TÜV SÜD Journal 2/2014

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TÜV SÜD

journal ROBE #18 AUF DIE P ienz durch neue Luftfahr t: Mehr Ef fiz eisen? Materialien und Bauw  WEG #24 AUF DEM ann kommt die Kernfusion: W der Sonnenkraf t? Stromerzeugung mit PUNKT #28 AUF DEN  Wie funk tionier t Fußball-WM: nik? die neue Torlinientech

# 02 2014

ehmung Risikowahrn

s n a n o h c s t Wer denk en? Ausrutsch


Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Heft wird es riskant. Denn in unserer Titelgeschichte spüren wir den Risiken unserer Gesellschaft und dem Umgang der Menschen mit Gefahren aller Art nach – ein Thema, das perfekt zu TÜV SÜD passt. Denn die Risiken der Welt zu minimieren und beherrschbarer zu machen ist eine der Aufgaben von Unternehmen wie TÜV SÜD. Dafür prüfen unsere mehr als 20.000 Experten auf der ganzen Welt technische Anlagen regelmäßig auf ihre Sicherheit, untersuchen Elektroartikel, Textilien oder Lebensmittel in einem globalen Labornetzwerk oder schulen Sicherheitsverantwortliche anderer Unternehmen im Umgang mit Risiken. Dafür nehmen unsere Ingenieurinnen und Ingenieure Jahr für Jahr mehrere Millionen Autos bei der Hauptuntersuchung genau unter die Lupe, testen SchienenInfrastrukturen gemäß internationaler Normen oder sehen sich die Statik von Gebäuden ganz genau an. Die Liste unserer Dienstleistungen für mehr Sicherheit ließe sich noch lange fortsetzen. Unser Ziel ist es, die Gefahren einer risikoreichen Welt zu minimieren. Mehr zum Thema Auf unsere Expertise und unseren neutim Magazin zum neuen TÜV SÜD-Geschäftsbericht unter ralen Blick als unabhängiger Dritter verwww.tuev-sued.de/geschaeftsbericht (auch als App)! trauen unsere Kunden jeden Tag aufs Neue – eine große Verantwortung, der wir uns immer wieder stellen müssen. Denn unsere Kunden verlassen sich darauf, dass bei uns nicht Bauchgefühle entscheiden, sondern objektive und nachprüfbare Fakten und Mess­ ergebnisse – gepaart mit der umfangreichen Erfahrung der Menschen, die bei uns arbeiten. Damit Risiken beherrschbar werden. Vertrauen Sie uns!

Vertrauen

Mit freundlichen Grüßen

Dr.-Ing. Axel Stepken Vorsitzender des Vorstands der TÜV SÜD AG 2 TÜV SÜD Journal

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Inhalt

#06

TITELSTORY

Ob Freizeitsport, Auto- oder Aufzugfahren: Das Leben steckt voller Risiken. Während Wissenschaftler sie zu vermessen versuchen, blenden wir sie im Alltag gerne aus. Woher kommt dieses gute Gefühl von Sicherheit?

Auf die

Auf dem

Auf den

Was treibt Menschen weltweit um? Wir nehmen technische und gesellschaftliche Entwicklungen unter die Lupe.

Die Welt von morgen im Blick: Diese Innovationen könnten schon bald unser Leben prägen.

Nachgefragt! Unsere »Mehrwert«-Seiten machen komplexe Zusammenhänge leicht verständlich.

#16 Alles bene? Sommerzeit – Zeit für Sonnencremes. Manche ihrer Inhaltsstoffe stehen in Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Warum die Cremes dennoch mehr Schutz als Risiko darstellen.

#22 Meer zum Trinken In vielen Regionen der Erde wird Meerwasser aufbereitet, um daraus Trinkwasser zu gewinnen. Das Verfahren galt bisher als teuer und energie­ intensiv. Neue Ansätze könnten das ändern.

#28 Tor? War der Ball drin oder nicht? Bei der FußballWM in Brasilien wird sich diese Frage dank »GoalControl« zweifelsfrei beantworten lassen. Aber wie funktioniert die neue Torlinientechnik?

#18 Vorbild Natur Rund 300 Tonnen wiegen große Transportflugzeuge. Um dieses Gewicht zu senken und damit die Energieeffizienz zu steigern, setzen Ingenieure auf neue Materialien.

#24 Sonnensturm auf Erden Die Kernfusion verspricht, so sauber und unerschöpflich Energie zu erzeugen wie die Sonne. Bis zu effizienten Kraftwerken ist es allerdings noch ein weiter Weg.

#30 Ratgeber E-Bikes Elektrofahrräder machen das Radeln bequem, denn ein Motor unterstützt das Treten. Fünf Tipps, worauf man beim Kauf achten sollte.

#4 TÜV SÜD im Bild #14 5 Minuten mit TÜV SÜD

#21 Vor Ort #31 Termine/Impressum

#32 5 Minuten mit TÜV SÜD #34 Zu guter Letzt

PROBE

WEG

PUNKT

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TÜV SÜD im Bild

Baywatch auf

italienisch

Von Genua bis zur Stiefelspitze, von Venedig bis Bari, rund um Sizilien und Sardinien – insgesamt kann Italien mit einer Küstenlänge von mehr als 7.600 Kilometern aufwarten. Für viele – für Einheimische wie Touristen – ist das Leben am Meer der Inbegriff von Urlaub und Erholung. Für andere ist es der tägliche Arbeitsplatz – zum Beispiel für die italienische Küstenwache. Die Guardia Costiera ist zuständig für die Sicherheit auf See, sie stellt die Schifffahrtspolizei, ist Such- und Rettungsdienst ebenso wie maritime Umweltschützerin. Ihr Anspruch: effizienter und moderner Dienstleister am und auf dem Meer zu sein. Deswegen hat TÜV SÜD Ende 2013 das Generalkommando der Guardia Costiera in Rom sowie alle 54 Hafenkapitänsämter nach der Qualitätsmanagement-Norm ISO 9001 auditiert und schließlich zertifiziert. »Wir haben der Guardia Costiera bestätigt, dass die Ausbildung des Personals, die Umsetzung von Zulassungs- und Registrierungsvorschriften für Schiffe sowie die Seeverkehrskontrolle internationalen Standards entspricht«, sagt Stefano Bolletta von TÜV SÜD Italia. Und am Ende dient alles einem Ziel: dass das Leben am Meer der Inbegriff von Urlaub und Erholung bleibt. Mehr Infos: www.tuv.it

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Titelstory

achtung,

Gefahr! Ob Bananenschale auf dem Boden, Stechmücke im Anflug oder beim Autofahren: Überall sind wir von Risiken umgeben. Doch was entscheidet eigentlich darüber, ob wir ein Risiko als gefährlich einschätzen oder nicht? Und lassen sich Risiken vermessen? Text: Thomas Weber

Eine Frage, die selbst Mathematikprofis ins Schleudern bringen kann: Wie berechnet man die Wahrscheinlichkeit, auf einer Bananenschale auszurutschen und sich ein Bein zu brechen?

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Titelstory

S

eit Jahrzehnten untersucht er die Patientin, und auch wenn der Befund paradox klingen mag, er bleibt dabei: »Die moderne Gesellschaft krankt nicht an ihren Niederlagen, sondern an ihren Siegen«, diagnostiziert Ulrich Beck. Mit innovativen Wirtschaftsgütern produziere unsere Welt nämlich nicht nur mehr Wohlstand als früher, sondern auch mehr Risiken, erklärt der Münchener Soziologe. Nachdem solche Unsicherheiten in den Anfängen der Industriegesellschaft vor allem eine Frage der sozialen Schicht gewesen wären, würden sie heute jeden betreffen. »Not ist hierarchisch, Smog ist demokratisch«, spitzt Beck zu. Umweltprobleme bezeichnet er als typisch für die »Risikogesellschaft«, ebenso wie Terrorismus, Finanzkrisen und die Suche nach Sicherheit.

Aber sucht eine Gesellschaft, die sich beispielsweise mit Bungee-Jumping vergnügt und Redewendungen hervorbringt wie »No risk, no fun« wirklich nach Sicherheit? Oder sind wir vielmehr Teil einer »Erlebnisgesellschaft«, der es um den individuellen Kick geht, wie es der Bamberger Soziologe Gerhard Schulze nahelegt? Für Beck widerspricht das eine nicht dem anderen. Es sei möglich, nach Abenteuer und Sicherheit zugleich zu streben. Wer mit dem Mountainbike steil bergab fahren möchte, wird nach einem Fahrrad mit starken Bremsen suchen, die ihm ein Gefühl von Sicherheit geben. »Wo sich alles in Gefährdungen verwandelt, erscheint irgendwie auch nichts mehr gefährlich«, sagt Beck. »Eine Inflation gefühlter Risiken führt zu deren Verdrängung.« Die Vermessung des Risikos

»Gefühlte Risiken« – klingt sehr subjektiv, fast schon unwissenschaftlich. Können sich Risiken nicht vermessen lassen, zum Beispiel mithilfe der Mathematik? Der Mathematik jedenfalls könnte niemand Subjektivität

unterstellen. Sie ist kühl und berechnend, kennt keine Gefühle oder Einstellungen. Sie ist weder Pessimistin, die nur Risiken sieht, noch Optimistin, die überall Chancen wittert. Selbst in ihrer Begrifflichkeit ist sie herrlich neutral und spricht lediglich von Wahrscheinlichkeiten, mit denen Ereignisse eintreten, ganz egal ob man sie nun positiv oder negativ bewerten möchte. Festlegen allerdings lässt sich die Mathematik nicht. Bei einem Würfelspiel würde sie keinen Cent auf die Sechs setzen, selbst wenn fünfmal zuvor andere Zahlen gefallen sind. Sie würde sich auf das Gesetz der großen Zahlen berufen und sich allenfalls zu der Aussage hinreißen lassen: Wenn oft genug gewürfelt wird, geht die Wahrscheinlichkeit gegen 100 Prozent, dass alle Zahlen gleich häufig fallen. Einen einzelnen Wurf vorhersagen kann und würde sie nicht. Da gehen die Fähigkeiten der Stochastik, wie sich die Wahrscheinlichkeitsmathematik nennt, nicht über die urspüngliche Bedeutung ihres Namens hinaus – sie beschränken sich auf die »Kunst des Vermutens«. Selbst die komplexesten mathematischen Modelle liefern immer nur Eintrittswahrscheinlichkeiten. Und sie nehmen Vereinfachungen in Kauf. Denn in vielen Bereichen würde eine vollständige Modellierung aller Variablen zu einer nicht mehr beherrschbaren Komplexität führen. Wie hoch zum Beispiel ist die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Tages auf einer Bananenschale auszu-

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Titelstory

rutschen und sich ein Bein zu brechen? Für die Berechnung könnte man aus Klinikarchiven die Anzahl der entsprechenden Fälle in den letzten Jahren ermitteln, sie durch die Anzahl der in ihrem Einzugsgebiet lebenden Personen und der ausgewerteten Tage teilen, schon hätte man ein erstes Ergebnis. Aber muss man nicht auch noch die Entwicklung der Verkaufszahlen von Bananen in die Berechnung einbeziehen? Und was ist mit dem Wetter? Bei Regen sind sicher weniger Leute unterwegs, die Bananenschalen auf den Boden werfen. Aber vermutlich auch weniger Leute die drauftreten könnten. Dafür rutscht man bei Nässe wahrscheinlich leichter aus … Die Einschätzung von Gefahren

Es gäbe noch so viele Dinge zu beachten. Aber lohnt sich das? Wer denkt schon ans Ausrutschen? Sind Bananenschalen in

»Wenn alle Stricke reißen, hänge ich mich auf.« – Mit diesem Spruch macht sich der österreichische Dramatiker Johann Nestroy über die Individualität der Risikowahrnehmung lustig.

