilung Wind Cert Services von TÜV SÜD Industrie Service Wetterdaten. Sie bilden die Grundlage für detaillierte Computersimulationen, mit denen der Experte das Ertragspotenzial von Windenergieanlagen in der Region präzise berechnen kann. Der Messmast verfügt über acht spezielle Windmesser, sogenannte Schalenkreuz-Anemometer, die in 10- beziehungsweise 20-Meter-Abständen montiert sind. Sie erfassen die Windgeschwindigkeiten in unterschiedlichen Luftschichten – von der Mastspitze bis zu den Baumwipfeln. Weitere Sensoren messen Windrichtung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck. »Bereits nach einem Jahr haben wir genügend Daten für die Ertragsanalyse«, erklärt Thomas Arnold. „Ein weiteres Jahr messen wir für Forschungszwecke weiter, um noch mehr Erkenntnisse über die komplexen Strömungsverhältnisse in hügeligen und bewaldeten Gebieten zu sammeln – denn hier besteht noch erheblicher Forschungsbedarf.« So hat nicht nur die lokale Energie-Initiative Natural Energy Solutions eine solide Datenbasis für ihren geplanten Windpark, sondern auch Bauvorhaben an anderen Waldstandorten profitieren von den Ergebnissen.
Thomas Arnold erklimmt den Windmessmast im bayerischen Städtchen Erbendorf. Privat bewegt er sich auch gerne an der frischen Luft – allerdings lieber beim Joggen.
Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/windenergie TÜVSÜD SÜDJournal journal 21 21 TÜV
Auf dem Weg
AUF DEM W EG
RÜF#22 DIE P PROFIS en im #24 Frau l Chefsesse
Das Kompe Mit hochinnovativen Motoren- und Rollenprüfständen setzt das neue Technologie- und Umweltzentrum von TÜV Hessen Maßstäbe auf dem Gebiet der Fahrzeugprüfung und Emissionsmessung. Text: Thomas Weber
Die Schleuse bietet Tankmöglichkeiten für Benzin, Diesel, Autogas (LPG), Erdgas (CNG) und Strom für E-Fahrzeuge.
Der Rollenprüfstand 1 ist achsweise angetrieben. Er kommt für Emissions-, Verbrauchs- und Konditionierfahrten zum Einsatz.
Der Rollenprüfstand 2 »Advanced« treibt jedes Rad einzeln an. Mit Windmaschine und Computern lassen sich so reale Fahrsituationen simulieren.
Im Leitstand werden die Messungen auf den Rollen- und Motorenprüfständen überwacht und ausgewertet.
Das Kalibrierlabor beherbergt eine Waage, mit der das Gewicht von Partikeln aufs Mikrogramm genau bestimmt werden kann.
S
eit November vergangenen Jahres ist es in Betrieb: das neue Technologie- und Umweltzentrum (TUZ) von TÜV Hessen. Es bietet Automobil- und Motorenherstellern sowie Zulieferern und Nachrüstern eine einzigartige Bandbreite an Leistungen in den Bereichen Fahrzeugprüfung und Emissionsmessung. Dabei sind die hochmodernen Prüfstände und Testeinrichtungen des TUZ nicht nur für alle Gegenwarts-, sondern auch für Zukunftstechnologien gerüstet – egal ob Hybrid- oder Elektroantrieb, ob Batterie oder Brennstoffzelle als Stromlieferant, ob Diesel oder Autogas als Kraftstoff. Die Straße auf den Prüfstand bringen
Standort des zur Division Automotive von TÜV SÜD gehörenden Testcenters ist Pfungstadt, mitten in der Metropolregion Rhein22 TÜV SÜD Journal
Main, die für die internationale Automobil- und Zulieferbranche ein Standort von zentraler Bedeutung ist. »Vor allem unser Rollenprüfstand Advanced mit vier einzeln angetriebenen Rollen für alle Fahrzeuge mit bis zu 3,5 Tonnen Gewicht ist ein Magnet für internationale Kunden«, sagt Ottmar Degrell, Leiter des TUZ. Mit diesem Prüfstand sei es möglich, Kraftstoffverbrauch und CO2Emissionen realistischer zu messen als mit jedem anderen Prüfverfahren bisher. »Wir bringen quasi die Straße auf den Prüfstand«, erklärt Degrell. »Möglich wird dies, indem wir eine virtuelle Umgebung in die Steuerung des Prüfstands einbinden. Mit für jedes Rad einzeln angetriebenen Rollen lassen sich Geschwindigkeiten bis zu 260 km/h und alle Fahrsituationen wirklichkeitsgetreu simulieren, von Kurven- bis zu Berg- und Talfahrten. Das hat es bisher weltweit so nicht gegeben.«
Auf dem Weg
tenzzentrum Das Herz des Technologie- und Umweltzentrums in Pfungstadt ist das Testcenter. Die Illustration zeigt, was sich hinter dessen neun Toren verbirgt.
Der Motorenprüfstand 1 »Heavy Duty« eignet sich insbesondere für Motoren von Nutzfahrzeugen und mobilen Maschinen mit bis zu 660 kW Leistung.
Der Motorenprüfstand 2 ist für die Prüfung von Nutzfahrzeugmotoren ausgelegt. In einem separaten Raum dahinter sind Kraftstoffpumpen untergebracht.
