Benedetta Alosi
NR. 671 01/2013
G L Ü C K Glücksmaschinen: Bitte nicht falsch bedienen!
Das Herz fängt an schneller zu schlagen. Die Haut wird wärmer und feuchter. Ein angenehmes Kribbeln läuft den Rücken hinab. Ein Feuerwerk an Botenstoffen im Gehirn sorgt für ein wohliges Empfinden. Ist das alles? Es folgt ein Plädoyer für mehr Respekt im Umgang mit Unglück; denn mehr Endorphin, Dopamin und Serotonin durch Essen, Sex und Action macht noch lange keine glücklichere Gesellschaft. Von Christopher Spiegl
E
ndlich glücklich. Wir alle wollen diesen Moment erreichen und man kann auch niemandem dieses Streben absprechen. Doch abgesehen von den biologischen Faktoren, die uns glücklich machen, ist Glück ein sehr
sorgen bei breiten Teilen der Bevölkerung sen Glücksdschungel.
lernt der Mensch und der Erfolg macht garantiert glücklicher. Tatsächlich wird diese Lust durch ebendiese „Wegweiser“ zunichte gemacht, wenn dazu aufgerufen wird, „zur
Glücksfaschismus – Oh Fortuna, wo bist du nur?
Gewalt zu erzwingen, ein eher zweifelhaftes Unterfangen. Beginnen wir vielleicht mit dem modernen Glücksverständnis: Im Gegensatz zur Antike, als Glück noch dem Zufall oder namentlich Fortuna zugesprochen wurde, erscheint uns heute vor allem Glück in der Form, die verlangt, es sich „selbst schmieken wir der ersten neuzeitlichen Demokratie
Im Buchladen scheint ein Streifzug durch
meditieren und sich durch positives Denken möglichst glücklich zu penetrieren. Wir sollten lernen, das Leben so zu akzeptieren, wie es ist, und vor allem zwei Dinge vermeiden: Stress und Angst.
auf den persönlichen pursuit of happiness mag zwar ein wichtiger gesellschaftlicher und politischer Motor der Geschichte gewesen sein; jedoch scheint sein Triebwerk heute gehörig ins Stocken geraten zu sein.
iUnglück – Warum mehr Äpfel nicht zwingend zufrieden machen Gemessen an anderen Teilen der Welt leben sind und werden immer mehr Menschen unglücklich. Das Easterlin-Paradox (benannt nach dem US-amerikanischen Wirtschaftsdies. Er geht davon aus, dass mehr Einkommen und Wohlstand, sofern grundlegende Bedürfnisse gedeckt sind, eine Gesellschaft nicht automatisch glücklicher machen. EasOnline-Fachmagazin PNAS, die er und seine MitarbeiterInnen über einen Zeitraum von geführt hatte. In ihr wird berichtet, dass wir heute – trotz Wirtschaftswachstum und technischem Fortschritt – nicht unbedingt glücklicher sind als unsere Eltern oder Großeltern. Im Gegenteil: So ist z.B. in den USA die Zufriedenheit stark zurückgegangen, insbesondere bei Amerikanerinnen. Die Glücksnormen auf dem Präsentierteller der Medien
soeben am Begräbnis der Individualität teil. Stabile soziale Beziehungen, seelische und körperliche Gesundheit sowie die Möglichkeit, über das eigene Leben bestimmen zu können, sind maßgebliche Faktoren, um sich glücklich fühlen zu können. Doch uns wird in tisch ist vor allem, dass wir darin viel zu oft in einen Topf geschmissen werden. ExpertInnen glauben, den richtigen Weg gefunden zu haben, und versprechen mit Garantie, wie man glücklich wird. Und das oft auf so einfache Weise, dass man sich fragt, warum wir in der Schrift es noch immer nicht zustande gebracht haben, sie selbst zu formulieren und der-ist-seines-Glückes-Schmied-Formel“ ein glücklicheres Leben“, während Autor Y ebenfalls die Zahl Fünf für sich entdeckt hat und glaubt, mit „The Big Five for Live: Was wirklich zählt im Leben“ den Leitfaden für ein glückliches Leben publiziert zu haben. aber kann das auf die restlichen sieben Milliarden Menschen unseres Planeten umgemünzt werden? Aber den Anspruch erheben die beiden Autoren auch gar nicht, sie schreiben für das Führungsbuch, das es in sich hat“, schreibt letztgenannte Werk und diese spiegelt eine traurige Sehnsucht wider. Es wird gefährter wird, als die Lust am eigenen Entdecken. Dass man dadurch in Kauf nimmt zu scheitern, muss riskiert werden, denn nur dann