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unserer täglichen Risikowahrnehmung überhaupt präsent? Sie folgt ganz eigenen Regeln. Als Einflussgrößen nennt der USamerikanische Risikoforscher Dr. Peter M. Sandman die Freiwilligkeit, die Natürlichkeit, die Kontrollierbarkeit und die Emotionalität von Risiken. Rauchen zum Beispiel sei ein »freiwilliges Risiko«. Raucher würden es stark unterschätzen. Passivrauchen als »unfreiwilliges Risiko« dagegen werde als übermäßig gefährlich empfunden. Ähnlich sei es mit Lebensmitteln: Da die meisten Konservierungsstoffe künstlich sind, neige man zu der Einschätzung, sie müssen auch gefährlich sein. Gleichzeitig werde die Wahrscheinlichkeit, an verdorbenen Lebensmitteln ohne Konservierungsstoffe zu erkranken, stark unterschätzt. Und auch die Wahrnehmung von Verkehrsrisiken decke sich nicht mit der Realität. Viele fürchteten das Fliegen, jedoch

nicht die Autofahrt zum Flughafen, auch wenn Autofahren objektiv gefährlicher ist. Grund für die Fehleinschätzung sei das Gefühl, beim Auto habe man alles selbst unter Kontrolle, beim Flugzeug aber nicht. Fliegen werde sogar gefährlicher eingestuft als Motorradfahren, die riskanteste Fortbewegungsart. Aber da mit ihr positive Gefühle verbunden werden, fällt auch hier das Urteil positiver aus. Nicht nur die individuelle, sondern auch die gesellschaftliche Einordnung von Risiken sei stark subjektiv. Wären zum Beispiel die Medien, die Nachbarn oder der Partner gegen einen Mobilfunkmast in unmittelbarer Nähe, neige man auch selbst dazu, dagegen zu sein und das Risiko, das von ihm ausgeht, falsch einzuschätzen. Denn nicht je näher, sondern je weiter entfernt der Mast ist, desto stärkere Strahlen bewegen sich zwischen ihm und dem Han-


Titelstory

Gefahren erkennen, Haftung minimieren Was tun, wenn es im Unternehmen brennt? Wer ist verantwortlich, wenn der Server ausfällt? Wie schützt man sein Unternehmen vor Produkt-, Umwelt-, Image- oder Finanzrisiken? Und wie geht es eigentlich weiter, wenn der Firmeninhaber verstirbt? Diesen und anderen Risiken können Unternehmen – unabhängig vom Geschäftsbereich, von der Art des Risikos oder der Größe der Firma – mithilfe eines modernen Risiko­ managementsystems (RMS) gezielt entgegenwirken. In manchen Branchen wie in der Luftfahrt oder der Medizintechnik ist dessen Anwendung sogar vom Gesetz gefordert. Um den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen langfristig zu sichern, werden sie von TÜV SÜD bei der Umsetzung und mit einer Zertifizierung des RMS unterstützt.

dy. Sandmans Fazit: »Das Risiko, das uns umbringt, ist nicht unbedingt das Risiko, das uns ängstigt.« Wer warnt uns vor Gefahren?

Weniger fatalistisch, aber nicht minder dramatisch formuliert es der Philosoph Hermann Lübbe: »Der Mensch ist ein Orientierungswaise.« Obwohl er in einer Gesellschaft lebt, in der die Menge an verfügbaren, wissenschaftlich fundierten und handlungsrelevanten Informationen beispiellos groß ist, ist er nur bedingt in der Lage, diese Informationen auch zu nutzen. Die Folge: Der moderne Mensch ist auf Expertenwissen angewiesen, auf fach- und

sachkundige Ratgeber. »Expertenwissen ist das Kompensat schwindender Urteilsreichweite des Common Sense – wie die Brille die schwindende Sichtweite des Kurzsichtigen kompensiert«, erklärt der emeritierte Professor. In vielen Fällen ist es der Staat, der dieses Expertenwissen für die Bürger organisiert. Zu verschiedensten Risiken hört der Gesetzgeber Fachleute und erlässt dann Normen, die als Richtschnur für die Risikobewertung dienen. Prüfsiegel signalisieren auf einen Blick deren Einhaltung. Das wohl bekannteste Beispiel hierfür ist die Prüfplakette, die Kraftfahrzeuge nach einer bestandenen Hauptuntersuchung bekommen.

»Das Risiko,

das uns umbringt, ist nicht unbedingt das Risiko, das uns ängstigt.« – Dr. Peter M. Sandman

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Titelstory

Das Abwägungsdilemma

Aber nicht immer lassen sich Risiken so verhältnismäßig einfach beurteilen wie die Verkehrssicherheit von Fahrzeugen. Gerade bei neueren Technologien wie der Gen- oder Nanotechnologie fällt eine Einschätzung schwer, weil es einfach noch zu wenig wissenschaftliche Daten über potenzielle Auswirkungen gibt. Der Gesetzgeber steht dann vor einem Dilemma: Reguliert er eine potenziell gefährliche Technologie nicht, setzt er unter Umständen die Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel. Schränkt er die Anwendung der Technologie allerdings stark ein, hemmt er eventuell den gesellschaftlichen Fortschritt. Im Zweifelsfall gilt das Vorsorgeprinzip. Es besagt, dass bei Unklarheit über ein Risiko alles unternommen werden sollte, was einer Verminderung oder Vermeidung des Risi-

Wie hoch ist die Gefahr, von einer Mücke gestochen zu werden? Schwer zu sagen, denn das Risiko ist bei jedem Menschen unterschiedlich hoch. Die Zusammensetzung der körpereigenen Duftstoffe entscheidet darüber.

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kos dient. In anderen Fällen bestimmt der Gesetzgeber nach Anhörung von Experten Grenzwerte. Er markiert damit einen Wert, unterhalb dessen nach heutigem Wissensstand ein akzeptables Risiko vorliegt. Je schwieriger es ist, die Einhaltung solcher Grenzwerte durch Tests, wissenschaftliche Daten und mathematische Modelle zu überprüfen, desto mehr komme es auf die Intuition an. Das zumindest behauptet Professor Dr. Gerd Gigerenzer, Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut für Bildungsfor-

schung in Berlin. »Die Intuition ist die natürliche Intelligenz des Unbewussten. Gerade bei erfahrenen Menschen ist sie meistens besser als langes Nachdenken«, sagt der Psychologe und erzählt von einer Kollegin in Chicago und ihrer Testreihe mit Golfern: Jeweils mehreren erfahrenen und unerfahrenen Spielern gab sie gerade mal drei Sekunden Zeit für einen Schlag. Die Leistung der Anfänger wurde schlechter, weil ihnen Zeit zum Überlegen fehlte. Die Profis dagegen wurden unter Zeitdruck besser. »Ihr Bauchgefühl hat ihre Leistung gepusht.«

»Die Intuition

ist die natürliche Intelligenz des Unbewussten. Gerade bei erfahrenen Menschen ist sie meistens besser als langes Nachdenken.« – Professor Dr. Gerd Gigerenzer


Titelstory

Das Bauchgefühl des Truthahns

Erfahrung ist für Gigerenzer das wesentliche Kriterium bei der intuitiven Risikoeinschätzung. Sei das Bauchgefühl nicht genügend geschult, erliege man nämlich nur allzu leicht der Truthahn-Illusion: Am ersten Tag seines Lebens kommt ein Mann zum Truthahn. Das Tier fürchtet, es könnte umgebracht werden, aber der Mann füttert es. Am nächsten Tag kommt er wieder und füttert den Truthahn. So geht es weiter und weiter. Am hundertsten Tag wiegt sich der Truthahn so sehr in Sicherheit, dass er glaubt, niemals umgebracht und sein ganzes Leben lang gefüttert zu werden. Was das Tier nicht ahnt: Am nächsten Tag ist Erntedankfest – und wie jedes Jahr kommt Truthahnbraten auf den Tisch.

Produkttests haben das Ziel, Risiken durch Material- und Verarbeitungsfehler möglichst gering zu halten. Meist werden sie nach bestimmten Normen durchgeführt. Doch auch Intuition kann helfen, Gefahren zu erkennen.

Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/risiko-minimieren

Drei Bücher, ein Thema: Lesenswertes über die Bewertung von Risiken The Risk Society and Beyond Ulrich Beck prägte 1986 den Begriff der Risikogesellschaft. Hier fasst er als Herausgeber den aktuellen Stand der soziologischen Forschung zu dem Thema zusammen. Sage, 242 Seiten

Responding to Community Outrage In diesem Buch gibt der Risikoforscher Peter M. Sandman Unternehmen Tipps für eine strategische Risikokommunikation. Kostenlos unter www. psandman.com, 155 Seiten

Risk Savvy Wie man angesichts von Risiken die besten Entscheidungen trifft und welche Rolle die Intuition und statistisches Wissen dabei spielen, verrät der Psychologe Gerd Gigerenzer in diesem Buch. Viking Adult, 296 Seiten

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Standpunkte

StandGerhard Klein, Leiter des Center of Competence Due Diligence von TÜV SÜD

»Oft führen Risikoanalysen dazu, dass neue Produkte noch einmal überdacht werden müssen.«

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ede wichtige Entscheidung, die wir treffen, ist auch mit Risiken verbunden. Problematisch ist dies vor allem, wenn wir nur wenige Informationen über die Auswirkungen einer Entscheidung haben und viele theoretische Annahmen treffen müssen. »Auch jedes technische Gerät und jede Anlage bringt zwangsläufig ein Bündel an Risiken mit sich. Unternehmen wie TÜV SÜD versuchen daher, als unabhängiger und neutraler Gutachter mithilfe von Gefährdungs- und Risikoanalysen die Ungewissheit über mögliche Risiken möglichst zu reduzieren. Das Ziel ist es, informierte und damit fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Dabei ist klar: Niemand besitzt alle Informationen über jedes mögliche Risiko – unter anderem, weil Menschen nicht berechenbar sind. Dem Erfahrungswissen unserer Experten, die einschätzen können, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich bestimmte Szenarien sind, kommt somit eine große Bedeutung zu. Normen und Regelwerke müssen bei solchen Beurteilungen daher immer auch durch das Know-how der Fachleute ergänzt werden. Unsere Analysen zeigen Gefährdungspotenziale auf: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Risiko eintritt? Und wie groß ist die Gefahr, die davon ausgeht? Die Bewertung dieser möglichen Risiken ist dann unter Umständen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Welche Risiken wollen wir akzeptieren? Wie hoch wäre der Aufwand, sie zu minimieren? Nehmen Sie eine technische Innovation als Beispiel: Manchmal kann ein beherrschbares Zusatzrisiko aufgrund eines höheren Nutzens durchaus akzeptabel sein – wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es eintritt, sehr klein ist und die möglichen Auswirkungen gering sind. Oft führen unsere Risikoanalysen aber auch dazu, dass neue Produkte noch einmal überdacht werden müssen.«

