TÜV SÜD
journal ROBE #18 AUF DIE P en Welche Speicher eign Datenträger: Archive? sich als verlässliche WEG #24 AUF DEM São Paulo: Mit Stadtent wicklung in stalten ding« die Zukunf t ge ra pg -U m lu »S PUNKT #28 AUF DEN er: Die Chancen und Hightech-Fas ungen von Carbon Herausforder
# 01 2015
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E N I E N I N ABTAUCHE ON I S N E M I D NE U E
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser, die digitale Revolution, das Zusammenwachsen von Realem und Virtuellem, hat längst alle Lebensbereiche erfasst. Viele neue Begriffe prägen unser privates wie geschäftliches Umfeld, beispielsweise das Internet der Dinge, Smart Home oder Big Data. Konkrete Anwendungen wie autonomes Fahren oder Smart Manufacturing zeigen, wie die Digitalisierung unsere Welt in einer dramatischen Art und Weise verändert. Eine dieser Anwendungen stellen wir Ihnen auf den folgenden Seiten vor: Augmented Reality. Die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung ist auf dem Vormarsch und wird in den kommenden Jahren immer wichtiger werden – dank der ubiquitären Vernetzung von Tablets, Smartphones oder Datenbrillen. Das Besondere: Durch sie wird unsere reale Welt noch stärker als bisher mit dem Digitalen verwachsen. Neue Technologien beeinflussen nicht nur, was wir sehen, sondern bestimmen künftig, wie wir etwas sehen. Die EinsatzmöglichkeiWie funktioniert Augmented Reality? Die App des TÜV SÜD Journals bietet Hintergründe zu der Technologie. ten sind dabei fast unbegrenzt.
Ein Plus für die Realität.
Die Titelseite des aktuellen TÜV SÜD Journals hat es in sich: Installieren Sie die Augmented-Reality-App »Digipapr« (erhältlich über iTunes bzw. Google Play) auf Ihrem Smartphone oder Tablet. Wenn Sie dann die App starten und die Kamera Ihres Gerätes auf das Titelbild richten, startet automatisch ein Film. Worum es geht? Sehen Sie selbst.
Was Augmented Reality konkret kann, können Sie in diesem TÜV SÜD Journal hautnah erfahren. Mein Tipp: Betrachten Sie unser Titelbild doch einmal durch die Kamera Ihres Smartphones. Sie benötigen dazu nur eine kleine, kostenlose App – wie es genau funktioniert, erfahren Sie in dem Text links. Erleben Sie, was die Erweiterung der Sinne konkret bedeutet. Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing. Axel Stepken Vorsitzender des Vorstands der TÜV SÜD AG
2 TÜV SÜD Journal
Inhalt
#06
TITELSTORY
Augmented-Reality-Anwendungen eröffnen uns eine neue Welt voller zusätzlicher Informationen.
Auf die
Auf dem
Auf den
Was treibt Menschen weltweit um? Wir nehmen technische und gesellschaftliche Entwicklungen unter die Lupe.
Die Welt von morgen im Blick: Diese Innovationen könnten schon bald unser Leben prägen.
Nachgefragt! Unsere »Mehrwert«-Seiten machen komplexe Zusammenhänge leicht verständlich.
#16 Back-up für die Ewigkeit? Für Unternehmen sind Informationen Kapital, das entsprechend geschützt werden muss. Doch nicht jeder Speicher eignet sich als verlässliches Archiv.
#22 Hundert Prozent verkehrstauglich Sicherheit – dafür steht TÜV SÜD seit fast 150 Jahren. Mit Prüfungen von Autos und Fahrzeugen macht das Unternehmen die Straßen sicher.
#28 Am schwarzen Faden CO2-Ausstoß-Verringerung, Energieersparnis, nachhaltige Produktion – die Anforderungen der Industrie an Werkstoffe steigen. Carbon ist diesen Herausforderungen gewachsen.
#18 Mach es nach! Copycats, die Geschäftsideen erfolgreich nachahmen, werden als Bedrohung wahrgenommen. Dabei kann es manchmal auch sinnvoll sein, gute Produkte zu adaptieren.
#24 Die durchlässige Stadt Wenn Megacitys wie São Paulo wachsen, dann nehmen auch ihre Problemzonen zu. Doch statt die Armenviertel zu räumen, setzen Politik und Planung in Brasilien auf das »Slum-Upgrading«.
#30 Ei, ei, ei, das Osterei Was wäre Ostern ohne Ostereier? Sie werden gekocht, gefärbt, versteckt, verschenkt und dann verzehrt. Rund ums Ei gibt es viele Geschichten. Hier sind fünf davon.
#4 TÜV SÜD im Bild #14 5 Minuten mit TÜV SÜD
#21 Vor Ort #31 Termine/Impressum
#32 5 Minuten mit TÜV SÜD #34 Zu guter Letzt
PROBE
WEG
PUNKT
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TÜV SÜD im Bild
Emotionale
BEGEGNUNGEN
Rio de Janeiro, 13. Juli 2014, 18:24 Uhr Ortszeit: Mario Götze und Thomas Müller bejubeln die 1:0-Führung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im WM-Endspiel – ebenso wie Millionen Menschen zu Hause in Deutschland. Wer Momente wie diesen künftig noch einmal miterleben möchte, hat ab Sommer 2015 die Möglichkeit dazu. Dann nämlich eröffnet das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund. Das Motto der multimedialen Ausstellung zum Anfassen: »Wir sind Fußball«. Glanzstücke der Sammlung sind unter anderem Helmut Rahns Fußballschuh von 1954, Gerd Müllers Endspieltrikot aus dem Jahr 1974 oder der Fußball, mit dem Oliver Bierhoff Deutschland 1996 zum EM-Titel schoss. Aber auch TÜV SÜD war beim Bau des Museums in den vergangenen Jahren mit am Ball: Das Unternehmen erstellte ein Gebäudesicherheitskonzept und übernahm die baurechtlichen Abnahmen, überprüfte die elektrischen Anlagen, Aufzüge und Lüftungsanlagen. Am Ende zeigten die Experten weder Gelb noch Rot, sondern gaben grünes Licht – alles klar für den großen Anstoß in wenigen Monaten. Mehr Infos: www.tuev-sued.de/bau_und_betrieb
4 TÜV SÜD Journal
TÜV TÜV SÜD SÜD im im Bild Bild
TÜV SÜD Journal 5
Titelstory
Die erfolgreichsten Innovationen sind meist die, die sich fast unbemerkt in das Alltagsleben schleichen. Augmented-Reality-Anwendungen zum Beispiel, die die Echtwelt in ein Netz aus digitalen Informationen und Mehrwert hüllen. Der Blick in die erweiterte Realität ist dabei recht einfach: Denn das Fenster zur zweiten Wirklichkeit halten viele mit dem Smartphone schon in der Hand. Text: Timour Chafik
Die Welt ist nicht genug 6 TÜV SÜD Journal
Titelstory
Stilsicheres Einrichten Puristisch, modern oder lieber doch klassisch? Vorbei die Zeiten, in denen man vor Regalen steht und sich fragt, ob die Vase zum Esstisch passt. Mit der passenden Augmented-Reality-App platziert man die Einrichtungsgegenstände direkt in den heimischen vier Wänden. Und hat man den richtigen Dekoartikel gefunden, genügt ein Fingertipp, um ihn zu bestellen und sich nach Hause liefern zu lassen.
»
TÜV SÜD Journal 7
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Titelstory
CheckListe Wartung FlugzeugturBine 1. Abdeckung entfernen An der Unterkante finden Sie einen Sicherheitsgriff: Daran ziehen und gleichzeitig entriegeln.
2. Auf Schäden prüfen Bewegen Sie das Tablet, sodass die Kamera jedes Aggregat erfasst.
3. Beschädigtes Aggregat entfernen Das beschädigte Aggregat wird angezeigt und kann entfernt werden.
Sicherheit bei der Wartung Anleitung für komplexe Tätigkeiten Wie wird eigentlich eine Flugzeugturbine gewartet? Bisher mussten Servicetechniker oft in Papierordnern oder in PDF-Dateien nachschlagen. Augmented-RealityAnwendungen zeigen ihnen jetzt auf dem Tablet, welche Schritte nötig sind. Im Bedarfsfall reicht ein Fingertipp, um weitere Informationen zu erhalten.
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or mehr als einem halben Jahrhundert war die zweite Wirklichkeit in einem monströsen Kasten gefangen und trug die Patentnummer 3.050.870 des United States Patent and Trademark Office. Wer wollte, der konnte auf einem mit rotem Stoff bezogenen Drehstuhl Platz nehmen und ganz nah an die Kiste heranrücken, die aussah wie eine Kreuzung aus Passfoto- und Spielhallenautomat. Dann durfte ausgewählt werden zwischen Helikopterflug oder Wüstenrallye oder Motorradfahrt durch Brooklyn, und schon brach sich die Reizflut Bahn: Im Inneren der Box ratterte und dröhnte es, es 8 TÜV SÜD Journal
roch nach Benzin oder Wüstensand oder beidem. Eine schöne neue Welt eröffnete sich im »Sensorama Simulator«, wie der Kasten von seinem Erfinder Morton Heilig getauft wurde. Heilig gilt bis heute als Erfinder der virtuellen Realität, seine innovative Kiste allerdings hat sich nicht durchgesetzt, sie wurde von der Rasanz der Innovationen überholt: von der Automatisierung, der Computerisierung, der Digitalisierung und damit von all den großen technologischen Umwälzungen, die ihre praktischen Ausprägungen im Internet und der Vernetzung finden. Heute lässt sich die erweiterte Realität nicht mehr
in einer geschlossenen Kabine halten. Sie ist zu einem »Outernet« erwachsen, zu einer Augmented Reality (AR), in der die allgegenwärtige Information zum Menschen kommt und nicht umgekehrt. In dieser Augmented Reality verlässt der Hyperlink den Rechner in die Realität. Mithilfe von Tablets, Smartphones oder Datenbrillen wird ein nahes Umfeld mit Daten angereichert. Es entsteht eine völlig neue Wahrnehmungsebene. »Im Internet spielte nur der Raum und der Rechner eine Rolle, im Outernet spielen aber zusätzlich die Umweltbedingungen – also der Kontext der Information – eine weitaus größere Rolle«,
Titelstory
Ich sehe was, was du nicht siehst
Ausbildung mit Augmented Reality Übung macht den Meister Mit Augmented-Reality-Apps können in der Automobilindustrie Wartungsarbeiten und Trainings an einem virtuellen Fahrzeug dargestellt und absolviert werden. Die App stellt dem Mechaniker alle relevanten Informationen zur Verfügung.
