TÜV SÜD Journal 4/2015

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T Ü V SÜD

JOURNAL PROBE #16 AUF DIE das vernetzte Vorsicht Hacker! Ist risiko? Auto ein Sicherheits  WEG #24 AUF DEM Umgang mit den Drohnen: Was beim zu beachten ist. Mini-Hubschraubern  PUNKT #28 AUF DEN SÜD mit der ExoMars: Was TÜV on zu tun hat. nächsten Marsmissi

GEOTHERMIE

# 04 2015

E D R E R E D IN T F A R K E I D LIEGT


Editorial

LIEBE LESERINNEN UND LESER, es ist noch nicht lange her, da waren es nahezu ausschließlich fossile Brennstoffe, die Entwicklung, Mobilität und Wertschöpfung in weiten Teilen der Welt ermöglichten und so das Fundament des globalen Wirtschaftswachstums bildeten. Heute, im 21. Jahrhundert, erleben wir einen Paradigmenwechsel. Um Fortschritt und Wohlstand auch künftig sicherzustellen, gilt es jetzt, neue, erneuerbare Energie- und Rohstoffquellen zu erschließen. Denn diese stehen der Gesellschaft – im Gegensatz zu den fossilen Rohstoffen – unbegrenzt zur Verfügung. Eine nachhaltig energiereiche und klimaverträgliche Zukunft ist deswegen nur mit den Erneuerbaren möglich. Deutschland gilt auf diesem Gebiet als einer der Vorreiter – und TÜV SÜD leistet seit vielen Jahren einen wertvollen Beitrag, indem wir Hersteller, Anlagenbauer und -betreiber sowie Investoren aus den unterschiedlichsten Bereichen der regenerativen Energien unterstützen. Aber auch im globalen Maßstab ist die Energiewende in vollem Gange: So kamen im vergangenen Jahr bereits Jetzt downloaden unter www.tuev-sued.de/journal knapp sechzig Prozent der weltweit neu installierten Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energiequellen, und bereits im fünften Jahr in Folge übertrafen die Investitionen in erneuerbare diejenigen in fossile Energien. In alle diese Bereich bringen wir uns intensiv ein, übrigens seit einigen Monaten auch als Mitglied des Weltenergierats.

TÜV SÜD Journal-App für Android und iOS:

Unsere Titelgeschichte widmet sich diesmal dem »heimlichen Star« unter den erneuerbaren Energien – der Geothermie bzw. Erdwärme. Welches Potenzial diese Form der Energieerzeugung zu bieten hat, können wir am Beispiel Islands lernen. Das Land im äußersten Norden Europas ist aufgrund seiner geografischen Besonderheit als größte Vulkaninsel der Welt ein ideales Versuchslabor für diese schier unerschöpfliche Energiequelle. Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr.-Ing. Axel Stepken Vorsitzender des Vorstands der TÜV SÜD AG 2 TÜV SÜD Journal


Inhalt

#06

TITELSTORY

Immer verfügbar, stabile Leistung und auch als Speicher für Wind- und Sonnenkraft geeignet: Die Geothermie ist der heimliche Star unter den Erneuerbaren Energien.

Auf die

Auf dem

Auf den

Was treibt die Menschen weltweit um? Wir nehmen technische und gesellschaftliche Entwicklungen unter die Lupe.

Die Welt von morgen im Blick: Diese Innovationen könnten schon bald unser Leben prägen.

Nachgefragt! Unsere »Mehrwert«-Seiten machen komplexe Zusammenhänge leicht verständlich.

#16 Hacker an Bord! Vernetztes und automatisiertes Fahren soll den Straßenverkehr effizienter und sicherer machen. Doch ziehen die Autos von morgen dadurch vielleicht auch Cyberkriminelle an?

#22 Sportlich unterwegs In den 1960er-Jahren begann TÜV SÜD mit der Prüfung von Skiausrüstungen und anderen Sportgeräten. Ein Streifzug durch fünfzig Jahre Ski- und Freizeitsport.

#28 TÜV SÜD auf dem Mars »ExoMars« soll die erste europäische Mission zum Roten Planeten werden. Unter anderem soll dort in drei Jahren ein Forschungsfahrzeug landen. TÜV SÜD ist mit von der Partie.

#20 Innovationskultur Fraunhofer-Forscher Rainer Frietsch über Erfolg und Misserfolg von Erfindungen, große Würfe der Technikgeschichte und das Geheimnis schrittweiser Erneuerung.

#24 Ungewohnte Flugobjekte Drohnen erobern die Lüfte: Immer mehr Menschen entdecken die Fluggeräte als Hobby. Das birgt auch Gefahren. Was beim Umgang mit den Mini-Hubschraubern zu beachten ist.

#4 TÜV SÜD im Bild #14 5 Minuten mit TÜV SÜD

#27 Vor Ort #30 5 Minuten mit TÜV SÜD

PROBE

WEG

PUNKT

IMPRESSUM HERAUSGEBER: TÜV SÜD AG, Westendstraße 199, 80686 München INHABER: TÜV SÜD e.V. (74,9 %), TÜV SÜD Stiftung (25,1 %), Westendstraße 199, 80686 München LEITER UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION: Matthias Andreesen Viegas PROJEKTLEITUNG & CHEFREDAKTEUR: Jörg Riedle KONTAKT: +49 (0)89 5791-0, info@tuev-sued.de REALISATION: Medienfabrik Gütersloh GmbH, Neumarkter Straße 63, 81673 München DRUCK: Eberl Print GmbH, Kirchplatz 6, 87509 Immenstadt FOTONACHWEIS: Corbis (6, 7, 8, 11, 12, 13, 19, 22, 23, 24, 25), Geothermie Unterhaching (3), TÜV SÜD (2, 4, 5, 14, 15, 22, 23, 27, 30, 31), Timour Chafik (20), Deutsche Post (24), iStock.com/marekuliasz (26), © Sergey Nivens/fotolia.com (16, 17), Bosch (18); Illustration: Nils Kasiske (28, 29) Das TÜV SÜD Journal erscheint vierteljährlich. Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das TÜV SÜD Journal wird klimaneutral auf einem Papier aus nachhaltiger Holzwirtschaft gedruckt.

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TÜV SÜD im Bild

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TÜV SÜD im Bild

Der Mensch

IM TEST

Wir sind sicher: Die junge Frau am Lenkrad des Fahrsimulators hat sich im Straßenverkehr nichts zuschulden kommen lassen. Sie saß Modell bei dieser Aufnahme aus den 1960er Jahren, die eine Versuchsanordnung des Medizinisch-Psychologischen Instituts (MPI) beim damaligen TÜV Stuttgart zeigt. Zu sehen ist ein Test im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung. Dabei werden Personen, die ihren Führerschein abgeben mussten, auf ihre geistige und körperliche Eignung zur Führung eines Kraftfahrzeugs überprüft. Das Foto ist eines von Tausenden aus den Archiven von TÜV SÜD, der im kommenden Jahr sein 150. Jubiläum feiern wird. Hervorgegangen aus dem ersten DampfkesselRevisionsverein (gegründet 1866 in Mannheim) als Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft mit dem Unternehmenszweck, »Mensch, Umwelt und Sachgüter vor den nachteiligen Auswirkungen der Technik zu bewahren«, übernahmen die Technischen Überwachungsvereine im 20. Jahrhundert eine Vorreiterrolle in Sachen Verkehrssicherheit. Und hatten von Anfang an sowohl die Technik als auch den Menschen im Blick. Mehr Infos: www.tuev-sued.de/150

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Titelstory

Immer verfügbar, mit konstant stabiler Leistung und auch als Speicher für überschüssigen Strom aus Wind- und Sonnenkraft geeignet: Gemessen an ihrem Potenzial, Energie zu liefern, ist die Geothermie der heimliche Star unter den erneuerbaren Energien. Der Durchbruch wird kommen – wenn die Energiewende vor allem als Wärmewende verstanden wird.

MEHR ZUM THEMA

IN UNSERER MAGAZIN-APP

Text: Timour Chafik

UNTERI 6 TÜV SÜD Journal


Titelstory

H

ephaistos, der griechische Gott des Feuers, soll seine Kunstschmiede in den Magmagluten unter dem Vulkan Ätna gehabt haben. Die Hawaiianer glauben, dass auf Big Island, tief unter dem Krater Halema‘uma‘u, die Vulkangöttin Pele haust, und für die Isländer stand jahrhundertelang außer Zweifel, dass in den unterirdischen Hohlräumen ihrer Lavainsel die Werkstatt der Zwerge sei, die dort im Höllenfeuer Schätze und Waffen schmiedeten. Heute wissen wir: Das Hämmern, Fauchen und Zischen sind nur die Geräusche vulkanischer Aktivitäten.

Für die moderne Wissenschaft stellt sich die Zwergenwerkstatt so dar: Der flüssige Teil des Erdinneren wird von einem 2.900 Kilometer dicken Mantel aus Silikatgestein bedeckt, der den Erdkern heiß hält wie eine Thermoskanne den Kaffee. Darüber liegt eine zwischen 5 und 70 Kilometer dicke Kruste, die sich hebt und senkt und deren Platten es mit bis zu 20 Zentimetern pro Jahr auseinanderreißt. Mit der Folge, dass sie an anderer Stelle wieder aaneinanderstoßen, sich zu Gebirgen auftürmen, Gräben bilden, Verwerfungszonen oder gleich ganze »Hotspots« schaffen. Das sind Stellen, an denen Vulkaninsel Island: Begünstigt durch seine Lage und geologischen Voraussetzungen ist das Land am Polarkreis Weltmeister bei der Nutzung von Erdwärme.

IRDISCH TÜV SÜD Journal 7


Titelstory

»Die Lage der Insel auf einer aktiven Plattengrenze hat Island zu geothermischem

Reichtum

geführt, zu sauberer Energieversorgung.«

– Professorin Ingrid Stober, Institut für Angewandte Geowissenschaften in Karlsruhe

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Titelstory

glühend heißes Magma aus den Tiefen des Erdmantels bis in die Erdkruste vordringen kann. Beständig unter Dampf: Erdwärme ist nicht von den Schwankungen des Wetters abhängig und damit eine der stabilsten Energiequellen.

