TÜV SÜD Journal 3/2014

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TÜV SÜD

JOURNAL ROBE #18 AUF DIE P äglichkeit: Wie krank Lebensmittelunvertr ose & Co.? machen Gluten, Lakt  WEG #24 AUF DEM echte Sprit aus Biomüll: Eine m Kraf tstoff? Alternative zu fossile UNKT #28 AUF DEN P abbiegen: Wie In 150 Metern nnavigation? funktionier t Satellite

# 03 2014

ERGIE AUF VORRAT WIND- UND SONNENEN

Stromspeicher gegen die dunkle Flaute


Editorial

LIEBE LESERINNEN UND LESER, Sonntag, der 11. Mai 2014 war ein guter Tag für die Produzenten von »grünem Strom« in Mitteleuropa. Lebhafte Winde und ein vielerorts wolkenloser Himmel sorgten dafür, dass die deutschen Wind- und Photovoltaik­kraftwerke rund 500.000 Megawattstunden Strom produzierten – ein Anteil von fast 50 Prozent an der Stromerzeugung. Eine Woche später, ebenfalls an einem Sonntag, flossen nur rund 170.000 Megawattstunden aus Sonnen- und Windenergie durch die Leitungen. Der Strom­ bedarf war übrigens an beiden Tagen ungefähr gleich groß. Dieses Beispiel verdeutlicht: Die »Energiewende«, also der Ausbau erneuer­ barer Energien bei der Stromversorgung eines Landes, bedeutet mehr, als nur die Kapazitäten an entsprechenden Kraftwerken aufzubauen. Sie erfordert vielmehr den Umbau des gesamten Versorgungsnetzes unter einer Vielzahl von Gesichtspunkten. Denn zu wenig vorhersehbar ist die Verfügbarkeit von Strom aus Sonne und Wind: Manchmal oder Akku? Die TÜV SÜD Journal-App bietet Hintergründe zu den einzelnen Technologien. ist es leider genau dann windstill, wenn am meisten Energie benötigt wird.

Pumpspeicherkraftwerk

Der QR-Code führt Sie direkt zur aktuellen TÜV SÜD Journal App.

Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, aber auch um Spitzen an besonders stürmischen Tagen ausgleichen zu können, werden daher leistungsfähige Energiespeicher benötigt. Die Lösungsansätze sind vielfältig – an zahlreichen Entwicklungsprojekten ist TÜV SÜD beteiligt. Denn wir nehmen unseren Auftrag, neue Technologien kritisch zu begleiten und zur Marktreife zu bringen, ernst. Schließlich möchte niemand einen Blackout riskieren! Mit freundlichen Grüßen

Dr.-Ing. Axel Stepken Vorsitzender des Vorstands der TÜV SÜD AG 2 TÜV SÜD Journal


Inhalt

#06

TITELSTORY

Wer auf Wind oder Sonne als Energielieferanten setzt, braucht zuverlässige Speicher. Schließlich soll der Strom auch bei Windstille oder Wolkenhimmel fließen.

Auf die

Auf dem

Auf den

Was treibt Menschen weltweit um? Wir nehmen technische und gesellschaftliche Entwicklungen unter die Lupe.

Die Welt von morgen im Blick: Diese Innovationen könnten schon bald unser Leben prägen.

Nachgefragt! Unsere »Mehrwert«-Seiten machen komplexe Zusammenhänge leicht verständlich.

#16 Holzauge, sei wachsam! Nachwachsender Rohstoff, umweltfreundlich produziert: Seit mehr als 20 Jahren zeigt das FSC-Label, ob Dielen, Möbel oder Papier nachhaltig hergestellt wurden.

#22 Ist smart auch safe? Licht, Klimaanlage, Waschmaschine, Türöffner: Immer mehr Geräte lassen sich in sogenannten Smart Homes mit dem Internet verbinden und fernsteuern. Praktisch – auch für Einbrecher.

#28 Bitte senden, bitte senden! Galileo, die europäische Alternative zum USNavigationssystem GPS, steht kurz vor dem Start. Aber wie funktioniert die Positions­ bestimmung per Satelliten im All eigentlich?

#18 Vertrage ich das? Von wegen gesund: Lebensmittel mit Laktose, Gluten und Fruktose können krank machen. Jeder dritte Mensch vermutet, an einer Lebensmittelunverträglichkeit zu leiden.

#24 Tank statt Tonne In Zeiten immer knapperer Rohstoffe ist unser täglicher Müll längst zum wichtigen Ressourcenträger geworden. Aber lassen sich aus Abfällen wirklich Kraftstoffe gewinnen?

#30 Ratgeber Dachboxen Wenn im Kofferraum kein Platz mehr ist, bieten Dachboxen zusätzlichen Stauraum. Das macht sie gerade bei Ferienreisen beliebt. Fünf Tipps fürs Beladen und Fahren.

#4 TÜV SÜD im Bild #14 5 Minuten mit TÜV SÜD

#21 Vor Ort #31 Termine/Impressum

#32 5 Minuten mit TÜV SÜD #34 Zu guter Letzt

PROBE

WEG

PUNKT

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TÜV SÜD im Bild

Große Gefühle unterm

STERNENZELT

Im Juli und August, wenn die sommerliche Hitze auch nach Sonnenuntergang nur langsam weicht, dann zieht es viele Menschen nachts hinaus ins Freie. Zum Beispiel in eines von rund 500 Freilichtkinos, die es in Deutschland gibt. Einer der schönsten Orte: die Seebühne im Münchener Westpark, Schauplatz von »Kino, Mond & Sterne«. Unter dem schwarzen Nachthimmel, zwischen alten Linden und Buchen, wirken Kinohits besonders eindrucksvoll. Wenn Filme wie die »Herr der Ringe«-Trilogie für große Emotionen sorgen, haben die Experten der Abteilung Seilbahnen & Fliegende Bauten von TÜV SÜD ihre Arbeit längst getan: Alle drei Jahre inspizieren sie im Westpark und bei vielen anderen Open-Air-Kinos die Stahlkonstruktion, an der die Leinwand befestigt ist, prüfen die Standfestigkeit sowie den Zustand aller Bauteile und kontrollieren, ob beim Aufbau alle Vorschriften eingehalten werden. Denn schließlich soll die Leinwand auch dann sicher stehen, wenn statt eines lauen Sommerlüftchens einmal ein Gewittersturm weht. Mehr Infos: www.tuev-sued.de/freizeitparks

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TÜV TÜV SÜD SÜD im im Bild Bild

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Titelstory

STROM AUS DEM VORRATSPACK

MEHR ZUM THEMA

IN UNSERER MAGAZIN-APP

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Titelstory

Windstille + Nachthimmel = Stromausfall? Damit genau das nicht passiert, braucht die Energiewende zuverlässige Speicher, die bei Flaute oder Regenwetter Strom aus Überschusszeiten wieder abgeben können. Denn der soll auch künftig immer dann verfügbar sein, wenn er gebraucht wird. Text: Timour Chafik

Illustrationen: Mareikje Kersting

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Titelstory

V

ermutlich haben sich das die gut 10.000 Einwohner des kleinen kanarischen Eilands El Hierro nicht träumen lassen: dass ihre Insel im Atlantik, mehr als 1.400 Kilometer vom spanischen Festland entfernt und kaum 270 Quadratkilometer groß, einmal solche Schlagzeilen macht. Dass renommierte Tageszeitungen von der ersten Insel, »die ihren Strombedarf komplett über erneuerbare Energien decken kann« schreiben. Dass manche in ihr eine Blaupause für eine grüne Stromversorgung sehen. Dass die »New York Times« Gefallen an der kleinsten der Kanareninseln fand und ihr »einen großen Anteil an der Zukunft« prophezeite. Und das alles nur wegen eines längst erloschenen Vulkankraters 700 Meter über dem tiefblauen Meer. Der Krater allerdings hat es in sich: Abgedichtet mit schwarzen Folien fasst er bis zu 380.000 Kubikmeter Wasser. Und ist damit weit mehr als ein Reservoir für das wertvolle Nass. Der ausgediente Vulkan ist ein Pumpspeicherkraftwerk, er ist die Batterie der Insel.

»Wasserstoff

wird das zentrale Speichermedium der Zukunft sein.« – Dr. Christoph Stiller, Linde AG Damit umschreibt er blumig das Prinzip der grünen Stromselbstversorgung El Hierros: Fünf 70 Meter hohe Windkraftanlagen mit einer Leistung von bis zu 11,5 Megawatt liefern den Strom für die Inselbewohner. In Spitzenzeiten werden damit Pumpen angetrieben, die Wasser aus einem Depot in Küstennähe über zwei Röhren in das Speicherbecken bringen. Herrscht auf El Hierro Windstille, dann stürzt es durch Fallrohre bergab, treibt Turbinen und Generatoren an und produziert Strom. Oder wie Juan Manuel Quintero sagen würde: Aus Wind wird Strom, aus Strom wird Wasser, aus Wasser wird Strom. Die neue Stromwelt ist allerdings nicht immer so überschaubar wie auf El Hierro.

Gerade einmal 10.000 Einwohner müssen versorgt werden, und die Windernte im Atlantik ist reicher als im kontinentalen Binnenland. Es fehlen auf dem Öko-Eiland die Masse an Indus­trie und die Masse an Menschen, die es gewohnt sind, kontinuierlich, aber auch kurzfristig und zuverlässig große Mengen an Strom abrufen zu können. Morgens, wenn eine Großstadt erwacht und ihre Lichter angehen, steigt das Lastprofil steil an. Dann braucht es eine verlässliche Versorgung, die Schwankungen im Millisekundenbereich ebenso ausgleicht wie Tage oder Wochen, in denen die Windräder stillstehen oder kein Sonnenstrahl auf die Photovoltaikanlagen trifft. Damit dieser Last-

Aus Wind wird Wasser

»Wir kämmen hier mit Windkraft Wasser aus dem Himmel«, soll Juan Manuel Quintero, Chef des Wind-Wasser-Kraftwerks »Gorona del Viento« und damit auch Betreiber des Kraterkraftwerks, einmal gesagt haben.

Der klassische Langzeitspeicher Seit Hunderten von Jahren werden mechanische Speicher genutzt, um Energie zu sammeln und gezielt abrufen zu können. Pumpspeicherkraftwerke wie auf El Hierro nutzen dieses uralte Prinzip für die Stromversorgung.

Bitte die Luft anhalten! Auch Druckluft eignet sich als mechanischer Speicher. Sie kann beispielsweise in Salzstöcken komprimiert und bei Bedarf kontrolliert durch Turbinen geleitet werden.