Die Shed-Kammer ist hermetisch abgeriegelt und dient zur Messung von Verdunstungsemissionen, die bei warm gefahrenen Fahrzeugen entstehen. Der Werkstattbereich mit Werkbänken, Schweißplatz und Hebebühnen dient der Vorbereitung von Fahrzeugen, Motoren und Bauteilen für nachfolgende Messungen und Prüfungen.
Profis für stationäre und mobile Emissionsmessungen
Ebenfalls Maßstäbe setzt das TUZ bei der stationären Motorenmessung: Sogenannte Heavy-Duty-Motoren mit bis zu 660 Kilowatt Leistung können dort getestet werden. Sie kommen typischerweise in Lkws, Land- und Baumaschinen vor. Prüfstände in dieser Leistungsklasse gibt es selten. Die dazugehörige Mess- und Auswertetechnik ermöglicht die Überprüfung, Weiterentwicklung und Zertifizierung von Motoren nach weltweiten Standards. Aber auch sogenannte In-Use-Messungen werden vom TUZ angeboten. Das sind Abgas- und Verbrauchsmessungen während des Betriebs von Fahrzeugen und mobilen Maschinen. Damit sind das TUZ und seine Kunden bestens auf gesetzliche Anforderungen der Zukunft vorbereitet. So ist von der EU-Kommission bereits geplant, dass Fahrzeuge und Maschinen auch während ihrer Lebensdauer ei-
ner regelmäßigen Überwachung im Realbetrieb – zum Beispiel beim Pflügen, Mähen, Baggern – unterzogen werden müssen. »Die mobile Emissionsmessung, alternative Antriebe und der Bereich Nutzfahrzeuge sind ganz klar die Schwerpunkte des TUZ. Es ergänzt damit perfekt das Labornetzwerk von TÜV SÜD, das sich bisher vor allem auf Pkws konzentriert hat mit den Anlagen in Heimsheim und Prag als Speerspitze in Richtung Osteuropa«, fasst Degrell zusammen. »Gemeinsam sind wir bestens aufgestellt, um alle Bedürfnisse des weltweiten Markts zu bedienen.«
Mehr Infos zum Technologie- und Umweltzentrum in Pfungstadt: www.tuev-hessen.de/tuz TÜV SÜD Journal 23
Auf dem Weg
Freude am Führen Verträgt sich Familie mit Führungsverantwortung? Ja, sagt Dr. Christine Bortenlänger, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts und Aufsichtsratsmitglied von TÜV SÜD. Weil nirgendwo so viel gefördert und gefordert wird wie im Umgang mit Kindern, könne Familie sogar eine wichtige »Zusatzqualifikation« für das Lenken und Entwickeln von Mitarbeitern sein.
Interview: Jörg Riedle & Timour Chafik
Fotos: Enno Kapitza
Frau Dr. Bortenlänger, führen Frauen anders als Männer? Ja, manches können Frauen besser, manches Männer. Frauen fällt es beispielsweise eher auf, wenn Inhalte – zum Beispiel in Präsentationen – nicht überzeugen. Männer hingegen fällen Entscheidungen oft schneller, während Frauen alle überzeugen und ins Boot holen wollen. Eine gute Führungsperson muss sich aber gelegentlich in den eiskalten Wind stellen und einfach machen. Die schlechtesten sind die, die nicht entscheiden, ganz egal, ob Mann oder Frau. Wie kalt war der Wind, als Sie im Alter von 31 Jahren zunächst stellvertretende Geschäftsführerin der Bayerischen Börse in München wurden? Der war nicht kalt. Oder er kam mir nicht kalt vor. Ich habe mir auch nie die Frage gestellt, 24 TÜV SÜD Journal
ob ich den Job als Frau und Mutter eines damals 10-jährigen Sohnes bekomme oder nicht. Zugegeben, ich habe rückblickend einen gehörigen Respekt vor der Entscheidung, mich in so jungen Jahren für eine leitende Position an die Börse zu holen. Aber ich hatte zu einem Börsenthema promoviert, eine abgeschlossene Banklehre, ein BWL-Studium, Berufserfahrung. Und ich war Mutter – da hat alles gepasst, ich war einfach die Richtige! Wurde die Richtige auch richtig bezahlt? Im Endeffekt schon, ja. Das heißt? Als ich meine erste Gehaltsvorstellung genannt hatte, blickte ich in erstaunte Gesichter. Aber statt in zähe Verhandlungsrunden einzusteigen, habe ich angeboten: Zahlt mir
doch einfach das Einstiegsgehalt meines Kollegen in der Geschäftsführung. Am Ende bekam ich mehr, als ich gefordert hatte. Müssen Frauen also rücksichtsloser werden? Nicht rücksichtsloser, aber informierter. Das fängt zum Beispiel damit an, sich intensiver über Gehälter auszutauschen. Und es endet damit, sich mehr zuzutrauen. Ein einfaches Beispiel: Einem Mann und einer Frau – beide Führungskräfte – wird ein Posten im Aufsichtsrat eines großen Chemiekonzerns angeboten. Der Mann sieht das als Riesenchance, die Frau sagt eher: »Chemie? Ich weiß nicht, ob ich dafür die Richtige bin.« Oder ganz banal bei Dienstwagen: Der Mann nimmt immer die größtmögliche Fahrzeugklasse, die Frau ist da bescheidener. Eine falsche Bescheidenheit, wie ich finde – ich kann nicht in
Auf dem Weg
Christine Bortenlänger ist jung in der obersten Führungsetage angekommen. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in München. Nach Stationen in der Bayern LB und einer Unternehmensberatung wurde sie 1998 in die Geschäftsführung der Bayerischen Börse berufen.
