Uniglobale Sommer 2020

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06 Interview

Uni neu denken

Welche digitalen Methoden haben Sie denn benutzt? Vor allem den Inverted Classroom. Über Videos, Podcasts oder digitale

Die Corona-Krise zwingt Hochschulen gerade dazu, den Lehrbetrieb zu digitalisieren. Endlich, sagt Jürgen Handke. Der ehemalige Anglistik-Professor von der Universität Marburg plädiert schon seit Jahren für mehr E-Learning und weniger Frontalunterricht.

Skripte eignen sich die Studierenden das Wissen selbstständig zuhause an. In einer anschließenden Präsenzphase wird dieses dann gemeinsam vertieft. Die Präsenzphasen sind also frei von PowerPoint-Präsentationen, denn es geht nicht mehr um Wissensvermittlung. Für mich der ideale Weg in eine digitale Zukunft der Hochschul-

Interview   Arne Wächter

lehre.

„virtuelle Semester“. Kann das beim derzeitigen Stand der Digitalisierung an deutschen Hochschulen überhaupt funktionieren? Die Frage ist doch eher: Kann die aktuelle Lehre quantitativ und qualitativ mit der aus Vor-Corona-Zeiten mithalten? Ich meine, nein. Denn die

Roboter Yuki assistiert im Hörsaal.

Herr Prof. Dr. Handke, aktuell läuft das

Auch humanoide Roboter haben Sie in den Hörsaal gebracht. Ja, diese sind hervorragende Partner während der Präsenzphasen und können die Studierenden beim Kompetenztraining oder bei Analyse- und Rechercheaufgaben

begleiten.

Au-

ßerhalb des Lehrgeschehens kann ein humanoider Roboter Informatio-

klassischen Formate, um Inhalte zu

nen bereitstellen, an die Studierende

vermitteln und zu erschließen, sind

sonst nur schwerlich herankommen.

derzeit nicht gegeben. Alles was man

In einer „Roboter-Sprechstunde“ erfah-

jetzt macht, sind gut gemeinte Er-

ren sie so einiges über ihren Lernfort-

satzmethoden, bei denen sich Dozen-

schritt, aber auch über banale Dinge

ten vor Kameras setzen und über digi-

wie Prüfungsdaten.

tale Plattformen versuchen, mit ihren

die Not hinzukommen musste, um

Studierenden zu kommunizieren. Das

die Digitalisierung der Hochschul-

Wäre für Sie eine reine Online-Lehre

allerdings kommt oft kaum über eine

lehre voranzutreiben. Allerdings mit

denkbar?

Art Sprechstunde hinaus. Das hät-

einem Hindernis: der Zeit. Kaum hat-

Nein, ein universitäres Leben ohne

te vermieden werden können, wenn

te man erfahren, dass die Lehre im

Campus, Mensa und Präsenzphasen

man viel früher mit der wirklichen

Sommersemester nicht wie bisher

kann ich mir nicht vorstellen. Der

Digitalisierung der Hochschullehre

funktionieren wird, hat man sofort

direkte soziale Kontakte unter den

begonnen und nicht jahrelang über

an nichts anderes gedacht, als an

Studierenden, aber auch zwischen

Strategien geredet hätte.

die sogenannten „virtuellen Präsenz-

Studierenden und Dozenten ist unge-

phasen“. Phasen also, in denen eine

mein wichtig. Bedenkt man aber, dass

Rächt sich das jetzt?

Computerpräsenz der Studierenden

in mehr als 50 Prozent der Lehrver-

Absolut. Verglichen mit anderen eu-

verlangt wird. Neue Formate, die auf

anstaltungen in Deutschland jemand

ropäischen Staaten spielt Deutsch-

digitalen Elementen beruhen, spielen

frontal Inhalte vorträgt, dann kann

land, so meine Einschätzung, in Sa-

dabei keine Rolle. Beziehungsweise

man schnell erahnen, welch großes

chen Digitalisierung in der dritten

können kaum so schnell entwickelt

Potenzial in der Digitalisierung der

Liga. Umso bitterer ist es, dass erst

werden.

Lehre schlummert. •


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