Island Weltmeister in Geothermie-Nutzung

Island liegt auf mehreren solchen Hotspots. Energetisch ist dies für den Inselstaat am nördlichen Polarkreis ein Gewinn, geologisch klingt es allerdings gewöhnungsbedürftig: »Das Wetter: heiter und trocken, Temperaturen um null Grad. Aktuelle Erdbebenlage: in der Stadt Hveragerðisbær Stärke 4,1 auf der Richterskala, in der Region Suðurland 3,3« – die Kombination aus Wetter- und Erdbebenbericht gehört für die 330.000 Einwohner zum Alltag. Der Lohn der tektonischen Arbeit: »Früher war Reykjavik durch die Kohlefeuerung eine schmutzige Stadt«, erklärt Professorin Ingrid Stober vom Institut für Angewandte Geowissenschaften am KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie. »Kohle und Öl mussten importiert werden, das Heizen war daher teuer. Infolge der Lage der Insel auf einer aktiven Plattengrenze verfügt Island über einen Reichtum an geothermischer Energie, deren Nutzung nicht nur sehr kostengünstig ist, sondern auch dazu beitrug, dass die Stadt Reykjavik zu einer der saubersten Städte wurde.« Die Geothermie liefert heute den Großteil der Energie für Heizung und Warmwasser in Gebäuden, fast alle Häuser und Wohnungen werden mit Erdwärme versorgt – bei deren Nutzung liegt Island weltweit an der Spitze. Nach AnEndlose Energie gaben der Nationalen Energiebehörde Orkustofnun erzeugten die GeothermieDie Geothermie – auch Erdwärme genannt – kraftwerke auf der Insel 2014 mit einer ist eine nach menschlichen Maßstäben naGesamtkapazität von 665 Megawatt 5.239 hezu unerschöpfliche Energiequelle. Wenn Gigawattstunden Strom. »Die Menschen man von der Erdoberfläche in die Tiefe vordringt, findet man auf den ersten hundert auf Island sind an das Vorkommen naMetern eine nahezu konstante Temperatur türlicher Erdbeben gewöhnt. Das bringt von etwa zehn Grad Celsius vor. Danach die Lage der Insel auf der Plattengrenze steigt die Temperatur jeweils pro weitere mit sich. Und die Menschen wollen wehundert Meter Tiefe im Mittel um drei Grad gen der vielen Vorteile Geothermie zur Celsius an. Diese Erdwärme kann mithilfe Wärme- und Stromversorgung nutzen verschiedener technischer Verfahren zur und haben dann auch keine Probleme, Energiegewinnung genutzt werden. wenn es gelegentlich mal im Zuge von Drei verschiedene Verfahren sind Neuerschließungen ein wenig rumpelt. heute verbreitet: die oberflächennahe Natürlich hat auch hier die Vermeidung Geothermie (bis 400 m Tiefe) sowie geooberste Priorität«, so Ingrid Stober. Das thermische Verfahren, die warmes, im Unenergetische Potenzial, das in der Tiefe tergrund vorhandenes Wasser nutzen (bis schlummert, ist gigantisch. Es könnte ca. 4.500 m Tiefe) – und Techniken, die das ganze Kontinente versorgen: Der Bericht Vordringen bis in eine Tiefe von rund 5.000 des Intergovernmental Panel on Climate Metern erlauben, um dort Wärme aus dem Change (IPCC) aus dem Jahre 2011 weist tiefen Gestein für die Stromerzeugung zu aus, dass allein die obersten fünf Kilomenutzen (in der Fachsprache auch petrotherter von Europas Erdkruste genug Energie male Geothermie genannt). enthielten, um den Kontinent pro Jahr

mit rund 4.000 Terrawattstunden Strom und 2.000 Terrawattstunden Wärme zu versorgen – das entspricht in etwa dem Gesamtjahresverbrauch Europas. Zudem ist die Geothermie grundlastfähig, also nicht von den Schwankungen des Wetters abhängig und damit ein stabilisierender Faktor im Kanon der erneuerbaren Energien, die zwischen Windflauten und Sonneneinstrahlspitzen schwanken. »Alles Gute kommt von unten«, fasst denn auch der Bundesverband Geothermie in seinem Positionspapier »Geothermie – Erneuerbare Energie für den Wärmemarkt« zusammen: Mit Erdwärme kann geheizt, gekühlt und Strom erzeugt werden, dabei seien Geothermieanlagen besonders raumsparend, heißt es da. »Folgekosten für alternative Speichersysteme oder konventionelle Reservekraftwerke werden vermieden«, so der Bundesverband weiter. Überdies könnten sie zur Versorgung ganzer Wohngebiete harmonisch in das Landschaftsbild oder in ein Industriegebiet eingefügt werden. Mehr noch: Erdwärmepumpen seien dank hoher Jahresarbeitszahlen eine besonders effiziente und volkswirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit zur Stabilisierung des Stromnetzes. Allerdings noch keine weit verbreitete: 2010 entsprach die gesamte elektrische Leistung der Geothermiekraftwerke weltweit der von rund elf Kernkraftwerken. Daten, die der italienische Physikprofessor und Koautor des IPCC-Reports Ruggero Bertani zum World Geothermal Congress 2010 vorlegte und im April 2015 gleich nach unten anpassen musste: Statt einer prognostizierten elektrischen Leistung von 18,5 Gigawatt für dieses Jahr waren de facto nur knapp 13 Gigawatt installiert. Hoher Wirkungsgrad

Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer des Geothermiekraftwerks in Unterhaching bei München (thermische Förderleistung: 38 MW, Leistung der Stromerzeugungsanlage: 3,36 MW) hat eine einfache Erklärung dafür, warum der große Durchbruch der Erdwärme bisher ausgeblieben ist (siehe Standpunkt S. 13). Bis auf eine überschaubare Anzahl regionaler Ausnahmen fehlten in Deutschland die gut aufgestellten Investoren, die Stadtwerke und Kommunen, die Energiekonzerne und auch die Privatinvestoren, um ins Risiko zu gehen und ein Investitionsvolumen von bis zu 50 Millionen Euro pro Anlage zu stemmen. »Auch wenn die ganze Welt nach Unterhaching kommt, um sich anzuschauen, wie wir das hier machen – auf der Agenda der großen Konzerne spielen wir noch keine große Rolle.« Dabei, so Geisinger, spielt im Vergleich zu den anderen erneuerbaren Energien vor allem ein Aspekt der Geothermie in die Karten: Die Umwandlung von Wärme aus der Erde in TÜV SÜD Journal 9


Titelstory

Drei Bücher, ein Thema: Geothermie und ihre Nutzung Geothermie Ein Überblick zu Nutzungssystemen der oberflächennahen und tiefen Geothermie, auch bezüglich ihrer Effizienz und potenziellen Umweltauswirkungen. Springer, 302 Seiten

Energy Efficient Buildings with Solar and Geothermal Resources Solar- und geothermische Energie in Haus- und Wohnungsbau: Wie lässt sich die Erdwärme für die Heizung und Kühlung von Gebäuden nutzen? Wiley, 604 Seiten

Erdwärmenutzung: Versorgungstechnische Planung und Berechnung Umfassende

Wo bleibt die Wärme? Wie viel Endenergie wird eigentlich für die Bereitstellung von Wärme (Heizen) und Kälte (Klimatisierung) in Gebäuden verbraucht? 2013, so das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), macht die Raumwärme, das heißt das Heizen, mit rund 80 Prozent in Deutschland den größten Anteil am Wärmebedarf aus. »Hier steckt also auch das größte Einsparpotenzial: Mit dem Dämmen von Dach, Kellerdecke oder Fassade, dem Austausch der Fenster oder der Modernisierung der Heizung sinken Verbrauch und Energierechnung gleichermaßen«, so das BMWi. Vor allem den privaten Haushalten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Mit fast zwei Dritteln (63 %) haben diese den größten Anteil am Wärmebedarf, gefolgt vom Gewerbe- und Dienstleistungssektor (28 %) und der Industrie (9 %). TÜV SÜD liefert hierzu Bestandsanalysen mit bauphysikalischen und energetischen Berechnungen, bewertet die baulichen Zustände und die installierte Technik und hilft so, vorhandene Schwachstellen und Energieverluste aufzudecken.

Darstellung der theoretischen Grundlagen und praktischen Erfahrungen zur Nutzung von Erdwärme für energietechnische Zwecke. Vde-Verlag, 180 Seiten

Effizienz

»Die Geothermie ist in Sachen unschlagbar. Es gibt praktisch keine Umwandlungsverluste.«

– Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer des Geothermiekraftwerks in Unterhaching bei München

Wärme beim Kunden zu Hause findet mit einem Wirkungsgrad von bis zu 92 Prozent statt. »In der Wärmeanwendung ist die Geothermie unschlagbar effizient«, so Geisinger, »es gibt praktisch keine Umwandlungsverluste.« Nur, so der Geschäftsführer weiter, solange die Energiewende vor allem als Stromwende und nicht als Wärmewende verstanden wird, zieht dieses Argument in der öffentlichen Diskussion nicht so recht. Geothermie vor der Haustür

Und das, obwohl die Geothermie ihr wahres Potenzial nicht allein mehrere Kilometer tief unter der Erdoberfläche, sondern eben auch knapp darunter, in 300 bis 400 Meter Tiefe, ausspielen kann. Dicht unter der Erdoberfläche beträgt die Temperatur im Mittel etwa zehn Grad Celsius und nimmt zum Erdinneren hin um etwa drei Grad pro 100 Meter Tiefe zu. Warm genug für die oberflächennahe Geothermie, die mit rund 316.000 privaten Anlagen allein in Deutschland eine thermische Gesamtleistung von knapp vier Megawatt erbringt. »Hinzu kommt: Die Oberflächengeothermie ist längst nicht so regional differenziert wie die Tiefengeothermie«, sagt der Geologe Hans-Joachim Betko, Projektleiter Umwelt Service bei TÜV SÜD. Während die großen Geothermiekraftwerke zu 80 Prozent auf dem Pazifischen Feuergürtel, in Japan, Indonesien, den Philippinen, Neuseeland, im Wesen der USA oder in Mexiko, stehen, findet die oberflächennahe Geothermie quasi vor der Haustür statt. »Die flache Geothermie – bis 100 Meter Tiefe – eignet sich vielfach hervorragend für private, die tiefe eher für industrielle Energienutzer«, so Betko. Island, die Insel, die eigentlich ein Vulkan ist, hat bereits eine weitere industrielle Anwendung entdeckt: 50 Kilometer südlich von Reykjavik schickt das Geothermiekraftwerk Svartsengi nämlich nicht nur weiße Dampfwolken gen Himmel, sondern auch jährlich 4.500 Tonnen CO2 in die benachbarte Powerto-Liquid-Anlage. Der Markenname des Methanols, das hier gewonnen und als synthetischer Kraftstoff genutzt werden soll, ist Programm: »Vulcanol«. Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/geothermie

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Titelstory

Aus Kohlendioxid wird Kraftstoff: Moderne Geothermiekraftwerke wandeln in Kombination mit sogenannten Power-to-Liquid-Anlagen CO₂ in synthetischen Kraftstoff um. In Island heißt dieser poetisch »Vulcanol«.