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Titelstory

ausgleich gelingt, werden leistungsfähige Stromspeicher benötigt, Puffer für die Flaute. Reserven für die Regelenergie

In Ländern wie Deutschland sorgen konventionelle Kraftwerke mit Gas-, Kohle- oder Erdölversorgung bislang für Sicherheit. Nur: Je größer der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wird, desto mehr Reserven an »Regelenergie« werden gebraucht; die schwankende Erzeugung muss mit dem ebenfalls schwankenden Bedarf in Einklang gebracht werden. Hinzu kommt, dass das Netz mit der Energiewende in beide Richtungen an Dynamik gewinnt: Jeder kann zum Stromproduzenten werden und Energie in das Gesamtsystem einspeisen. Wenn im Hochsommer eine ganze Armada an Photovoltaikanlagen ihren grünen Strom an das Netz liefert, dann müssen moderne Speicher auch dem standhalten und für die nötige Stabilität sorgen können. Theoretisch kommen dafür eine Menge Technologien infrage: Pumpspeicher- und Druckluftspeicherkraftwerke. Tiefgekühlte

Energie für morgen Ein Mix aus unterschiedlichen Speichern, in denen Energie je nach Bedarf Tage und Wochen oder nur Sekunden gespeichert wird, soll künftig sicherstellen, dass Strom auch nach der Energiewende zuverlässig und stabil fließt. In zahlreichen Projekten wird derzeit geforscht, um diese Speicher effizienter und wirtschaftlicher zu machen. Zum Beispiel bei ADELE.ING, einem 360-MWh-Druckluftspeicher in Sachsen-Anhalt. Um den Wirkungsgrad dieser Technologie zu erhöhen, laufen Versuche, die bei der Luftkompression entstehende Wärme zu speichern und ebenfalls zu nutzen. An dem Projekt, das noch bis Ende 2016 läuft, ist TÜV SÜD beteiligt, unter anderem an den Themen Anlagensicherheit und Risikobewertung. Bringt eine Kiste den Durchbruch für Wasserstoff als Energiespeicher? Davon gehen jedenfalls die Initiatoren der »Flow Box« aus. Mit der Prozessanlage ist es möglich, Strom in Wasserstoff umzuwandeln, zu speichern und wieder abzugeben. Das EU-Förderprojekt steht kurz vor der Marktreife, TÜV SÜD ist für die sicherheitstechnische Begutachtung zuständig. Um Sicherheit und Leistung geht es in den Batterietestlaboren von TÜV SÜD. In hochmodernen Einrichtungen wird weltweit unter anderem geprüft, wie die Lebensdauer der Speicher erhöht werden kann und wie sie sich in kritischen Situationen – etwa bei Bränden oder Überflutungen – verhalten. Und auch Subsysteme, etwa Wechselrichter, die im Rahmen der Energiespeicherung von großer Bedeutung sind, werden von TÜV SÜD nach internationalen Standards zertifiziert.

Ganz schön kalt Auf minus 269 Grad Celsius werden supraleitende Spulen gekühlt, in denen vorher ein Magnetfeld erzeugt wurde. Durch die Schockfrostung bleibt die Spannung auch über längere Zeit erhalten.

Kein Betonkopf Derzeit nur eine Vision – aber mit Potenzial: Hohle Betonkugeln am Meeresboden könnten bei Stromüberschuss leer gepumpt werden. Anschließend lässt man sie durch Turbinen wieder volllaufen.

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Titelstory

supraleitende Spulen, die über ein Magnet­ feld die Spannung aufrechterhalten. Elektro­ lyseanlagen, in denen Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten wird, der wieder­ um in Drucktanks gesammelt wird, um spä­ ter in Brennstoffzellen zur Stromerzeugung zu dienen. Es gibt Akkus, die Energie durch chemische Umwandlung speichern. Eine der neuesten Ideen: Beton-Hohlkugeln am Mee­ resgrund zu installieren, die je nach Strom­ bedarf geflutet oder leer gepumpt werden. »Den einen und besten Energiespeicher für die Energiewende, den gibt es allerdings nicht«, sagt Dr. Uwe Albrecht, Geschäfts­ führer der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH. Ob Kurzzeitspeicher oder Groß­ speicher für die Superflaute: »Die Frage nach der Speicherart stellt sich in der Diskussion immer nur abhängig vom betrachteten Ein­ satzszenario, weil jeder Speicher eine ganz andere Aufgabe erfüllt.« Batterien, die zwar keine große Speicher­ kapazität, aber einen hohen Wirkungsgrad haben, können immer dann wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden, wenn sie relativ oft ge- und wieder entladen werden. »Durch das häufige Ein- und Ausspeichern von kleineren

Schwungvoll Manchmal reicht die Speicherung für wenige Sekunden, um Stromspitzen auszugleichen – zum Beispiel mithilfe eines Schwungrads.

Einfach aufladen Batterien und Akkus kennt jeder aus dem Haushalt. Verschiedene Varianten dieser elektrochemischen Speicher stehen zur Verfügung, zum Beispiel auf Blei- oder Lithium-Ionen-Basis. 10 TÜV SÜD Journal

Energiemengen bei hohem Wirkungsgrad und die schnellen Reaktionszeiten machen stationäre Batterien vor allem beim Aus­ gleich kurzfristiger Schwankungen Sinn«, so Albrecht weiter. Die Umwandlung und Spei­ cherung von Strom mit einem Elektrolyseur eignet sich dagegen eher für die langfristige Speicherung großer Energiemengen. Für das häufige Speichern von Strom zum Beispiel aus einer kleinen Photovoltaikanlage über wenige Stunden würden solche Anlagen aber in der Regel nicht eingesetzt. Dynamische Lösungen

Die Palette an Speichermöglichkeiten ist breit, jede Technologie hat ihre ganz eige­ nen Eigenschaften, ihre eigenen Vor- und

Nachteile. Für ihren Einsatz ist abzuwägen: Stimmt die Reaktionszeit, die Entladedauer, die Leistung und Zyklenzahl? Entsprechen Platzbedarf, Gewicht, Lebensdauer, Wir­ kungsgrad und Kosten dem Einsatzzweck? Das klingt alles zusammen selbstverständ­ lich, ist aber in einer Industrie, die sich zu großen Teilen von der Stromerzeugung über den -vertrieb bis hin zum Lastmanagement neu erfinden muss, nur eine Variable. »Spei­ cher sind am Ende nur ein Teil der Lösung, aber welcher Teil – das kann heute noch nie­ mand sagen und hängt unter anderem von der Balance aller Elemente des Gesamtsys­ tems ab«, so Albrecht. Dass Stromspeicher allerdings einen ganz entscheidenden Teil zum Gelingen der

»Die Frage

nach der Speicherart stellt sich in der Diskussion immer nur abhängig vom betrachteten Einsatzszenario.« – Dr. Uwe Albrecht, Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH


Titelstory

Energiewende beitragen werden müssen, steht außer Frage. Um die Schwankungen zwischen Stromangebot und -nachfrage zu überbrücken, sind allein in Deutschland Puffer nötig, die Energiemengen in Höhe von mehreren Terawattstunden aufneh­ men können. Zum Vergleich: Die gesamte Speicherkapazität aller deutschen Pump­ speicherkraftwerke liegt derzeit bei etwa 40 Gigawattstunden. Das entspricht dem durchschnittlichen deutschen Strombedarf einer halben Stunde. Deswegen wird das Netz morgen nicht zusammenbrechen. Und auch nicht, weil in Deutschland die Kapazitäten für den Bau von Pumpspeicherkraftwerken ausgereizt sind. »Aber bevor wir über Großspeicher­ lösungen nachdenken, ist es erst einmal dringender, kurzfristig Überkapazitäten zwischenzuspeichern«, sagt Dr. Christoph Stiller, Innovationsmanager und Leiter Energy Production & Storage der Linde AG. Vor allem Wasserstoff, sagt er, werde da­ bei dank seiner Skalierbarkeit in Zukunft vermutlich eine entscheidende Rolle spielen: »Weil die Wasserstoffelektrolyse flexibel und modular einsetzbar ist – sie reicht von einem

Gib Stoff! Durch Elektrolyse wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Letzterer wird in Tanks gespeichert. Brennstoffzellen können ihn wieder in Elektrizität umwandeln – auch in Autos.

kleineren Elektrolyseur an einer Tankstelle über ein mittelgroßes Konzept in der Nähe eines Windparks bis künftig hin zu einer 100-Megawatt-Anlage an einem großen Netz­ knotenpunkt.« Weil sich chemische Energie einfach besser und günstiger speichern lässt als mechanische, komme man vor allem bei Langzeitspeichern am Wasserstoff nicht vor­ bei: »Strom rein, Wasserstoff raus – das ist immer noch die einfachste Kette mit dem höchsten Wirkungsgrad«, so Stiller. Weiter Weg zur Wasserstoffwirtschaft

Wasserstoff muss dabei nicht zwangsläufig wieder in Strom umgewandelt werden, er kann als Treibstoff oder als synthetisches Erd­ gas weiterverwendet werden. Es werden viele Tankstellen gebaut und viele Fahrzeuge auf den Markt kommen, glaubt Stiller, auch wenn die sogenannte Wasserstoffwirtschaft, wie sie der US-amerikanische Ökonom Jeremy Rif­ kin vor über zehn Jahren aufzeigte, noch weit entfernt sei. »Wir brauchen auch die großen Kapazitäten heute noch nicht«, schiebt er nach, »aber es ist damit zu rechnen, dass sich die Voraussetzungen und die Nachfrage bis 2020 grundlegend geändert haben werden.«

Auf dem kleinen Eiland El Hierro ist das heute schon so: 6.000 Tonnen Diesel wurden früher pro Jahr für die Stromerzeugung ver­ braucht. Kostenpunkt: 1,8 Millionen Euro. 18.700 Tonnen Kohlendioxid fielen dabei an, 100 Tonnen Schwefeldioxid und 400 Tonnen Stickoxide. All das ist mit der Kombination aus Windkraft und Pumpspeicherkraftwerk Vergangenheit. Und damit wird – bei aller Diskussion um den Netzausbau, ein ausgeklügeltes Last­ management und neue Speichertechnologi­ en – das übergeordnete Ziel der Energiewen­ de auf El Hierro schon heute erreicht: eine zuverlässige 24-Stunden-Versorgung mit grüner Energie. Die alte Dieselanlage bleibt allerdings erst einmal stehen. Nur für den Fall der Fälle. Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/home-de/fokus-themen/ erneuerbare-energien

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Standpunkte

STANDSven Kirrmann, Projektleiter bei der Agentur für Erneuerbare Energien e.V.

