TÜV SÜD
journal ROBE #16 AUF DIE P gitalem Lernen Webinare: Gehört di wirklich die Zukunf t? WEG #24 AUF DEM er t eidung: Technik erob Intelligente Kl odewelt. mehr und mehr die M PUNKT #28 AUF DEN mys: Was passiert, Crashtest-Dum wenn es kracht?
industrie 4.0
# 01 2014
e t z t e n r e v e Di Revolution
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser, wir befinden uns mitten in einer Revolution – schleichend und für viele kaum wahrnehmbar. Der Umsturz tritt nicht plötzlich ein und wird auch nicht in wenigen Jahren abgeschlossen sein. Es wird kein großes Signal zum Aufbruch geben, sondern viele kleine Schritte, die zu Veränderungen führen. Am Ende aber wird unsere Welt eine andere sein. Die Rede ist von der »vierten industriellen Revolution«, die auf unserer zunehmenden Vernetzung basiert. Produkte und Anlagen, so die Vorhersage, werden künftig automatisiert miteinander kommunizieren, beispielsweise, indem ein Werkstück einem Fertigungsroboter mitteilt, wie es weiterverarbeitet werden möchte. Für Kunden und Hersteller werden sich durch dieses »Internet der Dinge« ganz neue Möglichkeiten bieten – in unserer Titelgeschichte sprechen wir von einer »individualisierten Massenproduktion«. Sogenannte smarte Fabriken bergen allerdings auch ganz neue Gefahren: Wie können Unternehmen in einem hoch vernetzten System Prozesssicherheit garantieren? Und wie schützt man eine komplett vernetzte Produktionsanlage vor schädlichen Angriffen von außen? Sichere Anlagen, Prozesse und Daten waren und sind Kernthemen jeder Industrie. ist es unser Auftrag, Mensch, Umwelt und Sachgüter vor den Das war bei der ersten nachteiligen Auswirkungen der Technik zu bewahren.« industriellen Revolution im 19. Jahrhundert, als die ersten Vorläufer der heutigen TÜV SÜD Gruppe mit der Überwachung von Dampfkesseln begannen, nicht anders als heute. Schon jetzt arbeiten wir intensiv daran, unseren Kunden auch in Zeiten einer »Industrie 4.0« als kompetenter Partner zur Seite zu stehen.
»Seit fast 150 Jahren
Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing. Axel Stepken Vorsitzender des Vorstands der TÜV SÜD AG 2 TÜV SÜD Journal
Inhalt
#06
TITELSTORY
Seit rund vier Jahrzehnten verändern Computer und Roboter die Industrie. Jetzt steht sie mit der zunehmenden Vernetzung von Produkt, Mensch und Maschine vor einer neuen Revolution.
Auf die
Auf dem
Auf den
Was treibt Menschen weltweit um? Wir nehmen technische und gesellschaftliche Entwicklungen unter die Lupe.
Die Welt von morgen im Blick: Diese Innovationen könnten schon bald unser Leben prägen.
Nachgefragt! Unsere »Mehrwert«-Seiten machen komplexe Zusammenhänge leicht verständlich.
#16 Lerne aus der Ferne Digitale Medien haben die berufliche Ausund Weiterbildung nachhaltig verändert. Die amerikanische Bildungsforscherin Kathleen King erklärt die Vor- und Nachteile.
#22 Technik ist in Mode Kleider machen Leute – und noch viel mehr: Mit intelligenter Elektronik versehen, versprechen Jacken, Hosen & Co., unseren Alltag zu erleichtern.
#28 Opferrolle Zum Schutz der Menschen halten CrashtestDummys bei der Autoentwicklung ihren Kopf und ihre Kunststoffknochen hin. Aber was passiert eigentlich, wenn es kracht?
#18 Plan urban Auf dem Reißbrett war die Stadt als lebhafte Metropole gezeichnet. Jetzt erinnert Kangbashi im Norden Chinas eher an eine Geisterstadt. Wie planbar ist Urbanisierung?
#24 Da geht noch was Von wegen Auslaufmodell: Autos mit Verbrennungsmotor haben ihre Zukunft längst noch nicht hinter sich. Vor allem in Motoren und in der Karosserie stecken noch viele Potenziale.
#30 Ratgeber: Richtig sitzen Rund 80.000 Stunden seines Arbeitslebens verbringt ein Angestellter auf dem Bürostuhl. Umso wichtiger ist es, ein Modell zu finden, das nicht nur bequem, sondern auch gesund ist.
#4 TÜV SÜD im Bild #14 5 Minuten mit TÜV SÜD
#21 Vor Ort #31 Termine/Impressum
#32 5 Minuten mit TÜV SÜD #34 Zu guter Letzt
PROBE
WEG
PUNKT
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TÜV SÜD im Bild
Wenn es mal nicht
rundläuft
Für gewöhnlich steht sie ordentlich unter Dampf. Bis zu 39 Tonnen pro Stunde strömen durch die Turbine einer bayerischen Müllverbrennungsanlage und halten sie auf Trab. Doch heute läuft der Stahlkoloss mit seinem 3,5 Meter langen Rotor nicht rund. Die Turbine wird abgeschaltet. Martin Winterstein und Dr. Stefan Buse werden gerufen. Die beiden Maschinenbauingenieure von TÜV SÜD beraten weltweit bei der Entwicklung, der Errichtung und dem Betrieb von stationären Gas-, Wasser- und Dampfturbinen, sind aber auch vor Ort, wenn es darum geht, die Ursachen für Störungen aufzudecken. Vom Bedienfehler über Herstellungsmängel bis hin zum falschen Einbau ist alles möglich. »Statt einer einzigen Ursache liegt oft ein komplexes Zusammenspiel von betriebs-, montage- und konstruktionsbedingten Einflüssen vor«, erklärt Buse. »In einem solchen Fall ist akribische Detektivarbeit gefragt.« Und schnell muss es gehen. Denn jede Minute, in der die Turbine stillsteht und kein Strom produziert wird, kostet den Betreiber bares Geld. Die beiden TÜV SÜD-Experten bewahren trotzdem Ruhe – und setzen auf Präzision. Oder wie es Winterstein formuliert: »Selbst sind wir noch nie ins Rotieren geraten.« Infos: www.tuev-sued.de/turbosatz
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TÜV TÜV SÜD SÜD im im Bild Bild
in Unserer Magazin-App
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Titelstory
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Titelstory Titelstory
Übers Band zum NEtz Text: Timour Chafik | Illustrationen: Marie Luise Emmermann, Skizzomat
Dampfmaschine, Fließband, Computer – jede dieser Erfindungen löste eine industrielle Revolution aus. Jetzt stehen wir vor dem vierten Umbruch: Das Internet der Dinge, die Vernetzung von Produkt, Produktion und Kunde, krempelt die Prozesse der Wirtschaft erneut um.
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Titelstory
B
ei Minute 15 wird der vielleicht berühmteste Schauspieler aller Zeiten Teil einer großen, schweren Maschine. Er klemmt zwischen massiven mannshohen Zahnrädern, wird von ihnen vor- und zurückgeschoben und kann doch nichts anderes tun, als dabei weiter und immer weiter an den großen Muttern zu schrauben. Der kleine Mann mit dem Schnauzbart wird zum Spielball der Industrie, zum winzigen Rädchen im großen Getriebe der Wirtschaft, die mit ihm macht, was sie will. Der Stummfilm »Moderne Zeiten« von und mit Charlie Chaplin ist eine einzige, laute Kritik an der industrialisierten Arbeitswelt im Allgemeinen und dem Taylorismus im Besonderen. Der Mensch sei Produk tionsfaktor, nicht mehr und nicht weniger, fand Frederick Winslow Taylor Anfang des 20. Jahrhunderts. Um dessen Produktivität optimal zu nutzen und zu erhöhen, müsse man die Arbeit schlicht in möglichst kleine Einheiten teilen, so klein und so einfach zu bewältigen, dass dafür keine besondere geistige Leistung mehr nötig ist. Eine
Neue Herausforderungen an die IT-Sicherheit Vernetzung kennzeichnet die Produktionsprozesse der Zukunft. Stetig wandern Informationen hin und her zwischen Menschen, Maschinen und Produkten. Es entsteht ein cyber-physisches System mit zahlreichen Schnittstellen nach außen. Und jede davon stellt einen potenziellen Angriffspunkt für Manipulationen dar, wobei in der Industrie 4.0 nicht nur die Datensicherheit von Unternehmen gefährdet ist, sondern auch die Produktionssicherheit sowie die Sicherheit von Mitarbeitern und Umwelt. Die wichtigsten Methoden, um solchen Bedrohungen mit geeigneten Schutzmaßnahmen zu begegnen, sind Analysen, Prüfungen und Tests. TÜV SÜD unterstützt Unternehmen dabei: berät, untersucht Anlagen und Prozesse, analysiert Schwachstellen, bewertet Risiken und testet die IT-Sicherheit von Systemen.