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Standpunkte

W

ir tun der Geothermie unrecht, wenn wir sie im Zusammenspiel der erneuerbaren Energien lediglich als eine Nische betrachten. Denn sie funktioniert, und das auch in der Masse: Fast 320.000 Anlagen – Erdwärmesonden oder -kollektoren in Verbindung mit Wärmepumpen – nutzen deutschlandweit die oberflächennahe Geothermie. Tendenz steigend. Zugegeben: Man hört und sieht nicht viel davon, die Schadensfälle halten sich in Grenzen, die Verbraucher sind zufrieden. Nicht zuletzt, weil die Oberflächengeothermie einen praktischen Beitrag zur Dezen­tralisierung der Energieversorgung leistet. Gleichzeitig sollten wir weiterdenken: Im Verbund mit den anderen erneuerbaren Energien könnte die Geothermie nicht nur eine Erzeugerfunktion, sondern auch eine Speicherfunktion erfüllen. Die Überschuss­energie, die zum Beispiel im Sommer bei hohem Strahlungseinfall dank der Solarthermie erzeugt wird, ließe sich durchaus in größere Tiefen einspeichern und im Winter wieder abrufen. Das ist alles andere als Zukunftsmusik, im Gegenteil: Das Energiekon­zept des Deutschen Bundestages funktioniert nach genau diesem Prinzip. Hier wird die überschüssige Wärme, die in den mit Biodiesel betriebenen Motoren aufgrund der gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung anfällt und weder zur Beheizung noch zur Kälteerzeugung benötigt wird, über zwei Bohrungen rund 300 Meter tief in eine wasserführende Gesteinsschicht eingeleitet. Das hat Vorbildcharakter und zeigt, wie tragfähig die Kombination aus Geothermie und anderen erneuerbaren Energien ist.

»Die Geothermie könnte nicht nur eine Erzeuger-, sondern auch eine Speicherfunktion erfüllen.«

STAND-

Prof. Dr. Ingrid Stober, Institut für Angewandte Geowissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie KIT

TIEF GRÜNDIG Zwei Meinungen zum Thema Erdwärme

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Standpunkte

G »Die Energiewende wird nur gelingen, wenn wir sie in erster Linie als Wärmewende verstehen.«

PUNKTE Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching GmbH

eothermie ist teuer, eine Bohrung in 3.000 Meter Tiefe kostet rund 10 Millionen Euro. Zwei Bohrungen werden in der Regel benötigt: eine, um das Wasser zu fördern, die andere, um das geförderte, abgekühlte Wasser zurückzuführen. Wenn man es plakativ ausdrücken möchte: Wer nach Öl bohrt, kann neun Mal danebenbohren – wird er beim zehnten Mal fündig, ist er ein reicher Mann. Bei der Geothermie wäre er nach nur einer misslungenen Bohrung finanziell erledigt. Im übertragenen Sinne müssen wir aber auch das festgefahrene Denken in unseren Köpfen ein wenig aufbohren: Deutschland ist kein klassisches Geothermieland, zumindest nicht, um mit der Erdwärme im großen Stil Strom zu erzeugen. In den Köpfen hat sich aber seit jeher die Gleichung »Energiewende = Stromwende« verfestigt. Diese Gleichung müssen wir auflösen. Für das Heizen verbrauchen die privaten Haushalte hierzulande mehr als 70 Prozent der gesamten Haushaltsenergie – die Energiewende wird in Deutschland daher nur gelingen, wenn wir sie in erster Linie als Wärmewende verstehen. Dafür ist die Geothermie prädestiniert. Sie ist eine ideale, zuverlässige, immer verfügbare Quelle. Sie ist zudem – zumindest in Unterhaching – anpassungsfähig: Durch den Parallelbetrieb von Wärme- und Stromerzeugung kann bei sehr hohem Wärmebedarf die Stromerzeugung eingestellt und umgekehrt außerhalb von Heizperioden wieder elektrische Energie erzeugt werden. All das kommt auf lokaler wie regionaler Ebene ausgesprochen gut an, den Sprung auf die nationale Agenda hat die Geothermie aber noch vor sich.

In der Tiefe liegt die Kraft. Dennoch braucht die breite Nutzung von Geothermie noch Entwicklungshilfe: Ihre Akzeptanz wird erst dann steigen, wenn all ihre Potenziale im Verbund mit anderen erneuerbaren Energien erkannt und genutzt werden.

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5 Minuten

TÜV SÜD-Geschäftsbericht unter Erweitertes Testangebot für den besten in ganz Deutschland ­Leder und Schuhe

Indische Normenorganisation ­akkreditiert TÜV SÜD-Labor

Auszeichnung für den aktuellen Geschäftsbericht von­ Neue Services im globalen Labornetzwerk von TÜV SÜD: TÜV SÜD: Beim renommierten Privat Public Award, verliehen Das Textilprüfungslabor im vietnamesischen Saigon (Ho-Chivon ergo kommunikation und der Wirtschaftsprüfungsgesell- Minh-Stadt) erweitert sein Angebot um Tests von Lederarschaft PKF Fasselt Schlage, wurde die Publikation aus dem tikeln und Schuhen. Unter anderem werden Prüfungen nach Frühjahr 2015 auf Platz zwei gewählt. Die Auszeichnung der europäischen Chemikalienverordnung REACH durchgeprämiert die besten Geschäftsberichte von Unternehmen in führt, außerdem chemische, physikalische und mechanische Untersuchungen. Stiftungs-, Vereins- und Privatbesitz.

Die TÜV SÜD-Prüflabore in Indien sind seit Oktober 2015 von der indischen Normenorganisation BIS akkreditiert und damit befugt, Tests für die verpflichtende Zulassung nach dem Compulsory Registration Scheme (CRS) durchzuführen. Die Zulassung umfasst unter anderem Mikrowellenöfen, elektronische Uhren und Laptops. Vorteil für die Kunden: eine schnelle und einfache Marktzulassung.

matthias.andreesen@tuev-sued.de

congminh.dinh@tuv-sud.vn

TÜV SÜD vergibt Innovationspreis im Umfeld Industrie 4.0

Das Unternehmen ViDi Systems aus der Schweiz ist Träger des zweiten TÜV SÜD Innovation Award for Digitized Industries. Die Auszeichnung wurde im Rahmen des Smart Factory Innovation Forums von TÜV SÜD und munich network vergeben. Der Preis zeichnet Unternehmen aus, die eine besonders erfolgversprechende Lösung rund um die Industrie 4.0 entwickelt und deren Marktfähigkeit bereits unter Beweis gestellt haben. Beides trifft auf ViDi Systems zu: Das 2012 gegründete Unternehmen hat eine komplexe Bildanalyse-Software entwickelt, mit deren Hilfe Maschinen ihre Umwelt wahrnehmen und daraus lernen können. Einsatzgebiete sind beispielsweise die Pharma- und Automobilindustrie sowie Logistikunternehmen. Mit der Verleihung des Innovationspreises unterstreicht TÜV SÜD auch das eigene Engagement im Umfeld der Industrie 4.0. Die TÜV SÜD Gruppe bietet unter anderem Dienstleistungen in den Bereichen Betriebssicherheit, ITSicherheit und Analytik an. Das Angebot umfasst Prüf- und Zertifizierdienstleistungen sowie Beratung und Schulung. armin.pfoh@tuev-sued.de

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biswas.shyamli@tuv-sud.in

Internationales Projekt für die Stadt von morgen

Die Vernetzung der Bereiche Energie, Verkehr und Kommunikation ermöglicht eine ganz neue Städteentwicklung. In Smart Citys soll mehr Lebensqualität bei geringerem Ressourceneinsatz verwirklicht werden. Im Rahmen des EU-Leuchtturmprojekts Triangulum arbeitet TÜV SÜD an einer standardisierten Kommunikation und einem Leitfaden, um erfolgreiche Geschäftsmodelle und neue Technologien auf andere Städte zu übertragen. Erste Projekte laufen in Manchester, Eindhoven und Stavanger und sollen setzen auf Leipzig, Prag und Sabadell übertraeine Vernetzung bisher getrennter gen werden. In Manchester entsteht ­Sensor-, Informations- und Mobil- unter anderem ein autarkes Energienetz, das ein Stadtviertel mit 72.000 funksysteme voraus. Studierenden künftig mit Wärme und Strom versorgt. Eindhoven installiert beispielsweise Sensoren zur bedarfsgerechten Steuerung des öffentlichen Nahverkehrs oder der Straßenbeleuchtung. Die Experten von TÜV SÜD bringen ihr Know-how aus der Bewertung von Immobilien und Liegenschaften sowie der Nachhaltigkeitszertifizierung in die Projekte ein. Das Projekt Triangulum läuft noch bis Januar 2020.