»Es bleibt genügend Zeit, um die passenden Bausteine zu entwickeln.«

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a, der Energiewende fehlt es an Speichern – aber erst mittelfristig. Aktuell decken die erneuerbaren Energien etwa 25 Prozent des deutschen Strombedarfs. Dieser Anteil ist bislang gut mit den bisherigen Speichern, also vorrangig Pumpspeicherkraftwerken, und dem aktuellen Stromnetz in das Versorgungssystem integrierbar. Das Stromsystem ist jedoch dynamisch und nicht statisch; bei einem Anteil von 35 bis 40 Prozent ist dann auch der Bedarf an Flexibilitätsoptionen im System deutlich größer. Etwas anders sieht die Situation in einem System mit Anteilen erneuerbarer Energien von 80 bis 100 Prozent aus. Insbesondere bei einer Vollversorgung durch erneuerbare Quellen sind Langzeitspeicher unverzichtbar, um in wind- und sonnenarmen Zeiten große Energiemengen bereitzustellen. Dieser Bedarf ergibt sich beispielsweise aus detaillierten Szenarioberechnungen, wie sie im Forschungsprojekt Kombikraftwerk 2 (www.kombikraftwerk.de) durchgeführt wurden. Dafür müssen neue Technologien entwickelt werden, wobei sich aus heutiger Perspektive vor allem die Umwandlung von Strom in Gas – Wasserstoff oder Methan – anbietet. Das sind Speicherformen, die noch relativ am Anfang stehen. Noch gibt es vor allem Pilotanlagen in Stuttgart oder in den brandenburgischen Orten Prenzlau und Falkenhagen. Auch wenn es auf Dauer also noch an Speichern fehlt, gilt dies nur in geringem Maße für die kommenden Jahre. Es bleibt genügend Zeit, um die passenden Bausteine für ein vorrangig auf erneuerbaren Energien beruhendes System zu entwickeln.«

ZEIT PLAN Wie drängend ist die Energiespeicher-Frage? 12 TÜV SÜD Journal


Standpunkte

W

as die unterschiedlichen Te c h n o l o g i e n angeht: Die sind bereits vorhanden. Jetzt geht es darum, im Rahmen von Pilotprojekten und Feldversuchen ihr Zusammenspiel zu testen. Das wird nicht von heute auf morgen passieren. Zukunftsfähige Lösungen müssen mit dem neuen Markt wachsen und sich den Rahmenbedingungen anpassen. Aber: Um den Speicherbetrieb wirtschaftlich und zügig zu gestalten, sollten gerade diese Rahmenbedingungen im Vorfeld klar abgesteckt werden. Letztlich liegt auch nicht nur in den anlagentechnischen Lösungen, sondern auch im Lastmanagement viel ›Speicherpotenzial‹, sowohl in der Industrie als auch auf Konsumentenseite. Stichwort: ›Smart Home‹ und ›Smart Consumer‹, also dort, wo jeder Konsument auch selbst zum Energieproduzenten wird. Denn wer sich dazu entscheidet, seinen aus der Photovoltaikanlage gewonnenen Strom selbst zu nutzen, und dies in einer Weise tut, die an die eigene Erzeugung angepasst ist, schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Er versorgt sich selbst mit einer größeren Menge grüner Energie und nimmt gleichzeitig Fluktuation aus dem System. Aber auch flexibles Lastmanagement wird nur eine Säule in einem ebenso stabilen wie adaptiven Stromnetz der Zukunft sein. Daneben werden große wie kleine Speicher, aber auch Backup-Kraftwerke weiterhin eine Rolle spielen. Wie deren Rollen konkret aussehen und wie sich die Balance in diesem Trio austariert, wird entscheidend davon abhängen, welche Lösung sich für welche konkrete Situation besser rechnet. Neben der technischen Weiterentwicklung sind dafür insbesondere die energiepolitischen Weichenstellungen maßgeblich.«

PUNKTE Dr. Uwe Albrecht, Geschäftsführer der Ludwig-Bölkow Systemtechnik GmbH

»Auch im Thema Lastmanagement steckt‚einiges an ›Speicherpotenzial‹.«

Damit die Energiewende gelingt, braucht sie ein stabiles Netz aus verschiedenen Speichern, um Differenzen zwischen Stromangebot und -nachfrage auszugleichen. Aber wie schnell brauchen wir diese Puffer? Ist es schon fünf vor zwölf auf der Sonnenuhr?

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5 Minuten

Vietnam: Kooperation für mehr Windkraft

Consultingleistungen im Immobilienbereich

Partnerschaft im Gesundheitsbereich

Die Region Binh Thuan im Südosten Vietnams ist führend in der Anzahl der Windkraftanlagen in dem ostasiatischen Land. Um den Einsatz der regenerativen Energieerzeugung noch weiter zu entwickeln, hat die Binh Thuan Wind Energy Association nun eine Kooperation mit TÜV SÜD geschlossen. Vorgesehen ist unter anderem eine umfassende Unterstützung in technischen Fragen.

TÜV SÜD hat die cgmunich Gruppe übernommen und setzt damit den Ausbau der Real-Estate-Leistungen gezielt fort. Mit knapp 50 Mitarbeitern ist das Unternehmen einer der führenden Spezialdienstleister für Beratungen rund um Immobilien und deren Bewirtschaftung. Schwerpunktmäßig werden anspruchsvolle Projekte im Bereich der Gewerbeund Verwaltungsimmobilien betreut.

TÜV SÜD und die ias-Gruppe werden künftig im Rahmen einer strategischen Partnerschaft in den Bereichen Arbeitsmedizin, -sicherheit und -psychologie zusammenarbeiten. Unter anderem ist geplant, bei Kundenanfragen, die selbst nicht abgedeckt werden können, jeweils auf den Kooperationspartner zu verweisen. Damit soll ein größeres Leistungsspektrum bei gleichzeitig hoher Qualität garantiert werden.

s.sathishkumar@tuv-sud.vn

ulrich.klotz@tuev-sued.de

monika.niedermeier@tuev-sued.de

Qualitätsprüfungen für Systemgastronomie

Die Restaurantkette BURGER KING Deutschland lässt alle ihre Betriebe im gesamten Bundesgebiet von TÜV SÜD überprüfen. Die TÜV SÜD-Audits, die Ende Mai 2014 starteten, umfassen unter anderem die Prüfung der Hygiene gemäß dem internationalen Standard HACCP sowie die Untersuchung von Küchenflächen und Arbeitsmitteln. Ebenfalls Teil jedes Audits sind Laboruntersuchungen von Lebensmittelproben. Mit ihnen lassen sich Lebensmittelsicherheit und die Einhaltung der Hygienestandards prüfen und nachweisen. Ausschließlich Restaurants, die das Audit bestehen, erhalten eine Konformitätsbescheinigung. Mit der Beauftragung von TÜV SÜD setzt BURGER KING auf eine unabhängige Überprüfung seiner Qualitätsstandards und einen Anbieter mit hoher Expertise – zusätzlich zu den bestehenden internen Audits. Ein Garant für die Neutralität: Alle Besuche erfolgen grundsätzlich ohne Vorankündigung. Derzeit betreibt BURGER KING rund 700 Restaurants in Deutschland, die etwa 400.000 Menschen täglich zu Gast haben. frank.altmann@tuev-sued.de

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Unterstützung für Energiewende in Rumänien

Ende 2013 waren weltweit Photovoltaikkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 138 Gigawatt am Netz – ein Zuwachs von 13 Prozent, so der europäische Branchenverband EPIA. Gebaut wird vor allem in Asien, aber auch in Europa entstehen neue Anlagen. Ein aktuelles Beispiel: Das Kraftwerk der Green Vision Seven SRL im rumänischen Ucea de Sus. Mit bis zu 55 Megawatt gehört das Kraftwerk rund 50 Kilometer östlich von Hermannstadt zu den größten Anlagen in RuIn Europa entstehen Photovoltaik- mänien. TÜV SÜD hat das Kraftwerk nun auf Basis mehrerer internationaanlagen derzeit vor allem in ler Normen zertifiziert. Darüber hinaus Griechenland, Rumänien und wurden bei der Bewertung des LeisGroßbritannien. tungsverhaltens die Ansätze angewandt, die auch in der neuen Dienstleistung PV Performance Guard zum Einsatz kommen. Das von TÜV SÜD entwickelte PV Performance Guard basiert auf dem Verhältnis von theoretischem und tatsächlichem Ertrag. Das Ergebnis: Die Photovoltaikanlage in Ucea de Sus erfüllt alle Vorgaben der internationalen Normen für einen sicheren Betrieb und weist eine hohe Performance auf.

SOLARBOOM:

ondrej.vaculin@tuv-sud.cz


5 Minuten

Ausbildung von Lehrern im Fokus Die TÜV SÜD Stiftung hat im vergangenen Jahr schwerpunktmäßig Projekte rund um eine bessere schulische Bildung gefördert. Das geht aus dem aktuellen Bericht der Stiftung hervor, der Anfang Mai 2014 erschienen ist. Im Projekt Lehramt MINToring, Der Jahresbericht der das gemeinsam mit der Stiftung der Deutschen TÜV SÜD Stiftung im Wirtschaft gefördert wird, sollen beispielsweise Abiturienten für ein Lehramtsstudium gewonnen werden. Auch die Qualifizierung von Lehrern, www.tuev-sued-stiftung.de um Begeisterung für Naturwissenschaften und entsprechende Herangehensweisen zu wecken, wurde breit unterstützt. Die TÜV SÜD Stiftung besteht seit dem Jahr 2009 und fördert Wissenschaft und Technik, Bildung und Erziehung sowie Naturwissenschaften.

Leistung und Lebensdauer von Leuchten

INTERNET:

christa.burmeister@tuev-sued-stiftung.de

Minuten mit TÜV SÜD

Hitze schadet Alufelgen

Als eine der ersten Zertifizierungsstellen überhaupt kann TÜV SÜD das Prüfzeichen ENEC+ für Lampen und Leuchten vergeben. Das Zeichen dokumentiert, dass die vom Hersteller versprochene Leistung erbracht wird, und bewertet Lampen und Leuchten hinsichtlich ihrer Haltbarkeit und Lebensdauer. Auch auf die wichtigeren modernen Energiespartechnologien wie LED-Leuchten und -Module ist ENEC+ anwendbar. Mit dem neuen Zeichen bietet TÜV SÜD Lampen- und Leuchtenherstellern alle relevanten Leistungen aus einer Hand an. Das beschleunigt den gesamten Zertifizierungsprozess und reduziert die Kosten. Durch die Zusammenfassung von verschiedenen Prüf- und Zertifizierungsleistungen – unter anderem für die CE-Kennzeichnung, das GS-Zeichen oder die CBZertifizierung, Prüfleistungen in den Bereichen Energieeffizienz und RoHS sowie Zertifizierungen für den US-Markt – benötigen die Hersteller nur einen Prüf- und Zertifizierungsdienstleister, um die Voraussetzung für den Zugang zu internationalen Märkten zu erfüllen. asli.solmaz-kaiser@tuev-sued.de

Daten nicht zu sorglos auslagern! Alufelge verkratzt? Kein Problem! Eine Vielzahl von Dienstleistern bietet weltweit eine Aufbereitung an. Üblicherweise werden die Felgen dabei über Stunden auf über 200 Grad erhitzt – um sie zu entlacken und um neues Granulat aufzubringen. Ein gefährliches Verfahren, wie TÜV SÜD in einer Testreihe herausgefunden hat: Die Hitze vermindert die Stabilität um bis zu 40 Prozent, die Lebensdauer sinkt um bis zu 90 Prozent. Unter Umständen werden auch gesetzliche Mindestanforderungen nicht mehr erfüllt. Das Fazit der Prüfer: Wärmeeinfluss bei Alufelgen unbedingt vermeiden!

