Ausgabe 02/2012 . 17. Jahrgang . 造 6.90
Ist zu viel genug? Die junge Kunstszene in Rio, Barcelona und Miami Build your brand Wunsch und Wirklichkeit im Schuhhandel Conquere the World Neue Messen f端r neue M辰rkte Check in die Einkaufszone Mobiles Commerce bietet neue Strategien f端r den Einzelhandel Coverdesign by Danny Sangra
PEPE WAS HERE.
pepejeans.com
misssixty.com
Editorial
Weniger ist mehr Zum Berliner Messemarathon konnte man gut sehen, was passiert, wenn zu viele ihr eigenes Süppchen kochen. Gibt es zu viele Rezepte und Zutaten, dann schmeckt sie den Besuchern womöglich nicht mehr so gut.
N
ichts gegen eine breite Auswahl. Es ist schon beeindruckend, wie viele Menschen sich anlässlich der dritten Januarwoche in der Metropole versammelten. Und welche vielfältigen Möglichkeiten sie hatten, ihren Terminkalender zu füllen. Aber für ein durchschnittliches Einkaufsteam (Journalisten eingeschlossen) ist es schier unmöglich, alles wahrzunehmen. Wo sich Sortimente nicht unterscheiden, scheint es sinnlos, neue Spots zu kreieren – außer, sie würden etwas wirklich Neues bieten. Die Einkäufer haben darüber augenscheinlich mit den Füßen abgestimmt. Was von Berlin bleibt und welche Eindrücke Händler und Marken mit nach Hause nahmen, haben wir in unserem Fashion Diskurs nachgefragt (Ab Seite 36). In der Zwischenzeit zieht die Einkäuferkarawane weiter von Stadt zu Stadt. Relativ neu ist ein Phänomen, dass selbst Messen ihre angestammte Heimat verlassen und sich in den aufstrebenden internationalen Märkten engagieren. Mehr darüber lesen Sie ab Seite 18. Starke Marken sind wichtig, nicht nur im Messegeschäft – wie Schuhmarken auf sich aufmerksam machen, haben wir anhand von unterschiedlichen Beispielen gezeigt (ab Seite 22). Welche Möglichkeiten Händler haben, sich als Marke gegen vertikale Massenprodukte durchzusetzen, lesen Sie auf Seite 28. Denn nicht nur der Schuhmarkt wird von den Zalandos und Amazons dieser Tage bewegt. A propos digitales Commerce – dem Handel bieten sich neue Chancen über Local Based Services. Wie das Smartphone den lokalen Handel unterstützen kann, lesen sie ab Seite 32. Viel Vergnügen beim Lesen wünscht Ihnen Ihr x-ray Team
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Auf dem Cover
„Aus dem jungen StreetwearSegment bin ich rausgewachsen.“
Danny Sangra
Danny Sangra aka „The Polymath of Creativity“ erwies uns die Ehre, das aktuelle x-ray-Cover zu gestalten. Der 31-jährige Londoner begann seine Künstlerkarriere bereits mit acht Jahren. Heute arbeitet er für Musiklabels wie Virgin Records, Designer wie Marc Jacobs, Miu Miu oder See by Chloé oder Brands wie Nike, Burton oder Gravis. Das Covermotiv mit dem Titel „Rebell behind the Velvet Rope“ entstand in enger Zusammenarbeit mit Harlan Levey, CEO des Modart-Magazins und Autor unseres Specials: „Fahr mal hin – Urban Contemporary Art Galleries“. Über Sangras Hang zum Rebellischen, seine Modelinie AMS und seine Leidenschaft, Moomins in Finnland zu jagen, lesen sie ab Seite 38. Vielen Dank, Danny, für das großartige Cover!
spring-summer 2012 preview
freemantporter.com
inhalt
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08 Editorial 14 Jetzt
so läuft’s 18 22 26 28 31 32 35
Conquere the World Neue Messen für neue Märkte Build your Brand Wunsch und Wirklichkeit im Schuhhandel Wie bio ist Bio wirklich? Jetzt mal Klartext! – Buhmann Baumwolle Jetzt schreien wir mal! Masse vs. Kompetenz Die gute Nachricht: Storch Heinar Check in die Einkaufszone M-Commerce bietet neue Strategien für den Einzelhandel The Belgian Window Streetwear-Pioniere aus Gent – ICC Distribution
Lass uns reden 36 38 40
Ist viel zu viel? Die große Berliner Messesause „The polymath of creativity“ Coverartist Danny Sangra im Interview Auf welchem Planeten lebt ihr eigentlich? Das Erfolgsgeheimnis von Planet Sports
MODE
44 Finden wir gut 48 A Girlz Thing Fashion Report Streetfashion 56 Trendreport Herbst/Winter 2012/13
Fahr mal hin
68 Urban Art Gallery Guide Die junge Kunstszene in Rio, Barcelona und Miami
vor ort
80 82 84 85 86 88 89
90 Und dann wäre da noch. Impressum
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Retailnews Zu viele gute Dinge AFew, Düsseldorf Elegante Pracht Ontfront, Amsterdam Superklein, aber besonders Vezjun, Amsterdam Alte und neue Klassiker 1 Store, Amsterdam Wohnzimmer für die Szene Boom, Bochum Ein Stück Berlin im Herzen von Oslo Kafe Liebling, Oslo
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THE ROCK BREAD & BUTTER AIRPORT BERLIN–TEMPELHOF
www.breadandbutter.com
photo by ingo robin
04 – 06 July 2012
energie.it
JETZT Text Ina Köhler, Isabel Faiss, Nicolette Scharpenberg Fotos Marken
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New Era Neuer Vice President EMEA
Paul Gils ist seit Anfang 2012 neuer Vice President der amerikanischen Lifestylemarke New Era. Er war zuvor für Marken wie Nike, Reebok und Columbia Sports tätig und leitet ab sofort alle Marketing-, Sales- und Distributionsaktivitäten für die Gebiete Europa, den Mittleren Osten und Afrika. Ziel ist es, das Wachstum der Marke in den entsprechenden Ländern weiter voranzutreiben. Gils berichtet direkt an New Era’s President Pete Augustine im weltweiten Headquarter der Marke in Buffalo, New York. www.neweracap.com
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G-Star Neues Kampagnenmodel
In der Frühjahr-/Sommer-Kampagne 2012 stellt G-Star die junge französische Schauspielerin Clémence Poésy als neues Gesicht vor. Bekannt wurde sie nicht zuletzt durch Kinoerfolge wie Harry Potter – als Mitschülerin des Titelhelden – und die TV-Serie Gossip Girl. Die Aufnahmen für die neue Kampagne entstanden in Zusammenarbeit mit dem Fotografen und Filmproduzenten Anton Corbijn. Er setzte Clémence Poésy in seiner charakteristischen Schwarz-Weiß-Fotografie vor der Kulisse Lissabons in Szene. Wieder mit dabei ist auch der Schauspieler Vincent Gallo, der bereits auf Motiven der vorangegangenen Kampagne zu sehen war. www.g-star.com
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Diesel Starker Auftritt
Diesel setzte zur Berliner Fashion Week auf einen starken Auftritt im Handel: Zum Relaunch der Diesel Female-Linie bespielte die Marke das KaDeWe mit einer aufwändigen Installation im Atrium und in den Schaufenstern. In allen elf Fenstern waren ab 11. Januar Teile aus der Frühjahr-/Sommer-Kollektion 2012 zu sehen. Im Inneren des Kaufhauses war im Atrium eine eigene Diesel-Welt aufgebaut. Zusätzlich zierte die Fassade ein riesiges Poster aus der aktuellen Kampagne. Diese wurde vom Kreativteam zusammen mit der argentinischen Agentur Santo zum Relaunch der Female-Linie entwickelt. Sie soll die weibliche Seite der Marke stärker in den Fokus rücken. www.diesel.com
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Pepe Jeans Weniger Wasser
Unter dem Titel Tru-Blu hat Pepe Jeans zur Messe eine Jeanskollektion gelauncht, die keine Chemikalien im Waschprozess verwendet und gleichzeitig den Einsatz von Wasser drastisch reduziert. Pepe Jeans arbeitet bereits in seiner Hauptkollektion mit Produzenten zusammen, die Wasser im aufwändigen Herstellungsprozess wieder aufbereiten. Die neue Technologie bei Tru-Blu kombiniert Lasertechnologie mit Waschungen mittels Ozon. Im Mai 2012 soll die neue Linie erstmals in den Handel kommen. Sie besteht aus sechs bereits erfolgreich eingeführten Styles wie Kingston oder Venus für Männer, Frauen und Kinder. Jeden Style gibt es in insgesamt sechs Finishes – von Dark Used bis hin zu einem Bleached Look. www.pepejeans.com
JETZT
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Lois Relaunch eines Klassikers
Die spanische Marke Lois ist zurück: Bereits im Februar 2011 wurde die weltweite Generallizenz (mit Ausnahme von Spanien, Frankreich und Kanada) an die in Eindhoven ansässige Michiel de Ruyter BV vergeben. Commercial Director Michael Blankenstein arbeitete zuvor 14 Jahre für Diesel und danach für die VF-Gruppe, bevor er die Lizenz kaufte. Die Marke präsentierte sich jetzt auf der Bread & Butter mit neuen europäischen Vertriebspartnern: Länder wie Finnland, Norwegen, Schweden, Portugal und die Benelux-Länder wurden bereits besetzt, in England ist die Agentur Egomark für den Vertrieb verantwortlich. Für Deutschland und Österreich hat die Eightball GmbH die Distribution der Marke übernommen. Künftig soll es vier Kollektionen mit jeweils 60 Teilen für Männer und Frauen geben. Die Linie wird durch Flash-Kollektionen ergänzt. Preislich liegt die Marke zwischen 79 und 119 Euro im VK. „In der ersten Saison stellen wir uns vor, rund 40 bis 50 trendige Kunden mit Lois zu beliefern“, so Susanne Imhof von Eightball. Lois wurde 1962 gegründet und feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum, das im Sommer inszeniert werden soll. www.loisdenim.com 06
Incase Capsule Collection mit Shepard Fairey
Die 1997 gegründete Taschen- und Accessoiremarke Incase kooperiert mit dem US-Künstler Shepard Fairey. Die limitierte Edition erscheint im Frühjahr 2012 und umfasst verschiedene Taschen, iPhone- und iPad-Sleeves mit den typischen Shepard-Fairey-Mustern wie dem Elefant und Ornamenten. „Die Kunstwerke, die meine Kollektion für Incase umfassen, spiegeln das Konzept des Friedens wieder“, sagt Fairey. Erhältlich ist die Kollektion ab sofort in ausgewählten Concept-, Lifestyle- und Fashion-Stores sowie auch in Apple Stores. www.goincase.com/shepardfairey 07
Chris Sports Europe GmbH Erweiterung des Vertriebsnetzes
Die Chris Sports Europe GmbH mit Sitz in München baut ihre Vertriebsstrukturen in Deutschland und Österreich aus. Für ihre Marken Powderhorn, Bula, Björn Daehlie und Nomis haben die Münchener Sportspezialisten neue Handelsagenturen verpflichtet, die seit Januar 2012 die deutschen Bundesländer Hessen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen betreuen. Geschäftsführer Thomas Stumpp zielt mit den Neuverpflichtungen auf eine flächendeckende deutsche Distribution. Die Agentur Dörsam aus Weinheim übernimmt Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz und die Agentur Grawunder aus Dortmund ist künftig für Nordrhein-Westfalen verantwortlich. In Österreich holte man sich mit Gerry Wingert aus Salzburg zusätzlich einen echten Wintersportspezialisten an Bord. „Wir waren von Beginn an in Süddeutschland optimal aufgestellt, was sich mit unserem wintersportlastigen Portfolio von selbst erklärt. Leider waren Bundesländer wie NRW, Niedersachsen und der gesamte Osten schwer von München aus zu bearbeiten, daher haben wir uns nun nach Unterstützung umgesehen“, erläutert Stumpp. Neben den bereits genannten Brands sind New Balance und Technine neu im Portfolio. www.chrissports.eu
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Tommy Hilfiger Lizenzvereinbarung
Die Tommy Hilfiger Group lässt ab der Herbst-/Winter-Saison 2012 ihre Runway-Kollektion für Männer und Frauen von der italienischen Ittierre S.p.A. produzieren. Das ist das Ergebnis einer weltweiten Lizenzvereinbarung. Aus der Pre-Collection sollen Teile bereits ab Juli 2012 im Handel sein. Hauptzielmärkte der Linien sind Europa, Nordamerika und Asien. „Wir freuen uns, dank des Lizenzabkommens mit Ittierre unseren weltweiten Vertrieb von gehobener Designermode stärken zu können“, so Fred Gehring, CEO der Tommy Hilfiger Group. Das Unternehmen Ittiere S.p.A. hat unter anderem Partnerschaften mit Karl Lagerfeld, Pierre Balmain oder Fiorucci. www.tommy.com
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Replay Facelift
Produktionstechnische Innovationen, die zu weniger Wasserverbrauch und ökologisch nachhaltigere Verfahren führen, stehen bei Replay nach wie vor hoch im Kurs. Ende vergangenen Jahres stellte das Unternehmen neben einem eigens entwickelten Veredelungsverfahren mit Hilfe von Ozon-Technologie auch neue Modelle in der Kollektion vor, die mit Lasertechnik ihre gewaschene Vintage-Optik erhalten. Von den im Laser-Wash-Prozess, wie ihn Replay nennt, gestalteten Denims gibt es zwei Modelle: ein Skinny Fit für Frauen und ein Regular Slim für Männer. Sie werden in einer limitierten Stückzahl in allen Replay-Stores verkauft. www.replay.it
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Strict Distribution Servicepaket ausgebaut
Die Berliner Agentur für Streetwear- und High-Fashion-Marken Strict Distribution hat ihr Serviceangebot für Kunden weiter ausgebaut und bietet nun ein Leistungsspektrum an, das als Generalagentur oder Distributeur auch Sales Managment, PR und Marketing umfasst. Allen Marken, die bei Strict vertreten sind, wird über die firmeneigene PRAbteilung professionelle Pressearbeit angeboten. Neben ihrem Hauptsitz in einem liebevoll eingerichtetem Loft im zweiten Hinterhof eines Altbaus in Friedrichshain unterhält die Agentur Showrooms in Hamburg, Stuttgart, Zürich, München und Frankfurt. Geschäftsführer ist Mike Kreyssig, der Strict Distribution 1995 gegründet hatte. Die Agentur vertritt derzeit die Marken Twist & Tango, Suit, Fracap, NYPD, Bolongaro Trevor und Brixtol Jackets. www.strict-berlin.de
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Umdasch Shop Academy Globale Shop Expedition 2013
Mit einer Fachexkursion nach London zur kürzlich eröffneten Westfield Stratford City, das größte innerstädtische Shoppingcenter Europas, startete die Umdasch Shop Academy in das Jahr 2012. Am 23. Februar führte Ladendramaturgie-Experte Christian Mikunda mit Trendscouts aus der deutschsprachigen Einzelhandelsszene durch das Shoppingcenter. Am Abend bekamen die Teilnehmer der Veranstaltung die Gelegenheit, beim Umdasch Shop Academy Forum in der österreichischen Botschaft in London Nike-Designchef Greg Stobbs am Podium zu hören. Die Veranstaltung ist Teil des regelmäßig stattfindenden Formats Ladendramaturgie LIVE. Als nächste Veranstaltung kündigt Umdasch eine globale Shop-Expedition von Frankfurt über Miami in die Karibik (auf der Allure of the Seas), dann nach Los Angeles, Macao, Hongkong, Singapur und nach Abu Dhabi an. Die Reise ist für den Zeitraum vom 5. bis 24. April 2013 angekündigt. Zwei Drittel der Teilnahmeplätze sind bereits vergeben. Anmeldeformulare sowie das Programm für 2012 mit bis zu 80 Veranstaltungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen auf der Website zur Verfügung. www.umdasch-shop-concept.com
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Floris van Bommel In eigener Regie
Die niederländische Schuhmarke Floris van Bommel hat zum Jahreswechsel den deutschen Vertrieb in Eigenregie übernommen. Die Agentur Eightball hatte die Marke erfolgreich in Deutschland mit aufgebaut. „Die Zusammenarbeit mit einer nationalen Vertriebsagentur hat in den vergangenen zwei Jahren stark zur Einführung der Brand Floris van Bommel in Deutschland beigetragen“, so Commercial Director Pepijn van Bommel. „Wir haben jedoch heute einen Punkt erreicht, an dem eine veränderte Strategie mit direkter Bindung an den deutschen Markt für den weiteren Aufbau erforderlich ist.“ Künftig ist neben Pepijn van Bommel auch ein neuer Exportmanager für den deutschen Markt verantwortlich: Der 41-jährige Patrick Meijers hat bei Marken wie Levi Strauss, Puma, Diesel und zuletzt im Sales Management für Adidas und Converse in den Benelux-Ländern gearbeitet. Unter seiner Leitung wird das deutsche Vertriebsteam neu aufgebaut: Sebastian Wachtel arbeitet im Norden, für den Süden wird derzeit noch ein Vertreter gesucht. www.florisvanbommel.de
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Salsa Expansion geplant
Das portugiesische Label Salsa will seine deutsche Marktpräsenz stärker ausbauen. Bislang ist die Marke in Ländern wie Spanien, Portugal, Großbritannien, den Benelux-Ländern und im Mittleren Osten vertreten. In Deutschland wird Salsa seit 2010 über Retailpraxis in Düsseldorf vertrieben. Vertriebsleiter Claus Busse betreut rund 120 Kunden, darunter Einzelhändler wie Chicago in Frankfurt oder Leffers in Wilhelmshaven. „Die Stärken der Marke liegen in der guten Passform“, so Busse. Rund 20 Schnitte, darunter eine Push-up-Passform wie die Wonder sorgen für eine breite Auswahl in der Denim-Range. Pro Saison gibt es fünf verschiedene Liefertermine. Innovative Waschungen in jeder Passform bieten eine breite Auswahl; zusätzlich gibt es auch ein NoSProgramm. Die Preise liegen zwischen 75 und 150 Euro im VK bei einer Kalkulation von 2,5. Das Unternehmen hatte früher als Produzent für Marken wie Armani Jeans, Pepe oder Gant gearbeitet und rief 1994 sein eigenes Label Salsa ins Leben. www.salsajeans.com
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Makia & Etnies Friendship
Die finnische Streetwear-Marke Makia Clothing gibt der französischen Skate-Marke Etnies die Hand. Ab Winter 2012/13 wird es eine Kollektion aus Schuhen, T-Shirts, Hoodies und Jacken geben. Klassisch zeitlose Elemente mit Liebe zum Detail, inspiriert aus alten Schwarz-Weiß-Fotos sowie der rauen nordischen Natur. Die Linie wurde im Frühjahr 2012 in Deutschland erstmalig auf der Bright Tradeshow in Berlin und der ispo in München präsentiert. Bei Beatz und finnischem Wodka wurde die Freundschaft adäquat vertieft. www.makiaclothing.com, www.etnies.com
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Cinellistudio Erster eigener Store
Der toskanische Daunenspezialist Cinellistudio eröffnete im vergangenen Oktober seinen ersten eigenen Shop bewusst in der Kleinstadt Buggiano, wo sich auch der Sitz der Firma befindet und wo das Traditionsunternehmen einen Großteil seiner Jacken produziert. Back to the roots ist das Motto von Nicola Cinelli, der das Familienunternehmen führt: „Wir werden uns natürlich auch weiterhin international ausrichten, aber es ist uns eine Ehre, dass unsere Produkte in unserem Heimatort so gut ankommen.“ Die Eröffnung war schon am ersten Tag ein großer Erfolg für das Unternehmen. Alle Modelle, die während des Events im Laden vorgestellt wurden, waren am Abend ausverkauft. www.cinellistudio.it
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Lacoste Mode für Minis
In der Frühjahr/Sommer-Kollektion 2012 stellt Lacoste erstmals eine Mini-Range für Babys und Kleinkinder vor. Für Mädchen gibt es Baumwollhöschen und ein weiches, gerafftes, rosa Polohemd, für Jungs weiße Shorts aus Jersey und ein kurzärmeliges, royalblaues Poloshirt. Verpackt ist das jeweilige Ensemble in einem rosa oder hellblauen Kinderkoffer mit Krokodil-Kuscheltier. Die Sets gibt es in einer Einheitsgröße für Babys mit einem Jahr. www.lacoste.com
sixxa Babies & Toddlers
Das Wiener Streetwear-Label Sixxa erweitert sein Sortiment auf Styles für Kids. Ab jetzt gibt es Strampelanzüge, Jogginghosen und Jacken für kleine Fans von illustren Charakteren und bunten Drucken. Sixxa hat 2004 mit selbst bedruckten T-Shirts angefangen und sich 2007 zu einem eigenen Label entwickelt. Ein Großteil der Materialien kommt aus Portugal, Frankreich, Italien, England und Österreich. Produziert wird ausschließlich aus Biobaumwolle. „Ein fairer Umgang mit Produzenten und Mitarbeitern ist selbstverständlich und eines unserer Ziele ist es, gemeinsam mit allen Beteiligten optimale Produkte zu schaffen“, sagt Designerin Katharina Macheiner. Preislich liegt die Kinderkollektion zwischen zwölf und 15 Euro im EK. www.sixxa.com
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K1x Waffen weg
Die aus München stammende Basketball-Lifestylemarke K1X initiierte in Sierra Leone gemeinsam mit der NGO-Initiative Black & Yellow ein Basketballturnier unter dem Motto Disarmament Game. Dafür wurden Mitglieder rivalisierender Gangs eingeladen, in gemischten Teams und unter der Voraussetzung, alle Waffen abzulegen, an einem Basketballturnier teilzunehmen. Der Erfolg des Turniers war gleichzeitig ein Erfolg für das Engagement von Black & Yellow und K1X im von Bandenkriminalität geplagten Freetown in Sierra Leone. Mitglieder der einzelnen Gangs bestimmten die Spieler der insgesamt vier Teams mit dem Ziel, ehemalige Feinde zu Teamplayern zu machen. www.k1x.com
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ISPO Beijing
In Bezug auf den Sportmarkt noch nicht entwickelt: China hat eine Menge Potenzial für die ispo Beijing.
Novomania
Newcomer mit Perspektive: Die Novomania setzt auf junge Zielgruppen und trendige Brands im mittleren Segment, die sich in China etablieren wollen.
Conquere the World Während Europas Märkte schwächeln, werden andere zusehends potenter. Ganz vorne in der Liste stehen China, Russland und die Türkei. Hier tummeln sich erstaunlich viele deutsche Messegesellschaften, die ihre Hoffnungen auf neue Konsumentenschichten setzen. Text Ina Köhler Fotos Messen
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er asiatische Markt ist schon lange für europäische Messen interessant – hier lockt in China eine wachsende Mittelschicht mit jeder Menge Konsumpotenzial. Allein die Generation der nach 1980 Geborenen zählt über eine halbe Milliarde Menschen. Über 180 Shopping Malls sind in den nächsten fünf Jahren in dem asiatischen Land geplant, davon soll knapp die Hälfte schon in drei Jahren fertig gestellt sein. Den Anfang in China machte die Messe Frankfurt, die in Hongkong mit ihrem Tochterunternehmen erfolgreich die Sourcing-Messe interstoff Asia Essentials etablierte. Doch nicht nur für Produzenten, gerade für Marken wird China wichtiger, weil das lokale Potenzial noch gar nicht richtig erschlossen ist.
CPM
Fokussiert auf den russischen Markt: Die CPM ist Treffpunkt für russische Einkäufer.
ispo als Pionier Chic
Die Chic hat in China die längste Tradition unter den Messen. Im Herbst 2011 kam der junge Ableger Chic Young Blood hinzu.
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Auch die Münchener Messe war 2005 mit der ispo recht früh mit ihrem Asien-Engagement dran, doch sie brauchte einen langen Atem. Nach zwei Saisons in Schanghai zog die da-
CONQUERE THE WORLD –– so läuft’s
malige ispo China nach Peking um. Dort erhoffte man sich durch die Nähe zu den sich gerade entwickelnden Skigebieten bessere Synergieeffekte. Viele Marken, die sich sehr früh engagierten, konnten ebenfalls nicht die Erfolge erzielen, die sie ursprünglich geplant hatten. „Doch die globale Absatzkrise von 2009 spielte dem Markt in die Hände“, so Tobias Gröber, Geschäftsbereichsleiter Konsumgüter der Messe München. „Der chinesische Markt zog an und konnte Umsätze ausgleichen, die in Europa ausgeblieben waren. Das machte den Markt wieder interessant.“ Das verdeutlicht auch eine Studie über den Outdoor- und Fashion-Sport-Markt, die die ispo zusammen mit dem China National Commercial Information Centre entwickelt hat. Nach zwei Jahren der Stagnation kam 2010 das Wachstum wieder in Fahrt. Gerade Outdoor- und Fashion-Sports-Artikel konnten zu der Zeit eine Steigerung von 30 Prozent verzeichnen. Sechs von zehn Outdoor-Brands sind internationale Marken wie Columbia, The North Face, Converse, Ecco, Jack Wolfskin. Chinesische Marken wie TNF, Toread und Ozark spielen dabei aber zunehmend eine wichtige Rolle im Markt. Chinesische Unternehmen sind sehr aktiv und warten nicht darauf, dass ihnen die westliche Konkurrenz zuvorkommt. „Es gibt sehr gute Brands, die sehr professionell auftreten“, so Gröber. „Viele haben leider immer noch das alte Bild im Kopf, dass chinesische Unternehmen nur kopieren“, meint er. „Das stimmt schon lange nicht mehr.“ Auch chinesische Konsumenten sind anspruchsvoller geworden und wollen das Original. Die Preise sind in China die gleichen oder teilweise noch höher als in Europa. Für einige Sportmarken wie Adidas oder Nike hat der chinesische Markt ein enormes Potenzial: Nike verfügt über 7.000 Stores im Land und Charlie Denson, President der
Tochterfirma Nike inc. postulierte im Oktober 2011 in der China Daily: „Ich denke, dass es wichtiger ist, in China zu sein, als irgendwo anders auf der Welt.“ Nike will massiv investieren und seinen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro bis 2015 verdoppeln. Den Aufschwung spürt auch die ispo Beijing mit rund 300 Ausstellern. „Neue Sportarten wie Outdoor, Trailrunning oder Action Sports werden in China immer beliebter“, so Tobias Gröber. Das spiegelt sich auch im erweiterten Sortiment wider. Im Frühjahr 2012 wird es erstmals ein Segment Action Sports geben, mit Ausstellern wie Burton, die sich bereits sehr früh im Markt engagiert hatten und jetzt wieder starten, da der Core-Bereich interessanter wird. Auch Bogner wird zur ispo in Peking mit einem großen FashionSports-Stand ausstellen, um ganz neue Kundenkreise anzusprechen. Die Ansprüche an eine Messe sind anders: Früher ging es um die Vermarktung von Flächen, jetzt eher darum, die richtigen Partner zusammenzubringen. Da die Expansion in den neuen Märkten hauptsächlich über die Städte und dort über Department-Stores, eigene Monobrand-Stores oder Speciality-Stores läuft, ist es wichtig für die Marke, das passende Gegenüber zu finden. „Wir haben von der ispo ein Matchmaking-System entwickelt, das Partner nach bestimmten Kriterien zusammenbringt“, so Gröber. Dieser Service ist für die Kunden ebenso kostenpflichtig wie die Standfläche. „Die Aufgaben einer Messe haben sich verändert“, erläutert Gröber. „Es geht nicht mehr nur um die drei oder vier Tage in der Saison, in denen alle zusammenkommen, sondern eigentlich hat man Aufgaben an 365 Tagen im Jahr.“ Fachvorträge und Seminare begleiten das normale Tagesprogramm während der Veranstaltung. Grundsätzlich glaubt Gröber an die Institution: „Auch in zehn Jahren wird es noch Messen
ISPO Beijing
„Neue Sportarten wie Outdoor, Trailrunning oder Action Sports werden in China immer beliebter.“ Tobias Gröber, Messe München
Seit 2005 Etwa 300 Aussteller, darunter Deuter, Five Ten, Lowa, Salomon, Vaude, X-Bionic, Bogner, Burton Segmente: Action Sports, Sportswear, Sportstyle, 22. bis 25. Februar 2012 in Peking www.ispochina.com
Novomania
Rund 25.000 Quadratmeter auf dem ehemaligen Expo-Gelände. Rund 200 Aussteller und etwa 20.000 Besucher werden erwartet. Segmente wie Contemporary Wear, Denim, Fashion & Chic, Shoes & Accessories, Sports & Street, Real Estate. Brands wie Custo, Wrangler, Lee, Replay, G-Star, OVS, Mango oder Superdry. 7. bis 9. März 2012 in Schanghai www.novo-mania.com www.novomania.com.cn
„Es ist wichtig, dass in China die richtigen Menschen zusammenkommen, um gemeinsam Projekte zu entwickeln.“ Markus Capone und Uwe Scherer, Novomania
geben“, so Gröber. Der persönliche Kontakt lasse sich eben durch kein digitales Netzwerk ersetzen.