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Auf dem Weg
einem niedlichen Kleinwagen in mein Zweierbüro fahren und Chef sein. Noch nicht. Wie können Unternehmen dabei unterstützen? Indem sie den Frauen mehr Verantwortung geben – klingt einfach, ist aber doch manchmal sehr schwer. Denn es gilt immer noch häufig das Prinzip »Gleich und Gleich gesellt sich gern«. Das bedeutet: Der Abteilungsleiter, der einen Nachfolger sucht, findet instinktiv die Person, die ihm möglichst ähnlich ist – also in der Regel einen Mann. So sind Menschen eben, das ist keineswegs verwerflich, aber Unternehmen müssen Instrumente schaffen, die diese Strukturen durchbrechen. 26 TÜV SÜD Journal
Zum Beispiel? Schon in den Zielvereinbarungen fixieren, dass ein bestimmter Anteil an Frauen Führung übernehmen soll – natürlich immer abhängig davon, wie groß das Potenzial im Unternehmen ist. Außerdem sollten Unternehmen schon frühzeitig Aufmerksamkeit und damit eine Sensibilisierung für technische, naturwissenschaftliche und mathematische Berufe schaffen. Dazu braucht es weibliche Vorbilder, die an der Unternehmensspitze Verantwortung übernehmen und Führung vorleben. Und es braucht Frauen, so Ihre These, die früher Kinder bekommen. Das ist zumindest meine Empfehlung, aus eigener Erfahrung. Wer jung ist und studiert,
hat es einfacher als jemand, der in seinem zweiten Job steckt und Arbeitszeiten hat, die auch einmal ein wenig länger sind. Ob Sie eine Vorlesung an der Uni ausfallen lassen, weil Ihr Kind krank ist, ist dem Professor letztlich egal. Wenn hingegen das wichtige Meeting wegen Windpocken platzt, hängt einfach mehr dran: die Kollegen, das Projekt – schlichtweg der Job. Andererseits sagen Sie, dass der Faktor Familie auch ein Einstellungskriterium sein kann? Mehr noch: Ich glaube, Familie kann sogar eine Qualifikation für eine Führungsaufgabe sein. Denn typischerweise machen Kinder oft etwas, was sich im Vorfeld nicht wirklich planen lässt, woraus sich eine Flexibilität und
Auf dem Weg
»Heute wird viel partizipativer geführt als früher. Der
Teamgedanke ist in den Vordergrund gerückt. Manchmal wird es aber mit der Teilhabe am Führen auch übertrieben.«
Christine Bortenlänger
Souveränität ergeben kann, die auch in der Mitarbeiterführung hilfreich ist. Wird es also irgendwann Familienmütter und -väter in Teilzeit geben, die dem Vorstand eines Unternehmens vorsitzen? Das wäre schön, passt meiner Meinung nach aber nicht zusammen. Ja, Familie und Führung haben viele Gemeinsamkeiten – das Prinzip Fördern und Fordern, eine klare Kommunikation, manchmal auch Strenge. Aber Familie und Führung brauchen auch Präsenz. Und hier kann ab einer gewissen unternehmerischen Ebene nur erfolgreich geführt werden, wenn das Team weiß, dass die Führungsperson anwesend, zumindest aber ansprechbar ist. Es gibt Führungspositionen, die in Teilzeit
funktionieren, mit steigender Verantwortung steigt aber auch die »Präsenzpflicht«. Hier habe ich auch mit meinem Team und den Teilzeitkräften noch keine dauerhafte Alternative gefunden. Was ich sehr bedauere! Sie arbeiten seit zwölf Jahren in Führungspositionen. Wie hat sich das Führen in der Zeit verändert? Der Teamgedanke ist immer mehr in den Vordergrund gerückt, es wird heute viel partizipativer geführt. Manchmal wird es aber mit der Teilhabe am Führen auch übertrieben. Es gibt einfach Situationen, in denen ich von meinen Mitarbeitern erwarte, dass sie meine Entscheidungen mittragen. Das macht am Ende eine gute Führungskraft aus.
»Das schöne Gesicht von Baisse und Hausse« oder »Bestaunt wie ein Wesen aus einer anderen Galaxie«: Als Dr. Christine Bortenlänger, 46, zur Jahrtausendwende den Chefposten der Bayerischen Börse in München übernahm, war das Medienecho so bild- wie klischeehaft. Und überhaupt: diese ewigen Frauenfragen. »Unnötig« findet sie die, beantwortet sie im Interview aber dennoch. Ihre Grundeinstellung? »Wir brauchen eine andere, eine neue Toleranz gegenüber neuen Lebensentwürfen.« Es müsse akzeptiert werden, dass Paare sich entscheiden, Kinder zu bekommen, und beide arbeiten. Dass einer von beiden zu Hause bleibt oder beide Teilzeit arbeiten. Dass jemand überhaupt keine Kinder möchte. »Lebensentwürfe, für die dann aber auch jeder Einzelne die Verantwortung tragen muss«, sagt sie. Seit dem 1. Juli 2012 ist Bortenlänger geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts, seit Mai 2011 Mitglied des Aufsichtsrats von TÜV SÜD.
Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/akademie_de/seminare_management
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Auf den Punkt
AUF DEN PU N K T
EIN CT #28 WIE NIERT FUNKTIO EBER #30 RATG SPORT WINTER
Vorsorge in 3-D Text: Hendrik Nölle
Jährlich sterben Tausende Menschen an Darmkrebs, dennoch meiden viele die wichtige Vorsorgeuntersuchung – oft aus reiner Angst vor einer Darmspiegelung. Die Computertomografie gilt als weniger abschreckende Alternative. Aber wie funktioniert diese Technik eigentlich? 28 TÜV SÜD Journal
Auf den Punkt
D
as Virtuelle wird mehr und mehr Realität: Um den menschlichen Darm von innen zu untersuchen, war lange Zeit das Endoskop das Mittel der Wahl. Inzwischen hat sich die sogenannte virtuelle Darmspiegelung zur Alternative entwickelt. Dafür muss der Arzt dem Patienten weder eine Narkose verpassen noch einen dünnen Schlauch mit Mini-Kamera einführen. Stattdessen kommen Röntgenstrahlen in Verbindung mit modernster Computertechnik zum Einsatz – die Computertomografie (CT). Bei dieser Methode entstehen zahlreiche feine Schichtbilder des Darms, die zu einer dreidimensionalen Ansicht verrechnet werden. Das Ziel der CT ist dabei dasselbe wie das der herkömmlichen Spiegelung: Polypen aufzuspüren, kleine Wucherungen aus der Darmschleimhaut. Mit zunehmender Größe können sie zu gefährlichen Tumoren heranwachsen. Durch das Entfernen verringert sich das Darmkrebsrisiko Studien zufolge um etwa 50 Prozent. Perspektivische Darstellung bis ins Detail
Ein Computertomograf besteht aus einer oder mehreren parallelen Röntgenröhren und Empfangsdetektoren, die sich sehr schnell um den Patienten drehen, während er auf einer Liege langsam durch das ringförmige Gehäuse des Geräts geschoben wird. Die Röntgenröhre erzeugt einen gefächerten Strahl, der den Körper durchdringt und durch die Gewebestrukturen unterschiedlich stark abgeschwächt wird. Die Detektoren empfangen die verschieden starken Signale und leiten sie an einen Computer weiter, der daraus Schichtbilder des Körpers erstellt und sie zu einer 3-D-Darstellung zusammensetzt. Bei modernen Geräten rotiert das Detektorsystem mehrmals pro Sekunde um den Patienten. So lässt sich der zu untersuchende Bereich bis ins kleinste Detail erfassen. Parallele Röhren vermindern die Untersuchungszeit. Die ersten Computertomografen standen bereits 1972 zur Verfügung. Dass sie erst seit Kurzem für Darmuntersuchungen verwendet werden, liegt an der Risikoabwägung, die sich inzwischen verändert hat: Während statistisch gesehen bei jeder 10.000. endoskopischen Spiegelung ungewollt die Darmwand durchstochen wird, besteht bei der CT eine Gefahr für den Patienten durch frei werdende Röntgenstrahlung. »Bei modernen Geräten tritt allerdings nur noch eine Strahlenbelastung auf, die weniger als die natürliche jährliche Strahlendosis beträgt«, sagt Prof. Dr. Michael
Früherkennung hilft Leben retten Darmkrebs kann jeden treffen. Wird die Erkrankung frühzeitig entdeckt, kann sie in der Regel vollständig geheilt werden. Dennoch ist Darmkrebs eine der häufigsten Krebstodesursachen. Ein Grund dafür ist, dass der Darmkrebs und seine Vorstufen lange keine Symptome verursachen. Erste Anzeichen werden zudem leicht mit anderen, harmloseren Krankheiten verwechselt. Stuhlbluttest und Darmspiegelung Um Darmkrebs frühzeitig zu erkennen, werden in der Regel zuerst ein Stuhlbluttest und später eine Darmspiegelung durchgeführt. Mit einem Stuhlbluttest wird der Stuhl auf verdecktes Blut getestet. Im Falle eines positiven Ergebnisses ist eine Darmspiegelung zur Abklärung der Ursache notwendig. Mit diesem Verfahren können Polypen und Krebsgewebe mit hoher Sicherheit erkannt und auch rechtzeitig entfernt werden. Deshalb rät Arbeitsmediziner Dr. Rumen Alexandrov von TÜV SÜD jedem Unternehmen, Aufklärung rund um das Thema Darmkrebs und das Angebot von Stuhlbluttests in ihr betriebliches Gesundheitskonzept zu integrieren.
Uder, Direktor des Radiologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen. Das bestätigt auch Dr. Patrik Rogalla, Radiologieprofessor an der Universität Toronto, und weist darauf hin, dass die Genauigkeit beider Methoden ähnlich gut sei: »Ab einer Polypengröße von zehn Millimetern erzielt die virtuelle Technik ebenso wie die optische eine Trefferquote von rund 90 Prozent.« Einen Vorteil der virtuellen Spiegelung sieht er allerdings darin, dass im Gegensatz zur herkömmlichen Methode Vorder- und Rückseite einer Darmfalte gleich gut zu erkennen sind. Zudem gibt er der Computertomografie bei starken Darmverengungen den Vorzug.