AB wä gen Die Balance zwischen Sicherheit und Risiko 12 TÜV SÜD Journal


Standpunkte

O

bwohl die Betriebssicherheitsverordnung erst wenige Jahre in Kraft ist, wird sie momentan wieder novelliert. Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist, die gesetzlichen Rahmenbedingungen einfacher und transparenter zu gestalten. »Im aktuellen Entwurf der Betriebssicherheitsverordnung findet aber auch ein massiver Angriff auf unsere Sicherheitskultur statt: So sollen etwa künftig die unabhängigen Zwischenprüfungen bei Aufzügen entfallen und bei Anlagen mit entzündlichen (›elh‹-)Flüssigkeiten unabhängige Prüfungen zu keinem Zeitpunkt mehr stattfinden. Das Gefahrenpotenzial dieser Anlagen zeigt unter anderem die Katastrophe des Tanklagers Buncefield 2005 nördlich von London. Ausgelöst durch einen defekten Füllstandsanzeiger kam es zu einer Explosion, die einen Schaden von mehreren Milliarden Euro verursachte. Das Prinzip der Prüfung durch unabhängige Organisationen (›Third-Parties‹), deren Zulassung und Prüftätigkeit einer staatlichen Aufsicht unterliegen, ist in Deutschland fest etabliert. Es sorgt für ein beispielhaft hohes Sicherheitsniveau, Umweltschutz und Schutz von Investitionsgütern. Das gilt sowohl für die Mobilität als auch für die Prüfung von Anlagen und Produkten. Ein schleichender Ausstieg aus diesem System kann für die Sicherheitskultur in Deutschland fatale Konsequenzen haben. Im Übrigen gibt es für die geplante Abschaffung der unabhängigen Prüfungen durch die Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung keinerlei sachliche Begründung. Zumal in etlichen Ländern die unabhängigen Prüfungen nach deutschem Vorbild gerade eingeführt werden.«

Punkte Dr. Klaus Brüggemann, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des VdTÜV e.V.

»Das Erfolgsmodell Technische Überwachung muss unbedingt erhalten bleiben.«

Analysen und Prüfungen von unabhängigen Überwachungsinstanzen helfen dabei, Gefahren möglichst realistisch einzuschätzen. Das System der neutralen technischen Überwachung schafft dabei ein hohes Sicherheitsniveau.

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5 Minuten

Mehr Services für die Baubranche Wasserstoff-Antriebe: weltweit in Südostasien mehr Tankstellen

Erleichterter Warenaustausch mit Israel

TÜV SÜD baut seine Leistungen auf dem Immobiliensektor aus und hat dazu das Unternehmen AL Technologies mit Sitz in Singapur erworben. Die Firma bietet Prüfungen in der Bautechnik, Produkttests sowie Inspektions- und Zertifizierungsleistungen rund um Gebäude an. Unter anderem verfügt AL Technologies in Singapur über eines der größten und bestausgestatteten Prüflabore für Werkstoffe der Baubranche.

Im Jahr 2013 wurden weltweit elf neue Wasserstoff-Tankstellen eröffnet. Damit befinden sich derzeit insgesamt 186 Tankstellen in Betrieb. Das ist das Ergebnis der sechsten Jahresauswertung von H2stations.org, einer Website der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik (LBST) und TÜV SÜD. 72 dieser Tankstellen befinden sich in Europa, 67 in Nordamerika, eine in Südamerika sowie 46 in Asien.

TÜV SÜD und die Standards Institution of Israel arbeiten künftig zusammen. Dazu wurde die wechselseitige Anerkennung von Prüfungen und Zertifikaten in mehreren Produktgruppen vereinbart. Das wichtigste Ziel der Kooperation: israelischen Unternehmen einen besseren Zugang zu internationalen Märkten und nicht israelischen Firmen einen besseren Zugang nach Israel zu verschaffen.

jane.lim@tuv-sud-psb.sg

uwe.albrecht@lbst.de

jens.butenandt@tuev-sued.de

Prüfung von Fisch und Meeresfrüchten nach einheitlichen Standards

Eine entscheidende Voraussetzung für die Sicherheit von Lebensmitteln sind Kontrollen über die Landesgrenzen hinweg. TÜV SÜD bietet daher seit diesem Jahr qualitativ hochwertige und weltweit einheitliche Prüfungen für Fisch und Meeresfrüchte an. Das Unternehmen begleitet dabei die Lebensmittel vom Fang- und Zuchtgebiet über den gesamten Transport bis ins Supermarktregal. Mit ihren durchgängigen Kontrollen sorgen die Experten dafür, dass von den Produkten keine Gefahr ausgeht. »Für diese Aufgabe brauchen wir ein weltweites Netzwerk von Experten und Laboren, das wir – unter anderem durch Zukäufe – kontinuierlich ausbauen«, sagt Murat Akcay, Global Vice President Food, Health and Beauty bei TÜV SÜD. Besonders wichtig: »Wir arbeiten an allen Standorten mit den gleichen Prüfprozessen für sichere Lebensmittel und gewährleisten damit ein vergleichbares und durchgängiges Sicherheitsniveau«, so Akcay. Dadurch werden die Risiken für Hersteller, Händler und Verbraucher minimiert. Im nächsten Schritt wird TÜV SÜD die weltweiten einheitlichen Prüfungen auch auf Verpackungen ausweiten, die im Umfeld von Lebensmitteln eingesetzt werden. murat.akcay@tuev-sued.de

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Zuverlässig prüfen, ohne zu zerstören

Die zerstörungsfreie Prüfung von Bauteilen und Werkstoffen, die beispielsweise in Industrieanlagen und Kraftwerken eingesetzt sind, ist eine der wichtigsten Dienstleistungen von TÜV SÜD. Weil immer komplexere Komponenten – etwa durch den Einsatz neuer Materialien – zerstörungsfrei geprüft werden müssen, hat TÜV SÜD nun eine hoch entwickelte UltraschallTomografie für besondere PrüfaufgaDas neuartige Prüfsystem ben entwickelt. Anhand der Ergebnisentstand aus einer se können sogenannte falsch positive Befunde besser als bisher identifiziert werden. »Ein Teil der Komponenten, von TÜV SÜD mit dem Fraunhofer die aufgrund herkömmlicher Prüfungen aussortiert werden, stellen sich IZFP und dem Unternehmen im Nachhinein als integer heraus«, I-Deal Technologies. erläutert Hans Christian Schröder von TÜV SÜD. So können Werkstoffbestandteile wie Nickel die Prüfung verfälschen. Durch das neue TÜV SÜD-Prüfsystem können solche Befunde, die sonst vielleicht zur Stilllegung einer Anlage führen würden, geklärt werden. Außerdem lässt sich auch die Restlebensdauer eines Bauteils zuverlässiger ermitteln.

Kooperation

joerg.schenkel@tuev-sued.de


5 Minuten

IT-Sicherheit für Unternehmen

Hüpfen ohne Gefahren In vielen Gärten stehen sie mittlerweile und werden vor allem in der wärmeren Jahreszeit genutzt: Trampoline. Allerdings unterschätzen viele Familien die Risiken, die von diesen Geräten ausgehen. US-amerikanische Studien gehen von bis zu 80.000 Verletzungen pro Jahr aus, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Um die Risiken bei der Benutzung von Trampolinen zu minimieren, rät TÜV SÜD, unbedingt die grundsätzlichen Verhaltensregeln einzuhalten und die Wartungshinweise der Hersteller zu beachten. So sollten die Geräte stets nur von einer Person benutzt werden und Kinder nur unter Aufsicht Erwachsener springen. Regelmäßig sollten Gestänge und Netze untersucht und bei Beschädigung ausgetauscht werden. Wichtig: Schon beim Kauf auf das GS-Zeichen für »Geprüfte Sicherheit« achten. TÜV SÜD hat für Gartentrampoline ein spezielles Prüfprogramm auf Basis der Norm prEN 71-14 und eines gemeinsamen Prüfgrundsatzes der deutschen GS-Prüfstellen entwickelt. thomas.oberst@tuev-sued.de

Minuten mit TÜV SÜD

Photovoltaik mit höherem Wirkungsgrad

Spätestens seit dem Skandal um die NSA weiß jeder, dass IT-Systeme und damit die dort gespeicherten Daten nicht immer sicher sind. Doch in der Regel sind es nicht die Nachrichtendienste, die auf die Daten von Unternehmen zugreifen. Meist handelt es sich um Wettbewerbsspionage oder um Angriffe von Hackern, die die Daten für ihre eigenen Zwecke missbrauchen. Doch gerade mittelständischen und kleinen Unternehmen ist häufig nicht bewusst, wie angreifbar ihre IT-Systeme sind. Die Datensicherheitsexperten von TÜV SÜD spüren Schwachstellen auf und helfen damit, die Lücken zu schließen. »Jeder Betrieb hat mit mehr oder weniger schützenswerten Daten zu tun und sollte daher ein entsprechend umfassendes IT-Sicherheitskonzept haben«, erklärt Rainer Seidlitz, Geschäftsleiter der TÜV SÜD Sec-IT GmbH. Um herauszufinden, welche Risiken bestehen und welche Datenlecks geschlossen werden müssen, kann von TÜV SÜD beispielsweise ein Penetrationstest durchgeführt werden, der Angriffe von außen oder aus dem Unternehmensnetz simuliert. rainer.seidlitz@tuev-sued.de

Neues Testzentrum für Energiespeicher TÜV SÜD hat sein Leistungsspektrum im Photovoltaikbereich um Zertifizierungen für intelligente Module erweitert. Ausgehend von seinen umfangreichen Erfahrungen hat das Unternehmen zwei neue Standards entwickelt und erfolgreich erste Zertifizierungen von intelligenten PV-Modulen durchgeführt. Bei diesen Systemen werden traditionelle Module mit einem »intelligenten« Wechselrichter kombiniert – mit positiven Auswirkungen auf den Wirkungsgrad. Das Prüfprogramm der neuen Zertifizierung basiert auf den Anforderungen der Normen IEC 61215/61646, 61730 und 62109.