»SMARTE STÄDTE«

kai.tepe@tuev-sued.de


5 Minuten

Globaler Erfahrungsaustausch zu Energiethemen TÜV SÜD ist Mitglied im Weltenergierat – Deutschland, dem nationalen Mitglied für die Bundesrepublik Deutschland im World Energy Council (WEC). Ihm gehören Unternehmen der Energiewirtschaft, Verbände, wissenschaftliche Institutionen sowie Einzelpersonen an. Der WEC wurde im Jahr 1923 mit Sitz in London gegründet. Ihm gehören rund 90 nationale Komitees an, ganzheitliche Serviceleistungen die über 90 Prozent der weltweiten Energieerfür eine sichere, zuverlässige und zeugung repräsentieren. Damit ist der WEC eine zentrale Plattform für die Diskussion globaler nachhaltige Energieerzeugung. und langfristiger Fragen aus Energiewirtschaft, Energiepolitik und Energietechnik. Als nicht staatliche, gemeinnützige Organisation bildet der WEC ein weltweites Kompetenznetz, das in Industrieländern, Schwellenländern und Entwicklungsländern aller Regionen vertreten ist.

Hotelzug für Fußball-­ Weltmeisterschaft 2018

TÜV SÜD BIETET

Minuten thomas.oberst@tuev-sued.de

mit TÜV SÜD

GreenFleet Award belohnt ökologisches Denken Konsequenter Umstieg auf Elektrofahrzeuge, strenge Grenzen für den CO2-Ausstoß der Geschäftswagen und die Einbeziehung von Fahrrädern in den Werksverkehr – drei Beispiele, wie Flottenbetreiber sich ohne Wenn und Aber für den Klimaschutz engagieren. Sie wurden im Herbst 2015 mit dem achten GreenFleet Award der TÜV SÜD-Tochter FleetCompany GmbH ausgezeichnet. Geehrt wurden die Unternehmen bridgingIT für ihr Engagement rund um die Elektromobilität, das Gesundheitsunternehmen MSD, das mit einem neuen Fuhrparkkonzept einen CO2-Durchschnitt von 110 Gramm pro Kilometer anstrebt, sowie die Wacker Chemie AG. Das Chemieunternehmen stellt seinen Mitarbeitern unter anderem mehrere Tausend Fahrräder zur Verfügung und setzt auf Mitfahr- und Pendeldienste. Damit schonen alle drei Preisträger nicht nur die Umwelt, sondern sparen – etwa über die Spritkosten – auch jede Menge Geld. arnd.martin@tuev-sued.de

Noch drei Jahre, dann richtet Russland die Fußball-Weltmeisterschaft aus. Bei dem sportlichen Großevent im Jahr 2018 werden auch mehrere Hotelzüge zum Einsatz kommen, die als Nachtreisezüge mit bis zu 200 km/h unterwegs sein werden. Auf der 1.800 km langen Strecke von Moskau nach Berlin spart dieser Talgo rund 30 Prozent Reisezeit gegenüber den bisherigen Zügen ein. TÜV SÜD begleitet die Zulassung und die Inbetriebnahme des Talgo und koordiniert die für das Genehmigungsverfahren erforderlichen Prüfungen. Untersucht werden unter anderem die Brems- und Fahrtechnik, die Aerodynamik und die Akustik. Dafür wird der Hotelzug mit aufwendiger Messtechnik ausgestattet und auf gesonderten Prüfgleisen sowie im öffentlichen Streckennetz getestet. Die Inbetriebnahme des TalgoZugs ist bereits für das Jahr 2016 geplant. jennifer.paulin@tuev-sued.de

Sichere Schwergewichte auf Deutschlands Straßen Lkw und Busse in Deutschland haben ein hohes technisches Sicherheitsniveau. Das zeigen der TÜV Lkw-Report 2015 und der TÜV Bus-Report 2015, die im Herbst dieses Jahres vorgestellt wurden. Jeweils deutlich mehr als 80 Prozent aller Fahrzeuge schaffen die vorgeschriebene Hauptuntersuchung nach einem Jahr auf Anhieb. Sorgen bereitet nur das Licht: Defekte oder nicht voll funktionsfähige Beleuchtungsanlagen zählen zu den häufigsten Mängeln – bereits bei Fahrzeugen, die nur ein Jahr alt sind, liegt die Mängelquote hier bei 3,1 Prozent (Busse) bzw. 5,6 Prozent (Lkw). Trotzdem zeigt die Untersuchung: Die Schwergewichte auf den Straßen zählen zu den sichersten Verkehrsmitteln. In die Untersuchung, die vom Verband der TÜV e.V. erstellt wird, fließen die Daten von mehr als 1,1 Millionen Lkw-Hauptuntersuchungen und über 50.000 Prüfungen von Reise-, Überland- und Linienbussen ein. TÜV SÜD hat rund 40 Prozent der Datensätze zur Verfügung gestellt. juergen.wolz@tuev-sued.de, dieter.roth@tuev-sued.de

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Auf die Probe

AUF DIE PR O B E

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Vernetztes und automatisiertes Fahren soll den Straßenverkehr effizienter und sicherer machen. Zugleich birgt die Digitalisierung des Automobils auch Risiken. Die Zeit ist reif für neue Testverfahren und zertifizierte IT-Sicherheitsstandards. Text: Lothar Schmidt

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Auf die Probe

MEHR ZUM THEMA

IN UNSERER MAGAZIN-APP

E

Automatisiertes und vernetztes Fahren gehören zusammen. Der permanente Datenaustausch wird die Mobilität der Zukunft prägen. Die Sicherheit des Automobils muss deshalb neu definiert werden.

HRER

rst bläst die Lüftung Andy Greenberg plötzlich kalt ins Gesicht. Dann dröhnt auf einmal die Musikanlage. Dem Redakteur des US-amerikanischen Technikmagazins »Wired« gelingt es nicht, das Entertainmentsystem seines Jeep Cherokee leiser zu drehen. Ein Hackerangriff mit Ansage. Die Sicherheitsexperten Charlie Miller und Chris Valasek zeigen Greenberg, wie einfach sie mit Laptop und Smart­phone ein Fahrzeug kontrollieren können. Nur wenige Tage nach dieser »feindlichen Übernahme« meldete die BBC, dass einige Fahrzeuge über ihr Digitalradio (DAB) angreifbar seien. Nicht weniger besorgniserregend ist der Fall, der Anfang 2015 bekannt wurde: Einem Techniker war es im Auftrag des ADAC gelungen, das Online-System »Connected Drive« von BMW zu knacken. Potenziell wäre es möglich gewesen, die Türen von 2,2 Millionen BMW, Rolls Royce und MINI zu öffnen. Dass der Missbrauch digitaler Fahrzeugtechnik viele Facetten haben kann, zeigte der Skandal um Dieselfahrzeuge der Volkswagen-Gruppe. Durch die manipulierten Abgaswerte von rund elf Millionen Fahrzeugen wurden nicht nur Käufer getäuscht, auch der bis dahin tadellose Ruf deutscher Industrieprodukte bekam Kratzer ab. Sicherheitsrisiken durch Vernetzung

Je weiter die Digitalisierung des Automobils voranschreitet, desto größer wird potenziell die Gefahr von Software-Manipulationen und Cyberattacken. Der Einsatz digitaler Fahrzeugtechnik – von Fahrassistenzsystemen bis hin zu sich selbststeuernden Fahrzeugen – wird wie zuletzt auf der Internationalen AutomobilAusstellung IAA als Königsweg für die Mobilität von morgen angesehen. Die weltweit steigenden Zulassungszahlen machen es notwendig, die verbleibenden Verkehrsräume effizienter zu nutzen und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. So könnte nach einer Studie des PWC Insurance Monitor die Zahl der Unfälle durch Abstandsregeltempomaten innerorts bereits um 32 Prozent sinken, wenn 19 Prozent aller Fahrzeuge mit dieser Technik ausgestattet wären. So weit, so gut. Doch was, wenn sich die Technik, die eigentlich Risiken minimieren soll – und dies in den meisten Fällen auch tut – selbst zum Risiko entwi-

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Auf die Probe

Beim automatisierten Fahren müssen digitale Assistenzsysteme auch mit komplexen Verkehrssituationen zurechtkommen.

»Die Sicherheit der Fahrzeuginsassen steht immer an erster Stelle. Das gilt natürlich auch beim Thema

IT-Sicherheit.« – Ulrich Eichhorn, VDA ckelt? Wird das Plus an Sicherheit und Entspannung, die die neuen Techniken versprechen, mit der Angst vor Cyberangriffen und Kontrollverlust erkauft? Automatisiert fahrende Autos stehen kurz vor der Serienreife: Die nächste Generation des Audi A8 soll teilautonomes Fahren bis 60 km/h erlauben. Daimler hat schon 2014 Journalisten mit einer sich selbststeuernden S-Klasse durch Los Angeles kutschiert. Und der US-Hersteller Tesla will 2016 ein Software-Update anbieten, mit dem das Model Tesla S ohne aktiven Fahrer durch den Verkehr steuern könnte. Mit ähnlichen Konzepten drängen die Technologiekonzerne Google und Apple in den Markt. Welche Gefahren drohen?