Die »Cloud« boomt: Immer mehr Anbieter im Internet stellen ihren Kunden inzwischen kostenlosen Online-Speicherplatz zur Verfügung. Für den Nutzer ist das praktisch, da er von überall auf der Welt online auf alle seine Dokumente und Bilder zugreifen kann. Eine Einrichtung, die aber auch ihre Schattenseiten hat, wie Rainer Seidlitz, Prokurist der TÜV SÜD Sec IT GmbH, warnt. »Verbraucher sollten sich damit auseinandersetzen, wem sie welche Daten unter welchen Bedingungen anvertrauen. Denn im Prinzip bezahlen sie die angebotenen ›kostenlosen‹ Dienstleistungen mit ihren persönlichen Daten.« Vor allem für Cloud-Services im Ausland gelten oft geringere Datenschutzanforderungen als in Deutschland. Auch die Frage, wie die Anbieter die Sicherheit ihrer Rechenzentren gewährleisten, wie die Betriebsüberwachung geregelt ist oder welche Brand- und Notfallmaßnahmen vorgesehen sind, sollten bei der Entscheidung, Daten auszulagern, eine Rolle spielen.

stefan.dittmar@tuev-sued.de rainer.seidlitz@tuev-sued.de

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Auf die Probe

AUF DIE PR O B E

CH E S #16 WEL T GUT? HOLZ IS HT #18 MAC ANK? BROT KR

HOLZAUGE, SEI WACHSAM!

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Auf die Probe

Möbel, Dielenböden, Papier ... Holz ist in unserem Leben allgegenwärtig. Das Gute an dem Rohstoff: Er wächst immer wieder nach und ist im Prinzip bis in die Ewigkeit verfügbar – zumindest, wenn er aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt.

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älder sind die grüne Lunge der Erde! Sie sind lebenswichtig für Menschen und Tiere. Sie speichern Kohlendioxid und produzieren Sauerstoff, regulieren den Wasserhaushalt und beeinflussen das Klima. Außerdem sind sie eine Oase der Ruhe und Erholung. Spazieren gehen, Beeren oder Pilze sammeln, Tiere beobachten – der Wald bietet Raum für Regeneration. Wälder sind aber auch eine Schatzkammer! Ob als Energieträger, als Baumaterial für Häuser oder als Werkstoff für Möbel und viele andere Produkte: Holz ist einer der ältesten vom Menschen genutzten Rohstoffe – und bis heute die wichtigste nachwachsende Ressource. Damit Fichte, Lärche oder Buche auch künftigen Generationen ausreichend zur Verfügung stehen, wurde schon vor Jahrhunderten eine einfache Regel für die Waldbewirtschaftung aufgestellt: Nie mehr Holz fällen, als im gleichen Zeitraum nachwachsen kann. Nachhaltigkeit – ein Prinzip, das so einfach wie effektiv ist. Zumindest theoretisch: Seit den 1980er-Jahren machen großflächige Rodungen in tropischen Regenwäldern Negativschlagzeilen. Zeitweise wurde jährlich eine Fläche in der Größe Bangladeschs abgeholzt. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald schätzt, dass zwischen 1990 und 2000 im Durchschnitt 83 Millionen, in den Jahren 2000 bis 2010 52 Millionen Hektar jährlich verloren gingen. Unter dem Eindruck dieses Raubbaus gründeten sich in der Folgezeit zahlreiche nationale und internationale Vereinigungen,

um die Wälder zu schützen. Eine der erfolgreichsten: das Forest Stewardship Council.

Das Zertifizierungsverfahren

Vom Wald ins Wohnzimmer

Mit dem Ziel, Wälder zu erhalten und eine umweltfreundliche und sozialverträgliche Bewirtschaftung zu fördern, entwickelte der 1993 gegründete Verband ein System zur Zertifizierung nachhaltiger Forstwirtschaft. Die Idee: Verbraucher überall auf der Welt sollten auf einen Blick erkennen können, ob ein Produkt aus verantwortungsvollen Quellen stammt. Seither ist das FSC-Label auf Liegestühlen und Gartenmöbeln, Bodendielen, aber auch auf Zeitungspapier zu finden – wenn die Kriterien des FSC erfüllt werden. Diese sind in einem Zehn-Punkte-Katalog zusammengefasst und beinhalten neben der nachhaltigen Bewirtschaftung auch Mindestanforderungen an Arbeitsbedingungen, den Schutz der einheimischen Bevölkerung oder allgemeine Auswirkungen auf die Umwelt. Weil auf dem Weg vom Wald bis zum Endverbraucher die Holzprodukte viele Stufen der Produktion und Bearbeitung durchlaufen, vergibt das FSC zusätzlich ein Zertifikat, das die gesamte Produktions- und Lieferkette untersucht. Dieses FSC-CoC-Zertifikat soll den Verbrauchern zusätzliche Sicherheit geben. Experten schätzen, dass heute weltweit über 180 Millionen Hektar Wald FSC-zertifiziert sind. Über die Hälfte der Fläche ist borealer Nadelwald, der vor allem in Russland, Skandinavien und Kanada vorkommt. Nur rund zehn Prozent der zertifizierten Wälder liegen in den Tropen. Viel Arbeit also noch für das FSC – damit die grüne Lunge auch künftig atmen kann.

TÜV SÜD ist eines von weltweit rund 30 Unternehmen, das FSC-Zertifizierungen vergibt. Die Experten prüfen dabei die Liefer- und Produktionskette von holzverarbeitenden Betrieben, darunter Säge- und Hobelwerke, Bau- und Möbeltischler, Zimmereien, Druckereien sowie Verlage und Buchbindereien. Schwerpunkte der Audits sind die Überprüfung der Kennzeichnung von Stämmen, Schnittholz und Lagerbeständen sowie die Prüfung von Anlagen, Arbeits- und Verwaltungsabläufen. Stimmen diese mit den FSCRichtlinien überein, erhält das Unternehmen das FSC-CoC-Zertifikat, das fünf Jahre gültig und international anerkannt ist.

Mehr über die FSC-Zertifizierung: www.tuev-sued.de/management-systeme/fsc-coc

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Auf die Probe

VERTRAGE ICH

DAS?

Von wegen gesund: Lebensmittel mit Laktose, Gluten und Fruktose können krank machen. Jeder dritte Mensch vermutet, an einer Lebensmittelunverträglichkeit zu leiden. Warum Ersatzprodukte trotzdem oft mehr Trend als Notwendigkeit sind, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Professor Petra Rust.

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Auf die Probe

Brot, Frischkäse und Mozzarella: Viele Nahrungsmittel enthalten Gluten oder Laktose – beides Inhaltsstoffe, die Unverträglichkeiten auslösen können.

Frau Professor Rust, sind Lebensmittelunverträglichkeiten wirklich so häufig, wie man derzeit liest und hört? Da gibt es durchaus Unterschiede: Etwa 15 bis 25 Prozent der erwachsenen Europäer vertragen keinen Milchzucker, leiden also an einer Laktoseintoleranz. Eine Unverträglichkeit von dem in vielen Getreidesorten vorkommenden Klebereiweiß Gluten ist wesentlich seltener. Circa ein Prozent der Bevölkerung ist betroffen. Von Fruktoseunverträglichkeit hört man dagegen selten. Dabei belegen Studien in verschiedenen Ländern, dass etwa ein Drittel der Menschen mit Fruchtzucker Probleme hat. Spricht es bereits für eine Intoleranz, wenn man nach dem Verzehr von Milch, Brot oder Früchten ein Un­ wohlsein verspürt? Für eine Diagnose reicht das nicht aus. Dafür müsste man ein Ernährungstagebuch führen und sich untersuchen lassen. Wie sieht eine Untersuchung aus? Die Laktose- und Fruktoseintoleranz kann mit einem relativ simplen Atemtest nachgewiesen werden. Dabei wird die Wasserstoffkonzentration in der ausgeatmeten Luft vor und nach dem Konsum einer laktose- oder

fruktosehaltigen Lösung gemessen. Übersteigt sie einen bestimmten Wert, liegt ein krankhafter Befund vor. Um herauszufinden, ob jemand an Glutenunverträglichkeit leidet, wird das Blut auf bestimmte Antikörper untersucht. Meist wird noch eine Magen- und Dünndarmspiegelung durchgeführt. Wesentlich ist auf alle Fälle, dass vorher keine glutenfreie Diät eingehalten wird, weil sonst das Untersuchungsergebnis verfälscht ist. Wie kommt es eigentlich, dass an sich gesunde Nahrungsmittel nicht vertragen werden? Menschen mit Laktoseintoleranz fehlt ein Enzym, das den Milchzucker aufspaltet. Die Laktose gelangt direkt in den Dickdarm, was zu Bauchweh und Durchfall, führt. Bei Zöliakie, so nennt sich die chronische Krankheit hinter der Unverträglichkeit von Gluten, wird durch dessen Verzehr die Dünndarmschleimhaut geschädigt. Es kommt zu Durchfall und die Aufnahme von wichtigen Nährstoffen ist gestört. Was ist der Unterschied zu Lebens­ mittelallergien? Eine Allergie ist eine Überreaktion des Immunsystems auf bestimmte Eiweißbestandteile der Nahrung, die über den Darm ins Blut gelangen. Der Körper bildet Antikörper und reagiert häufig mit Hautausschlag und Juckreiz. Nur circa drei Prozent der Erwachsenen und acht Prozent der Kinder leiden an einer Nahrungsmittelallergie, beispielsweise gegen Kuhmilch, Weizen oder Hühnerei. Eine Intoleranz dagegen ist eine Unverträglichkeitsreaktion, die durch defekte Enzyme oder einen Enzymmangel ausgelöst wird. Was halten Sie von der Ernährungsstrategie: Je mehr ich weglasse, desto weniger macht mich krank?

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Eine gesunde Ernährung erfordert Vielfalt und Abwechslung. Nur eine ausgewogene Mischkost mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln ermöglicht eine optimale Versorgung mit allen notwendigen Nährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen. Trotzdem scheint diese Strategie in Mode zu sein. Der Zeitgeist spielt mit Sicherheit eine Rolle, denn die Menschen sind achtsamer mit dem eigenen Körper geworden. Häufig wer-

Professor Dr. Petra Rust Die Wissenschaftlerin lehrt am Institut für Ernährungswissenschaften der Uni Wien. Sie engagiert sich in zahlreichen Verbänden und Institutionen, zum Beispiel als Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung und Mitglied der Nationalen Ernährungskommission. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Energie- und Nährstoffaufnahme sowie die Rolle von Antioxidanzien in der Prävention und Therapie von ernährungsbedingten Erkrankungen. In der Lehre beleuchtet Rust das Thema Ernährung unter biochemischen und physiologischen Aspekten sowie im Hinblick auf unterschiedliche Lebensstile.

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Auf die Probe

Weintrauben enthalten jede Menge Fruchtzucker. Auch ihn vertragen einige Menschen nicht.