TÜV SÜD baut sein weltweites Labornetzwerk im Umfeld der Energiespeicherung aus: mit einem neuen Testzentrum für Batterien in Suwon, einer Großstadt rund 50 Kilometer südlich der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Seit diesem Frühjahr betreibt TÜV SÜD hier das erste unabhängige Labor in Korea für wiederaufladbare Batterien mittlerer und großer Größe – und das weltweit sechste Batterietestlabor der Unternehmensgruppe. Damit wird der steigenden Nachfrage und der wachsenden Notwendigkeit nach Batterielösungen für Hybridfahrzeuge, rein elektrisch betriebene Autos und Zweiräder sowie nach Speichersystemen für erneuerbare Energien Rechnung getragen. Durch die Investition in dem asiatischen Land ist TÜV SÜD künftig noch näher an seinen Kunden: Immerhin stellen koreanische Unternehmen rund ein Drittel aller weltweit produzierten Batterien her. Das neue Labor hat eine Fläche von 500 Quadratmetern und ist mit modernster Technik für Performance-Tests ausgestattet. Batterien mit einer Leistung von bis zu 500 Kilowatt können dort getestet werden.

klaus.nuernberger@tuev-sued.de chang-mo.byun@tuv-sud.kr

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Auf die Probe

AUF DIE PR O B E

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ALLES BENE?

Sonnencremes beugen Sonnenbrand und Hautkrebs vor. Dabei stehen manche ihrer Inhaltsstoffe in Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Warum die Cremes dennoch mehr Schutz als Risiko darstellen, erklärt Haut-Pharmakologe Professor Christian Surber.

Prof. Dr. Christian Surber Der Wissenschaftler lehrt als Dozent für Dermatologie und Pharmazie an den Universitäten Basel und Zürich sowie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Entwicklung von Produkten, die die Barriere- und Schutzfunktion der Haut reparieren und stärken sowie Schäden durch Sonneneinstrahlung minimieren. Dabei befasst sich Surber intensiv mit der Entwicklung neuer Sonnenschutzprodukte und hält Vorträge auf internationalen Konferenzen zum Thema Sonnenschutz und Hautkrebsvorsorge. Zudem klärt er über häufige Irrtümer beim Sonnenschutz auf.

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Herr Professor Surber, wie funktionieren Sonnencremes? Sonnenschutzmittel enthalten sogenannte UV-Filter. Das sind Substanzen, die das Licht der Sonne entweder absorbieren, reflektieren oder streuen. So schützen sie die Haut vor den schädlichen UV-Strahlen. Und da nicht eine Filtersubstanz allein das gesamte UV-Spektrum zuverlässig abhalten kann, werden in der Regel in einem Produkt mehrere solcher Filter kombiniert. Welche unterschiedlichen Arten von UV-Filtern gibt es? Umgangssprachlich unterscheiden wir häufig zwischen chemischen und mineralischen Filtern. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das allerdings nicht ganz korrekt, denn beide Arten basieren auf chemischen Verbindungen. Besser ist es, von organischen und anorganischen Filtern zu sprechen. Organische UV-Filter enthalten immer Kohlenstoffatome. Die

Filter werden meistens in Emulsionen, also Lotionen oder Cremes, eingearbeitet. Anorganische UV-Filter dagegen enthalten keine Kohlenstoffatome, sondern Zink oder Titan. Sie bilden eine Schutzschicht, die nicht selten nach dem Eincremen auf der Hautoberfläche einen sichtbaren weißen Film hinterlässt. Und was steckt in Cremes, die unter dem Label »Bio« angeboten werden? Sonnenschutzprodukte mit anorganischen Filtern werden oftmals mit pf lanzlichen Wirkstoffen kombiniert und als Bioprodukte verkauft. Einige Präparate enthalten zusätzlich Anti­oxidantien wie Vitamin E oder C, die die Folgen der UV-Einwirkung abschwächen sollen. Der Schutz vor UV-Strahlung entsteht allerdings nicht primär durch die Pflanzenauszüge, sondern durch das Zinkoxid oder das Titandioxid. Da gibt es keinen Unterschied zu herkömmlichen Cremes.


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»Cremes

Wird bei Biocremes auf Konservierungsstoffe verzichtet, die ja häufig in der Kritik stehen? Nein, denn sie schützen das Produkt vor Verunreinigungen durch Bakterien und Pilze, die von unserer Haut stammen. Konservierungsstoffe machen die Creme haltbar. Auch Produkte, die als »konservierungsmittelfrei« bezeichnet werden, enthalten Stoffe, die Bakterien und Pilze abtöten oder deren Wachstum hemmen. Diese sind aber nicht in den offiziellen Listen aufgeführt. Worum handelt es sich bei Parabenen und sind sie gefährlich? Unter dem Begriff Parabene wird eine große Familie von Konservierungsstoffen mit ähnlichen Strukturen zusammengefasst. Die Verwendung von Parabenen wird zurzeit neu geregelt. Die Regelung für Methyl- und Ethylparaben bleibt im Prinzip unverändert. Dies sind auch die am häufigsten verwendeten Vertreter. Bei vielen weiteren Parabenen

schützen nur bei regelmäßigem

Verwenden wirklich vor Hautkrebs.« – Prof. Dr. Christian Surber ist mit einer Einschränkung oder mit einem Verbot zu rechnen. Die Industrie arbeitet bereits mit Hochdruck daran, Parabene zu ersetzen. Auch weil es einen Wettbewerbsvorteil bringt, »parabenfrei« auf die Packung schreiben zu können. Und was bewirken Nanopartikel, die auch in einigen Sonnencremes sind? Dabei handelt es sich beispielsweise um winzige Teilchen von Titandioxid. Ganz fein gerieben als Nanopartikel hat es den Vorteil, dass man nicht mehr den optischen Effekt eines weißen Films auf der Haut hat. Für die Kosmetikindustrie war das ein großer Erfolg. Nach behördlicher Vorgabe müssen Produkte mit Nanopartikeln gekennzeichnet sein, zum Beispiel mit »Titandioxid (nano)«. Ist die Haut intakt, können Nanopartikel nicht in den Körper eindringen.

Was beschäftigt die Forschung derzeit beim Thema Sonnenschutz? Einerseits die Entwicklung neuer Filter, die ein sehr breites Spektrum an UV-Strahlen abfangen und leicht in eine Creme eingearbeitet werden können. Andererseits wird versucht, die Textur der Produkte und die Anwendungseigenschaften so angenehm wie möglich zu gestalten, damit die Konsumenten den Sonnenschutz auch gerne auftragen. Denn nur regelmäßiges Verwenden schützt auch wirklich vor Sonnenbrand und Hautkrebs.

Mehr über Kosmetiktests: www.sfdk.com.br

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Auf die Probe

Vorbild Rund 300 Tonnen wiegt ein großes Transportflugzeug. Um dieses Gewicht zu senken und damit die Energieeffizienz zu steigern, setzen Ingenieure auf neue Materialien und ein altes Vorbild – die Tier- und Pflanzenwelt.

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Text: Sascha Otto

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ieso will und will es einfach nicht fliegen? Ich habe das Gerät doch exakt seinen Vorbildern nachempfunden!« Leonardo da Vinci kann es einfach nicht fassen. Monatelang hatte der Künstler die Flugtechnik von Vögeln studiert, Skizzen und Pläne erstellt, alles 1505 in seinem »Kodex über den Vogelflug« festgehalten und dann das: Keines seiner Fluggeräte, die er je gebaut hat, hob vom Erdboden ab. Allerdings nicht, weil die Konstruktionen falsch gewesen wären, da ist sich Leonardo sicher. Die Kraft der menschlichen Muskulatur hätte nur nicht gereicht, um die Apparate in den Himmel zu heben. Damit hatte er zwar nicht ganz recht, trotzdem gilt der Italiener als Begründer der Bionik, der Wissenschaft, die fachübergreifend versucht, das Wissen der Biologie in die Welt der Technik zu überführen. Das versuchte auch Otto Lilienthal. Inspiriert vom Tierreich startete er knapp 400 Jahre nach Leonardo eigene Experimente. Er hat das Flugverhalten von Störchen analysiert 18 TÜV SÜD Journal

und auf dessen Basis Geräte entwickelt, die es zwischen 1891 und 1896 tatsächlich zu erfolgreichen Gleitflügen brachten. Heute, weitere 120 Jahre später, fliegt der Mensch in mehreren Tausend Meter Höhe, wenn es sein muss sogar mit Überschallgeschwindigkeit. Ihn treibt nicht mehr die Frage um »Wie kann ich fliegen?«, sondern »Wie gelingt es mir effizienter und umweltschonender?«. Doch noch immer richtet er seinen Blick auf die Natur, um wegweisende Neuerungen zu schaffen. Ein Skelett als Inspirationsquelle

Wie Leonardo da Vinci und Otto Lilienthal lassen sich Flugzeughersteller dabei von Vögeln inspirieren. Genauer: von ihrem Skelett. In der Studie »Concept Plane« setzt beispielsweise Airbus auf eine besonders leichte und stabile Tragstruktur: Diese besteht nicht wie bisher aus parallel angeordneten Stahlstreben, die außen mit Metall und innen mit Kunststoff umhüllt sind, sondern aus einem schein-


Auf die Probe

Natur bar willkürlich geformten Gerüst aus hohlen und damit sehr leichten »Knochen«. »Diese Verstrebungen finden sich aber nur dort, wo in der Struktur Kräfte auftreten, denen entgegengewirkt werden muss«, so Airbus-Sprecher Florian Seidel. Hohl statt massiv

Der »Sky Whale« ist eine Studie des spanischen Designers Oscar Vinals. Als Vorbild für die als besonders sicher geltende Bauform diente der Wal. Schon die ersten Fluggeräte orientierten sich an der Tierwelt.

bus, der Boeing 787 Dreamliner oder der CSeries von Bombardier. Meist handelt es sich um carbonfaserverstärkten Kunststoff. Er ist leichter als Aluminium, aber stabiler als Stahl und verspricht noch einmal weniger Treibstoffverbrauch bei gleichzeitig mehr Sicherheit.