Newcomer in Schanghai Die Novomania hat zwar erst zwei Veranstaltungen hinter sich, scheint aber den Nerv des jungen Markts getroffen zu haben, der sich zusehends entwickelt: In der kommenden Saison zieht sie auf das imposante ehemalige Expo-Gelände in Schanghai und vergrößert sich auf 25.000 Quadratmeter. Im März 2011 kamen bereits rund 11.000 Fachbesucher, das soll zum nächsten Mal auf rund 20.000 gesteigert werden. Wichtiger als die Menge sei jedoch die Qualität der Besucher, so Uwe Scherer, der die Novomania in Europa repräsentiert. Man habe viel in das Besuchermanagement investiert. Dafür ist die Novomania ein idealer Ort. Man hat in Asien weniger den klassischen Einkäufer, den wir aus Europa kennen, sondern die Developer aus den Malls. Die Veranstaltung ist in fünf Segmente aufgeteilt: Denim, Fashion & Chic, Shoes & Accessoires, Sports & Street sowie Real Estate. Gerade das Letztere ist
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so läuft’s –– CONQUERE THE WORLD
Chic
feiert in diesem Jahr das 20-jährige Jubiläum Ausstellungsfläche von 110.000 Quadratmetern 1.100 Aussteller, darunter Brands wie Desigual, Byblos, Gerry Weber, Kapalua und Cinque 26. bis 29. März 2012 in Peking www.chiconline.com.cn
einzigartig in der Messelandschaft – hier können Immobilienentwickler ihre geplanten Projekte in chinesischen Städten vorstellen und mit potenziellen Franchise-Nehmern und Distributoren direkten Kontakt aufnehmen. „Die großen Immobilienunternehmen haben hier eine zentrale Plattform mitten im Geschehen“, so Scherer. Im zentralen Fashion House können Marken dreimal am Tag ihre Modenschauen zeigen. Seminare, Vorträge und eine Party runden die Novomania ab. „Das Informationsbedürfnis ist hoch“, sagt Scherer. „Wir bringen internationale Marken nach Asien.“ Doch nicht nur das Business zählt – das Design der Messe stammt aus Europa, Musikmanagement, Eröffnungsparty, Catering und das Besucherleitsystem haben eine einheitliche internationale Handschrift. „Wichtig ist, dass die Messe das Flair der Zielgruppe widerspiegelt“, so Scherer. Denn gerade in den neu zu entwickelnden Malls sollen die Marken das passende Umfeld finden. Im September soll als Pilotprojekt auch ein neues Multilabel-Konzept der Unternehmensgruppe eröffnen. „Wir wollen uns einem Marktsegment widmen, das in China noch nicht so stark entwickelt ist“, so Scherer.
Chic mit der meisten Erfahrung Die Chic gehört zu den etablierten Messen in China, die von der Beijing Fashion-Expo Ltd. in Peking veranstaltet wird, der lokalen chinesischen Messegesellschaft. In diesem Jahr feiert die Chic ihr 20-jähriges Bestehen. Im vergangenen September wurde der junge Ableger Chic Young Blood aufgestellt, der als Plattform für den jungen trendigen Markt gesehen wird. Nahezu 100 Marken und 17.000 Besucher zählte die neue Veranstaltung im September 2011, wobei lokale Marken wie The thing und Holy Moly mit ihren Events nicht nur Fachbesucher, sondern auch Endverbraucher ansprachen. Im September 2012 soll die Chic Young Blood eine noch stärkere Präsenz in einer neuen Location bekommen. Das braucht die klas-
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sische Chic nicht mehr unbedingt, die von einer starken Auslandsbeteiligung lebt. Der deutsche Pavillon sei ausgebucht, so Margit Jandali, die die Chic in Europa repräsentiert. Das Einkaufsverhalten der Chinesen sei sehr vielversprechend, sagt sie, es entwickele sich gerade Markenbewusstsein. „Chinesische Marken, die ein gutes Profil zeigen, haben im Moment noch mit dem eigenen Markt zu tun. Aber da kommt möglicherweise noch etwas auf uns in Europa zu“, prognostiziert sie. Der deutsche Pavillon, der über die Messe Düsseldorf organisiert wird, ist nicht die einzige westliche Präsenz. Italien und Frankreich sind seit vielen Saisons dabei, die USA und Japan feiern das nächste Mal Premiere. „Die Chic hat sich kontinuierlich in den vergangenen Jahren zu einer festen Größe in Asien entwickelt“, so Margit Jandali. Nachdem sich die Luxusmarken wie Gucci, Louis Vuitton, Versace oder Burberry erfolgreich im chinesischen Markt etabliert hätten, werde es zusehends spannender für das mittlere Marktsegment. Vertikale Unternehmen wie Topshop, H&M, Zara und Uniqlo spielen ebenso mit wie die Bestseller Gruppe, die allein 4.000 Stores in China betreibt.
Präsenz in Russland Neben dem chinesischen Markt ist sowohl der türkische als auch der russische Markt spannend für Brands. Die Düsseldorfer Igedo Company hat sich in beiden engagiert: Besser als in Istanbul funktioniert die Veranstaltung in Moskau, die sich über die Jahre hinweg gut etabliert hat. „Der Markt konsolidiert sich zusehends“, sagt Mirjam Dietz, Executive Fashion Director Igedo. Gerade der Denimsektor wird noch größer in Moskau: Diesel, Wrangler, Lee, Kaporal, M.O.D., Silver und Camper zeigen vor Ort. „CPM Fashion & Denim wurde so gut angenommen, dass im Februar viele Topmarken ausstellen“, erklärt CPM Projektleiter Christian Kasch. Neuaussteller sind beispielsweise Desigual oder die US-Brands Joe’s Jeans und Robins Jeans. Ohne Vertriebspartner sei es allerdings schwer in Moskau, glaubt Mirjam Dietz, die mit ihrem Team über die Jahre hinweg einen guten Draht zu wichtigen russischen Agenturen aufgebaut hat, die gleichzeitig eine Präsenz in Deutschland haben. „In Russland braucht man das Tool Messe, weil die Agenturen die Kunden sonst nicht so gut erreichen würden.“ Doch auch in Moskau ist die Tendenz groß, nicht nur Kollektionen zu zeigen, sondern komplette Ladenkonzepte: „Der russi-
„Die Chic hat sich kontinuierlich in den vergangenen Jahren zu einer festen Größe in Asien entwickelt.“ Margit Jandali
sche Markt verändert sich“, erläutert Mirjam Dietz. „Es sind nicht mehr nur Einzelhändler vor Ort, die einzelne Produkte kaufen wollen, sondern es geht zunehmend um Partnergeschäfte.“ Das bestätigt auch Projektleiter Christian Kasch: „Immer mehr Firmen, die ihre Kollektionen auf der CPM zeigen, nutzen diese nicht nur zur reinen Order“, so Kasch. „Viele dieser Aussteller möchten ihre Store-Konzepte, Franchise-Angebote sowie Shop-in-Shop-Systeme dem Fachbesucher näher bringen.“ Die CPD hat daher für die Veranstaltung ein eigenes Konzept geschaffen: Im Februar gibt es zum ersten Mal das sogenannte CPM Store Concept, dort können sich Marken darstellen – so wie ein potenzieller Shop später aussehen könnte. Das scheint das Messegeschäft der Zukunft in allen aufstrebenden Märkten zu sein. x
„Der Markt in Russland konsolidiert sich zusehends.“ Mirjam Dietz, Executive Fashion Director Igedo
Collection Première Moscow
17.500 Fachbesucher zählten die Veranstalter im September 2011. Für die Frühjahrsveranstaltung sind allein 140 deutsche Aussteller in Planung. Der deutsche Pavillon präsentiert Brands wie Bugatti, Falke, Olymp oder Roy Robson. Im Segment CPM Fashion & Denim zeigen Brands wie Desigual, Lee, Wrangler, Diesel, Timezone, M.O.D. und Kaporal. 28. Februar bis 2. März 2012 www.cpm-moscow.com
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Build your brand –– so läuft’s
Build your brand Schuhmarken betreiben jede Menge Aufwand, um rund um ihre Marke ein ganz eigenes Lebensgefühl zu kreieren: Doch im Handel sieht die Welt oft ganz anders aus – lange einförmige Schuhreihen in Braun und Schwarz, nach Größen sortiert. Wie kann man hier als Marke für mehr Lifestyle sorgen? Text Ina Köhler Fotos Floris van Bommel, Kangaroos, Converse, Camper
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s gibt viele Strategien, um sich als Marke bekannter zu machen: Converse sponsert Musikfestivals und Künstler, Floris van Bommel inszeniert seine Person als Marke, Camper lässt ein Segelboot für die härteste Regatta der Welt bauen, Kangaroos setzt auf die Sneaker-Szene. Gerade Schuhmarken müssen sich sehr anstrengen, um rund ums
Produkt einen Lifestyle aufzubauen. Allzu oft kommt die Botschaft – zumal wenn der Schuh neben vielen „Me-too“-Produkten liegt – nicht an. Ist es für Schuh-Brands noch schwieriger als für Textilmarken, ihr Produkt emotional aufzuladen? x-ray stellt unterschiedliche Marken mit ihren Strategien vor, die sich ganz individuell in Szene setzen.
„Es ist wichtig, dass die Marke ein Gesicht bekommt, mit dem sich die Kunden identifizieren können.“ Roland Hoffmann über Floris van Bommel
Inhaber als Marke
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01-02 Prominente als Imagefaktor: Floris van Bommel und Daniel Brühl beim gemeinsamen Auftritt.
Ein gutes Beispiel für den Effekt Person = Marke ist Floris van Bommel. Ursprünglich hatte die niederländische Schuh-Brand van Bommel ein Imageproblem in Deutschland: Sie war nur bei wenigen Kunden und Endverbrauchern bekannt. Ganz im Gegensatz zu den Niederlanden: Dort steht van Bommel als Traditionsunternehmen hoch im Kurs und ist bei vielen Konsumenten durch hohe Produktqualität positiv besetzt. Allerdings ist gerade in Deutschland die Konkurrenz im ganz hochwertigen Markt sehr groß. Es machte also wenig Sinn, sie hier genauso zu positionieren. Mit der neu geschaffenen jungen Linie Floris van Bommel sah man jedoch Potenzial in einem jungen Markensegment. „Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir die Marke personalisieren können“, so Roland Hoffmann, PR-Berater der Marke in Deutschland. „Es ist wichtig, dass sie ein Gesicht bekommt, mit dem sich die Kunden identifizieren können. Ohne Floris wäre die Marke nicht so erfolgreich geworden.“ Es passt gut, dass Floris van Bommel, Mitglied der Inhaberfamilie und verantwortlicher Designer, als Person per se Rebellion und Unkonventionalität verkörpert. Er liebt Rock ’n’ Roll und Fußball – Interessen, die nicht zu einer klassischen Schuhmarke passen, allerdings ein junges Publikum ansprechen. Die Linie Floris van Bommel musste daher auch im Produkt jünger sein: Die Sneakers und klassischen Formen erhalten durch farbige Sohlen, bunte Gummieinsätze oder bunte Schnürsenkel den besonderen Twist. Messeauftritte und ein gutes
Produkt reichen allerdings nicht aus, um den Endverbraucher zu erreichen. Die Lösung fand sich in der Zusammenarbeit mit Prominenten. Gemeinsam mit Fußballer Philipp Lahm oder Schauspieler Daniel Brühl launchte man Charity-Projekte zugunsten der deutschen AIDS-Stiftung, was schnell Aufmerksamkeit brachte. Viele Medien berichteten über Floris van Bommel und erzählten die Geschichte der Marke und der Person dahinter. „Die Zusammenarbeit mit Daniel Brühl und Philipp Lahm war ein Glücksfall“, so Roland Hoffmann. „Die beiden sind sehr bekannt, haben gleichzeitig ein sehr sympathisches und individuelles Image.“ Seiner Ansicht nach ist es für Schuhmarken leichter als für Mode-Brands, die Marke emotional aufzuladen. „Der Schuhmarkt ist noch nicht so stark gebrandet wie der Modemarkt, wo es viel mehr Markenpower gibt. Man braucht hier viel weniger Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen.“ Zur gleichen Zeit gebe es im Schuhfachhandel viel weniger Verständnis dafür, wie wichtig der Lifestylefaktor für den Verkauf sei. Hier müsse das Produkt für sich sprechen oder in van Bommel Läden wie Antwerpen, Brügge oder Amsterdam inszeniert werden.
Alles auf eine Karte Die eigenen Stores sind für die mallorquinische Marke Camper auch ein wichtiges Mittel zur Kommunikation. Designer wie Jaime Hayon setzen starke visuelle Botschaften. Darüber hinaus hat sich die Marke seit vielen Jah
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ren einen Namen durch die Kooperation mit Designern gemacht. Das Besondere: Es sind nicht immer nur Modedesigner wie Bernhard Willhelm oder Veronique Branquinho, die für das Unternehmen Schuhe gestalten. Auch Architekten und Industriedesigner wie Alfredo Häberli, Jaime Hayon oder Hella Jongerius – in der Designszene regelrechte Stars – haben für Camper eigene Schuhmodelle unter dem Stichwort „Camper together“ kreiert. Camper betreibt darüber hinaus auch Designhotels und Restaurants in Barcelona und Berlin. Für 2011 und 2012 hat sich das Unternehmen an ein neues Abenteuer gewagt: Im Oktober 2011 ging für die längste Segelregatta der Welt, das Volvo-Ocean-Race, ein eigenes Camper-Boot an den Start, im signalfarbenen Camper-Rot, entworfen vom britischen Designer Mark Far-
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„Das Volvo Ocean Race ist für uns natürlich eine tolle Chance. Es öffnet uns viele Türen in der Kommunikation oder bei neuen Produkten.“ Dalia Saliamonas, Camper
Alles im markanten Camper-Rot: Boot, Schuhe, Sonnenbrillen und Segelbekleidung. Die härteste Segelregatta der Welt und Camper mittendrin: Der Schuhhersteller sponsert ein eigenes Team.
row. Warum dieses Event, das eigentlich in der Kommunikation der Marke ein wenig aus dem Rahmen fällt? „Camper hat in der Vergangenheit schon diverse Segelevents unterstützt, wie die Copa del Rei oder den Americas Cup. Wir haben in dieser Beziehung eine Menge Erfahrung“, so Dalia Saliamonas, Communication Director Camper. „Dann haben wir die Möglichkeit gesehen, bei einem wirklich globalen Unternehmen mitzumachen, einem der bekanntesten Rennen der Welt. Das war für uns natürlich eine tolle Chance. Es öffnet uns viele Türen in der Kommunikation oder bei neuen Produkten.“ Zusammen mit dem britischen Hersteller Musto wurden Segeljacken entwickelt, die Schuhe entstanden in enger Kooperation mit dem Segelteam, das die Schuhe während der Regatta öffentlichkeitswirksam trägt. Zusätzliche Produkte wie Polohemden oder die Sonnenbrillen sind ebenfalls in der Designabteilung entstanden. „Wichtig ist uns, dass wir nicht nur als Sponsor auftreten – Themen wie Design und Performance sind entscheidend für uns, auch für das Produkt: Wir haben ja die Schuhe neu entwickelt“, so Saliamonas. Diese Schuhe finden sich auch im Handel wieder – so soll die Verbindung zwischen Marke und Endverbraucher hergestellt werden. Wäre das Projekt ohne das persönliche Engagement des Inhabers Lorenzo Fluxa möglich gewesen? „Vermutlich nicht“, meint Saliamonas. „Für ihn ist Segeln ein Teil seiner Kindheit. Das Meer ist für Mallorquiner ein wichtiges Element. Wir sind umgeben von Meer, viele wachsen mit dem Segelsport auf. Der Großvater von Lorenzo Fluxa brachte damals seine Schuhe
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nieren. „Die Möglichkeiten reichen von saisonaler Fenstergestaltung bis zum kompletten 360 Grad Marketing am PoS. Denn 70 Prozent aller Kaufentscheidungen werden nach wie vor hier getroffen“, meint Sören Greb.
Produkt ist das Image
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per Schiff aufs Festland nach London.“ Inwiefern hat das Großprojekt auch intern Einfluss auf das Unternehmen? Will Oxley, Teammitglied der Camper-Crew, bringt es auf den Punkt: „Segeln ist Teamsport, jeder ist auf den anderen angewiesen – das kann ein Unternehmen auch auf seine interne Struktur übertragen.“ Für die Markenbekanntheit spielt die Regatta eine wichtige Rolle, da über sie in vielen Medien weltweit berichtet wird. Im Handel wurde nicht nur die Segelkollektion gelauncht. In den Camper-Shops steht auch eine kleine Nachbildung des Boots, das im Herbst 2011 in Alicante an den Start gegangen ist und im Juli 2012, nach der Weltumsegelung als Gewinner der härtesten Regatta der Welt, in Europa ankommen soll.
Durchstarten mit Musik Für Sören Greb, Marketingmanager der All Star D.A.C.H. GmbH, ist Fokussierung das Wichtigste in Bezug auf Brand Building bei seiner Marke Converse. „Es kommt entscheidend auf das emotionale Potenzial einer Schuhmarke an, sowie der zugehörigen Produkte“, sagt Sören Greb. „Ein Sneaker ist heute eindeutig Bestandteil der verschiedenen Modewelten und ergänzt auf sehr emotionale Weise das jeweilige Textiloutfit im Sinne einer klaren Differenzierung. Manche gehen sogar so weit zu sagen, dass sich das übrige Outfit an den Schuhen ausrichten solle, um den gewünschten persönlichen Inszenierungseffekt zu erzielen.“ Glaubwürdigkeit sei der Schlüsselfaktor. „Wichtig ist für uns, dass wir in den Köpfen der Konsumenten mit den Attributen unabhängig, rebellisch,
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Converse konzentriert sich auf die junge Zielgruppe. Kreativität im Produkt: Mit Designwettbewerben setzt Kangaroos auf Innovation. Kooperation mit Kult-Stores: Patta Amsterdam und Kangaroos wollen gemeinsam die exklusivsten Läden der Welt beliefern.
kreativ verbunden werden.“ Dabei helfe natürlich, dass nicht nur Sportler, sondern vor allem Musikikonen wie die Ramones, Sex Pistols oder Blondie Converse-Schuhe getragen haben. „Die Marke Converse ist seit den Ursprüngen des Rock ’n’ Roll untrennbar mit Musik und den zugehörigen Künstlern verbunden“, sagt Greb. Auf Musik wird die Marketingstrategie in den deutschsprachigen Ländern abgestimmt: Converse stattet gezielt Künstler und Bands aus und unterstützt darüber hinaus das Musikfestival Hurricane. „Für uns ist es wichtig, nicht nur mit Logos präsent zu sein, sondern allen Converse-Fans auf einem Festival ein besonderes Erlebnis zu bieten“, erzählt Greb. „Als Hurricane-Sponsor haben wir auf unserem Stand Skating und Basketball zur Musik gebracht und die Kreativität unserer Zielgruppe aktiv herausgefordert. Kreative Interaktion ist uns bei unseren Marketingaktivitäten immer besonders wichtig.“ Für den Handel ist das eine wichtige Unterstützung. „Zum einen verkauft er mit Converse ein bereits emotional aufgeladenes Produkt und zum anderen kann er das Einkaufserlebnis selber emotional gestalten, was wiederum seinem eigenen Markenimage zugutekommt“, so Greb. Converse unterstützt den stationären Handel sehr stark mit Visual Merchandisern, die vor Ort Geschichten insze-
Für Kangaroos ist Brandbuilding so wichtig, dass 2010 sogar eine eigene Position dafür geschaffen wurde. Bernd Hummel holte Marco Lachner als Head of Line & Brandbuilding Manager ins Boot, um das Profil der Marke zu schärfen. Kangaroos gehört seit 1991 der Pentland Group, die Pirmasenser Bernd Hummel GmbH ist weltweit größter Lizenznehmer der Marke. Lachner machte sich zunächst einmal an das Produkt: „In der kommerziellen Linie haben wir mehr Signifikanz geschaffen, um den Wiedererkennungseffekt zu verbessern und eine eigenständige CI im Handel zu schaffen. Die allermeisten Schuhe wurden mit Taschen ausgestattet“, erzählt Lachner. Darüber hinaus stärkte er die hochwertige Linie Roos Red, die zur Bread & Butter hybride Schuhmodelle, eine Kreuzung aus Bootsschuh und Running-Silhouette vorstellte. Zusammen mit jungen Designern von der Schuhfachschule Pirmasens rief Lachner einen Designwettbewerb ins Leben. Über einen Vertriebsmitarbeiter lancierte man einen weiteren Coup: Dieser stellte den Kontakt zum Kult-Store Patta in Amsterdam her, mit dem das Designteam in einer Kooperation Modelle aus den Archiven auswählt und für heutige Bedürfnisse modifiziert. So sind die Hiking-Modelle K2 und Woodhollow entstanden. Die Schuhe werden in Portugal produziert und weltweit von Patta in Läden wie Colette in Paris, 24 Kilates in Barcelona, Norse in Kopenhagen, Dover Street Market oder Hideout in London vertrieben. „Das ist natürlich sehr positiv für das Markenimage in der Szene“, so Lachner. Das Team hat allerdings noch mehr vor: Ab kommendem Jahr sollen einige hochwertige Schuhmodelle wieder in Deutschland, in der Nähe des Firmensitzes in der eigenen Schuhfabrik produziert werden. Zudem arbeitet der Line-Manager an einer verbesserten Technologie der Schuhe. „Mein Ziel ist ein Marken-Upgrading auf einem gesunden und glaubwürdigen Level“, so Lachner. Langfristig plant er zusätzliche Marketingmaßnahmen für den Handel und Endverbraucher. Lachner räumt allerdings auch ein, dass der klassische Schuhhandel – im Vergleich zu Concept-Stores oder Skateshops – dafür noch nicht so offen sei. „Imagebuilding ist ein sehr langfristiger Prozess, bei dem man an vielen Fronten kämpfen muss.“ x
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Wie bio ist Bio wirklich?
verglichen werden, zeigen, dass Baumwolle, egal ob biologisch oder konventionell angebaut, eine Faser ist, die von ihrer Lifecycle-Analyse her schlechter abschneidet als viele andere. Recycelte Fasern schneiden beispielsweise deutlich besser ab. So steht auch recyceltes Polyester deutlich besser da als Biobaumwolle.
JK: Recycling wird immer wichtiger und ist aus meiner Sicht eine gute Ergänzung. Auch weil die Designer dadurch neue Möglichkeiten haben. Der Anteil von Eco-Cotton liegt momentan bei 0,5 Prozent, das ist leider unumstritten. Der Markt wächst zwar – im vergangenen Jahr waren es plus zwölf Prozent – doch wir bewegen uns damit immer noch in der Nische. Organisationen wie die Better Cotton Initiative optimieren daher gerade den konventionellen Anbau, um weniger Umweltschäden zu haben. Dadurch kann in der Masse unglaublich viel bewirkt werden. Die meisten Textilien sind momentan noch aus Baumwolle und das wird sich allzu bald auch nicht ändern. Daher glaube ich nicht, dass es eine Blase ist, die platzt. Eco-Cotton hat eine weltweite Diskussion angestoßen. Vor allem große Marken wie H&M, C&A, Nike, Puma und Adidas sind ja die größten Biobaumwollabnehmer weltweit. Die großen Marken sind heute viel stärker gefordert, wieder ihre gesamte Wertschöpfungskette im Blick zu haben. Dadurch müssen Unternehmen wieder Verantwortung für Prozessschritte übernehmen, die sie durch Outsourcing jahrelang ausgelagert hatten. Dadurch kommt in die Unternehmen wieder Wissen zurück, das verloren gegangen war.
Wie der letzte Jeanstest der Stiftung Warentest bewiesen hat, gibt es noch viele offene Fragen zum Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche. Leider hat er auch bewiesen, wie schlimm es ist, wenn man sie unbeantwortet lässt. Ein Grund mehr, endlich eine Frage zu klären, die davon unabhängig im Raum steht: Wie bio ist Biobaumwolle wirklich? Denn auf platzende Blasen hat keiner mehr Lust. Interview Isabel Faiss Fotos Göttin des Glücks, Goodsociety
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ie Frankfurter CSR- und Kommunikationsberatung Kern Kommunikation hat sich zum Ziel gesetzt, Modeunternehmen aus allen Bereichen, von der Vorstufe bis hin zum vertikalen Einzelhändler in Bezug auf Nachhaltigkeit ausführlich zu beraten und Kommunikationsstrategien gemeinsam umzusetzen. In ihrem Full-Service-Package ist auch eine Menge Know-how zum nachhaltigen Umgang mit umweltschonend gewonnenen Materialien verankert, wie auf der vergangenen Pressekonferenz der Munich Fabric Start unter Beweis gestellt wurde. Ein Grund mehr, mit Inhaberin Jana Kern das tatsächliche Potenzial von Biobaumwolle und die realen Alternativen zum weißen Gold zu diskutieren.
Biobaumwolle hat momentan ein Saubermann-Image, auf dem sich viele ausruhen. Hinkt das Thema in Wirklichkeit? Jana Kern: Sämtliche Rankings und Studien, in denen verschiedene Fasern miteinander
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Das klingt widersprüchlich. JK: Ist es aber eigentlich nicht. „The greenest product is the one that already exists.“ Das sagt doch eigentlich schon alles. In einer LifecycleAnalyse wird bewertet, wie hoch die CO2-Emission ist, wie viel Energie und Wasser zum Einsatz kommen, wie viel Anbaufläche bzw. Land benötigt wird und welche ökologischen und humantoxikologischen Auswirkungen die Herstellung einer Textilie hat. Wenn ich eine Chemie- oder Naturfaser habe, die erst angebaut oder produziert werden musste, ist die Prozesskette natürlich viel länger als bei einem recycelten Produkt. Denn dort wird die Produktion des Ursprungsproduktes nicht mit eingerechnet. Das Wiederverwerten ist umweltschonender, als jedes Mal am Anfang der Kette zu beginnen. Relativ logisch, weil man effektiv Müll verwertet. Biobaumwolle schneidet besser ab als konventionelle Baumwolle, weil der biologische Anbau einfach sehr viele Vorteile mit sich bringt und auch einen viel geringere CO2-Emission hat. Aber wenn man innerhalb der nachhaltigen Textilien untersucht, ist Baumwolle sicherlich nicht die ökologischste Variante. Im Environmental Benchmark von Made-By schneiden die recycelten Materialien deutlich besser ab, aber auch Organic Hanf und Leinen stehen noch vor Organic Cotton. Hinzu kam noch die Hiobsbotschaft, dass die Produktion von Organic Cotton noch weit unter der Fünfprozentmarke liegt und es langfristig unrealistisch ist, den weltweiten Bedarf mit Biobaumwolle zu stemmen. Ist also Recycling das neue Bio?