» sagt Sebastian Metzner, Head of Research des Hamburger Trendforschungsinstituts TrendOne, und liefert gleich eine greifbare Formel für die Augmented Reality mit: »P2T2. Das heißt: places, people, time and things. Erst wenn diese vier Faktoren sinnvoll miteinander kombiniert werden, entsteht ein wirklicher Mehrwert, den ein Kunde auch honorieren wird.« P2T2 – das kann die Kino-App auf dem Smartphone sein, die weiß, dass ihr Besitzer auf der Suche nach den neuesten Blockbustern ist und daher alle Kinos samt Programm im Umkreis von zehn Kilometern meldet. Das ist vielleicht der digitale Katalog des Einrichtungshauses, des-
sen Produkte sich via Smartphone-Kamera und -Screen in die gerade frisch angemietete und noch leere Wohnung platzieren lassen. Das kann aber auch die App zur Instandhaltung von Flugzeugturbinen sein. Flugzeugturbinen und feine Filter
Die Wartung eines solchen Triebwerks ist eine ebenso komplexe wie sicherheitsrelevante Prozedur. Der Zugriff auf eine Vielzahl von Unterlagen muss vollständig gewährleistet sein, gleichzeitig braucht der Servicetechniker Informationen, die immer auf dem neuesten technischen Stand sein müssen, an Ort und Stelle verfügbar,
Die virtuelle Realität hat ihre Ecken und Kanten, und das ist auch gut so: Über das sogenannte Kantentracking oder Edgebased-Tracking weiß nämlich die Datenbrille erst, was sie da eigentlich vor sich hat. »Sie erkennt dann das Objekt und weiß, was sie mit welchen Informationen überlagern soll«, erläutert Anett GläselMaslov von Metaio, einem der führenden Softwarehersteller für Augmented-Reality-Anwendungen. Dazu ist einiges an Vorarbeit nötig: Informationen von Herstellerseite wie CAD-Daten müssen im Idealfall schon im Produktionsprozess zum Beispiel eines neuen Automodells in die Software eingespeist werden. Die Brille »übersetzt« diese Informationen dann in eine Darstellungsebene, die die Realität überlagert. Die große Herausforderung dabei: Mit zunehmender Produkt- und Variantenvielfalt nimmt auch die einzuspeisende Datenmenge immer mehr zu. Darin aber liegt der Hauptnutzen der Anwendungsmöglichkeiten: auf einen Blick zu erkennen, welche Variante eines Fahrzeugmodells gerade vorfährt, und die dazu passenden Informationen auszuspielen.
lesbar und verständlich. Die Werkstoffe, die Maschinen, die Anforderungen entwickeln sich in immer kürzeren Zyklen weiter, die Technik wird immer komplexer. Was dabei unterstützen könnte: feine Filter, die die Komplexität auf das Wesentliche reduzieren. Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD hat dazu gemeinsam mit T-Systems eine Wartungsanleitung für Flugzeuge entwickelt, die auf einem Tablet-Computer zum jeweiligen Arbeitsschritt alle relevanten Informationen liefert, die räumlich verortet an den einzelnen Bauteilen und Komponenten dargestellt TÜV SÜD Journal 9
Titelstory
»FürAugmented den Erfolg von Augmented Reality ist es entscheidend, »Bei Reality wird jeder Mitarbeiter zum Teil den
Menschen der Innovation
schrittweise und über intuitive Schnittstellen und der technologischen Entwicklung« – an die Technologie heranzuführen« – Dr. Ulrich Bockholt vom Fraunhofer IGD Dr. Ulrich Bockholt vom Fraunhofer IGD
Wie Wind Lampen zum Leuchten bringt Leuchtkraft für bis zu 7.300 Jahre Eine Stromsparlampe kann mit den bis zu sieben Millionen Kilowattstunden, die ein Windrad an Energie liefert, knapp 630.000.000 Stunden durchgehend leuchten. Wer wissen will, wie die Elektrizität von der Anlage zum Nachttisch kommt, richtet die Smartphone-Kamera einfach auf eine nahe gelegene Oberlandleitung.
» 10 TÜV SÜD Journal
Titelstory
werden können. »Wir erfassen 3-D-Welten und können damit im Vergleich zu einem CAD-Modell genau registrieren, wo es Abweichungen gibt«, sagt Dr. Ulrich Bockholt, Leiter der Abteilung Virtuelle und Erweiterte Realität am Fraunhofer IGD. So könne zum Beispiel Korrosion am Triebwerk erfasst, dokumentiert, ins 3-D-Modell zurückgespielt und dann im Nachgang für die Reparatur bereitgestellt werden. Diese Methode ist ebenso skalierbar wie kopierbar, es lässt sich für die Flugzeugturbine ebenso anwenden wie für den Aufzug, das Gebäudemanagement oder die Hauptuntersuchung von Fahrzeugen. Das heißt: Augmented Reality (AR) wird in den kommenden Jahren tief in unseren Alltag eindringen, bestehende Tätigkeiten verändern und neue Möglichkeiten schaffen. Dabei hängt die Durchdringung innovativer AR-Anwendungen maßgeblich davon ab, wie einfach es dem Nutzer gemacht wird, sie einzusetzen. Denn mit der Einführung einer neuen Technologie verändert sich auch der Anspruch an den Mitarbeiter und an die Werkzeuge, mit denen er arbeiten soll. »Es reicht nicht, ihm ein Tablet in die Hand zu drücken oder eine AR-Datenbrille überzustülpen und ihn damit dann alleine zu lassen«, sagt Bockholt. »Für den Erfolg der Innovation ist es entscheidend, den Menschen schrittweise und über intuitive Schnittstellen an die Technologie heranzuführen.«
Tetris im Transporter
Bedürfnisse wecken und dann den konkreten Nutzen damit verbinden – dann stehen die Chancen gut, dass sich Augmented- Reality-Anwendungen fast wie von selbst in den Arbeits- und Privatalltag integrieren. »Es war bei uns vielleicht kein Selbstläufer, aber schon recht einfach«, sagt dazu Katrin Zeiler aus dem Trend-Research-Team des Logistikkonzerns DHL. Die Datenbrille »Google Glass«, einer der ersten Proto typen, die auf den Markt kamen, jedoch bis heute von anderen Anbietern überholt wurden, diente dazu als Türöffner. Die Brille blendet als eine Art Head-up-Display Informationen in das Sichtfeld ihres Trägers ein, »das brachte einiges an Aufmerksamkeit mit sich – zumindest so viel, dass jeder das Gadget einmal tragen und Augmented Reality d amit selbst einmal ausprobieren wollte«. Menschen sind Teil der Innovation
Mittlerweile ist DHL aber über diese »Gimmick-Phase« hinaus, testet Datenbrillen seit Ende 2014 in der Kommissionierung und plant die Einführung einer intern als »Tetris-App« bezeichneten AR-Anwendung. Die soll als visionäre Anwendung beim Beladen eines Lkw jedem Paket den für die Tour besten Platz zuweisen. »Der Zusteller bekommt dann bei der Auslieferung automatisch angezeigt, wo sich welches Paket für welchen
Empfänger befindet«, erklärt Zeiler. »So bekommen wir Innovationen und Trends in die Organisation: über einen Showcase, der einen k onkreten Mehrwert für unsere Kunden mit sich bringt.« Augmented Reality folge einem iterativen Prozess, glaubt auch Dr. Ulrich Bockholt vom Fraunhofer IGD. Einem, »in dem jeder Mitarbeiter Teil der technologischen Entwicklung und damit auch Teil der Innovation ist«. Und die, so Bockholt, findet nicht nur im Forschungsinstitut statt, sondern zu einem großen Teil beim Anwender selbst. Die Definition der Pflichtenhefte aus der Industriewelt, aber auch der Bedürfnisse von Konsumentenseite seien dabei nicht weniger innovativ als die Algorithmen, die auf Forschungsseite entwickelt würden. »Es gibt heute doch keinen Handwerker mehr, der kein Smartphone hat, insofern müssen wir Technologien für die Plattformen entwickeln, die wir ohnehin alle nutzen«, sagt er. Anders ausgedrückt: Der Nutzer trägt die Realität in seiner Hand. Das mag philosophisch klingen, und manchmal klingelt es auch. Es ist schließlich nur sein Handy.
Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/digital-service
Drei Bücher, ein Thema: Lesenswertes über Augmented Reality Understanding Augmented Reality Alan B. Craig ist ein Experte für virtuelle Realität. Hier fasst er zu sammen, was nötig ist, um Augmented Reality erleben zu können. Morgan Kauf mann, 296 Seiten
Augmented Reality – Law, Privacy, and Ethics Kommunika tionsexperte Brian D. Was som erklärt das Verhältnis zwischen Augmented Reality, Gesetzen und Moral. Syn gress Media, 224 Seiten
Augmented Reality Art Heraus geber Vladimir Geroimenko sammelt Beiträge von Künst lern, Forschern und Prakti kern, die aus der Perspektive der Kunst auf das Themea Augmented Reality blicken. Springer, 340 Seiten
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Standpunkte
A
ugmented Reality, Wearables, Connected Cars, Smart Homes, Industrie 4.0 – ob bei Konsum- oder Industriegütern: Überall gibt es Bewegungen und Veränderungen, entsteht aus der Digitalisierung Neues, das wir begleiten und prägen wollen. Dazu brauchen wir eine fundierte digitale Kompetenz, wenn wir zum Beispiel dafür Sorge tragen wollen, Cyberangriffe auf Industrieanlagen, auf Fertigungsstraßen oder Logistik möglichst zu verhindern. Um hier richtig reagieren zu können, braucht es ein Grundverständnis für digitale Innovationen. Heute ist die Zahl unserer Mitarbeiter, die sich mit diesen Themen beschäftigen, noch überschaubar, aber sie wird stark wachsen. Das heißt nicht, dass wir künftig nur noch »Digital Natives« beschäftigen; aber wenn sich die Digitalisierung quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und Wirtschaftssektoren zieht und dort tiefe Spuren hinterlässt, dann ändert sich damit auch die Erwartungshaltung an unsere Arbeit. Damit verschieben sich auch die Anforderungen, die wir an uns stellen, aber auch die unserer Kunden. Um neue Services und Produkte schneller an den Markt zu bringen, brauchen wir eine Innovationskultur, die mehr Risikobereitschaft und auch mal das Scheitern zulässt. »Traut euch!«, ist etwas, das wir künftig öfter sagen und hören müssen, sowohl bei unseren Mitarbeitern als auch im Management. Wir haben eine Menge ideenreicher, hoch motivierter Mitarbeiter, die Lust am Entwickeln und an neuen Zielen haben. Diese Lust brauchen wir heute mehr denn je. Sie braucht einen Lernprozess, der Risikobereitschaft voraussetzt. Denn nur durch dieses Lernen schaffen wir es, weiterzukommen.