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»Die vierte industrielle Revolution dreht die
Produktionslogik
komplett um.« – Professor Dr. Wolfgang Wahlster, Geschäftsführer des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz
übergeordnete, planende und steuernde Instanz – Taylor nennt sie den »Funktionsmeister« – könne die »Summe der Dummen« so völlig unkompliziert zu einem vorab definierten Ziel lenken. Klare Vorgaben, klare Ziele und klare Wege, wie diese erreicht werden: Von der ersten bis zur dritten industriellen Revolution war dies stets das Arbeitsprinzip, nach dem produziert wurde, ob nun an den Webstühlen in Manchester oder bei der Autoherstellung. Sicher, es wurde immer in unterschiedlichen Mechanisierungs-, Automatisierungs- und Digitalisierungswelten gearbeitet, aber immer schön der Reihe nach. Produktionsschritt für Produktionsschritt. Jetzt steht aber eine vierte Revolution an. Und in ihr sollen sich die Prozesse grundlegend ändern. Der einzelne Mensch wird, oft ohne es zu wissen, zum taylorschen Funktionsmeister. Und das Endprodukt, das Ergebnis der industriellen Fertigung, hat dabei auch noch seine ganz eigene Intelligenz: Es wird Teil eines Netzwerks, das nicht nur einzelne Maschinen und Produktionsanlagen miteinander verbindet, sondern sich auch nach außen öffnet. Das »Internet der Dinge« verknüpft die Fabrik mit Lieferanten und Kunden, tauscht kontinuierlich Infor mationen mit unterschiedlichsten Quellen aus – und soll dabei auch noch beständig selbst lernen. Der Rohling sagt, wo es langgeht
Professor Dr. Wolfgang Wahlster, Mitglied in der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften und Geschäftsführer
des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern, beschreibt den damit verbundenen Paradigmenwechsel im produzierenden Gewerbe so: »Die Produktionslogik wird komplett umgedreht. Der Rohling bestimmt jetzt, wo es langgeht.« Das entstehende Produkt führe eine Art Einkaufsliste mit sich mit der Wunschliste für seine Weiterverarbeitung. »Auf einem Marktplatz der Produktionsgeräte sucht sich der Rohling dann genau die Maschinen aus, die ihn entsprechend seiner Zielbestimmung bearbeiten können.« Ein einfaches Beispiel macht deutlich, was Wahlster damit meint: eine Müsliverpackung. Auf einem Chip, dem digitalen Produktgedächtnis, trägt sie die Information mit sich, welche Zutaten hineingefüllt werden sollen. Auf dem »Marktplatz der Maschinen« sucht sich die Verpackung dann die Füllstationen für Rosinen, Haferflocken und Trockenfrüchte. Aus der Analyse des bisherigen Kaufverhaltens aller Kunden ist schließlich genau bekannt, welcher Mix gerade gefragt sein wird, wenn die Verpackung samt Inhalt zum Konsumenten gelangt. Das Mischverhältnis der Zutaten ist längst auf dem Chip gespeichert und an die Maschinen weitergegeben. Die Systeme steuern sich selbst
Diese Vernetzung von Mensch, Maschine und Produkt und der Informationsaustausch untereinander sind die Basis der Industrie 4.0. Sie besteht aus sich selbst steuernden wissensbasierten Produktionssystemen. Cyber-physische Systeme werden diese auch genannt. Sie sammeln und verarbeiten Daten
Titelstory
M체sliproduktion nach der vierten industriellen Revolution: Die Verpackung tr채gt die Information in sich, welche Mischung gefragt ist, und steuert selbstst채ndig die entsprechenden F체llmaschinen an.
Titelstory
»Nachdem das Web alle anderen Lebens- und Wirtschaftsbereiche durchdrungen hat, schafft es jetzt
smarte Fabriken.«
– Professor Dr. Wolfgang Wahlster
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Titelstory
Drei Bücher, ein Thema: Lesenswertes über die vierte industrielle Revolution Applied CyberPhysical Systems
The Silent Intelligence Wie weit ist das
Beiträge von Forschern und Praktikern erklären die Steuerungsmechanismen des Internets der Dinge anhand konkreter Beispiele. Sang C. Suh u.a. (Hg.), Springer, 256 Seiten
Internet der Dinge schon Realität? Experten von mehr als 30 Unternehmen wie Google, Ericsson, AT&T und SAP berichten. Daniel Kellmereit/ Daniel Obodovski, DND Ventures, 166 Seiten
aus der physischen Welt – beispielsweise die Verkaufszahlen einzelner Müslimischungen – und machen sie für netzbasierte Dienste verfügbar, auf die sowohl bei der Planung, Fertigung und Verteilung der Produkte zugegriffen wird. Aber wie weit ist die vierte industrielle Revolution eigentlich? »Wie Industrie 4.0 das wirtschaftliche Handeln verändert, lässt sich bisher nur erahnen. Die Potenziale und Chancen sind gewaltig. Aber derzeit können wir tatsächliche Veränderungen nur aus Erfahrungen in einigen Nischen ableiten«, sagt Wolfgang Dorst, Bereichsleiter Industrie 4.0 beim IT-Branchenverband Bitkom. Revolution in der Aktentasche
Dabei müsste Wolfgang Dorst nur in seine Aktentasche schauen. Bis hierhin nämlich hat sich die Wertschöpfungskette verlängert. Mehr noch: Hier wird sogar weiterproduziert. »Überspitzt formuliert wird mein Smartphone, das ich vor einem Jahr gekauft habe, mit jedem Update der Software immer
und immer wieder aufs Neue produziert«, sagt Dorst. »Es wird verändert, angepasst, modernisiert – der Hersteller hat eine ständige Verbindung zu mir und kann zum eigentlichen Produkt passende Dienstleistungen anbieten. Er liefert also nicht mehr nur ein Industriegut, sondern schiebt immaterielle Güter, Software und Services, nach.« Das ist die Revolution in der Revolution. Immerzu werden Daten zwischen Kunde, Produzent, Zulieferer, Logistiker getauscht, gesendet und empfangen. Der Kontakt zum Kunden reißt nie ab. Er gibt Feedback – direkt an den Hersteller oder indirekt, zum Beispiel über soziale Netzwerke, Fachforen, Kommentare. Alles Informationen, die in der Industrie 4.0 in die Entwicklungs- und Produktionsprozesse einfließen können und den Konsumenten somit selbst zu einem Teil des produzierenden Gewerbes machen. Die Digitalisierung schafft eine individualisierte Massenproduktion. Die Konsequenz: Es müssen Fabriken mit mehreren Produktlinien gebaut werden für einen Markt, der
»Wenn man die Revolution radikal weiterdenkt, wird die
Massenproduktion in der heutigen Form nicht mehr stattfinden.« – Karin Frick, Ökonomin am Gottlieb Duttweiler Institut in der Schweiz
The Intelligent Web Der Autor leitet das »Innovation Lab« des indischen Autoherstellers Tata und gibt Einblicke, wie Big Data die Art und Produktion von Wirtschaftsgütern bestimmen wird. Gautam Shroff, Oxford University Press, 296 Seiten
ständig nach Neuem verlangt, aber das Alte noch braucht. Die Größenvorteile der Industrie, die Economies of Scale, würden an Bedeutung verlieren. »Wenn man die Revolution radikal weiterdenkt, wird die Massenproduktion in der heutigen Form nicht mehr stattfinden«, bestätigt Karin Frick. Die Ökonomin und Trendforscherin am Gottlieb Duttweiler Institut in der Schweiz glaubt, dass in der Industrie der Zukunft hyperlokale Märkte entstehen würden. »Was der Webstuhl für die erste industrielle Revolution war, ist in der Industrie 4.0 der 3-D-Drucker«, sagt sie. Und der stünde nicht in Reihe in einer Fabrikhalle, sondern zu Hause. Der 3-DDrucker sei das entscheidende Werkzeug in der reinsten Form der Subsistenzwirtschaft, einer am eigenen Bedarf ausgerichteten, dezentralisierten, unabhängigen Ökonomie. Das ideale Netzwerk
Die Industrie demokratisiert sich, sie öffnet sich nach außen und verknüpft sich mit unterschiedlichsten Quellen. Diese Entwicklung bedeutet aber auch, ein neues Verständnis von Sicherheit in Produktion und Prozessen zu entwickeln: Denn ein ideales »Netzwerk Industrie 4.0« hat große Teile seiner Macht abgegeben – und damit auch die vollständige Kontrolle über ein System, das sich öffnen muss, um im Wettbewerb weiter zu bestehen. Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/embedded/industrialsecurity TÜV SÜD Journal 11
Standpunkte
Stand-
Karin Frick, Forschungsleiterin am Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon in der Schweiz
»Der Mensch darf nicht in die Zahnräder künstlicher Intelligenzen geraten.«
A
m Ende der vierten industriellen Revolution steht eine Industrie der kleinen Einheiten. Konsument und Produkt rücken räumlich wieder enger zusammen. Die Konzentration der Ökonomie an einem Ort könnte so aufgehoben werden. »Mit der Industrie 4.0 entsteht eine Wirtschaft der dezentralen, kleinen Einheiten, in der sich auch das Konsumverhalten von Grund auf ändern wird: Das Shirt, das ich selbst mit meinem 3-D-Drucker produziert habe, hat für mich einen völlig anderen Wert als das 10-Euro-Shirt von der Stange. Der Konsument bekommt einen ganz anderen Bezug zum Produkt. Vierte industrielle Revolution heißt aber auch, den Einsatz künstlicher Intelligenzen effektiv zu steuern und vor allem zu bewerten. Alles basiert auf Software – und Software lässt sich nun einmal beliebig programmieren. Dadurch wird vieles möglich, was wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Wenn uns künstliche Intelligenzen dabei zunehmend unsere Arbeit und Denkleistung abnehmen, dann müssen wir umso mehr Sorge dafür tragen, dass wir weiterhin die Kontrolle über diese Intelligenzen behalten. Im Internet der Dinge kommunizieren Maschinen untereinander und treffen Entscheidungen – dass der Mensch weiterhin Teil dieser Kommunikation ist und die Entscheidungshoheit behält, wird zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, fast schon zur Pflicht. Eine neue Logik des Wirtschaftens zieht eben auch eine neue Logik der Verantwortung nach sich.«
industrie 4.0 Welche Herausforderungen stellen sich? 12 TÜV SÜD Journal
Standpunkte
W
er sich Neuem wie der Industrie 4.0 öffnet, wird verwundbarer. Dabei ist meist der Mensch selbst das Einfallstor Nummer eins für Angriffe von außen. Es lässt sich nur durch ein konsequentes Sicherheitsmanagement schließen. »Vom kleinsten Sensor in einer Maschine bis hin zu komplexen Ressourcenplanungssystemen – in der Industrie 4.0 nimmt die Zahl der Schnittstellen, die man früher gut über Firewalls absichern konnte, zu. Es muss mehr kommuniziert werden, die Unternehmen müssen sich öffnen, und das erhöht zunächst einmal die Möglichkeiten für potenzielle Angreifer. Der Großteil der Angriffe wird allerdings auch in Zukunft so stattfinden wie bisher: über EMails, USB-Sticks oder das ganz einfache, banale Surfen im Internet. Dort, wo der Mensch direkt im Spiel ist, waren die Einfallstore in der Indus trie 3.0, und dort werden sie auch in der Industrie 4.0 bleiben. Was sich ändert, ist die Schadensauswirkung. In den USA finden in regelmäßigen Abständen Angriffe auf kritische Infrastrukturen statt, zum Beispiel auf Energieversorger. Ein Großteil der Angriffe in Deutschland zielt hingegen darauf ab, Know-how zu stehlen. Um das zu vermeiden, ist ein konzertiertes und detailliertes Sicherheitsmanagement nötig: Schwachstellen erkennen, Bedrohungen skizzieren und daraufhin Maßnahmen ergreifen. Mit einem relativ geringen Aufwand lässt sich so ein hoher Sicherheitsgewinn erzielen.«
Punkte Holger Junker, Referatsleiter im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Bonn
»IT-Sicherheit wird immer wichtiger, um Wissen und Infrastrukturen zu schützen.«
Die Auswirkungen der vierten industriellen Revolution reichen weit über die Fabrikhallen hinaus. Die zunehmende Vernetzung von Produkt, Mensch und Maschine schafft neue Einfallstore für Angriffe auf die IT- und Produktionssicherheit. Zudem fordert sie verantwortliches Handeln.