Gleichzeitig wächst der Druck der Industrie auf die Vorstufe. Ist das wirklich produktiv? JK: Das ist immer ein Knackpunkt bei dem Thema, definitiv. Der Druck ist enorm und wird auch weiter steigen, weil die Ansprüche steigen. Qualität, Nachhaltigkeit, Sozia01-04 05 06
Die Macher des österreichischen Eco-Fashion-Labels Göttin des Glücks besuchten Biobaumwollfelder in Indien und brachten Heile-Welt-Bilder mit nach Hause. Das frisch gebackene Eco-Fashion-Label Goodsociety stellte seine Jeans aus recyceltem PET und Biobaumwolle das erste Mal auf der Green Showroom in Berlin vor. Jana Kern leitet die Agentur Kern Kommunikation mit Sitz in Frankfurt.
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eine Jacke werden kann. Interessant ist übrigens auch die Idee, Milchproteine in einem mechanischen Verfahren zu Fasern zu verspinnen. Die Stoffe wirken sogar antiseptisch.
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„Recyceltes Polyester steht deutlich besser da als Biobaumwolle.“ Jana Kern, Kern Kommunikation
le- und Umweltaspekte sind Dinge, die die Vorstufe mehr und mehr erfüllen muss. Umgekehrt hat die Vorstufe natürlich auch etwas davon. Eine Produktionsstätte, die nach GOTS und SA 8000 zertifiziert ist, profitiert von dieser Umstellung auch in Zukunft. Ist es realistisch, eine komplette Kollektion mit recycelten Materialien zu stemmen oder spielt sich auch das nur in Null-Komma-Bereichen ab? JK: Recycelte Baumwolle, Polyester und Wolle sind kommerziell einsetzbar. Im Moment werden recycelte Stoffe aber in erster Linie aus Stoffresten in der Produktion hergestellt. So sind auch hier irgendwann Grenzen gesetzt. Jetzt müssen Verfahren entwickelt werden, die es möglich machen, dass das Endprodukt wiederverwertet wird – also aus einer Jacke wieder
Traurig ist, dass solche Innovationen in der Masse selten ankommen. JK: Da sind die Eco-Fashion-Labels als Vorreiter gefordert. Sie sind die Pioniere, die zeigen, was an Innovationen mittlerweile alles möglich ist. Sie müssen es schaffen, aufmerksam zu machen. Und das kann nur über einen hohen modischen Grad gelingen. Ich bin sehr gespannt, wie sich Messeformate wie die Ethical Fashion Show oder der Green Showroom hier in Berlin weiterentwickeln und ob es gelingt, stärker auch konventionelle Einzelhändler anzuziehen. Das Problem dieses Segments ist, dass es bislang keine grüne Leitmesse in Berlin gab. Es gab zu viele Plattformen. Das sollte sich dringend ändern. Warum findet Eco-Fashion nicht auf den kommerziellen Messen statt? JK: Man findet einzelne Marken, aber eben nur wenige. Es ist immer die Frage: Ist es besser auf einer Eco-Fashion-Plattform gezielt die Kunden anzusprechen, die auch nach grünen Produkten suchen? Oder stellt man auf einer Messe wie der Bread & Butter aus, wo die Frequenz insgesamt höher ist, man aber zwischen den vielen anderen Brands möglicherweise untergeht? Klar ist, ein Einkäufer, der gezielt nach Eco-Fashion sucht, ist auf der Bread & Butter fehl am Platz.
Was definitiv in der Masse ankam, war die Veröffentlichung der Testergebnisse eines Jeansvergleichs der Stiftung Warentest. Gewinner war eine Jeans von Zara für 26 Euro. Marken wie Diesel, Lee, Wrangler und auch Kuyichi landeten auf den hinteren Plätzen, vor allem wegen mangelnder Auskunftsbereitschaft. Wie kann das passieren? JK: Die Studie wird in der Branche sehr kritisch beurteilt. Hier muss man immer sehr genau hinterfragen, wie es zu den Ergebnissen der Studie kam. Wer den Markt kennt, weiß, dass Kuyichi sicherlich nicht auf die hinteren Plätze gehört. Stiftung Warentest hat auf die Verbraucher einen sehr starken Einfluss. Ein solches Ergebnis spiegelt nicht die Realität des Marktes ab und richtet eher Schäden an, als sie dem Thema Nachhaltigkeit in der Textilbranche dient. Gerade im Hinblick auf die Verbraucher, an die sich Stiftung Warentest ja in erster Linie wendet, ist das traurig. Es wird Verwirrung und keine Aufklärung gestiftet. Und Aufklärung ist bei dem Thema eigentlich bitter nötig. x
Biobaumwolle im Vergleich
Retailumsatz von Biobaumwolle in US-Dollar: 2010: 5,6 Milliarden US-Dollar 2011: 6,2 Milliarden US-Dollar 2012: 7,4 Milliarden US-Dollar 20 Prozent Wachstum von 2009 bis 2010 Der größte Biobaumwollabnehmer weltweit ist H&M, gefolgt von C&A, Nike, der Inditex Group und Adidas. www.kernkommunikation.de
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Jetzt schreien wir mal Für Februar 2012 kündigte Zalando in BerlinKreuzberg die Eröffnung eines permanenten Outlet-Stores an, in dem Markenware um bis zu 70 Prozent reduziert wird. Die erste Shopoffensive des Onlinegiganten inmitten des Berliner Einzelhandels, und wahrscheinlich nur die erste. Spätestens jetzt müssen sich einige die Frage stellen: Wie lässt sich die Teilnahme an diesem Schrotflintenmodell gegenüber langjährigen Partnern im Handel noch rechtfertigen? Text Isabel Faiss Illustration Van Data foto GlamourSister.com
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odemarken, die große Budgets in aufwändig konzipierte Imagekampagnen stecken und ein gewisses Platzhirschgetue im Einzelhandel über ihre besonders selektive Distributionspolitik rechtfertigen, verfolgen online mit steigender Tendenz die „Ich hab auch keine“-Strategie. Und das dank Unternehmen wie Zalando zumindest kurzfristig gedacht mit enormen Umsätzen. Dass ganz nebenbei der jahrelang als vertrauenswürdiger Partner gelobte Einzelhändler und auch der serviceorientierte Onlinehändler empfindliche Einbußen hinnehmen muss, wird in Unter-uns-Gesprächen immer und immer wieder mit der Tatsache gerechtfertigt, dass Zalando momentan der bestzahlende Kunde ist. Und ein Kunde, der sich aus einer stimmigen Gesamtkollektion nicht nur die kommerziell umsetzbaren MutlosModelle herauspickt, sondern mit dem überquellenden Scheckbuch das Komplettpaket ordert. Und das zu Stückzahlen, die sich andere Händler nicht im Jahresturnus vorstellen können. Können oder wollen, denn wer in so großem Stil einkauft, sollte zumindest die Ambition haben, die gekaufte Ware – ohne Abschriften – am Ende des Tages zu verkaufen. Bei Zalando ticken die Uhren da bekanntermaßen anders. Wer die Vorgeschichte der Samwer-Brüder kennt, weiß, dass das Unternehmen nicht darauf ausgelegt ist, rentabel zu sein. Und wer die Gesetze des Modehandels kennt, weiß, dass diese Rechnung auf Dauer nicht aufgehen kann.
Die Website boo.com machte 1999 vor, wie man mit einem ähnlichen Geschäftsmodell in nur 198 Tagen und einer Schuldensumme von 130 Millionen US-Dollar in die Pleite rauscht. Zalando droht das nicht, dazu sind Investoren wie die Unternehmensgruppe Tengelmann bereits zu erfahren im Business. Also stellen wir uns weiterhin die Frage, warum alle auf diesen Zug aufspringen? Kann die völlige Verfügbarkeit einer Marke das Ziel sein? Sieht so die Antwort des Vertriebs auf die pessimistische Stimmung im stationären Einzelhandel aus? Zumindest scheint es eine Antwort auf die um sich greifende Orientierungslosigkeit zu sein, nicht nur im Onlinebusiness. Google ist zum Marktkompass geworden. Die Schaufenster sind rar geworden, auch online. Für kleine Marken und Newcomer bietet die ängstliche Habachtstellung des Handels kaum noch die Chance, sich zu bewähren. Gequält von Mindestordern auf der einen und Lagerdruck auf der anderen Seite, von preisaggressiven Mitbewerbern im jungen Modemarkt und ständig steigenden Produktionskosten lässt so eine Schleusenöffnung, wie sie Zalando erfolgreich betreibt, die Industrie natürlich erst einmal wieder tief durchatmen. Zalando bietet sich als Auffangbecken an, in dem alles möglich ist, in dem Positionierung keine Rolle mehr spielt, in dem es kein Profil mehr gibt, in dem nur noch das Produkt und der Preis entscheiden. Unternehmensmodelle wie Zalando haben eine bittere Erfahrung aus den Einkaufsstraßen ins Netz übertragen: die Verdrängung von Kompetenz durch Masse. Serviceorientierte Händler mit Kompetenz, beispielsweise Frontlineshop, können sich auf den Preiskampf mit Zalando nicht mehr einlassen. Ihnen bleibt die Positionierung in der Nische. Zalando ist wahrscheinlich das schlauste Geschäftsmodell, das es momentan im E-Commerce gibt. Genial muss man auch den Schachzug bezeichnen, das Restpostenproblem in die Offlinewelt auszulagern, um tadellose Abverkaufsstatistiken im Onlinehandel vorweisen zu können. Noch erstaunlicher als die Resistenz gegenüber augenscheinlichen Risiken ist die Summe der Aussagen, die man zum Thema Zalando von Markenseite bekommt. Wer da
Das Restpostenproblem bei Zalando wird in die Offlinewelt ausgelagert.
nicht mitmacht, ist schon fast fahrlässig. Die rigorose Rabattpolitik wird über die Prinzipien der freien Marktwirtschaft gerechtfertigt: Man kann den Handel in diesem Punkt nicht regulieren. Was wir aus der Praxis mit kleineren Accounts anders kennen und wo wir wieder beim Lieblingsthema der letzten Jahre wären: enge Partnerschaften mit dem Handel. Leider ist das eine Diskussion, die wir nur anstoßen und nicht öffentlich führen können. Größtenteils, weil sie Off Records stattfindet. X
Stimmen zum Artikel: „Wenn jemand einen guten Onlineshop macht und verantwortungsvoll damit umgeht, ist das absolut legitim. Das Onlinebusiness ist ebenso ein Geschäftszweig wie der stationäre Handel. Aber wenn jemand nur Marken kauft, um möglichst schnell zu wachsen und sich eine gewisse Marktposition mit zugewonnenen Millionen zu erkämpfen, dann ist das einfach kein fairer Handel mehr. Wer nur wild expandieren will und die Ware dann, wenn das nicht klappt, über ein anderes Ventil verkloppt, ist für uns mit einer Marke wie Superdry, mit der wir noch am Anfang des Markenaufbaus stehen, kein geeigneter Partner.“ Henrik Soller, Komet und Helden „Bei Zalando werden viele Vertriebe schwach. Für uns Händler ist das in manchen Fällen aber auch eine Chance, weil Zalando Marken ein Schaufenster bietet, die es im stationären Handel noch nicht so weit gebracht haben. Davon profitieren wir. Was wir an dem Geschäftsmodell sehr bedenklich finden, ist, dass es keinerlei Reglementierung gibt. Es denkt scheinbar niemand über die möglichen Konsequenzen nach. Und was dann? Diese Frage sollten sich alle Marken vorher stellen.“ Björn Müller, Dresscode „Zalando hat sich seinen Kunden so erzogen, dass die Retourenquoten um die 50 Prozent liegen. Das ist für einen rentabel ausgerichteten Onlinehändler wie uns absolut unrealistisch und verzerrt die Wettbewerbssituation. Unsere klare Positionierung als Marke und in der definierten Nische Boardsport stärkt uns gegenüber den Massenversendern. Meiner Meinung nach ist Kompetenz etwas, das Bestand hat. Daher sind wir ziemlich relaxed.“ Sebastian Knebelkamp, Planet Sports
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„Wir bleiben rentabel“ In seinem Heimatmarkt Frankreich ist der Onlineschuhhändler Sarenza Marktführer. Seit 2010 ist das Unternehmen auch im deutschen Markt aktiv. Wie man sich als Spezialist gegen die großen Versender behaupten will, erklärt die Country Managerin für Deutschland, Valerie Gryson. Text Isabel Faiss Fotos Sarenza
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„Wer sich momentan im Netz behaupten möchte, muss eine Nische finden und sich in dieser klar positionieren.“ Valerie Gryson
assenversender graben den Spezialisten im Onlineretail mehr und mehr Marktanteile ab. Wie kann man sich gegen diese Entwicklung behaupten? Valerie Gryson: Wir sehen uns als modischer Schuhfachhändler und positionieren uns in diesem Umfeld. Unser Ziel ist es, Spezialist zu bleiben und uns dem preisaggressiven Massenphänomen, das nur über Preisaktionen und Rabatt funktioniert, zu entziehen. Natürlich muss man auf die Preissensibilität der Konsumenten reagieren, aber ich glaube, dass die Konsumenten vor allem im Netz einen gewissen Service und zunehmend mehr Inspiration und das Besondere suchen. Sie freuen sich über Stores, die eine selektive Auswahl haben, weil das Abbilden von aktuellen Themen und Trends schon Service ist. Wer sich momentan im Netz behaupten möchte, muss eine Nische finden und sich in dieser klar positionieren. Grundsätzlich ist der deutsche Markt ein sehr reifer Markt, die Konsumenten sind sehr erfahren. Für uns war es in Deutschland erst einmal wichtig, die passenden Marken zu finden. Das waren vor allem deutsche Marken und auch neue Namen, die nicht in den Sortimenten der großen Versender auftauchen. Darüber definiert sich die Kompetenz, die wir als Fachhändler haben. Wir haben keine Investorenrunde organisiert, wir sind immer noch inhabergeführt. Wir sind rentabel, und das wollen wir auch bleiben. Wenn Geld keine Rolle spielt, weil Rentabilität keine Rolle spielt, schießt das Werbebudget in die Höhe. Wie kann man sich daneben überhaupt noch sichtbar machen?
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VG: Entweder man geht auf Konfrontation und macht noch mehr Werbung, oder man setzt auf die Chance, dass der deutsche Markt bereits dazu erzogen wurde, Schuhe online zu kaufen. Indirekt nützen die TV-Kampagnen allen Onlineretailern, weil sie die Kunden in erster Linie zum Schuhekaufen im Internet auffordern. Für uns ist es sinnvoller, in den wichtigsten Shoppingkanälen zu schalten und in Blogs und der Presse aufzutauchen. Ist der Onlinekunde noch kritischer hinsichtlich des Preis-Leistungs-Verhältnisses? VG: Es gibt eine wachsende Zielgruppe, die nicht mehr nach dem geringsten Preis, sondern vielmehr nach dem Einkaufserlebnis sucht. Der Webshop muss wie jeder Store persönlich sein. Wir setzen immer Schuhe in den Vordergrund, die etwas ganz besonderes haben. Zusätzlich steht bei jedem Schuh ein kleiner Tipp, wie bei der Beratung im stationären Handel. Das Einkaufserlebnis beinhaltet auch Inspiration. Wir arbeiten regelmäßig mit kleineren neuen Marken zusammen, manche wie Anabel Winship haben wir maßgeblich mit aufgebaut. Uns geht es darum, dem Kunden Modelle anzubieten, an die er sich von selbst vielleicht nicht rangetraut hätte. Restposten sind immer wieder ein Problem und es gibt prominente Beispiele für schlechte Lösungen. VG: Die Lösung beginnt beim Einkauf. Dafür haben wir sehr gute und spezialisierte Einkäufer, die kritisch hinterfragen und mehrere Jahre Erfahrung haben. Der zweite Schritt ist, richtig zu verkaufen. Richtig kaufen, richtig verkaufen. Es gilt die richtigen Produkte zum richtigen Zeitpunkt in den Vordergrund zu setzen. Wir haben ca. 800.000 Paar Schuhe auf Lager. Man muss ein perfektes Logistikkonzept haben, um den Verkauf gezielt zu steuern. So vermeidet man, 100.000 Paar Schuhe in einer Ecke auf Lager zu haben, die noch nie auf der Website waren. x
Facts and Figures
Sarenza wurde 2005 in Frankreich gegründet und hat seinen Hauptsitz in Paris. Es ist in den Märkten Deutschland, England, Spanien, Italien und den Niederlanden aktiv. 2010 erwirtschaftete Sarenza 80 Millionen Euro und verzeichnete 75 Prozent Wachstum im vergleich zum Vorjahr. Geschäftsführer ist Stéphane Treppoz. www.sarenza.de
die gute nachricht, Storch Heinar –– so läuft’s
Die Geschichte vom Führerstorch Witz ist eine mächtige Waffe. Intelligenz erst recht. Storch Heinar ist ein witzig-intelligentes Modeprojekt, sein Feind: die Fratze des Rechtsextremismus. Text Kay Alexander Plonka Foto Storch Heinar
WWW –––––––––– www.storchheinar.de www.endstation-rechts.de
label zu machen?“, fragt Mathias Brodkorb, mecklenburgischer SPD-Landtagsabgeordneter und einer der Storchenväter. Bei einer Rotweinrunde entstand die Idee vom tollpatschigen, modebesessenen Führerstorch – eine Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, die Spaß macht. Plakative Drucke auf T-Shirts, Hoodies, Kaffeetassen, Regenschirmen, Babystramplern und Taschen verballhornen seither die NaziKultur. Als Quelle für neue Motive dient die rechte Szene selbst. Heinars digitaler Kaufmannsladen wirbt mit „Bügelfalten hart wie Kruppstahl“, die Produkte tragen Titel wie „kriminelle Inländer“ oder „Sieg Style“, Typografie und Grafiken nehmen häufig Bezug auf nationalsozialistische Ästhetik. Und für die entsprechende Modestorch-Publicity sorgen die Angeschwärzten selbst. Thor Steinar verklagte die Adebar-Initiative wegen Verunglimpfung und Markenrechtsverletzung. Schon in der ersten Instanz wurde die Klage abgewiesen und von einem breiten Medienecho begleitet, feierte Heinar den „historischen Sieg im Nürnberger Modeprozess“ mit einer WeltkriegsverliererbesiegerSonderkollektion!
WEITERFÜHRENDE PROPAGANDA
„Mir geht es um nichts weniger als die radikale Vernichtung sämtlicher Eierlikörvorräte und das Streben nach modischer Weltherrschaft!“ Storch Heinar
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r trägt einen sauberen Seitenscheitel und Hitlerbärtchen, liebt Eierlikör und leidet an einer Froschfleisch-Intoleranz. 2008 schlüpfte die Komikfigur Storch Heinar als Antwort auf einen Rostocker Shop, der vor allem Klamotten der umstrittenen Marke Thor Steinar im Sortiment führte. Das Label der brandenburgischen Mediatex GmbH hatte sich mit martialischen Grafiken schnell als Erkennungsmerkmal in der Neonazi-Szene etabliert. „Endstation Rechts“, das Informationsportal über Nazis und die NPD-Fraktionen in den Landtagen von MecklenburgVorpommern und Sachsen wollte etwas tun. „Was liegt näher, als selbst ein eigenes Mode-
Oben: Ein Lied, zwo, drei, vier – nicht nur mit Musik bläst der Storch dem braunen Mob ordentlich den Marsch. Unten: Mit Slogans wie „Hier maschiert der nationale Viehbestand“ wird die Kollektion ständig erweitert.
Bei Facebook ist Heinar mittlerweile als Politiker angemeldet, und führt laut Profil eine open relationship with Eva Braunstorch. Als mannshohe Figur erscheint er auf Propagandafesten seiner Anhänger und tritt mit seiner Band Storchkraft auf. Der Bandcontest, oder wie Heinar es nennt, Kapellenwettstreit „Storchkraft statt NPD“ begeisterte tausende Jugendliche auf der „Achse Rostock-Leipzig“. Im Juni erschien das wortwitzige Buch „Mein Krampf“ mit Geschichten vom Sieg über Thor Steinar, die radikale Vernichtung sämtlicher Eierlikörvorräte und das Streben nach modischer Weltherrschaft. Im Textilbereich hat sich das politische Federvieh indes Unterstützung im pazifistischen Projekt „Front deutscher Äpfel“ geschaffen, inoffizieller Namensgeber: der NPD-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel. Jugendliche mit roten Apfellogo-Armbinden kommentieren rechte Demonstrationen mit Parolen wie: „Was gibt der deutschen Jugend Kraft? Apfelsaft! Apfelsaft!“ Sämtliche Erlöse aus den schlauen Politiksatire-Aktionen fließen in die Aufklärungsarbeit gegen Rechts, damit Anhänger des braunen Lifestyles ein für allemal ihre dürftigen Waffen strecken. Der Storch klappert weiter! x
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Mcommerce –– so läuft’s
Check in die Einkaufszone! Mobiles Commerce soll den Konsumenten aus der digitalen Welt wieder an den Point of Sale zurückholen. Ein Lichtblick für den Einzelhandel, der mit neuen Strategien aktiv im Markt arbeiten kann. Text Nicolette Scharpenberg Fotos wynsh, Sixty Illustration Andreas Klammt, Breitengrad 53,5°
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hoppen gehen? Viel zu anstrengend, kann ich auch online.“ Keine seltene Antwort, wenn man es gewagt hat, den Wunsch nach der guten alten Shoppingtour zu äußern. E-Commerce galt noch vor drei Jahren unangefochten als das ganz große Ding und bereitete stationären Händlern Schweißausbrüche. Heute wendet sich das Blatt wieder, denn durch die Entwicklungen im mobilen Commerce werden die Konsumenten wieder dahin zurückgeholt, wo Händler sie sich eigentlich wünschen: in die Einkaufszonen. Durch die stetig wachsenden SmartphoneNutzerzahlen, die verbesserte Internetversorgung und sinkende Kosten für mobile Datenübertragung wird auch das Shopping über das Handy immer populärer. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien gibt an, dass 2010 7,4 Millionen Smartphones in Deutschland verkauft wurden. 2011 stieg der Absatz um 31 Prozent auf 11,8 Millionen. MCommerce, Einkaufen und bezahlen über das Smartphone, sei demnach eine Art Revolution des E-Commerce. Doch wie bekommt man den Kunden wieder in den Laden?
Bedeutung zukommen lässt. Passend zum Weihnachtsgeschäft eröffneten sie einen Popup-Store, in dem Kunden die Waren mit dem Smartphone bestellen konnten und dann nach Hause geliefert bekamen. Das Ganze funktionierte über QR-Codes, den die Kunden einscannen und die Ware darüber bezahlen konnten. Der Clou dabei: Das ganze funktionierte auch nach Ladenschluss, denn auch die Dekoration war mit QR-Codes versehen. Ziel von Ebay war es, mit diesem temporären Shop das M-Commerce-Business zu stärken. Ein vergleichbares Konzept startete Ebay bereits in New York, wo sie Mitte November zwei Give-AToy-Stores eröffneten. Dort konnten Kunden durch das Schaufenster QR-Codes auf Preisetiketten von Spielzeug einscannen und damit Geld für die Kampagne Toys for Tots spenden.
Sascha R. Rowold, WindoWin GmbH
Einchecken, abchecken, absahnen Das mobile Couponing – Gutscheine und Rabattierungen in digitaler Form – bleibt ak-
Shopping direkt aus dem Schaufenster Ein schönes Beispiel ist die Aktion des Internetauktionshauses Ebay. Anfang Dezember 2011 haben sie ein stationäres Experiment in London gestartet, das dem Wort „Schaufenster-Shopping“ plötzlich eine ganz andere
„Wir drehen das Rabatt-Paradigma um: Der Konsument bestimmt selbst, worauf er Rabatt bekommen möchte, somit steigern wir den Durchschnittsbon als auch die Anzahl der Artikel pro Bon.“
Ebay launchte Ende 2011 einen Pop-up Store in London, wo Kunden die Waren direkt aus dem Schaufenster ordern konnten - alles via Smartphone.
tuell jedoch noch zentraler Begriff auf dem Gebiet M-Commerce. Im Gegensatz zu klassischen Gutscheinen sind hier die Einlösequoten um zehn Prozent höher als bei konventionellen Gutscheinaktionen. Dabei arbeiten die meisten Dienste mit Location-BasedServices, die sich via GPS auf den Standort des Konsumenten beziehen und lokale Gutscheinangebote zeigen. Das Marktpotenzial für mobile Location-Based-Services wird als enorm eingestuft: Laut dem britischen Beratungsunternehmen Juniper Research sollen die weltweiten Umsätze mit diesen Services bis 2014 auf über 12,7 Milliarden US-Dollar
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so läuft’s –– Mcommerce
genüber dem Konsum übers Web bietet, und genau diese Funktion hat das mobile LBS“, so Lücke weiter. steigen. Für Deutschland prognostiziert das Unternehmen Research and Markets bis 2016 einen Umsatz von einer Milliarde US-Dollar. Pionier auf dem Gebiet ist der 2009 gegründete Dienst Foursquare, der nach eigenen Angaben rund 15 Millionen User hat. Während sich Foursquare vorwiegend um den US-Markt kümmert, soll sich das im gleichen Jahr gelaunchte deutsche Pendant Friendticker auf Europa konzentrieren. Beide Internetdienste sind eine Mischung aus Spiel, sozialem Netzwerk, Empfehlungsportal und mobilem Stadtführer. Händler können hier kostenlos ihr Geschäft registrieren und Sonder- oder Rabattaktionen für Kunden, die bei ihnen „einchecken“ erstellen. Der Vorteil: Empfehlungen, Informationen und spezielle Werbeangebote werden dadurch wesentlich weiter und schneller verbreitet als durch persönliche Mundpropaganda und man kann die Angebote via Google sehr schnell finden. Daneben gibt es zahlreiche andere Rabattplattformen wie beispielsweise Groupon, Rabees, Qype, Gowalla und die Location- und Eventsuchmaschine Loxicon. „Früher ging die Offlinewelt online, heute geht es darum, die Konsumenten aus der digitalen Welt wieder offline direkt an den PoS zu bringen“, sagt Boris Lücke, Geschäftsführer der Gettings GmbH. Das Tochterunternehmen von E-Plus wurde 2009 als Mobile-Marketing-Anbieter gegründet und im November 2010 wurde der standortbezogene Dienst im Rhein-/Ruhr-Gebiet gestartet. Seit März 2011 wird das Angebot im gesamten Bundesgebiet kontinuierlich ausgebaut. „Der stationäre Handel muss den Kunden eine Brücke bauen, die einen Mehrwert ge-
links
www.wynsh.com www.sixty.com www.foursquare.com www.friendticker.com www.loxicon.de www.groupon.de www.rabees.com www.gowalla.com www.gettings.de www.mobile-zeitgeist.com
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Auf Wunsch des Kunden Relativ neu ist auch der seit Mitte 2011 aktive Dienst wynsh – eine Art Rabattgenerator, der bereits mit Firmen wie Miss Sixty, Energie, Killah, Bally, Replay, s.Oliver oder René Lezard zusammenarbeitet. Das Besondere dabei: Mit wynsh bestimmen die Kunden selbst, worauf sie Rabatt bekommen wollen. In der App erfahren sie, wo sie gerade „wynshen“ können. In den jeweiligen Partner-Stores haben Nutzer dann die Möglichkeit, mit der integrierten Kamera ihre favorisierten Produkte zu fotografieren und einen Button zu betätigen. Per Zufallsgenerator zeigt die App einen Rabattbetrag oder eine Zugabe zu dem „gewynshten“ Produkt auf dem Smartphone. Der Rabatt muss dann in einem vorgegebenen Zeitraum direkt an der Kasse eingelöst werden. Die Art der Aktionen, Zeiträume und Sortimentgruppen sind individuell veränderbar. „Mit wynsh bieten wir eine Plattform, mit der Kunden beim Shoppen mehr Spaß haben und Retailer dadurch mehr verkaufen können. Denn sowohl der Durchschnittsbon als auch die Anzahl der Artikel pro Bon steigen. Dabei geht alles immer mit dem Wunsch des Kunden los“, erklärt Sascha Rowold von der WindoWin GmbH, der den Dienst Mitte 2011 zusammen mit Gründer Marc Schwieger gelauncht hat. wynsh dreht das Rabatt-Paradigma um: Der Konsument bestimmt selbst, worauf er Rabatt bekommen möchte. Der Retailer, egal ob Mono- oder Multibrand-Händler, kann im Hintergrund über ein individuelles Interface seine wynsh-Kampagnen beobachten und in Echtzeit optimieren. Neben dem Rabattroulette direkt im Laden besteht zudem die Möglichkeit, seinen Kunden persönliche Nachrichten und Aktionen auf ihre Smartphones zu schicken. „Fast zehn Prozent aller auf diese Weise angesprochenen Kunden sind wieder zurück in das Geschäft gekommen und haben noch mal ‚gewynsht‘, also, sich noch mal mit dem Sortiment beschäftigt“, sagt Rowold.