»Wir brauchen eine Innovationskultur, die mehr Risikobereitschaft und auch mal das Scheitern zulässt.«
StandOliver Jacob, Konzernbereichsleiter Strategie und Innovation bei TÜV SÜD, leitet das Digitale-Service-Programm des Unternehmens
Traut Euch Mehr Mut, mehr Innovationen 12 TÜV SÜD Journal
Standpunkte
W »Wer immer nur versucht, Fehler zu vermeiden, kommt nur im Schneckentempo voran.«
Punkte Prof. Marco Gercke, Direktor des Cybercrime Research Institute, berät Konzerne und Regierungen zum Thema Cybersicherheit
ir haben erlebt, dass ganze Indus triezweige sterben, wenn sie sich nicht weiter entwickeln. Wir haben am Beispiel großer Kaufhausketten gesehen, dass das klassische Warenhaus nicht überlebt, wenn es kein zeitgemäßes Geschäftsmodell findet. Insofern ist es gerade für ein etabliertes Unternehmen wie TÜV SÜD entscheidend, neue Rollen für die Zukunft zu finden. Im Gesamtkontext der Digitalisierung glaube ich, dass Cyber Security ein wichtiges Aufgabengebiet sein kann. Daten lassen sich manipulieren, sie bieten eine Angriffsfläche, die es zu verteidigen gilt. Ein Beispiel: Autos, deren Tacho elektronisch manipuliert worden ist. Ich glaube, dass der Kunde bereit ist, Geld dafür zu bezahlen, damit hier noch mal jemand genau hinschaut und eine Überprüfung vornimmt. Anders ausgedrückt: Der Elek tronik vertrauen wir nicht, TÜV SÜD schon. Ich sehe da eine »Enabler-Funktion« für das Unternehmen, das zwischen unterschiedlichen Partnern steht und damit branchenübergreifend Vertrauen schaffen kann. Und ich sehe TÜV SÜD als Benchmark, die die Anforderungen für unterschiedliche Gruppen definiert. So kann TÜV SÜD seine eigene Innovationskraft stärken und seinen Kunden auch bei der Erschließung ihrer digitalen Geschäftszahlen Sicherheit bieten. Denn wenn eine Zertifizierung einem Unternehmen mehr Sicherheit gibt, dann kann es Neues wagen. Dazu muss man selbst innovativ sein, muss Risiken eingehen, um mit der Schlagzahl der Digitalisierung Schritt halten zu können. Denn wer immer nur versucht, Fehler zu vermeiden, kommt nur im Schneckentempo voran.
Ob Augmented Reality oder Industrie 4.0 – der richtige Umgang mit der Digitalisierung und ihren Innovationen wird künftig zum Schlüsselfaktor für Unternehmen. Voraussetzung dafür ist eine neue Kultur, die Fehler erlaubt, um beim hohen Tempo der digitalen Entwicklungen mitzuhalten.
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5 Minuten
QR-Codes bieten Zusatzinfos zu Zertifikaten
Neue Überfahrtests für Stecker und Ladeboxen
Ein einziges Audit für verschiedene Märkte
Mehr Infos für interessierte Kunden: Wer beim Shoppen mehr über ein TÜV SÜD-zertifiziertes Produkt wissen will, findet auf vielen Artikeln neben dem achteckigen Prüfsiegel einen QR-Code. Einfach einscannen und über die TÜV SÜDDatenbank im Internet die Daten des Zertifikats abfragen. Hinterlegt sind unter anderem die Gültigkeitsdauer des Zertifikats und die Prüfgrundlagen.
Die Zahl der Elektrofahrzeuge steigt – und damit auch die Menge an Infrastruktur, zum Beispiel Stecker und Lade boxen. Damit diese auch sicher sind, müssen sie unter anderem besonders gegen Beschädigungen durch Überfahren geschützt sein. TÜV SÜD prüft diese Kriterien ab sofort an einem eigenen Prüfstand – und zwar nach den internationalen Normen IEC 62196-1, UL 2251 und SAE J 1772.
Als eine der ersten auditierenden Organisationen bietet TÜV SÜD Audits innerhalb des MDSAP-Pilotprojekts an. Im Rahmen dieses »Medical Device Single Audit«-Programms wird derzeit ein gemeinsamer Standard für QualitätsmanagementAudits bei Medizinprodukteherstellern entwickelt. Dieser würde dann von mehreren Ländern anerkannt werden, unter anderem von den USA und Brasilien.
michael.kappelan@tuev-sued.de
sami.demircan@tuev-sued.de
georg.bauer@tuev-sued.de
Modernisierung thermischer Kraftwerke in Indien
Kohlekraftwerke sind das Rückgrat der Stromversorgung in Indien. Im Rahmen eines umfassenden Sanierungs- und Modernisierungsplans lässt die Elektrizitätsbehörde des Landes derzeit mehr als 50 Kraftwerke grundlegend überholen – mit Unterstützung von TÜV SÜD. Das Unternehmen wurde mit der umfangreichen Bewertung eines Kraftwerks im Bundesstaat Madhya Pradesh beauftragt. Dabei geht es im Wesentlichen um die Feststellung des Anlagenzustandes und der Performance sowie die Ermittlung der Restlebensdauer von Kraftwerkskomponenten. Die Ergebnisse der Kraftwerksexperten von TÜV SÜD bilden dann die Basis für die Planung und Durchführung der notwendigen Erneuerungsmaßnahmen. Mit dem Sanierungsund Modernisierungskonzept hat die indische Regierung die Weichen dafür gestellt, die wachsende Lücke zwischen Energiebedarf und Energieerzeugung zu schließen und ihre anspruchsvollen Klimaziele zu erfüllen. Landesweit sollen Anlagen mit einer Gesamtkapazität von fast 50.000 MW erneuert werden. bratin.roy@tuv-sud.in
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TÜV Report 2015: Autos werden wieder sicherer
Gewinner ist die Fahrzeugsicherheit. Erstmals seit Jahren ist die Mängelquote in Deutschland gesunken – um 1,4 Prozentpunkte auf 23,5 Prozent. Das ist die wichtigste Nachricht des TÜV Reports 2015. Die Publikation wird jedes Jahr vom Verband der TÜV e. V. herausgegeben. Ausgewertet wurden die Hauptuntersuchungen des zweiten Halbjahrs 2013 und des ersten Halbjahrs 2014. Die Fahrzeuge mit den geringsten Mängelquoten insgesamt waren der Mercedes SLK, der Audi A6 und der SUV Mercedes GLK. Sieger bei den Kleinwagen wurKfz-Prüfungen hat allein TÜV SÜD de der Mazda 2, bester Mittelklasfür den TÜV Report 2015 sewagen ist die Mercedes C-Klasse. Der Vorjahresgesamtsieger Opel Meausgewertet. riva erhielt das Prädikat »Bester Van«. Sorgenkind über alle Klassen hinweg bleibt die Beleuchtung: Sie ist immer noch der am häufigsten beanstandete »schwere Mangel« bei den Hauptuntersuchung. Aber auch hier wird es langsam besser. Dafür sorgen nach Expertenansicht unter anderem die geringere Anfälligkeit und die höhere Lebensdauer moderner Lampen.
Über vier Millionen
vincenzo.luca@tuev-sued.de
5 Minuten
Forschungsbericht zu Alkohol-Wegfahrsperren
Dr. Axel Stepken
Alkohol-Interlocks sind Wegfahrsperren im Auto, die bei Alkohol im Atem des Fahrers ein Starten des Autos verhindern. In Verbindung mit entsprechenden Rehabilitationsmaßnahmen könnten die Geräte künftig dafür sorgen, das Rückfallrisiko für Trunkenheit am Steuer langfristig zu reduzieren. Das ist das Ergebnis eines Forschungsberichts, den TÜV SÜD im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen erstellt hat. Erforscht wurde in diesem Zusammenhang die Wirkungsweise von Interlocks und welche Gruppe alkoholauffälliger Fahrer als Zielgruppe infrage kommt. Der Forschungsbericht stellt zudem das weltweit erste Konzept für eine begleitende verkehrspsychologische Rehabilitation dar, die systematisch die Daten der Wegfahrsperre für therapeutische Zwecke nutzt. Anhand der ausgelesenen Werte können Therapeuten zeitnah und objektiv ein Feedback zum Fortschritt des Klienten bekommen und so gemeinsam mit ihm an einer dauerhaften Verhaltensänderung arbeiten.
Dr. Axel Stepken ist seit Januar 2015 neuer Vorsitzender des Berufspolitischen Beirats des Vereins Deutscher Ingenieure. Der Vorsitzende des Vorstands der TÜV SÜD AG ist damit auch Mitglied des VDIPräsidiums. Mit über 150.000 Mitgliedern in 45 Bezirksvereinen ist der Verband die größte Ingenieurvereinigung Deutschlands.
juergen.merz@tuev-sued.de
Minuten mit TÜV SÜD
axel.stepken@tuev-sued.de
Klemens Schmiederer Seit Februar 2015 ist Klemens Schmiederer Mitglied des Vorstands der TÜV SÜD AG. Der 55-jährige Diplom-Ingenieur war unter anderem Mitglied der Geschäftsführung der Behr-Gruppe und verfügt über profunde Kenntnisse in der Automobilindustrie. Im TÜV SÜD-Vorstand wird der künftig für das Segment MOBILITY verantwortlich zeichnen. klemens.schmiederer@tuev-sued.de
Horst Schneider 25 Jahre im Dienst für mehr Sicherheit
Horst Schneider, als Vorstandsmitglied von TÜV SÜD seit 2010 für das Segment MOBILTY verantwortlich, scheidet Ende April 2015 aus Altersgründen aus dem Vorstand aus. Nach über vier Jahrzehnten in führenden Positionen der TÜV SÜD Gruppe wird er dem Unternehmen aber auch künftig verbunden bleiben: als Vorstand der TÜV SÜD Stiftung. horst.schneider@tuev-sued.de
Ein Vierteljahrhundert – dieses runde Jubiläum konnte der Bereich Product Service von TÜV SÜD Ende 2014 feiern. Bereits 1989 legte die TÜV SÜD Gruppe mit der Gründung einer eigenen Gesellschaft den Grundstock für weltweite Produktprüfungen. Das Ergebnis: Rund 500.000 Produktzertifikate wurden während der vergangenen 25 Jahre ausgestellt. Heute sorgen mehr als 4.500 Experten – ein Großteil von ihnen direkt in den Herstellerländern in Asien – für die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Produkten. Die Division Product Service von TÜV SÜD unterstützt Hersteller, Importeure und Handelsunternehmen bei der Aufgabe, die gesetzlichen Anforderungen und die Verbrauchererwartungen auf den internationalen Märkten zu erfüllen. Das Spektrum der Branchen umfasst Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Medizinprodukte, Textilien, Telekommunikationsgeräte und Nahrungsmittel. Die Division hält rund 100 nationale und internationale Akkreditierungen, Notifizierungen und Benennungen, beispielsweise für Medizinprodukte, Produktsicherheit und elektromagnetische Verträglichkeit. heidi.atzler@tuev-sued.de
Prof. Dr. Wolfgang A. Herrmann Der Präsident der Technischen Universität München, Prof. Dr. Wolfgang A. Herrmann, ist neues Mitglied des Kuratoriums der TÜV SÜD Stiftung. Die gemeinnützige Stiftung fördert Bildung und Wissenschaft und leistet einen Beitrag dazu, dass sich junge Menschen für diese Themen begeistern. praesident@tum.de
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16 TÜV SÜD Journal
1930 Langspielplatte
1890 Lochkarte/-streifen
1887 Zelluloidfilm (fotografischer Film)
1859 Mikrofilm
200 n. Chr. Papier
3.000 v. Chr. Papyrus (bis zum frühen Mittelalter)
40.000 v. Chr. Höhlenmalerei/ Steintafeln
Bis 500 Jahre
über 100 Jahre
ZelluloidFILM (FOTOGRAFISCHER FILM)
Lebensdauer: mehrere Tausend Jahre
Mikrofilm
Papyrus bis 200 Jahre, in trockener Umgebung mehrere Hundert Jahre
Höhlenmalerei/Tontafeln
Entwicklung der Speichermedien
Text: Tanja Strauß
Papier
mehrerE Hundert Jahre
Lochkarte/-streifen
Zeitung: 10 BIS 20 Jahre, säurehaltiges Papier: 70 BIS 100 Jahre; säurefreies Papier: mehrerE Hundert Jahre
»Analoge« Medien wie Papier oder Tontafeln sind geduldig und mehrere Hundert Jahre haltbar. Ein weiterer Vorteil: Sie sind jederzeit ohne Hilfsmittel lesbar, dafür ist die Kapazität eher gering. Mehr Platz für wichtige Daten bieten »elektronische« Medien, die nur mit speziellen Geräten gelesen werden können. Ob Lochkarten, VHSKassetten oder USB-Sticks auch in tausend Jahren noch Wissen preisgeben, hängt von der Verfügbarkeit dieser Geräte ab.