»Wichtig ist, auf eine vielfältige

Ernährungsauswahl zu achten.« – Professor Dr. Petra Rust

den weizenhaltige Produkte wie Brot, Pizza und Kuchen gemieden, weil sie sehr kalorienreich sind. Dass man durch den Verzicht darauf abnimmt, liegt allerdings nicht am Gluten, sondern am bewussteren Umgang mit diesen Lebensmitteln. Welche Rolle spielt der Lebensmittel­ einzelhandel dabei? Die Industrie hat hier einen wachsenden Markt entdeckt für viele Unsichere und wenige Erkrankte. Früher gab es gluten- und laktosefreie Produkte nur im Reformhaus. Heute gibt es sie in jedem Supermarkt. Der Lebensmittelhandel reagiert auf den Trend und bietet verstärkt diese Produkte an. Und weil sie überall verfügbar sind, kauft man sie eher – auch ohne Not. Wie gut sind die Ersatzprodukte? Was die Nährstoffzusammensetzung anbelangt, sind sie durchaus vergleichbar, aber sie sind deutlich teurer als herkömmliche Produkte. Wichtig ist, auf eine vielfältige Ernährungsauswahl zu achten. Natürlich glutenfrei sind Reis, Kartoffeln, Mais, Hirse, Buchweizen, Quinoa, Amaranth und Soja. Laktosehaltige Milchprodukte können durch Sojaprodukte ersetzt werden. Trocken- und Hülsenfrüchte, Samen, grüne Gemüse und kalziumreiches Mineralwasser sorgen für eine ausreichende Kalziumversorgung – auch ohne Milch. 20 TÜV SÜD Journal

Was tun, wenn Essen Probleme macht? Milchzucker, Fruchtzucker und Gluten: Werden Menschen von Lebensmittel­ unverträglichkeiten geplagt, vertragen sie meistens einen dieser Inhaltsstoffe nicht. Hungern muss trotzdem niemand – denn für viele Produkte gibt es einen Ersatz. • Milch, Frischkäse oder Sahne: Die meisten Milchprodukte gibt es in einer laktosefreien Variante – mittlerweile nicht nur in Spezialgeschäften, sondern auch in den meisten Supermärkten. Erfreulich: Während viele Menschen mit einer Intoleranz gegen Milchzucker Weichkäse nur schlecht vertragen, haben sie mit Hartkäse kaum Probleme. Durch den Reifeprozess ist er verträglicher. Entwarnung also für Appenzeller, Greyerzer und Co. • Kein Obst mehr? Nein, denn auch bei einer Fruktoseintoleranz müssen Betroffene nicht komplett auf Früchte verzichten. Ernährungsexperten raten aber, mit fruchtzuckerreichen Lebensmitteln, zum Beispiel Äpfeln, Trauben oder Honig, sparsam umzugehen. Bananen und Aprikosen enthalten zwar auch Fruktose, aber annähernd gleiche Mengen Glukose, was die Früchte verträglicher macht. • Zöliakie – darunter leiden Menschen, die kein Gluten vertragen. Das Klebereiweiß ist in vielen Getreidesorten enthalten, etwa in Weizen, Roggen, Gerste oder Hafer. Betroffene müssen daher eine Fülle von Lebensmitteln meiden – unter anderem Brot und Gebäck, Nudeln oder Bier. Zum Glück gibt es viele Produkte mittlerweile auch in glutenfreien Varianten. Und ganz unbedenklich sind beispielsweise Produkte, die Reis oder Mais enthalten.

Mehr Infos zum Thema Lebensmittel und Ernährung: www.tuev-sued.de/lebensmittelsicherheit


Vor Ort

Menschen:

Karte? Nimmt er gerne!

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ebensmittel im Laden um die Ecke, Konzertkarten im Internet, das Abendessen im Restaurant: Immer mehr Menschen bezahlen bargeldlos. In Nordamerika und Europa werden mittlerweile zwei von drei Einkäufen mithilfe von Kredit- oder Girokarten beglichen, so eine Studie des Beratungsunternehmens Capgemini. Auch in Südamerika, Afrika und Asien wächst die Zahl dieser Bezahlvorgänge rasant. Takaya Osaki freut sich über solche Wachstumszahlen. Immerhin sorgen sie dafür, dass dem Mitarbeiter von TÜV SÜD nicht die Arbeit ausgeht. Seine Aufgabe: dafür Sorge zu tragen, dass möglichst niemand mit vollen Einkaufstüten an der Supermarktkasse steht und die Karte nicht funktioniert. Dafür testet Osaki in einem speziell eingerichteten Labor in der japanischen Hauptstadt Tokio die Funktionalität der Geräte, die alle wichtigen Daten auf die Chips und Magnetstreifen der Karten schreiben. Auch die Lesegeräte, mit denen diese Daten beim Bezahlen wieder abgerufen werden, werden nach einem exakt definierten Prüfszenario unter die Lupe genommen. Zeit und Umfang der Datenübermittlung orientieren sich dabei an internationalen Standards. Technisch besonders anspruchsvoll, so Osaki, seien Terminals, die die Verbindung zu den Karten kontaktlos herstellen. »Hier müssen störende elektromagnetische Einflüsse ausgeschaltet werden«, erklärt der Elektroingenieur. »Diese Technik kommt übrigens auch bei Smartphones zum Einsatz, die eine integrierte Bezahlfunktion haben.« Grünes Licht also für die nächste Shoppingtour! Zumindest aus technischer Sicht. Denn für eines kann Takaya Osaki nicht garantieren: »Dass das Geld auch tatsächlich auf dem Konto ist, darum muss sich natürlich jeder selbst kümmern.« Auslaufmodell Bargeld? Takaya Osaki von TÜV SÜD in Japan kümmert sich darum, dass Kredit- und Girokarten reibungslos funktionieren.

Mehr Infos zum Thema: www.tuv-sud-zacta.jp TÜV SÜD Journal 21


Titelstory Auf dem Weg

AUF DEM W EG

RT #22 SMA HOMES IT #24 SPR FALL B A AUS

ehr Geräte m r e m Im : r ffne verbinden t schine, Türö e a n r m h te c s In a m W de anlage, t Homes mit r a m Licht, Klima S er! n te n ür Einbrech sogenan f h in c h u a ic s – n h e c s lass as ist prakti D . n r e u te s n und fer

T R A M S T IS FE? A S H C U A Hoher Zaun und Wachhund: Reicht das heute noch, um Gebäude zu schützen?

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Auf Titelstory dem Weg

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Dem digitalen Dietrich einen Riegel vorschieben Wie können Smart-Home-Systeme zuverlässig und sicher aufgebaut werden? Wie beugt man unautorisierten Eingriffen und Datenspionage vor? »Der beste Ansatz dafür ist, bereits im Vorfeld richtig zu planen und Systeme qualifiziert analysieren und testen zu lassen«, sagt Dr. Thomas Störtkuhl von TÜV SÜD. Der Prüfdienstleister unterstützt bei der professionellen Planung und Umsetzung von intelligenter Haustechnik. Er berät bei der Auswahl einzelner Komponenten und passender IT-SecuritySysteme. Außerdem führt TÜV SÜD Funktionalitäts- und verschiedene Sicherheitstests durch und bietet Workshops zum Thema an.

in Science-Fiction-Film schien Wirklichkeit zu werden: Im Jahr 1985 stellte die Firma Unity Systems im kalifornischen Redwood City den »Home Manager« vor – das weltweit erste System, das alle wesentlichen Geräte und Funktionen eines Gebäudes über eine zentrale Kontrolleinheit regeln konnte. Für jeden Raum ließ sich zum Beispiel die Temperatur für bestimmte Uhrzeiten und Wochentage festlegen. Die Beleuchtung konnte man steuern, selbst draußen das Garagentor und die Sprinkleranlage für den Rasen. Die Bedienung erfolgte bereits über einen Touchscreen – wohlgemerkt in einer Zeit, in der Heimcomputer Daten noch auf Kassetten speicherten und Monitore schwere Röhrenbildschirme waren, auf denen giftig grüne Quadrate grob Buchstaben und Linien formten. Bietet die Automatisierungstechnik heute viel mehr? Wer aus seinem Zuhause ein sogenanntes Smart Home machen möchte, dem geht es erst einmal um dieselben drei Punkte wie damals: weniger Energieverbrauch, mehr Komfort und mehr Sicherheit, etwa durch Rauchmelder und Überwachungskameras, die sich ins System integrieren lassen. Wirklich neu ist, dass all die Geräte, Schalt- und Schnittstellen nicht mehr über Kabel, sondern drahtlos verbunden sind. Via Internet lassen sie sich von überall auf der Welt aus fernsteuern, bequem via Tablet-PC oder Smartphone. Vom intelligenten zum sicheren Zuhause

Natürlich gibt es auch mehr Möglichkeiten als 1985: Im Zusammenspiel mit intelligenten Stromnetzen (Smart Grids) und intelligenten Zählersystemen (Smart Meters) ermöglicht Heimautomatisierung zum Beispiel die Verlagerung der Energienutzung von Hochpreis- in Niedrigpreiszeiten oder veranlasst bei Verfügbarkeit die Nutzung von selbst erzeugtem Strom. Am Ende ihrer Entwicklung sind SmartHome-Systeme damit aber nicht. »Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir neben den Schutzprogrammen für PC, Notebook oder Handy auch eine digitale Firewall fürs Eigenheim entwickeln müssen«, sagt Eugene Kaspersky, Chef eines renommierten IT-Sicherheitsunternehmens, das seinen Nachnamen trägt. Noch sei es für Kriminelle ein Leichtes, in die Systeme und sogar in die vier Wände eines Smart Homes einzudringen. Der nächste Schritt sei der zum »Safe Home«. Was Kaspersky für den Weg dorthin rät: »Für Privathaushalte und für Unternehmen wird es immer wichtiger, moderne Sicherheitssysteme aufzubauen und sie regelmäßig von Fachfirmen überprüfen und aktualisieren zu lassen.« Ein guter Anfang sei aber schon, für alle vernetzten Geräte sichere Passwörter einzurichten. »Für einen E-Mail-Account machen wir das ja auch.« Mehr Infos: www.tuev-sued.de/smarthome

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Auf dem Weg

BIO

TANK STATT TONNE 24 TÜV SÜD Journal


Auf dem Weg

Vom Unrat zum Vorrat! In Zeiten immer knapperer Rohstoffe ist unser täglicher Müll längst zum wichtigen Ressourcenträger geworden. Aber lassen sich aus Abfällen wirklich Kraftstoffe gewinnen? Text: Leo Pesch

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ertloser Müll? Nicht im kanadischen Edmonton! In der Stadt, 300 Kilometer nördlich von Calgary gelegen, wird Abfall »vergoldet«. Seit Jahren ist die Hauptstadt der Provinz Alberta für ihren ganz besonderen Umgang mit Müll bekannt. Kernstück ist Nordamerikas größte Kompostieranlage, die jährlich 180.000 Tonnen Hausmüll verarbeitet. Nun möchte Edmonton noch einen Schritt weiter gehen. In einer neuen Anlage soll aus dem, was die Einwohner wegwerfen, ein begehrter Energieträger produziert werden: Bioethanol, das als Beimischung für Kraftstoffe Ottomotoren antreiben kann. Bis zu 38 Millionen Liter der farblosen Flüssigkeit sollen künftig pro Jahr aus Abfall produziert werden können. Gleichzeitig geht der Betreiber Enerkem davon aus, dass mithilfe der neuen Anlage die Müllverwertungsquote der Stadt von 60 auf 90 Prozent steigen wird. Das heißt: Nur noch zehn Prozent des anfallenden Mülls wandern auf die Deponie. Zu schön, um wahr zu sein?

