UP #689: Festung Uni (Juni 2017)

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UNI:PRESS STUDIERENDENZEITUNG DER ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHÜLERiNNENSCHAFT SALZBURG — #689 Juni 2017 —


30.9. PeterLicht 22. & 23.9. maschek 6.10. Die tagesPresse show 16.10. stefanie sargnageL 27.10. christiane rösinger| schniPo schranke RoterSalon No.109

a r g e k u lt u r | u l r I k E - G S C H W A N D t N E r - S t r A S S E 5 5020 SAlzburG|+43-662-848784|www.argekuLtur.at

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IMPRESSUM Medieninhaberin: Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Paris Lodron Universität Salzburg (ÖH Salzburg), Kaigasse 28, 5020 Salzburg, www.oeh-salzburg.at, sekretariat@oeh-salzburg.at / Herausgeber: HochschülerInnenschaft / Pressereferentin: Carolina Forstner / Layout: Michael Seifert / Lektorat: Julia Kellner & die Redaktion/ Anzeigen und Vertrieb: Gerald Lindner Redaktion (Kontakt: presse@oeh-salzburg.at): Carolina Forstner, Sandra Grübler, Christoph Mödlhamer, Carlos Reinelt, Christoph Würflinger / AutorInnen in dieser Ausgabe: Carolina Forstner, Sandra Grübler, Carlos Reinelt, Christoph Mödlhamer, Christoph Würflinger, Maria Gruber, Hedwig Obenhuber, Miggi Seifert, Wieke Fischbach, Ivana Ristic, Felix Klein, Marlene Krickl, Kay-Michael Dankl, Edwin Schmied, Christof Fellner, Hannah Wahl, Tobias Neugebauer, Sarah Ducellari, Moritz Friedrich, Clemens Gruber, Paul Großkopf. Druckerei: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H. / www.berger.at / Auflage: 7.000. Für Verbesserungsvorschläge und kritische Hinweise sind wir sehr dankbar. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors/der Autorin und nicht immer die Sichtweise der Redaktion wieder.


EDITORIAL

Carolina Forstner

Sandra Grübler

Carlos Reinelt

Christoph Mödlhamer

Christoph Würflinger

Liebe LeserIn Studieren ist auch im Jahr 2017 noch eine sehr exklusive Angelegenheit. Vielen Gruppen – ArbeiterInnenkindern, Frauen, Menschen mit Beeinträchtigung etc. – wird der Zutritt zur Festung Uni in der einen oder anderen Form erschwert. Geht es nach den Mächtigen im Lande, dann wird die Festung Uni bald noch mühsamer zu betreten sein.

himmlisches Interview, aber auch profanere Angelegenheiten wie etwa Teil 2 der berüchtigten uni:press-Beisltour (endlich wieder was mit Saufen! lol). Damit verabschieden wir uns jetzt schon in die Sommerpause und – je nachdem wie die ÖH-Koalitionsverhandlungen laufen – möglicherweise für immer. Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen!

In dieser Ausgabe der uni:press soll es aber nicht nur um die Universität als Elitenprojekt gehen. Wir haben wie gewohnt auch andere spannende Themen für euch: Eine drohende Hungerkrise an der GesWi, WiderstandskämpferInnen in Salzburg und ein

Deine Redaktion Fragen, Wünsche, Anregungen, Kritik wie immer an presse@oeh-salzburg.at

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INHALT

in halt

FESTUNG UNI

08 10 14 16 18 20 22

Die Mauern im Kopf einreißen? Die Uni ist ein hässliches Gebäude mit noch hässlicheren Räumen. Behindert – verrückt – krank. Studieren mit Beeinträchtigung(en) Nachteilsausgleich. Finanzielles. Ansprechstellen.

Frau an der Uni, wer bist du?

Festung GesWi Indiana Jones und der verborgene Bunker Soziale Durchmischung an Universitäten Die Festung der Eliten Befestigungsplan DIY: Nazi-Zombie-Apokalypse abwehren

UNI & LEBEN

24 25 28 30 32 34 36 38 40

Neues aus dem Vorsitzbüro

Und jetzt? Drei Meinungen zur ÖH-Wahl fellner’sche weisheiten Impressionen eines Senators a.D. Müssen Studierende an der GesWi bald verhungern? Steht die GesWi-Mensa vor dem Aus? Was passiert eigentlich mit meinem Studienbeitrag?

Hochschulfinanzierung, quo vadis?

Jiddisch – eine Sprache ohne Land Im Interview mit Dr. Armin Eidherr

Die Leiden des jungen Jusstudierenden Salzburg du schnöde Perle Das Gute liegt so nah.


INHALT

POLITIK & GESELLSCHAFT

42 44 46 48

Widerstand ist (auch) weiblich! "Sie haben uns (k)ein Denkmal gebaut."

Moralapostel und Schweine

Tatenruhm, Treue und Tradition Geschichtsrevision à la zweite Republik Solidarität schafft Raum Die autonome Wohnfabrik

KULTUR & MENSCHEN

50 53 58 62 66

Gott gegen Allah – Das ist Brutalität! Ein "Interview" Ein Sehnsuchtsort, irgendwie aus der Zeit gefallen. Was ist dran am Kuba-Hype? Jana & JS – Wände voller Nachdenklichkeit, Nostalgie und Melancholie Der ultimative uni:press Beisltest Teil 2 – Lehen Zeitmaschine Eine Frage des Mörtels?