Die Krise der Demokratie rührt nicht nur von den KosumentInnen bzw. WählerInnen her. Korruptions- und Spekulationsskandale lassen uns erahnen, dass einigen PolitikerInnen das Streben nach Aufstieg in der eigenen Partei, Macht und Prestige wichtiger waren, als die Idee, für die ihre Partei eigentlich steht. nen scheitern an den Barrikaden, welche
neue Ideen blockiert werden, wird nicht nur
Glück in einer freien Gesellschaft ist anstrengend Aber gerade am richtigen Maß an Stress und Angst, die wir zulassen sollten, fehlt es uns heute, um wieder etwas glücklicher zu sein. Was absurd klingt, hat dennoch seine Daseinsberechtigung und ist für das persönliche Leben ein ebenso wichtiger Beitrag wie für die -
sich Katastrophen, die sich in einem Leben nicht vermeiden lassen, aufgefangen werdem entfernt, was wir heute erwarten: Dauerglück. Die Erwartung an ein Leben ohne Schmerzen ist nicht nur utopisch, sondern auch destruktiv. Wenn etwas schiefgelaufen ist, wird die Schuld einfach auf die Welt und die Mitmenschen geschoben. Die zahllosen
die Demokratie – in der eigentlich die größtwelche auf Konsens basiert, möglich wäre – zunichte gemacht: Nein, sie begraben die hart errungene Demokratie auch noch weiter. Die Antwort der Wählerschaft ist an der sinkenden Wahlbeteiligung ablesbar. Laut dem Historiker Eric Hobsbawm glaubt die heutige Generation, in einer permanenten Gegenwart zu leben. Im festen Glauben, alles bleibe beim Alten, und bei gleichbleibendem Konsumverhalten stagnieren die politischen Wozu noch wählen gehen, wenn ich gemütlich konsumieren, über nervige Leute lästern wertgefühl aufpeppen kann? Der gefährliche Irrtum, dass Lebenskunst allein darin besteht, sich das Leben leicht zu machen, führt uns in ein Gefängnis der guten Laune. Wir müssen glücklich sein! Schon kleinen Kindern wird bei Misserfolg Trost durch Schokolade gespendet, was noch nicht so sehr ins Gewicht fällt. Wenn diese Logik jedoch bis ins Erwachsenenalter erhalten bleibt, reicht dann Schokolade meist nicht mehr aus und man greift zur Flasche, Tablette und leider auch im Extremfall zur
auch fragwürdige Ideale. Das Selbstwertgefühl schwindet trotz Übersteigerung (man ist keiten, Stars und Sternchen, die letztendlich gar nichts mit der eigenen Lebenswelt zu tun haben, außer dass sie durch Medien konsumiert werden können. Ist es nicht eine Bedrohung für eine demokratische Gesellschaft, wenn Menschen mehr Mitgefühl mit Knut, dem Eisbären, als mit einem Obdachlosen lung irgendeines Monarchenpärchens angespannt im Fernsehen verfolgt, während im nächsten Kanal in einer Nationalratssitzung die Senkung der AkademikerInnenquote per
die zum Leben einfach notwendig sind. Individuelles wie gesellschaftliches Glück lassen sich am besten in einer demokratischen Politik verwirklichen und das Super-Wahljahr gung! Glück ist heute kein Schnäppchen im Supermarktregal. Es anstrengend und muss erkämpft werden! Bitte jetzt nicht gleich zu Fackeln und Heugabeln greifen um das
P.S.: Ich habe nichts gegen Eisbären.