Um das IT-System des Jeep Cherokee zu knacken, haben Miller und Valasek ein Jahr lang die Elektronik des Fahrzeugs nach Schwachstellen durchsucht. Die Gefahr, dass sich Unbekannte über das Infotainmentsystem spontan Zugang zu Steuerungssystemen verschaffen, ist daher unwahrscheinlich. Außerdem haben Fiat Chrysler Automobiles, zu 18 TÜV SÜD Journal

dem die Marke Jeep gehört, wie auch BMW die jeweiligen Sicherheitslücken inzwischen behoben. Hacker wie Miller und Valasek hätten auch bei Google keine Chance, erklärt ein Sprecher des Unternehmens: »Zum Beispiel findet jegliche Kommunikation mit dem Auto über einen verschlüsselten Kanal statt, und es gibt darüber hinaus eine Beschränkung dafür, welche Befehle überhaupt aus der Ferne gegeben werden können.« Ähnlich argumentiert auch Dr.-Ing Ulrich Eichhorn, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie. »Die Sicherheit des Fahrzeugs und der Fahrzeuginsassen steht immer an erster Stelle. Das gilt natürlich auch beim Thema IT-Sicherheit im Fahrzeug.« Um diese zu gewährleisten, »wird zum Beispiel eine Verschlüsselungstechnik mit speziellen Signaturen eingesetzt. Diese spezifischen Schlüssel braucht jeder, der Informationen an das Auto übertragen will. Und die Gegenstelle muss sie erkennen und akzeptieren«. Das bedeutet auch: Die Sicherheitsstandards für Software und Digitaltechnik im Auto werden in Zukunft noch viel wichtiger

werden – nicht zuletzt aufgrund der schieren Wucht dieses Innovationsschubs. Automobilexperten gehen davon aus, dass bereits in fünf Jahren weltweit rund 250 Millionen Fahrzeuge vernetzt sein werden. Für die Automobil- und Technologiekonzerne sind diese »connected cars« vor allem wegen ihrer Datenproduktion ein wichtiger Zukunftsmarkt. Davon ist auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft überzeugt: »After-SalesServices und periphere Dienste werden in Zukunft mehr Umsatz erbringen als der Verkauf des Fahrzeugs selbst«, heißt es in einem Positionspapier zum vernetzten Auto. Typisch für derartige Transformationsphasen: Viele Fragen sind noch ungeklärt. Wie weit dürfen etwa Bewegungs- und Standortdaten aus dem digitalen Auto von der Polizei oder dem Arbeitgeber genutzt werden? Und in welchem Umfang dürfen die Technologie- und Automobilkonzerne diese Daten vermarkten? Einheitliche Standards notwendig

Nicht nur beim Thema Datenschutz ist der rechtliche Rahmen noch abzustecken. Auch wenn die Systeme, etwa für automatisiertes Fahren auf der Autobahn, schon jetzt relativ sicher scheinen: Kein System ist fehlerfrei, auch autonome Fahrzeuge werden in Unfälle verwickelt sein. Nur, wer haftet, wenn ein Computer das Fahrzeug lenkt, und nach welchen – auch ethischen – Kriterien soll die Technik in Konfliktsituationen entscheiden? Damit sich die Sicherheitsversprechen des automatisierten Fahrens erfüllen, braucht es mehr als das Know-how von Ingenieuren und Software-Entwicklern. Realitätsnahe Testverfahren und zertifizierte IT-Sicherheitsstandards sind notwendig, damit die Mobilität der Zukunft nicht zur Geisterfahrt wird. Mehr zum Thema: www.tuev-sued.de/it-security


Auf die Probe

NEURALGISCHE PUNKTE DER IT

Cyberattacken auf kritische Infrastrukturen sind der Albtraum der digitalisierten Gesellschaft. Aber wie kann man sich vor Angriffen auf Kraftwerke, Krankenhäuser & Co. schützen? Anfang 2015 gelang es Unbekannten, in das Netzwerk des Deutschen Bundestags einzudringen. Im selben Jahr legten Islamisten den französischen Sender TV5 Monde zeitweise lahm. Und bereits 2014 sollen Unbekannte versucht haben, Schadsoftware in die Systeme von Energieunternehmen einzuschleusen, um so Zugriff auf hochsensible Steuerelemente zu bekommen. Neues IT-Sicherheitsgesetz Die Gefahren, denen öffentliche und private Institutionen ausgesetzt sind, mögen aus der virtuellen Welt kommen – sie sind aber real. Je weiter die Digitalisierung voranschreitet, desto größer wird das Risiko für sogenannte kritische Infrastrukturen (KRITIS). Sabotage, Spionage, Erpressung, Terrorismus – die Digitalisierung hat ein Feld ungeahnter krimineller Möglichkeiten eröffnet. KRITIS sind die Lebensadern der Gesellschaft, »bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden«, so das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Um Institutionen und Unternehmen mit kritischer Infrastruktur besser abzusichern, gilt seit Juli 2014 in Deutschland das IT-Sicherheitsgesetz. KRITIS-Unternehmen sind aufgefordert, ihre digitalen Sicherheitssysteme »auf den Stand der Technik« zu bringen. Außerdem müssen Angriffe auf die Sicherheitsstruktur künftig dem BSI gemeldet werden.

Beim Aufbau eines Managementsystems für Informationssicherheit (ISMS) werden zum Beispiel Strom- und Gasnetzbetreiber von TÜV SÜD unterstützt. Diese müssen bis zum 31. Januar 2018 ihre Sicherheitssysteme anpassen. Im Zentrum steht dabei die Umsetzung des IT-Sicherheitsgesetzes nach den Normen ISO/IEC 27001 und 27002 sowie der ISO 27019. Ziel ist es, »Risiken so weit wie möglich bereits im Vorfeld von Ereignissen zu erkennen«, erklärt Rainer Arnold, Projektleiter für industrielle IT-Sicherheit bei TÜV SÜD. Dazu hat das Unternehmen ein Fünf-Phasen-Konzept entwickelt, das von der Risikoanalyse und -bewertung bis zur Zertifizierung der Sicherheitssysteme reicht. (www.tuev-sued.de/industrie/risikomanagement) Rainer Arnold betont, dass im Bereich der industriellen Fertigung viele Unternehmen noch Nachholbedarf haben. »Mit der immer stärkeren Einbeziehung der operativen Seite in die Vernetzung – Stichwort Industrie 4.0 – müssen Bereiche nicht nur vor externen Zugriffen wie Spionage und Datenmanipulationen geschützt werden, sondern auch die Mitarbeiter müssen auf die neuen IT-Sicherheitsbelange hin besonders geschult werden«, so der Experte. Selbst nach einem entdeckten Angriff und den sich anschließenden »Säuberungs«-Maßnahmen aller Systeme lässt sich oft nicht sicherstellen, dass ein Netzwerk frei von Schadprogrammen ist, noch herausfinden, wer die Täter oder Auftraggeber waren. Nach dem Angriff ist vor dem Angriff – so sehen das auch die IT-Techniker des Bundestags, dessen Netz im Juni 2015 erneut attackiert wurde.

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Auf die Probe

» INNOV

UNSI

Dr. Rainer Frietsch leitet das Geschäftsfeld »Innovationsindikatoren« des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Es erforscht die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Kernfrage: Warum entstehen Innovationen und wie wirken sie?

20 TÜV SÜD Journal


Auf die Probe

AT­­­IONEN HASSEN

CHERHEITEN« Eine Erfindung kann noch so grandios sein – wenn sie niemand haben will, ist sie wertlos. Darum brauchen Wirtschaft wie Wissenschaft zielgerichtete Innovationsförderungen und die Erkenntnis: Manchmal bewirkt eine Innovation der kleinen Schritte mehr als der ganz große Wurf. Interview: Timour Chafik

Dr. Frietsch, Deutschland wurde 2014 Fußballweltmeister – wird es 2015 auch Innova­tionsweltmeister? In unserem Innovationsindikator erreicht Deutschland nur 56 von 100 möglichen Punkten – wobei kein Land alle erreicht. Wer belegt die vorderen Plätze? Die Schweiz, Schweden, Finnland, Belgien, Singapur. Erst dann folgen die großen Industrienationen: Deutschland auf Platz 6, die USA auf Platz 13, Japan auf Rang 20. Wer innovativ sein will, muss heute mehr tun, als etwas Tolles erfinden. Was genau meinen Sie? Heute wird eine Idee erst dann zur Innovation, wenn sie am Markt bestehen kann. Ein Patent ist erst dann etwas wert, wenn sich damit Geld verdienen lässt. Also macht erst der wirtschaftliche Erfolg aus einer Idee eine Innovation? Nach unserer Definition ist es so: Denn wer weiß schon in der Theorie, ob sich eine Idee in der Praxis erfolgreich vermarkten lässt? Um solche Unsicherheiten im Innovationsprozess zu mildern, kann beispielsweise der Staat entsprechende Rahmenbedingungen und Anreize schaffen, damit auch tatsächlich in Forschung und Entwicklung investiert wird. Denn Innovationen hassen nichts mehr als Unsicherheiten. Ein aktuelles Beispiel, bitte! Alternative Antriebe: Welches Konzept wird sich durchsetzen: Hybrid, reine Elektromo-

»Viele Ideen

werden für Konzepte entwickelt, die dem zukünftigen Wettbewerb nicht standhalten können.« – Innovationsforscher Dr. Rainer Frietsch

bilität mit Batterie oder Elektromobilität mit Brennstoffzellen? Auch wenn es erst einmal sicher sinnvoll ist, dass verschiedene Technologien nebeneinander entwickelt werden, damit sich schließlich ein sogenanntes dominantes Design durchsetzen kann, ist das nicht effizient und kostet erst mal Geld. Viele Ideen werden für Konzepte entwickelt, die dem zukünftigen Wettbewerb nicht standhalten können.

tromobilität und das Smart Grid zum Beispiel: alles Innovationskonglomerate, die sich in der Genese neuer Infrastrukturen, neuer Ökosysteme, neuer Märkte niederschlagen. Aber in den seltensten Fällen ist von vornherein klar, wie radikal, wie revolutionär eine Innovation tatsächlich sein wird. Die schrittweisen Innovationen hingegen sind das, was die Wettbewerbsfähigkeit sichert. Darin sind die deutschen Unternehmen recht gut.

Das klingt, als wären Innovationen weniger ein Big Bang als das Ergebnis kleiner Schritte. Die meisten Innovationen finden tatsächlich schrittweise statt. Ein großer Wurf ist selten und meist auch nur im Rückblick als solcher zu bewerten.