Adieu Ramschcharakter Die Sixty Deutschland GmbH hat im Herbst 2011 die Möglichkeit der kostenlosen Testphase von wynsh genutzt. „Für unsere Zielgruppe ist es eine schöne spielerische Variante, anstatt mit einem Discount-Schild zu arbeiten und auch um eine Kaufentscheidung zu forcieren“, sagt Nico Hoffmeister, Head of Marketing und PR von Sixty. „Denn wenn Kunden
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01 „Es gibt mittlerweile Unmengen DiscountApps, die aber oft mit einem Ramschcharakter behaftet sind.“ Nico Hoffmeister, Sixty Group 02 „Früher ging die Offlinewelt online, heute geht es darum die Konsumenten aus der digitalen Welt wieder offline direkt an den PoS zu bringen.“ Boris Lücke, GF Gettings GmbH
an der Kasse stehen und sich unschlüssig sind, dann kann man ihnen sagen: Hey ‚wynsh‘ doch mal, vielleicht bekommst du ein paar Prozente drauf! Wir fanden es eine sehr sympathische Art, den Kunden zur Kaufentscheidung zu bewegen. Das schöne dabei: Der typische Discount-Charakter fällt weg. wynsh fühlt sich für den Kunden eher wie ein persönlicher Bonus an. Ein Tool, was insbesondere für uns Modekunden Sinn macht“, sagt Hoffmeister. Die Firma hat die App in ihren Stores in Deutschland getestet, mit positiver Resonanz insbesondere von den Mitarbeitern. Hoffmeister: „Es gibt mittlerweile Unmengen anderer Anbieter derartiger Discount-Apps. Wir haben uns jedoch für wynsh entschieden, weil das Fashionumfeld hier einfach besser zu uns gepasst hat und hierbei nicht dieser Ramschcharakter mitspielt. Wir wollen die Kunden nicht über Prozente gewinnen, sondern sie bei der Kaufentscheidung auf spielerische, sympathische Art unterstützen.“ Miss Sixty hat wynsh mittlerweile auch in Österreich und den Niederlanden eingesetzt. Ab Januar 2012 steht auch eine neue App-Version zur Verfügung. Auch wenn sich dieses Thema für so manchen Händler oder noch nicht so Handyaffinen Konsumenten wie böhmische Dörfer anmuten, wächst die Zahl der Nutzer und Anbieter stetig. Damit sich die Marketingform des mobilen Gutscheins jedoch nachhaltig entwickelt und flächendeckend erfolgreich ist, muss die Couponnutzung beim täglichen Einkauf zur Gewohnheit werden und einfach in der Benutzerfreundlichkeit werden. Erst dann ist diese Werbeform rentabel und unabhängig von der Unternehmensgröße einsetzbar. Die Shoppingjagd wird also weitergehen, und zwar offline. x
icc distribution –– so läuft’s
The Belgian Window Vom Weltall aus lassen sich nur zwei Objekte auf der Erde mit bloßem Auge erkennen: die Chinesische Mauer und Belgien – als kleiner Lichtpunkt dank beleuchteter Autobahnen. Kleines Land, große Leistung dachten auch wir uns im Gespräch mit Jean Peeters, Gründer von ICC Distribution in Gent und Pionier in Sachen Streetwear. Text Isabel Faiss Fotos ICC Distribution
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hn als Institution zu bezeichnen, klingt nach Stillstand, und Stillstand ist was für Parkuhren. Jean Peeters vereint in seiner Person so viele Facetten des Modebusiness, dass man ihm ohne Zwischenfragen nicht folgen kann, wenn er anfängt, seine Geschichte zu erzählen. Zum Glück endet sie nicht mit der Assoziation eines überambitionierten fliegenden Händlers, der in der Jackentasche das gesamte Repertoire offeriert. Sie endet im Büro von ICC Distribution im beschaulichen Gent, von wo aus Peeters und sein Team die Streetwear-Szene in Belgien zuerst aufbauten und seitdem dominieren.
Das Team von ICC Distribution rund um Jean Peeters (ganz oben, mitte).
Der Lauf der Dinge Gemeinsam mit einem Freund startete Jean Peeters 1998 die kleine T-Shirt-Linie Artware. Dabei ging es hauptsächlich darum, Prints von befreundeten Künstlern auf T-Shirts zu bringen – damals war das rekordverdächtig neu – und diese an einige Stores zu verticken. Kein besonders rentables Geschäft, daher begannen die Jungs bald, ihre Idee mit den Einnahmen aus der HipHop-Partyreihe Citykingz zu pampern. Das ging durch die Decke. Dank Acts wie De La Soul kamen rund 1.000 Gäste zu den Citykingz Events. Durch Artware kamen die Jungs in Kontakt mit anderen Streetwear-Brands wie Saiko Expeditions, Broke oder Iriedaily, für die sie den Vertrieb in Belgien starteten. Das Netzwerk wuchs. Kurz darauf gründete Peeters die Agentur ICC Distribution, in der er wegen der engen Verbindung zur Graffiti-Szene anfangs überwiegend Spraydosen vertrieb und für die Marke Montana zum Generalimporteur in Belgien wurde. Der Durchbruch für ICC Distribution kam durch die Zusammenarbeit mit Supreme-
being, damals ein kleines Underground-Label aus Cambridge. „Von da an wuchsen wir als Unternehmen kontinuierlich, indem wir einige der besten Labels auf den Markt brachten. Beispielsweise Boom Bap als Distributeur oder Dr. Denim als Vertriebsagentur. Vor kurzem sind noch Herschel Supply und 667 mit hinzugekommen“, erklärt Jean Peeters. Einem Zufall verdankt er übrigens, dass eine wichtige Marke sein Agenturportfolio bereichert: Original Eskimo. Das Büro von ICC Distribution hat seinen Sitz in den ehemaligen Hallen der Textilfabrik von Eskimo, einem seit 1906 bestehenden belgischen Traditionsbetrieb der Familie De Groote. Irgendwann nahm sich Peeters seinen Vermieter, einen Sohn der Familie De Groote zur Brust und schlug ihm vor, das Sublabel Original Eskimo zu gründen. Seitdem designt inhouse Grafikdesigner Wies Wydooghe die Kollektion und ICC vertreibt sie in ganz Europa. Vor kur-
zem wurde zudem die B2B-Plattform www. getstock.eu gelauncht, auf der Händler online nachordern können. Fast nebenbei eröffnete die Agentur noch ein paar Läden in Belgien, gab das Retail-Geschäft inzwischen aber wieder aus der Hand. Nach wie vor dient die Website citykingz.com als eine Plattform mit Webshop, die den Endkonsumenten die gesamte Bandbreite des weitläufigen Netzwerks präsentiert. x
ICC Distribution
Jean Peeters 900 Gent/Belgien www.iccdistribution.eu Marken: 667, Boom Bap, Dr. Denim, Herschel Supply, Montana, Original Eskimo, Supremebeing, Upper Playground
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Ist viel zu viel? Die Berliner Modewoche hat eine Fülle von Events geboten, die zum größten Teil zeitgleich liefen. Besucher klagten über das Zuviel an Veranstaltungen, die gar nicht mehr zu schaffen seien. Welches Fazit ziehen Aussteller und Besucher nach der aktuellen Saison? Text Isabel Faiss, Ina Köhler Fotos Marken, istockphoto.com
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ie Situation ist für Händler sehr unübersichtlich geworden. Es ist kaum zu handhaben, in drei oder vier Tagen alles in Berlin abzugrasen. Es gibt ja mittlerweile auch eine Menge parallele Messen und Shows, diese Kannibalisierung finde ich nicht gut. Im nächsten Schritt muss man überlegen, entspricht die Bread & Butter den Zielen, die wir noch vor vier bis fünf Jahren als Marke hatten? Man muss heutzutage alles auf den Prüfstand stellen, die Entwicklung beobachten und Alternativen
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abwägen. Die vergangenen Jahre gab es überhaupt keine Diskussion. Wir sagten uns: Lass uns einen schönen Stand bauen und einen guten Auftritt haben. Wir ziehen nach der Veranstaltung unser Fazit, werden die Frequenz und die Qualität der Besucher betrachten. Außerdem bin ich auch nicht so ganz glücklich über die Zusammensetzung in der Denim Base. Wir haben beispielsweise diesmal unsere Sportkollektion ausgelagert, diese steht nicht unbedingt für diese Trade Show. Damit sind wir auf der Bright und dann auf der ispo. Wir zeigen dafür hier auf der Bread & Butter unsere Denimkompetenz.“ Hanjo Argendorf, Bench, Americana Germany „Zu Beginn, im Jahr 2003, gab es in Berlin die Bread & Butter und die Premium. Beide haben sich sehr gut ergänzt, weil beide Veranstaltungen unterschiedliche Kernsegmente abgedeckt haben. Die Premium arbeitet überwiegend mit Agenturen und Handelsvertretern. Bei der Bread & Butter geht es eher darum, dass die Unternehmen ihre Marken auf einer internationalen Plattform präsentieren wollen. Der Unterschied war relativ gut für jeden zu erkennen. Im Jahr 2007 kam die IMG mit der Mercedes Benz Fashion Week dazu und hat Modenschauen veranstaltet, vorwiegend mit jungen Designern – eine interessante Ergänzung. Des Weiteren entwickelten sich einige Spezialsegmente, wie der Green Showroom, die sich auf spezielle Marktsegmente fokussiert haben, oder die Bright, die nach Berlin umzog. Der Sog von Berlin ist so stark, dass von Saison zu Saison immer mehr Veranstaltungen hinzukommen, die eine Plattform für Marken anbieten, die auch auf den etablierten Messen stehen könnten. In Berlin herrscht absolute Goldgräberstimmung. Ich frage mich am Ende des Tages, welche Argumente diese Veran-
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03 01 Norbert Loew (links), 02 Hanjo Argendorf (rechts), 03 Karl-Heinz Müller
staltungen für die Marken und den Einkäufer haben? Wie soll der Einkäufer noch entscheiden, wo er noch hingehen soll? Die Fülle der Veranstaltungen spiegelt nicht die Segmentierung wider, wie sie im Markt vorhanden ist. Man muss sehr vorsichtig sein, damit man den Standort Berlin nicht zerfleddert. Wenn ich das aus der Sicht des Handels sehe, dann ergibt sich Folgendes: Messen sind dafür da, dass der Einkäufer möglichst viele Kollektionen in möglichst kurzer Zeit sichten und vergleichen kann. Es gilt, Neues zu entdecken, Bewährtes zu überprüfen und die so wichtige Kontaktpflege zu den Lieferanten sowie der allgemeine Gedankenaustausch innerhalb der Branche. Deshalb müssen Messen früh in der Saison stattfinden. Insbesondere große, wichtige Kollektionen können und sollten nicht auf Messen geschrieben werden. Dafür sind die Showrooms der Repräsentanten und Marken wichtig und unersetzbar. Hier kann der Einkäufer in Ruhe und ohne Störung seinem Geschäft entsprechend seine Order platzieren. Zwischenzeitlich hat sich aber eine Art Karawane entwickelt. In Deutschland zieht sie von Berlin nach Düsseldorf und dann weiter nach München zu den unterschiedlichsten Orderplattformen. Dazu kommen noch die Messen in Florenz, Paris, Mailand und Kopenhagen. Überall herrscht Hochbetrieb. Es wird viel geredet, aber wenig konzentriert gearbeitet. Oftmals a waste of money and time. Ich wünsche mir als Händler mehr ungestörte Zeit in den Showrooms bei den Repräsentanten der Marken, die ich in meinem Sortiment führe. Aber meine Repräsentanten befinden sich leider sehr oft auf irgend einer Messe oder Orderveranstaltung im In- und Ausland, weil’s nett ist und ja jemand vorbeikommen könnte. Wenn ich sie treffen möchte, muss ich hinterher reisen oder die Einkaufssaison ist vorbei. Dabei kommt ein strukturierter Vertrieb der Marken eindeutig zu kurz. Viele Aufträge werden by accident geschrieben, was dazu führt, dass jeder Laden alles ein bisschen führt. Dadurch werden viele Marken im Handel unterrepräsentiert dargestellt. Unendlich viel Potenzial wird nicht genutzt. Hier hat der Vertrieb starken Nachholbedarf.“ Karl-Heinz Müller, President Bread & Butter „Auch wenn die meisten wichtigen Meetings bereits vor oder während der Bread & Butter in unseren K1X-Showrooms abgewickelt werden, bietet die Messe für uns die Möglichkeit, noch einmal mit Bestandskunden Einzelheiten wie etwa SMUs, Quickstrikes oder deren finale Aus-
fashiondiskurs –– Lass uns reden
wahl zu besprechen. Nicht nur die Präsenz der Marken bestimmt die Qualität der Messe, sondern auch die Anwesenheit der Bestands- und Wunschkunden. Diese waren meiner Meinung nach im Januar auf der Bread & Butter wieder gut vertreten. Des Weiteren gilt es, für uns noch einige graue Stellen auf der Weltkarte zu füllen, und für internationale Kontakte eignet sich ein Messebesuch eigentlich immer.“ Philip Buchholz, Vice President of Sales K1X „Ich denke dass die Berliner Messewoche so wieder eine riesige Blase war. Einmal mehr hat sich die Branche schön vorgestellt, ganz in der Routine und unter dem Druck der Weltkrise. Ein großer Wirbel und alle haben am Rande schön kassiert, nur die Händler und Lieferanten sind irgendwie auf der Strecke geblieben. Ich empfinde den Markt als eingefroren. Andererseits gibt es jetzt eine größere Vielfalt. Obwohl sich viele Händler über die Zerstreuung der Veranstaltungen und Messen beschweren, sehe ich darin auch eine positive Entwicklung für unsere Branche. Wenn man heute durch die Läden geht, sieht doch alles gleich aus. Jeder ordert nur das, was der andere ordert, keiner traut sich mehr, etwas Eigenes zu machen. Wenn wir jetzt auch noch alle auf die gleichen Messen gehen, wird sich das Problem kaum lösen. Dadurch dass wir immer mehr Veranstaltungen in Berlin haben und es auch Alternativen zu den großen kommerziellen Messen gibt, kommt wieder mehr Abwechslung und Individualismus rein. Auf den großen Messen gehen kleine innovative Brands unter. Formate wie die Capsule, die ein Thema sehr konzentriert, zeigt eine neue Chance für mehr Vielfalt im Handel.“ Philippe Nowotny, Importeur und Einzelhändler „Die Bread & Butter ist für Lacoste Footwear der zentrale Anlauf- und Mittelpunkt der Berliner Messen und ist für uns nach wie vor die Plattform der Präsentation und Kommunikation. Natürlich haben viele Kunden die neue Kollektion bereits vorher gesehen und auch geschrieben. Auf keiner Show dieser Art wird geordert. Das wäre nicht sinnvoll. Die Bread & Butter ist Business und Entertainment. Natürlich ist klar, dass die Besucher durch die Vielzahl der Messen gefordert sind. Aber das ist doch so wie in einem guten Department-Store: Es gibt ein fantastisches und riesiges Angebot und der Kunde kann wählen. Perfekt! Und als Erinnerung: Die Bread & Butter ist und bleibt das Zugpferd aller Berliner Messen. High Fidelity – das Motto der vergangenen Show kommt von Fidelitas –
die Treue – aus dem Lateinischen. Wir werden der BBB in jeder Hinsicht die Treue halten.“ Conny Stöckl, Marketing Managerin Lacoste Footwear „Ich als Einkäufer wäre nicht so froh, wenn ich so viel Zeit mit Fahrten durch die Stadt verbringen müsste. Unsere Händler kommen zur Bread & Butter, einige gehen zur Bright und wieder einige zur Premium. Manche sind auch zur Bestseller-Veranstaltung gegangen, aber ansonsten hat sich das auf diese drei Kerne konzentriert. Für den Streetstyle-Markt findet man dort als Einkäufer alle Marken, die relevant sind. Ich glaube, dass es der Handelsstruktur nicht hilft, wenn es zu viele Plattformen gibt.“ Norbert Loew, Bench, Americana Germany „Berlin ist ja immer eine Reise wert. Es gibt immer wieder neue Ecken, die sich entwickeln und wo der Handel sich neu präsentiert. Die Torstraße geht gerade einen solchen neuen Weg und entwickelt sich sehr interessant. Ich habe leider sehr wenig Innovation und Anregungen in den Tagen meiner Reise feststellen können, zumindest was den textilen Einzelhandel angeht. Was die Gastro- und Kunstszene jedoch angeht, bin ich immer wieder erstaunt, was Berlin zu bieten hat und welch kreative Dinge dort umgesetzt werden. In vielen anderen deutschen Städten wäre dies undenkbar, alleine der Vorschriften wegen, hier scheint Berlin ein echter Vorreiter zu sein. Da mag ich nur sagen: Prima, weiter so, da sollten sich andere Städte mal eine Scheibe abschneiden. Ich hätte mir etwas mehr Mut vom Einzelhandel gewünscht. Berlin ist immer Mode- und Konzeptvorreiter gewesen, dies sollte auch zukünftig mit dem Quäntchen Verrücktheit und Aggressivität in Berlin vom Einzelhandel umgesetzt werden, denn das unterscheidet ja Berlin unter anderem von allen anderen deutschen Großstädten. Trotzdem möchte ich allen Messeveranstaltern und der Fashion Week in Berlin gratulieren. Es ist immer wieder toll anzusehen, wie Berlin sich dazu entwickelt hat.“ Thomas Wirth, Geschäftsführer Replay „Die Händler sind gestresst, ist doch klar. Aber mal ehrlich, vor nicht allzu langer Zeit haben sich alle beschwert, dass keine zentrale Plattform in Deutschland existiert. Früher wurde schon geschimpft, dass Köln und Düsseldorf so weit auseinanderliegen. Diese Beschwerde stößt bei mir und vielen auf Unverständnis. Dabei ist doch unsere Messelandschaft mit der Ergänzung durch die
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regionalen Veranstaltungen deutlich besser geworden. Die Messe hat eine immense Bedeutung für uns. Der Terminplan der Einkäufer ist zu dicht gedrängt, als dass man sich die Informationen häppchenweise in den Showrooms zusammenstückeln könnte. Reine Ansichtstermine werden in der Regel erst im zweiten Schritt vereinbart, wenn der Neukunde gezielt interessiert ist. Zusätzlich entfällt die Hemmschwelle, sich wirklich mit dem Produkt einer neuen Marke zu befassen. Viele Einkäufer fühlen sich verpflichtet, eine Order abzugeben, wenn sie schon einen festen Termin vereinbaren und lassen das dann lieber gleich. Eine falsche Einstellung, nebenbei bemerkt. Dies schadet der Vielfalt der gesamten Branche. Die Messe ist das beste Mittel, all diese Probleme zu umgehen.“ Frank Götz, Firetrap
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The Polymath of Creativity Künstler ist er mit acht Jahren geworden. Danny Sangra, heute 31, wohnt im Londoner Stadtteil Hackney, dort, wo im August 2011 die Riots ihr Unwesen trieben. Sangras rebellische Ader beschränkt sich eher auf die Kunst. Kunst in jeglicher Form und mit jeglicher Technik. Vorschreiben, was er zu tun hat, lässt er sich nicht. Im Interview spricht er über seinen Hang zu schwarzen Lederjacken, seine Designs für Marc Jacobs und seine Leidenschaft, in Finnland Moomins zu jagen. Text Nicolette Scharpenberg Fotos & Illustrationen Danny Sangra
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ey Danny, danke dass Sie unser aktuelles x-ray Cover designt haben! Gehören Sie eigentlich auch zu diesen Rebellen mit schwarzer Lederjacke? Danny Sangra: Es war mir ein Vergnügen und ich denke, ja. Will nicht jeder auf irgendeine Weise ein Rebell sein?
WWW –––––––––– www.dannysangra.com
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Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das Covermotiv entworfen haben? DS: Es war mir besonders wichtig, dass das Motiv eine starke Aussage und eine gewisse Coolness zugleich ausstrahlt. Ich hatte kurzzeitig auch darüber nachgedacht, ein Motiv mit gegrillten Käsesandwiches zu machen, da ich in dem Augenblick tierisch Bock drauf hatte (haha). Danny Sangra – man nennt Sie auch „the polymath of creativity“, was so viel wie der universelle Kreativkopf bedeutet. Warum? DS: Haha, ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wer das geschrieben hat, jedenfalls hat es sich irgendwie festgesetzt und steht nun in meiner Biografie. Ich denke, der Ausdruck kommt daher, weil ich in diversen kreativen Bereichen tätig bin und mit verschiedenen Techniken ar01+03 02
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Tiere und Augen sind immer wiederkehrende Stilelemente in Sangras Bildern. Sangras Stricklabel, AMS (A Minute Silence), wird unter anderem beim Dover Street Market in London verkauft.
Danny Sangra –– Lass uns reden
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beite. Welche ich wähle, ist immer stimmungsabhängig. Ich liebe es, beispielsweise mit Pinsel und Tusche zu arbeiten. Grundsätzlich bin ich kein Freund von Vorzeichnungen mit Bleistift, ich male direkt drauf los. Zeichnen ist meine zweite Natur, ich denke dabei nicht viel nach, kann abschalten und es einfach fließen lassen. Am liebsten mag ich Fotografie und Film, jedoch gibt es noch unzähliges mehr, was ich gerne lernen möchte. Lederjacken, Wölfe und Augen sind ein immer wiederkehrendes Motiv in Ihren Bildern. Was hat es damit auf sich? DS: Ich mag es einfach, Tiere zu zeichnen. Wölfe und Kaninchen sprechen mich einfach an. Augen sind vielleicht ein Stilelement bei mir, weil ich mich ständig beobachtet fühle. Die Idee mit der Lederjacke kam von einer Geschichte, die ich während meiner Zeit in Paris geschrieben habe. Die Story nannte sich „Leather Heroes, Velvet Villains“ (Helden in Leder, Bösewichte in Samt) und machte dazu eine Illustration in meinem Skizzenbuch. Als Harlan mir den Text über die Kunst- und Galerieszenen in den drei Städten gezeigt hat, musste ich sofort an dieses Motiv denken und fand es sehr passend für das Cover. Das Original hängt heute in meinem Flur. Wer inspiriert Sie? DS: Viele Leute. Was meine Kunst angeht, bin ich ein großer Fan von William Klein. Er war ein Künstler, der sich einfach eine Kamera geschnappt hat und diese auf eine ganz eigene Art eingesetzt hat. Das gleiche hat er mit Film gemacht. Er inspiriert mich in dem Sinne, dass er mir gezeigt hat, dass es völlig okay ist, Dinge auf seine Art und Weise zu tun. Sie haben bereits für viele High-Fashion-Brands gearbeitet, wie zum Beispiel Louis Vuitton, Marc Jacobs, Miu Miu und viele mehr. Worum genau ging es da und wie kamen diese Projekte zustande? DS: Das kam über Freunde, die auch meine Arbeit kannten. Frühe Arbeiten von mir waren hauptsächlich im Printdesign. Katie Hiller war es, die mich als erstes gefragt hat, ob ich Lust hätte, ein Paar Drucke für Marc Jacobs zu entwerfen. Ich glaube meine Bekannten bei diesen Firmen mögen es mit mir zu arbeiten, weil ich schnell und gut darin bin, viel in kurzer Zeit zu produzieren. Wenn es um knappe Deadlines geht, bin ich die perfekte Person. Für Miu Miu habe ich einen Online-Fashion-Film zusammen mit dem Glass Magazine produziert. Ich bin persönlich ein riesengroßer Miu-Miu-Fan und ausgerechnet das war auch meine Lieblingskol-
lektion. Daher war ich sehr glücklich, dass ich diesen Job machen durfte. Und was ist mit Streetwear? DS: Ich bin ehrlich gesagt nicht mehr so der Streetwear-Typ. Früher habe ich aber viel in dem Bereich gemacht. Sie haben auch ein eigenes Modelabel namens AMS (A Minute Silence). Konträr zum Namen ist es eine sehr farbenfrohe Strickkollektion. Warum plötzlich auch Mode und warum dieser Style? DS: AMS habe ich zusammen mit meiner Freundin Lynnda Needles nach dem College ins Leben gerufen. Sie ist eine großartige Strickdesignerin. Damals hatten wir jedoch kein Geld, um ein eigenes Label zu gründen, also warteten, wir bis wir das Budget hatten, um es richtig zu machen. Unsere erste Kollektion war komplett handgemacht und wurde beim Dover Street Market verkauft. Heute machen wir nur noch freie Auftragsarbeiten. Aktuell haben wir z. B. ein Strickkleid namens „The Polly Dress from AMS“ gemacht. Im Grunde gibt uns das die Möglichkeit, zu machen, was wir wollen, ohne dass uns jemand dabei Vorschriften macht. Wir können Videos, Gemälde oder anderen Stuff machen – ganz egal, denn es ist unser Baby! Kunst und Mode rücken immer enger zusammen. Vernissagen sind heute eher ein „Sehen und gesehen werden“, wodurch die gezeigte Kunst leider ins Hintertreffen gerät. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung? DS: Das ist wohl der normale Lauf der Dinge, wenn es um kreative Bereiche geht, und die Leute, die in diese Galerien gehen, wissen das. Wenn die Menschen ihren Bezug zu Kunst verlieren, suchen sie sich andere Wege, ihn zurückzugewinnen, und kreieren etwas Neues. Kunst und Mode passen zueinander, weil...? DS: ... alles immer um Kreativität geht. Nur diejenigen, die nicht wissen, wie es geht, müssen sich
„Ich bin eigentlich nicht mehr so der Streetwear-Typ.“ Danny Sangra
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04 Organische und geometrische Formen sowie Drucke sind feste Stilelemente in Sangras Artwork. 05 Sangra hat bereits für High-Fashion-Designer wie Miu Miu und Marc Jacobs gearbeitet.
ein Label draufsetzen. Wenn ich ein Bild, eine Skulptur oder ähnliches machen möchte, dann suche ich die Materialien, die ich brauche, und mache es einfach. Ich denke dann nicht: Mhh, aber das ist jetzt keine Kunst, wenn ich ein Kleid mache. Mode funktioniert wie eine Skulptur, die Linien sind illustrativ, gemalt und handgemacht. In der Kunst passiert viel mit Mode, demnach funktioniert es in beide Richtungen. Was kommt als Nächstes? DS: Wir entwickeln gerade ein neues Projekt für AMS und ich arbeite an ein paar neuen Ausstellungsstücken. Außerdem mache ich gerade zwei Kurzfilme, inklusive eine Dokumentation über eine neue Kunstgalerie. In diesem Moment jedoch warte ich auf meinen Flug nach Finnland, zur Moomin-Jagd! Vielen Dank für das Gespräch! x
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Auf welchem Planeten lebt ihr eigentlich? Das muss man sich einfach fragen, wenn man allein die Statistiken von Planet Sports aus dem Geschäftsjahr 2011 liest. Eine Erfolgsstory, als habe es nie Krisen gegeben. Internationalisierung, geplante Store-Eröffnungen, Umsatzsteigerungen von über 80 Prozent, neuer Investor, neues Logo, neue Verstärkung fürs Team. Was haben die Jungs so verdammt richtig gemacht? Text Isabel Faiss Fotos Planet Sports
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Das Team von Planet Sports hat sich sein hauseigenes Pro-Team für Surf, Snow und Skate aufgebaut, das mit prominenten Namen gespickt ist. Bisher gibt es noch keine Eigenmarke, doch das Thema ist „ab einem gewissen Punkt fast logisch“, erklärt Sebastian Knebelkamp. Teamrider Marko Grilc im Planet Sports-T-Shirt.
