LASST DIE PUPPEN TANZEN!
Philipp Innerlohninger
Und wer zieht an deinen Fäden?
Wahrscheinlich ist jede/r von uns überzeugt davon, dass er/sie seine/ihre Entscheidungen unbeeinflusst trifft. Sein Leben einfach so lebt, weil es ihm so am besten passt. Jedoch gibt es in unserer heutigen Welt viele Einflüsse, denen wir – auch wenn wir noch so stark dagegen ankämpfen – einfach nicht entrinnen können. „Nein, sicher nicht, ich lebe mein Leben genau so wie ich es will, andere können mich nicht beeinflussen!“, werden jetzt einige Leser aufschreien. Das entspricht jedoch leider nicht ganz der Wirklichkeit: Durch Menschen, Medien, Politik und Co. werden wir nämlich täglich in den Entscheidungen rund um unser Leben gelenkt. Von Marie Schulz Na? Heute schon einkaufen gewesen? Und? Wirklich nur das gekauft, was auf dem Einkaufszettel stand? Wahrscheinlich nicht. Diese Situation kennt sicher jeder. Deswegen lässt sich auch genau anhand dieses Szenarios zeigen, wie leicht wir uns beeinflussen lassen. Von Wem? Von der Lebensmittelindustrie, die uns gewisse Produkte empfiehlt, um so den Absatz ebendieser zu steigern, von Supermarktketten mit ach so verlockend scheinenden Rabatt-Aktionen die Restposten loswerden wollen, oder von der Werbung, die den neuesten Joghurt-Shake als schnellsten Weg zur Traumfigur anpreist. So werden täglich viele Einflüsse und Reize von den Erzeugern ganz bewusst gesetzt – eben um aus uns Käufer zu machen.
Einmal Gehirnwäsche zum Mitnehmen, bitte! Mittlerweile werden wir in jeder Sekunde von weitaus mehr Menschen beeinflusst, als wir wahrhaben wollen. Auch wenn es uns vielleicht nicht immer bewusst wird, täglich gibt es mehrere Situationen, in denen wir nach der Pfeife anderer tanzen – oder eben umgekehrt. Das fängt schon bei so banalen Dingen wie einem Lächeln an. Von klein auf wird uns eingebläut, unserem Gegenüber, ob sympathisch oder nicht, mit einem Lächeln zu begegnen und damit Sympathie zu bekunden. Auf diese Art betrachtet, ist eigentlich schon das Lächeln ein instinktiver Manipulationsakt, um im Gegenüber positive Emotionen zu erzeugen. So werden wir jeden Tag wiederholt von unseren Arbeitgebern, unseren Freunden und Partnern, der Werbung und den Medien unzähligen Manipulationsstrategien ausgesetzt – einfach, weil alle etwas von uns wollen. Und wir machen es genauso. Wenn uns etwas nicht in den Kram passt, schmollen, argumentieren und streiten wir, eben genau,
um den anderen auf unsere Seite zu ziehen, und somit seine Denkweise zu manipulieren. Auch wenn die Manipulation nicht immer bewusst abläuft, will man so doch seine Interessen und Vorhaben gegen jene des Gegenübers, durchsetzen. Solange die Manipulation nicht ausufert und sich jeder darüber im Klaren ist, dass Manipulation immer um uns herum und in uns passiert, ist eigentlich nichts Schlimmes an ihr zu finden – denn grenzenlos manipulierbar sind wir zum Glück auch nicht.