Mehr zum Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement: www.tuev-sued.de/arbeitsmedizin_sicherheit_gesundheit TÜV SÜD Journal 29
Auf den Punkt
Ratgeber:
Wintersport Ob in den Alpen, den Rocky Mountains oder ganz exotisch im nordafrikanischen Atlas-Gebirge: Jetzt ist die Zeit für Ski-, Snowboard- und Rodelspaß. Fünf Tipps, damit das Vergnügen im leuchtend weißen Schnee stets ungetrübt bleibt.
1
Niemals oben ohne! Bei einem Sturz beugt ein Helm schweren Verletzungen vor – allerdings nur, wenn er nicht zu locker sitzt. Er darf weder wackeln noch verrutschen, wenn man mit geöffnetem Kinnband den Kopf schüttelt.
3
Drum prüfe, wer sich bindet …
Vor jeder Saison die Skibindung von einem Profi kontrollieren lassen: Nur wenn sie optimal auf Gewicht, Größe, Fahrstil, Alter und Schuhsohlenlänge eingestellt ist, bietet sie ausreichend Sicherheit.
2 Rücksicht auf
den Rücken
Ein Protektor schützt die Wirbelsäule sowie den Schulter- und
Snowboards haben im Gegensatz
Lendenbereich. Bei der Anpro-
zu Skiern keine Bindung, die sich bei einem Sturz automatisch öffnet. Umso mehr gilt es, Bänderdehnungen oder Muskelzerrungen schon vor der Saison durch Gymnastik vorzubeugen.
be darauf achten, dass er die Bewegungsfreiheit nicht zu sehr einschränkt. Wichtig: den Hüftgurt ausreichend festziehen, damit der Protektor bei einem Aufprall nicht verrutscht!
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Das Zwiebelschalen-Prinzip Mit Wintersportkleidung in mehreren dünnen Schichten ist man für jedes Wetter optimal gerüstet. Funktionsunterwäsche, die den Körper trocken und warm hält, gehört ebenso dazu wie eine wind- und wasserabweisende Jacke und Hose. Als Zwischenlage eignen sich Materialien wie Fleece und Merinowolle, die besonders atmungsaktiv sind.
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Wachsamer Blick Skibrillen verbessern nicht nur die Sicht bei schlechtem Wetter, sondern schützen die Augen auch vor UV-Strahlen. Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/industrie-konsumprodukte/ branchenloesungen/sportgeraete-schutzausruestung
Akademie | Termine
Training-Tipps TÜV SÜD Akademie In jeder Ausgabe des TÜV SÜD Journals stellen wir Ihnen eine ausgewählte Seminarreihe vor. Diesmal zum Thema: Fortbildung zum Betrieblichen Präventionsund Gesundheitsmanager – TÜV Gesunde und motivierte Mitarbeiter sind der Motor eines jeden Unternehmens, und planvolles Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist das Öl, das ihn am Laufen hält. Zudem senkt es die Kosten, die beispielsweise durch Fehltage entstehen. Betriebliche Präventions- und Gesundheitsmanager sind in der Lage, eine übergreifende und präventiv wirkende Gesundheitsstrategie und ein passendes Portfolio an Gesundheitsangeboten auszuarbeiten, um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu stärken. Mit modernen Analyse-Tools ermitteln sie den Status der BGM-Maßnahmen und optimieren sie durch nachhaltiges Qualitätsmanagement. Die Ausbildung besteht aus vier Modulen: Modul 1: Nutzen, Trends und rechtliche Grundlagen
02/03/04 KALENDER
Auf folgenden Messen, Kongressen und Veranstaltungen können Sie TÜV SÜD live erleben. Unsere Expertenteams freuen sich auf Ihren Besuch. Mehr Infos zu den Terminen: www.tuev-sued.de/konzernevents
Februar IMOT, München, 15.–17.02. Wind und Energie, Ulm, 20.–21.02. MedTech Europe, Stuttgart, 26.–28.02. Facility Management, Frankfurt am Main, 26.–28.02. intec, Leipzig, 26.02.–01.03.
Modul 2: Ziele, Strategien und Organisationsaufbau Modul 3: Bedarfsanalyse, moderne Instrumente und Methoden Modul 4: Messbarkeit, Kommunikation und Motivation
März
Die Module können einzeln (je 2 Tage) oder als Gesamtkurs (8 Tage) gebucht werden. Termine mit Startmöglichkeit während des ganzen Jahres finden an Standorten im gesamten Bundesgebiet statt.
EMV, Stuttgart, 05.–07.03.
Weitere Informationen zu den Seminaren und freie Termine im Internet unter: www.tuev-sued.de/akademie/bgm birgit.klusmeier@tuev-sued.de
MIPIM, Cannes, 12.–15.03.
Impressum
Retro Classics, Stuttgart, 07.–10.03. Internationaler Autosalon, Genf, 07.–17.03.
netinforum, Erfurt, 13.–14.03. medical.device.forum, München, 13.–14.03. eltefa, Stuttgart, 20.–22.03. smart.grids.forum, München, 21.–22.03.