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Neue Software-Norm: Unterstützung Umfassende Services für die für Medizinprodukte-Hersteller Photovoltaikindustrie
Hervorragende Servicequalität in China
Bei der Zulassung von Medizinprodukten für den europäischen Markt zeichnen sich verschiedene Veränderungen ab. Ein Thema: die Umsetzung der Norm IEC 62304, die Anforderungen an den Lebenszyklus von Software in Medizinprodukten oder für Software als eigenständiges Medizinprodukt definiert. Um Herstellern den entsprechenden Nachweis auch bei ausländischen Zulassungen zu erleichtern, bietet TÜV SÜD hier eine produktbezogene Zertifizierung an.
Südostasien setzt auf Photovoltaik. Besonders in Thailand und Malaysia entstehen zahlreiche Großanlagen, die aus Sonne Strom gewinnen. Als eines von nur wenigen Unternehmen in der Region bietet TÜV SÜD seit vergangenem Jahr Dienstleistungen rund um die ressourcenfreundlichen Kraftwerke, etwa zu den Themen Sicherheit und Netzkompatibilität. Kunde ist unter anderem Malaysias größter Anbieter von Sonnenstrom, Cytech.
Daimler Trucks and Buses China Ltd. ist führend in puncto Servicequalität. Ein entsprechendes Zertifikat überreichte TÜV SÜD Ende 2013 in einer feierlichen Zeremonie. Das Unternehmen ist jetzt als erster und einziger Hersteller von Lkw und Bussen in Asien nach dem internationalen Standard VDA 6.2 zertifiziert. Diese Qualitätsnorm für Dienstleister der Automobilindustrie wurde entwickelt, um die Effizienz und Leistung von Unternehmen zu verbessern.
markus.wagner@tuev-sued.de
shirley.lee@tuv-sud-psb.sg
zheng.cui@tuv-sud.cn
Elektrofahrzeuge helfen Schwerstkranken
Freudiger Jahresstart für die Berliner Björn Schulz Stiftung: Die Organisation, die schwerstkranke Kinder und deren Angehörige mit Betreuungsangeboten und psychologischer Hilfe unterstützt, kann künftig für ihre Arbeit auf drei neue Elektrofahrzeuge zurückgreifen. Volker Blandow, Leiter E-Mobility bei TÜV SÜD, und Frank Schneider vom Verband der TÜV e.V. (VdTÜV) überreichten Anfang Januar 2014 drei Nissan Leaf an Stiftungsvorstand Jürgen Schulz. Die drei Fahrzeuge werden überwiegend für »Erlebnistage« eingesetzt: Fahrten in den Zoo, zu Seen im Umland und anderen schönen Orten. »Die Autos werden viele logistische Probleme lösen«, so Schulz, »unsere Mitarbeiter und die betreuten Familien verlieren jetzt weniger Zeit mit den oft komplizierten Transporterfordernissen.« Volker Blandow (2. v. l.) freute sich besonders über den karitativen Einsatz: »Ich kann mir eigentlich keinen schöneren Einsatz für diese Elektrofahrzeuge vorstellen. Jeden Tag werden Kinder und Angehörige damit unterwegs sein.« Die E-Autos sind Teil eines Schaufensterprojekts in Berlin, das von der Bundesregierung gefördert und von den im VdTÜV organisierten TÜV-Unternehmen finanziert wird. Jeweils drei weitere Fahrzeuge gehen übrigens an die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und an eine Nachbarschaftshilfe. volker.blandow@tuev-sued.de
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Zertifizierte Komponenten für Mega-Windpark
TÜV SÜD zertifiziert zwei Offshore-Transformator-Plattformen für den geplanten holländischen Nordsee-Windpark Gemini des Herstellers Typhoon Offshore. Die Zertifizierung der Hochspannungs-Umspannplattformen mit je 300 MW ist Teil der Genehmigung durch die holländischen Behörden. Bereits beauftragt ist TÜV SÜD mit der Zertifizierung der zugehörigen 150 Tragstrukturen für die Offshore-Windturbinen. Damit begleitet der Dienstleister nun den kompletten Entwicklungsprozess des Offshore-Windparks. Der GeminiMit insgesamt Windpark ist in der Nordsee rund 55 Leistung wird der GeminiKilometer nördlich der holländischen Windpark künftig etwa 785.000 Insel Schiermonnikoog geplant. Die Haushalte pro Jahr mit klimaUmspannplattformen sind erforderlich, freundlichem Ökostrom versorgen. um den Wechselstrom aus den Windenergieanlagen in Hochspannung zu wandeln und effizient an die Küste zu transportieren. TÜV SÜD verfügt über langjährige Erfahrung bei der Zertifizierung von Windenergieanlagen und den zugehörigen Komponenten. Unter anderem unterstützen die Experten Planer, Errichter, Investoren und Betreiber bei Risikoanalysen, Arbeitsschutzkonzepten und dem baubegleitenden Qualitätscontrolling.
600 MW
ulrich.knopf@tuev-sued.de
5 Minuten
Chinesische Kleidung und Schuhe für den Weltmarkt TÜV SÜD verfügt über ein neues Testzentrum mit dem Schwerpunkt Textilien und Der Schuhe (»Softlines«): in der chinesischen Millionenstadt Xiamen. Mitte November 2013 in Xiamen ergänzt die bestehenden wurde der Laborkomplex – der erste des Un- TÜV SÜD-Einrichtungen in Peking, ternehmens in der chinesischen Provinz Fujian Guangzhou, Shenzen, Wuxi, Hong– eröffnet. Der Dienstleister wird mit der Ankong und Taipeh. lage lokale Unternehmen dabei unterstützen, ihre Produkte am Weltmarkt anzubieten. Das Testzentrum befindet sich im Tong’an District von Xiamen und bietet seinen Kunden Tests über die gesamte Wertschöpfungskette von Fußbekleidung, Textilien, Taschen, aber auch Spielzeug und Konsumgüter an. Das Zentrum besteht aus drei verschiedenen, mit modernsten Testgeräten ausgestatteten Einzellabors. Die Bündelung in einem Testzentrum bringt den Kunden dabei klare Wettbewerbsvorteile in puncto Zeit und Kosten.
Laborkomplex
misha.lu@tuv-sud.cn
Minuten mit TÜV SÜD Auszeichnung für TÜV SÜD-Standard
Hohe Zufriedenheit mit TÜV SÜD-Services
Wie zufrieden sind Fahrzeughalter mit den Dienstleistungen rund ums Auto in den TÜV SÜD Service-Centern? Diese Frage lässt TÜV SÜD einmal im Jahr im Rahmen einer unabhängigen Kundenbefragung erforschen: Rund 2.400 strukturierte Interviews mit einem umfassenden Fragenkatalog wurden dazu im Jahr 2013 geführt. Das Ergebnis: Die Zufriedenheit bleibt nahezu konstant auf sehr hohem Niveau. Auf der Schulnotenskala von 1 bis 6 erhielt TÜV SÜD im Durchschnitt eine Bewertung von 1,5. Bestnoten gab es vor allem bei den Themen Freundlichkeit des Personals und Fachkompetenz der Prüfer. Die am Fahrzeug gefundenen Mängel wurden freundlich und verständlich erläutert. Besonders erfreulich: 95 Prozent der Kuden würden TÜV SÜD weiterempfehlen – und das, obwohl rund ein Fünftel der Befragten die Hauptuntersuchung nicht bestanden hatte. Die besten Ergebnisse beim TÜV SÜD-Kundenmonitor erzielten die Niederlassungen in Ansbach, Leipzig und Passau. lars.kammerer@tuev-sued.de
TÜV Report 2014: »Sorgenkind« Licht Der Ökostrom-Standard EE01 von TÜV SÜD ist »besonders empfehlenswert«. Das hat das unabhängige Verbraucherportal Label-online jetzt festgestellt. Besonders positiv: Die Vergabekriterien für den Standard EE01 gehen deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus: Der Strom muss zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien bestehen, mindestens zwei Drittel der Preisaufschläge für die Ökostrom-Produkte müssen für den Ausbau dieser Energien verwendet werden. Zusätzlich fordert das Zertifikat EE01, dass 30 Prozent der Erzeugungsanlagen zum Zeitpunkt der erstmaligen Zertifikatserteilung nicht älter als 36 Monate sein dürfen. klaus.nuernberger@tuev-sued.de
Fallen Fahrzeuge wegen sicherheitsrelevanter Mängel bei der Hauptuntersuchung durch, liegt es in erster Linie am Licht. Das ist ein Ergebnis des aktuellen TÜV Reports 2014, der im Dezember 2013 vorgestellt wurde. Denn die Beleuchtung führt seit Jahren die Mängellisten an – erstmals allerdings mit leicht positiven Tendenzen: Sieben Prozent der dreijährigen Pkw präsentierten sich auf den Prüfgassen in schlechtem Licht. Bei den Elfjährigen hat bereits jedes vierte Fahrzeug erhebliche Mängel. Insgesamt wird es jedoch langsam heller. Dafür sorgen hauptsächlich die geringere Anfälligkeit für Spannungsschwankungen und die höhere Lebensdauer moderner Lampen, beispielsweise XenonLicht. Die weitere Verbreitung der On-Board-Diagnose führt zusätzlich dazu, dass Ausfälle früher bemerkt und Lampen schneller ausgetauscht werden. Der TÜV Report wird jedes Jahr vom Verband der TÜV e.V. (VdTÜV) veröffentlicht und gilt als einer der wichtigsten unabhängigen Ratgeber für Autofahrer und Gebrauchtwagenkäufer. In den Report fließen die Hauptuntersuchungsergebnisse aller TÜV-Gesellschaften in Deutschland ein. TÜV SÜD hat als größter Anbieter rund vier Millionen Resultate beigesteuert. johannes.naeumann@vdtuev.de
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Auf die Probe
AUF DIE PR O B E
G #16 BILDUN Z T NE M AUS DE E T #18 STÄD G PLANUN
Lerne aus der ferne Digitale Medien haben die berufliche Aus- und Weiterbildung nachhaltig verändert. Viele Kurse und Seminare werden inzwischen virtuell abgehalten. Welche Vor- und Nachteile E-Learning gegenüber Präsenzveranstaltungen hat, erläutert Professorin Kathleen King. Interview: Sylke Dersch
Frau Professor King, wie wirkt sich die Digitalisierung aufs Lernen aus? Sie bietet Zugang zu umfangreichem Wissen und schafft mehr Möglichkeiten, sich fortzubilden. Jeder kann frei entscheiden, was er sich wann und wo aneignet. Es gibt weder feste Termine noch Teilnahmebeschränkungen oder Anmeldefristen wie bei Präsenzveranstaltungen.