Warum? Weil sie sowohl explizites Wissen, also was man lernen und nachlesen kann, als auch implizites Wissen direkt im Arbeitsprozess umsetzen. Sie betreiben eine Art »Innovation by doing«, nehmen dabei eher eine Helikopterperspektive ein, indem sie ihren Blick auch auf die beigeordneten Dienstleistungen richten und nicht nur auf die eigentliche Technologie. Sie betrachten das Ganze und fragen sich, welche Lösung zu welchem Kundenproblem passt. Dann stellen sie sich flexibel auf das ein, was der Kunde braucht, und machen so aus einer guten Idee auch wirklich eine Innovation.

Was waren solche großen Würfe? Die Glühbirne war einer, aber heute werden solche singulären Innovationen immer seltener – wir sehen vielmehr übergeordnete technologische Entwicklungen, in denen die Einzelinnovation gar nicht mehr so deutlich herausragt. Erneuerbare Energien, die Elek­

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Auf dem Weg

M AUF DE W EG

ÜV SÜD #22 Mit T iste auf die P nen im h #24 Dro Anflug

SPORTLICH

UNTER Ende der 1960er-Jahre begann TÜV SÜD mit der Prüfung von Skibindungen. Heute testet der Konzern eine breite Palette an Sportgeräten. Ein Streifzug durch ein halbes Jahrhundert Entwicklung im Ski- und Freizeitsport.

60ER UND 70ER: KNOCHEN SCHONEN Wer während der 1960er-Jahre das Skifahren gelernt hat, erinnert sich noch an kurze Leder-Skischuhe, Holz-Ski mit Drahtseilbindung und Riemensicherungen, die einem bei einem Sturz die Ski um die Ohren fliegen ließen. TÜV SÜD begann damals mit der Prüfung von Ski-Ausrüstungen. Ergebnis: Es gibt viel zu verbessern. An der Entwicklung von Sicherheitsbindungen, Skistoppern und knochenschonenden Schuhen mit hohem Schaft ist das Unternehmen maßgeblich beteiligt.

DIE 90ER: NEUE FRAGEN Während der 1990er-Jahre kommt es im Skisport vermehrt zu Kreuzbandverletzungen, weil die hochgezogenen Skischuhe den Belastungsdruck auf das Kniegelenk verlagern. TÜV SÜD hilft bei der Verbesserung der Schuhkonstruktionen. Ungewöhnliche Fragen tun sich beim Snowboarding auf: Hier kommt es darauf an, dass die Bindung bei einem Sturz nicht aufgeht. »Schraubenausreißfestigkeit« wird ein neues Prüfthema.

DIE 80ER: DIE BINDUNG MACHT‘S

Die Zahl der Knochenbrüche im Skisport geht während der 1970er-Jahre stark zurück – für die Ansprüche des »TÜV« nicht genug. Ursache: Häufig kommt es zu Fehleinstellungen der Bindung. TÜV SÜD engagiert sich für eine Einstellrichtlinie – die Bindung wird nun auf Basis der Knochendicke des Fahrers eingestellt. Neue Sportgeräte werden bei jüngeren Leuten immer beliebter: Skateboard und Mountainbike. 22 TÜV SÜD Journal

Mehr zum Thema: www.tuev-sued.de/ spiel_sport_freizeit


Auf dem Weg

WEGS DIE NULLER JAHRE: SCHUTZ BEI CRASH Carving-Ski kommen in Mode. Plötzlich stehen hohe Kurvengeschwindigkeiten und schnellere Richtungswechsel auf der Piste im Mittelpunkt. Damit kommen sich Skifahrer und Snowboarder auf den Pisten noch mehr als bisher in die Quere. Mit der Konsequenz, dass der Schutz der Fahrer bei Kollisionen immer wichtiger wird. Für TÜV SÜD rückt die Prüfung von Helmen in den Fokus. Heute haben sich Helme als fester Bestandteil der Ski- und Snowboardausrüstung durchgesetzt.

HEUTE: BREITES SPEKTRUM Von den ersten Anfängen rund um die Prüfung von Skiern hat sich rund um den Freizeitsport ein breites Aufgabenfeld für die TÜV SÜD-Experten entwickelt. Sie prüfen heute nahezu alle populären Sportgeräte – von Kickboards über Heimtrainer bis hin zu Sporttextilien. Eine der nächsten großen Herausforderungen im Freizeitsport werden die neuen E-Mountainbikes – und die zu erwartende Leistungsentwicklung ihrer Motoren. TÜV SÜD Journal 23


Auf dem Weg

NEUE

IDEEN IM ANFLUG Drohnen werden immer populärer: Hobbypiloten entdecken die ferngesteuerten MiniHubschrauber als Freizeitvergnügen, immer mehr Unternehmen entwickeln wirtschaftlich interessante Einsatzmöglichkeiten. Wo aber darf man fliegen, was gilt es zu beachten?

Text: Ingo Hildebrand

EINSATZMÖGLICHKEITEN FÜR DROHNEN

24 TÜV SÜD Journal

PAKETZUSTELLUNG OHNE POSTBOTE

LANDWIRTSCHAFT VON OBEN

Logistikunternehmen fliegen auf die Idee, Pakete künftig per Drohne auszuliefern. DHL, Amazon und die Schweizerische Post starteten Pilotprojekte. Technische Voraussetzungen sind eine hohe Tragfähigkeit, lange Akkulaufzeiten und autonomes Fliegen. Darüber hinaus müssen vor allem noch umfangreiche rechtliche Fragen geklärt werden. Und damit rückt die Einführung erst einmal in weite Ferne.

Drohnen sind gerade in unwegsamem Gelände ein Segen für die Landwirtschaft: So nutzen Weinbauern die Fluggeräte an Mosel-Steilhängen, um Reben und Weinstöcke zu kontrollieren. Auch das Ausbringen von Dünger und Pflanzenschutzmitteln ist möglich, sofern die Traglast der Drohnen den Transport ermöglicht. Selbst in der Forstwirtschaft helfen Drohnen – sie werfen Baumsetzlinge aus der Luft ab.


Auf dem Weg MEHR ZUM THEMA

IN UNSERER MAGAZIN-APP

»Hobbypiloten fliegen mit ihren Drohnen oft in juristischen

Grauzonen.« – Ralf Rösler, Rechtsanwalt

E

nrique Iglesias wird seine Begegnung mit einer Drohne so schnell nicht vergessen. Von einem Auftritt in Mexiko bleiben dem Popstar schmerzhafte Erinnerungen – und Narben an der Hand. Als er eine Kameradrohne beim Livekonzert – als Teil der Show – aus der Luft fangen will, zerfetzen ihm die Rotoren einige Hautpartien. Mit blutigem Verband spielt er sein Konzert schließlich weiter. Dabei streift die Drohnentechnik gerade ihr gefährliches Image zunehmend ab und ist auf dem Sprung aus dem düsteren Schatten der militärischen Nutzung heraus. Für friedliche Belange verwendet, gelten die unbemannten Flugobjekte inzwischen vielmehr als Heilsbringer, teils sogar im Wortsinn. So erprobte der Paketdienstleister DHL beispielsweise mit einer Transportdrohne erfolgreich die schnelle Zustellung von Medikamenten aus der Luft. Weil die Anwendungsmöglichkeiten noch relativ neu sind, durchfliegen viele Drohnenpiloten immer wieder »juristische Grauzonen«, so der Rechtsanwalt Ralf Rösler. Denn nicht immer halten die gesetzlichen Regelungen mit der technischen Entwicklung Schritt. Dennoch bietet das be-

stehende Recht Orientierung. Fliegt der Anwender rein privat, benötigt er grundsätzlich keine Genehmigung, sofern das Gerät nicht mehr als fünf Kilogramm wiegt und stets in Sichtweite geflogen wird. Selbst Kinder dürfen demnach – unter Aufsicht – Pilot spielen. Vorsicht bei Bildern auf Facebook

Datenschutzrechtlich ist eine familiäre oder persönliche Nutzung grundsätzlich zulässig. »Lädt man seine privaten Luftbilder bei Facebook hoch, verlässt man aber diesen Bereich« mahnt Rösler. Er empfiehlt darüber hinaus größte Zurückhaltung, was das Fotografieren aus der Luft und das Überfliegen fremder Grundstücke anbelangt. Juristisch könne es bereits kritisch werden, sobald eine Kamera an Bord ist, auch wenn gar nicht fotografiert wird. »Hier ist oft der Einzelfall entscheidend, die Gesetze sind teilweise noch sehr grobmaschig«, sagt er. Vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht über das Urheberrecht bis zum Datenschutz reichen die anwendbaren Vorschriften. Auf rechtlich sicherem Terrain in der Luft bewegen sich gewerblich motivierte Drohnenpiloten, wenn sie sich eine sogenannte Aufstiegsgenehmigung von der je-

KONTROLLE DURCH DAS FLIEGENDE AUGE

WIE DROHNEN SICH IHR EIGENES NETZ SPINNEN

Warum selbst aufs Dach, auf den Mast oder das Windrad klettern, wenn die Drohnenkamera die Dinge genauso gut erspähen kann? Ein Projekt zur Kontrolle von Windenergieanlagen per Drohne hat TÜV SÜD kürzlich erfolgreich abgeschlossen. Der Energiekonzern RWE fliegt bereits ferngesteuert seine Hochspannungsleitungen ab und bietet einen Check von Photovoltaikanlagen mit Thermografie-Drohnen an.

Voraussetzung für viele Anwendungen ist das autonome Fliegen. Dazu benötigt man Datennetze zur Orientierung. Zurzeit wird meist nach den satellitengestützten GPS-Signalen geflogen. Zukünftig könnten auch WLAN- und Mobilfunknetze genutzt werden. Ebenso könnten Drohnen selbst für einen Netzaufbau sorgen, indem sie satellitenähnlich in größerer Höhe Signale übermitteln.