Für die Ewigkeit?
Bei der 11. Volkszählung in den USA (1890) war die Lochkarte zum ersten Mal im großen Stil im Einsatz. Herman Hollerith – Gründer von IBM – entwickelte die Karte, die als Vorläufer digitaler Speichermedien gilt. Auf ihr wurden Daten mithilfe eines Lochcodes gespeichert.
Digi-Start
Seit Jahrtausenden sammeln und speichern Menschen Informationen. Früher wurden sie in Stein gemeißelt oder auf Papier geschrieben, heute werden sie vor allem digital gespeichert – auf DVD, USB, SD oder in riesigen Serverparks. In puncto Haltbarkeit aber machen noch immer Steintafeln und Papier das Rennen.
FÜR DIE Ewigkeit?
Back-up #16 S SPE ICHER ICH ERN #18 C IMI LEVER TIE REN
AUF PRO DIE BE
Auf die Probe
in Entwicklung Holografic Versatile Disc Biologische Spreicherung/ DNA-Speicherung
2001 SD-Speicherkarte
2000 USB-Stick
1995 Compact Flash
1995 DVD
1992 Digital Compact Cassette
1981 Compact Disc
1976 VHS-Kassette
1963 Kompaktkassette
1956 Festplattenlaufwerk
bis 30 Jahre
FLOP:
DIgital Compact Cassette
Holografic Versatile Disc
In entwicklung:
10 BIS 30 Jahre
bis 25 Jahre, manchmal länger
Flops und Zukunftsmusik
USB-Stick
DVD (Digital Versatile Disc)
Compact Disc gebrannte CDs 5 BIS 10 Jahre
bis 30 Jahre
2 bis 10 Jahre
Mehrere Jahrzehnte
VHS-Kassette
Festplattenlaufwerk
LANGSPIELPLATTE
In entwicklung:
Biologische Speicherung/ DNA-Speicherung
10 BIS 30 Jahre
SD Speicherkarte
10 BIS 30 Jahre
Compact Flash Speicherkarte
bis 30 Jahre
Kompaktkassette
Ein besonderer Datenspeicher steht im American Museum of Natural History. Zur Jahrtausendwende ließ die New York Times eine »Zeitkapsel« verschließen, die erst im Jahr 3000 wieder geöffnet werden soll. Was die Zukunftsmenschen in der »New York Times Capsule« finden werden? Unter anderem die Millenniumsausgaben des »New York Times Magazine«. Die Informationen wurden mittels eines Ionenstrahls auf sogenannte HD-Rosetta-Disketten der Firma Norsam geritzt. Diese sind nicht größer als ein Weihnachtsplätzchen, können aber 90.000 Text- und Bildseiten abspeichern.
AB in die Zukunft
An Bord der 1977 gestarteten Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 befanden sich vergoldete Kupferplatten mit eingravierten Bild- und Tonbotschaften. Sie sollen eventuell existierende Außerirdische über die Menschen und ihre Welt informieren. Die geschätzte Haltbarkeit der Datenscheiben: 500 Millionen Jahre – weit länger als alle gängigen Medien.
Gruß an Aliens
Clouds – die Speicherung im Netz – versprechen eine einfache Datensicherung von jedem Rechner oder mobilen Endgerät. Die Server der Anbieter bewahren Daten problemlos mehrere Jahrzehnte auf. Aber wie sicher sind solche Clouds? »Ich kann Verbrauchern nur raten, die Datenschutzerklärungen entsprechender Onlinedienste nicht einfach anzunehmen, ohne sie vorher gelesen zu haben«, erklärt Rainer Seidlitz von TÜV SÜD Sec‑IT. „Sie sollten sich damit auseinandersetzen, wem sie welche Daten unter welchen Bedingungen anvertrauen. Denn im Prinzip bezahlen sie die angebotenen ›kostenlosen‹ Dienstleistungen mit ihren persönlichen Daten.«
Dem Himmel so nah
Auf die Probe
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Auf die Probe
»Ein gut gemachtes Imitat ist die clevere Weiterentwicklung des Originals«: Diese These vertritt der amerikanische Wissenschaftler Oded Shenkar.
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Auf die Probe
Mach es
Nach!
Unternehmen sollten nicht nur in Forschung und Entwicklung investieren, sondern auch bereits vorhandene Technologien intelligent anwenden, findet Professor Oded Shenkar. Im Interview erklärt der Wissenschaftler, warum Imitate manchmal besser sind als ihr Ruf. Interview: Thomas Weber
Herr Professor Shenkar, in Ihrem Buch »Copycats« behaupten Sie, Innovationen seien überbewertet. Wie kommen Sie zu dieser Auffassung? Viele Unternehmen, die wir für Erfinder halten, sind in Wahrheit gute Imitatoren. Ein Beispiel: Weder McDonald’s noch Burger King haben den Fast-Food-Burger erfunden, sondern die heute kaum bekannte Firma White Castle. Diesen Effekt nennt man »Survivor Bias«, wir kennen nur die Gewinner. Warum? Manche Firmen und Marken sind so bekannt, dass wir glauben, sie hätten das Produkt erfunden. Oft wird aber nur geschickt imitiert. Sind Kopien also gar nicht unbedingt schlechter als ihr Original? Zumindest kann man das nicht pauschal sagen. Viele Nachahmerprodukte wurden weiterentwickelt, sie haben mehr Funktionen oder eine verbesserte Benutzerfreundlichkeit. Zudem profitieren sie von einem bereits bestehenden Markt. Beispielsweise
musste Diners Club Händler und Kunden mühsam davon überzeugen, Kreditkarten zu nutzen. Die Nachfolger Visa, Mastercard und American Express konnten sich quasi ins gemachte Nest setzen. Bedeutet das, man sollte warten, bis sich ein Produkt durchsetzt, und es dann kopieren? Nein. Aber es ist genauso falsch, Unternehmertum ausschließlich mit genialen Erfindungen gleichzusetzen. Erfolgreiche Gründer und Start-ups suchen aktiv nach funktionierenden Konzepten und Geschäftsideen. Sie gehen intelligent mit dem Feedback der Nutzer um und lernen aus den Startschwierigkeiten der Pioniere. Häufig werden beim Kopieren aber Schutzrechte verletzt. Richtig, und das ist auch ein Grund für das schlechte Image von Imitaten. Natürlich muss es Gesetze geben, die Produktpiraterie verhindern. Gründer und Start-ups, die clevere Produkte imitieren oder adaptieren, dürfen nicht dagegen verstoßen. Teilweise lassen sich Geschäftsmodelle aber nicht oder
nur eine begrenzte Zeit lang schützen, und das ist auch gut so. Viele Firmen investieren in die Entwicklung neuer Produkte, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Das ist aber vorbei, sobald es ein Imitat gibt, das technisch besser funktioniert oder weniger kostet oder insgesamt ein besseres PreisLeistungs-Verhältnis bietet. Dann werden sich viele Konsumenten für das Plagiat entscheiden. Eine Ausnahme sind hier lediglich Luxusprodukte. Denn es wird immer Leute geben, die bereit sind, dafür viel Geld zu bezahlen, um sich damit zu schmücken. Aber das ist eher die Minderheit. Ist die Angst des Westens vor Imitaten aus Fernost damit unbegründet? Nein, im Gegenteil. Die günstige Massenware hat Chinas Industrie enorm geholfen und sie zu einem ernsthaften Konkurrenten gemacht. Viele westliche Unternehmen wurden von dieser Entwicklung ziemlich überrascht, weil sie fälschlicherweise geglaubt haben, dass ohne Innovation kein wirtschaftliches Wachstum möglich ist. Für sie TÜV SÜD Journal 19
Auf die Probe
»Das Zeitalter der
Imitation
hat längst begonnen.« – Professor Oded Shenkar
Erfolgreiche Adaption: Der iPod von Apple hat ältere MP3-Player weitgehend verdrängt.
besteht eine große Herausforderung darin, entsprechend darauf zu reagieren. Und was kommt dann? Ich glaube, dass das Zeitalter der Imitation längst begonnen hat. Das hängt einerseits mit der Globalisierung zusammen. Wir reisen mehr, sehen mehr und kommunizieren mehr. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es viel Fluktuation: Ideen werden zwischen internationalen Teams ausgetauscht. Zudem ist es mit der heutigen Technik deutlich leichter geworden, gute Kopien zu erstellen. Und wir brauchen diese Imitate, weil sich viele die teureren Originale nicht leisten können. Aber auf Forschung und Entwicklung kann nicht verzichtet werden. Völlig richtig. Deswegen sage ich auch nicht, dass wir keine Innovationen brauchen. Neben der Innovationskraft ist es wichtig, eine Infrastruktur zu schaffen, mit der Produkte schnell und einfach hergestellt werden können. Anders ausgedrückt: Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, Erfindungen erfolgreich in die Massenproduktion zu überführen. 20 TÜV SÜD Journal
Welche Strategie ist dabei Ihrer Meinung nach die erfolgreichste? Ich rate zu einer Kombination aus Imitation und Innovation, die ich »Imovation« nenne. China gibt gerade alles, um seine Innovationskraft zu verbessern, und steckt viel Geld in Forschung und Entwicklung. Das garantiert aber noch keinen wirtschaftlichen Erfolg. Deutschland gelingt die Balance recht gut. Viele neue technologische Verfahren werden importiert und dann intelligent angewendet. Wie könnten Unternehmen ihre Produkte schützen? Leider lassen sich Geschäftsmodelle durch rechtliche Maßnahmen, Geheimhaltung und IT-Sicherheit nur begrenzt absichern. Die besten Chancen haben Firmen mit Produkten, die den Kunden einen höheren sozialen Status verleihen. Dann haben sie einen Vorteil gegenüber Konkurrenten, die ihre Ideen adaptieren. Mehr zum Thema Produktentwicklung: www.tuev-sued.de/ps
Professor Oded Shenkar Wer fähig ist zu imitieren, verschafft sich Vorsprünge. Diese Erkenntnis aus der Evolutionsforschung überträgt Oded Shenkar auf die Wirtschaftswissenschaften. In seinem Buch »Copycats: How smart companies use imitation to gain a strategic edge« zeigt er, dass Imitationen ebenso für wirtschaftliches Wachstum sorgen wie Innovationen. Shenkar lehrt am Fisher College of Business der Ohio State University und hat Gastprofessuren an Universitäten in China, Japan und Israel inne. Zudem berät er internationale Konzerne, Regierungen und Institutionen zu den Themen Wirtschaft und Management, strategische Beziehungen und Organisationstheorie.