Das klingt märchenhaft. Und manchen Experten zufolge könne man auch genauso gut an gute Feen und Heinzelmännchen glauben wie an den erfolgreichen und effizienten Betrieb einer solchen Anlage. »Das Konzept von Enerkem basiert darauf, Synthesegas zu

produzieren und dieses zu Methanol und später zu Ethanol umzuwandeln. Das funktioniert aber mit Müll nur schwerlich«, erklärt Prof. Dr.-Ing. Thomas Willner. Er lehrt an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg Verfahrenstechnik. Sein Spezialgebiet: Treibstoffproduktion aus Abfällen. Der Haken an der kanadischen Anlage liegt ihm zufolge nicht im technischen Bereich. Theoretisch, so der Hamburger Professor, funktioniere die Anlage sogar wunderbar. Bereits seit Jahrzehnten habe sich das Prinzip dahinter in der Praxis bewährt – allerdings mit Kohle als Ausgangsmaterial. »Sobald die Rohstoffe aber nicht zu 100 Prozent homogen sind – und das ist Müll ohne immensen Sortier- und Reinigungsaufwand nie – wird es schwierig.« Schon mehrere große Unternehmen hätten sich daran versucht. Sie seien alle gescheitert. Führen andere Wege zum Ziel?

Heißt das, aus einem Materialgemisch, das so unterschiedlich ist wie Hausmüll, kann nie Treibstoff produziert werden? Experten aus aller Welt forschen und experimentieren daran, das Märchen wahr werden zu lassen. Es gibt bereits vielversprechende Methoden, die im Labormaßstab auch schon funktionieren: Sprit kann beispielsweise aus Plastik- oder Holzresten gewon-

nen werden, aus Stroh, alten Brötchen oder benutztem Frittieröl. Auch aus Schlachtabfällen – Blut, Haut oder Knochen – kann Biosprit gewonnen werden. »Vieles wird auch einmal im großen Maßstab funktionieren«, ist sich Willner sicher. Zusammen mit dem Schweizer Unternehmen Nexxoil hat sein Lehrstuhl ein neuartiges Verfahren entwickelt, den »RADi Prozess«. Dabei wird das Rohmaterial verflüssigt, indem es an seine thermische Belastungsgrenze herangeführt wird. Genau das sei der schwierigste Schritt bei dem Prozess: »Da Abfälle sehr heterogen sind, lässt sich deren Zersetzungstemperatur nicht genau bestimmen. Generell liegt sie irgendwo zwischen 350 und 500 Grad Celsius.« Weil sie aber je nach Ausgangsmaterial stark variiert, funktioniere auch diese Methode bisher nur im Labormaßstab. Ist die Zersetzungstemperatur erreicht und das ursprünglich feste Material flüssig, ist das Ziel der Treibstoffgewinnung längst noch nicht erreicht. Aus den Abfällen entsteht erst einmal eine Mischung aus Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff. »Und schon steht man vor der nächsten Hürde: Der Sauerstoff muss raus«, erklärt Willner. Denn im Zielprodukt – Biodiesel oder Biobenzin – darf kein Sauerstoff enthalten sein. Genau an diesem Punkt stocke die Forschung noch. TÜV SÜD Journal 25


Auf dem Weg

»Neue Biokraftstoffanlagen dürfen nicht zu groß sein, um ökologisch und

ökonomisch sinnvoll betrieben zu werden.« – Leopold Katzmayer

Darum haben mehrere wissenschaftliche Institute zusammen mit Unternehmen aus der Wirtschaft den Arbeitskreis »Alternative Brenn- und Kraftstoffe« gegründet, der unter dem Dach der ProcessNet-Initiative kooperiert. Hier haben der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und die deutsche Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (DECHEMA) konkurrierende Marktteilnehmer an einen Tisch gebracht, um gemeinsam eine Lösung für unterschiedliche Verarbeitungsprozesse zu erarbeiten. »In diesem Kreis herrscht eine wunderbar kreative Atmosphäre«, schwärmt Willner, der dem Arbeitskreis vorsitzt. »Denn jeder von uns weiß, dass er ohne die anderen Mitglieder nicht weiterkommt.« Drei Möglichkeiten, eine Chance

Ausgehend von der Aufgabenstellung, Treibstoff aus gemischten Abfällen zu produzieren, arbeiten derzeit interdisziplinäre Teams an drei unterschiedlichen Wegen. Bei dem einen, der sogenannten Flash-Pyrolyse, wird das Eingangsmaterial möglichst schnell erhitzt, verflüssigt und wieder abgekühlt. Das Ergebnis ist flüssig, aber noch mit Wasser mischbar, was gegen ölähnliche Eigenschaften spricht. Außerdem sinkt der Heizwert von 18 Megajoule pro Kilogramm auf 17 ab. Chemisch gesehen also eine Entwicklung in die falsche Richtung. Sollte man es aber schaffen, den Sauerstoff aus der Flüssigkeit zu entfernen, könnte das Ergebnis revolutionär sein. Das zweite Team lässt den Sauerstoff erst gar nicht an das Rohmaterial heran: In einer abgeriegelten Kammer wird Wasser unter einem Druck von 200 Bar erhitzt. Der Dampf 26 TÜV SÜD Journal

kann nicht entweichen, das eingeführte Rohmaterial wird »gecrackt«. So entsteht eine teerähnliche Substanz, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenstoff mit reduziertem Sauerstoffgehalt. Ihr Heizwert mit Stroh oder Holzabfällen als Ausgangsmaterial liegt bei 30 Megajoule pro Kilogramm. Das Ziel ist aber ein reines Öl aus Kohlenwasserstoffen mit einem Heizwert von 43 Megajoule pro Kilogramm. Die dritte Variante setzt auf eine Mischung aus den beiden genannten Verfahren: Statt Wasser wird Schweröl als Trägermedium eingesetzt. Die Abfälle werden beigemischt, die Mixtur erhitzt und die Feststoffe solvolytisch aufgelöst, also verflüssigt. Doch was kommt dabei heraus? Chemisch betrachtet, kann man das Endprodukt als Rohöl bezeichnen. Das Problem ist allerdings ein noch stark variierender Heizwert. Der kommt daher, dass die Mischung mit Schweröl je nach Abfallart unterschiedlich sein muss. Die Abstimmung, um Fehlreaktionen auszuschließen, ist dabei sehr aufwendig. Egal, welcher Weg sich als der gangbarste erweist: Noch gilt es, die Laborprozesse zu perfektionieren und auf eine Anlage im industriellen Maßstab zu übertragen. Der Arbeitskreis geht davon aus, dass es mindestens noch fünf Jahre dauern wird, bis die erste Anlage ihren regulären Betrieb aufnimmt. Wichtig wird sein, wie die Anlagen dimensioniert werden: als Mega-Anlage wie in Edmonton oder als kleine, dezentrale Lösung. »Das Ausgangsmaterial, die gemischten Abfälle, müssen regional dauerhaft vorrätig sein«, erläutert Leopold Katzmayer. Seit mehr als 40 Jahren ist er für die Recycling-

branche tätig und bietet sein Know-how zur ökologisch und ökonomisch sinnvollen Verwertung von Abfällen Unternehmen als Consultant an. Er ist sich sicher: »Muss ein Unternehmen die Abfälle von zu weit her herbeischaffen, führen die Kosten dazu, dass die Anlage nur für kurze Zeit wirtschaftlich laufen kann.« Eine ideale Anlage habe einen jährlichen Durchsatz von 4.000 bis 10.000 Tonnen Müll. Die unerschlossene Ressource

»Die wichtigste Botschaft lautet: Aus Abfällen lässt sich eine ähnliche Substanz wie Rohöl herstellen, die sich auf konventionellem Weg raffinieren und zu Biotreibstoff verarbeiten lässt«, fasst Thomas Willner zusammen. Und der Wissenschaftler prognostiziert: In Zukunft könne das Endprodukt nicht mehr nur herkömmlichem Sprit beigemischt werden, sondern es könne ihn nach und nach ersetzen. Ist Müll also das neue Erdöl? Die von Energieunternehmen und Umweltorganisationen initiierte Studie »Wasted« sagt Ja. Sie bezeichnet Müll als »unerschlossene Ressource« und rechnet vor: Rund 900 Millionen Tonnen Abfall fallen Jahr für Jahr in der Europäischen Union an: in Privathaushalten, in der Industrie sowie in der Land- und Forstwirtschaft. Daraus könnte schon im Jahr 2030 so viel Energie gewonnen werden, um 16 Prozent des europaweit benötigten Kraftstoffs zu ersetzen. Wirklich märchenhaft. Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/bioenergie


Auf dem Weg

Ob Fischgräten oder Stroh: Bei den neuen Herstellungsmethoden von Biokraftstoff werden nicht wie früher potenzielle Nahrungsmittel verbraucht, sondern nur nicht essbare Abfälle und Reststoffe.

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Auf den Punkt

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AUF DEN PU N K T

NAVIS #28 WIE NIEREN FUNKTIO S F ÜR #30 TIPP XE N DACHBO

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Kreisverkehr Wenn das Galileo-System komplett ist, umkreisen 30 Satelliten die Erde in einer Höhe von circa 23.000 Kilometern. Sie sind mit einer Geschwindigkeit von 3,67 Kilometern pro Sekunde unterwegs. Jeder Satellit sendet ein Zeitsignal und seine Koordinaten zur Erde. Seine Solarsegel liefern den Strom hierfür.

Signalabgleich Empfänger auf der Erde erfassen alle erreichbaren Satellitensignale. Zur Positionsbestimmung müssen mindestens zwei Signale miteinander abgeglichen werden. Durch ein drittes kann auch die Höhenlage bestimmt werden. Von den zusätzlichen Daten profitiert unter anderem der Flugverkehr.

BITTE SENDEN, BITTE SENDEN! Ende August 2014 soll eine Trägerrakete zwei Galileo-Satelliten ins All bringen. Erste Dienste der europäischen Alternative zum amerikanischen Navigationssystem GPS könnten bereits Ende des Jahres ihren Betrieb aufnehmen. Aber wie lässt sich mit Satelliten im Weltraum zum Beispiel die Position und Route eines Autos auf der Erde bestimmen?