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Auf dem Weg

Je nach Modell lassen sich die Drohnen mit herkömmlicher Fernbedienung oder per Computer oder Smartphone steuern.

weils zuständigen Landesbehörde erteilen lassen. Hier greifen Vorgaben des Luftverkehrsgesetzes und der Luftverkehrsordnung. In diesem Fall ist eine separate Versicherung obligatorisch. Dass sich für Unternehmen dieser bürokratische Aufwand für das Drohnenfliegen schon heute lohnen kann, zeigen Anwendungsbeispiele aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen. Mit dem Thema Versicherung müssen sich auch Hobbypiloten beschäftigen, denn in Deutschland ist eine Haftpflichtversiche-

rung auch für privat genutzte Fluggeräte Pflicht. Da herkömmliche Haftpflichtversicherungen dies in der Regel nicht abdecken, empfiehlt sich eine spezielle Drohnenversicherung. Kosten: zwischen 50 und 150 Euro pro Jahr. Bleibt noch zu klären: Wo darf man fliegen und was muss man dabei beachten? Für Hobbydrohnen gelten im Prinzip die gleichen Regeln wie für Modellflugzeuge. Verbindliche Vorgaben macht die Deutsche Flugsicherung für die 16 großen Verkehrs-

flughäfen in Deutschland: Der Mindestabstand zum Flughafenbereich muss 1,5 Kilometer betragen, der Pilot muss Sichtkontakt zur Drohne haben – darf also nicht nachts fliegen. Und: Hobbydrohnen dürfen maximal 30 Meter hoch steigen. Darüber hinaus können von den Bundesländern Flugverbotszonen definiert werden – etwa über Kraftwerken, Gefängnissen sowie Polizei- oder Militärgebäuden. Außerdem dürfen Menschengruppen im Umkreis von 100 Metern nicht überflogen werden. In Konzertarenen aber offenbar schon. Immerhin: Enrique Iglesias‘ Hand soll inzwischen wieder verheilt sein. Ob er aber die Show mit der Drohne in seinen nächsten Konzerten wiederholen wird? Lieber nicht.

Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/drohnen-pruefen-windenergieanlagen

»AUFKLÄREN IST BESSER ALS VERBIETEN« Meldungen über Drohnen, die den Flugverkehr behindern oder Schäden verursachen, häufen sich. Informatik-Experte Sven Manske warnt vor überzogenen Reaktionen. Was empfehlen Sie, um die Gefahren, die von den Fluggeräten ausgehen können, in den Griff zu bekommen? Wir müssen dafür bei den Anwendern ein Bewusstsein schaffen und zunächst einmal elementares Wissen vermitteln. Die Technik ist leicht verfügbar, funktioniert und fasziniert, da fliegen viele einfach drauflos, ohne groß über die Konsequenzen nachzudenken. Das ist ähnlich wie mit dem Internet: Die neuen Möglichkeiten begeistern, aber erst im nächsten Schritt wird überlegt, was zum Beispiel Such- oder Social-Media-Dienste alles mit meinen Daten anstellen können. Wäre also eine Art Drohnenführerschein das richtige Mittel? Vom Reglementieren halte ich grundsätzlich nicht so viel. Ich würde lieber die Eigenverantwortung der Nutzer stärker in den Mittelpunkt stellen. Es gibt ja auch keinen Küchenmesserführerschein, nur weil man 26 TÜV SÜD Journal

damit im schlimmsten Fall morden kann. Aufklären ist besser als verbieten. Verbote behindern die Entwicklung. Und in der Drohnentechnik steckt noch viel Potenzial. Ich sehe eher den Nutzen: Die Katastrophe von Fukushima wurde zum Beispiel zunächst nur durch einen illegalen Drohnenflug über den zerstörten Reaktor in ihrem ganzen Ausmaß aufgedeckt. Mit welchen Mitteln wollen Sie denn für Aufklärung sorgen? Ich würde auf jeden Fall schon in der Schule damit beginnen. Und da sehe ich das Thema »Sicherer und verantwortungsvoller Umgang mit Drohnen« nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit anderen technikgetriebenen Themen in den Bereichen Computernutzung, Facebook, Youtube oder Smartphone-Kameras. Als Lehrmittel eingesetzt, können Drohnen theoretische Inhalte zudem spannend machen.

Sven Manske Durch seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Duisburg-Essen gilt Sven Manske als Experte für Drohnentechnik und deren zivile Nutzungsmöglichkeiten. Insbesondere das autonome Fliegen interessiert den Diplom-Informatiker in diesem Zusammenhang. An der Universität betreut er das E-Learning-Projekt go-lab (www. go-lab-project.eu). Das EU-weite Projekt orientiert sich am forschend-entdeckenden Lernen und unterstützt vielfältige experimentelle Aktivitäten in den MINT-Fächern. Hier kommen bei Anwendungsbeispielen auch Drohnen und die autonome Steuerung der Fluggeräte ins Spiel.


Vor Ort

Menschen:

Sicheres Rezept

Z

Namrata Gupta ist Lebensmittelexpertin im TÜV SÜDLabor im nordindischen Gurgaon. »Ich bin glücklich, zur Lebensmittelsicherheit in Indien beitragen zu können.«

u den Zutaten eines ordentlichen Rajma-Curry gehören unter anderem rote Kidneybohnen, Zwiebeln, Ingwer, Knoblauch, rote Chilischoten, Masalapulver und Tomaten. Nach etwa 30 Minuten Kochzeit ist das würzige vegetarische Gericht aus der reichhaltigen Küche Nordindiens fertig. Dazu gibt es duftenden Basmatireis. »Ich koche gerne selbst«, erzählt Namrata Gupta. »Rajma mit Reis ist eines meiner Lieblingsgerichte.« Mit dem Thema Essen kennt sich die 35-jährige Expertin bestens aus. Sie leitet das Lebensmittellabor von TÜV SÜD in Gurgaon, einer Metropole südwestlich der Hauptstadt NeuDelhi. Seit neun Jahren ist die studierte Lebensmittelwissenschaftlerin bei TÜV SÜD in Indien tätig – und immer noch begeistert von ihrem Job, der viele verschiedene Aufgaben in sich vereint: Management, Organisation und die Arbeit mit Technikern und Chemikern im Labor. Dort werden Getränke und Lebensmittel wie Fleisch und Milchprodukte, Fisch und Meeresfrüchte, Zerealien und die in der indischen Küche so beliebten Gewürze mit modernster Technik analysiert – zum Beispiel auf Giftstoffe, Schwermetalle, Rückstände von Antibiotika, Pestizide, Dioxine, Hormone, Bakterien, Pilze und Allergene. Sogar Lebensmittelverpackungen werden getestet. »Wir untersuchen jedes Produkt, das Sie in einem Supermarkt in Indien kaufen können«, sagt sie stolz. Internationale Lebensmittelkonzerne, die nach Indien exportieren, gehören ebenso zu ihren Kunden wie Produzenten, Supermärkte und Straßenmärkte aus der Region. Mit dem Aufschwung der indischen Wirtschaft verändern sich Essgewohnheiten breiter Bevölkerungsschichten und damit auch der Markt für Lebensmittel. »Mit neuen Produkten kommen auch zusätzliche Regulierungsauflagen«, berichtet Namrata Gupta. »Ich bin glücklich mit meinem Job. Und darüber, zur Lebensmittelsicherheit in Indien beitragen zu können.« Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/lebensmittel TÜV SÜD Journal 27


Auf den Punkt

N AUF DE T K PU N SÜD #28 TÜV a rsund die M mission

FAHRENDER

BOHRER

»ExoMars« soll von 2016 an die erste europäische Mission zum Roten Planeten werden. In Kooperation mit Russland will die Europäische Weltraumorganisation ESA ein Forschungsfahrzeug auf dem Mars landen – und TÜV SÜD ist mit von der Partie. Text: Uli Pecher

Illustration: Nils Kasiske

MEHR ZUM THEMA

IN UNSERER MAGAZIN-APP

Proton-Power

Die russische Trägerrakete mit den sechs markanten Außentanks ist der interstellare »Lastwagen«, der Orbiter, Landemodule und Rover zum Mars transportieren wird.

H

ans-Jürgen Cramer steht im Labor und betrachtet das Aluminiumteil zwischen seinen Fingern. Der Leiter der Abteilung für zerstörungsfreie Prüfung im Bereich Anlagentechnik von TÜV SÜD ist fasziniert von dem winzigen Gegenstand in seiner Hand. Das Metallstück ist Teil der »ExoMars«Mission. Sie soll eine Antwort auf die Frage liefern, ob es jemals Leben auf dem Mars gab oder noch gibt. Die Expedition der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos besteht aus zwei Phasen: Im Januar 2016 wird im kasachischen Baikonur eine Protonrakete starten, die einen Orbiter zum Roten Planeten 28 TÜV SÜD Journal

bringen soll. Zwei Jahre später soll dann das Herzstück der Mission, der Rover, auf dem Mars landen. Das Fahrzeug ist eine Art rollendes Labor, das Bodenproben nehmen und die Oberfläche nach Spuren von Wasser und Leben untersuchen soll. Das kleine Aluminiumteil, das Hans-Jürgen Cramer auf Risse prüft, soll in den Rover eingebaut werden. Für ihn sind Prüfungen von Komponenten für Raumfahrzeuge zwar nichts Neues, seit zehn Jahren landen immer wieder mal Bauteile in seinem Labor. Diesmal ist es aber etwas Besonderes: »Es ist beeindruckend, Gegenstände in der Hand zu halten, die eines Tages zum Mars fliegen dorthin, wo noch nie zuvor ein Mensch gewesen ist.«


R

Auf den Punkt

Orbiter und Gaslabor

Der »Spurengas-Orbiter« soll zunächst die Gasmischung in der Marsatmosphäre untersuchen. Davon erwarten sich die Wissenschaftler Hinweise auf vulkanische oder biologische Aktivitäten auf dem Planeten. Nach der Landung des Rovers dient er dann als Datenrelais – und funkt die Erkenntnisse des Rovers zur Erde.