Wie bleibt am meisten hängen? Wenn die Lektionen in frei wählbare Module aufgeteilt sind und in Einheiten von zehn bis zwanzig Minuten. Das entspricht am besten den Aufmerksamkeitsphasen beim Lernen. Ideal sind zusätzlich virtuelle Dialogsituationen, virtuelle Gruppenarbeit und möglichst viele interaktive Elemente.
»Digitales Lernen kann auch soziale Kompetenzen verbessern.« – Prof. Dr. Kathleen King E-Learning ist also einfacher und bequemer. Aber ist es auch effektiver? Im Idealfall schon, weil es sich besser auf die individuellen Bedürfnisse abstimmen lässt. 16 TÜV SÜD Journal
Welche besonderen Anforderungen stellen Webinare an die Teilnehmer? Die allererste Voraussetzung für digitales Lernen ist natürlich, dass man die dafür
notwendigen Technologien beherrscht, dass man mit dem Internet, mit Tablet-PCs und Plattformen wie Youtube umgehen kann. Diese Fertigkeiten muss man ständig up to date halten. Außerdem müssen die Lernenden in einem virtuellen Umfeld eine große Selbstdisziplin mitbringen, über ein gutes Zeitmanagement verfügen und audiovisuelle Inhalte gut aufnehmen können. Deshalb sind Webinare sicher nicht für jeden als Hauptlernmedium geeignet. Können Webinare klassisches Lernen ganz ersetzen? Es wird immer Sachverhalte geben, die sich auf Distanz schlecht erklären lassen. Ich denke an technische Fertigkeiten, soziale Fähigkeiten und komplexe theoretische Sachverhalte. Was raten Sie Unternehmen bei der Gestaltung von Weiterbildungsangeboten für Mitarbeiter?
Auf die Probe
in Unserer Magazin-App
Prof. Dr. Kathleen King Die Wissenschaftlerin lehrt an der Fakultät für Erwachsenenbildung an der University of South Florida in Tampa (USA). Das Thema Fernlernen bildet ihren Forschungsschwerpunkt. Außerdem arbeitet sie als Coach für Führungskräfte. Sie hat rund zwei Dutzend Fachbücher veröffentlicht und mehr als 150 wissenschaftliche Artikel. Unter www.transformationed.com betreibt sie zudem einen Blog.
Wichtig ist, die Mitarbeiter erst einmal zu fragen, was und wie sie gerne lernen würden, und Feedback auf die Fortbildungen einzufordern. All diese Informationen sollten in künftige Weiterbildungsangebote einfließen. Wie sieht die Zukunft des digitalen Lernens aus? Die Potenziale virtueller Welten werden stärker dahingehend genutzt werden, kritisches Denken, Dialogfähigkeit und Teama rbeit zu fördern. So kann es digitalem Lernen gelingen, neben den fachlichen auch die so-
zialen Kompetenzen zu verbessern. Studien von mir zeigen unter anderem, dass einige Menschen, die sozial zurückhaltend waren, in Online-Foren Selbstvertrauen gewannen und dann auch ihre sozialen Fähigkeiten im realen Leben verbesserten. Aufgrund dieser Veränderung nahmen sie wiederum verstärkt an Weiterbildungen teil. Ein positiver Kreislauf setzt sich in Gang. Mehr Infos zum Thema Bildung: www.tuev-sued.de/akademie
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Auf die Probe
Ein Land, eine Uhrzeit, zwei Bilder: Oben in Pudong pulsiert das Leben. Dabei erinnerte der Stadtteil von Shanghai noch in den 1990er-Jahren an das heutige Kangbashi (unten), an die chinesische Metropole, der noch die Menschen fehlen.
Plan urban 18 TĂœV SĂœD Journal
Auf die Probe
Kein echtes Wirtschaftswachstum ohne leistungsfähige Städte, lautet eine Faustregel. Aufstrebende Schwellenländer wie China setzen darum auf einen gezielten Ausbau der Städte. Doch wie planbar ist eine gelenkte Urbanisierung?
E
s ist eine Zeitenwende im Reich der Mitte! Eineinhalb Jahrzehnte lang blickten die Industriestaaten der Welt mit einer Mischung aus Faszination und Furcht auf das ungeheure Wirtschaftswachstum Chinas – mit jährlichen Zuwachsraten von über zehn Prozent. Doch nun will die »Werkbank der Welt« das Turbowachstum stoppen. Statt vom Export meist billiger Konsumgüter befeuert zu werden, wünscht die Staatsführung eine wirtschaftliche Entwicklung, die langsamer und nachhaltiger abläuft. Die stärker als bisher vom heimischen Konsum getragen ist. Und in welcher das krasse Stadt-LandGefälle, das für das moderne China charakteristisch ist, ausgeglichen wird. Urbanisierung: Für Chinas Ministerpräsidenten Li Keqiang scheint dieses Wort einer der zentralen Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung des Landes zu sein. Der Wirtschaftswissenschaftler und Jurist, der zum Thema StadtLand-Modernisierung promoviert hat, möchte, dass noch mehr Bauern in Städte ziehen, damit sein Land bis zum Jahr 2020 einen Urbanisierungsgrad von 60 Prozent erreicht. Für das Jahr 2030 prognostiziert Peking, dass dann eine Milliarde Chinesen in Städten leben. Eine riesige Basis für den geplanten Wohlstand. Dafür braucht China große, moderne Ballungszentren. Am besten vollkommen neu und genau für die Bedürfnisse der Menschen geplant. So wie Kangbashi in der Inneren Mongolei, einem autonomen Gebiet in China: Von der Decke des sechsstöckigen Einkaufszentrums baumeln bunte Girlanden. Kleine Parfümerien und Computerläden finden sich in den unteren Stockwerken, weiter oben werden Unterwäsche, Waschmaschinen, Aquarien und Geschirr ange-
Am Stadtrand von Kangbashi ließ die Regierung Villen errichten. Die meisten stehen leer, obwohl die Preise massiv gesunken sind. Ursprünglich kostete der Quadratmeter Wohnfläche 20.000 Yuan, etwa 2.400 Euro. Heute bekommt man ihn für 3.000 Yuan.
boten – eben all das, was große Kaufhäuser so haben. Das Einkaufszentrum in der neuen Großstadt hat allerdings einen Haken: Die Käufer fehlen. »Zehn Kunden habe ich am Tag – wenn es gut läuft«, sagt Xia Ming. Der Mittfünfziger verkauft Damenstrumpfhosen, das Paar für zehn Yuan, rund 1,20 Euro. »Um uns zu helfen, erlässt die Regierung manchmal die Pacht von 1.000 Yuan im Monat«, erzählt er. »Trotzdem verdiene ich nicht mehr als 20.000 Yuan im Jahr.« Das sind rund 2.400 Euro: zu wenig für ein ordentliches Leben, denn Kangbashi ist nicht billig. Die Lebenshaltungskosten liegen weit über dem Landesdurchschnitt. Trotzdem kam Xia Ming hierher. Die Regierung gab ihm und vielen anderen kleinen Geschäftsleuten Subventionen und das Versprechen, die Kunden würden schon noch kommen. Schließlich liegt Kangbashi in einer der größten und rohstoffreichsten Provinzen Chinas. In der Umgebung lagern ein Sechstel der Kohlereserven Chinas und ein Drittel der Gasreserven. Autobahn durchs Leere
Doch seit die Kohlepreise eingebrochen sind, von denen alles hier abhängt, wirkt Kangbashi trostlos. Für 300.000 Menschen wurde die Stadt auf dem Reißbrett entworfen; 100.000 seien bereits da, so die Regierung. Mit eingerechnet sind all die Beamten, die tagsüber hier arbeiten, sich aber nach Dienstende auf den Heimweg in die 25 Kilometer entfernte alte Stadt Dongcheng machen. Gemeinsam bilden beide Orte die Stadt Ordos. Der Weg von Neu nach Alt führt über eine vierspurige Autobahn, vorbei an einem gigantischen Skelett, das einmal ein Sportstadion werden soll, und an Wohnhäusern, die bis zu 50 Stockwerke in den blauen Himmel ragen. Die meisten stehen noch leer. TÜV SÜD Journal 19
Auf die Probe
in den Städten niederlassen und mehr Geld für Konsumgüter ausgeben.« Auch hier ruhen die Hoffnungen auf Li Keqiang, der es als Sohn von Bauern zum Premier geschafft hat. Bis es Gesetzesänderungen gibt, treibt die Stadtregierung von Ordos den Ausbau von Kangbashi weiter voran. Es wird weiter kräftig in Infrastrukturmaßnahmen und private wie öffentliche Gebäude investiert. Möglich werde solch ein vorauseilendes Wachstum wie in Kangbashi »nur durch viel billiges Geld«, erklärt Michael Pettis, Professor für Finanzwesen an der Tsinghua-Universität in Peking. Die Staatsbanken würden Kredite nicht zu Marktzinsen vergeben, sondern zu festgelegten, niedrigen Sätzen. Paradebeispiel Pudong: Bei dem Stadtteil von Shanghai gingen die Urbanisierungspläne der chinesischen Regierung auf.