Mehr Infos zum Thema Auto und Verkehr: www.tuev-sued.de/home-de/ leistungen-nach-branche/automobil-verkehr 28 TÜV SÜD Journal


Auf den Punkt

#3 Nachjustierung Mit einem vierten Satelliten­ signal lassen sich Ungenauigkeiten bei der Ortsbestimmung ausgleichen, die durch nicht exakt synchrone Satellitenuhren entstehen können. Für die Positionsberechnung ist nämlich die genaue Sende- und Empfangszeit der Signale nötig.

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Nummer sicher Für den Fall, dass eine der beiden supergenauen sogenannten Maser-Uhren ausfällt, die im Satelliten verbaut sind, hat er noch zwei Atomuhren als Ersatz an Bord. Zudem gibt es drei komplette Reservesatelliten. Denn von den insgesamt 30 werden nur 27 gebraucht, damit Galileo weltweit funktioniert.

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Routenplanung Ob das Navi im Auto oder das Smartphone: Es empfängt kontinuierlich die Satellitensignale und berechnet konstant die Position. Aus ihrer Veränderung ermittelt es Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung. Schließlich gleicht es alle Daten mit einer digitalen Karte ab und gibt Fahranweisungen aus. TÜV SÜD Journal 29


Auf den Punkt

Ratgeber:

Für den Urlaub was obendrauf! Wenn im Kofferraum kein Platz mehr ist, bieten Dachboxen zusätzlichen Stauraum. Das macht sie gerade bei Ferienreisen beliebt. Fünf Tipps, die Sie beim Beladen und Fahren beachten sollten.

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Boxen in der richtigen Gewichtsklasse?

Wie viel in einer Dachbox transportiert werden darf, steht in deren Gebrauchsanweisung. Gängig sind Maximalwerte zwischen 75 und 100 Kilogramm. Wichtig: Auch in die Betriebsanleitung des Fahrzeugs schauen und die Angaben zur maximalen Dachlast suchen. Von ihr ist das Gewicht der Box (zwischen 15 und 30 Kilo) und des Dachträgers (vier bis acht Kilo) abzuziehen. Nur der Rest bleibt für die Zuladung.

3 Verschlusssache

Nur wenn der Deckel der Dachbox mühelos einrastet, ist sie auch sicher verschlossen. Statt Kraft walten zu lassen, also lieber die Ladung neu ordnen oder verringern. Lässt sich der Schlüssel der Box nicht abziehen, ist auch das ein Zeichen für eine mangelhafte Verriegelung. Apropos Verriegelung: Den Zweitschlüssel nicht zu Hause vergessen.

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Erweiterte Gurtpflicht

Fast alle Dachboxen verfügen über Ösen und Gurte zur Sicherung der Ladung. Nur wer davon Gebrauch macht, vermeidet das gefährliche Verrutschen des Gepäcks. Das gelingt nicht mit Schnüren oder Expandern. Sie sind ungeeignet zum Verzurren.

Zeitreise: Bis Mitte der 1970er-Jahre war der Gepäcktransport auf dem Auto oft alles andere als sicher. Dann kamen die ersten Dachboxen auf den Markt und schützten die Ladung gleich doppelt – vor Wetter und Verlust.

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GEWICHTIGE BEDENKEN Durch die Dachbox verändert sich der Schwerpunkt des Autos. Besonders bei Vans, Bussen und SUVs ist deswegen eine besonders vorsichtige Fahrweise angesagt. Das gilt vor allem in Kurven. Außerdem verlängert das erhöhte Gewicht den Bremsweg. Manche Hersteller empfehlen daher, mit Dachbox nicht schneller als 130 km/h zu fahren.

Mehr Service rund ums Auto: www.tuev-sued.de/auto_fahrzeuge 30 TÜV SÜD Journal

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Hohe Sicherheit Dachaufbauten machen das Auto höher. Beim Einfahren in Tunnel oder beim Unterqueren von Brücken ist deshalb Vorsicht geboten. Vor Fahrtantritt die Gesamthöhe des Autos messen und auf einem Klebezettel im Cockpit gut sichtbar vermerken.


Akademie | Termine

08/09/10 KALENDER

Auf folgenden Messen, Kongressen und Veranstaltungen können Sie TÜV SÜD live erleben. Unsere Expertenteams freuen sich auf Ihren Besuch. Mehr Infos zu den Terminen: www.tuev-sued.de/konzernevents

AUGUST Sachsen Classic, Zwickau, 21.–23.08.2014 Eine 610 km lange Oldtimer-Rallye mit 180 historischen Fahrzeugen.

SEPTEMBER The Battery Show, Novi, Michigan, USA, 16.–18.09.2014 Rund 350 Aussteller widmen sich neuen Batterietechnologien. The LED Show, Los Angeles, 16.–18.09.2014 Parallel zur LED-Messe findet ein Kongress zum Thema statt.

Bildungs-Tipps TÜV SÜD Akademie

Weiterbildung mit Plan Qualifizierte Mitarbeiter sind ein zentraler Erfolgsfaktor für jedes Unternehmen. Den Themen Aus- und Weiterbildung kommt daher eine hohe Bedeutung zu. Fünf Regeln unterstützen Sie dabei, damit Ihr Bildungsmanagement so richtig auf Touren kommt: Starten Sie nicht ohne Ziel: Verteilen Sie nicht mit der Gießkanne die unterschiedlichsten Seminare und Trainings! Bildungsmanagement muss sich immer an der Unternehmensstrategie ausrichten. Nur so tragen möglichst alle Maßnahmen zum Erreichen der Unternehmensziele bei. Dazu müssen sich Personal- und Strategieabteilung sowie die oberste Leitung vernetzen! Bewahren Sie Ruhe: Machen Sie nicht jeden Trend mit! Bildungsmaßnahmen müssen zu Ihrem Unternehmen passen. Das können durchaus neue Formate wie »mobile learning« sein. Manchmal sind aber weniger »coole« Mittel – etwa ein klassisches Präsenzseminar – besser geeignet. Holen Sie sich IT-Unterstützung: Sie haben alles im Kopf und bestens im Griff? Denkste! Manuelle Prozesse sind fast immer aufwendiger als eine Abwicklung über IT-Tools. Denn sie können Prozesse verschlanken und eine sinnvolle Ressourcenverteilung ermöglichen. Zudem können die Mitarbeiter bei der Planung von Trainings und Schulungen selbst eingebunden werden. Holen Sie die Führungskräfte ins Boot: Die schönsten Ideen nutzen nichts, wenn niemand von ihnen erfährt. Führungskräfte sind wichtige Multiplikatoren und die zentrale Informationsquelle für Mitarbeiter. Beziehen Sie das Management daher am besten aktiv in die Planung ein und informieren Sie es regelmäßig vorab.

WindEnergy, Hamburg, 23.–26.09.2014 Internationale Leistungsschau der On- und Offshore-Windindustrie.

Werfen Sie einen Blick zurück: Bildung kostet viel Zeit, Geld und Energie. Sicher möchten Sie gerne wissen, ob sich der Einsatz am Ende gelohnt hat. Ein effizientes Bildungscontrolling gehört daher zu jedem Bildungsmanagement – und zwar bereits in der Planungsphase.

IAA Nutzfahrzeuge, Hannover, 25.09.–02.10.2014 Die weltweite Leitmesse für Mobilität, Transport und Logistik.

Mehr Infos: www.tuev-sued.de/akademie-de/betriebliches-bildungsmanagement

TechnoPharm, Stuttgart, 30.09.–02.10.2014 Alles über Prozesse für die Pharma-, Food- und Kosmetikindustrie.

OKTOBER

IMPRESSUM

Expo Real 2014, München, 06.–08.10.2014 Die größte Messe für Gewerbeimmobilien in Europa.

Herausgeber: TÜV SÜD AG, Westendstraße 199, 80686 München Inhaber: TÜV SÜD e.V. (74,9 %), TÜV SÜD Stiftung (25,1 %), Westendstraße 199, 80686 München Leiter Unternehmenskommunikation: Matthias Andreesen Viegas Projektleitung & Chefredakteur: Jörg Riedle

Chillventa, Nürnberg, 14.–16.10.2014 Messe rund um Energieeffizienz, Wärmepumpen und Kältetechnik.

Kontakt: +49 (0)89 5791-0, info@tuev-sued.de Realisation: Medienfabrik Gütersloh GmbH, Neumarkter Straße 63, 81673 München Druck: Eberl Print GmbH, Kirchplatz 6, 87509 Immenstadt

eCarTec, München, 21.–23.10.2014 Internationale Leitmesse für Elektro- und Hybridmobilität.

Fotonachweis: Burger King (14), corbis (2, 3, 12, 13, 16, 18, 19, 21, 22, 23, 30), fotolia (20, 28, 29), FSC (17), Kino, Mond & Sterne (4, 5), Renault (33), TÜV SÜD (21, 32); Illustrationen: Mareikje Kersting (1, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 11) , LULU* (34, 35) Das TÜV SÜD Journal erscheint vierteljährlich. Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das TÜV SÜD Journal wird klimaneutral auf einem Papier aus nachhaltiger Holzwirtschaft gedruckt.

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5 Minuten

Neue Werkstoffe für Solarkraftwerk

BCP-Award für TÜV SÜD

Wirkungsvolle Unterstützung für Jugendliche

Im solarthermischen Kraftwerk Ain Beni Mathar in Marokko hat TÜV SÜD verschiedene Werkstoffe für eine Effizienzsteigerung geprüft. Grund: Der Betreiber plant, Salz anstelle von Öl als Wärmeträger zu benutzen. Dadurch wären Temperaturen von 550 Grad Celsius (statt wie bisher 400 Grad Celsius) möglich. Mit einem hochlegierten Stahl kann die Anlage jetzt umgerüstet werden.

Der »Best of Corporate Publishing«-Award ist Europas größter und angesehenster Wettbewerb für Unternehmenspublikationen. In diesem Jahr zählt auch TÜV SÜD zu den Preisträgern: Die internationale Jury zeichnete den Vorjahresgeschäftsbericht des Konzerns mit einem Award in Silber aus. Weitere Preisträger sind unter anderem Adidas, BMW und Audi.