010 erwarb die Carlyle Group insgesamt sechs Nischenanbieter aus dem Primondo Portfolio. Darunter neben anderen Onlinehändlern auch Planet Sports. Wie kam es zu der Entscheidung, das Unternehmen an Investoren zu verkaufen? Sebastian Knebelkamp, Head of Marketing: Die Carlyle Group hat mehrere Spezialversender der ehemaligen Primondo Gruppe übernommen, die jetzt unter dem Namen Puccini Group firmieren. Die Puccini Group führt uns und andere Online-Retailer. Wir sind froh, einen starken Partner an unserer Seite zu haben, der uns in allen Belangen unterstützt. Insbesondere bei der Internationalisierung der Marke Planet Sports greifen wir gerne auf die Erfahrungen unserer Holding zurück. Oliver Garnier, Head of Retail: Für uns macht es Sinn, uns auf Augenhöhe austauschen zu können und Synergien zu nutzen. Wir sind dankbar, jemanden mit Erfahrungen in der gleichen Gruppe zu haben. Gerade wenn es um das ausländische Geschäft geht, sind Erfahrungswerte ein enormer Mehrwert. Wir wollen Gas geben, dabei aber vor allem gesund wachsen. Für diese Zielsetzung ist ein Investor wie die Puccini Group ideal, weil wir ganz andere Möglichkeiten haben. Für uns geht es jetzt im ersten Schritt darum, zuerst einmal in Deutschland die großen Städte zu erschließen, und da gibt es noch einige, wie Köln, Stuttgart, Berlin. Parallel suchen wir aber auch schon für die kommenden Jahre nach Destinationen im Ausland.
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Das Planet-Sports-Team wird unter anderem durch (oben: v. l. n. r.) Marko Grilc, Steve Gruber, Christoph Weber- Thoresen, David Benedekt, Linus Birkendahl, Ethan Morgen, (unten: v. l. n. r.) Wolle Nyvelt, Christophe Schmidt und Xaver Hoffmann vertreten.
hohen Fixkosten im Retail-Bereich natürlich ein Manko sind. Wir wollen aber die Marke für den Kunden greifbar machen und wir merken auch, dass der Onlinekunde den Shop zusätzlich in Anspruch nimmt. Das hätten wir am Anfang nicht gedacht, dass man sich gegenseitig befruchtet. Man muss sich bewusst machen – und die meisten sehen aktuell nur das Ergebnis –, dass die Margen im Retail gerade bei Hardware nicht sehr erfreulich sind. Viele stecken also die Hardware in die Ecke und wundern sich, wenn irgendwann das Gesamtergebnis abnimmt. Wenn man bewusst auf ein Prozent Marge verzichtet, dafür aber seine Kompetenz über Hardware ausdrückt, ist das in meinen Augen die langfristig erfolgreichere Strategie zugunsten des eigenen Images.
Welche ausländischen Märkte sind besonders interessant? OG: Frankreich und Spanien sind zunächst die Fokusmärkte. Barcelona ist ja das SkateMekka, es gibt kaum einen bekannteren und schöneren Hotspot in Europa fürs Skaten. SK: 2010 haben wir unseren Retail-Roll-out als strategische Initiative verabschiedet, die das klare Ziel hat, ab 2012 zwei Stores in Deutschland zu eröffnen und ab 2013 jährlich einen Store im europäischen Ausland zu launchen. Planet Sports ist Marktführer in seinem Segment. Gleichzeitig wird gerade das junge Sportsegment im Onlinebereich immer stärker abgebildet. Wie gehen Sie damit um? SK: Planet Sports steht seit der Gründung 1993 für die Segmente Boardsports und Streetwear. Die Tatsache, dass wir seit nunmehr 18 Jahren aktiv im Bereich Snow-, Skate-, Surfund Streetwear sind, gibt uns die nötige Kompetenz. Daraus resultiert unsere Glaubwürdigkeit und Authentizität. Das große Angebot an Snow-, Surf- und Skateboards unterstreicht unsere Positionierung. Darüber hinaus nimmt der Servicegedanke bei uns eine zentrale Rolle ein. So steht eine Topberatung bei Planet Sports in Mittelpunkt, die das Ziel hat, unser Wissen an den Kunden weiterzugeben und somit optimale Produkte zu finden. Wir verstehen Planet Sports als Marke mit der klaren Identität im Bereich Snow-, Skate-, Surf- und Streetwear. Unser tägliches Handeln ist durch sie geprägt und ist fest in unse-
rem Wertesystem verankert. Dadurch schützen wir uns vor großen Mitbewerbern, die im Rahmen ihrer Unternehmensexpansion den Bereich Boardsport für sich entdeckt haben. OG: Wir sind authentisch. Bei uns wird man nie Skier im Store finden. Bei allen Mitbewerbern ist das seit der Freeski-Welle zu sehen, bei uns nicht. Snow bedeutet bei uns Board, also keine szeneverwandten Sportarten. SK: Im Boardsportbereich sind wir Profis mit Kompetenz. Die Ergebnisse einer großen Umfrage bestätigen uns in unserer Positionierung von Planet Sports in den Bereichen Snowboard, Skate-, Surf- und Streetwear.
Wie frei kann man sich tatsächlich entwickeln, wenn der Investor die Performance im Blick hat? Modefachhandel bedeutet immer ein gewisses Risiko, gerade in der Nische muss man was wagen, um zu gewinnen. Wie schaffen Sie diese Balance? SK: Das spiegelt sich am besten in unserem Sortiment wider. Uns ist es ganz wichtig, dass wir beispielsweise regelmäßig neue Brands aufnehmen. Im operativen Geschäft spüren wir von unserem Investor gar keinen Druck. Solange wir al-
Wie ist das Verhältnis online zu offline? SK: 80 Prozent ist online, 20 Prozent ist derzeit der stationäre Handel. 04
Haben Sie Pläne, dieses Verhältnis mit der Shopoffensive mehr ins Gleichgewicht zu rücken? OG: Das wird nicht möglich sein, weil wir im Onlinebereich genauso wachsen wie im eigenen Retail. Online haben wir die internationale Expansion ebenso auf dem Schirm. Die Anteiligkeit vom stationären Retail wird etwas nach oben gehen, von einem 50 zu 50 Verhältnis sind wir aber noch sehr weit entfernt. Gibt es die Überlegung, sich ganz auf das Onlinebusiness zu beschränken? OG: Klar, die ist immer mal wieder da, weil die
05 04 Oliver Garnier ist Head of Retail bei Planet Sports und verantwortet unter anderem die neu eröffneten Stores und die geplante Expansion. 05 Sebastian Knebelkamp, Head of Marketing, kam Anfang 2011 neu zu Planet Sports.
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lass uns reden –– Planet sports
les richtig machen und erfolgreich wirtschaften, haben wir absolute Freiheit. Die sehr erfolgreiche Vergangenheit von jährlichen Wachstumsraten von teilweise mehr als 100 Prozent in den letzten fünf Jahren verschafft uns eine komfortable Ausgangslage, gerade auch im Gesamtkonstrukt der Puccini Group. Die Boardsport-Szene ist erst Ende der 1990er-Jahre kommerzieller geworden. Anfangs war das ganze Thema subkulturell geprägt und eng mit der Musikszene verknüpft. Inwieweit spielt dieses interkulturelle Crossover heute noch eine Rolle? SK: Das ist nach wie vor super wichtig. Es reicht heutzutage nicht aus, die Zielgruppe nach sozio-demografischen Kriterien zu beurteilen. Bei unseren Kunden geht es vielmehr um ein gewisses Lebensgefühl, das unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildung ist. Dieses Lebensgefühl zeigt sich im Freizeitverhalten unserer Kunden. Action Sports ist für sie ebenso wichtig wie der Bereich Musik. Das interkulturelle Crossover zeigt sich ebenfalls im Konsumverhalten der Kunden im Bereich Snow, Skate, Surf und Musik. Ein Skateboarder trägt beispielsweise dieselben Sneaker wie ein Snowboarder. Aufgrund dieser Überschneidungen ist für uns der Bereich Musik ebenso wichtig, wie die Facetten des Action Sports. So ergeben sich viele Synergien mit DJs und Bands. So haben wir beispielsweise schon einige Projekte mit der HipHop Band Blumentopf oder den Wax Wreckaz umgesetzt.
Facts and Figures
Planet Sports startete 1993 mit einem ersten Shop in Herrsching (nahe München). 1997 kam der Onlineshop hinzu. 2007 wurde das Unternehmen von der Primondo Speciality Group übernommen, die 2010 von The Carlyle Group gekauft wurde. Planet Sports unterhält heute Stores in München, Hamburg und Dresden. Geschäftsführer ist seit Juni 2011 Henner Schwarz neben den Firmengründern Marcel Peters und Sven Horstmann.
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Die vier Bereiche, die Sie als Markenkern definieren, decken Sie mit Marken ab, die stark aus der Independent-Szene kommen und sehr viel Wert auf einen gewissen Underground-Appeal legen. Wie haben Sie es geschafft, diese Kandidaten in ein kommerzielles Konzept zu integrieren? OG: Über Authentizität. Es gibt mehrere Zugänge. Unser erster ist unser Team. Wir haben ein Team für Skate, Snow und Surf. Das ist ganz zentral für unsere Glaubhaftigkeit. SK: Auf unser Team sind wir sehr stolz. Wir haben klein angefangen und mittlerweile ist es vor allem im Snow-Bereich mit Torstein Horgmo richtig stark. Marko Grilc oder Eero Ettala, das sind echte Größen in Europa. In unserem Planet-Sports-Team herrscht eine gewisse Warmherzigkeit, das Wir-Gefühl spielt eine große Rolle und ich glaube, dass wir das auf unser Team projizieren. Es geht dabei nicht um monetäre Reize, da könnten wir mit den Marken auch gar nicht konkurrieren. Diesen Ansatz kennt man eigentlich nur von Markenseite... SK: Ja richtig, Shaun White von Burton kennt die ganze Welt. Unser Ansatz kommt aber aus einer anderen Perspektive. Zum Einen haben wir die Mitarbeiter, die authentisch sind und ihr Business verstehen. Das Zweite ist die kommunikative Komponente, da spielt das Planet-Sports-Team eine super wichtige Rolle. Und, wie wir mit dem Endkonsumenten kommunizieren, beispielsweise über Facebook. Wir haben durch die oben genannten Komponenten absolut relevanten Content für die Zielgruppe und müssen keine Geschichten aus den Fingern saugen. Gibt es eine Eigenmarke? OG: Noch nicht. Es ist immer wieder ein Thema bei uns, weil es auch Sinn macht. Langfristig ist es unser Ziel, eine Eigenmarke zu haben. Aber momentan bündelt unser starkes Wachstum unsere Kompetenzen. SK: Ab einem gewissen Punkt ist es fast logisch, eine Eigenmarke zu starten, aber wir haben das Thema zumindest noch nicht auf der Tagesordnung. Wenn wir uns irgend-
Die erst kürzlich neu bezogene Firmenzentrale in München unterstreicht den Teamgeist bei Planet Sports: Kickertische und eine offene Küche mit Sitzbereich bilden das Zentrum des neuen Büros. Gemeinsam statt einsam ist das Motto.
wann mal entscheiden sollten, den Ansatz zu verfolgen, dann wollen wir es auch richtig machen, weil wir die Komplexität einer solchen Kollektion kennen. Wenn man ein eigenes Produkt machen will, das auch eine Rechtfertigung am Markt hat und kein MeToo-Produkt ist, dann muss man da sehr viel Manpower, Kapital und Energie investieren. Welche Informationsplattformen nutzt Ihr Einkauf? Sind Messen noch relevant? Beispielsweise eine Winter ispo? OG: Natürlich, vor allem weil sich da kleinere Firmen präsentieren. Wir schicken insgesamt 60 Mitarbeiter auf die ispo. Das war bei uns schon immer so. Alle Store-Mitarbeiter sind dabei. Ziel ist es, alle Betroffenen zu Beteiligten zu machen. Wir verteilen vorher Fragebögen an alle, mit denen wir ermitteln wollen, was die stärksten Marken waren, was das stärkste Sortiment im Vergleich zum Vorjahr war, was neue Ideen und Inspirationen sind. Dafür teilen wir alle in Gruppen von acht bis zehn Personen ein und auf der Messe findet um 16 Uhr ein Treffen im Innenhof statt, wo alle ihre Ergebnisse präsentieren. Die Gruppe, die die besten Ansätze hat, gewinnt eine Tageskarte. Auch auf der Bread & Butter und der Bright laufen wir mit 30 Mann auf. Jede andere Firma fährt mit zwei bis maximal fünf Mann hoch. Nach der Messe sitzen wir zusammen und bestimmen neue Marken und Ideen. SK: Auf den Messen sieht man die Themen, die gerade relevant sind. Wenn man das an sich vorbeigehen lässt, bekommt man die Infos so gebündelt nicht mehr zu greifen. Für uns sind Messen nach wie vor eine der zentralen Informationsplattformen. x
out now! www.ucm-verlag.at/app
FinDen wir gut Text Isabel Faiss, Ina Köhler, Julia Lauber, Nicolette Scharpenberg Fotos Marken
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Brick Beanies Nature Calls
Bereits 2008 startete Eva Goldmann in Österreich mit ihren selbst gehäkelten und gestrickten Mützen namens Goldhaubn. Nun ist es Zeit für ein zweites Label, das sie heute zusammen mit Petra Schröckeneder betreibt. Brick Beanies sind Mützen, die sowohl bergals auch straßentauglich sind und vereinen Naturverbundenheit mit urbanem Style. Neun verschiedene Modelle, inspiriert durch die vielfältige Natur Österreichs, wurden kreiert. Die Namen der Styles wie Stone, Pine, Oak und Maple orientieren sich an Baumnamen und unterstreichen die Philosophie der Marke. Der Fokus wird zunächst auf Beanies gelegt, in weiterer Folge werden auch T-Shirts in die Kollektion aufgenommen. Preislich liegen die Beanies zwischen 8,65 und 13 Euro im EK. Vertreten ist die Marke bereits bei RAG in Wien. Kontakt: Brick Beanies, Petra Schröckeneder, 5020 Salzburg/Österreich, T 0043.676.5450630, info@brickbeanies.com, www.brickbeanies.com
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Raleigh Denim Haben wollen – koste es, was es wolle!
Zu Beginn war es eher ein Hobby für Victor und Sarah, in ihrem kleinen Apartment in Raleigh in North Carolina Jeans zu schneidern. „Es war nie der Plan, damit Big Business zu machen“, erzählt Sarah. Heute ist Raleigh Denim in namhaften Boutiquen wie Barneys, Tenue de Nîmes in Amsterdam oder Son of a Stag in London zu finden und wird in einer Fabrik im NC Warehouse District gefertigt. Die Mixtur aus minimalistischem Design, liebevollen Details und exklusivem Denim – direkt aus North Carolina – soll sie zu jenen Brands machen, die bei Denimenthusiasten einen „Muss-ich-haben“-Reflex auslösen. Das Sortiment besteht aus Hemden, Taschen, Gürteln und natürlich Selvage Denim für Männer und Frauen. Die EK-Preise der Denims liegen zwischen 96 und 114 Euro bei einer 2,5er-Kalkulation. Kontakt: Raleigh Denim, Raleigh, NC 27601/USA, T 001.919.9178969, john@raleighdenim.com, www.raleighworkshop.com
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Brics Mantel Madame!
„Brics ist unsere Vision von Mode, die einfach und minimalistisch ist, aber immer noch ihre eigenen Ecken, Kanten und eine Identität hat“, sagt Elise Born, die zusammen mit Stephanie Gundelach und Ingrid Munch die dänische Marke Brics im November 2011 ins Leben rief. „Das Wort Brics kommt von dem französischen Wort bricolage und bedeutet so viel wie verschiedene Komponenten auf schöne Art und Weise mit Altem und Neuem zusammenzustellen“, erklärt Stephanie Gundelach. Neben der eigenen Marke stehen die drei auch hinter dem größten dänischen Fashion Blog anywho.dk. Im Herbst/Winter 2011 ging Brics erstmalig mit einem vierteiligen Sortiment bestehend aus Mänteln und Capes für Frauen an den Start. Ziel für die kommende Saison sind sechs bis zehn Styles. Die Einkaufspreise für Mäntel und Capes liegen zwischen 70 und 108 Euro. Die Marke ist bislang nur über den eigenen Webshop erhältlich. Kontakt: Brics, 1260 Kopenhagen/Dänemark, T 0045.27329981, nina@brics-store.com, www.brics-store.com
finden wir gut –– mode
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Ebbets Field Flannels Vintage Flannels
Jerry Cohen hatte bereits als Teenie ein Faible für Baseballshirts. Als er 1987 auf der Suche nach einem coolen Vintage-Baseballshirt für seinen Bandauftritt war, jedoch keines fand, beschloss er, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er produzierte kurzerhand die Flanellshirts auf eigene Faust nach, verkaufte die Teile aus seiner Garage und sein Label Ebbets Field Flannels war geboren. Sein Designfokus liegt dabei nicht auf der Top-Baseball-Liga, sondern eher auf den kleinen Mannschaften, wie den Negro-Ligen oder den Ligen der pazifischen Küste vor 1958. Heute tragen Celebritys wie Spike Lee oder David Letterman die Marke aus Seattle. Das Sortiment besteht heute sowohl aus Vintage-Jerseys und Caps, Baseballjacken, Fußball- und Hockeytrikots und aus schlichten T-Shirts und Sweatshirts. Preislich liegen die Jerseys bei 59 Euro und 110 Euro für Baseballjacken im Einkauf. Aus dem Kult um die amerikanische Marke resultierten beispielsweise Kooperationen mit der japanischen Streetwear-Marke A Bathing Ape. In Deutschland ist die Marke bislang noch nicht vertreten, wurde aber im Januar 2012 erstmalig auf der SEEK in Berlin präsentiert. Kontakt: Ebbets Field Flannels, WA 98104 Seattle/USA, T 001.888.8962936, customerservice@ebbets.com, lcooper@ebbets.com, www.ebbets.com
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French Kick Neustart mit alten Hasen
Mit einigen Erfahrungen mit Marken wie Boom Bap oder Twelve Inch im Rücken gründete der Unternehmensberater Denis Fontaine im Oktober 2010 gemeinsam mit dem Fotografen Pierre Pironet, dem Grafiker Jonathan Gustin und dem Kollektionsspezialisten David Bourgeois French Kick. Die Marke ist also brandneu, das Team dahinter aber schon sehr erfahren im Business. Die gesamte Kollektion baut sich rund um das Thema Graphic-Print auf. Dabei geht es um Fotografien, Illustrationen und Grafiken. Mit EK-Preisen beginnend bei 7,60 Euro für ein T-Shirt positioniert sich die Marke verglichen mit Wettbewerbern im Segment deutlich preisaggressiver. Hoodies und Sweater liegen bei 21 bis 27 Euro im Einkauf. Die Kollektion besteht aus rund 80 Teilen und erscheint viermal jährlich mit zwei Haupt- und zwei Flash-Kollektionen. French Kick profitiert vom großen Netzwerk seiner Gründer und wird bereits in weiten Teilen Europas vertrieben. Kontakt: French Kick, Denis Fontaine, London/UK, T 0044.20.80995498, denis@frenchkick.com, www.frenchkick.com
soo graphics Made with Love in Munich
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Percival Endlich perfekt
Ein Mensch ohne Phantasie ist wie ein Vogel ohne Flügel – so lautet die Philosophie der 29-jährigen Münchner Grafikdesignerin Suse Ulhorn. Seit 2008 arbeitet sie als freie Grafikerin unter dem Künstlernamen Soo, was heute auch der Name ihres Labels ist. Soo Products sind alltägliche Dinge, die durch Grafiken und Illustrationen zu etwas Besonderem werden. „Als ich zu Anfang meiner Laufbahn einige meiner Arbeiten online gestellt habe, war mein Hintergedanke eigentlich, dadurch mehr Aufträge im Grafikbereich zu bekommen. Plötzlich kamen immer mehr Anfragen nach den Produkten und ich begann sie zu produzieren und zu verkaufen“, so Ulhorn. Von Uhren über Kissen, Einkaufstaschen, Teller und T-Shirts, Soo Graphics zielt auf Dinge ab, die etwas Phantasie brauchen und verschönert sie. Bislang sind ihre Produkte nur in ausgewählten Münchner Boutiquen erhältlich. Fans von mit Liebe gemachten Dingen können ihre Produkte über ihre Website beziehen.
Eigentlich hatten sie nicht wirklich Ahnung von Design, hegten aber eine Leidenschaft für klassische Menswear. Nach jahrelanger Unzufriedenheit in Bezug auf Schnitte und Materialien beschlossen Chris Gove und Luke Stenzhorn, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, und gründeten ihr eigenes Label Percival – designt und hergestellt in London. Ihre erste Kollektion bestand aus 16 verschiedenen Styles in diversen Farben und sehr hochwertigen Stoffen wie Harris Tweed, gewachste Baumwolle aus Schottland, feine Lammwolle, schwerer Melton aus Yorkshire und melangierte portugiesischer Baumwolle. Heute besteht ihr Sortiment aus Strick, Hemden, Jerseys, Anzügen, Outerwear und Accessoires. Highlight sind die Jacken aus einem Mix aus Wolle mit Norwegermuster und Leder. Preislich liegen die Styles zwischen zehn Euro für T-Shirts, 45 Euro für Hemden und 130 Euro für Outdoor-Jacken. Vertreten ist die Marke bereits online bei ASOS und shopstyle sowie bei namhaften Streetboutiquen in London.
Kontakt: Soo Graphics, Suse Ulhorn, hello@soo-graphics.com, www.soo-graphics.com
Kontakt: Percival Clothing, London EC1R 4RG/UK, hello@percivalclo.com, www.percivalclo.com
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Tubelaces Lace up
22 verschiedene Farben, vier verschiedene Längen und individuell bedruckbare Schnürsenkel sind ihr Erfolgsrezept. Seit 2009 sorgen Tubelaces von der Münchner MasterDis GmbH für das adäquate Pimpin’ von Sneakers. Highlights sind die Glow-in-the-Sun-Laces (ja richtig gelesen, „in the sun“), die bei Tageslicht ihre Farbe wechseln. Highlights sind auch die Rainbow-, Neon-, Glitter- oder Reaggae-Laces. Die Verpackung ist an Reagenzgläser angelehnt. In kompletter Farbrange nebeneinander aufgereiht, wirken die Laces in ihren Verpackungen wie Zinnsoldaten von Pantone. In den Desk- oder Floordisplays, die Händler bei der ersten Bestellung gleich mitgeliefert bekommen, kommen die Tubelaces besonders gut zur Geltung. Die EK-Preise liegen zwischen 0,95 und 1,70 Euro. Erhältlich sind die Tubelaces in renommierten Sneaker-, Sport- und Streetwear-Stores. Kontakt: MasterDis GmbH, 83620 Feldkirchen-Westerham/Deutschland, info@masterdis.com, www.masterdis.com, www.tubelaces.com
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Ambush Schmuck aus dem Hinterhalt
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Indigofera Mit Hingabe zu Denim
Die schwedische Marke Indigofera widmet sich dem traditionellen Handwerk des Färbens mit Indigo. Der Name soll eine Hommage an den Inbegriff der klassischen Jeans sein. Markengründer Johan Söderlund und Mats Andersson sind bereits über zehn Jahre in der Denimindustrie tätig und waren zuvor bei Marken wie Edwin und Levi’s Vintage Clothing tätig. Indigofera ist ihr eigenes Label. Die erste Kollektion ging im Sommer 2009 an den Start. Das Sortiment besteht bislang aus Jeansjacken, Hemden und Hosen in Raw und diversen Vintage-Waschungen. Preislich bewegt sich das Sortiment zwischen 56 für gewaschene Denims und 100 Euro für Raw-Denims. Vertreten ist die Marke bereits bei Burg & Schild in Berlin, Bluechesse in Paris und VMC in Zürich. Kontakt: Indigofera, The Grocery, 11160 Stockholm/Schweden, T 0046.86780105, info@indigoferajeans.com, www.indigoferajeans.com
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Das Schmucklabel Ambush wurde 2008 von dem Duo Verbal und Yoon in Tokio ins Leben gerufen. Schon seit 2002 experimentierten die beiden mit verschiedenen Styles und Designs bei Ringen, Gürtelschnallen, Ohrringen, Armbändern und Ketten. 2004 gründeten sie ihre erste Marke Antonio Murphy & Astro. Mit viel Gold, Silber, Messing, Kupfer und Edelsteinen designten sie ihren eigenen Hip-Hop-Schmuck. Das neuere Label Ambush ist experimenteller in der Verarbeitung von Metall in Kombination mit Steinen und Plastik. Kooperationen bei Schmuck mit dem britischen Label Cassette Playa, eine Uhrenkollektion mit Georg Jensen oder die ApparelLinie mit A Bathing Ape ergänzen das Standardsortiment. Preislich bewegt sich die Kollektion aus Ketten, Ringen und Armbändern, Gürteln und Caps zwischen 40 und 80 Euro im Einkauf bei einer 2,5er-Kalkulation. Erhältlich ist die Marke beispielsweise bei Colette in Paris. Kontakt: Ambush Design, 150-0041 Tokio/Japan, T 0081.565.0369082710, info@ambushdesign.com, www.ambushdesign.com
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Superhorstjansen Gegen jede Konvention
Das Hamburger Streetwear-Label Superhorstjansen stellt sich mit seinen Kollektionen gegen den konventionellen Orderrhythmus. „Ich halte mich nicht an irgendwelche Orderrichtlinien. Bei mir kommt die kreative Idee oft spontan und dann entwerfe ich drauf los und bringe die Einzelteile oder Outfits unter die Leute. Aus diesem Grund habe ich unter anderem auch Superhorstjansen gegründet. Für mich bedeutet das Freiheit pur“, so Schulte. Die neue Basic-Kollektion Wicked Games wurde im Januar 2012 in Hamburg präsentiert. Inspiriert wurde die Linie vom gleichnamigen Pop-Hit von Chris Isaak. Dabei setzt das Label auf praktische Sweater und Hoodies, Tops kombiniert mit Minis, Volantröcken oder Hotpants. Neu ist erstmalig eine Range aus Accessoires, die in Zukunft fest in die Hauptkollektion integriert werden soll. Dazu gehören Fransen-Ohrringe, Oversize-Schals, Hip-Bags, Clutch-Bags, Shopper und Kosmetiktaschen in verschiedenen Varianten. Kontakt: Superhorstjansen, Janny Schulte, 22763 Hamburg/Deutschland, T 0049.176.21534911, superhorstjansen@googlemail.com, www.superhorstjansen.de
finden wir gut –– mode
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L1 Street-Fashion für die Piste ...