Herausgeber: TÜV SÜD AG, Westendstraße 199, 80686 München Inhaber: TÜV SÜD e.V. (74,9 %), TÜV SÜD Stiftung (25,1 %), Westendstraße 199, 80686 München Leiter Unternehmenskommunikation: Matthias Andreesen Viegas Projektleitung & Chefredakteur: Jörg Riedle Kontakt: +49 (0)89 5791-0, info@tuev-sued.de Realisation: Medienfabrik Gütersloh GmbH, Neumarkter Straße 22, 81673 München Druck: Eberl Print GmbH, Kirchplatz 6, 87509 Immenstadt Fotonachweis: Ben Watkins (16), Corbis (12, 18, 19, 20, 28, 29, 30, 36), Deutsche Bahn (13), Enno Kapitza (24, 25, 26, 27), Jan Scheutzow (1, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 11), Prinoth (4, 5), TÜV SÜD (2, 14, 15, 21, 32, 33); Illustration (34, 35): LULU*, Infografik (22, 23): Mo Büdinger Das TÜV SÜD Journal erscheint vierteljährlich. Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das TÜV SÜD Journal wird klimaneutral auf einem Papier aus nachhaltiger Holzwirtschaft gedruckt.
April Hannover Messe, Hannover, 08.–13.04. Interalpin, Innsbruck, 10.–12.04. Personal Süd, Stuttgart, 23.–24.04.
klimaneutral
safe.tech, München, 24.–25.04.
natureOffice.com | DE-141-646401
gedruckt
TÜV SÜD Journal 31
5 Minuten
Sercura aus Hongkong ist Teil der TÜV SÜD Gruppe
Umweltmesstechnik an neuem Standort in Garching
Nachhaltiges Wachstum für Chinas Wirtschaft
China ist das bedeutendste Herstellerland für Verbraucherprodukte – und TÜV SÜD hat seine Aktivitäten vor Ort jetzt deutlich gestärkt. Seit Herbst 2012 gehört das Unternehmen Sercura mit Sitz in Hongkong zu TÜV SÜD. Die neue Tochtergesellschaft ist auf die Durchführung von Pre-ShipmentInspektionen und Fertigungsstätten-Audits spezialisiert. Sercura beschäftigt über 200 Mitarbeiter in 17 Ländern.
Neue Labore für die Abteilung Umweltmesstechnik von TÜV SÜD: Das komplette Leistungsspektrum rund um Kalibrierungen, Emissions-, Immissions- und Feinstaubmessungen sowie Schadstoff- und Geruchsmessungen werden künftig vom TÜV SÜD-Prüfzentrum in Garching bei München aus erbracht. Eine Besonderheit: TÜV SÜD testet auch neue Messgeräte, die dann vom Umweltbundesamt zugelassen werden.
China schickt sich an, in den nächsten Jahren die größte Volkswirtschaft der Welt zu werden – und sorgt sich zunehmend, wie das Wachstum ressourcenschonend gestaltet werden kann. In einem mehrtägigen Forum diskutierte TÜV SÜD in Peking mit Experten aus der Region zum Thema. TÜV SÜDVorstandsvorsitzender Dr. Axel Stepken: »Energieeffizienz hat weltweit bei Entscheidungsträgern Top-Priorität.«
misha.lu@tuv-sud.tw
norbert.ullrich@tuev-sued.de
haiyan.wang@tuv-sud.cn
Kompetenzzentrum für Airbags in Tschechien
Mit einem neuen Labor zum Test von Airbags erweitert TÜV SÜD seine Kompetenzen rund um die Sicherheit von Autos. Das neue Kompetenzzentrum in Nymburk rund 40 Kilometer nordöstlich von Prag ist mit modernster Technik, unter anderem für Tests in Klimakammern, ausgestattet. Im Labor werden »Schusstests« aller gängigen Airbagtypen durchgeführt. Mit der neuen, unabhängigen Testeinrichtung reagiert TÜV SÜD auf die Anforderungen des Marktes: Komponententests werden für Automobilhersteller und ihre Zulieferer immer wichtiger. TÜV SÜD verfügt über enormes Fachwissen in puncto Tests von Airbags. Bereits 2004 eröffnete ein entsprechendes Labor in Mladá Boleslav. »Unser neues Testcenter ist die logische Weiterentwicklung unseres Engagements in diesem Bereich und die Antwort auf die Bedürfnisse des Marktes«, sagt Jirˇ í Socha, Geschäftsführer der Division Automotive von TÜV SÜD Czech. jiri.socha@tuv-sud.cz
32 TÜV SÜD Journal
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Bei Winterreifen nicht nur auf das neue Reifenlabel vertrauen
Käufer von Haushaltgeräten kennen das Energieeffizienz-Label schon länger. Seit Ende 2012 ist nun eine ähnliche Kennzeichnung für Autoreifen Pflicht. Das europaweite Reifenlabel gibt dem Pkw-Fahrer drei Basisinformationen: Die Angaben zum Rollwiderstand bewegen sich zwischen der Bestnote A bis zum schlechtesten Wert G. Für den Bremsweg auf nasser Straße gilt die Klassifizierung A bis F. Die Geräuschemission symbolisieren ein bis drei Schallwellen – je mehr, desto lauter ist der Pneu. Allerdings: Während für Sommerreifen die Kriterien des Reifenlabels sehr gut passen, ist dies bei den Modellen für den Winter nicht der Fall. »Die Eignung für Eis und Schnee erkennt man am nach bis zu besten am Schneeflockensymbol«, sagt MiKriterien bewerten die Experten chael Staude, Reifenexperte von TÜV SÜD. von TÜV SÜD einen Reifen. Ist dieses Zeichen in das Gummi einvulkanisiert, hat der Reifen in einem festgelegten Testverfahren eine entsprechende Winterperformance nachgewiesen. Zusätzliche hilfreiche Orientierung bieten Reifentests von Automobilclubs, Fachzeitschriften und Verbraucherschutzorganisationen.