Vor Ort
Menschen:
Abtauchen für mehr Sicherheit Peter von Elterlein-Szalata ist Experte für Flachbodentanks. Um sie einfacher prüfen zu können, hat TÜV SÜD einen Tauchroboter entwickelt. Hier ist er kurz vor einem Ölbad zu sehen.
S
ie nennen ihn »ROV« und das, was er macht, eine »ROVolution«. Die drei Buchstaben stehen für »remotely operated vehicle«. Es handelt sich also um ein ferngesteuertes Fahrzeug. Genauer: um einen Tauchroboter, der ein paar Dinge erheblich vereinfachen, sicherer und schneller machen soll. Der ROV, den die Nürnberger Firma Actemium Cegelec gemeinsam mit TÜV SÜD entwickelt hat, dient der Sicherheitsuntersuchung von Flachbodentanks. Er untersucht deren Wanddicke mit Ultraschallsensoren und sendet Kamerabilder in Echtzeit an eine Auswertungsstation. Der Roboter ist sicherheitstechnisch so ausgerüstet, dass er auch in entzündbaren Flüssigkeiten eingesetzt werden kann. Der Tank muss für die Prüfung nicht mehr entleert, gereinigt und entgast werden. »Ein enormer Gewinn an Sicherheit und Umweltschutz«, sagt der TÜV SÜD-Sachverständige Peter von Elterlein-Szalata. »Der gefährliche Arbeitseinsatz von Personal im Tank entfällt ebenso wie Abfälle und Emissionen beim Entgasen und Abfackeln leicht flüchtiger Produkte.« Bisher werden die Gase mit speziell entwickelten Einrichtungen verbrannt, denn aufgrund gesetzlicher Vorgaben dürfen sie nicht in die Atmosphäre entweichen. So gehen Rohstoffe verloren und klimaschädliches CO2 entsteht. Die Anwendung des ROV hat noch einen weiteren Vorteil: Sie spart eine Menge Zeit. Bisher dauerte die Entleerung, Entgasung und Reinigung von Lagertanks bis zu vier Wochen, so der TÜV SÜDSachverständige. Kosten- und zeitintensive Betriebsstillstände, die für viele Tankbetreiber ein großes Problem darstellen, mit dem Tauchroboter aber der Vergangenheit angehören sollen.
Mehr Infos zum Thema: www.tuev-sued.de/dampf-_und_drucktechnik
TÜV SÜD Journal 21
Auf dem Weg
Hauptuntersuchung (HU):
AUF DEM W EG
ACHT #22 HU M H TE GESCHIC RADE #24 UPG E LA S FÜR FAV
HUndert verkehrs Sicherheit – dafür steht TÜV SÜD seit fast 150 Jahren. Mit Prüfungen von Autos und Fahrzeugen macht das Unternehmen die Straßen sicher.
1906 Die Geburt der HU
MÜHSAME TESTS
ANSTURM AUF Prüfstellen
In den Dampfkesselüberwachungsvereinen, den späteren TÜV, entstehen eigene Abteilungen für die »Prüfung von Fahrzeugen und deren Führern«. Die Tests von Bremsen und Co. sind noch eine mühsame Arbeit. Prüfstationen mit Gruben und Hebebühnen gibt es noch nicht. Auf Wägelchen rollen die Prüfer unter die Autos, um deren Sicherheit zu gewährleisten.
In den 1950er-Jahren setzt die Mobilisierung der Massen ein. Autos werden erschwinglich – und die TÜV-Plakette ab 1951 gesetzlich vorgeschrieben. An vielen Prüfstellen kommt es zu langen Schlangen wie vor Grenzen in der Urlaubszeit.
1920
Die ersten Autos rollen durch Deutschland. Regelmäßige Fahrzeugchecks – zunächst auf freiwilliger Basis – verbessern die Sicherheit auf den Straßen. Ab 1906 führt die badische »Gesellschaft zur Überwachung und Versicherung von Dampfkesseln«, eine Vorläuferorganisation von TÜV SÜD, solche Prüfungen durch.
1950
n Urlaub e d in g e W m Auf de stellt, dass e g st e f h ic be ha ist. Bei die HU fällig ich spontan e t n on k D Û S V TÛ Ferien waren vorfahren. Die 52 Jahre Jochen Büttner, gerettet!
Autos. Mit n vo s t h ic n h ic Früher verstand s mehr, weil die TÛV SÛDe jeder HU wurde erklären, was sie machen. au 48 Jahre Gabriele Wider, Prüfer mir gen 22 TÜV SÜD Journal
Auf dem Weg
prozent tauglich
war super. Und r e f rü p in e h c rs e Mein Führe auf freundlich h ic e f f re t U H auch bei der e ist 1a. ic rv Se r e D . e ig 32 Jahre Sachverständ Janina Lermer,
ALLES IM BLICK Der technische Zustand der Bremsen ist einer der Punkte, die bei der Hauptuntersuchung im Fokus der TÜV SÜD-Experten stehen.
unter Strom Weil sich Elektronik im Fahrzeugbau immer weiter ausbreitet, wird eine »Elektronik HU« eingeführt. Bei Fahrzeugen, die ab 2006 zugelassen sind, werden auch elektronische Assistenzsysteme wie Stabilitätskontrolle und ABS überprüft.
1961 NEUE PLAKETTEN Erhielten Autofahrer bisher amtliche »Einladungen zur Hauptuntersuchung«, sorgt ab den 1960er-Jahren die Plakette für Durchblick. Sie weist auf die nächste Prüfung hin. Verliehen werden die Plaketten unter anderem von TÜV SÜD.
1980
2006
2015
Die Entwicklung der Prüfgeräte ist beeindruckend. Alles wird kleiner und digitaler. Jahr Philipp Elbracht-Hülseweh , 37
Bunte Zeiten Um die Kontrolle der Prüfplaketten zu erleichtern, wird das System 1980 angepasst. Jedes Jahr hat die Plakette eine andere Farbe, die sich erst nach sechs Jahren wiederholt.
e
DER ZAHLENCODE Die schwarz hervorgehobenen Segmente der Prüfplakette erleichtern die Orientierung: Sind sie rechts, muss das Fahrzeug im Frühjahr zur HU. Weisen sie nach unten, steht die Untersuchung im Sommer an. Zeigen sie nach links, ist ein Termin im Herbst fällig. Stehen sie oben, erwarten einen die TÜV SÜD-Experten im Winter.
Mehr Infos: www.tuev-sued.de/hauptuntersuchung TÜV SÜD Journal 23
Auf dem Weg
Die durch
Sta
Rund 20 Millionen
Menschen wohnen in der Metropolregion São Paulo
Zwischen fünf und 20 Prozent der Bevölkerung – je nach Statistik – wohnen in slumähnlichen Zuständen
Wenn Megacitys wie São Paulo wachsen, dann nehmen auch ihre Problemzonen zu. Doch statt die Armenviertel zu räumen, setzt Brasilien auf »Slum-Upgrading«: Mit gezielten Eingriffen soll so das Leben der Menschen verbessert und ein Anstoß zur Selbsthilfe gegeben werden. Text: Timour Chafik
24 TÜV SÜD Journal
Auf dem Weg
lässige
adt Über 2.000
Favelas gibt es in São Paulo – allein 70.000 Einwohner zählt Paraisópolis, die grösste Favela
Wunsch und Wirklichkeit: Die Favela im Hintergrund soll durch Schulen, Sportstätten, Nahverkehr und Einkaufsmöglichkeiten aufgewertet werden.
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Auf dem Weg
G
eht es nach UN-Habitat, dem Wohn- und Siedlungsprogramm der Vereinten Nationen, dann haben all die bisherigen Stadtplaner und Geografen, die urbanen Effizienz- und Mobilitätsmanager vor der rasanten Verstädterung der Welt kapituliert: »Eines der sichtbarsten Zeichen dafür, dass das Steuern des Urbanisierungsprozesses gescheitert ist, ist die Verbreitung von Slums«, konstatiert die UN-Organisation in ihrem »Participatory Slum Upgrading Programme«. Weltweit würde nahezu eine Milliarde Menschen unter lebens- und gesundheitsgefährdenden Umständen in Elendsvierteln leben – in Slums, Favelas, Bidonvilles oder Shantytowns. Und weil die Weltbevölkerung nicht aufhören wird zu wachsen und dieses Wachstum vor allem in den urbanen Zentren der Entwicklungsländer stattfindet, seien »dringende Maßnahmen erforderlich, um die Lebensbedingungen in den Slums zu verbessern«. Wohlstand auf der einen, extreme Armut auf der anderen Seite kennzeichnet viele der großen Metropolregionen der Erde. Kaum jemand hat diese Kluft so treffend zum Ausdruck gebracht wie der brasilianische Fotograf Luiz Arthur Leitão Vieira. Sein Bild mit dem Titel »Favela Paraisópolis (swimming pools)« ist eine Luftaufnahme der berühmtesten Favela São Paulos. Auf der linken Seite reiht sich Baracke an Baracke, mit Wellblech bedeckt, von manchen Fenstern spinnen sich Wäscheleinen auf die andere Häuserseite. Auf der rechten Seite wächst ein Luxushochhaus in die Höhe, ein Dutzend Balkone fächern sich auf, auf jedem ein privater, beheizbarer Pool. Eine hohe Betonmauer trennt die beiden Welten, die mitten in der brasilianischen Millionen-Metropole aufeinanderprallen. Ein kraftvolles Bild, das
häufig benutzt wird, um die räumliche Teilung der Stadt zu illustrieren. Dabei sind die Grenzen in Wirklichkeit weit weniger hart. Es sind keine Mauern, die Favelas von ihrer Umgebung trennen, sondern prekäre Wohnverhältnisse, Infrastrukturmängel und die ungeordnete Besetzung von Land.