... im Park und im Powder – das ist der Grundgedanke der 2005 in Seattle gelaunchten Snowboard-Outerwear-Linie L1. Gründer der Marke sind Tommy Delago und Sepp Ardelt von Nitro Snowboards. L1 beweist, dass es für die Piste nicht immer Nylon-Suits sein müssen. Ergonomische Passformen, Denim, Vintage-Canvas, schwere Stretch-TwillMaterialien und Performance-Features stehen im Zentrum der Kollektion. Inspiriert von der Straße, vereint L1 Skate- und Vintage-Fashion der 1970er-Jahre mit Elementen aus typischer Arbeitsbekleidung und Military-Details. Treibende Kraft hinter der Marke sind Teamfahrer Jon Kooley, Nima Jalali und Jordan Mendenhall (USA). Die Kollektion besteht aus 32 verschiedenen Jacken- und Hosenmodellen für Männer und Frauen und wird durch T-Shirts, Hoodies und Beanies ergänzt. Vertreten ist L1 bereits bei Händlern wie Planet Sports, Boarderline in Berlin oder Goodstuff in München. Kontakt: Nitro AG, 6331 Hünenberg/Schweiz, T 0041.41.7480000, info@nitro-snowboards.ch, www.nitro.de, www.l1outerwear.com 14
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Anerkjendt Thoughts of Denmark
Humör-Gründer Per Johansen bringt mit Anerkjendt ein neues Herrenlabel auf den Markt und zielt damit auf den Premiumbereich ab. Nach gelungenem Debüt auf der Bread & Butter werden ab Herbst/Winter 2012 jährlich zwei Kollektionen mit je 120 Teilen in die Auslagen ausgewählter Shops kommen, darunter Crämer & Co. in Nürnberg, Urban Outfitters in London und The Gloss in Zürich. Anerkjendts erste Kollektion ist von der Natur inspiriert: erdige Farben, strukturierte und gewaschene Stoffe mit Holz-, Leder- oder Wolldetails. Die Einkaufspreise der Produktgruppen Strick, Sweat, Chinos, T-Shirts, Hemden und Jacken liegen zwischen acht und 48 Euro bei einer Marge von 3,0. Vertrieben wird Anerkjendt bereits in Skandinavien, England, Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und Griechenland. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz ist die Mario Widmann Handelsvertretung verantwortlich. Kontakt: Mario Widmann Handelsvertretung, Mario Widmann, 71065 Sindelfingen/Deutschland, T 0049.171.3663658, mario@anerkjendt.de, www.anerkjendt.dk
Queen Jeans Faire Grundlage
Brandneu ist das Womenslabel Queen Jeans zwar nicht, dafür wurde die Hosenlinie, die schon seit 1979 auf dem Markt ist, kürzlich relauncht. Sie geht mit einem neuen Produkt- und Vertriebskonzept an den Start: Im Fokus steht die Passform kombiniert mit einem soliden Produkt und einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Produktion in der Türkei ist fest in der Hand des türkischen Familienunternehmens Uzel, das bislang für Kunden wie Cambio, Fornarina oder Mac produzierte. Von Dreieich aus werden die Geschäfte in Deutschland, den Benelux-Ländern sowie Österreich unter der Leitung von Arif Uzel geführt. Die neue Kollektion besteht aus 45 Modellen, die in die Linien Comfort und Trendline aufgeteilt sind. Die Preise bewegen sich zwischen 79,95 bis 119,95 Euro. Neben der Vororder gibt es auch ein umfangreiches Lager- und Flash-Programm. Statt Konzerne sollen gezielt kleine und mittelständische Händler beliefert werden, denen Gebietsschutz zugesichert wird. „Wir planen mit unserer Linie auch künftig keinen Onlinehandel“, so Jenni Firneburg, die für den Vertrieb in NRW verantwortlich ist. Zum Kundenservice gehört auch eine hohe Kalkulation mit 2,8 bis 3,0. Kontakt: Queen Jeans, 63303 Dreieich/Deutschland, T 0049.6103.8312926 sales@queen-jeans.com www.queen-jeans.com
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Broke Clothing In Italien eine Institution
Broke Streetwear hat in der StreetwearSzene schon fast das Standing einer Traditionsmarke. 1994 in Italien gegründet, war Broke die letzten vier Jahre vom europäischen Markt verschwunden, um jetzt mit gebündelter Energie und einem privaten Investor im Rücken zurückzukommen. Auf der Bread & Butter im Januar präsentierte Broke seine Männerkollektion für Herbst/Winter 2012/13, die europaweit vertrieben werden soll. Aus Tradition wird zu 100 Prozent in Italien produziert. Charakteristisch für Broke sind Teile, die klassische Streetwear-Elemente aufgreifen und gleichzeitig mit Klischees brechen. In die Realität übersetzt ist das beispielsweise ein klassischer Cardigan mit Totenkopf-Patches an den Ellbogen. Die Denims liegen im Verkauf zwischen 75 und 150 Euro, Sweater zwischen 80 und 120 Euro und T-Shirts bei 34 Euro. Die Kollektion wird mit 2,5 kalkuliert. Momentan steht die Expansion in Europa auf dem Plan, langfristig soll der Vertrieb auch in Nordamerika und Asien aufgebaut werden. Kontakt: Broke Clothing, Daniel Fitzgerald, 31020 Villorba/Italien, T 0039.0422.1581997, info@brokeclothing.com, www.brokeclothing.com
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Linke Seite: Hemd –– A Kind of Guise Pullover –– Denim Demon Jeans –– G-Star Rechte Seite: Hotpants –– G-Star Shirt –– Eleven Paris Weste –– Timezone Strümpfe –– Fogal Stiefel –– Flip Flop
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girls in menswear –– Mode
a Girlz thing Fotos René Fietzek/www.renefietzek.com Styling Sabine Berlipp/www.blossommanagement.de haare & make-up Sacha Schuette/www.tune-m.com Produktion Nicolette Scharpenberg model Lilli B./www.placemodels.com
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Linke Seite: Hose –– Belstaff Hemd –– TwoThirds Kurzarmhemd –– Sixpack France Hosenträger –– Diesel Rechte Seite: Hose –– Mads Norgaard Hemd –– Makia Daunenjacke –– Peak Performance Jacke –– Penfield Tuch –– Ystrdy Stiefel –– Patta x Kangaroos
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girls in menswear –– Mode
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girls in menswear –– Mode
Linke Seite: Hose –– Energie Hemd –– Levi's Made & Crafted Weste –– Diesel Strickjacke –– Freeman T. Porter Stiefel –– Flip Flop Rechte Seite: Hemd –– Sitka Weste –– Mads Norgaard Jogginghose –– Drykorn Jacke –– Makia Schuhe –– Lacoste
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Linke Seite: Jeans –– Antonio Morato Hemd –– M.O.D. Weste –– Hannibal Jacke –– Revolution Rechte Seite: Hose –– Carhartt Pullover –– Nudie Jeans Schal –– 3 monkeys Jacke –– G-Lab Strümpfe –– American Apparel Stiefel –– Flip Flop Socken –– Happy Socks
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girls in menswear –– Mode
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Text Nicolette Scharpenberg, Ina Köhler Fotos Veit Ritterbecks, Marken, istockphoto.com
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01 –– Blame, 02 –– Nikita, 03 –– Pepe Jeans, 04 –– MCM, 05 –– Diesel, 06 –– Mavi, 07 –– Element Eden, 08 –– Converse, 09 –– Firetrap, 10 –– Vans, 11 –– Sophia von Münchhausen
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Trends –– MODE
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MIdnight in Paris Oh la la! Ein bisschen 1920er-JahreCharme mit einem Hauch 1960erJahre-Manier, so kommt dieser Look mit diesem gewissen französischen „Je ne sais quoi“ rüber. Es funkelt in Form von Pailletten, Strass und Lurex oder Perlenbesatz. Kleider oder Midiröcke, Marlenehosen mit hoher Taille und schmalem Gürtel, große Schlapphüte und Haarbänder, zarte Tops und weich fließende Blusen geben der „Madame fatale“ einen verführerischen Look. 23
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12 –– Pointer, 13 –– Sperry Top-Sider, 14 –– Blame, 15 –– Superhorstjansen, 16 –– Firetrap, 17 –– Cornelia Webb, 18 –– Vibe Haslof, 19 –– Hilfiger Denim, 20 –– Wrangler, 21 –– Miss Sixty, 22 –– Pointer, 23 –– Sitka
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01 –– Wood Wood, 02 ––Bench, 03 –– Camper, 04 –– TwoThirds, 05 –– Pepe Jeans, 06 –– Wrangler, 07 –– Replay, 08 ––Sitka, 09 –– G-Star, 10 –– Levi’s, 11 –– Cornelia Webb
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Trends –– MODE
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Hunter & Forester
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Inspiriert von grünen Landschaften, Fichten und Nadelbäumen, Holz und Wasser – pure roughe Natur eben. Mit einer gehörigen Portion Stil und Funktionalität kommt dieser Look kühn und verwegen rüber. Destroyed Denim, Hiking Boots, Westen mit Lederpatches auf der Schulter und flauschige Hemden aus Flanell sind die Key-Items für den Forester-Look.
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12 –– ADenim, 13 –– WEMOTO, 14 –– Lacoste, 15 –– WESC, 16 –– Diesel, 17 –– Converse, 18 –– Floris van Bommel, 19 –– Element Eden, 20 –– Kangaroos, 21 –– Ben Sherman, 22 –– Edwin, 23 –– Eastpak, 24 –– Antony Morato
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Cuts
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Bootcut, Flared oder XLDenims geben den Stil in den Kollektionen an. Auch Dreiviertel-Denims mit Flared Leg und hoher Taille sind zu sehen. Skinny ist tot? Keine Sorge, so schnell lässt sich der Evergreen nicht abschütteln.
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01 –– Lee, 02 –– Edwin, 03 –– Antony Morato, 04 –– Wrangler, 05 –– Hilfiger Denim, 06 –– Freeman T. Porter, 07 –– Miss Sixty, 08 –– G-Star, 09 –– M.O.D.
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Trends –– MODE
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Denim = serge de Nîmes ("Gewebe aus Nîmes“) Washings Ehrlicher, rougher Indigo – smart und raw. Ob DoubleDenim-Outfits oder grafische Patchwork-Elemente aus dunklem oder sanft gebleachtem Denim. Waschungen haben einen eher ruhigen 3D-Effekt, Beschichtungen oder Farbflecken. Ein paar Paradiesvögel jedoch setzen gezielt auf destroyed – Boom! 21
10 –– Mustang, 11 –– Replay, 12 –– Mavi, 13 –– Lacoste, 14 ––Energie, 15 –– Guess, 16 –– G-Star, 17 –– Replay & Sons, 18 –– Nikita, 19 ––Diesel, 20 –– Levi’s, 21 –– Cheap Monday
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Geh aufrecht wie die Bäume, Lebe dein Leben so stark wie die Berge, Sei sanft wie der Frühlingswind, bewahre die Wärme der Sonne im Herzen und der Große Geist wird immery mit dir sein. (Weisheit der Navajo)
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Cowboys & Apachen 02
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Yiha! Die Steppe erlebt ein modisches Comeback auch im Winter. Navajo-Muster, wo das Adlerauge hinreicht! Das von Pendleton bekannte Indianermuster ziert im Winter Rucksäcke, Schuhe, Ponchos, Westen, Jacketts und vieles mehr. Rough gebleachte Jeanshemden und Jacken mit Fellkragen und Futter geben dem Look noch ein wenig Cowboy-Attitüde. Accessoires aus Leder, bunten Perlen, Ketten mit Elfenbeinzähnen oder die klassische Marlboro im Mundwinkel ergänzen den Look.
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01 –– Wrangler, 02 –– The Blue Uniform, 03 –– Pepe Jeans, 04 –– Etudes, 05 –– Vanishing Elephant, 06 –– Phonz says black, 07 –– Levi’s Made and Crafted, 08 –– Diesel, 09 –– Mustang, 10 –– Phonz says black
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Trends –– MODE
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Colour-Tilt „Imwintertragendochsowiesoallenurschwarz.“ Eintönigkeit ade! Auch im nächsten Winter macht sich die Pantone-Farbpalette auf die Jagd, um dem Grauen-Mäuschen-Outfit ein wenig Farbdrama zu verleihen. Hier und da poppt noch mal ein Zitrusgelb, Alarmrot oder knalliges Grün auf, jedoch sind es vielmehr Beerentöne wie Kirsche, Heidelbeere, Burgund oder Gewürzfarben wie Curry, Senf oder Peperoni, die im Winter 2012/13 den Ton angeben und genauso geschmackvoll aussehen, wie sie sich anhören.
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01 –– Firetrap, 02 –– Replay & Sons, 03 –– Miss Sixty, 04 –– Drykorn, 05 –– Diesel, 06 –– Made In Europe, 07 –– Lee, 08 –– Adidas, 09 –– Pepe Jeans, 10 –– Levi’s, 11 –– 55 DSL, 12 –– Eastpak
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Gentlemen’s Agreement Chinos und Jacken aus Cord, ChambrayHemden, Jacketts aus Tweed, Jersey, Wolle oder Samt, Rollkragenpullover als Alternative zum schmalen Hemd, Farben wie Rauchblau, Zartbitter und Gewürztöne wie Rostrot oder Curry machen diesen Look von Saison zu Saison ausgefeilter. Schals, Fliegen, Lederaccessoires und derbe Boots casualisieren die Aussage des ursprünglichen HAKA-Looks. Deshalb ist er auch in der kommenden Herbst-/Winter-Saison die Business-Freizeit-Brücke schlechthin.
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01 –– Diesel, 02 –– Two Thirds, 03 –– Vanishing Elephant, 04 –– Trap, 05 –– Iriedaily, 06 –– Drykorn, 07 ––Costo, 08 –– Empires Union, 09 –– Lunettes
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10 –– ADenim, 11 –– WoodWood, 12 –– Ben Sherman, 13 –– Pepe Jeans, 14 –– LTB, 15 –– Poyz and Pirlz, 16 –– WEMOTO, 17 –– Phonz says black, 18 –– Levi’s
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Mix
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Fell Haariges – ob künstlich oder natürlich: An Mänteln, Parkas, Westen, Kleidern, Schals, Boots, Taschen – Fellbesatz so weit das Auge reicht.
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01 –– Lacoste, 02 –– Barts, 03 –– Miss Sixty, 04 –– Energy, 05 –– Antony Morato, 06 –– Sixty, 07 –– Pepe Jeans, 08 –– Replay
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Trends –– MODE
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Military 13
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Woodland Camo, Desert Camo, Digital Camo oder Urban Camo – ja, es ist wieder Zeit für Camouflage. Also: Angetreten!
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Wolle Ob als Hemd, Chino, Kleid, Kostüm oder als klassischer Mantel – gekochte Wolle, Tweed und klassische Tuchwaren oder hochwertige Streichgarne sorgen im kommenden Winter für rundum wohlige Wärme. Für den modernen Twist sorgen Beschichtungen.
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09 –– Le Fix, 10 –– Vanishing Elephant, 11 –– Energy, 12 –– Ativ by Vita, 13 –– Bench, 14 –– Freeman T. Porter, 15 –– RTCO, 16 –– Energy, 17 –– Airbag Craftworks, 18 –– Drykorn, 19 –– Firetrap
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Schwarze Lederjacken in der Sonne Harlan Levey vom Modart Magazin berichtet über Kunst, Gentrifizierung und die Ästhetik von Außenseitern in den Metropolen Rio, Barcelona und Miami. Text Harlan Levey, www.hl-projects.com Fotos BHP.com.de, Ripo, Françoise Schein, Favela Painting Company
Boxi in Miami für Modart (die Umarmung).
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gallery guide_Rio de janeiro –– Fahr mal hin
Rio de janeiro Favelas und eine glänzende Zukunft Auf meiner schwarzen Lederjacke ist ein kleiner Farbklecks. Vor sieben Jahren war ich mit brasilianischen Zwillingsbrüdern beim Abendessen. Wir diskutierten darüber, dass Graffiti keine Kunst im eigentlichen Sinne sei. Künstlerisch mag das schon richtig sein, aber mit eigenen Bezügen, Regeln, Kriterien und Codes. Kunst greift auf Kunst zurück. Graffiti hat ganz andere Quellen. Die Brüder fanden, das passiere überall in der brasilianischen Kunst, sie bezöge mehr alternative Kunstproduktion ein. Sie scheinen Recht zu haben.
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ie brasilianische Wirtschaft boomt. Ende 2011 überholt das brasilianische BIP das von Großbritannien, womit Brasilien zur sechstgrößten Wirtschaft der Welt wird. 2020 soll Deutschland überholt werden. Was die Kunst betrifft, sorgen kulturelle Vielfalt, Verschmelzung und Reibungspunkte dafür, dass das Land viel produziert und diesen Reichtum in alle Welt trägt. Diese These untermaure ich mit einer Liste von Milliardären, die sich von brasilianischen Kunstfonds locken lassen und mit einer Politik von unten, die zu vermehrter staatlicher und privater Förderung für experimentelle junge Künstler geführt hat. Brasilien scheint goldenen Zeiten entgegenzugehen und nachweislich ist der Wille da, dafür eine Basis zu schaffen. Das zeigen die Entwicklungen in der brasilianischen Kunstszene; es beschränkt sich aber nicht auf die Kunst. Vermutlich zum ersten Mal überhaupt setzt brasilianische Kunst Standards statt sie aus Europa oder den USA zu übernehmen. In der Musik geschah das in den 1960er-Jahren mit dem Aufstieg des Tropicalismo und Musikern wie Gilberto Gil. Meistens jedoch ist brasilianische Kunst europäischen Trends gefolgt, zumindest seit der Kolonialisierung durch Portugal Mitte des 16. Jahrhunderts – mit Entwicklungen wie Barock, Neoklassizismus, Romantik, Realismus, Modernismus und PopArt. Aber jetzt kommt der Wandel. Die enorme Bandbreite von Kulturen im Land eröffnet
brasilianischen Künstlern eine Schatztruhe von Bezugspunkten, Identitäten, Farben, Kleidern und Geschichten. Kulturelle Traditionen wandeln sich und dadurch entstehen kraftvolle neue Ausdrucksmöglichkeiten. Kunst bezog sich früher auf sich selbst. Das war einer der Gründe dafür, warum Graffiti nicht als Kunst angesehen wurde. Graffitikünstler schienen sich nicht sonderlich von Picasso, Kubismus, Caravaggio oder der Gegenreformation inspirieren zu lassen. Ihnen war Dada schnuppe. Sie waren keine Anhänger von Konzeptkunst oder Postmodernismus, sie waren keine Dekonstruktivisten. Sie sprachen eine andere Sprache und damit ein breiteres Publikum an. Wie viele Kunstformen, die auf der Straße entstanden, wurde Graffiti erst gehasst und dann geliebt. Heute spricht Kunst nicht nur, sie eignet sich auch neue Sprachen an und öffnet sich wieder. Aus dem Graffiti stammende Formen zeigen beispielhaft, was in Kunst, Mode und Design passiert. Der berühmte Designer Humberto Campana führt diese neue Welle frei fließender brasilianischer Künste auf die 1980er-Jahre zurück, als die Militärdiktatur bröckelte und scharenweise Künstler und Intellektuelle aus dem Exil zurückkehrten, um sich an der neuen Freiheit zu berauschen. In einem Interview über brasilianische Trends 2008 nannte Campana es seine persönliche Herausforderung, „Porträts unseres armen, schönen und kulturell reichen Landes“ zu machen. Beispiele dieser künstlerischen Freiheit findet man in Brasilien überall.
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Kulturelle Traditionen mutieren und die Kopplung von Einflüssen schafft neue, mächtige Sprachen.
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Kunstgalerien und Veranstaltungen
ArtRio www.artriofair.com.br A Gentil Carioca Gallery www.agentilcarioca.com.br Anita Schwartz Gallery www.anitaschwartz.com.br Silvia Cintra Gallery www.silviacintra.com.br/site HAP Gallery www.hapgaleria.com.br Galeria Inox www.galeriainox.com Multiploespacoarte www.multiploespacoarte.com.br JR jr-art.net Favela Painting Project www.favelapainting.com Inscrire www.inscrire.com Museu de Favela www.museudefavela.org 04
Und was ist mit Rio? Auch wenn sie die zweitgrößte Stadt Brasiliens ist: Das Nachrichtennetzwerk, aus dem ich mich bediene, zieht mich zurück nach São Paulo. Für mich bleibt Rio de Janeiro ein romantischer Ort in meinem Kopf. Ich denke an Samba-Fußball, ganzjährigen Karneval und natürlich Musik. Ich frage mich, ob die Seleção 2014 den Weltmeistertitel holt und die Nation in einer grün-gelben Welle durchdreht. Bei all dem sehe ich natürlich auch die düsteren Realitäten der Region. Schätzungen zufolge leben 20 Prozent der mehr als zehn Millionen Einwohner von Rio de Janeiro in Favelas, viele davon auf den Hügeln, die auf die Stadt zu starren scheinen. Nicht für jeden läuft es glänzend
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und Künstler fühlen sich definitiv zu den Favelas hingezogen. Das beweisen viele interessante Kunstprojekte in Rio de Janeiro. Als ich 1999 begann, über das zu schreiben, was als Streetart bekannt werden sollte, sprach ich mit vielen Künstlern, die unbedingt eine Art AmateurStreet-Museum gründen wollten – eine öffentliche Ausstellung, bei der jeder dabei ist. Das war ein Ruf nach kreativem Handeln und nach einer neuen ästhetischen Ordnung. Es war schließlich in Cantagalo, wo man die dortigen Künstler beauftragte, mehr als 20 große Gebäudefassaden zu bemalen. Sie haben die Favela in ein Open-Air-Museum namens Musea de Favela verwandelt. Ihr Ziel war es, Touristen und wohlhabende Einwohner in eine ehemals unsichere Gegend zu holen. Es gibt viele weitere Beispiele, wie die Favelas Künstler inspirieren und wie Künstler mit dieser Umgebung arbeiten. Springen wir zurück ins Jahr 1991 und zum „Favela Chair“ der Brüder Humberto und Fernando Campana mit seinem Gewebe aus Sperrholzabfall. In aktuellen Schlagzeilen finden wir den TED-PrizeGewinner JR, einen jungen französischen Künstler, mit seinem Versuch einer öffentlichen Ausstellung: Als Teil des Projekts „Women Are Heroes“ plakatierte er riesige Fotografien von Frauengesichtern auf die Fassade der Favela Morro da Providencia. Diese Arbeit ergab zwar einige tolle Bilder und enorm viel Aufmerksamkeit, aber sie erscheint mir auch als eine europäische Entwicklungsinitiative, die mit dem kollidiert, was Cantagalo an Fähigkeiten und lokaler Selbsthilfe darstellt. Eine weitere herausragende brasilianische
Kunstinitiative ist „Association Inscrire“, die 2011 mehr als 30 Kunstprojekte hervorbrachte und dabei die extrem ungleiche Bevölkerung zum Mitmachen animierte. Sämtliche Projekte haben zwei Ziele: Handwerk lehren und Kunstgeschichte vermitteln. Das umgesetzt zu sehen, ist toll, denn mit Bildung und Qualifizierung wird sich die Kunst im 21. Jahrhundert stark beschäftigen. Mit dieser Art Fragen beschäftigen sich auch die niederländischen Künstler Jeroen Koolhaas und Dre Urhahn, die ich letztes Jahr in Miami trafen. Sie arbeiteten an dem „Favela Painting“: Es verwandelt 34 Häuser (7.000 Quadratmeter) eines Favela-Hügels in eine einzige Wandmalerei, die mich irgendwie an Tirana erinnert. In Miami arbeitete das Duo an einer Installation für eine Ausstellung, die das jährliche Event „Primary Flight“, eine Art überdimensionales Open-Air-Museum, begleitete. Solche Projekte machten mich auf die Situation von Kunst im öffentlichen Raum außerhalb der Favelas neugierig. Fotoberichte von Freunden und verschiedenen Kontakten bestätigen, dass
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Rio auch am Fuß seiner Hügel vor farbenfrohen Wänden strotzt. Selbst eine einfache, schnelle Internetsuche zeigt dasselbe Bild. In Brasilien inspiriert die Straßenkultur immer auch die Hochkultur, ob in Fußball, bildender Kunst, Design oder Tanz. Auch in der zeitgenössischen Mainstream-Kunst? Um eine Antwort zu finden, müssen wir uns von der Straße ab- und zu den Galerien und Museen hinwenden. Brasilien tut sich nicht nur in der Amateurkultur hervor. Institutionen, Kuratoren, kommerzielle Kunstgalerien und Kunstvermittler zeigen sowohl die kritische Masse als auch die zukunftsgerichteten Visionen, die weltweit Unterstützung finden. Im Folgenden einige Galerien, die Sie auf Ihrem Weg zur Copacabana besuchen sollten und einige Links zu den oben genannten Projekten. x
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01 Santa-mart: Favela Painting Project. (Mit freundlicher Genehmigung von courtesy Favela Painting Project) 02 Home: Zu Hause, wo man glücklich ist? (Mit freundlicher Genehmigung courtesy of Ripo, artwork by Ripo) 03 Beachballons: Brasilien platzt aus allen Nähten. (Mit freundlicher Genehmigung courtesy of Ripo) 04 Warten auf bessere Tage: Rio ist mächtig, auch wenn die Farben verschwommen sind. (Mit freundlicher Genehmigung von BHP.com.de) 05 Rio hat Stil, sogar auf fast leeren Plätzen. 06 Stairs: Rio de Janeiro hat seine Höhen und Tiefen. (Mit freundlicher Genehmigung courtesy of Ripo) 07 Inscrire: Sichtbarer und unsichtbarer Wandel in der Gemeinschaft. (Françoise Schein)
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Miami Wynwood und die Art Basel Miami Beach Week Miami bietet die volle Bandbreite. Von „Leben als Kunst“bis hin zu „Kunst als Industrie“-Szenarien. Wie eine herrliche, furchteinflößende Vorort-Wucherung. Fotos Mit freundlicher Genehmigung von Courtesy 0f BHP.com.de
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lavio kam aus Rio de Janeiro. Er trug eine schwarze Lederjacke und fuhr ein gelbes Taxi. Er brachte uns eines Abends zu einer Wohnung in der Collins Avenue und am nächsten Abend kehrte er zu unserer Bleibe im neunten Stock zurück – mit einer Tüte Gras. Wir hatten eine luxuriöse, billige Wohnung gemietet. Wie fast überall in South Beach waren Art-deco-Träume zu einem geruchsintensiven Seniorenheim verkommen. Die Böden waren blitzblank, aber die Tapete wellte sich. Das Obst faulte in der Porzelanschale und die Eiswürfelbehälter im Kühlschrank kündeten von einer gut bestückten Bar, die es nicht mehr gab. Die Kunst muss in den 1980er-Jahren gekauft worden sein, als die Gegend ihr Miami-Vice-Revival feierte. Große, abstrakte Gemälde zierten die Wände mit demselben gebrochenen Glamour wie die ausgetretenen Teppiche und angelaufenen Spiegel. Es gab eine kleine Küche, ein Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer, zwei Bäder und den einen Vorteil: einen Balkon mit Platz für sieben Leute. Mit so vielen wohnten wir hier.
01 Miami wünscht einen herzlich willkommen so wie Will Smith. 02 Smash137: Eine ehrliche Art, Graffiti auf eine Kunstmesse zu bringen – ohne Leinwand.
Wie Tausende anderer Kunstprofis waren wir Zugvögel, die auf der Suche nach besseren Zeiten nach Miami rasten. Es fällt mir schwer, über Miami zu reden. Die Versuchung ist zu groß, über Don Johnson, Al Pacino oder Leb-
Ist zu viel genug?
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ron James zu schreiben. Wenn ich ehrlich darüber sprechen soll, was dort los ist, kann ich nur von der Art Basel Miami Beach Orgie erzählen: Diese Dezemberwoche in der Kunstwelt bietet die volle Bandbreite von „Leben als Kunst“- und „Kunst als Industrie“Szenarien. In dieser Woche passiert so viel, sowohl für die Stadt als auch für die Teilnehmer, dass es einer Traumbesetzung gleicht.
Keine Ahnung, wie viele Satelliten rund um die Leitmesse Art Basel Miami Beach
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Kunstgalerien und Veranstaltungen
The Rubell Family Collection www.rfc.museum Lyle O Reitzel Gallery www.lyleoreitzel.com/the_gallery.php Hardcore Art Contemporary www.hardcoreartcontemporary.com Bernice Steinbaum Gallery www.bernicesteinbaumgallery.com Pan American Art Projects www.panamericanart.com OH WOW oh-wow.com/aboutus Primary Flight www.primaryflight.com Wynwood Walls www.thewynwoodwalls.com/home.html
„Dinge, die dich reizen, können überall sein.“ 74 ––
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kreisen, aber die Alternativ-Events breiten sich immer weiter aus, wie eine herrliche, furchteinflößende Vorort-Wucherung. Es gibt neue, fusionierte und parallele Messen, aber meistens folgt man ja sowieso den eigenen Interessen; wahlweise Fotografie, Design, anerkannte Kunst, unbekannte Künstler und so weiter. Am deutlichsten sichtbar ist die absolute Qualität auf der großen Messe, aber was einen wirklich überzeugt, könnte überall sein, also muss man überlegen, wohin man geht. Letztes Jahr war die Aqua Fair toll. Obwohl mich Ausstellungen in Hotels meist abstoßen, kamen die üblichen Bedenken hier nicht auf. Die NADA ist ein Muss, wenn man die Marktführer mit ihrer Interpretation des „next big thing“ sehen will, dagegen bieten sowohl die Pulse als auch die Scope Einblicke in Kunst, die unter heiklen Bedingungen entsteht (Pulse ist dabei kritischer, die Scope kann man als Branchen-Cowboy sehen). Dann gibt es noch Art Miami, Seven,
01 Art Basel Miami Beach: Jedes Jahr gibt es eine Show am Meer, wie z.B. Iggy Pop. 02 Strumbel: Ein weiteres Werk von „Primary Flight“, hier aus Stefan Strumbels HEIMAT-Reihe. 03 Club Deuce: Eine Bar mit Billardtisch für Trinker. Super, um zur Realität zurückzufinden. 04 Art Critic Parking: Ernstgemeint wie jeder gute Witz. Etwas situative Mousse-Kunst.