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michael.staude@tuev-sued.de
5 Minuten
Nachhaltigkeit von Gebäuden Das Zertifikat TÜV SÜD SCoRE (Sustainability Certification of Real Estate) fasst energetische Aspekte, das Gebäude- fünf module mit konzept, die Wasser-, Abwasser- und Abfallsituation, mögliche Altlastenrisiken sowie Standortfaktoren und grundstücksspezifische Kriterien von Gebäuden zusammen und bewertet diese. Ein unschätzbarer Vorteil für Betreiber von Immobilien: Denn Nachhaltigkeit auch im Sinne einer langfristigen Vermarktbarkeit lässt sich nicht nur durch eine hö- einzelnen Kriterien bilden die here Energieeffizienz begründen. Weitere zentrale Faktoren fundierte Grundlage für die für die Gesamtkosten über die Lebensdauer sind die Quali- Nachhaltigkeitseinschätzung tät der verwendeten Baustoffe und die Umweltqualität des Baugrunds. Aktueller Träger des TÜV SÜD SCoRE-Siegels nach TÜV SÜD SCoRE. in Gold: das Wissenschafts- und Technologiezentrum VTP Roztoky in der Nähe von Prag. In dem viergeschossigen Neubau sind auf einer Gesamtfläche von 4.200 Quadratmetern mehrere Testlabore für Motoren, Fahrzeuge und Getriebe sowie Büroräume angesiedelt.
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pavel.zinburg@tuv-sud.cz
Minuten mit TÜV SÜD
GreenFleet Award prämiert effiziente Flotten
Für mehr Energieeffizienz und weniger CO2 kommen in Flotten immer häufiger Gas-, Hybrid- oder Elektroantriebe zum Einsatz. Das zeigen die Gewinner des aktuellen GreenFleet Award, der von der TÜV SÜDTochter FleetCompany vergeben wurde. Ein Gewinner: der Flughafen Hamburg, der bis zum Jahr 2020 alle seine Fahrzeuge auf alternative Antriebe umstellen will. Auch die UniCreditbank-HypoVereinsbank und Globetrotter Ausrüstung Denart & Lechhart überzeugten die Jury. Sie setzen auf eine Deckelung des CO2-Ausstoßes bei ihren Flotten – entweder pro Kilometer oder als Jahresgesamtausstoß. roland.vogt@fleetcompany.de
Kompetenz für die Schiene Mit der Übernahme der isar Independent Safety Assessment for Railway Signalling GmbH, Braunschweig, stärkt TÜV SÜD weiter seine Dienstleistungen zur Beratung, Prüfung und Zertifizierung von Nahverkehrsprojekten in Metropolregionen weltweit. »Wir bauen damit unser Portfolio zu Verkehrsprojekten in Metropolregionen weiter aus und können als Partner bei TurnKey-Projekten große Systemhäuser noch besser unterstützen«, sagt Klaus Bosch, Leiter der Division Rail von TÜV SÜD. Die Leistungspalette reicht dabei von Plan- und Abnahmeprüfungen bis hin zur Zertifizierung von Komplettsystemen. Die isar GmbH bringt gerade im Bereich Metro- und Stadtbahnen große Erfahrungen ein, begleitet seit 15 Jahren global komplexe Projekte in diesem Bereich. Asien mit seinem hohen Bedarf an Nahverkehrsprojekten auf der Schiene zählt für TÜV SÜD zu einem Schlüsselmarkt. Wie schon mit der Übernahme der MetroSolutions, Hongkong, im Frühsommer ergibt sich für TÜV SÜD Rail nicht nur eine Stärkung für das Geschäft in Asien – sondern die Komplettierung des Portfolios bringt neue Impulse für die Aktivitäten von TÜV SÜD weltweit.
Arbeits- und Gesundheitsschutz für Unternehmen TÜV SÜD hat seine Dienstleistungen für Arbeits- und Gesundheitsschutz neu aufgevon Gesundheitsleistungen stellt. Ab sofort bieten interdisbedeutet: Konzentration auf ziplinäre Expertenteams aus Medizinern, Arbeitspsychologen, Kernkompetenzen. Sicherheitsingenieuren und Assistenzen ihre Dienstleistungen gebündelt für Betriebe an. Unternehmen aller Größen können die Dienstleistung im Baukastenprinzip buchen und so individuell, ganzheitlich und kompetent auf die aktuellen Herausforderungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz reagieren. Dadurch können sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, ihre Effizienz steigern und mit einem kompetenten Partner gleichzeitig eine individuelle und flexible Gesundheitsvorsorge für ihre Mitarbeiter anbieten. Infos gibt’s im Internet unter: www.tuev-sued.de/zag
Outsourcing
klaus.bosch@tuev-sued.de juliana.quaranta-hoeflin@tuev-sued.de
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Zu guter Letzt
Hände we
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Zu guter Letzt
g vom Steuer! Las Vegas ist um eine Attraktion reicher: Auf den Straßen der USMetropole sind selbstfahrende Autos unterwegs – im Testbetrieb.