Die Hohlraumbauweise hat noch ein Selbstheilende Baustoffe weiteres Vorbild: den Bambus. Die Doch Verbundstoffe sollen bald noch Verbindung eines hohlen Stammes viel mehr können: In mehreren von mit regelmäßigen Verdickungen – der Europäischen Union geförderten sogenannten Knoten –machen den Projekten versuchen Unternehmen Bambus extrem stabil und gleichund Forschungsinstitutionen aus zeitig sehr leicht. Strukturen, die Das Baumuster von carbonfaserverstärktem Kunst- verschiedenen Ländern derzeit, Maauf der Bauweise der Nutzpflanze stoff sorgt für Stabilität. Gleichzeitig ist das Material terialien zu entwickeln, die »selbstbasieren, werden zum Beispiel bei im Vergleich zu Metall sehr leicht. heilend« sind. So wie es Lebewesen den Halterungen eingesetzt, mit gelingt, ihr Gewebe bei kleineren denen die Gepäckfächer und Innenwände am Rumpf ver- Wunden aus eigener Kraft zu reparieren, so sollen künftig ankert sind. Flugzeugteile in der Lage sein, kleine Risse, Aufprall- oder Neben der Bauweise sind es vor allem neue Materiali- Hitzeschäden selbstständig zu beheben. Sogenannte Nanoen, auf die Konstrukteure und Hersteller von Flugzeugen füllmaterialien könnten dies möglich machen. große Hoffnungen setzen. Der neueste Trend: Statt aus dem Professor Dr. Wolfgang Binder von der Martin-LutherStahl- oder Aluminiumwerk kommen die Bauteile direkt aus Universität Halle-Wittenberg nimmt mit einer Arbeitsgrupdem 3-D-Drucker. Verbundwerkstoffe, also Materialien aus pe an einem dieser EU-Projekte teil. Er erklärt die Selbstmehreren verschiedenen Komponenten, bestimmen bereits heilung mit Nanofüllmaterialien so: »Das Prinzip basiert heute die Struktur von Flugzeugen wie dem A350 von Air- auf einer Art Zwei-Komponenten-Klebstoff. Die beiden TÜV SÜD Journal 19


Auf die Probe

»Eine Oberflächenstruktur mit feinen Rillen, wie man sie von

Haifischhaut

kennt,

macht Flugzeuge aerodynamischer.« – Professor Dr. Albert Baars

Bestandteile sind dabei in Kapseln verpackt. Wird das Material beschädigt, platzen sie an der Schadstelle auf, die beiden verschiedenen Stoffe werden frei, bilden ein Netzwerk und heilen den Schaden.« Anders als bei Lebewesen gilt bei diesem Prinzip: An ein und derselben Stelle kann ein Schaden nur einmal repariert werden, danach sind die Kapseln verbraucht. Deshalb forscht Binder zusätzlich an einer Alternative, an »Polymeren, deren Molekülketten nach einem Riss des Materials selbstständig wieder ineinanderfließen«. Im Labor bei Raumtemperatur ist es bereits gelungen, dass sich Baustoffe auf diese Art selbst reparieren. »Bei Flugzeugbauteilen muss diese Reaktion allerdings auch bei Minusgraden ablaufen, damit auch während des Flugs kleinere Schäden behoben werden können.« Vom Meeresgrund in luftige Höhen

Vögel, Pflanzen, Säugetiere – und sogar Fische: Die Natur dient als Ideengeber über alle Grenzen von Arten und Gattungen hinweg. Warum also nicht die Hautstruktur von Haifischen als Vorbild für innovative Flugzeugoberflächen nehmen? Immerhin gilt deren Haut als besonders reibungsarm und hat einen äußerst geringen Strömungswiderstand. »Verantwortlich dafür sind sehr feine, winzige Rillen auf der Oberseite der Haischuppen«, erklärt Professor Dr. Albert Baars vom Fachbereich Bionik der Hochschule Bremen. »Der positive Effekt dieser Rillen macht sich nicht nur im Wasser, sondern auch in der Luft bemerkbar.« Mit einem Anstrich, der die Struktur der Haihaut nachahmt, könnte die Aerodynamik von Flugzeugen verbessert werden. Bessere Aerodynamik, Hohlraumbauweise, leichte Materialien: Der spanische Flugzeugdesigner Oscar Vinals ist 20 TÜV SÜD Journal

Das Flugzeug der Zukunft könnte nach einer Studie von Airbus eine Skelettstruktur haben und von einer transparenten Außenhülle umgeben sein.

Leichtbauweise mit der Meinung, dass all der Gewicht auf Sicherheit technische Fortschritt nicht alleine der Energieeffizienz Um bei Flugzeugen Gewicht und Treibstoff zu zugutekommen sollte. Das von ihm entworfe- sparen, kommen vermehrt Verbundmaterialien ne Flugzeug der Zukunft ist wie carbonfaserverstärkte Kunststoffe zum Einsatz. Zur zerstörungsfreien Prüfung solcher zwar immer noch leichter Kompositmaterialien hat TÜV SÜD ein neues und umweltfreundlicher als Prüfverfahren entwickelt. Es nennt sich Tesheutige Modelle. Doch es ting Automated Robotized Ultrasonic System, könnte noch mehr Treibstoff kurz T.AU.R.U.S., und erlaubt die Prüfung inssparen, wäre es schmaler und besondere von mittleren und kleinen Bauteilen länger. Seine plump erschei- mit komplexen Geometrien. Das auf Materialnende Form hat allerdings prüfungen spezialisierte TÜV SÜD-Tochterunihren Sinn: Bei Vinals’ Ent- ternehmen Bytest setzt es unter anderem beim wurf lassen sich die Teile der Boeing-Dreamliner ein. Für zeit- und kostenspaTragflächen absprengen, in rende Tests kombiniert es Ultraschallgeräte und denen sich die Kerosintanks mechanische Prüfgeräte mit einer speziellen befinden. So kann das Flug- Software. zeug bei einer Notlandung nicht explodieren – kann aber auch trotz gestutzter Flügel kontrolliert landen. Weil ihre Rumpf­unterseite dem auftriebsstarken Bauch eines Wals nachempfunden ist, nennt Vinals seine Maschine »Sky Whale«. Auch mehr Sicherheit hat eben Vorbilder – ganz natürlich.

Mehr Infos zum Thema Luftfahrtkomponenten: www.tuev-sued.de/industrie-konsumprodukte/ branchenloesungen/luftfahrtkomponenten


Vor Ort

Menschen:

Projekt Völkerverbindung

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ie plant Großes: von Staudämmen über Autobahntunnel »Ein ganzjährig befahrbarer Tunnel – das Agua-Negra-Projekt – und U-Bahn-Linien bis hin zu Wasser- und Abwassersys-­ wäre die Lösung für dieses Infrastrukturproblem«, sagt Akinaga temen für ganze Regionen. Ana Cristina Akinaga Hatori Hatori. Gemeinsam mit Kollegen hat sie für dessen zwei Röhren ist Ingenieurin für Geotechnik. Seit 18 Jahren arbeitet sie eine Machbarkeitsstudie angefertigt. In vier bis fünf Jahren soll der bei Bureau de Projetos e Consultoria in Brasilien. Das Tochterunter- 14 Kilometer lange Tunnel eröffnet werden. Die Bauarbeiten sind nehmen von TÜV SÜD mit Sitz in São Paulo ist im Infrastruktur- bereits ausgeschrieben. »Bis dahin war es allerdings – wie der alte und Bausektor tätig. Es berät öffentliche wie private Bauträger und Pass – ein Weg mit Hürden. Alle nötigen Genehmigungsverfahren managt und überwacht Großprojekte in ganz Südamerika. mussten in gleich zwei Ländern durchlaufen werden und für die »Die bisher wohl größte Herausforderung für mich ist das Agua- Finanzierung ist zudem noch ein drittes zuständig.« Brasiliens staatNegra-Projekt«, erzählt Akinaga Hatori. Der Paso de Agua Negra ist liche Entwicklungsbank fördert das Projekt, da der Tunnel Teil des ein 4.780 Meter hoch gelegener Gebirgspass zwischen der Region »biozeanischen Korridors« werden soll, einer rund 2.500 Kilometer Coquimbo in Chile und der argentinischen Provinz San Juan. Teils langen Landverbindung zwischen dem Pazifik und dem Atlantik. als asphaltierte Straße, teils als Schotterpiste schlängelt er sich durch »Dieser Korridor soll nicht nur den Handel zwischen Südamerika die Anden. Geöffnet ist der Pass nur zwischen Dezember und März, und Asien fördern, sondern auch den Kulturaustausch.« also während des südamerikanischen Sommers. Jenseits dieser Zeit machen ihn Schnee und Stürme unbefahrbar. Selbst die etwa 1.000 Meter tiefer gelegene Passverbindung zwischen Chile und Argentinien, der Paso de la Cumbre, ist dann wegen schlechter Wetterbe- Mehr Infos zum Thema: www.bureauprojetos.com.br dingungen vier Monate lang gesperrt.

Dieser Gebirgspass mit einer Schotterstraße verbindet Chile und Argentinien. Ana Cristina Akinaga Hatori arbeitet an einem Tunnel, der ihn ersetzen soll.

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Titelstory Auf dem Weg

AUF DEM W EG

SE R #22 WAS ZUNG ENTSAL IONS#24 FUS ERKE KRAFTW

Text: Julia Feldhans

Meer zum Trinken Ob in Metropolen wie Singapur, Wüstenregionen wie den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Inseln wie Gran Canaria: In vielen Regionen der Erde wird Meerwasser aufbereitet, um daraus Trinkwasser zu gewinnen. Das Verfahren galt bisher als teuer und energieintensiv. Dank neuer Ansätze könnte sich das ändern.

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Auf Titelstory dem Weg

E

Umkehrosmose: der Klassiker

ntsalzungsanlagen auf den Kanaren zum Beispiel oder auf Helgoland funktionieren nach diesem einfachen Prinzip: Das Salzwasser wird durch eine halbdurchlässige Kunststoffmembran gepresst. Deren Poren sind mit einer Größe von 0,5 bis fünf Nanometer so mikroskopisch klein, dass nur Wassermoleküle durch sie hindurchpassen. Salze, Bakterien, Viren, Schwermetalle und andere unerwünschte Stoffe bleiben zurück. So wirkt die Membran wie ein Filter. Doch damit dieser funktioniert, ist ein hoher Druck nötig; für die Meerwasserentsalzung muss er zwischen 60 und 80 Bar liegen. eutlich effizienter funktioniert die Um ihn aufzubauen, benötigen HochdruckpumEntspannungsverdamp­fung. Bei ihr wird pen rund vier Kilowattstunden Strom pro die Abwärme eines Kraftwerks genutzt, Kubikmeter Wasser. um Meerwasser zu verdampfen. Das Kondensat – destilliertes Wasser – wird aufgefangen und mit Mineralien angereichert, um es trinkbar zu machen. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) haben nun Wärmeüberträger aus Polymerkompositen entwickelt. Sie sollen die Rohre aus teurem und seltenem Titan ersetzen, die wegen ihrer guten thermischen Eigenschaften bisher eingesetzt werden. »Wir machen günstigere Kunststoffrohre ebenso temperaturleitfähig, indem wir feine Kupferpartikel einarbeiten«, sagt Arne Haberkorn vom IFAM. Zudem fördere die Oberflächenbeschaffenheit der neuen Rohre die Kondensierung. Das macht die Entsalzung effizienter.

Kunststoff: der Kondens-Titan

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S

Superabsorber: der Windeltrick

ie sind in jeder Wegwerfwindel enthalten: winzige Kunststoffkügelchen, sogenannte Superabsorber, die in der Lage sind, das Hundertfache ihres Eigengewichts an Flüssigkeit aufzunehmen. Dabei quellen sie auf und bilden ein Hydrogel. Diese Eigenschaften haben Professor Manfred Wilhelm vom Karlsruher Institut für Technologie dazu inspiriert, die wiederverwendbaren Kunststoffpartikel für ein neuartiges Entsalzungsverfahren zu verwenden. »Das mit Meerwasser gequollene Hydrogel wird dabei ausgepresst«, erläutert er. »Wir arbeiten daran, dass nach drei Runden nur ein Gramm Salz in einem Liter Wasser bleibt. Das wäre eine trinkbare Menge.« Und insgesamt eine besonders günstige Technik.