Fountain und Red Dot. Die Liste ist lang und an diesem Punkt hören die meisten Leute auf, Messenlisten zu lesen, und widmen sich den Ausstellungen jenseits der Messen, privaten Sammlungen, Partys und anderen Veranstaltungen. Man trinkt im Garten des Galeristen Emmanuel Perrotin Champagner und im nächsten Moment sitzt man in einem Hotel in Wynwood, bevor man zurück nach South Beach eilt, wo man wahrscheinlich in der Bar Deuce landet, nachdem man Iggy Pop oder irgendeinen anderen alten Punk am Meer hat spielen sehen.
gallery guide_Miami –– Fahr mal hin
In Miami habe ich mein erstes Gemälde verkauft. Ich weiß noch, wie ich durch die Stadt fuhr, um es in einem Country Club abzuliefern, wo der Sammler Tennis spielte. Man findet die unwahrscheinlichsten Freunde in dieser einen Woche in Miami. Darauf kann man zählen. Der Sammler und ich genehmigten uns einen Drink. Er erzählte mir von einem anderen Künstler, der mich interessieren könnte. Als wir drei Jahre später in seinem Porsche zu Tim (besagtem Künstler, in seinem Atelier in Wynwood) fuhren, erzählte mir der Sammler, dass er in den letzten 18 Monaten an seinem Schreibtisch geschlafen hätte. Manchmal verändert sich das Leben schnell. Wynwood ist dafür ein gutes Beispiel. Das Viertel Wynwood hat sich sehr schnell zu einer der reizendsten Geschichten der Art Ba-
sel Miami Beach entwickelt. Aber auf die Gefahr, politisch inkorrekt zu klingen, der größte Teil ist immer noch das, was Amerikaner „Ghetto“ nennen würden. In vielen Tagen und ein paar Abenden dort habe ich mehr als einmal Schüsse gehört und es gab Situationen, in denen man am liebsten weggelaufen wäre. Oberflächlich betrachtet war Tims Atelier ähnlich. Wir betraten es durch ein oranges Garagentor, vor dem uns durchgeknallte Männer um Geld oder Arbeit baten. Drinnen zeigte uns Tim seine neuesten Porträts von Männern aus der Nachbarschaft, während zwei Künstler aus Boston für eine Ausstellung packten, die sie für eine Werbeagentur gemacht hatten. Es ist ein weiteres Beispiel für die endlosen Ableger der Art Basel Miami Beach und die Gentrifizierung von Wynwood.
„Primary Flight, ist das weltweit größte Wandbild-Projekt und versammelt über mehr als 250 Weltklassekünstler aus allen Bereichen der Kunst.“ 05
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Real Estate Der Immobilienmakler David Lombardi (Lombardi Properties) war einer der Ersten, der Energie in dieses Viertel steckte. Seine „Roving Friday“-Partys sollten für Kunst werben und den Wert seiner Immobilien steigern. Damals war ein Spaziergang durch Wynwood eine regelrechte Einladung, sich überfallen zu lassen. Das ist immer weniger der Fall. Tony Goldman, Immobilienentwickler von Goldman Properties ging noch einen Schritt weiter, als er zusammen mit dem neuen Direktor des Museum of Contemporary Art Jeffrey Deitch die „Wynwood Walls“ in Auftrag gab, zwölf öffentliche Wandgemälde von bekannten internationalen Künstlern. Goldmans Projekt kam zwei Jahre nach dem „Primary Flight“, das das weltgrößte Mural-Projekt sein soll, mit mehr als 250 Weltklassekünstlern aus allen Disziplinen der zeitgenössischen Kulturszene. Solche Vorstöße zeigen auf mehreren Ebenen Wirkung. So hat sich Wynwood von einer bedrohlichen Gegend zu einem Viertel mit Potenzial gemausert. Dass sich das auch in einer zunehmenden Zahl von Galerien niederschlägt, ist keine Überraschung. Binnen weniger Jahre haben genug Galerien eröffnet, um mit der etablierteren örtlichen Kunstszene mithalten zu können. Sie haben sogar ihren eigenen Art Walk. Wynwood kann mit vielen interessanten Locations prahlen, von den Pionieren wie der Bernice Steinbaum Gallery und Dorsch Gallery bis hin zu Lyle O. Reitzel Gallery, Hardcore Art Contemporary, Pan American Art Projects, OH WOW und mehr als 30 weiteren. Abgesehen von Galerien beheimatet die Gegend nun auch fünf Museen, drei wichtige Sammlungen, sieben Kunstzentren und fünf angesehene Messen. Jeden zweiten Samstag des Monats wird ein Art Walk organisiert, an dem die meisten dieser Orte sich der Allgemeinheit öffnen. Wenn Sie nach Miami fahren, müssen Sie sich Wynwood anschauen, Dort fungiert Kunst als Werbung für die Zukunft. x 05 Fashion For Less: Mode gibt es auch in Miami immer günstiger. 06 Schulbusse und Taxis - in Miami als Familienportrait. 07 Apartment collinsave: Sechs Jungs, ein Mädchen und eine große Terrasse.
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Barcelona Mehr spanische Nostalgie Diesmal holte ich meine alte, schwarze Lederjacke für eine Reise hervor, die ich bereits gemacht hatte. Ein kleiner Riss am Ellenbogen des linken Ärmels und ein kleiner Farbklecks neben dem unteren Reißverschlussende erzählen ihre eigene Geschichte. Der Ellenbogen riss vor gut sieben Jahren. Da verfing sich mein Arm in Metall, als ich auf ein Dach in Barcelona kletterte. Fotos Mit freundlicher Genehmigung von Courtesy 0f Ripo
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Buff: Graffiti-Geschichte wird jeden Tag übermalt. Artwork in der Stadt Barcelona. Die Dämmerung umhüllt allmählich die Altstadt. Galeriaoberta: Wer in der Öffentlichkeit malen will, findet bei Oberta eine legale Zuflucht.
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Kunstgalerien und Veranstaltungen
Iguapop Gallery www.iguapop.net Miscelanea BCN www.miscelanea.info Galeria Cosmo www.galeriacosmo.com Mito Galeria www.mitobcn.com ADN Galeria www.adngaleria.com Angels Barcelona www.angelsbarcelona.com Joan Prats www.galeriajoanprats.com Senda www.galeriasenda.com Galeria MiTO barcelona.unlike.net/locations/307716-Galeria-MiTO Swab Art Fair www.swab.es MACBA www.macba.cat
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amals war Barcelona ein urbaner Spielplatz, der Hintergrund für eine andere Art des goldenen Zeitalters – wo die Hitze der Stadt mit der Meeresbrise Händchen hielt. Es war der Treffpunkt einer zeitgenössischen Lost Generation, ein Treffpunkt für Künstler aus aller Welt, eine billige, sonnige und experimentelle Zone für junge, kreative Nomaden. Ich traf dort mehrere Hemingways; Schriftsteller zwischen 20 und 40, keiner von ihnen allerdings kriegserfahren. Don Quixote erwachte an jeder Ecke zum Leben und Goya hielt die Stellung, um die Geschichte daran zu erinnern, wie er für Picasso den Weg geebnet hatte. Es hing noch Dalí in der Luft und Gaudí war dort, weil er dem Modernismus eine langlebige Seite gegeben hatte. Wäre
Miró noch da gewesen, hätte er geschmunzelt, weil es so aussah, als hätte die junge Generation ihn beerbt. Wenn das jetzt wie ein lausiger Woody-Allen-Film klingt („Midnight in Paris“), ist das meine Schuld. Damals sprach niemand über diese Geister der Kunst – auch wenn sie über allem schwebten. Viele der Künstler, die ich in Barcelona traf, vertraten eine neue Generation von Poeten: bewaffnet mit Pinseln, Sprühdosen und selbstgebauten Werkzeugen. Sie interessierten sich weniger für Malerei als vielmehr da-
für, das Bewusstsein für die Möglichkeiten, die eine Stadt abbilden kann, zu erfassen. Sie arbeiteten an Wänden, Fensterläden und was ihnen sonst winkte. Kurz gesagt: Sie wollten Spaß haben, teilen und lernen. Es war nicht ungewöhnlich, die Tage und Nächte forschend zu verbringen, zu malen, Orte zu erkunden, die die Sonne gebleicht zu haben schien, und mit Fremden zu lachen, die bald schon wie Freunde waren. Barcelona erschien nach der Diktatur Francos wie ein widerstandsfähiges urbanes Utopia. Das blieb es, bis eine Taktik im Stile Giulianis griff und neue Gesetze der Stadt neue Regeln verpassten. Kein Bier mehr auf der Straße. Keine illegale Kunst. Vandalismus war nicht mehr konstruktiv. Beinahe über Nacht wurde er schlicht abgelehnt. Es regierten wieder Recht und Ordnung.
„Sie waren weniger an der Malerei interessiert, eher gefiel ihnen der Gedanke, die Stadt innerhalb dieses Projektes umzugestalten.“ –– 77
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„ ... Es war verspielt, lustig und der richtige Ort.“
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01 Beacherased: So viel Geschichte wird jeden Moment ausradiert. Artwork von Ripo. 02 Cosmooutside: Cosmos zieht ein junges, hippes Publikum an. 03 Wenn man das Morgengrauen verpasst, sind Parks in der Stadt keine schlechte Alternative. 04 Lamerce: Jede Stadt hat eine Farbe. Die von Barcelona ist Rot. 05 Traditionelle Medien und klassisches Handwerk sprechen zeitgenössische Sprachen. 06 Roa ging von Barcelona zu den Großen nach Brasilien.
Als ich meine Jacke einriss, war es schon seit Stunden dunkel. Ich hatte zu viele dieser hässlichen Straßenbiere in roten Dosen getrunken (das einzige Bier, das tatsächlich besser wurde, wenn sich unten in der Dose Eis bildete) und es wurde schnell eine sorglose Nacht. Am nächsten Morgen wachte ich mit ein paar kleinen Kratzern und so einigen nervigen Sandkörnern im trockenen Mund auf. An diesem Tag musste ich zwei Dinge tun. Am frühen Nachmittag sollte ich bei der
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Swab Art Fair einen Kollegen treffen. Später sollte ich zur Iguapop Gallery für eine Kolumne namens „Squatting the White Cube“.
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Angst vor dem Risiko. Sie war verspielt, lebensfroh und dem Wandel verschrieben. Auf vielen Reisen nach Barcelona machte ich keine Pläne, außer die Galerie zu besuchen und zu sehen, was als Nächstes passierte. Bedauerlicherweise hat die Iguapop Gallery ihre Türen in Barcelona geschlossen, die Inhaber bereiten eine Wiedereröffnung in Madrid vor, das als besserer Markt für Sammler betrachtet wird. Der Wandel durch die neuen Gesetze und das Ende meiner Lieblingsgalerie führten dazu, dass ich auf meinen letzten Reisen nach Barcelona neue Orte kennen lernte. Nostalgie ist ungesund. Es gibt noch einige junge Galerien in Barcelona mit ähnlichem Programm, auch sie halten keinem einzelnen Medium die Stange und zeigen lokale und internationale Arbeiten, die ansonsten keine Beachtung fänden. Natürlich gibt es außerdem noch mehr etablierte Galerien, die sich ihren Ruf in der internationalen Kunstwelt verdient haben.
Die Guten, jedoch nicht so alten Tage
Art vs. Art
Die Iguapop Gallery füllte seit mehreren Jahren eine Lücke in der reichhaltigen Kunstszene Barcelonas. Sie war ein Treffpunkt für Kunst, Design, Mode und Musik: ein Ort für zeitgenössische Künstler und ein Rivale traditioneller Galerien, der jungen spanischen Künstlern und einer neuen Generation, die sonst nirgendwo hineinpasste, eine Bühne bot. Die Arbeiten, die diese Galerie vertrat, trugen dazu bei, eine Brücke zwischen „hoher“ und „niedriger“ Kultur zu schlagen, so manche „leichte Kost“ bekam Bestätigung durch „Hochkultur“Entscheider. Ich mochte die Galerie besonders deswegen, weil sie widerspiegelte, was mit den meisten jungen Künstlern in der Stadt passierte. Iguapop hatte eine Vision und keine
Für ein besseres Verständnis dessen, was man immer noch „Non-Art“ nennen könnte, besucht man Konzepträume wie Galeria Oberta, Miscelanea oder Cosmos Galleria. Letztere ist im Grunde ein Café mit Kreativladen und Ausstellungsfläche. Sie zeigen grafische Arbeiten, die eine farbenfrohe, ästhetische Seite urbaner Illustration enthüllen. Hinter Miscelanea steckt mehr Geschichte: Sie ist zwar auch eine Kombination aus Laden und Ausstellungsfläche, hat aber ein interessantes Modell künstlerischer Autonomie entwickelt: Wie eine kommerzielle Galerie bietet sie ein ausgesuchtes Programm. Gleichzeitig fördert sie aber auch Projekte wie Workshops oder Konferenzen, die auf Qualifizierung zielen.
Auch die Kowasa Gallery vereint verwandte Disziplinen unter einem Dach. Mit einem Schwerpunkt auf historischer, moderner, klassischer und zeitgenössischer Fotografie fungiert sie als Galerie und als Verlag. Im Laden gibt es neben Kowasa-Veröffentlichungen auch eine schicke Auswahl anderer herausragender Fotobücher. Die Galerie MiTO konzentriert sich auf Realismus in dem, was sie post-digitales Zeitalter nennt. Sie stellt aufkommende Trends in der figurativen visuellen Kunst aus und konzentriert sich auf Künstler aus dem Ausland. Diese Orte spiegeln die Bemühungen, neue Richtungen in der Ästhetik der neuen Medien zu erschließen. Aber Barcelona hat auch ein paar Galerien – etwa Galeria Joan Prats, ADN Galeria, Angels Barcelona und Senda Galeria –, die bereits neue Gebiete erschlossen haben, auf die Katalonien bauen kann. Joan Prats ist schon seit 1976 in der Szene und als Leitfigur in der Welt der internationalen zeitgenössischen Kunst anerkannt. Mitte der 1990er-Jahre eröffneten sie eine zweite Galerie namens Joan Prats Artgraphic. Die Schwestergalerie hat ihre eigenen Künstler und ist ebenso herausfordernd wie zugänglich. Spanien hat keine Art Basel Miami Beach und im Gegensatz zu Rio de Janeiro ist seine Wirtschaft nicht im Aufschwung. Barcelona ist immer noch ein toller Ort für Künstler, um zu leben, zu arbeiten und sich auszuprobieren. Aber für die jüngeren Initiativen erscheint es sinnvoll, die spanischen Galerien zu beobachten, die sich am Weltmarkt etabliert haben und dabei eine Lebensqualität zu genießen, die selbst eine Rezession nicht so einfach knacken kann. x
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Offen Text Isabel Faiss, Ina Köhler, Nicolette Scharpenberg Fotos Marken
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Replay Denim-Couture für Hongkong
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Cream Umzug in A-Lage
Replay startet mit voller Kraft ins neue Jahr. Anfang 2012 eröffnete der italienische Denim- und Casualwear-Spezialist einen Flagship-Store in Hongkong. Das Konzept läuft unter dem Namen One-Off, dabei dreht sich alles um Maßanfertigung. Die Idee dahinter ist, einen maßgeschneiderten Store zu designen, in dem Kreativität eine wichtige Rolle einnimmt. Maßgeschneiderte Schaufenster, maßgeschneidertes Interieur sowie maßgeschneiderte Jeans. Exklusivität und individuelle Schöpfung sollen dabei im Vordergrund stehen. Zwei wichtige Elemente, die in Zukunft traditionell mit der Marke und den zugehörigen Kollektionen in Verbindung gebracht werden sollen. Neben maßgeschneiderten Jeans werden auch Denim Couture Kleider gezeigt, welche Replay anlässlich der MTV EMAs 2011 für die beiden Stil-Botschafterinnen Bar Refaeli und Irina Shayk anfertigte. Die Architektur des 120 Quardatmeter großen Stores am Hysan Place erinnert mit seinen hohen Fenstern sehr an den Bauhaus-Stil, das Interieur ist im Gegensatz dazu wesentlich naturverbundener. Pflanzen, Holz und Bambus verleihen dem Store eine warme, natürliche Atmosphäre und eine Verbindung zwischen Moderne und Tradition. Gezeigt werden die Kollektionen Replay, We Are Replay, Red Seal by Replay und White Seal by Replay.
Man nennt ihn auch das SoHo Hamburgs, den Stadtteil St. Georg hinter dem Hauptbahnhof. Herz dieses Stadtteils ist die Lange Reihe mit zahlreichen Boutiquen, Feinkostläden, Bars und Restaurants. Seit April 2011 gehört nun auch der Concept-Store Cream zur A-Lage „Durch die Locationsuche für den Adidas Ransom Pop-up-Store sind wir auf die Fläche gestoßen und waren sofort derart begeistert, dass wir gleich den kompletten Umzug in diese Räume beschlossen haben“, erklärt Inhaber Matthias Scholz, der seit 2009 zusammen mit Till Krüsmann die Street Boutique führt. Die neue Fläche von 80 Quadratmetern bietet nicht nur eine wesentlich prominentere und bessere Lage, sondern besticht durch ein lichtdurchflutetes Raumgefühl. „Wir haben hier die Möglichkeit, uns dauerhaft weiterzuentwickeln und neue Produkte und Marken zum Sortiment zu ergänzen. Das war uns in unserer alten Location leider nur begrenzt möglich“, so Scholz. Heute bietet Cream neben Streetwear und Accessoires für Männer auch eine Auswahl von Damenbekleidung an. Zu den Marken zählen Pendleton Woolen Mills, Norse Projects oder Kidrobot. Hinzu kommen Schuhe von Nike, Adidas Originals, Wood Wood und Adidas SLVR. Highlight ist der Annex, ein eigener Raum, in dem Scholz und Krüsmann in unregelmäßigen Abständen Produktlaunches, Kollektionshighlights und Ausstellungen zeigen oder als Fläche für einen Pop-up-Store nutzen.
Kontakt: Replay One-Off, Hysan Place, 500 Hennessy Road, Causeway Bay, Hongkong/China, www.replay.it
Kontakt: Cream, Lange Reihe 88, 20099 Hamburg/Deutschland, T 0049.40.188811670, service@saintcream.com, www.saintcream.com
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n.d.c. Berliner Kooperation
Pünktlich zur Bread & Butter eröffnete der erste n.d.c.Store in Berlin am 17. Januar 2012 in Berlin-Mitte. Der 40 Quadratmeter große Laden ist in enger Kooperation mit Karl-Heinz Müller, Geschäftsführer der Bread & Butter und Inhaber des 14 oz. Stores entstanden. Zuvor war in dem Ladenlokal ein Multilabel-Schuhstore des 14 oz. untergebracht. Im neuen Ladenlokal findet man künftig eine breite Auswahl von Schuhen, Accessoires und Taschen von n.d.c. Für Thomas Vulliez, Geschäftsführer von Forward Design und verantwortlich für den internationalen Vertrieb, ist die Zusammenarbeit ein Wunschprojekt: „Dies ist der Höhepunkt einer großartigen Geschäftsbeziehung und Partnerschaft.“ Auch für Karl-Heinz Müller ist n.d.c. der richtige Kooperationspartner: „Die Marken n.d.c. und 14 oz. haben schon seit vielen Saisons sehr erfolgreich zusammengearbeitet und wir teilen ein ausgeprägtes Wertbewusstsein für hervorragende Qualität.“ Passend zu den authentischen Styles der Marke wurde mit roughen Bootsplanken und unbehandelten Backsteinwänden gearbeitet, die Schuhe und Accessoires zur Geltung bringen. Kontakt: n.d.c. made by hand, Münzstraße 19, 10178 Berlin, www.ndcmadebyhand.com
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Kult Expansion nach Österreich
Am 23. November 2011 eröffnete in der neuen Bahnhof City Wien West der erste Kult-Store Österreichs. Auf 600 Quadratmeter Fläche präsentiert die zur Görgens Gruppe gehörende Filiale ein Sortiment aus Jeans-, Casual- und Urbanwear für Damen und Herren, ergänzt durch HighFashion-Labels und Accessoires. Marken wie Poolgirl, Smashed Lemon, Bench, Only, Diesel, Le Temps des Cerises, Guess, M.O.D., Justing, G-Star und Rock Revival decken das Mittelpreissegment ab. Sie werden durch Premium-Brands wie Blauer, Peuterey, Canada Goose und Barbed ergänzt. Zur Kölner Görgens Gruppe gehören deutschlandweit über 85 Filialen, die unter den Marken Kult, Olymp & Hades, Planet und Elb firmieren. 2011 wurden zehn neue Filialen eröffnet und auch für 2012 sind weitere neue Standorte geplant. Kontakt: BahnhofCity Wien West, Europaplatz 3, 1150 Wien/Österreich 05
Adidas SLVR Europa-Premiere in Berlin
Während der Berlin Fashion Week eröffnete Adidas für seine Premiummarke SLVR den europaweit ersten ausschließlichen SLVR-Store in der Mulackstraße in Berlin-Mitte. Designer Dirk Schönberger, Global Creative Director der Adidas Style Division, begrüßte bei der Eröffnungsparty am 18. Januar die Gäste persönlich im Store. Auf 120 Quadratmetern zeigt die Marke hier in puristischem Design einen Querschnitt der Kollektion für Frauen und Männer sowie Accessoires und Schuhe. Kontakt: Adidas SLVR Store, Mulackstraße 31/32, 10119 Berlin/ Deutschland, www.slvr.com 06
MantisLB Expansion Skate
Hamburg ist um eine Brett-Base reicher: Am 18. November 2011 eröffnete in der Großen Theaterstraße 43 MantisLB, ein
reiner Longboardshop. Inhaber Richie Löffler: „Einen neuen Store zu eröffnen und die Skateboardsortimente zu splitten, war für uns bei einer Produkt-Range mit über 1.000 Teilen und 80 Marken die logische Konsequenz. Wir hatten Glück, dass ausgerechnet die Fläche gegenüber von unserer Hauptfiliale, dem Mantis Lifestore, frei wurde.“ Auf 120 Quadratmetern bietet der Store leidenschaftlichen Asphaltsurfern ein stattliches Sortiment aus Hardware, Decks und Accessoires von Marken wie Loaded, Fulbag, Earthwing, Indiana, Urskog, Airflow und vielen mehr. Neben dem Mantis Lifestore und dem Longboardshop ist Löffler auch Inhaber des Streetfashion-Stores Animal Tracks an den Hamburger Colonnaden und der 1992 gegründeten Marke TRAP Skateboards. Kontakt: Mantis Longboardshop, Große Theaterstraße 43, 20354 Hamburg/Deutschland, www.mantisshop.de 07
Peak Performance Auf nach Kitzbühel
In Kitzbühel treffen sich nicht nur die Schönen und Reichen dieser Welt, sondern auch skibegeisterte Sportler. Diese haben seit Dezember 2011 eine neue Anlaufstelle für den Wintersport: Die schwedische Sportmarke Peak Performance eröffnete im Herzen der Alpenstadt einen General Store, der Mitte Januar mit einer großen Feier pünktlich vor dem Hahnenkammrennen eingeweiht wurde. Auf zwei Etagen verteilt, auf 100 Quadratmetern kann man die komplette Produktpalette der schwedischen OutdoorMarke sehen. Zugleich wird Peak Performance ab 2013 offizieller Ausstatter des traditionsreichen HahnenkammAbfahrtsrennens, das seit 1931 in Kitzbühel auf der Streif ausgetragen wird. „Wir freuen uns sehr darüber, den heimischen Skiklub zu unterstützen“, so Matthias Josander, Marketing Director bei Peak Performance. „Mit der Eröffnung eines eigenen Stores in einem der renommiertesten Skiorte der Welt setzen wir einen weiteren Meilenstein in der Geschichte von Peak Performance.“ Kontakt: Peak Performance, Bichlstraße 8, 6370 Kitzbühel/Österreich, www.peakperformance.com
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Zu viele gute Dinge Sie: „Du bist besessen.“ Er: „Bitte, nur noch den Einen!“ – Pärchen und AFew sind keine gute Kombination. Die Jungs des Düsseldorfer Sneaker-Stores wissen, wie sie Typen um den Finger wickeln. 08/15 sucht man hier vergeblich, hier gibt es nur echte Sneaker-Schätze. Text Nicolette Scharpenberg Fotos AFew
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afew, Düsseldorf –– vor ort
Glow in the Dark - der Kryptonit Boden bei AFew läd sich tagsüber auf und leuchtet im Dunkeln.