Städte wie Kangbashi gibt es mehrere in China. Andere, wenn auch wesentlich kleinere, befinden sich in Dantu und Anting in der Provinz Jiangsu, in Erenhot in der Inneren Mongolei und in Teilen von Zhengzhou, der Hauptstadt der Provinz Henan. Bedeutet ihre Existenz das Ende des Glaubens daran, dass Urbanisierung planbar ist? Zunächst einmal: Eigentlich gibt es genug Menschen, die all diese neuen Stadtbezirke und Städte besiedeln könnten. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Produktivität in der chinesischen Landwirtschaft stark erhöht, und das hat viele Menschen aus den Dörfern in die Städte gedrängt, wo immer mehr Arbeitsplätze angeboten wurden. Jedes Jahr 20 Millionen Zuwanderer in Städte – das ist der Plan der chinesischen Regierung. Doch bisher geschieht das nicht. Ein wesentlicher Grund dafür ist das sogenannte Hukou-System. Seit 1958 scheidet es die chinesische Bevölkerung in zwei Klassen: Stadt- und Landbewohner. Nur an dem Ort, an dem jemand geboren und gemeldet ist, hat er Anrecht auf Sozialleistungen, kann Grund erwerben und seine Kinder auf die Schule schicken. Wer vom Land in die Stadt zieht, wird zum Bürger zweiter Klasse, ohne Anrecht auf Sozialleistungen. Davon würde es in China rund 200 Millionen geben, schätzt Tom Miller in seinem Buch »China’s Urban Billion«. Sie leben in Slums, und viele von ihnen bauen die Städte, an deren Leben sie keinen Anteil haben dürfen. Verlieren sie ihre Arbeit, kehren sie notgedrungen aufs Land zurück. Vorauseilendes Wachstum
»Die Reform des Hukou-Systems ist für ein Gelingen der Urbanisierung entscheidend«, sagt Jack Lin, Asienchef des Fondsanbieters Pioneer Investment. »Nur mit vollen Stadtrechten wird sich eine neue Welle von Menschen tatsächlich 20 TÜV SÜD Journal
Positive Entwicklungen dauern
Haben Städte wie Kangbashi eine Zukunft? Die Chancen stehen nicht schlecht! Denn oft lässt der Erfolg einer PlanUrbanisierung schlicht auf sich warten. Beispiele der vergangenen Jahre finden sich dabei nicht nur in abgelegenen Inlandsprovinzen, sondern auch in der Boomregion längs der Küste. Das wohl bekannteste ist Pudong, der neue und hochmoderne Stadtteil der Wirtschaftsmetropole Shanghai.
»Städte
müssen sich
entwickeln.« – Professor Albert Speer Mitte der 1990er-Jahre hatte der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman das Viertel als »Monument für einen toten Pharao« beschrieben. Es muss dort annähernd so ausgesehen haben wie heute in Kangbashi. Heute allerdings hat Pudong mehr als fünf Millionen Einwohner. Hier befindet sich das Finanz- und Geschäftszentrum Shanghais, der neue Stadtteil weist eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen in ganz China auf. Und die Lehre daraus? »Städte müssen sich entwickeln«, sagt Professor Albert Speer. »Ich fürchte, man hat immer weniger Geduld mit ihnen«, so der Architekt und Städteplaner, der mit seinem Frankfurter Büro AS&P Großprojekte in Metropolen wie Istanbul, Kairo und Shanghai betreut. Was er sich neben mehr Zeit für die Stadtentwicklung noch wünscht, egal ob in Europa oder Asien? »Rücksicht auf die Bevölkerung, auf die ökologischen Rahmenbedingungen und auf die Beschäftigungssituation. Es ist wichtig, dass die Städte sich darüber Gedanken machen: Wo kommen wir her, wo wollen wir hin in 20, 30 Jahren?« Mehr Infos zum Thema Urbanisierung: www.tuev-sued.de/urbanezukunft
Vor Ort
Menschen:
Heiße Eisen
W
enn Rohre zu glühen beginnen und Materialien an ihre Grenzen gebracht werden, dann sind René Siemermann und Claas Lehmkuhl in ihrem Element. Denn bei der Arbeit der beiden Maschinenbauingenieure wird es gelegentlich richtig heiß. Siemermann und Lehmkuhl prüfen regelmäßig, wie gut Leitungen und andere Bauteile die Dauerbelastung der Hochtemperaturteststrecken im Großkraftwerk Mannheim überstehen. Seit fünf Jahren wird hier unter realen Bedingungen getestet, ob Strom auch mit über 700 Grad heißem Dampf erzeugt werden kann – rund 100 Grad mehr als im »Normalbetrieb«. »Das wäre deutlich effizienter und umweltfreundlicher als bisher«, so Siemermann. Innovative Ideen, die konventionelle Kohle- und Gaskraftwerke besser und damit sauberer machen – auch das ist ein Teil der »Energiewende«. Auf ein solches Projekt sind die beiden TÜV SÜD-Experten, die nebenbei über Fachausbildungen in den Bereichen Metallbau und Schweißen verfügen, besonders stolz: Mitte 2013 ging in Mannheim Europas größter Fernwärmespeicher in Betrieb. In ihm kann heißes Wasser mit einem Energiegehalt von rund 1.500 Megawattstunden gespeichert werden – genug, um rund 100.000 Haushalte bis zu acht Stunden lang mit Wärme zu versorgen. »Das Kraftwerk kann nun in Zeiten mit schwacher Nachfrage den Speicher auffüllen, dadurch flexibler reagieren und letztendlich fast einen Kraftwerksblock einsparen«, so Siemermann. Eines der modernsten Kohlekraftwerke Europas, das direkt neben dem Speicher entsteht, wird ebenfalls von den beiden TÜV SÜD-Experten betreut. Ihre Aufgabe: Qualitätssicherung und Bauüberwachung. »Wir prüfen nicht nur die Komponenten, sondern verstehen, was der Kunde will«, fasst Siemermann zusammen. »Unser Ziel: höchste Verfügbarkeit des Gesamtsystems.« Auch privat lieben die beiden Ingenieure Extreme: René Siemermann nutzt den nahen Pfälzer Wald für ausgedehnte Mountainbiketouren, Claas Lehmkuhl hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis zu 18 Stunden in der Woche trainiert er, um im Juli 2014 bei einem ganz besonderen Wettkampf mit dabei zu sein: dem Triathlon Challenge im fränkischen Roth.
René Siemermann (links), Claas Lehmkuhl und ihre Arbeitsstätte: das Großkraftwerk Mannheim.
Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/energie TÜV TÜV SÜD SÜD Journal Journal 21 21
Auf dem Weg
AUF DEM W EG
RTE #22 SMA G N KLEIDU SE RE #26 BES N MOTORE
Was wie ein Schal aussieht, heißt »Hövding«, ersetzt einen Fahrradhelm und ist in Schweden bereits im Einsatz. Bei einem Unfall legt sich ein Airbag um Kopf und Nacken (siehe Foto ganz rechts).
TECHNIK IST IN MODE
in Unserer Magazin-App
22 TÜV SÜD Journal
Auf dem Weg
Kleider machen Leute – und wenn Ingenieurskunst und Design an einem Strang ziehen, sogar noch viel mehr: Mit intelligenter Elektronik versehen, versprechen Jacken, Hosen und Accessoires, unseren Alltag zu erleichtern. Text: Sandra Lehmann
Auch die Haute Couture versucht sich bereits an Smart Clothes: Rauchdüsen hüllen die Trägerin des »Smoke Dress« von Designerin Anouk Wipprecht in mystische Nebelschwaden, sobald jemand in die Nähe kommt. Rechts: der Schal-Airbag »Hövding«.
U
mhänge, die unsichtbar machen, oder Hüte, aus denen sich Kaninchen zaubern lassen – es ist ein uralter Menschheitstraum, Kleidung zu besitzen, die geradezu magische Fähigkeiten hat. Die Chemie ließ diesen Traum ein Stück weit Wirklichkeit werden. Zum Beispiel durch Entdeckungen wie die von Robert W. Gore: Wenn man Polytetrafluorethylen nur geschickt genug verarbeitet, fand der US-Chemiker 1969 heraus, dann lassen sich damit Textilien herstellen, die wasserdicht, aber trotzdem atmungsaktiv sind. Ähnlich Revolutionäres erwartet man nun von der Elektrotechnik. Sie soll Kleidung künstliche Intelligenz verleihen, damit aus Jacken, Hosen & Co. sogenannte Smart Clothes werden. Hinter dem Begriff verbergen sich Textilien und Accessoires mit elektronischen Komponenten, die messen, überwachen, steuern und über Internet- oder Bluetoothverbindungen mit anderen Geräten kommunizieren können. Auf der Internationalen Funkausstellung 2001 in Berlin war das erste Mal vor großem Publikum die Rede von Smart Clothes. Mehr als zwölf Jahre später arbeiten die Forschungsabteilungen der Textilindustrie an einer Vielzahl von Funktionen: Jacken, in deren Taschen man bequem sein Handy laden kann, Unterwäsche, die bei der Brustkrebsfrüherkennung hilft, Kleider, die bei hoher Ozonbelastung ihre Farbe ändern. Aus den Erfinderstuben in die Kleiderschränke schaffen es allerdings noch die wenigsten Teile. Nur Sportartikel zeigen bisher, dass Smart Clothes das Potenzial zur Massenware haben. Schuhe zum Beispiel, die beim Joggen die
Schritte zählen, sind bereits in den Läden. Drahtlos melden sie das Ergebnis an ein Armband, das über GPS die zurückgelegte Strecke, den überwundenen Höhenunterschied und aus all den Daten die verbrannten Kalorien ermittelt. Technisch und modisch den Trend treffen
Was aber entscheidet über Erfolg oder Misserfolg von Smart Clothes? »Ein smartes Kleidungsstück muss nicht nur technisch, sondern auch modisch den Trend treffen«, erklärt der Essener Mode- und Technikblogger Gerhard Schröder. »Es kommt beim Kunden nur dann an, wenn es genauso schick ist wie ein konventionelles. Und besonders wichtig ist, dass die Produkte einfach zu handhaben sind.« Doch gerade daran mangelt es noch häufig. Die Elektronik, das Herz intelligenter Kleidung, ist anfällig. Sie verträgt weder Wasser noch hohe Waschtemperaturen oder Schleudergänge. Und wenn sie sich überhaupt vor dem Reinigen entfernen lässt, dann nur mit viel Aufwand. »Hier muss die Industrie deutlich nachbessern und Methoden entwickeln, um die Technik entsprechend zu schützen«, sagt Schröder. Deshalb werde es noch einige Jahre dauern, bis ein Großteil unserer Garderobe aus Smart Clothes bestehe. »In der Zwischenzeit schaffen einzelne Vorzeigeprodukte wie die Datenbrille von Google schon mal die gesellschaftliche Akzeptanz für die neuen Accessoires und Kleidungsstücke.« Mehr zum Thema Kleidung: www.tuev-sued.de/softlines TÜV SÜD Journal 23
Auf dem Weg
Neue Hochleistungsmotoren setzen auf Edelmetallzündkerzen. Legierungen aus Iridium oder Platin fördern eine optimale Verbrennung.