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Auf dem Weg

sonnEN

STURM auf erden

Bei der Fusion verschmelzen die Kerne zweier Wasserstoff­isotope zu einem Heliumkern. Es wird Energie frei, die in einem Kraftwerk zu Strom umge­ wandelt werden könnte. Eine Möglichkeit, die Fusion in Gang zu setzen, ist der Beschuss der Kerne mit La­ sern (Foto rechts).

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Auf dem Weg

Physiker träumen seit Langem davon, durch Kernfusion so sauber und unerschöpflich Energie zu erzeugen wie die Sonne. Die ersten Schritte in diese Richtung sind bereits gegangen, doch bis zu effizienten Kraftwerken ist es noch ein weiter Weg. Text: Timour Chafik

M

it 192 Lasern, den leistungs­ stärksten der Welt, zielte Omar A. Hurricane im No­ vember 2013 auf eine kleine, mit Gold ummantelte Kapsel. Es muss ein erhabenes Gefühl für ihn gewesen sein, als er merkte, dass er damit der Sonne ein Stück näher kam. Dann feuerte der Physiker am Lawrence Livermore National Laboratory los. Zu dem Institut im Süden San Fran­ ciscos gehört ein Forschungsreaktor, die National Ignition Facility. Den Großteil der drei Fußballfelder großen Anlage nehmen die Laser ein. Mit 20 Pikosekunden kurzen Schüssen entfachten sie eine Kernreaktion: Extreme Hitze erzeugte eine Art Schockwel­

le aus intensiver Röntgenstrahlung, die Kap­ sel schmolz samt des Brennstoffs in deren Innerem und implodierte auf ein Vierzigstel ihrer ursprünglichen Größe. Die Dichte des Brennstoffgemisches erhöhte sich sprung­ haft um ein Vielfaches, gleichzeitig stieg die Temperatur über den Wert im Sonneninne­ ren. Schließlich nahm die Kernfusion ih­ ren Lauf. »Wir waren zunächst skeptisch«, sagt Hurricane heute, »dann dämmerte es uns langsam: Das war ein guter, ein großer Schritt für die Wissenschaft.« Ein kleines Flämmchen Sonnenfeuer

Was Hurricane gelang, ist das, was die Son­ ne seit Jahrmilliarden macht: Energie durch

die Fusion zweier Atome erzeugen. Hurri­ cane zwang im Inneren eines ein Zentimeter langen Hohlraumzylinders, der erwähnten Goldkapsel, zwei Kerne der Wasserstoffiso­ tope Deuterium und Tritium dazu, sich zu einem Heliumkern zu verbinden und dabei Energie freizusetzen. Übersetzt für den che­ mischen Laien, könnte man sagen, dass für weniger als eine Milliardstel Sekunde ein winziges Flämmchen des Sonnenfeuers auf der Erde brannte. Oder zumindest die Art von Energie, die auch die Sonne erzeugt. Denn das, was die Sonne in knapp 150 Millionen Kilometer Entfernung zum Strah­ len bringt, konnten die kalifornischen Wis­ senschaftler im Labor simulieren. Das haben

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Auf dem Weg

Sicherer Beton

Bereits 1997 startete in Greifswald das Experiment Wendelstein 7-X, mit dem das MaxPlanck-Institut für Plasmaphysik (IPP) die Kernfusion nach dem Wirkungsprinzip der Sonne als Energiequelle nutzbar machen möchte. Die Montage der Experimentieranlage soll 2014 zu Ende gehen, nach der schrittweisen Prüfung aller technischen Systeme ist das erste Plasma für 2015 geplant. TÜV SÜD hat hierzu einen entscheidenden Beitrag geleistet, indem das Unternehmen untersucht und bestätigt hat, dass von der Anlage in der vorgesehenen Betriebsweise keine Strahlungsgefahr für Mensch und Umwelt ausgeht. »Wir haben dazu an den strahlenschutzrelevanten Stellen Kernbohrungen in der 1,8 Meter starken Hülle aus Spezialbeton durchgeführt und zur Verifikation der Planung komplexe Strahlenschutzberechnungen absolviert«, sagt Dr. Michael Bittner, Sachverständiger und Gruppenleiter Strahlenschutz bei TÜV SÜD. Die Analyse der Probebohrungen, vor allem auf Wasser- und Borgehalt, habe gezeigt, dass die Zusammensetzung und Struktur des Betons den Vorgaben entspreche, so Bittner weiter. Wendelstein 7-X wird nach der Fertigstellung die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ »Stellarator« sein, dessen Spulen zur Erzeugung eines Magnetfeldes eine ausgesprochen komplizierte Geometrie aufweisen.

In der Anlage in Greifswald sind 20 supraleitende Ma­gnetspulen verbaut mit je sechs Tonnen Gewicht und 3,5 Meter Durchmesser. Sie sind um ein Vaku­ umgefäß mit einem Durchmesser von 16 Meter angeordnet. Darin soll die Kernfusion stattfinden.

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Auf dem Weg

andere auch schon erfolgreich versucht, nur ist das Team um Hurricane einen Schritt weiter gegangen. Sie haben ein kleines biss­ chen mehr Energie erzeugen können, als zu­ vor dem Fusionsmaterial in der Goldkapsel zugeführt wurde. Mehr bekommen als ge­ ben – das kommt für einige Beobachter der Entdeckung des »Heiligen Grals der Kern­ fusion« gleich. Hurricane sieht das wissenschaftlich differenzierter. »Das ist übertrieben«, sagt er. »Wir haben zwar tatsächlich mehr Fusi­ onsenergie aus dem Brennstoff herausgeholt, als wir ihm ursprünglich zugeführt haben – aber immer noch deutlich weniger, als die Laser in Summe der Kapsel zugeführt

ab – freiwillig gehen die ganz sicher keine Verbindung ein!« Es gibt zwei Wege, die widerspensti­ gen Kerne zu zähmen: Der eine ist, hei­ ßes Wasserstoffplasma durch ein starkes Ma­ g netfeld zusammenzuhalten. Durch Zufuhr von Energie lassen sich dann Tem­ peratur und Dichte des Plasmas so weit erhöhen, bis die Fusion einsetzt. Der ex­ perimentelle Kernfusionsreaktor Wendel­ stein 7-X in Greifswald (siehe Kasten links) oder der derzeit im Bau befindliche Reak­ tor ITER im südfranzösischen Cadarache arbeiten nach diesem Prinzip. Der zwei­ te Weg führt über Laser: die sogenannte Trägheitsfusion, wie sie in der National

toren verwendet, eine Halbwertszeit von 24.000 Jahren. Sauber, sicher, strahlenfrei Eine kleine Sonne auf der Erde, die günstig und massenhaft Energie liefert bei einem quasi nicht vorhandenen nuklearen Abfall­ aufkommen: Ist das nicht vielleicht doch – die technische Umsetzbarkeit einmal außer Acht gelassen – die rosarote Zukunft der Energieer­ zeugung? »Wir würden es nicht versuchen, wäre es nicht zukunftsfähig«, sagt Dr. Hans-Stephan Bosch, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald. Dazu sei die Chance, eine schier unerschöpfliche Energie­ quelle anzapfen zu können, zu groß. Und letzt­

Strom aus Kernfusion? »Wir würden es nicht versuchen, wenn es nicht zukunftsfähig wäre.« – Dr. Hans-Stephan Bosch haben.« Um genau zu sein: 17 Kilojoule, so viel wie in zwei handelsüblichen MignonBatterien, sind bei dem Versuch herausge­ kommen. Für die Zukunft der Energiever­ sorgung ist das – noch – zu wenig. Der Motor der Sterne »Kernfusion ist letztlich nichts anderes als der Motor der Sterne«, sagt der Plasmaphy­ siker Professor Markus Roth vom Institut für Kernphysik an der Technischen Univer­ sität Darmstadt. Es werden zwei Atomker­ ne miteinander verschmolzen, sagt er. »Je­ der Stern, jede Sonne arbeitet genau nach diesem Prinzip, und das offensichtlich sehr erfolgreich.« Einen Stern auf Erden nach­ zubauen ist aber höchst kompliziert. »Die Atomkerne müssen nah genug aneinander­ gebracht werden, damit sie verschmelzen«, erklärt Roth. »Das Problem dabei ist: Sie sind beide positiv geladen und stoßen sich

Ignition Facility von Omar A. Hurricane genutzt wird. Ob Fusion mittels magnetischem Ein­ schluss oder mittels Trägheit: Für eine er­ folgreiche Verbindung sind Temperaturen von mindestens einhundert Millionen Grad Celsius nötig, zudem ein hoher Druck von außen. »Die Sonne macht das sehr effizient, aber auf der Erde 100 Millionen Grad zu produzieren, ist nicht so einfach«, so Roth. Es braucht immer einen enormen Aufwand an Energie, um die Reaktion überhaupt erst in Gang zu bringen. Der Lohn der Mühe wäre allerdings gigantisch: Mit nur einem Gramm des Deuterium-Tritium-Gemischs ließe sich eine Stunde lang ein Kraftwerk mit 3.000 Megawatt thermischer Leistung betreiben. Zudem hat das Wasserstoffisotop Tritium eine Halbwertszeit von lediglich 12,3 Jahren – im Vergleich dazu hat Pluto­ nium, wie in einem der Fukushima-Reak­

lich, so Bosch, würden nur Wasserstoffisotope verbrannt und als Abfallprodukt das Edelgas Helium entstehen. »Und davon entsteht so we­ nig, dass Sie damit nicht einmal die Ballons auf einer Kirmes füllen könnten.« Nüchterner Realismus Wenn nur der Weg zur Sonne nicht so weit wäre: Vielleicht in 35 Jahren, glaubt Bosch, könne der erste Fusionsreaktor Energie erzeugen. Andere gehen davon aus, dass der erste Reaktor schon in zehn Jahren am Netz sein könnte, gesetzt den Fall, die Erfolge in der Fusionsforschung häufen sich. Derjenige, der bisher der Sonne auf Erden am nächsten gekommen ist, bleibt weiter nüchtern-realistisch: »Wir sind ei­ nen Schritt weiter, aber mit unseren Ex­ perimenten noch weit davon entfernt, eine neue Energiequelle gefunden zu haben«, sagt Omar A. Hurricane.

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Auf den Punkt

AUF DEN PU N K T

E UE #28 DIE N HNIK TORTEC EBER #30 RATG E-BIKES

TOR? War der Ball drin oder nicht? Bei der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien wird sich diese Frage zweifelsfrei beantworten lassen. Denn modernste Technik unterstützt den Schiedsrichter bei seiner Entscheidung. Aber wie funktioniert das System namens »GoalControl«?

