06 Interview
Uni neu denken
Welche digitalen Methoden haben Sie denn benutzt? Vor allem den Inverted Classroom. Über Videos, Podcasts oder digitale
Die Corona-Krise zwingt Hochschulen gerade dazu, den Lehrbetrieb zu digitalisieren. Endlich, sagt Jürgen Handke. Der ehemalige Anglistik-Professor von der Universität Marburg plädiert schon seit Jahren für mehr E-Learning und weniger Frontalunterricht.
Skripte eignen sich die Studierenden das Wissen selbstständig zuhause an. In einer anschließenden Präsenzphase wird dieses dann gemeinsam vertieft. Die Präsenzphasen sind also frei von PowerPoint-Präsentationen, denn es geht nicht mehr um Wissensvermittlung. Für mich der ideale Weg in eine digitale Zukunft der Hochschul-
Interview Arne Wächter
lehre.
„virtuelle Semester“. Kann das beim derzeitigen Stand der Digitalisierung an deutschen Hochschulen überhaupt funktionieren? Die Frage ist doch eher: Kann die aktuelle Lehre quantitativ und qualitativ mit der aus Vor-Corona-Zeiten mithalten? Ich meine, nein. Denn die
Roboter Yuki assistiert im Hörsaal.
Herr Prof. Dr. Handke, aktuell läuft das
Auch humanoide Roboter haben Sie in den Hörsaal gebracht. Ja, diese sind hervorragende Partner während der Präsenzphasen und können die Studierenden beim Kompetenztraining oder bei Analyse- und Rechercheaufgaben
begleiten.
Au-
ßerhalb des Lehrgeschehens kann ein humanoider Roboter Informatio-
klassischen Formate, um Inhalte zu
nen bereitstellen, an die Studierende
vermitteln und zu erschließen, sind
sonst nur schwerlich herankommen.
derzeit nicht gegeben. Alles was man
In einer „Roboter-Sprechstunde“ erfah-
jetzt macht, sind gut gemeinte Er-
ren sie so einiges über ihren Lernfort-
satzmethoden, bei denen sich Dozen-
schritt, aber auch über banale Dinge
ten vor Kameras setzen und über digi-
wie Prüfungsdaten.
tale Plattformen versuchen, mit ihren
die Not hinzukommen musste, um
Studierenden zu kommunizieren. Das
die Digitalisierung der Hochschul-
Wäre für Sie eine reine Online-Lehre
allerdings kommt oft kaum über eine
lehre voranzutreiben. Allerdings mit
denkbar?
Art Sprechstunde hinaus. Das hät-
einem Hindernis: der Zeit. Kaum hat-
Nein, ein universitäres Leben ohne
te vermieden werden können, wenn
te man erfahren, dass die Lehre im
Campus, Mensa und Präsenzphasen
man viel früher mit der wirklichen
Sommersemester nicht wie bisher
kann ich mir nicht vorstellen. Der
Digitalisierung der Hochschullehre
funktionieren wird, hat man sofort
direkte soziale Kontakte unter den
begonnen und nicht jahrelang über
an nichts anderes gedacht, als an
Studierenden, aber auch zwischen
Strategien geredet hätte.
die sogenannten „virtuellen Präsenz-
Studierenden und Dozenten ist unge-
phasen“. Phasen also, in denen eine
mein wichtig. Bedenkt man aber, dass
Rächt sich das jetzt?
Computerpräsenz der Studierenden
in mehr als 50 Prozent der Lehrver-
Absolut. Verglichen mit anderen eu-
verlangt wird. Neue Formate, die auf
anstaltungen in Deutschland jemand
ropäischen Staaten spielt Deutsch-
digitalen Elementen beruhen, spielen
frontal Inhalte vorträgt, dann kann
land, so meine Einschätzung, in Sa-
dabei keine Rolle. Beziehungsweise
man schnell erahnen, welch großes
chen Digitalisierung in der dritten
können kaum so schnell entwickelt
Potenzial in der Digitalisierung der
Liga. Umso bitterer ist es, dass erst
werden.
Lehre schlummert. •