Unwissend und blauäugig Ein etwas größerer Fisch im Teich der Manipulation ist hingegen die Beeinflussung, die Institutionen und Gruppen auf Menschenmassen ausüben, also kurz: die der Medien, Politik und Konzerne. Hierbei sind die Beweggründe vielfältig: Die einen wollen, dass wir ein Produkt kaufen, die anderen, dass wir eine Partei wählen oder ein bestimmtes Gesetz befürworten. Auf zahlreichen Internetseiten wird im Zusammenhang mit der Gesellschafts-Manipulation der Linguist Noam Chomsky zitiert. Dieser hat sich mit dem Thema der Manipulation genauer beschäftigt, im Buch
Manipulationsakte sind für Chomsky die Regierungen, die Medien und Lobbyisten. 1. Aufmerksamkeit umkehren: Wenn man die Aufmerksamkeit der breiten Masse auf ein unwesentliches Thema oder Ereignis lenkt, kann man die tatsächlich politisch und gesellschaftlich relevanten Ereignisse für eine Zeit lang recht gut unter den Teppich kehren. 2. Probleme erzeugen und Lösungen liefern: Ein Problem oder eine Situation wird geschaffen, damit in der Bevölkerung der Wunsch nach einer präventiven Vorgehensweise geweckt wird. Chomsky formuliert dies so: „So war die Wirtschaftskrise dazu da, um die radikale Beschneidung der Grundrechte und die Demontierung der Sozialdienstleistungen zu rechtfertigen.“ 3. Änderungen Abstufen: Wenn man eine unannehmbare Maßnahme stufenweise über Jahre hinweg still und heimlich durchsetzt, hat man wesentlich bessere Chancen, dass niemand protestiert. So konnte sich beispielsweise zwischen den Jahren 1980 und 1990 der Neoliberalismus auf breiter Front etablieren. 4. Änderungen aufschieben: Wenn man eine von der Gesellschaft ungewollte Änderung als „schmerzhaftes Muss“ darstellt und die-
Auch wenn es uns vielleicht nicht immer bewusst wird, täglich gibt es mehrere Situationen, in denen wir nach der Pfeife anderer tanzen – oder eben umgekehrt. „Decouvrez l‘alchimiste en Vouz“, also auf Deutsch „Entdecken Sie den Goldmacher in sich“ zehn Strategien der Manipulation identifiziert, die erklären sollen, wie es die „Großen“ schaffen, eine ganze Gesellschaft zu ihrem Willen zu unterwerfen, ohne dass die breite Masse etwas davon mitkriegt. Information führt laut Chomsky immer zu Wahrnehmung und Wahrnehmung ist die Grundlage jeden Handelns. So begründet Information auch immer die soziale Realität und den Wandel dieser. Drahtzieher dieser
Studierendenzeitung der Österreichischen HochschülerInneschaft Salzburg / #672 / 03.2013
se erst in einiger Zeit einführt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sich die Akzeptanz der Bürger in Resignation umwandelt. 5. Sprich zur Masse wie zu kleinen Kindern: Die Mehrheit der Werbeanzeigen, die an die Öffentlichkeit gerichtet werden, bedienen sich einer besonders kindlichen, manchmal auch debil anmutenden Sprache. Je mehr man den Empfänger der Botschaft täuschen will, desto kindlicher ist der Ton. Warum? Wenn man sich an eine Person wendet und mit ihr redet, als ob sie noch ein Kind wäre,
ist, so Chomsky, die Wahrscheinlichkeit um einiges höher, dass sie kritiklos reagieren oder antworten wird. 6. Appell an das Gefühl: Mit dem Ansprechen von Basisemotionen kann man gefahrlos die rationale Analyse und somit auch das kritische Nachdenken von Menschen überlaufen. Diese Methode ermöglicht Außerdem einen Zugang zum Unterbewussten, um dort Wunschträume, Ängste oder Verhaltensweisen zu implantieren. 7. Unwissenheit und Dummheit: Das System tut alles dafür, dass die Bevölkerung die für ihre Überwachung und Versklavung genutzten Technologien und Methoden nicht versteht. So soll auch die Bildung der unteren Klassen so niedrig wie möglich bleiben, ja ihnen soll nicht einmal bewusst werden, dass sie ungebildet sind. 8. Mittelmaß ist gut: Die Bürger sollen zu glauben beginnen, das es cool und normal ist, dumm, vulgär und ungebildet zu sein. 9. Schlechtes Gewissen statt Widerstand: Die breite Masse soll glauben, dass nur sie alleine Schuld an sozialen Missständen hat. So sind das Wirtschaftssystem und Co. fein heraus, und die kollektive Depression hemmt das Handeln der Masse. 10. Menschen kennen: Dank Biologie, Neurobiologie und Psychologie erreichten alle Manipulatoren ein umfangreiches Wissen über die Menschen. Dieses Wissen lässt größere Kontrolle des Einzelnen zu. Auch wenn vielleicht manche von Chomskys Thesen etwas überspitzt formuliert sind, regen sie doch zum Nachdenken an. So lassen sich einige der politischen Ereignisse in den letzten zehn Jahren – ob Zufall oder nicht, sei dahingestellt – auf diese Thesen beziehen. Fakt ist jedoch, dass Manipulation in nahezu jeder Situation unseres Lebens präsent ist und wir nicht sehr viel dagegen tun können. Trotzdem schadet es sicher nicht, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und nicht immer blauäugig alles zu glauben, was Werbung, Politik und Massenmedien uns erzählen wollen.