#1

Alles im Blick Sieben Kameras sind auf jedes Tor gerichtet. Aus unterschiedlichen Perspektiven, die exakt auf das jeweilige Stadion abgestimmt werden, überwachen sie jeden Winkel. Strittige Szenen wie beim Finale der FußballWM 1966 (England – Deutschland) gehören damit der Vergangenheit an.

Das Foto zeigt eine Computersimulation von »GoalControl« im Mineirão-Stadion von Belo Horizonte im Südosten Brasiliens.

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Auf den Punkt

#2

Bilderflut Bei den Kameras handelt es sich um spezielle Hochgeschwindigkeitsmodelle. Pro Sekunde nehmen sie bis zu 500 Bilder auf und produzieren zusammen eine Datenmenge von rund 4,5 Gigabyte. Das entspricht der eines 90-Minuten-Films auf DVD.

#3

Sichere Sache Ein Treffer zählt nur, wenn der Ball die Torlinie in vollem Umfang überquert. Ob das tatsächlich der Fall ist, kann »GoalControl« bereits feststellen, wenn der Ball gerade mal für zwei der sieben Kameras zu jeweils 25 Prozent sichtbar ist. Und das ist er laut Wahrscheinlichkeitsrechnung so gut wie immer.

#4

#5

Erprobte Technik Bei der FIFA Klub-Weltmeisterschaft 2012 und beim FIFA Konföderationen-Pokal 2013 wurde »GoalControl« bereits erfolgreich getestet. Inzwischen sind alle zwölf brasilianischen WM-Stadien mit der Torlinientechnik ausgerüstet. Vor jedem Spiel überprüft der Schiedsrichter ihre Funktion.

Codeschutz Zur Auswertung werden die Kamerabilder via Glasfaserkabel an einen Server übertragen. Bei einem Tor übermittelt er per Funk ein Signal an die Schiedsrichteruhr. Die Verbindung ist verschlüsselt. Der Code wechselt dreimal pro Sekunde. Das beugt Manipulationen vor.

Mehr Infos über sichere Computertechnik: www.tuev-sued.de/it-security TÜV SÜD Journal 29


Auf den Punkt

Ratgeber:

Durch den Sommer stromern Elektrofahrräder machen das Radeln bequem, denn ein Motor unterstützt das Treten. So lassen sich selbst Anstiege und Gegenwind mit Leichtigkeit meistern. Fünf Tipps, worauf man beim Kauf achten sollte.

1

Automatik oder Schalter? Rund 90 Prozent aller Elektrofahrräder sind heute sogenannte Pedelecs, kurz für Pedal Electric Cycles. Ihren Motor muss man nicht wie bei älteren und oft günstigeren Modellen extra zuschalten. Durch Treten der Pedale aktiviert er sich automatisch. Pedelecs erreichen eine Geschwindigkeit von maximal 25 Stundenkilometer.

3 Kurz- oder

Langstrecke?

2

Sportlich oder komfortabel?

Auf sportlichen Rädern fährt man mit gebeugtem Oberkörper. Schonender für Handgelenke und Rücken ist eine Bauform, bei der man aufrecht sitzt. Wichtig: Die Füße sollten jederzeit sicheren Halt am Boden finden können.

Mit den meisten Akkus kommt man 40 bis 60 Kilometer weit. Wer sich viel vom Motor helfen lässt, braucht eine Hochleistungsbatterie. Sie hat Power für bis zu 140 Kilometer, ist aber auch deutlich teurer. Bei beiden Versionen auf eine lange Garantiezeit

Starke Bremsen

achten.

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sind wichtig, um notfalls die Antriebskraft des Motors zu bändigen.

Fahren und nochmals fahren Aufgrund der Unterschiede bei Motor- und Akkuleistung sowie bei der Bauform sind ausgiebige Probefahrten vor dem Kauf wichtig. Wer mehrere Modelle testet, findet leichter eines, das perfekt den individuellen Bedürfnissen entspricht und dem eigenen Fahrstil entgegenkommt.

Weitere Infos zu Produkttests: www.tuev-sued.de/ps 30 TÜV SÜD Journal

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Auf Gütesiegel achten Pedelecs müssen nach geltendem EU-Recht mindestens mit einer CE-Kennzeichnung versehen sein. Noch mehr Sicherheit versprechen das Siegel für »Geprüfte Sicherheit« und das Prüfzeichen »Zertifiziertes Pedelec« von TÜV SÜD.


Akademie | Termine

Training-Tipps TÜV SÜD Akademie In jeder Ausgabe des TÜV SÜD Journals stellen wir Ihnen eine ausgewählte Seminarreihe vor. Diesmal zum Thema: Unternehmerverantwortung und Haftung Unternehmen als Eigentümer oder Betreiber von Gebäuden und technischen Anlagen sind etlichen Haftungsrisiken ausgesetzt. Zudem werden sie vom Gesetzgeber beim Arbeits- und Umweltschutz in Verantwortung genommen. TÜV SÜD unterstützt Geschäftsführer, Betriebs- und Abteilungsleiter sowie technische Führungskräfte mit einem Workshop dabei, alle wesentlichen Haftungsrisiken zu identifizieren und zu minimieren.

05/06/07

KALENDER

Auf folgenden Messen, Kongressen und Veranstaltungen können Sie TÜV SÜD live erleben. Unsere Expertenteams freuen sich auf Ihren Besuch. Mehr Infos zu den Terminen: www.tuev-sued.de/konzernevents

MAI

Schwerpunktthemen des Workshops • Pflichten beim Betrieb technischer Anlagen • Maschinenrichtlinie und Betriebssicherheitsverordnung • Anforderungen aus Arbeitsschutz und Anlagensicherheit • Konsequenzen bei der Verletzung von Organisationspflichten • Rechtssichere Delegation • Haftung und Verantwortung im Unternehmen • Methoden der Risikoanalyse und Prävention • Gefährdungsbeurteilung als Unternehmerverantwortung

Die Messe bietet einen umfassenden Marktüberblick über Dienstleistungen und Produkte im betrieblichen Gesundheitsmanagement sowie zu den Themen ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und Prävention.

Termine mit Startmöglichkeit während des ganzen Jahres finden an Standorten im gesamten Bundesgebiet statt.

Intersolar Europe, München, 04.–06.06.2014

Weitere Informationen und freie Termine im Internet unter: www.tuev-sued.de/akademie

Neue Märkte, neue Rahmenbedingungen, neue Technologien: Die Messe hilft, in der dyna­mischen Solarwirtschaft den Überblick zu behalten. Sein breit gefächertes Angebot an Dienstleistungen in diesem Bereich präsentiert TÜV SÜD in der Halle A2 am Stand 540.

wolfgang.humburg@tuev-sued.de

Corporate Health Convention, Stuttgart, 20.–21.05.2014

JUNI

China International Lighting Fair, Guangzhou, 06.–12.06.2014 Bauherren, Planer, Facility-Manager, Händler, Hersteller und Zulieferer können sich hier über den aktuellen Stand der Beleuchtungstechnik informieren. Schwerpunkte bilden dabei die Bereiche Outdoor-Anlagen, Steuerungs- und LED-Technik.

Impressum Herausgeber: TÜV SÜD AG, Westendstraße 199, 80686 München Inhaber: TÜV SÜD e.V. (74,9 %), TÜV SÜD Stiftung (25,1 %), Westendstraße 199, 80686 München Leiter Unternehmenskommunikation: Matthias Andreesen Viegas Projektleitung & Chefredakteur: Jörg Riedle Kontakt: +49 (0)89 5791-0, info@tuev-sued.de Realisation: Medienfabrik Gütersloh GmbH, Neumarkter Straße 63, 81673 München Druck: Eberl Print GmbH, Kirchplatz 6, 87509 Immenstadt Fotonachweis: Airbus (19, 20), corbis (3, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 22, 23, 24, 25, 26, 33), Daimler AG (30), dpa Picture Alliance (4, 5), Getty (1), GoalControl (28, 29), Joe Merlo (21), Oscar Vinals (18,19), strichpunkt (2, 36), TÜV SÜD (2, 15, 21, 26, 32), Illustration (34, 35): LULU* Das TÜV SÜD Journal erscheint vierteljährlich. Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das TÜV SÜD Journal wird klimaneutral auf einem Papier aus nachhaltiger Holzwirtschaft gedruckt.

klimaneutral

Renewable UK Offshore Wind, Glasgow, 11.–12.06.2014 TÜV SÜD präsentiert das komplette Leistungsspektrum für Offshore-Windenergie. Der internationale Dienstleister unterstützt Planer, Betreiber und Hersteller von Anlagen auf hoher See mit umfassenden und individuellen Prüfungen, Zertifizierungen und Inspektionen.

JULI B2RUN, München, 15.07.2014 Rund 30.000 Teilnehmer aus mehr als 1.500 Unternehmen gehen an den Start, um sich für die Deutsche Firmenlaufmeisterschaft in Berlin zu qualifizieren. Als Partner der Veranstaltung ist TÜV SÜD mit eigenen Läufern dabei und mit einem Stand im Innenraum des Olympiastadions.

natureOffice.com | DE-141-647125

gedruckt

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5 Minuten

Elektro- und Elektronikprüfungen in Bangalore

Exportzertifikate für Russland, Weißrussland und Kasachstan

Kostenlose App für Qualitätsmanager in Unternehmen

Ein Dutzend Prüflabore betreibt TÜV SÜD in Indien – unter anderem für Textilien, Kosmetika und Spielzeug. Nun kommt ein dreizehntes hinzu: Im neuen Testzentrum für Elektro- und Elektronikartikel in Bangalore werden unter anderem Dienstleistungen rund um die CE-Kennzeichnung und Risikoanalysen durchgeführt. Geprüft wird auf Basis aller relevanten nationalen und internationalen Normen.

Für Exporte in die Zollunion Russland, Weißrussland und Kasachstan müssen ausländische Unternehmen nationale Zertifizierungen beachten. Nun hat TÜV SÜD von der russischen Behörde Rosakkreditacija weitere Zulassungen erhalten. Der Schwerpunkt: Zertifikate für Druckgeräte und Dampfkessel, für die seit Februar 2014 ein neues Regelwerk gilt.