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Auf dem Weg
da geht noch was Von wegen Auslaufmodell: Autos mit Verbrennungsmotor haben ihre Zukunft längst noch nicht hinter sich. Vor allem in Motoren und in der Karosserie stecken noch viele Potenziale.
in Unserer Magazin-App
Text: Sandra Lehmann
D
as erste Auto, der Patentmotorwagen, den Carl Benz 1886 patentieren ließ, verbrauchte rund zehn Liter Benzin bei weniger als einem PS. Rund ein Jahrhundert lang stand danach die Leistungssteigerung der Motoren im Fokus, der Verbrauch spielte nur eine untergeordnete Rolle. Doch seit den 1980er gewinnt das Thema an Fahrt. Kraftstoff sparen lautet die Devise. Viele Automobilhersteller setzen dabei auf das sogenannte Downsizing. Sie arbeiten an kleineren Motoren, die mit weniger
Entwickler setzen auf zeitweilige Zylinderabschaltung, um Sprit zu sparen. In Fahrsituationen, die nicht die volle Leistung erfordern, läuft ein V8-Motor beispielsweise nur noch auf vier Zylindern.
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Auf dem Weg
Hubraum und damit weniger Spritverbrauch so viel Leistung bringen wie ein großer. Das gelingt insbesondere durch einen oder mehrere Turbolader, die die Luft verdichten, bevor sie im Brennraum mit Treibstoff vermischt wird. Der physikalische Trick dahinter: In derselben Zeit gelangt mehr Luft durch den Motor – und proportional zu ihrer Menge steigt dessen Leistung. Spritsparende Nebeneffekte des Downsizings sind die geringere interne Reibung durch weniger Hubraum und das geringere Motorgewicht. Eine aktuelle Studie des Instituts für Kraftfahrzeuge (ika) an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen spricht von bis zu 17 Prozent Kraftstoff, die durch Downsizing eingespart werden können.
sogenannter thermischer Verluste. Rund ein Drittel der eingesetzten Energie entweicht bei aktuellen Verbrennungsmotoren ungenutzt als Wärme über das Abgas und noch mal dieselbe Menge über das Kühlsystem. Und das, obwohl diese Wärme in beiden Fällen in mechanische oder elektrische Energie umgewandelt werden könnte. Erste Autohersteller nutzen dieses Potenzial und machen sich eine zweistufige Technik zunutze, wie sie in modernen Gasund Heizkraftwerken zum Einsatz kommt. In einem ersten Schritt lässt die Abwärme eine Arbeitsflüssigkeit verdampfen. In einem zweiten Schritt treibt der Dampf eine sogenannte Expansionsmaschine an, die durch Ausdehnung mechanische Energie erzeugt. Die wiederum kann den Verbrennungsmo-
Studie möglich. Wird das Abgas vor seiner Beimengung abgekühlt, lässt sich das Gasgemisch stärker verdichten, und es können noch einmal bis zu vier Prozent Benzin oder Diesel eingespart werden. Von Dieselmotoren lernen
Einige dieser Techniken werden bereits in Dieselmotoren eingesetzt. Bei Ottomotoren besteht Nachholbedarf. Eine Direkteinspritzung zum Beispiel, die das Mischen von Luft und Kraftstoff in den Brennraum verlagert, ist bei Dieselmotoren derzeit Standard. In Ottomotoren kommt diese Technik bisher hauptsächlich in Oberklassefahrzeugen zum Einsatz. Während der Einspritzdruck bei Dieselmotoren zwischen 2.000 und 2.500 Bar liegt, arbeiten Ottomotoren mit nur 200
»Verbrennungsmotoren
haben
Zukunft – insbesondere in Kombination mit anderen Antriebssystemen.« – Prof. Dr. Michael Bargende Weniger bringt mehr
»Großes Potenzial steckt auch in der Reduzierung von Gewicht, Reibung und Fahrwiderständen«, sagt Detlev Richter, bei TÜV SÜD zuständig für Umwelt- und Antriebstechnologien. Je leichter ein Auto, desto weniger Leistung ist für den Antrieb nötig. Schon 100 Kilogramm weniger Gewicht führen zu einer Spritersparnis von bis zu 0,5 Litern pro 100 Kilometer. Entsprechend viel bringt die Verwendung von Leichtbaumaterialien wie Aluminium, Magnesium und faserverstärkten Kunststoffen. Zudem empfiehlt der TÜV SÜD-Experte, bei künftigen Neufahrzeugen auf reibungsreduzierende Beschichtungen, alternative Schmierstoffe in Motor und Getriebe sowie Karosserieformen zu setzen, die mehr Wert auf Aerodynamik als auf Design legen. Eine weitere Möglichkeit, den Spritverbrauch zu reduzieren, ist die Minimierung 26 TÜV SÜD Journal
tor beim Antrieb von Aggregaten oder des gesamten Fahrzeugs entlasten. Ebenfalls ein heißes Thema ist die Abgasrückführung: Durch die hohen Verbrennungstemperaturen in Ottomotoren entstehen Stickoxide als Schadstoffe. Statt diese in die Luft zu blasen, können sie spritsparend eingesetzt werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Bei der sogenannten internen Abgasrückführung werden Einlass- und Auslassventil für ein paar Momente gleichzeitig geöffnet. Dadurch vermischt sich das Abgas mit dem Kraftstoff-Luft-Gemisch so, dass weniger Sprit verbraucht wird. Einen stärkeren Spareffekt erzielt allerdings die externe Abgasrückführung, bei der die Emissionen über eine separate Leitung wieder zum Motor geführt werden, wo sie noch vor der Brennkammer mit Frischluft vermischt werden. Bis zu 15 Prozent weniger Kraftstoffverbrauch sind dadurch laut ika-
bis 400 Bar. Wird dieser erhöht, lassen sich laut ika bis zu acht Prozent Kraftstoff einsparen. Möglich macht das die stärkere Verdichtung des Kraftstoff-Luft-Gemischs im Brennraum, erlaubt durch den kühlenden Effekt des direkt eingespritzten Treibstoffs. Fazit der vielen Möglichkeiten: »Verbrennungsmotoren haben Zukunft«, sagt Professor Dr. Michael Bargende, Leiter des Instituts für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen an der Universität Stuttgart. »Wir werden für jede einzelne Herausforderung im Bereich der Mobilität die beste Lösung finden müssen. Das erfordert eine Kombination verschiedener, zukunftsfähiger Antriebssysteme. Und Verbrennungsmotoren sind definitiv eines davon.« Mehr zum Thema: www.tuev-sued.de/automotive
Auf dem Weg
Motoren und Abgaswerte unter der Lupe Um Automobilhersteller und Zulieferer bei der Homologation, also bei der Prüfung der Zulassungsfähigkeit von Fahrzeugen, und bei der Messung von Abgaswerten zu unterstützen, betreibt TÜV SÜD ein europaweites »Emissionsnetzwerk«. Dazu gehören ein Abgaslabor im baden-württembergischen Heimsheim, ein Emissionslabor im tschechischen Roztoky und das vor rund einem Jahr eröffnete Technologie- und Umweltzentrum (TUZ) im hessischen Pfungstadt. Mit dem Labornetzwerk bietet der Prüfdienstleister nicht nur alle nötigen Messeinrichtungen für Pkw, Nutzfahrzeuge und mobile Maschinen mit Verbrennungsmotor, sondern auch für Elektro- und alternative Antriebe. Geprüft und gemessen wird nach verschiedenen internationalen Normen. Das Labor in Heimsheim zum Beispiel ist spezialisiert auf die Abgasvorschriften Europas, Japans und der USA.
In herkömmlichen Motoren werden die Ventile über die Nockenwelle gesteuert. Sie öffnen und schließen sich im Rhythmus der Drehzahl. Mit der neuen Technik der variablen Ventilsteuerung lassen sich Zeitpunkt und Frequenz des Öffnens und Schließens unabhängig davon und somit effizienter regeln.
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Auf den Punkt
AUF DEN PU N K T
ALL#28 UNF UNG FORSCH TIG #30 RICH SITZEN
Text: Thomas Weber
Sie sind Simulanten im Dienst der Sicherheit: Zum Schutz der Menschen halten Crashtest-Dummys bei der Entwicklung von Autos ihren Kopf und ihre Kunststoffknochen hin. So funktionieren die lebensgroßen Puppen.
#1
Ideale Besetzung Am Anfang steht ein Casting. Je nachdem, welche Art von Crash getestet werden soll, kommen unterschiedliche Spezial-Dummys zum Einsatz. Der Spezialist für Frontalcrashs heißt Hybrid III, ist 1,80 Meter groß und 77 Kilo schwer – wie der Durchschnitts autofahrer. Aber auch Fußgänger, Schwangere und Kinder stehen zur Wahl.
#2
Generalprobe Kann der bis zu 300.000 Euro teure Dummy, was er soll? Um das zu prüfen, werden zunächst seine Messinstrumente kalibriert und Funktionstests durchgeführt, z. B. durch Fallenlassen des Körpers aus 40 Zentimeter
opferrolle 28 TÜV SÜD Journal
Auf den Punkt
#3
Maske & Verkabeln Bis zu 200 Sensoren (hauptsächlich Beschleunigungs-, Kraft- und Winkelmesser) in allen Körperzonen werden mit externen Aufzeichnungsinstrumenten verbunden. Kopf und Knie werden mit Puder betupft, der später Aufprallstellen markiert.
#4
Und Action! Der Schlitten mit Autositz wird auf die Aufprallgeschwindigkeit beschleunigt. Der Crash selbst dauert nur Millisekunden. Eine Hochgeschwindigkeitskamera filmt ihn.
#5 Vorschau Rund 10.000 Daten liefert ein einziger Crash. Ingenieure und Unfallmediziner werten sie mithilfe von Computern aus, um die Risiken eines Aufpralls für Menschen abschätzen und minimieren zu können.
rolle
Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/automotive/passive_sicherheit
Blaues Shirt, Hose, Schuhe: Für Crashtests werden die Dummys extra eingekleidet. Schließlich soll alles an ihnen so sein wie beim Menschen: von der Beweglichkeit der Wirbelsäule und Gliedmaßen bis hin zum Äußeren.
#6
Fit für die Fortsetzung Nach spätestens fünf Einsätzen geht es in die Reha. Die Dummys werden generalüberholt, ihre Messinstrumente neu geeicht. Auf ihre nächste Rolle warten sie dann in einem klimatisierten Raum. Ihre empfindliche Technik verträgt nämlich keine Temperaturschwankungen. Daher ist die Gradzahl bei Tests genormt.
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Auf den Punkt
Ratgeber:
Sitzen Sie gut? Rund 80.000 Stunden seines Arbeitslebens verbringt ein Angestellter im Durchschnitt auf dem Bürostuhl. Umso wichtiger ist es, ein Modell zu finden, das nicht nur bequem, sondern auch gesund ist.