Gemeinsam gegen Jugendarbeitslosigkeit – das ist das Ziel der Initiative JOBLINGE, die in diesem Jahr das fünfjährige Jubiläum am Standort München feierte. Als Gründungsaktionär unterstützt TÜV SÜD das Projekt, unter anderem mit kostenlosen Bewerbungstrainings. Das Ziel: junge Menschen, die keine Chance auf den Arbeitsmarkt haben, für eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle zu qualifizieren.

klaus.rieger@tuev-sued.de

joerg.riedle@tuev-sued.de

kerstin.spreer@tuev-sued.de

Auszeichnung für hervorragende Bildungsangebote

Welche Unternehmen haben ein vorbildliches Bildungs- und Talentmanagement im Unternehmen? Wie werden die Leistungsfähigkeit und Kreativität von Mitarbeitern gefördert? Diese Fragen will der Deutsche Bildungspreis beantworten, der im Mai 2014 zum zweiten Mal verliehen wurde. Die Sieger der Auszeichnung, die von der TÜV SÜD Akademie und dem Beratungsunternehmen EuPD Research Sustainable Management vergeben wird, haben erkannt: Bildung und Talentförderung sind für den Gesamterfolg jedes Unternehmens unabdingbar. In sechs Kategorien wurden ThyssenKrupp Steel Europe, IBM Deutschland, die VR Bank Südpfalz sowie die Mittelständler LOESCHE, Heiligenfeld und conplement ausgezeichnet. Insgesamt haben sich seit 2012 mehr als 250 Unternehmen für den begehrten Preis beworben. Die diesjährige Auszeichnung stand unter dem Motto: »Lernen von den Besten«. anne.dreyer@tuev-sued.de

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Religiöse Standards bei Speisen und Getränken

Lebensmittel sollen nicht nur sicher sein – viele Menschen erwarten von ihren Speisen und Getränken, dass sie auch andere Standards erfüllen. So wächst beispielsweise der Bedarf nach religiösen Zertifizierungen, beispielsweise »halal«. Mit diesem Begriff werden Dinge und Handlungen Global nachgefragt: Rund bezeichnet, die im Einklang mit Vorschriften aus dem Koran stehen und für gläubige Muslime weltweit ernähren Muslime erlaubt sind. Gemeinsam mit dem islamischen Kulturverein Zayd Ibn Thabit sich »halal«. vergibt die TÜV SÜD-Landesgesellschaft Italien entsprechende Prüfzeichen. »Die religiöse Zertifizierung kommt dabei von Zayd Ibn Thabit, TÜV SÜD stellt sicher, dass die Lebensmittel auch geltenden staatlichen Gesetzen und internationalen Standards wie HACCP entsprechen«, so Roberto Passariello von TÜV SÜD. Neben einem italienischen Kaffeeproduzenten und einer Apotheke in Rom werden derzeit auch Speisen für Flugreisende untersucht: Im Auftrag einer Fluglinie checkt das TÜV SÜD-Tochterunternehmen Starfood LSG das Catering für Reisende in den arabischen Raum.

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roberto.passariello@tuv.it


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Hohe Zustimmung für die MPU in Deutschland Die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) genießt in der Bevölkerung einen sehr guten Ruf. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Meinungsumfrage, die im Auftrag des Verbands der TÜV e.V. erstellt wurde. Danach halten 79 Prozent der Befragten die MPU für sinnvoll, 73 Prozent vertreten die Meinung, dass sie der Deutschen befürworten der Verkehrssicherheit dient. Besonders Frauen befürdie MPU bei Fahrten unter worten das System. Pünktlich zum 60. Jahrestag ihres Bestehens kann das deutsche System damit auf eine Alkoholeinfluss. breite Zustimmung setzen: Die MPU ist seit 1954 ein wichtiger Baustein für mehr Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen. Zudem ermöglicht sie Autofahrern nach dem Entzug der Fahrerlaubnis die Chance, wieder am Straßenverkehr teilzunehmen. Bevor der Führerschein wieder erteilt wird, untersuchen Verkehrspsychologen allerdings, ob sich das Verhalten der Fahrer tatsächlich geändert hat.

Rücknahme von Leasingfahrzeugen

97 PROZENT

gerhard.laub@tuev-sued.de

Minuten

Rund 2.500 Trucks, Busse und Arbeitsmaschinen der Marken Volvo und Renault gehen jedes Jahr aus abgelaufenen Leasingverträgen zurück an die Volvo Group. Die aufwendige Rücknahme dieser Fahrzeuge wird jetzt umfangreich von TÜV SÜD unterstützt: Das Unternehmen kümmert sich unter anderem um die Eingangskontrolle und erstellt Gutachten zum Zustand der Fahrzeuge. Außerdem werden Schäden kontrolliert, fällige Reparaturen beauftragt und Händlereinkaufswerte ermittelt. Der Vorteil für den Kunden: Das gesamte Rücknahmemanagement kommt aus einer Hand. andreas.lahne@tuev-sued.de

mit TÜV SÜD Elektroflitzer auf dem Hockenheimring

Formula-Student heißt ein internationaler Konstruktionswettbewerb, bei dem Studententeams von Hochschulen aus aller Welt einsitzige Rennwagen entwickeln und auf Formel1-Strecken selbst steuern. Dabei gewinnt nicht automatisch das schnellste und technisch anspruchsvollste Auto. Die Trophäe erhält vielmehr, wer in einem Komplettpaket aus vielen unterschiedlichen Bewertungskriterien überzeugen kann. Seit fünf Jahren gibt es eine Sonderwertung, bei der die Teams mit eigenen Elektrofahrzeugen antreten. Als Pionier der Elektromobilität unterstützt TÜV SÜD das E-Racing-Team der Fachhochschule Landshut – mit kostenlosen Schulungen rund um das Thema Hochvolttechnik und durch ein Sponsoring. Rund 60.000 Arbeitsstunden haben die Studenten in ihren aktuellen Rennwagen gesteckt, der aus kohlefaserverstärktem Kunststoff besteht und 85 Kilowatt Spitzenleistung auf die Straße bringt. Beweisen konnte sich das Team Ende Juli 2014 beim Deutschland-Entscheid auf dem Hockenheimring.

Gebündelte Kompetenz für Metalle und Kunststoffe Mit der Zusammenlegung von zwei Laboren in Hessen bündelt TÜV SÜD seine Kompetenzen im Bereich der Werkstoffprüfung: Seit April 2014 sind die Testeinrichtungen der Chemiesparte des Unternehmens, die bisher im IndustrieBei der Werkstoffprüfung park Frankfurt-Höchst ihren Sitz hatte, in den Räumen der kommen nicht zerstörende TÜV SÜD-Beteiligungsgesellund zerstörende schaft TÜV Hessen untergebracht. Die Schwerpunkte des neuen Prüfzentrums im zum Einsatz. Frankfurter Stadtteil Kalbach: Untersuchungen an Metallen, Kunststoffen und anderen Werkstoffen mit dem Ziel, ihre Beständigkeit gegenüber Chemikalien für den Produktionsbetrieb und für Schadensgutachten festzustellen. Auch Korrosions- und Einlagerungsuntersuchungen werden am neuen gemeinsamen Standort angeboten.

VERFAHREN

reinhold.malassa@tuev-sued.de miriam.escapa@tuev-sued.de

TÜV SÜD Journal 33


Zu guter Letzt

VERSUCHSPLATINCHEN Gehören Tierversuche bald der Vergangenheit an? Das behauptet zumindest eine Gruppe von US-Forschern. Künstliche Miniaturmenschen sollen dies möglich machen.

34 TÜV SÜD Journal


Zu guter Letzt

W

ird der Computer dem Menschen bald näherstehen als zum Beispiel der Affe? Wissenschaftler arbeiten daran. Denn sie wurden enttäuscht: Mehrfach in den vergangenen Jahren erwiesen sich teuer entwickelte Medikamente – an Affen, Nagetieren oder Schweinen mit Erfolg getestet – als wenig wirksam beim Menschen. Zum Beispiel ein neuer Wirkstoff gegen Alzheimer. Darum müssen nun neue Versuchskaninchen her: Computerchips. In den USA versuchen derzeit zwanzig Forschungsgruppen, mit staatlichen Mitteln der National Institutes of Health und der Medikamentenzulassungsbehörde FDA den »Human on a Chip« zu entwickeln, den Menschen auf der Computerplatine. Bis zum Jahr 2017 soll es gelingen, Gewebe aus Stammzellen auf Elektronikbauteile zu pflanzen. Als wäre das nicht schon Herausforderung genug, müssen die Nervenzellen des Gewebes noch über winzige Leiterbahnen mit einem Rechner verbunden werden. Ziel ist es, das zu testende Medikament auf den nachgebauten Chip-Menschen zu träufeln und die Reaktionen der Zellen IT-gestützt auszuwerten. Erfüllt die verabreichte Substanz ihren Zweck oder nicht? Mit nur einem der etwa fingernagelgroßen Gewebechips wird sich diese Frage nicht beantworten lassen. Die Zellimitate müssen zu Organen zusammengeschlossen werden und letztlich zu einem ganzen Organismus. »Der Körper ist mehr als nur die Summe einzelner Gewebe oder Organe, und nur komplexe Systeme können uns sagen, wie alles zusammenspielt«, erklärt Thomas Hartung, Pharmakologe an der Johns Hopkins University in Baltimore. Bekommt zum Beispiel ein Magenimitat eine Schlaftablette, muss verfolgt werden können, wie die Wirkstoffe über einen künstlichen Blutkreislauf zu einem Minia­ turhirn und einer Miniaturleber gelangen und welche Wirkung Abbauprodukte auf Nieren-, Haut- und andere Zellen haben. Bis die Gewebechips einmal so miteinander verbunden sein werden, würden noch etliche Jahre vergehen, meint Hartung. Wenn die Schlaftablette dann ihren Zweck ohne Nebenwirkungen erfüllt, kann der »Man on a Chip« sicher ein Nickerchen machen.

TÜV SÜD Journal 35


DAS GUTE LEBEN

W

as sind die wichtigsten Aspekte für ein besseres Leben? Gute Bildung, saubere Luft, ein schönes Zuhause, Geld? Hat Fortschritt für alle Menschen oder in allen Ländern die gleiche Bedeutung? Auf diese Fragen gibt der »Better Life Index« (www.oecdbetterlifeindex. org/de) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Antworten. Anhand von elf »weichen« Faktoren, zum Beispiel Wohnraum, Bildung, Sicherheit oder Umwelt, vergleicht er die 34 Mitgliedsländer der OECD sowie Brasilien und Russland. Das überraschende Ergebnis der kontinuierlichen Onlinebefragung: In den meisten Ländern entscheiden nicht die materiellen Dinge über die Lebenszufriedenheit der Menschen. Dem Zustand der Umwelt, der Work-Life-Balance und ihrer beruflichen Situation messen sie größere Bedeutung zu.

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Was ist den Menschen am allerwichtigsten? Ist es die Lebenszufriedenheit, die Gesundheit oder die Bildung? In jedem Land überwiegt ein anderer Faktor.

Lebenszufriedenheit

Gesundheit

Bildung

7,1

8,0

10,0

8,9

8,9

Lebenszufriedenheit

Gesundheit

Bildung

Einkommen

7,9

8,8

Deutschland

5,3

USA

Deutschland

USA

Deutschland

USA

Deutschland

USA

6,3

7,9

Sicherheit

Work-Life-Balance

Deutschland

7,2

USA

8,5

USA

7,3

Deutschland

Bei den sieben wichtigsten Messgrößen der Lebensqualität (Maximalwert jeweils 10,0) schneiden die Vereinigten Staaten und Deutschland gut ab. Sie zählen zu den Ländern mit den zufriedensten Menschen.

7,5

USA

Deutschland und die USA im Vergleich

Deutschland

Je größer die Punkte in der Karte, desto deutlicher hebt sich der eine Aspekt von den übrigen ab.

Umwelt


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