Landender Wok

Das Landemodul sieht aus wie ein umgedrehter Kochtopf. Es bringt in Phase eins unter anderem Messinstrumente und Kamerasysteme auf die Marsoberfläche. In Phase zwei landet ein weiteres Modul – mit dem Rover an Bord.

Das Marsmobil

Der Rover ist das Herzstück der »ExoMars«Mission. Das Fahrzeug wird bis zu zwei Meter tief in den Boden bohren und Gesteinsproben analysieren – mithilfe eigens konstruierter Instrumente, die komplexe organische Moleküle, also Spuren von Leben, auffinden können. Eines der Bauteile des Rovers wird von TÜV SÜD geprüft.

TÜV SÜD Journal 29


5 Minuten

Spielzeuglabor mit GAC-­ Akkreditierung

Ausgezeichnete Servicequalität in Werkstätten

Grenzüberschreitende Kooperation auf dem Immobilienmarkt

Das Spielzeug-Testlabor von TÜV SÜD in Hongkong erfüllt internationale Anforderungen bezüglich der technischen Kompetenz und des Qualitätsmanagements. Das hat jetzt das GCC Accreditation Center bestätigt. Direkte Folge: Kunden können über TÜV SÜD in einem vereinfachten Verfahren das sogenannte G-Mark beantragen, das für Einfuhr von Spielzeug in die Golfstaaten zwingend vorgeschrieben ist.

Exzellente Arbeit in Kfz-Werkstattbetrieben steigert die Sicherheit von Autos und damit die allgemeine Sicherheit im Straßenverkehr. Aus diesem Grund hat TÜV SÜD Autohäuser mit dem Service Quality Award ausgezeichnet, deren Kundenfahrzeuge bei Hauptuntersuchungen die wenigsten Mängel hatten. Prämiert wurden 16 Betriebe in ganz Deutschland, die die strengen Kriterien bezüglich der Mängelquote erfüllten.

Bei der Bewertung von Immobilien in Deutschland und in der Türkei arbeitet TÜV SÜD künftig mit der türkischen Firma Lal Real Estate Appraisal zusammen. Die beiden Partner bieten Unternehmen damit an 14 Standorten grenzüberschreitend in beiden Ländern eine neutrale und fachgerechte Bewertung von Immobilien auf Basis nationaler und internationaler Regelwerke.

misha.lu@tuv-sud.tw

peter.neppel@tuev-sued.de

Wussten Sie, dass …

… es den »TÜV« schon länger als das Auto gibt? Die erste Vorläuferorganisation von TÜV SÜD, die »Gesellschaft zur Überwachung und Versicherung von Dampfkesseln mit dem Sitz in Mannheim«, wurde 1866 gegründet – vor fast genau 150 Jahren! Als das erste Automobil von Carl Benz im Jahr 1888 auf den Straßen fuhr, gab es neben dem Mannheimer Verein bereits Dampfkessel-Revisionsvereine in Württemberg, Bayern, Sachsen und Hessen. Seit 1906, als Fahrzeuge einer breiten Bevölkerung zur Verfügung standen, prüft der »TÜV«. Das war die Geburtsstunde der regelmäßigen Fahrzeugprüfung und ein Meilenstein der Verkehrssicherheit. Seit Ende 1951 ist die Hauptuntersuchung deutschlandweit verpflichtend. Das Ziel: Am Straßenverkehr sollen möglichst keine Fahrzeuge mit Sicherheitsmängeln teilnehmen. Heute klopfen die TÜV SÜD-Experten nicht mehr nur auf den Auspuff. Sie sind an Entwicklungsprojekten zu Elektromobilität, automatisierten Fahrsystemen und Wasserstoffantrieben beteiligt. Und sie sorgen auch international für Verkehrssicherheit, beispielsweise in der Türkei, in Südafrika oder in Spanien. heidi.atzler@tuev-sued.de

30 TÜV SÜD Journal

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ruediger.hornung@tuev-sued.de


5 Minuten

Ausbau der Immobiliendienstleistungen in Großbritannien Durch den Erwerb der Dunbar and Boardman Partnership Ltd. baut TÜV SÜD seine Immobiliendienstleistungen in Großbritannien und sein weltweites Netzwerk weiter aus. Der britische Dienstleister mit Sitz in London und weiteren Standorten in Großbritannien, Dublin und Dubai Mitarbeitern hat sich auf Beratungs- und Planungsleistungen im arbeiten an 12 Standorten bei Aufzugsbereich, unter anderem auch für besonders hohe Gebäude, spezialisiert. Mit rund 270.000 AnlaDunbar and Boardman. gen ist Großbritannien einer der wichtigsten Aufzugsmärkte weltweit. Durch den Erwerb von Dunbar and Boardman ist TÜV SÜD hier mit einem Schlag zum Marktführer geworden. Damit hat TÜV SÜD eine sehr gute Ausgangsposition, um weitere Leistungen in Großbritannien auszurollen und auch auf diesem Markt integrierte Beratungsleistungen für die Immobilienbranche anzubieten.

Standard für nachhaltige­ Sanitärtechnologien in ­Entwicklungsländern

Rund 60

TÜV SÜD hat gemeinsam mit der ESPEC Corporation ein neues Prüfzentrum für Batteriesicherheit nördlich von Tokio in Betrieb genommen. Das erste Prüfzentrum dieser Art in Japan bietet allen Fahrzeug- und Batterieherstellern umfangreiche Sicherheits- und Konformitätsprüfungen, unter anderem nach der verschärften UN-ECE-Regelung 100 aus einer Hand und – weltweit erstmalig – komplett an einem einzigen Standort. Ein wichtiger Schritt, um Elektromobilität für einen Massenmarkt zu öffnen: Die Batterien müssen sicher sein, auch bei Unfällen und schwierigen Umweltbedingungen wie Überschwemmungen. TÜV SÜD hat dazu vor fast einem Jahrzehnt mit Sicherheitsprüfungen und Leistungsprüfungen von großen Batteriesystemen begonnen und eröffnet mit dem Labor in Japan das insgesamt siebte Prüflabor für Fahrzeugbatterien. Damit ist TÜV SÜD in der Lage, weltweit in allen wichtigen Automobilmärkten Batterieprüfungen anzubieten.

Mit der Erarbeitung eines technischen Standards für Sanitärtechnologien will ­TÜV SÜD den sicheren und nachhaltigen Zugang zu solchen Einrichtungen in Entwicklungs- und Schwellenländern verbessern. Der internationale Dienstleister hat von der Bill & Melinda Gates Foundation den Auftrag erhalten, einen Standard für Sanitärtechnologien zu entwickeln. Der Standard soll Anforderungen an Lösungen definieren, die ohne Anschluss an ein Wasser- und Abwassersystem und ohne Elektrizität funktionieren. Mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu einer funktionierenden Wasserversorgung und Kanalisation. Dieser Mangel hat negative Auswirkungen auf die gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung und die Umweltsituation in den betroffenen Ländern. »Um die Situation nachhaltig zu verbessern, brauchen wir Sanitärtechnologien, die auch ohne Anschluss an ein Wasser- und Abwassersystem und ohne elektrischen Strom auskommen«, sagt Dr. Andreas Hauser, Leiter des Bereiches Water Services von TÜV SÜD. Die Entwicklung eines Standards durch TÜV SÜD setzt auf der Reinvent the Toilet Challenge (RTTC) der Gates Foundation auf und ist auf eine Laufzeit von drei Jahren angelegt. Die entsprechenden Technologien werden vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Indien, Senegal oder Südafrika zum Einsatz kommen. Aber auch in entwickelten Ländern gebe es ein nicht unerhebliches Potenzial für den Einsatz von Lösungen, die ohne Anbindung an die normale Versorgungs- und Entsorgungsinfrastruktur funktionieren und den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

volker.blandow@tuev-sued.de

andreas.hauser@tuv-sud.sg

ulrich.klotz@tuev-sued.de

Minuten

mit TÜV SÜD

TÜV SÜD eröffnet neues Prüfzentrum für Batteriesicherheit

TÜV SÜD Journal 31


Die RückrufNummer

M

obiltelefone sind selbst dann noch wertvoll, wenn sie zum Telefonieren längst nicht mehr zu gebrauchen sind. Sie stecken voller wertvoller Rohstoffe, darunter Edelmetalle wie Gold und Silber. In den Schubladen schlummern damit wahre Schätze. Denn genau dort landet in westlichen Ländern etwa jedes dritte Mobiltelefon, sobald es nach rund zwei Jahren gegen ein neues ausgetauscht wird. Beim Recycling wäre es besser aufgehoben. Dieser Rückruf lohnt wirklich.

Wie lange nutzen User ihr Mobiltelefon?

Prognose zum Absatz von Smartphones weltweit von 2010 bis 2019 (in Mio. Stück)

Mit Vertrag

2 Jahre

2.000

Ohne Vertrag

1.902,3

4 Jahre

1.500 1.300,4 1.000

1.436,5

1.019,4

Was passiert mit

725,3

500

alten Mobiltelefonen?

Sonstiges

494,5 304,7

0

2010

Verkauf 2011

2012

2013

2014

2015

2019

Verloren oder kaputtgegangen

Als Reserve behalten

Ein Smartphone besteht aus

60 Materialien,

davon sind

30 Metalle

An Familie oder Freunde weitergeben

Wertstoffe

Wie viel stecken in einem durchschnittlichen Smartphone?

China: Silber

Kongo: Tantal Südafrika: Gold

Glas, Keramik 26,25 g

Kupfer 8,25 g

Die Top-3-Abbaugebiete der Welt

0,15 g Edelmetalle Gold 0,025 g Silber 0,17 g Platin 0,0002 g Palladium 0,008 g Seltene Metalle Kobalt, Indium, Tantal Seltene Erden SEE, Neodym etc.

Kunststoff 27,75 g Eisen und Nichteisen-Metalle (Zn, Cr, Al, Ni, Fe) 12,34 g MEHR ZUM THEMA

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Quellen: www.handysektor.de, statista, eigene Recherchen


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