Die Entwicklung von Jardim São Francisco ist eng verbunden mit der von São Paulo selbst. Der erste städtische Eingriff in das Gebiet war 1979 die Eröffnung einer Mülldeponie. Auf weiteren Flächen entstanden in den folgenden Jahren unter dem Druck des stetigen Wachstums von São Paulo Sozial-
»Die Favelas
haben ihre physischen Grenzen erreicht. Sie müssen in die Städte integriert werden, die sie umgeben.« – Ana Maria De Biase, Bureau Seit den späten 1980er-Jahren unterstützt das Unternehmen Bureau de Projetos e Consultoria, ein in São Paulo ansässiges Tochterunternehmen der TÜV SÜD Gruppe, die Wohnungsbaubehörde der Stadt bei Projekten zur Urbanisierung und Re-Integration der Favelas – beim sogenannten Slum-Upgrading. Eine Aufgabe, deren Ziel es ist, die fiktiven Mauern zwischen den zwei Teilen der Stadt durchlässiger zu machen. Ein Museum an Maßnahmen
Zum Beispiel in Jardim São Francisco, der drittgrößten unter den insgesamt mehr als 2.000 Favelas in der Metropolregion. Rund 20 Kilometer südöstlich des Stadtkerns leben hier 50.000 Menschen auf knapp 1,8 Quadratkilometern, die bereits seit Anfang der 1980er-Jahre Teil des Slum-Upgradings sind. Dabei geht es um sozialen Wohnungsbau im Groß- wie im Kleinformat, um Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Parks, dazu die Implementierung diverser Buslinien und den Bau von Straßen.
wohnungen. Jede Maßnahme der Stadtverwaltung mag für sich sinnvoll gewesen sein. Es fehlte allerdings ein Gesamtkonzept.
Urbane Akupunktur Wenn in einem Armenviertel eine neue Bushaltestelle oder eine Bibliothek gebaut wird, ist das weit mehr als ein reines Infrastrukturprojekt. Die Stadtplanung spricht hierbei gelegentlich von »urbaner Akupunktur«, es werden Nadelstiche gesetzt, die Energien freisetzen: Die Bewohner erfahren Wertschätzung, bekommen die Möglichkeit zur Kommunikation und zur Partizipation. Das wiederum weckt im Idealfall ein Verantwortungsgefühl dem urbanen Raum gegenüber – nicht zuletzt deshalb setzt das Slum-Upgrading auf die Einbeziehung der Favela-Bewohner schon in der Planungsphase. Die Slumsanierung trägt dazu bei, die Lebens- und Wohnverhältnisse zu verbessern und die Menschen ins geregelte Stadtleben zu integrieren.
Down- und Upgrading: die Favela Jardim São Francisco Auf deren Fläche entstehen Übergangshäuser.
1979
1981
Eröffnung der Mülldeponie Sapopemba
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Andere Teile werden von Favela-Bewohnern besetzt.
Die Mülldeponie wird geschlossen.
1982 1.299 reguläre Häuser werden gebaut.
1984
1989 Die Umgebung der Deponie wird offiziell mit 1.365 Häusern bebaut.
1992
Es kommt zu weiteren Gebietsbesetzungen.
1993 Ein weiteres offizielles Bauprojekt startet. 1.336 Häuser entstehen.
1996
Auf dem Weg
Das hat letztlich auch die Wohnungsbaubehörde erkannt und Bureau damit beauftragt, einen übergeordneten Aktionsplan zu entwickeln und umzusetzen: »Der Plan war notwendig, um die bisher getroffenen Maßnahmen unter einem Dach zusammenzufassen und an die Anforderungen einer modernen Stadt- und Regionalplanung anzupassen«, sagt Ana Maria De Biase, verantwortliche Projektmanagerin bei Bureau.
Bureau, seit 2002 in der Favela Jardim São Francisco aktiv, war sowohl für das Baumanagement von Sozialwohnungen als auch für Grundlagenstudien und die Qualitätssicherung beratend wie ausführend verantwortlich. Im Bereich Slum-Upgrading und sozialer Wohnungsbau arbeiten heute mehr als 110 Mitarbeiter. »Das technische Wissen und die Erfahrung dieser Kolleginnen und Kollegen im Umgang und Austausch mit
Legende Grenzen von São Francisco Hauptstraßen
Städtebauentwicklung Sozialer Wohnungsbau
Straßeninfrastruktur, Entwässerungsanlagen, Hangstabilisierungen Bushaltestellen, Einkaufszentren, Sport-, Freizeit- und soziale Einrichtungen
Autobahnen
den Einwohnern und den städtischen Angestellten gibt dem Sanierungsprojekt eine gute Basis«, sagt Norma Franzosi, Koordinatorin bei Bureau. Es zielt nicht nur darauf ab, die Favela-Bewohner in das Stadtleben zu integrieren, sondern auch darauf, ein Nachbarschaftsgefühl innerhalb von Jardim São Francisco zu schaffen. Denn die neu gebaute Autobahn Jacu Pêssego teilt das Gebiet in zwei Hälften (siehe Karte). Beim Slum-Upgrading geht es also nicht nur um Infrastruktur. Das Projekt wird als ganzheitliches Entwicklungsprogramm gesehen. Favelas sind hochkomplexe Problemzonen, gekennzeichnet durch Armut, Bildungsdefizite, Gewalt und Drogendelikte. Um all dem erfolgreich zu begegnen, ist die Zusammenarbeit vieler Disziplinen erforderlich, und zwar in allen gesellschaftlichen Sektoren. Es ist das Engagement der Stadtverwaltung vonnöten, ebenso wie das von Privatwirtschaft und sozialen Organisationen. Aufwertung der Armenviertel
Die Karte veranschaulicht einige Punkte des Aktionsplans zum Upgrading der Favela Jardim São Francisco.
In den kommenden sechs Jahren sollen 950 neue Häuser gebaut, die Wasser- und Abwasserinfrastruktur aufgerüstet, das Straßennetz ausgebessert und erweitert sowie neue Einzelhandelseinrichtungen, Bus-Terminals, aber auch Freizeiteinrichtungen geschaffen werden. Alles klar abgegrenzte Projekte, die aber weit mehr sind als nur ein Investitionsprogramm in Höhe von 90 Millionen USDollar: Sie verbessern die Lebensbedingungen der Slumbewohner, schaffen damit aber auch ein besseres räumliches Gleichgewicht in der Stadtstruktur (siehe Kasten links). Das wird die Mauern zwischen Arm und Reich nicht vollends einreißen; die »Aufwertung der Armenviertel« kann sie aber zumindest ein Stück weit durchlässiger machen. Mehr Infos zum Thema: www.tuv-sud.com.br
1997 Ein Großteil der Favela ist besiedelt.
»Bureau« übernimmt die Raumplanung und erstellt Studien zur Situation in der Favela.
»Bureau« untersucht Kontaminierung des Bodens und des Wassers.
Bau von 584 Häusern sowie Bus- und Kanalanbindung für 12.645 Familien
2002
2006
2008
2004 Das erste »Bureau«Projekt zur Integration der Favela startet.
2007 Das Favela-Upgrading-Programm baut die ersten 88 Wohneinheiten.
»Bureau« legt einen breit angelegten Integrationsplan für die Favela vor.
2014
2010 Bau von 844 weiteren Häusern
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Auf den Punkt
AUF DEN PU N K T
KANN #28 WAS ? CARBON E BE R G #30 RAT IER OSTERE
Einsatzgebiete Die Sportindustrie, die Automobil
industrie, die Luft- und Raumfahrtindustrie, die Offshore-Windindustrie – auf der Suche nach dem Werkstoff der Zukunft sind sie alle auf den schwarzen Faden Carbon gekommen: Bremsscheiben, Rennräder, Yachten, Flugzeugrümpfe, Karosserieteile von Rennwagen und Elektroautos, Dach konstruktionen, Bauteile für Satelliten, sogar Rotorblätter von Windkraft anlagen werden heute mit Carbon gefertigt. Und die Bereiche, in denen es noch eingesetzt werden soll, wachsen weiter an.
Am schwarzen
Faden CO2-Ausstoß-Verringerung, Energieersparnis, nachhaltige Produktion – die Anforderungen der Industrie an ihre Werkstoffe wachsen. Eine schwarze HightechFaser soll die Zukunft (mit)gestalten: Carbon. Text: Julia Feldhans
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Auf den Punkt
in Unserer Magazin-App
Eigenschaften
Carbon ist leicht, steif, formstabil, ermüdungsfest, thermisch hoch belastbar und fähig, hohe Energien aufzu nehmen – der industriell gefertigte Carbonfaden beeindruckt durch seine »Superfähigkeiten«, die den industriellen Herausforderungen im 21. Jahrhundert selbstbewusst widerstehen. 50 Prozent
leichter und gleichzeitig um ein Vielfaches fester als Stahl, ist der kohlenstofffaserverstärkte Kunst stoff etwa für die Automobilindustrie ein wahrer Traumwerkstoff: Er macht den Bau von deutlich leichteren Karosserien möglich, und somit rückt das Ziel, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 50 Prozent zu verringern, in greifbare Nähe.
Produktion
Weltweit haben sich drei große Unternehmen etabliert, die den carbonfaserverstärkten Kunststoff (CFK) herstellen – mit Schwerpunkten in Deutschland und Japan.
1
Herausforderungen Die Forschung muss noch einige Hürden nehmen, um das komplette Potenzial der Carbonfaser auszu schöpfen. Noch ist ihre Produktion aufwendig und teuer. Gleichzeitig muss die Materialzusammensetzung optimiert werden. Denn noch basiert der Verbundwerkstoff CFK (carbonfaserverstärkter Kunststoff) auf Abfällen aus der Mineralölherstel lung. Das Forschungsziel: diese durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen, um auch das Problem der Abfall entsorgung zu lösen.
Vorbehandeln
Ausgangsstoff für die Produktion sind feine, kohlenstoffhaltige Fasern, die einen Durchmesser von etwa fünf bis neun Mikrometer haben. Sie werden zunächst immer wieder erwärmt und abgekühlt. So erhält Carbon zwei seiner wichtigsten Fähigkeiten: Es brennt und schmilzt nicht.
2
Erhitzen
Die Fasern werden durch eine bis zu 1.500 Grad Celsius heiße Glutkammer gezogen. Sie bestehen nun beinahe aus reinem Kohlenstoff und sind circa zehnmal dünner als ein Menschenhaar.
3
Aufspulen
Die Kohlenstofffasern werden anschließend auf Spulen gezogen, um sie industriell weiterzuverarbeiten. Das ist nötig, da die Fäden allein nicht zu verwenden sind.
4
Weben
5
Verstärken
Um die Matten industriell zu nutzen, werden sie in eine Matrix aus Kunststoff eingebettet: Dazu werden sie in eine Form, die das Bauteil erhalten soll, gelegt und mit einem synthetischen Harz getränkt. So wird verhindert, dass sich die Fasern unter Belastung verschieben.