1
3
Reine Einstellungssache Voraussetzung für gesundes Sitzen ist die richtige Einstellung von Sitzhöhe, Rückenlehne und Armlehnen. Ruhen die Unterarme im 90°-Winkel zum Oberkörper auf ihnen, ist die Schulterund Nackenpartie entlastet. Ober- und Unterschenkel bilden im Idealfall ebenfalls einen 90°-Winkel. Die Rückenlehne sollte bis zu den Schulterblättern reichen.
2 Gut
angepasst Hochwertige Bürostühle haben eine Lordosenstütze, eine Wölbung der Rückenlehne im Lendenwirbelbereich. Sie passt sich
Besser auf großem Fuß
der natürlichen Form
Das Fußkreuz des Stuhls muss ausladend genug sein, um dessen Standsicherheit zu ge währleisten. Aber Vorsicht: Ragt es zu weit über die Sitzfläche, kann es leicht zur Stolperfalle werden.
4
farbe bekennen Wie gut man sich mit dem Stuhl bewegen kann, hängt von den Rollen ab. Ein Farbsystem hilft bei der Auswahl. Harte Rollen mit einfarbiger Seitenfläche eignen sich für weiche Böden wie Teppich. Bei hartem Untergrund sind weiche Rollen mit zweifarbiger Seitenfläche die richtige Wahl.
Mehr Infos zum den Produktprüfungen von TÜV SÜD: www.tuev-sued.de/industrie_konsumprodukte 30 TÜV SÜD Journal
der Wirbelsäule an und entlastet das Rückgrat.
Probesitzen lohnt sich. Um Beschwerden wie Verspannungen, Kopf- und Rückenschmerzen vorzubeugen, sollte man sich bei der Auswahl des Bürostuhls genug Zeit nehmen und sorgfältig verschiedene Modelle testen.
5
Ideale Orientierungshilfe Ist ein Stuhl ergonomisch? Ist die Gasfeder sicher? Prüf zeichen wie »Ergonomie geprüft« von TÜV SÜD zeigen auf einen Blick, ob Sicherheits- und Qualitätsstandards eingehalten werden.
Akademie | Termine
Training-Tipps TÜV SÜD Akademie In jeder Ausgabe des TÜV SÜD Journals stellen wir Ihnen eine ausgewählte Seminarreihe vor. Diesmal zum Thema: Modulare Ausbildung zum Lean Production Manager Unternehmen stehen mehr denn je vor der Herausforderung, kundenindividuelle Lösungen kosteneffizient bereitzustellen. Möglich wird dies durch eine betriebliche Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses in schlanker Form. Als Weiterbildungspartner unterstützt die TÜV SÜD Akademie Unternehmen dabei. So geht es in der neuen Ausbildung zum Lean Production Manager gezielt darum, Produktion und Logistik systematisch zu optimieren. Die Ausbildung umfasst das Grundmodul »Lean Management Tools – Werkzeuge zur Produktionsoptimierung« sowie die Aufbaumodule: Lean Production – Planspiel für KANBAN, JIT und KVP Lean Supply Chain Management – Lieferkettenmanagement und Kennzahlensysteme
02/03/04 KALENDER
Auf folgenden Messen, Kongressen und Veranstaltungen können Sie TÜV SÜD live erleben. Unsere Expertenteams freuen sich auf Ihren Besuch. Mehr Infos zu den Terminen: www.tuev-sued.de/konzernevents
Februar E-world, Essen, 11.–13.02.2014 Besucher der Leitmesse für Energie- und Wasserwirtschaft treffen TÜV SÜD am Stand 322 in Halle 1. Dort können sie sich unter anderem über die Zertifizierung von Ökostrom, Biomethan und »grünem« Wasserstoff informieren.
Lean TPM – Totale Produktive Instandhaltung Lean Set Up – Rüstzeitenminimierung Termine mit Startmöglichkeit während des ganzen Jahres finden an Standorten im gesamten Bundesgebiet statt. Alle Module sind auch einzeln buchbar. Weitere Informationen und freie Termine im Internet unter: www.tuev-sued.de wolfgang.humburg@tuev-sued.de
März EWEA, Barcelona, 10.–13.03.2014 Auf der europäischen Windenergiekonferenz und -ausstellung präsentiert TÜV SÜD an Stand 7B100 sein umfangreiches Dienstleistungsangebot, das von Standortgutachten bis zur Zertifizierung von Offshore- und Onshore-Windanlagen reicht. mipim, Cannes, 11.–14.03.2014 Im Rahmen der größten internationalen Immobilienmesse informiert TÜV SÜD über Leistungen rund um die Werthaltigkeit und Nachhaltigkeit von Gewerbeimmobilien. Schwerpunkte sind unter anderem Baucontrolling, energetisches Gebäudemanagement und Due Diligence Services.
Impressum Herausgeber: TÜV SÜD AG, Westendstraße 199, 80686 München Inhaber: TÜV SÜD e.V. (74,9 %), TÜV SÜD Stiftung (25,1 %), Westendstraße 199, 80686 München Leiter Unternehmenskommunikation: Matthias Andreesen Viegas Projektleitung & Chefredakteur: Jörg Riedle Kontakt: +49 (0)89 5791-0, info@tuev-sued.de Realisation: Medienfabrik Gütersloh GmbH, Neumarkter Straße 63, 81673 München Druck: Eberl Print GmbH, Kirchplatz 6, 87509 Immenstadt Fotonachweis: Anouk Wipprecht (23), Corbis (13, 15, 17, 18, 19, 20, 24, 25, 30), Fotolia (12, 27), Großkraftwerk Mannheim (21), Hannes Söderlund/imagebank.sweden.se (22), Hoevding (23), Illustration: Skizzomat (1, 6, 7, 8, 10), Illustration (34, 35): LULU*, Jan Scheutzow (4, 5), Messe Hannover (3), TÜV SÜD (2, 14, 15, 21, 32, 33) Das TÜV SÜD Journal erscheint vierteljährlich. Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das TÜV SÜD Journal wird klimaneutral auf einem Papier aus nachhaltiger Holzwirtschaft gedruckt.
klimaneutral
Light + Building, Frankfurt am Main, 30.03.–04.04.2014 Auf der alle zwei Jahre stattfindenden Messe für Architektur und Technik präsentieren rund 2.300 internationale Aussteller Neuheiten aus den Bereichen Licht, Elektrotechnik, Haus- und Gebäudeautomation sowie Software für das Bauwesen.
April Hannover Messe, Hannover, 07.–11.04.2014 Die Kernbereiche der weltweit wichtigsten Industriemesse sind Industrieautomation und IT, Energie- und Umwelttechnologien, industrielle Zulieferung, Produktionstechnologien und Dienstleistungen sowie Forschung und Entwicklung.
natureOffice.com | DE-141-715247
gedruckt
TÜV SÜD Journal 31
5 Minuten
TÜV SÜD zertifiziert im Eisenbahnbereich
Zertifizierung besonders nachhaltiger Gebäude in Asien
Mit einem Klick zum Oldtimer-Experten
Grünes Licht für die vereinfachten Zulassungsprozesse für Schienenfahrzeuge mit Blick auf eine EU-Harmonisierung: Die Sparte Rail der TÜV SÜD Gruppe ist als eines der ersten Unternehmen in Deutschland vom Eisenbahnbundesamt als Designated Body mit Interims-Funktion anerkannt worden. Damit steht TÜV SÜD Herstellern für Zertifizierungen von Teilsystemen und Fahrzeugen gemäß der EU-Vorgabe 2011/217/EU zur Verfügung.
Singapur ist ein Vorreiter in puncto Umweltschutz und Nachhaltigkeit: Der Stadtstaat hat es sich zum Ziel gesetzt, im Bereich nachhaltiger Gebäude führend in den Tropen zu werden. Die Behörde Singapore Green Building Council SGBC kooperiert dazu seit Oktober 2013 mit TÜV SÜD. Der Dienstleister wird in den kommenden fünf Jahren als Prüfstelle die Konformität aller nach den Vorgaben des SGCB vergebenen Zertifikate überprüfen.
Nur noch wenige Wochen, dann starten die ersten Frühjahrs ausfahrten für Oldtimer. Wer sein historisches Fahrzeug schon jetzt fahrtauglich machen möchte, eine Fachfrage oder ein spezielles Anliegen hat, der findet jetzt mit nur einem Klick im Internet den richtigen Experten bei TÜV SÜD ClassiC. Unter www.tuev-sued.de/oldtimer hat der Spezialist für automobile Schätzchen dazu eine umfassende Datenbank angelegt, die den schnellsten Weg zum passenden Fachmann weist.
klaus.bosch@tuev-sued.de
shirley.lee@tuv-sud-psb.sg
oldtimer@tuev-sued.de
TÜV SÜD zertifiziert Rechenzentren mit neuem Standard
Für den Geschäftserfolg eines Unternehmens ist die Informationssicherheit ein wesentlicher Faktor. Daher ist es wichtig, ein entsprechendes Management-System nach ISO 27001 inklusive angemessener Kontroll- und Steuerungsmechanismen zu haben. Doch gerade für Betreiber von Rechenzentren ist diese Norm meist nicht ausreichend, da sie weitestgehend organisatorische Abläufe bewertet. TÜV SÜD hat jetzt einen neuen Standard entwickelt, der speziell auf Rechenzentren abgestimmt ist und zusätzlich technische und infrastrukturelle Bereiche abdeckt. Die LEW TelNet GmbH ist das erste Unternehmen, das die Zertifizierung »TÜV SÜD zertifiziertes Rechenzentrum« erhalten hat. Unter anderem wurden die Betriebsprozesse, die Energieversorgung, die Personalschulung und die Gebäudesicherheit überprüft. Rainer Seidlitz (l.) von TÜV SÜD übergab Ende 2013 ein entsprechendes Zertifikat an den Geschäftsführer der LEW TelNet GmbH, Johannes Stepperger. Auch für HochsicherheitsRechenzentren bietet TÜV SÜD übrigens ein eigenes Zertifikat an. rainer.seidlitz@tuev-sued.de
32 TÜV SÜD Journal
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Neues Prüfverfahren für Verbundwerkstoffe im Flugzeugbau
Flugzeuge verbrauchen umso mehr Treibstoff, ist je schwerer sie sind. Bei der Entwicklung neuer Luftfahrzeuge versuchen Hersteller daher seit langem, besonders leichte Materialien einzusetzen, die trotzdem eine hohe Festigkeit aufweisen. Derzeit werden zunehmend Verbundwerkstoffe, beispielsweise kohlefaserverstärkte Kunststoffe, eingesetzt. Da neue Bis zu Materialien auch neue Prüfverfahren erfordern, leichter als bisher sollen künftige hat TÜV SÜD das System Testing Automated Robotized Ultrasonic System (T.AU.R.U.S.) entFlugzeuge durch den Einsatz von wickelt. Es wird unter anderem für die ZerstöVerbundwerkstoffen werden. rungsfreie Prüfung von Flugzeugkomponenten im Auftrag von Boeing eingesetzt. T.AU.R.U.S. ist vor allem für mittlere und kleinere Bauteile mit komplexen Geometrien geeignet. Das System kombiniert herkömmliche Ultraschallgeräte und mechanische Prüfgeräte mit einer speziellen Software. »Dadurch erreichen wir einen hohen Durchsatz von Prüflingen, ohne die geforderte Prüfqualität zu beeinträchtigen«, so Valter Capitani von TÜV SÜD Bytest, einer auf Materialprüfungen spezialisierten Tochtergesellschaft der TÜV SÜD Gruppe. Damit verschafft das neuartige System seinen Kunden aus der Luftfahrtindustrie einen Zeit- und Kostenvorteil und damit auch einen wichtigen Vorsprung im internationalen Wettbewerb.