B
eim Autofahren Zeitung lesen oder noch kurz ein Nickerchen machen, bevor man im Büro angekommen ist: Das könnte bald schon möglich sein, zumindest wenn es nach Google geht. Wissenschaftler und Ingenieure des Internetunternehmens arbeiten am »SelfDriving Car«, an einem Auto, bei dem der Fahrer kaum mehr etwas zu tun hat – nur einsteigen, Ziel eingeben, Route auswählen. Den Rest erledigt das Fahrzeug. Auf dem Dach und rund um die Karosserie befinden sich Radarsensoren, Laser und Kameras, die Tempolimits, rote Ampeln und Hindernisse erkennen. Ununterbrochen scannen sie den Verkehr. Im Kofferraum rechnet ein Computer die gesammelten Informationen in Fahrbefehle um. Wie von Geisterhand dreht sich schließlich das Lenkrad, gibt der Wagen Gas, bremst oder blinkt. Die ersten dieser Roboterautos sind zu Testzwecken schon auf öffentlichen Straßen in den USA unterwegs. Der Fahrer kann bei den umgebauten Serienwagen jederzeit die Kontrolle übernehmen. Laut Google habe die Flotte in Kalifornien, Florida sowie in und um Las Vegas bereits mehr als 500.000 Kilometer zurückgelegt, rund 80.000 davon ohne jegliches menschliche Eingreifen. Ein Anteil, der darauf schließen lässt, dass die Computersteuerung
noch Mängel zeigt. Google-Chefingenieur Chris Urmson sagt zwar, dass sie noch nie einen Unfall verursacht habe, räumt aber ein: »Die selbstfahrenden Autos müssen noch lernen, auf schneebedeckten Straßen zurechtzukommen und Situationen wie vorübergehende Baustellen zu meistern.« Das Ziel, den Straßenverkehr mit dem »Self-Driving Car« sicherer zu machen, scheint also noch fern zu sein. »Bis die Fahrzeuge so ausgereift sind, dass sie wirklich autonom am Straßenverkehr teilnehmen können, wird es wohl noch etwa zehn Jahre dauern«, meint Raúl Rojas, der als Professor für künstliche Intelligenz an der Freien Universität Berlin ebenfalls an einem selbstfahrenden Auto arbeitet. Halb so wild: So bleibt wenigstens Zeit, neben letzten technischen auch rechtliche Fragen zu klären: Wer zum Beispiel haftet bei einem Unfall, wenn kein Mensch am Steuer sitzt? Der Autohersteller, der Computerhersteller oder das Unternehmen, das die Sensoren gebaut hat? Sucht man bei Google danach, findet man noch keine Antwort.
TÜV SÜD Journal 35
so isst die Welt
E
s ist ein Bild der Extreme, das der aktuelle Hungerreport der Welternährungsorganisation FAO zeichnet. Das eine Extrem: Jeder achte Mensch auf der Erde ist unterernährt. Immerhin ist die Gesamtzahl der Hungernden in den vergangenen zwei Jahrzehnten um 132 auf 868 Millionen gesunken. Nur die Lage in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara hat sich verschlechtert. Waren dort vor zwei Dekaden noch 170 Millionen Menschen unterernährt, sind es inzwischen 234 Millionen. Insbesondere politische Konflikte nennt der Report als Grund für den Anstieg. Um den Hunger zu bekämpfen, empfiehlt er Investitionen in eine nachhaltige, standortangepasste und kleinbäuerliche Landwirtschaft sowie den Aufbau sozialer Sicherungssysteme.
»Aber nicht nur der Hunger ist ein Problem, sondern auch die Zahl der Übergewichtigen«, sagt FAO-Direktor José Graziano da Silva und kommt auf das andere Extrem zu sprechen. Der Report, den die Welternährungsorganisation Ende letzten Jahres veröffentlichte, belegt selbst für arme Länder: Wer nicht hungert, nimmt heute mehr Kalorien zu sich denn je (siehe Tabelle unten). Um den Folgen falscher Ernährung vorzubeugen, rät da Silva zu verstärkter Aufklärungsarbeit in den Bereichen Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Auch TÜV SÜD engagiert sich intensiv für die Lebensmittelsicherheit: Das Unternehmen baut sein Netz an Lebensmittellaboren weltweit aus, jüngst in Brasilien und Indien.
Wer nicht hungert, nimmt mehr Kalorien denn je zu sich Die Entwicklung der durchschnittlichen Energiezufuhr pro Person in Kilokalorien, unterteilt nach Nahrungsgruppen (Quelle: www.fao.org, 2012) 3500
Andere Zucker
3000
Fette und Öle Tierische Produkte
2500
Obst und Gemüse Hülsenfrüchte
2000
Wurzeln und Knollen Getreide
1500 1000 500 0
1990–92 2007–09 1990–92 2007–09 1990–92 2007–09 1990–92 2007–09 1990–92 2007–09 1990–92 2007–09 Asien
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Entwickelte Länder
Lateinamerika und karibische Länder
Nordafrika
Ozeanien
Afrika südlich der Sahara