6
Schichten
Um dem Produkt seine Grundstabilität und eine höhere Festigkeit zu geben, werden je nach Wunscheigenschaft des Bauteils mehrere Matten in verschiedene Richtungen übereinandergelegt. Den Bauplan dafür berechnet der Computer. Jede Matte wird zuvor mit einem Spezialharz getränkt.
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Backen
Die geschichteten Matten werden für acht Stunden in einen gasdichten und verschließbaren Druckbehälter (Autoklav) geschoben und bei 250 bis 1.300 Grad Celsius gebacken. Nach dem Auskühlen können sie verarbeitet werden.
Die Fäden werden mit Webstühlen aus der Textilindustrie zu Matten verarbeitet: Sie werden gewebt, gelegt und miteinander verflochten. TÜV SÜD Journal 29
Auf den Punkt
Ratgeber:
Ei, ei, ei, das Osterei Was wäre Ostern ohne Ostereier? Sie werden gekocht, gefärbt, versteckt, verschenkt und dann verzehrt. Rund ums Ei gibt es viele Geschichten. Hier sind fünf davon. Eine Frage des Geschmacks?
Viele Verbraucher bevorzugen braune Eier, weil sie angeblich schmackhafter und gesünder seien. Dabei hat die Farbe der Schale überhaupt keine Auswirkungen auf Geschmack, Nährstoffe oder Vita mine. Die braune Farbe entsteht dadurch, dass bestimmte Hühnerrassen einen roten Blutund gelben Gallenfarbstoff ausscheiden, der sich auf der kalkhaltigen Eierschale braun ablagert.
Wurfgeschosse
Viele Regionen haben eigene Osterbräuche. Beispiel: das Eierwerfen. In Friesland werden gekochte Eier möglichst weit geworfen, dabei dürfen sie nicht zerbrechen. In Teilen Süddeutschlands und Tirols werden sie übers Haus geworfen, und im Vogtland müssen die geworfenen Eier sogar per Hand gefangen werden. Mehr Service rund um sichere Lebensmittel: www.tuev-sued.de/sichere-lebensmittel
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Ob groß oder klein Die Deutschen mögen Eier: Allein im vergangenen Jahr (2014) haben sie 18 Milliarden Eier gegessen. Pro Kopf sind das 220 Eier im Jahr. Ist von »Ei« die Rede, ist übrigens immer das Hühnerei gemeint. Andere Vogeleier, beispielsweise von Wachteln oder Straußen, müssen nach der Tierart benannt sein.
Warum noch piksen?
Wieder ist ein Mythos dahin. Ob angepikst oder nicht gepikst, jedes zehnte Ei platzt, wenn es gekocht wird. Das hat eine Untersuchung von 3.000 Eiern ergeben. Ein guter Ratschlag, um das Platzen zu vermeiden: Die Eier einfach vor dem Kochen ins Wasser legen. Schreck lass nach! Seit Großmutters Zeiten werden Eier nach dem Kochen mit kaltem Wasser abgeschreckt. Der (möglichst große) Temperaturschock nach dem Kochen bewirkt, dass sich das Ei in der Schale zusammenzieht und so eine Art Luftpolster entsteht. Dadurch lässt sich das Ei später leichter pellen.
Akademie | Termine
04/05/06 KALENDER
Auf folgenden Messen, Kongressen und Veranstaltungen können Sie TÜV SÜD live erleben. Unsere Expertenteams freuen sich auf Ihren Besuch. Mehr Infos zu den Terminen: www.tuev-sued.de/konzernevents
april Hannover Messe, Hannover, 13.–17.04.2015 Internationale Leitmesse zu den aktuellen Kernthemen der Industrie Interalpin, Innsbruck, 15.–17.04.2015 Messe für Seilbahntechnik, Beschneiung und Winterdienstgeräte Deutsches CSR-Forum, Ludwigsburg, 20.–21.04.2015 Dialog zur Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft Future Thinking, Darmstadt, 20.–21.04.2015 Fachausstellung mit Vorträgen für die Rechenzentrumsbranche Berliner Immobilien Messe, Berlin, 25.–26.04.2015 Wohnbauunternehmen präsentieren ihr aktuelles Angebot safe.tech, München, 28.–29.04.2015 Neues aus Automobiltechnik, Bahntechnik und Automatisierung
Juni Lightfair International, New York, 05.–07.06.2015 Beleuchtungstechnik-Messe für Architekten, Handel und Hersteller Achema, Frankfurt, 15.–19.06.2015 Weltforum der chemischen Technik und Prozessindustrie
Bildungs-Tipps TÜV SÜD Akademie
Bildungserfolge systematisch messen Unternehmen, die ihr Bildungs- und Talentmanagement professionalisieren, stehen früher oder später vor der Frage: Wie können die verschiedenen Aktivitäten eigentlich aussagekräftig gemessen werden? Um möglichst umfassende und belastbare Ergebnisse zu erhalten, sollte die Erhebung und Auswertung der Daten dabei auf verschiedenen Stufen erfolgen. Der Start – deskriptive Daten erheben: Wie viele Mitarbeiter wurden geschult? Wie viele Weiterbildungstage sind dabei entstanden? Wie viele Experten konnten ein Zertifikat erwerben? Diese Daten sind leicht zu erheben und sollten von jedem Unternehmen erhoben werden. Mehr als Smileys – die Zufriedenheit messen: Auch wenn sogenannte Happy Sheets in Verruf geraten sind, ist die Zufriedenheit der Teilnehmer eine wichtige Kenngröße. Aussagekräftiger wird eine Befragung, wenn der Feedbackbogen erst einige Tage nach dem Kurs verschickt wird. Im Kopf – Lernerfolge aufzeigen: Ziel jeder Bildungsmaßnahme ist es, dass der Teilnehmer etwas lernt und über einen längeren Zeitraum tatsächlich behält. Das können Unternehmen mit einfachen Wissenstests drei und sechs Monate nach der Veranstaltung prüfen. Am Arbeitsplatz – Transfererfolg sichern: Kann der Mitarbeiter Gelerntes auch gut anwenden und umsetzen? Hier ist die Messung besonders schwierig. Eine Befragung der Mitarbeiter, wie gut Wissen in Praxis umgesetzt werden kann, hilft. Was bringt‘s wirklich – Output bestimmen: Unternehmen wollen auch wissen, was sich durch Bildung verändert hat. Werden Besprechungszeiten kürzer? Sind die Kunden zufriedener? Wer schon vor der Trainingsmaßnahme gemessen hat, kann diese Werte nun vergleichen. Aber Achtung – hier unbedingt eng mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten. Die hohe Schule – Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen anstellen: Welche Kosten sind für eine Bildungsmaßnahme angefallen und welcher betriebswirtschaftliche Nutzen wurde dadurch erwirtschaftet? Die Errechnung des Return on Education hat es in sich. Für große Trainings- und Personalentwicklungsprojekte lohnt sich die Monetarisierung aber, um Erfolge unternehmensweit zeigen zu können und den Wert der betrieblichen Bildung langfristig zu erhöhen. Mehr Infos: www.tuev-sued.de/akademie-de/betriebliches-bildungsmanagement
Impressum Herausgeber: TÜV SÜD AG, Westendstraße 199, 80686 München | Inhaber: TÜV SÜD e.V. (74,9 %), TÜV SÜD Stiftung (25,1 %), Westendstraße 199, 80686 München Leiter Unternehmenskommunikation: Matthias Andreesen Viegas | Projektleitung & Chefredakteur: Jörg Riedle Kontakt: +49 (0)89 5791-0, info@tuev-sued.de | Realisation: Medienfabrik Gütersloh GmbH, Neumarkter Straße 63, 81673 München Druck: Eberl Print GmbH, Kirchplatz 6, 87509 Immenstadt | Fotonachweis: Apple Inc. (20), corbis (1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 12, 13, 14, 16, 17, 20, 24, 25, 28, 30, 32, 33), David Lisbona (16), DFB-Museum (4, 5), fotolia (29), Oded Shenkar (18), Reflect 9), TÜV SÜD (3, 15, 21, 22, 23, 27); Illustration: Janina Lermer (34, 35) Das TÜV SÜD Journal erscheint vierteljährlich. Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das TÜV SÜD Journal wird klimaneutral auf einem Papier aus nachhaltiger Holzwirtschaft gedruckt.
klimaneutral
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gedruckt
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Kooperation für effizienteres Zertifizierverfahren
Auszeichnung für den Geschäftsbericht der TÜV SÜD Gruppe
Neues Prüfzentrum für Batterietests in Japan
TÜV SÜD PSB in Singapur und das staatliche Korea Testing Laboratory kooperieren seit Ende 2014 bezüglich der Zertifizierung von Produkten zur Erreichung eines sogenannten KC Mark. Die Prüfberichte werden von den Prüforganisationen gegenseitig anerkannt, was für Hersteller von Elektronikprodukten das Zertifizierverfahren in den jeweils anderen Ländern vereinfachen, beschleunigen und vergünstigen kann.
Der aktuelle Geschäftsbericht der TÜV SÜD Gruppe ist der »Beste Geschäftsbericht 2013«. Beim renommierten Private Public Award wurde die Publikation von einer Fachjury auf Platz 1 gewählt. Ausgewertet wurden die 250 umsatzstärksten deutschen Unternehmen in Familien- und Stiftungs besitz. Der Private Public Award wird von ergo Kommunikation und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PKF vergeben.
Seit Ende 2014 ist TÜV SÜD Partner der ESPEC Cooperation, einem der größten Hersteller und Betreiber von Umweltprüfeinrichtungen in Japan. Gemeinsam bauen die beiden Unternehmen derzeit ein neues Prüfzentrum für große Batteriesysteme aus. Ziel ist es, ab 2015 das komplette Prüfspektrum für Antriebsbatterien von Elektrofahrzeugen in Japan anbieten zu können.
jane.lim@tuv-sud-psb.sg
matthias.andreesen@tuev-sued.de
volker.blandow@tuev-sued.de
Unterstützung des Offshore-Projekts »Sandbank« vor Sylt
TÜV SÜD begleitet den Bau des neuen Offshore-Windparks »Sandbank« rund 90 Kilometer vor der Nordseeinsel Sylt. Das Unternehmen bekam von der Betreibergesellschaft Sandbank Offshore Wind GmbH den Zuschlag für die Zertifizierung der Implementierungsphase und für die Fertigungsüberwachung. In diesem Rahmen werden die Offshore-Windexperten von TÜV SÜD die Fundamente, Windenergie anlagen, die Umspannstation sowie die interne Verkabelung des Windparks prüfen. Der Startschuss für den Bau der Gesamtanlage fiel bereits im Sommer 2014, als die Anteilseigner Vattenfall und die Stadtwerke München ihre Investitionsentscheidung für das bereits genehmigte Projekt trafen. Die 72 Windenergieanlagen der 4-Megawatt-Klasse werden nach Fertigstellung eine elektrische Leistung von insgesamt 288 MW haben und eine jährliche Strommenge erzeugen, die dem Bedarf von rund 400.000 Haushalten entspricht. alexander.heitmann@tuev-sued.de
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Vernetztes Lernen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Für mehr Durchhaltevermögen im Elektrotechnikstudium sorgen an der Hochschule Mannheim seit zwei Jahren Tablet-Computer mit ausgeklügelten Lern- und Testmethoden. Die Technologie erleichtert den Zugang zum komplizierten Stoff und gibt den Dozenten bessere Einblicke in die LernentwickRund lung jedes einzelnen Studenten. Unterstützt wird das Programm von der beträgt die Abbrecherquote TÜV SÜD Stiftung, die zusätzlich zur Fiim Elektronikstudium – zu hoch, nanzierung der Computer jetzt für fünf findet die TÜV SÜD Stiftung. neue studentische Hilfskräfte sorgt. Sie helfen ab sofort bei der Programmierung der Lern-Software Moodle, einer offenen Online-Lernplattform, die kooperative Lehr- und Lernmethoden unterstützt. Dazu werden die angehenden Ingenieure in den ersten Semestern mit spezieller Technik ausgestattet, mit der sie jederzeit und an jedem Ort gemeinsam mit Kommilitonen lernen und mit dem Dozenten in Kontakt treten können. Der Clou der Tablet-Computer: Sie können auch mit einem Stift bedient werden – Schreiben oder Notieren mit der Hand sorgt zusätzlich dafür, dass Lerninhalte besser sitzen.