20 Prozent
valter.capitani@tuv.it
5 Minuten
TÜV SÜD-Mitarbeiter fahren elektrisch TÜV SÜD setzt bundesweit auf die innovativen Elektrofahrzeuge von BMW und setzt den neuen BMW i3 als erste Prüforganisation als Poolfahrzeug ein. Die E-Autos stehen den Mitarbeitern dann in verschiedenen Regionen Deutschlands für Dienstfahrten und Kundenbesuche zur Verfügung. Ein klares Signal für die hohe Alltagstauglichkeit und die Sicherheit rein elektrischer Fahrzeuge. »Die individuelle Mobilität von morgen ist elektrisch – davon sind wir überzeugt«, sagt Bernhard Kerscher, Geschäftsführer von TÜV SÜD Auto Service. »Mit den BMW i3 setzen wir ein klares Zeichen für die Elektromobilität. Die Kollegen sind bei deutlich reduzierten Betriebskosten lokal emissionsfrei unterwegs.« Die Experten von TÜV SÜD sind sich durchweg sicher, dass bei den Mitarbeitern auch richtig Freude am elektrischen Fahren aufkommt. Denn als Dienstleister rund um die Elektromobilität kennen sie Elektrofahrzeuge genau. TÜV SÜD setzt sich seit Jahren auf den verschiedensten Fachgebieten dafür ein, dass das Fahren mit Strom schnell und sicher Realität wird. vincenzo.luca@tuev-sued.de
Minuten mit TÜV SÜD
Besseres Management von Gebrauchtfahrzeugen
91 Tage – so lange dauert es durchschnittlich, bis ein Händler ein Gebrauchtfahrzeug verkauft hat. Eine lange Zeit, denn Standzeiten kosten bares Geld. Das Bewertungssystem TÜV SÜD in Motion (TIM) hilft jetzt, diese zu minimieren. Das Besondere: Das System bietet eine Schnittstelle zur Software AlphaController, mit der viele Gebrauchtwagenhändler ihre Fahrzeuge managen. Alle Daten und Unterlagen der Fahrzeuge können in Echtzeit über den AlphaController von jedem Arbeitsplatz aus direkt online abgerufen werden, selbstverständlich auch die Ergebnisse der TÜV SÜDGutachten. Autohäuser sparen damit Zeit und Geld und bewahren ihre Unabhängigkeit. robert.becht@tuev-sued.de
Kooperation für die Energiewende TÜV SÜD und das staatliche Korea Testing Laboratory (KTL) werden in Zukunft bei der Umsetzung der IEC 61850 eng zusammenarbeiten. Ein entsprechendes Memorandum of Understanding wurde Ende 2013 unterzeichnet. Der internationale Standard IEC 61850 ist die Grundlage für die Kommunikation in intelligenten Stromnetzen. Hintergrund ist der weltweite Ausbau von Strom aus erneuerbaren Energien: Dazu müssen die Stromnetze modernisiert werden. Eine wesentliche Voraussetzung für die Integration der unterschiedlichen Anlagen in die Netze ist die Kommunikationsfähigkeit von einzelnen Geräten und von kompletten Anlagen. Für die Kommunikation zwischen intelligenten elektronischen Geräten in einem Smart Grid setzt sich im internationalen Umfeld zunehmend dieser Standard durch. Er kommt in allen Bereichen zum Einsatz – von der Erzeugung und Übertragung bis zur Verteilung zum Verbrauch, von Photovoltaik- und Windenergieanlagen über Elektrofahrzeuge und Speichermöglichkeiten bis zum Smart Home. Die Kooperation von TÜV SÜD und KTL umfasst die Durchführung von Konformitätsprüfungen und die Zertifizierung nach IEC 61850 sowie Schulungen und Beratungen zu allen Smart-Grid-Themen.
Mit dem KC Mark erfolgreich in Südkorea Bei der industriellen Automatisierung wächst die Welt weiter zusammen. TÜV SÜD unterstützt Hersteller von Systemen und Komponenten dabei, die Anforderungen auf internationalen Märkten zu erfüllen – beispielsweise in Südkorea. Hier müssen unter anderem Elektrogeräte, Telekommunikationskomponenten, aber auch Produkte für industrielle Anwendungen das so genannte KC Mark tragen. TÜV SÜD bietet dafür unter anderem Services von den Baumusterprüfungen im Testlabor über die Erstellung von Testberichten bis zur Bereitstellung der entsprechenden Dokumentation an. Alle notwendigen Prüfungen und Zertifizierungen werden vor Ort durch die jeweiligen TÜV SÜD-Landesgesellschaften angeboten. Besonders wichtig: Durch die Einhaltung der Sicherheitsstandards und durch die umfassende Dokumentation können Hersteller und Betreiber das Risiko von Unfällen und der damit verbundenen Haftung auf ein Minimum reduzieren.
maurizio.scavazzon@tuev-sued.de jc.rode@tuev-sued.de
TÜV SÜD Journal 33
Zu guter Letzt
Technischer sprung
Forscher arbeiten an einer neuen Generation von TV-Geräten, die verspricht, nicht nur Sportübertragungen zu revolutionieren.
O
ly mpiade für Olympiade hoffen Industrie und Handel, dass sich das Wunder von München wiederholt. Es ereignete sich 1972. Längst gab es Farbfernsehen, doch kaum jemand leistete sich ein Gerät für den Empfang – bis kurz vor Beginn der Sommerspiele. Dann plötzlich schnellte der Absatz in die Höhe. Nun laufen wieder Olympische Spiele. Aber gibt es bei TV-Geräten eine neue Technik, die man haben müsste? Wissenschaftler und Entwickler aus aller Welt arbeiten zumindest an einer. 3-DBilder sollen sich dabei von Bildschirm und Leinwand emanzipieren und als bewegliche Hologramme in den Raum projiziert werden. Diese Art der Bildübertragung sei ein Menschheitstraum, schwärmt DiplomInformatiker Volker Hahn, der seit Jahren unter anderem am Darmstädter FraunhoferInstitut für Graphische Datenverarbeitung daran forscht. Man könne sich die Technik so vorstellen, erklärt er, wie in der berühmten Filmszene aus »Krieg der Sterne«, in der Roboter R2-D2 Prinzessin Leia virtuell vor Obi-Wan Kenobi und Luke Skywalker erscheinen und um Hilfe bitten lässt. 34 TÜV SÜD Journal
Zu guter Letzt
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Klingt nach ScienceFiction, ist aber bereits Realität. Alex Butler und seinem Team von Microsoft Research in Cambridge ist es gelungen, HologrammFiguren durch den Raum spazieren zu lassen. Noch sehen sie ein bisschen so aus, als wären sie einer Lasershow aus den 1980erJahren entsprungen, »aber wir arbeiten daran, die 3-D-Szenen realistischer darstellen zu können«. Für die sportlichen Großereignisse in diesem Jahr ist es allerdings noch nichts geworden mit den neuen 3-D-Fernsehern. Vielleicht ist das auch besser so. Wer möchte schließlich schon, dass ein Skispringer auf dem Wohnzimmertisch landet oder mitten auf der Couch? TÜV SÜD Journal 35
Trotz der Bemühungen vieler Länder, ihren CO2-Ausstoß zu verringern, steigen die weltweiten Treibhausgas-Emissionen an. Was lässt sich dagegen tun?
CO2-Emissionen je Einwohner in Tonnen
38,2
21,0
17,4
16,9
11,7
Katar
Vereinigte Arabische Emirate
Australien
USA
Russland
9,1
7,1
Deutschland Vereinigtes Königreich
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6,5
5,9
5,1
2,1
1,4
Italien
China
Schweiz
Brasilien
Indien
Quelle: Internationale Energieagentur, 2013
Energie effizient nutzen
D
er Ernst der Lage war der Internationalen Energieagentur (IAE) Ende vergangenen Jahres einen Sonderbericht wert: den Neuentwurf der »Energie-Klima-Landkarte«. Deren alarmierende Botschaft: Die weltweiten Treibhausgas-Emissionen steigen weiterhin an. Beim Kohlendioxid stamme mehr als die Hälfte aus gerade einmal fünf Ländern: aus China (23 %), den USA (16 %), Indien (5 %), Russland (5 %) und Brasilien (4 %). Führend beim CO2 -Ausstoß pro Kopf sei Katar vor den Vereinigten Arabischen Emiraten und Australien (siehe Tabelle). Das Fazit, das die IAE daraus zieht: Trotz positiver Entwicklungen in einigen Ländern sei das von Regierungen formulierte Ziel, den Anstieg der
globalen Durchschnittstemperatur auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, nur noch bei schnellem Handeln erreichbar. Der größte Hebel sei der Energiesektor. Er sei für rund zwei Drittel der Treibhausgase verantwortlich, da noch über 80 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aus fossilen Quellen gedeckt würden. Unter anderem fordert die IAE daher, fossile Brennstoffe nicht mehr zu subventionieren – 2011 wurden sie weltweit noch mit 523 Milliarden US-Dollar staatlich bezuschusst – sowie gezielte Energieeffizienzmaßnahmen zu ergreifen. Allein diese könnten rund die Hälfte der Emissionen einsparen. Beispiele sind die Einführung von Energieeffizienzstandards bei Gebäuden, insbesondere für die Beleuchtung, Heizung und Kühlung, sowie die Weiterentwicklung von Motorsystemen in Industrie und Verkehr.