Uniglobale Sommer 2020

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26 Kolumne

Der virale Effekt Text  Myriam Hlatky Illustration Johanna Noack

Momentan heißt zusammenhalten, sich voneinander fernhalten. Doch was machen Distanzlehre, Home-Office und Social Distancing in Sachen Körperlichkeit, Dating und Liebe mit uns?

Was macht Corona mit … … unserem Körper? Während die einen ihr Fitness-Regime perfektionieren und neben einer Joggingrunde am frühen Morgen noch Muskelübungen zwischen den Zoom-Vorlesungen einschieben und das

… der Liebe?

Ganze mit einer Prise abendlichen Yogas abrunden,

Wer das Glück hat, die Ausgangsbeschrän-

nehmen die anderen nun täglich zehn statt drei

kungen mit seinem oder seiner Liebsten zu

Mahlzeiten zu sich – und fünf Kilo zu. Für mich

verbringen, dem mangelt es zumindest (hof-

gilt definitiv Letzteres. Was in Zeiten von Aus-

fentlich) nicht an Körperwärme. Wir ande-

gangsbeschränkungen, Isolation und digitalem

ren, weniger Glücklichen, laufen jedoch

Studieren das Richtige für uns, unsere

Gefahr, eine kurzzeitige Generation von

Körper und damit auch unsere Psyche

Kaspar Hausern zu werden. (Ja, Isola-

ist? Ganz simpel: Was immer sich gut

tion macht mich überdramatisch.)

anfühlt. Denn auch wenn unser Alltag in

Und obwohl Tinder weltweit eine

virenfreundlich angepasster Normalität

gesteigerte

Nutzung

verzeichnet,

weitergehen sollte, so ist die Umstellung

bleibt es vorerst bei Spaziergängen mit

durchaus ein Kraftakt. Nicht zuletzt da-

Sicherheitsabstand oder beim virtuellen

durch, dass wir ständig Energie dafür aufwenden müssen, die

Kennenlernen. Dass eine Pandemie auch Platz schaffen kann für kreatives Flirten,

körperliche Präsenz von Kom-

zeigt der amerikanische Fotograf Je-

militonen, Freunden und Fami-

remy Cohen (Instagram @jermco-

lie zu kompensieren. Eine Ex-

hen). Dieser dokumentiert im Netz

traportion Liebe für uns selbst ist also die beste Medizin.

… den Körpern der anderen?

seine innovativen und doch pandemiekonformen

Kennenlerntechniken:

Nachdem er einen Flirt auf die Ferne mit einer Nachbarin beginnt, die in seiner Nähe eine Dachterrasse besitzt, fliegt er ihr per Drohne

Der Fokus auf unseren Körper als Gefahr und potenziellen Viren-

seine Telefonnummer zu, organisiert eine Social Distancing-Band,

überträger verändert unser körperliches Miteinander. Gesichts-

die von den Dächern New Yorks den Namen seiner Angebeteten

masken, Händewaschen und Mindestabstand sind wichtig für die

singt, und organisiert ein gemeinsames Dinner per Videoanruf. Es

körperliche Gesundheit und mit Argusaugen beobachten wir, ob der

sind also nicht nur Bakterien, Viren und Gefahr in der Luft – son-

Mann vor uns an der Kasse seine Maske auch richtig trägt oder ob

dern auch Liebe. (Ja, Isolation macht mich kitschig.) Auch wenn für

die Frau in der Backwarenabteilung regelmäßig ihre Handschuhe

manche von uns der neue Alltag kein himmelweiter Unterschied

wechselt. Husten ist die neue Pestbeule. Körper werden zur Gefah-

zu ihrem normalen Alltag zu sein scheint, so verlangt die Umstel-

renquelle. Wie werden sich die Vorsichts- und Hygienemaßnahmen

lung dennoch Energie – mental und physisch. Doch wie der The-

darauf auswirken, wie wir uns in Post-Corona-Zeiten im physischen

rapeut einer guten Freundin in Anbetracht ihrer Überforderung

Ko-Existieren mit unseren Mitmenschen fühlen und verhalten?

und Einsamkeit treffenderweise erklärt hat: Was wir während die-

Studien zeigen, dass das Kontakt-Vermeiden auch Monate nach

ser weltweiten Pandemie praktizieren sollten, ist körperliche Dis-

Quarantänesituationen anhalten kann.

tanzierung – und nicht soziale.  •


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