Das Qualitätsmanagement-Lexikon von TÜV SÜD ist seit Jahren ein hilfreiches Nachschlagewerk für alle, die im Qualitätsmanagement von Unternehmen tätig sind. Jetzt ist das Lexikon auch kostenlos als App für iOS- und Android-Geräte verfügbar. Ein Vorteil: die Möglichkeit, das Werk durch eigene Einträge zu ergänzen. Der Download ist im iTunes Store und bei GooglePlay möglich.

biswas.shyamli@tuv-sud.in

yury.kulikou@tuev-sued.de

carolin.eckert@tuev-sued.de

Umweltlabel für Austauschkatalysatoren

Wie langlebig und wirkungsvoll sind Austauschkatalysatoren für Autos? Antworten auf diese Frage bekommen Verbraucher seit diesem Jahr mithilfe des Umweltsiegels »Blauer Engel«. TÜV SÜD ist einer von deutschlandweit nur zwei zugelassenen Prüfpartnern, die die Katalysatoren hierzu untersuchen. In seinem Abgaslabor in Heimsheim bei Stuttgart testen die Experten die Kats nach einem speziellen Verfahren. Unter anderem werden die Systeme künstlich gealtert. Dazu werden sie in Hochtemperaturöfen hydrothermalen Bedingungen ausgesetzt, um eine künstliche Laufleistung von 160.000 Kilometern zu simulieren. Anschließend folgen auf zertifizierten Rollenprüfständen Abgasmessungen. Weitere vorgeschriebene Prüfungen sind unter anderem die quantitative Bestimmung des Edelmetallgehalts, Bauteilvermessungen und ein Check der verwendeten Materialien auf Gesundheitsschädlichkeit. pascal.mast@tuev-sued.de

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Mehr Prüfmöglichkeiten für elektromagnetische Verträglichkeit

Elektronikgeräte sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Damit sie sich gegenseitig nicht stören, müssen sie bestimmte Anforderungen an ihre Störfestigkeit erfüllen und Grenzwerte einhalten. In Prüfeinrichtungen auf der ganzen Welt nimmt TÜV SÜD Elektronikgeräte vom Smartphone bis zum kompletten Elektrofahrzeug unter die Lupe und testet, ob »Elektromagnetische alle Normen bezüglich der elektromagnetischen Verträglichkeit erfüllt wurden. Nun ist das Labornetzwerk wieder erweitert worden: werden praktisch von allen mit neuen Prüfmöglichkeiten in Deutschland elektronischen Geräten erzeugt.« und Japan. Im bayerischen Straubing wurde im März 2014 eine Halle für die Prüfung von – Johann Roidt, TÜV SÜD Photovoltaik-Wechselrichtern und -Komponenten in Betrieb genommen. Wechselrichter sind ein zentrales Element von Photovoltaik-Anlagen. Für die Einspeisung ins Stromnetz wandeln sie den erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom um. Bereits einige Wochen zuvor hatte TÜV SÜD im japanischen Yonezawa eine neue Zehn-Meter-Prüfhalle eröffnet. In ihr können große Industriekomponenten und Fahrzeuge bis zu einem Gewicht von vier Tonnen geprüft werden.

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johann.roidt@tuev-sued.de | noriko.nakao@tuv-sud.jp


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Verband der TÜV e.V. warnt vor Sicherheitsmängeln Das Sicherheitsniveau technischer Anlagen – beispielsweise von Aufzügen – in Deutschland ist hoch. Das geht aus dem Anlagensicherheits-Report 2014 der zugelassenen Überwachungsstellen hervor, der Mitte April vom Verband der TÜV e.V. (VdTÜV) vorgestellt wurde. Aber es gibt auch Sicherheitsmängel an technischen Industrieanlagen, die erst durch unabhängige Prüfungen erkannt werden. Der VdTÜV warnt daher davor, bei Tanklagern und anderen Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten auf solche unabhängigen Prüfungen zu verzichten. Derzeit sehen Pläne der deutschen Bundesregierung aber genau dies vor. Der Plan: Die Unternehmen sollen ihre Anlagen selbst prüfen. »Sollte die unabhängige Prüfung wegfallen, wird es mehr Anlagen mit gefährlichen Mängeln geben, weil dadurch ein Anreiz zur regelmäßigen Wartung wegfiele«, warnt VdTÜV-Geschäftsführer Dr. Klaus Brüggemann. »Unser System hat sich dagegen hervorragend bewährt und trägt in Deutschland zu einer vorbildlichen Sicherheitskultur bei.« johannes.naeumann@vdtuev.de

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Mehr Lesespaß mit der TÜV SÜD Journal App Seit Mitte 2013 gibt es das TÜV SÜD Journal auch als App für Smartphones und TabletPCs – und zwar sowohl für iOS- als auch für Android-Geräte: Die Alternative zur gedruckten Ausgabe steht im iTunes Store und bei GooglePlay kostenlos zur Verfügung. Neben einer auf mobile Endgeräte optimierten Optik und Leseführung enthält die App-Version auch jede Menge zusätzliche Informationen zu den Geschichten, beispielsweise Fotogalerien oder Videos. Übrigens: Auch für alle Leser, die das TÜV SÜD Journal lieber am PCBildschirm durchblättern möchten, steht eine besondere Ausgabe zur Verfügung. Weitere Informationen gibt es unter www.tuevsued.de/journal. Der QR-Code führt Sie zum Download der App. joerg.riedle@tuev-sued.de

mit TÜV SÜD

Bei Gebrauchtwagen kostspielige Extras genau prüfen Eine Luxuslimousine zum Preis eines Kleinwagens: Wer einen Gebrauchtwagen kauft, kann echte Schnäppchen machen. Kluge Käufer prüfen jedoch, ob der Wagen kostspielige Extras enthält. »Hightech- oder Komfortextras bei Gebrauchten können teure Reparaturen nach sich ziehen«, warnt Eberhard Lang von TÜV SÜD. Selbst Sonderzubehör wie etwa breitere Reifen erfordern einen tiefen Griff ins Portemonnaie, wenn ein Austausch fällig wird. Und auch gefragte Extras wie Xenonscheinwerfer, Automatikgetriebe oder eingebaute Navigationssysteme können sich als Kostenfalle erweisen, wenn die Garantie bereits abgelaufen ist. So schlägt beispielsweise der Ersatz eines Xenonscheinwerfers mit mehr als 1.000 Euro zu Buche, das Steuergerät eines Infotainmentsystems kostet mindestens ebenso viel, ein Schiebedach 700 Euro und nach dem Austausch eines Siebengang-Automatikgetriebes stehen mehr als 9.000 Euro auf der Rechnung. TÜV SÜD rät: Autofahrer sollten beim Kauf eines üppig ausgestatteten Gebrauchten unbedingt auf eine umfangreiche Garantie achten.

Wer hat das gesündeste Unternehmen? Bereits zum sechsten Mal suchen das Handelsblatt, EuPD Research Sustainable Management und TÜV SÜD Deutschlands gesündeste Unternehmen. Im vergangenen Jahr ging eine Rekordzahl von 323 Unternehmen ins Rennen. Unternehmen und Organisationen in Deutschland können ihre Konzepte zum betrieblichen Gesundheitsmanagement vorstellen und einreichen. Auf Basis eines wissenschaftJetzt bewerben: bis Ende lich evaluierten und erprobten unter Qualitätsmodells www.corporate-health-award.de! bewertet eine Jury die eingereichten Konzepte und zeichnet die Sieger in zehn verschiedenen Kategorien aus. Die Preisverleihung findet im Rahmen einer Gesundheitskonferenz Ende November 2014 statt. Die Bewerbungsphase läuft bis zum 30. Juni 2014, der Bewerbungsprozess ist kostenfrei und anonym.

Juni 2014

eberhard.lang@tuev-sued.de birgit.klusmeier@tuev-sued.de

TÜV SÜD Journal 33


Zu guter Letzt

gar nicht hinterm mond Ein Baukonzern aus Japan zeigt sich besonders innovativ und will mit einem Solarzellenring um den Mond die Energieversorgung der Welt sichern.

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Zu guter Letzt

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in Unserer Magazin-App

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onne und Mond beflügeln seit Urzeiten die Fantasie der Menschen. Europäer sehen in den Lichtreflexionen, die von der rauen Krater- und Gesteinslandschaft des Mondes auf die Erde fallen, die Konturen eines menschlichen Gesichts. Afrikaner aus Gambia erkennen darin eher ein Krokodil und Japaner einen Hasen, den sie »Tsuki no Usagi« nennen. Den wollen Ingenieure des japanischen Baukonzerns Shimizu nun einzäunen – und zwar mit einem rund 11.000 Kilometer langen Band entlang des Mondäquators. Es soll aus Solarpanelen bestehen und Strom für die Erde produzieren. Ein realistisches Vorhaben oder nur eine weitere Blüte lebhafter Fantasie? Ambitioniert sind die Pläne, die Shimizu auf seiner Homepage veröffentlicht hat, allemal. Die letzte bemannte Mondmission war im Jahr 1972. Damals wurden Gesteinsbrocken gesammelt, und das galt schon als revolutionär. Da erscheint der Bau einer gigantischen Solaranlage als nächster Schritt unendlich groß. Dennoch: Im Jahr 2035 müsste er gangbar sein, schätzt Shimizu. Spätestens

dann könnte die Menschheit in der Lage sein, das Energieprojekt namens »Luna Ring« zu stemmen. Auszahlen würde es sich auf alle Fälle, da es saubere Solarenergie rund um die Uhr verspricht. Ob Tag oder Nacht, eine Hälfte des Mondes ist immer der Sonne zugewendet. Und auch schlechtes Wetter gibt es nicht. Wo kein Wasser ist, sind schließlich keine Wolken. Nichts kann also die Leistung des Solarbands trüben. Wäre es 400 Kilometer breit, hat Shimizu errechnet, ließe sich damit der gesamte Strombedarf der Welt decken. Aber wie kommt die Energie vom Mond auf die Erde? Auch da sind die Japaner nicht um eine Lösung verlegen: Laser und Mikrowellensender sollen die Energie als Strahlenbündel zur Erde schicken, zu Konverteranlagen auf der ganzen Welt, die die Strahlen zurückverwandeln in Strom. Gerade einmal zwei Prozent der Energie würden bei der Übertragung verloren gehen, weil zwischen Mond und Erde günstigerweise ein Vakuum herrsche. Stimmt schon, Luft nach oben ist bei einem derart ehrgeizigen Projekt wirklich nicht.

TÜV SÜD Journal 35


nachhaltiger Erfolg

W

o ist TÜV SÜD für seine Kunden da? Natürlich in Deutschland – aber längst genauso stark in aller Welt. Denn TÜV SÜD wird immer internationaler. Die Geschäftszahlen des vergangenen Jahres, die Mitte Mai 2014 offiziell vorgestellt wurden, belegen dies eindrucksvoll: Jeder zweite Kollege arbeitet mittlerweile im Ausland, über 5.000 sind es allein in Asien. Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2014 werden voraussichtlich mehr Menschen außerhalb Deutschlands beschäftigt sein als im Heimatmarkt. Und noch etwas zeigen die Kennzahlen: Der Erfolg des Unternehmens ist nachhaltig. In den vergangenen fünf Jahren sind Umsatz, Ergebnis und Mitarbeiterzahl zwischen 30 und 40 Prozent gestiegen. Noch mehr Zahlen und Details zur Unternehmensstrategie gibt’s im neuen Geschäftsbericht der TÜV SÜD Gruppe unter www.tuev-sued.de/geschaeftsbericht.

Umsatz (in Mio. €) 2009 2010 2011

1.410 1.553 1.678 1.821

2012 2013

1.939

Ergebnis vor Zinsen und Ertragsteuern (in Mio. €) 2009

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2010

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2009 2010 2011 2012 2013

14.459 16.058 17.161 18.758 20.190

143

2011

160

2012

159

2013

Mitarbeiterzahl (Stichtag 31.12.)

123

161


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