Sneaker-Schätze aus vergangenen Jahren und kann diese nicht nur begutachten, sondern auch kaufen.“ Die Brüder Biergen haben mit dem 65 Quadratmeter kleinen Shop ihr Hobby zum Beruf gemacht. „Wir sind leidenschaftliche Basketballer und haben früher oft während Trips in die USA Sneaker, die es hier in Deutschland nicht gab, importiert. Nachdem uns immer viele Freunde und Bekannte darauf angesprochen haben, wo wir unsere Schuhe her bekommen, haben wir bereits 2004 ganz klein damit angefangen, Schuhe für unsere Freunde zu besorgen. Irgendwann mussten wir uns dann entscheiden, ob wir einem richtigen Beruf nachgehen oder ob wir es wagen, uns mit dem Laden selbstständig zu machen. Wir haben es gewagt“, erzählt Biergen.
seldorfern entgeht vielleicht das coole Ladendesign und die Vielzahl von Events, jedoch nicht die Produktauswahl, denn der Onlineshop verschafft Fans auch überregional Zugang zu den Raritäten. Über ihren Blog wird man stets über Eventnews und Sale-Aktionen informiert. Das Store-Projekt soll nämlich nicht nur als reiner Laden fungieren, sondern auch für verschiedene Ausstellungen und Events genutzt werden. Für die Re-Opening-Party im Juli 2011 stand beispielsweise eine Ausstellung des Projektes MAX100 von Matt Stevens auf dem Programm. Passend dazu gab es eine Air Max 1 Ausstellung in Kooperation mit Nike Sportswear und ein deftiges BBQ. In Planung ist eine Ausstellung mit dem Düsseldorfer Pop-Art-Künstler Ivan Beslic, über den auch der eigene Blog berichtet. x
Kicks, Kunst und Kryptonit Im April 2011 wurde umgebaut und in AFew umbenannt. Das Interieur, dezent in Schwarz und Weiß, dient lediglich als Rahmen für das Wesentliche: Sneaker-Raritäten von Nike, Adidas, Kangaroos, New Balance, Puma und Onitsuka Tiger für Männer und Frauen. Ergänzt wird das Sortiment durch eine feine Auswahl von Textilien von Beastin, New Era, Nike und Adidas. Die Möbel und Schränke sind variabel konzipiert, sodass man die Fläche auch für andere Events wie kleine Ausstellungen, Unplugged-Konzerte oder Vorlesungen nutzen kann. „Besonders stolz sind wir auf den ‚Glow in the Dark‘-Boden aus Kryptonit von der Firma ENKE, welcher sich tagsüber auflädt und abends leuchtet. Für den lohnt es sich auch mal nach Ladenschluss bei uns vorbeizuschauen“, sagt Biergen. Nicht-DüsAfew
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Few Good Things“ – wenig aber dafür richtig. Der Name bringt das Store-Konzept von Marco und Andreas Biergen ziemlich gut auf den Punkt. Der Düsseldorfer Store existiert bereits seit 2008, er lief damals noch unter dem Namen Schuh-You und liegt jenseits der Einkaufsmeile Schadowstraße im japanischen Viertel. „Die meisten Sachen, die wir anbieten, sind sehr selten und meistens nur in kleineren Stückzahlen verfügbar“, sagt Andreas Biergen. „Der Kunde bekommt bei uns ein Paar seltene
„Wir mussten uns entscheiden zwischen richtigem Beruf und Hobby. Wir haben unsere Leidenschaft zum Beruf gemacht.“
Oststraße 36 40211 Düsseldorf/Deutschland www.afew-store.com Eröffnung: Schuh-You Oktober 2008, AFew April 2011 Inhaber: Marco und Andreas Biergen Mitarbeiter: 2 Verkaufsfläche: 65 qm Schuhe und Männermode: Adidas, Asics, Beastin, Jordan, Kangaroos, New Balance, New Era, Nike, Onitsuka Tiger, Puma
Andreas Biergen, AFew
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vor ort –– Ontfront, Amsterdam
Elegante Pracht
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Tomas Overtoom und Liza Koifman teilen ihre Leidenschaft für klassische Kleidung mit einem gewissen Twist. Den Look ihres Männerlabels Ontfront kann man als preppy, Street Dandy oder Urban Tailor bezeichnen. Die zwei jungen Designer wissen, wie man Klassiker neu interpretiert. Text Miranda Hoogervorst Fotos Ontfront
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ntfront wurde 2007 im Rahmen des OffSchedule-Programms der Amsterdam International Fashion Week gegründet. Zwischen urbanem Konfektionsmainstream und formeller Herrenbekleidung konnten die jungen Modeunternehmer Tomas Overtoom und Liza Koif man damals ihre Nische ausmachen. Ihr erstes erfolgreiches Design war direkt ein charakteristisches Beispiel für einen klassischen Stil mit dem gewissen Etwas: ein konventioneller Männerblazer, der in ein stylisches Hoodie verwandelt wurde. Koifman: „Wir lieben altmodische Looks wie den Stil unserer Großeltern oder von Soulmusikern, und das mischen wir mit zeitgenössischen Elementen. Wir nennen es gerne Sidewalk Tailoring. Als wir Ontfront ins Leben ge-
Tomas Overtoom, Onfront
01 Sogar das Interieur visualisiert perfekt den urbanen Dandy-Charakter. 02 Liza Koifman und Tomas Overtoom.
Ontfront
Haarlemmerdijk 121 1013 KE Amsterdam/Niederlande www.ontfront.nl Inhaber: Liza Koifman, Tomas Overtoom Eröffnung: 24. Januar 2011 Verkaufsfläche: 65 qm Mitarbeiter: 2 Kleidung: l’Ecole National, Ontfront, Sopopular Schuhe: Filling Pieces, United Nude Accessoires: Cassius, Ray Ban, Spyker, Von Eusersdorff
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„Unsere Kunden suchen Styles mit einem besonderen Twist, um ihren kreativen Charakter zu zeigen.“
rufen haben, hat uns André 3000 sehr inspiriert – der wäre ein perfekter Kunde gewesen. Für uns ist es natürlich großartig, dass sein Preppy-Style ein Trend geworden ist, aber der Schlüssel zu unserem Erfolg liegt darin, dass wir allen Trends zum Trotz unserem Stil treu bleiben.“
Chokers und Kniestrümpfe Overtoom: „Wir machen Bekleidung für junge Männer, die früher Skatewear oder urbane Klamotten getragen haben und die jetzt, da sie etwas älter geworden sind, Kleidung für den Job oder für besondere Gelegenheiten benötigen. Die wollen keinen herkömmlichen
Anzug, die brauchen etwas Besonderes, sodass sie ihren kreativen, rebellischen Charakter zeigen können. In unserer Kollektion finden sie erschwingliche Teile mit traditionellen Silhouetten und Details wie zum Beispiel kleine Kragen, asymmetrische Schnitte oder besondere Knöpfungen.“ Manche Kunden kaufen nur ein spezielles Stück, wie zum Beispiel das kragenlose V-Neck-Anzugshirt oder die sehr unkonventionellen Ribcord-Hosen: „Diese Hosen sind der beste Freund eines jeden Mannes, ob er jetzt einen wohlgeformten Hintern hat oder nicht“, meint Koifman. Andere Kunden greifen sich den kompletten Look und kombinieren knöchellange Hosen mit bunten Kniestrümpfen im italienischen Stil, einem zweireihigen Shirt und einem Choker.
Haushund Zazou Ontfront verkauft seine Linie an zwölf Kunden in den Benelux-Ländern. Overtoom: „Wir arbeiten gerne mit Händlern, die unser Konzept verstehen und es klar ihren Kunden präsentieren können.“ Der erste Monobrand-Store, eröffnete im Januar 2011 und präsentiert das komplette Programm ihrer Ideen. In diesem farbenfrohen, eleganten Geschäft lassen sich Männer schnell dazu hinreißen, ein Stück Pavement Prep mit nach Hause zu nehmen. x
VEZjun, Amsterdam –– vor ort
20 Quadratmeters voll mit einzigartigen Designerstücken.
Superklein, aber besonders Vor ungefähr sieben Jahren beschloss Gabriëlle Holland, ihre Nähmaschine vom Küchentisch in eine etwas lebendigere Location zu bringen. Zusammen mit drei anderen Modedesignern mietete sie einen kleinen Laden an der Amsterdamer Rozengracht und eröffnete Vezjun, ein Store-Atelier mit individuellen Styles für Frauen. Text Miranda Hoogervorst Fotos Vezjun
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as Konzept von Vezjun (ausgesprochen: „Fashion“ mit französischem Akzent) ist simpel: Neben dem Verkauf ihres eigenen Labels G(rrr)AB bietet Holland gleichzeitig jungen Designern Teile der Ladenfläche auf Kommissionsbasis an. Derzeit sind bei Vezjun neun verschiedene Brands vertreten, manche verkaufen schon seit Jahren in ihrem Shop, andere verweilen nur für kurze Zeit und ziehen dann weiter. Vezjun repräsentiert dabei sowohl Newcomer als auch etabliertere Marken, die auf der Suche nach etwas Neuem sind. Zusammen mit den Designern Audrey Ween von Label 3 und Shari Scholte, die den zweiten Platz bei Project Catwalk 2010 erreicht hat, kümmert sich Holland um das Tagesgeschäft. Vezjun verkauft ausschließlich Unikate. Holland: „Heute lieben die Leute handgemachte Kleidung. Das war vor ein paar Jahren noch alles andere als trendy, aber heute kommen genau deshalb viele Kunden zu uns. Bei uns arbeitet jeden Tag ein anderer Designer im Store. Unseren Kunden gefällt das und daher fragen
„Jedes Teil, das wir verkaufen ist einzigartig, das ist unser Markenzeichen.“ Gabriëlle Holland, Vezjun sie auch häufig, ob ein Stück auf ihre persönlichen Bedürfnisse angepasst werden kann. Zum Beispiel, wenn eine Frau ein Teil in einem anderen Stoff haben will – oder ärmellos. Alles ist machbar. Das ist unser Markenzeichen.“
Verspielt und experimentell Neben Bekleidung gibt es bei Vezjun eine Vielzahl von Accessoires, wie zum Beispiel Taschen aus alten Sofa-Lederbezügen, Broschen und gemusterte Schals aus verschiedenen Materialien – und die Preise sind erschwinglich. Handgefertigte Kleidungsstücke bewegen sich preislich zwischen 100 und 250 Euro. Vezjun hilft jungen Designern, ihre Entwürfe an die Frau zu bringen. Mit dem ersten Erfolg geht allerdings auch meistens eine gewisse Kommerzialisierung der Designs einher, was
Vezjun
Rozengracht 110 1016 NH Amsterdam/Niederlande www.vezjun.nl Inhaberin: Gabriëlle Holland Eröffnung: September 2004 Verkaufsfläche: 20 qm Belegschaft: variiert Labels: Femke Agema, G(rrr)AB, Label 3, Ropa Rosa, Shari Scholte u. a. (Updates siehe Website)
den verspielten, experimentellen Charakter von Vezjun allerdings kaum strapaziert. „Das ist natürlich unvermeidbar“, so Holland, „wir müssen ja auch von irgendetwas leben. Ich will den kreativen Vibe von Vezjun nicht verlieren, also sehe ich zu, dass immer auch ein paar junge Designer von der Akademie im Laden vertreten sind und neuen kreativen Input bringen.“
Transparenz Laufkundschaft ist ein kleines Problem für Vezjun. An der Rozengracht gibt es einige großartige Läden, aber es ist eine Hauptverkehrsstraße und 20 Quadratmeter sind auch nicht gerade riesig. Dementsprechend mangelt es an Kunden, die einfach vorbeikommen. Eine bessere, größere Location könnte helfen, das aber würde bedeuten, dass das Konzept geändert werden muss – und das will keiner. Holland: „Ich liebe es, wie es jetzt ist. Ein paar Tage zu Hause arbeiten, ein paar Tage im Laden. Wenn eine Kundin mit unseren DIY-Styles zufrieden ist, ist das extrem befriedigend.“ X
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Alte und neue Klassiker In der niederländischen Hauptstadt hat Aebe Ferilli seinen ersten Modeladen mit dem treffenden Namen 1 eröffnet. Er führt nur Dinge im Sortiment, die er selber gerne in seinem Schrank hängen hätte. Sein persönlicher Stil scheint dabei ganz hervorragend zu seinen Kunden zu passen. 01 02
Vom Eingang hat man den direkten Blick durch den Store, zu den Umkleidekabinen bis hin zum kleinen Garten im Hinterhof. Sauber gefaltete Hemden vor handgemachten Wandfliesen aus Zinn.
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Text Miranda Hoogervorst Fotos 1-Store
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ie Cornelis Schuytstraat im Süden Amsterdams bietet angenehme Erholung von den überfüllten Hauptstraßen. In der Straße, die schon als holländisches Notting Hill beschrieben wurde, tummeln sich eine breite Auswahl von High-Fashion-Boutiquen und hippen Spots, hübsch gemischt mit dem lokalen Metzger, Blumenhändler und Gemischtwarenladen. Aebe Ferilli hat den Shop im September 2010 zusammen mit seinem Vater, dem ReplayAgenten Carlo, eröffnet. Ursprünglich sollte es ein exklusiver Shop für die Sub-Label Red Seal und Maestro von Replay werden, aber den Plan hatten die Beiden schnell über den Haufen geworfen. Stattdessen realisierten sie einen Laden voller Lieblingsstücke mit einer schönen Auswahl exklusiver Klassiker, Acces-
1, Amsterdam –– vor ort
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Cornelis Schuytstraat 19 1071 JD Amsterdam/Niederlande www.1-store.nl Besitzer: Aebe Ferilli, Carlo Ferilli Eröffnung: September 2010 Verkaufsfläche: 110 qm Mitarbeiter: 1 Kleidung: Barbour, Gant Rugger, Gitman Bros, Maestro, Mauro Grifoni, Our Legacy, Penfield, Red Seal, Strategic Business Unit, Super Future u. v. m. Schuhe: u. a. Clarks, Filling Pieces, Tricker’s Accessoires: Filson, Guild of Holland, Happy Socks, Mona di Orio, Retro Super Future, Travelteq, Zenology u. v. m.
Hinter dem Tresen führt eine schmale Metalltreppe ins Souterrain, wo man eine kleine Frauenkollektion und andere Dinge findet. „Wir verändern das Souterrain von Zeit zu Zeit“, erklärt Ferilli. „Zuerst war das für Vintage von Replay USA reserviert, jetzt führen wir VintageKleidung für Männer und Frauen. Gerade erst haben wir eine der Wände rot angestrichen. Für uns ist das ein experimenteller Raum.“
Qualitätskundschaft
soires, solider Basics und Jeanswear. Während Carlo sich nun um die administrative Seite kümmert, führt Aebe das Tagesgeschäft. „Ich will einfach nur schöne Sachen verkaufen und die müssen nicht mal super trendy sein. Unser Stil ist zeitlos, das ist eher wie ein Ausbau meiner Garderobe. Was auch immer ich einkaufe, mag ich auch. Ich kaufe buchstäblich nur die Dinge, die ich selber gerne besitzen möchte. Wenn die dann aber mal im Shop hängen, dann mache ich damit lieber einen Kunden glücklich. Am Ende des Tages landet nichts davon in meinem eigenen Schrank.“
Something old, something new Die Einrichtung des Shops ist warm und klassisch: Wände und Decke sind mit handgearbeiteten und -bemalten Zinnkästen de-
koriert, der Boden mit einem wundervollen Parkett ausgelegt. Das knarrt angenehm, wenn man vom Kleiderständer mit Kollektionen von Barbour, Gitman und Gant in die Ecke mit den Taschen von Travelteq und Schuhen von Tricker’s hinübergeht. Abgesehen von der Einrichtung und den stylischen Kollektionen ist das 1 ein freundlicher und rundum ansprechender Ort für jedermann, an dem sich sowohl Studenten, Kreative als auch Anzugträger wohl fühlen. Das kann man sicherlich dem ehrlichen Interesse Aebe Ferillis und seines Kollegen Gordon an ihren Kunden zuschreiben. Die Architektur von 1 hält einige interessante Überraschungen parat. Aus der Ankleidekabine guckt man durch ein großes Fenster direkt in einen sehr niedlichen Hinterhofgarten.
Die Cornelis Schuytstraat ist eine stylische, hübsche und entspannte Straße mit viel Charme, jedoch mit wenig Laufkundschaft. Aebe Ferilli: „An manchen Tagen gibt es kaum Menschen auf der Sraße. Daran musste ich mich erst mal gewöhnen. Aber dann kommt meist ein netter Kunde vorbei, der es zu einem großartigen Tag macht.“ Ferilli expandiert nach einem Jahr: Im Januar wird seine Agentur für die Marken Strategic Business Unit und Red Seal die Arbeit aufnehmen. Darüber hinaus geht Anfang 2012 der Webshop an den Start. Eigentlich müssten sie einen Button einbauen, der den User das knarrende Parkett hören lässt. Das wäre eine großartige Möglichkeit, das Ambiente des Shops in die digitale Welt zu übertragen. x
„Es muss nicht immer super trendy sein.“ Aebe Ferilli, 1 Store –– 87
vor ort –– Boom!, Bochum
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Boom!
Kortumstraße 2 44787 Bochum/Deutschland www.boom-bochum.com Inhaber: Vivovas/Vivamo GmbH Geschäftsführer: Volker Brunswick Eröffnung: 3. September 2011 Verkaufsfläche: 230 qm Mitarbeiter: 3 Vollzeit, 8 Teilzeit Frauen: u. a. DC, Element Eden, Etnies, Hurley, Mazine, Quiksilver women, Roxy, RVCA Männer: u. a. Adidas, Altamont, Analog, Billabong, Brixton, DC, Element, Emerica, És, Etnies, Hurley, Mazine, Nike 6.0, Quiksilver, RVCA, Turbokolor, Undefeated Accessoires/Hardware: u. a. Adidas, Baker, Billabong, Burton, Brixton, Chakejunt, Chocolate, Deathwish, DGK, Diamond, Element, Etnies, Flip, GIRL, Globe, Gold Wheels, Gravis, Hurley, Incase, Kidrobot, Marschall, Nike 6.0, PlanB, Roxy, Royal, Santa Cruz, Stance, Tragwerker, Turbokolor, Urbanears
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Der Szene verhaftet: Bozo Wecke (li.), Volker Brunswick und Mehmet Aydin. Fashion von Adidas, Emerica, Mazine und Hurley nimmt den Hauptanteil im Sortiment ein. Dazu kommt Hardware zum Beispiel von Burton, Billabong und Quiksilver.
Wohnzimmer für die Szene Kleine vollgestopfte Skateshops sind nicht sein Business. Stattdessen setzt Volker Brunswick mit Boom in Bochum neue Maßstäbe und hebt das Genre auf die nächste Stufe. Text Nicoletta Schaper
Skatepark auf dem Dach
Fotos Boom!
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odern sollte der Store werden, mit viel Platz für eine adäquate Produktpräsentation. Das ist Volker Brunswick, Inhaber von Boom, auch gelungen. Ein eindrucksvoller Rundbau mit industriellem Ruhrpottcharme birgt ein wahres Skateparadies mit dem größten Angebot von Skate- und StreetwearBrands in ganz Bochum und eine gehörige Portion Hardware.
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Parkhauses fand sich schließlich die passende Location – im Bermudadreieck, der Partymeile Bochums. „Zwischen Saturn und Mayerscher Buchhandlung konnte ich mir Boom einfach nicht vorstellen. Ich will mit dem Laden die Szene zusammenbringen und das funktioniert nicht mit einer Location in einer typischen Einkaufszone“, sagt Volker Brunswick. Dafür hat er mit Geschäftsführer Bozo Wecke, ehemaliger Inhaber des Bochumer Skateladens T-Nuts, und Mehmet Aydin, einer der ersten umfangreich gesponserten Skater, die richtigen Leute an seiner Seite. „Der bisherige Erfolg sagt mir, dass wir richtig liegen“, sagt Volker Brunswick. An Wochenenden ist der im September 2011 eröffnete Store bis 22 Uhr geöffnet, dazu kommt mittwochs der lange Lounge Day mit DJ und Drinks. „Das kommt sehr gut an. Boom ist auf dem besten Weg, zum Wohnzimmer für die Szene zu werden“, sagt Volker Brunswick.
Treffpunkt für Brettkollegen Volker Brunswick ist Spezialist für Präsentationen im Boardsportsegment. Mit seiner Firma Vivamo verwirklicht er europaweit Laden- und Messebaukonzepte, zum Beispiel für Brands wie Etnies, Billabong und Burton. Doch schon lange hatte ihn die Idee gereizt, seine Skills auch für einen eigenen Laden einzusetzen. Mit dem Kopfgebäude eines
Im März 2012 wird der Skatepark auf dem Dach fertig sein. 400 Quadratmeter Fläche, gespickt mit Streetparcours, Treppen und Rails und einer Bühne für Konzerte, denn Boom soll schließlich Streetwear, Boardsport, Streetart und Musik vereinen. Dazu passen auch Events wie die Boom Hip Hop Party im Essener Goethebunker im vergangenen November – oder die LivePainting-Session des polnischen Streetartists Swanski auf dem Skateparkdeck. x
Kafe Liebling, oslo –– vor ort
Ein Stück Berlin im Herzen von Oslo
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Grünerløkka heißt ein Stadtteil in Oslo. Dort trifft sich die Szene. Dort befinden sich angesagte Clubs, Geschäfte und Spielplätze und dort schlendert man am Sonntag gerne über den Loppemarked, den Flohmarkt, auf der Suche nach längst vergessenen Schätzen. Am Rande des Szeneviertels versteckt sich allerdings noch ein anderer Schatz, das Kafe Liebling. Text Sebastian Schulke Fotos Kafe Liebling
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as Kafe Liebling ist eine wunderbare Mischung aus Speiseraum, Modeboutique und Spielplatz. „Alles fing mit meiner Tante Guri an“, sagt Ola Refsnes, der zusammen mit Katrin Schauer diese liebevolle Mischung entwickelt und verwirklicht hat. „Wir kommen beide aus dem Designbereich und hatten vorher einen kleinen Shop, der den Namen meiner Tante trug. Das Ganze war mehr ein Hobby. Doch dann wollten wir mehr und so entstand die Idee zu Kafe Liebling.“ Eine Idee, die eng mit zwei deutschen Großstädten verbunden ist – und zwar mit Berlin und München. „Ich komme aus Bayern“, erklärt Katrin Schauer, „und Ola mag Berlin sehr gerne. Diese beiden Orte geben uns viel Inspiration.“ Die Inspiration, ein deutsches Kaffeehaus in Oslo zu eröffnen, mit deutschem Brot, deutscher Biolimonade und internationaler Mode. Denn neben Kaffee, Kuchen und einem phänomenalen Frühstück kommt man auch in den Genuss von Mode und Design für Kinder und Erwachsene. So entdeckt man neben Spielsachen, Postkarten, Kuckucksuhren und Backformen in Form eines Fußballfeldes sowie anderen nützlichen Designobjekten für den Haushalt hochwertige und ausgefallene Kleidungsstücke von Independent-Brands wie Ich Jane, A better tomorrow, FRISUR, s.wert und Humör. „Genau wie beim Essen und Trinken legen wir auch im Bereich Mode viel Wert auf Qualität, die nichts mit Massenware zu tun hat“, sagt Katrin. „Wir wollen einfach mehr als ein normales Café sein. Wir wollen, dass sich unsere Gäste wie zuhause fühlen und die Zeit im Liebling genießen.“
„Bei uns darf man träumen“ Auf knapp 90 Quadratmetern erstreckt sich das Kafe, in dem sich die drei Bereiche bestehend aus Speiseraum, Modeboutique und Spielplatz auf zwei Ebenen perfekt miteinander verbinden. Auf der unteren Ebene befindet sich die Verkaufstheke. Es duftet nach frischgeröste-
tem Kaffee und frischgebackenem Brot. Rechts davon führt eine kleine Rampe auf die zweite Ebene, die sich in die Modeboutique und den Spielplatz aufteilt. Rutschen und Schaukeln gibt es dort natürlich nicht, dafür aber jede Menge Spiele – wie „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Vier gewinnt“. Die Tische und Stühle sind schlicht und sehr funktional und standen einmal in den Klassenräumen einer Schule. An der Wand hängt ein leicht vergilbtes Schwarzweißfoto aus Berlin und in einem Regal findet man Kinderbuchklassiker wie „Wo die wilden Kerle wohnen“. „Mode, Design und Kaffee ist nicht alles. Kinder dürfen natürlich auch nicht zu kurz kommen“, sagt Refsnes und betont: „Kafe Liebling ist ein Stück Berlin im Herzen von Oslo. Bei uns kann und darf man träumen.“ x 01 02 03
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Kuckucksuhren und Liebesäpfel dürfen im Kafe Liebling natürlich nicht fehlen. Dezent und unaufdringlich: Das deutsche Café liegt etwas versteckt im Herzen von Oslo. Ein echter Klassiker im Kafe Liebling: „Mensch ärgere Dich nicht“.
Kafe Liebling
Øvrefoss 4 0555 Oslo/Norwegen www.facebook.com/kafeliebling Eröffnung: Oktober 2010 Inhaber: Katrin Schauer und Ola Refsnes Mitarbeiter: 10 Verkaufsfläche: 90 qm Modemarken: A better tomorrow, FRISUR, Humör, Human Empire, Ich Jane, Stadtkluft, s.wert Lampen und Designs: AIAIAI, Atelier Haussmann, Excel, Is that Plastic, Lomography, Northern Lightning, Tom Dixon Spielzeug: Chamue Schmuck: Angelica Leon Hauseigene Designmarke: Olaogkari (unter anderem Postkarten, Frühstücksbretter und Kühlschrankmagneten)
„Wir wollen, dass sich unsere Gäste wie zuhause fühlen und die Zeit im Liebling genießen.“ Katrin Schauer, Kafe Liebling
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Und da wäre noch…
Selbstverständlich Text Stephan Huber, Herausgeber style in progress und x-ray
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s ist die Natur des Menschen. Wir neigen dazu, Dinge, an die wir uns gewöhnt haben, für selbstverständlich zu nehmen. Auch Dinge, die objektiv betrachtet, alles andere als selbstverständlich sind. Im (österreichischen) Beamtendeutsch nennt sich so etwas dann „wohlerworbene Rechte“. Wenn beispielsweise Mitarbeiter des Wiener Stadtgartenamtes für das Gießen der Pelargonien vor den Fenstern des Wiener Rathauses eine Gefahrenzulage kassieren. Über so etwas wird dann gerne gelacht oder geschimpft, durchaus zu recht. Aber diese Art des Anspruchsdenkens und des alles für selbstverständlich Nehmens ist weit verbreitet. Es tut jedem gut, da mal einen kritischen Blick auf das eigene Verhalten zuzulassen. Der Mensch an unserer Seite, liebe Freunde, auf die man sich verlassen kann – eine Selbstverständlichkeit. Eine demokratische Gesellschaftsordnung, die uns in hohem Maß Freiheit, Entfaltungsmöglichkeiten, Partizipation und Sicherheit garantiert – eine Selbstverständlichkeit. Oft werden diese Selbstverständlichkeiten fast schon als langweilig empfunden. Bis man Gefahr läuft, sie zu verlieren. Das Messe- und Veranstaltungsangebot für die Modebranche in Berlin im Allgemeinen und die Bread & Butter ganz im Besonderen sind eigentlich alles andere als selbstverständlich. Die Bread & Butter ist – und davon konnte man sich im Januar dieses Jahres mal wieder überzeugen – eine in jeder Hinsicht umwerfend aufgestellte Veranstaltung. Aber weil uns die Bread & Butter in vieler Hinsicht verwöhnt hat, haben wir uns oder zumindest sehr viele von uns eben an diesen grandiosen Standard gewöhnt. Wir nehmen ihn für selbstverständlich. Die mit Abstand größte Plattform für Denim, Street, Contemporary und Authentic. Selbstverständlich! Aber irgendwie ist das jetzt so urgroß und so kommerziell und überhaupt... „Ich kannte die Bread & Butter schon, als da gerade 50 Marken ausgestellt haben. Hach, das waren halt noch Zeiten.“ Eine grandiose Location, mit enormen Investitionen bespielbar gemacht. Im eisigen Berliner Winter ebenso wie im Sommer. Selbstverständlich! „Ooooch... So richtisch neu is dat jetzt aber nich mehr, wa?“ Personalisiertes Gratisticket rechtzeitig vor der Bread & Butter per Post? Selbstverständlich! Aber wehe, wenn da mal etwas nicht klappt. „Das gibt’s doch nicht... Jetzt muss ich mich da allen Ernstes anstellen!!!“ Haben Sie sich wiedergefunden? Nicht falsch verstehen. Ich bin der Letzte, von dem Sie je irgendwo ein Plädoyer für kritiklose Bewunderung lesen werden. Mir, und bitte nicht nur mir, fallen oft genug Dinge auf, die ich mir anders wünschen würde. Und es ist sogar wichtig, so etwas offen anzusprechen. So wie es wichtig ist, sich Diskussionen zu stellen. Aber den Unterschied, zwischen konstruktiver Kritik und verwöhntem Genöle, den würde ich gerne am Klavier spielen können. Oder sagen wir mal, auf der Gitarre. x
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Impressum Eigentümer, Verleger, Redaktion & Anzeigen UCM-Verlag B2B Media GmbH & Co KG Salzweg 17, 5081 Salzburg-Anif Österreich T 0043.6246.89 79 99 F 0043.6246.89 79 89 office@ucm-verlag.at www.ucm-verlag.at Geschäftsführer Stephan Huber, Nicolaus Zott Herausgeber Stephan Huber stephan.huber@ucm-verlag.at Chefredakteure Ina Köhler ina@ucm-verlag.at Isabel Faiss isabel.faiss@ucm-verlag.at Chefin vom Dienst Nicolette Scharpenberg nicolette.scharpenberg@ucm-verlag.at Art Direction/Assistenz Stephanie Hoffmann steffi.hoffmann@ucm-verlag.at Michaela Aschauer michaela.aschauer@ucm-verlag.at Autoren Miranda Hoogervorst, Nicoletta Schaper, Harlan Levey, Kay Alexander Plonka, Julia Lauber, Sebastian Schulke, Nicolette Scharpenberg Fotografen & Illustratoren Andreas Klammt, Van Data Illustration & Design, René Fietzek, Veit Ritterbecks Styling Sabine Berlipp
Bildbearbeitung Anouk Schönemann anouk.schoenemann@ucm-verlag.at Anzeigenleitung Stephan Huber stephan.huber@ucm-verlag.at Verlagsassistenz Sigrid Staber sigrid.staber@ucm-verlag.at Christina Hörbiger christina.hoerbiger@ucm-verlag.at Lektorat Johannes Seymann Übersetzung Petrina Engelke Druck Laber Druck, Oberndorf Druckkoordination Manfred Reitenbach Bankverbindung Volksbank Salzburg 105 627, BLZ 45010
25.06.12 –––––––––– Erscheinungstermin nächste Ausgabe