60 Prozent
christa.burmeister@tuev-sued-stiftung.de
5 Minuten
Erweiterte Produktprüfungen in Süd-China Neues Prüfzentrum in Shenzhen: Auf rund 10.000 Quadratmetern Fläche vereint TÜV SÜD in der südchinesischen Industriemetropole vier Prüflabore für elektrische & elektronische Produkte, elektromagnetische Verträglichkeit, Spielwaren und chemische Prüfungen. Damit können dort unter anderem Elektrogeräte und Maschiist TÜV SÜD in Shenzhen nen, Schuhe, Textilien und Medizinprodukte geprüft mit eigenen Labors vor Ort. werden – alles Bereiche, in denen die verarbeitende Industrie von Guangdong seit jeher stark vertreten ist. Der neue Standort ermöglicht dank besserer Ausstattung und Prüfumgebung ein differenzierteres und moderneres Labormanagement, gleichzeitig wird das Angebotsportfolio erweitert.
Nachhaltigkeit von Immobilien
Seit 14 Jahren
misha.lu@tuv-sud.tw
Minuten
Das TÜV SÜD-Tochterunternehmen TÜV SÜD ImmoWert bietet seit Kurzem Verkehrswertgutachten für Immobilien mit erweiterten Aussagen zur Nachhaltigkeit an. Im Zuge der regelmäßigen Immobilienbewertung werden bei der »Green Valuation«-Bewertung Daten von gewerblichen Gebäuden nach dem führenden Nachhaltigkeitsstandard BREEAM DE Bestand (Teil 1 Gebäude) erhoben und bewertet. Unter anderem werden die Georisiken, verwendete Baustoffe, die Energieeffizienz der Anlagentechnik, gespartes Trinkwasser, Mülltrennung sowie Energiebedarf und -versorgung untersucht. ruediger.hornung@tuev-sued.de
mit TÜV SÜD
TÜV SÜD ServiceExcellence für ganzheitlichen Kundenservice Die »ServiceQualität« eines Unternehmens zertifiziert TÜV SÜD schon länger, nun hat das Unternehmen ein erweitertes Gütesiegel entwickelt: ServiceExcellence (SE). Die neue Zertifizierung prüft und bewertet die vier Aspekte Servicekultur, Servicezuverlässigkeit, Umgang mit Beschwerden und Qualifikation der Mitarbeiter unter dem Gesichtspunkt der Kundenbegeisterung. Damit soll das Niveau eines bereits guten Kundenservice noch mal angehoben werden, um Kunden mit positiven Erlebnissen zu überraschen. Im Rahmen der ServiceQualität werden Audits vor Ort, Mystery Tests, Dokumentenprüfungen und alle zwei Jahre eine Kundenbefragung durchgeführt. Für das ServiceExcellence-Zertifikat erfolgt die Kundenbefragung jährlich. Zusätzlich finden eine Mitarbeiterund eine Partnerbefragung statt. Für einen ganzheitlichen und gelungenen Serviceansatz müssen auch sie mit einbezogen werden, da nur loyale und motivierte Mitarbeiter in der Lage sind, Kunden langfristig zu binden.
Kostenloser Online-Check zur Energieeffizienz in der Industrie TÜV SÜD hat zusammen mit ILF Beratende Ingenieure GmbH und dem Unternehmen PE INTERNATIONAL die Online-Plattform »Energieeffizienz-Check!« gestartet. Dort können sich Unternehmen aus der Industrie schnell und unkompliziert einen Überblick über die eigene Situation verschaffen und Optimierungspotenziale identifizieren – und zwar absolut kostenlos! Anders als viele bestehende Plattformen ist die Software daunter www.tuev-sued.de/is/ee-check bei ganz auf die konkreten Anforderungen produzierender Unternehmen ausgerichtet. Unter anderem werden Planungshilfen rund um Prozesswärme, Druckluftsysteme oder Beleuchtungslösungen angeboten. Auf Basis der Ergebnisse kann dann einfach und gezielt der Handlungsbedarf ermittelt werden.
Anmeldung
barbara.hochbaum@tuev-sued.de gerd.streubel@tuev-sued.de
TÜV SÜD Journal 33
Zu guter Letzt
moderne
ALCHEMIE Warum ein britischer Geophysiker aus Erdnussbutter Diamanten presst
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Zu guter Letzt
I
n dem Film »Blondinen bevorzugt« singt Marilyn Monroe ein Loblied auf sie: »Diamonds Are a Girl’s Best Friend«. Aber auch Männer wie Dan Frost schätzen die edlen Steine. Der aus Bristol stammende Professor stellt sie sogar selbst her – aus Erdnussbutter. Obwohl ihm seine Mutter eingebläut habe, nicht mit Lebensmitteln zu spielen, setzt er den Brotaufstrich am Bayerischen Geoinstitut in Bayreuth einem extremen Druck aus, um den natürlichen Entstehungsprozess von Diamanten zu imitieren. Sie bilden sich mehrere Hundert Kilometer tief unter der Erdoberfläche bei Temperaturen von mehr als 1.200 Grad Celsius und einem Druck, der 1,3 Millionen Mal so hoch ist wie der der Atmosphäre. Kohlenstoff wird zu harten Kristallen gepresst. In Tausenden von Jahren entstehen so im Erdinneren Diamanten. In Dan Frosts Labor dauert es nur wenige Wochen, bis ein etwa drei Millimeter großer Stein fertig ist. Gelegentlich komme es allerdings zu kleinen Explosionen. Schuld sei der Wasserstoff, der bei dem Prozess entweiche. Aber die Kollegen hätten sich inzwischen daran gewöhnt, scherzt der Wissenschaftler. Fragt sich nur, was seine Erdnussbutter-Alchemie soll? Um großen Reichtum kann es Dan Frost nicht gehen. Statt schön klar sind
seine Diamanten schlammig braun. Für teuren Schmuck taugen sie also nicht. Dafür seien sie bestens geeignet, um die Frage zu klären, wie unsere Erde entstand. »Ganz konkret interessiert uns, wie das Erdinnere mit der Oberfläche in den vergangenen Jahrmillionen interagiert hat«, erklärt Frost. Immer wieder seien Meteoriten auf unseren Planeten geknallt und hätten sie mit Elementen angereichert, die durch die verursachten Beben des Aufschlags weitläufig verteilt worden seien. Frost nimmt ihre Spur auf, indem er seine selbst gemachten Erdnussbutter-Diamanten mit Schallwellen bestrahlt. Die Muster ihrer Ausbreitung vergleicht er dann mit denen von Erdbebenwellen. Das Ergebnis wiederum lasse Rückschlüsse zu über die Zusammensetzung des Erdmantels. Bisher gingen Wissenschaftler zum Beispiel davon aus, dass der Erdmantel reich an Silizium ist. Dan Frosts Studien allerdings widersprechen dieser Annahme. Eine mögliche Erklärung ist, dass Meteoriten und Asteroiden weit weniger Silizium zur Erde gebracht haben als angenommen. Eine andere legt nahe, dass ein Großteil des Halbmetalls noch tiefer ins Innere der Erde gewandert ist. Aber welche Theorie stimmt? In weiteren Experimenten will Dan Frost auch diese Nuss knacken. TÜV SÜD Journal 35
Der SocialMedia-Boom Facebook, Twitter, WhatsApp oder Instagram – das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der sozialen Medien. Ihr Wachstum kennt scheinbar keine Grenzen.
Instagram zählt 300 Mio. User weltweit, von denen
Soziale Medien und ihre Reichweite Social Media im Vormarsch: Wäre Facebook ein Land und seine User dessen Bewohner, wäre es das bevölkerungsreichste der Welt. Doch auch Social Media aus Asien legen zu: Mit Q-Zone und QQ sind dem US-Netzwerk zwei Social-Media-Giganten dicht auf den Fersen.
FacebookUser verteilen ca.
75 Mio. täglich aktiv sind und rund 60 Mio. Fotos pro Tag posten.
4,5 Mrd.
Einwohner in Deutschland Einwohner in den USA Einwohner in der EU Q-Zone-User
( soziales Netzwerk aus China)
QQ-User
( soziales Netzwerk aus China)
Einwohner in Indien Einwohner in China Facebook-User Social-MediaUser weltweit
WhatsApp zählt weltweit
Likes pro Tag.
ca. 81 Mio.
700 Mio.
Pro Tag sind
User.
890 Mio.
ca. 319 Mio.
30 Mrd.
User aktiv.
Nachrichten werden pro Tag verschickt.
ca. 507 Mio.
Twitter-User versenden rund 8.500 Tweets pro Sekunde.
ca. 645 Mio.
ca. 829 Mio.
ca. 1,24 Mrd.
ca. 1,35 Mrd.
ca. 1,39 Mrd.
M
it 618.725 Tweets pro Minute sprengte das Finale der FußballWM 2014 alle Twitter-Rekorde: Nie zuvor wurden so viele Nachrichten in so kurzer Zeit versandt. Auch die Blogging-Plattform Tumblr wartet mit neuen Bestwerten auf: Mit einem Wachstum von 120 Prozent innerhalb der vergangenen sechs Monate ist sie aktuell das am schnellsten wachsende soziale Netzwerk weltweit. ca. 2 Mrd. Schon heute sind hier rund 420 Millionen User registriert.
Quellen: Ec.Europa.eu/eurostat, Facebook.com, Globalwebindex.net, InternetLiveStats.com, Statista.com, Tencent.com, WhatsApp.com, WeaAresSocial.net 36 TÜV SÜD Journal
284 Mio.