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WAHL

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ng Uni

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FESTUNG UNI

Die Mauern im Kopf einreißen? Eine Festung ist per definitionem eine stark befestigte, strategischen Zwecken dienende Verteidigungsanlage.1 Was ist universitäre Bildung anno 2017? Was muss sie sein – Schule fürs Leben oder doch nur zweckgewidmete Lehranstalt, an der ich meinen Abschluss in Mindeststudienzeit einstecke? Von Carolina Forstner

W

as ist die Uni? Ein freier Entfaltungsraum für alle oder ein elitäres Bollwerk, das uns in möglichst schneller Zeit durch unser Studium prügelt? Wo ist mein Service? Die uni:press musste in den vergangenen Ausgaben einiges an Kritik einstecken. Wir nehmen jedweden Verriss hin, verteidigen unsere Meinung und ja, wir gestehen uns auch Fehler ein. Kaum erscheint ein neues Magazin hört man schon die KritikerInnen in

die Tastaturen hauen: „Nicht unirelevant!“ oder „Was geht mich das als Student an und wo bekomme ich Informationen über mein Studium her?“ Das Team der uni:press besteht aus StudentInnen und auch unsere freien RedakteurInnen zahlen regelmäßig brav Semester um Semester ihre ÖH-Beiträge ein (Nein, dieses Fass mache ich hier erst gar nicht auf ). Umso mehr verwundert uns diese Bewertung von außen: Was zur Hölle ist diese Unirelevanz, was bewegt die Studierenden und was ist eigentlich ein Servicemagazin für Studierende?


FESTUNG UNI

Studierende – eine eigene Spezies? Dieser Artikel soll keine Diskussion von KritikerInnenstimmen werden, es zeigt sich jedoch ein durchaus diskussionswürdiges Thema: Wie definiert sich die/ der StudentIn anno 2017? Das Studium als nötiges Übel zum Abschluss. Die Ausbildung an einer Hochschule als ein von der Gesellschaft abgekapseltes Biotop, in welchem die Elite von morgen herangezogen wird. Studieren, ohne nach links und rechts zu blicken, nichts hinterfragen, alles in Kauf nehmen, denn die Hand, die dich füttert, beißt du nicht! Dass die ÖH-Wahl nicht mal die 20-Prozentpunktemarke geknackt hat, überrascht nicht, denn: Wer geht schon wählen, wenn sich eh nichts verändert? Rein in den Kurs und so schnell es geht wieder raus aus dem Seminarraum. Abschalten, das „echte“ Leben genießen. Was ist die Uni? Die Uni ist ein hässliches Gebäude Mit noch hässlicheren Räumen2 Ja, die Schuld nur den „eigenen Leuten“ in die Schuhe zu schieben, ist wohl doch etwas zu drastisch. Wem die Möglichkeiten fehlen, sich mit anderen Studierenden nach der Lehrveranstaltung in eine gemütliche Ecke der Universität zusammenzusetzen und sich

auszutauschen, wird so schnell es geht das Weite suchen, eine einfache Schlussfolgerung. Verbannung des studentischen Lebens aus der Hochschule. Status quo: Verschulung und Ökonomisierung der Universitäten als Zauberworte für eine erfolgreiche Universitätsformel. Die Universität für uns Studierende zu einem attraktiveren Aufenthaltsraum zu gestalten, wäre mit Sicherheit kein unlösbarer Kraftaufwand. Wo ein Wille, da ein Weg. Bibliotheksöffnungszeiten an Wochenenden, eine leistbare Mensa (oder wie im Falle der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät überhaupt eine warme Mahlzeit), Chancengleichheit der Geschlechter in universitären Laufbahnen – die Liste an universitären Themen und Missständen, die wir in der uni:press aufgreifen, könnte schier endlos weitergeführt werden. Klar tangieren all diese Themen unser studentisches Leben und sollen Stoff unserer Diskussionen sein, doch, man mag es kaum glauben: Es gibt ein Leben abseits der studentischen Blase, gesellschaftspolitische Themen, die uns nicht einfach egal sein dürfen, wie etwa die bewusste Geschichtsklitterung der Kriegerdenkmäler, welche in dieser Ausgabe behandelt wird. Nicht „unirelevant“? Dass ich nicht lache.

1 http://www.duden.de/ rechtschreibung/Festung 2 Fick die Uni, Antilopengang (2010)

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Behindert – verrückt – krank.

12 Prozent der Studierenden in Österreich leben mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, die das Studium erschweren. An der Uni Salzburg sind es 15 Prozent: Das sind durchschnittlich 4–5 Menschen pro Seminar (mit 30 Teilnehmer_innen). Die meisten davon sind unsichtbar und bleiben es auch. Wegen Vorurteilen. Wegen fehlender Solidarität. Weil Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit im Kapitalismus den Wert von Menschen bestimmt. Welche Barrieren, welche Diskriminierungen existieren? Wo gibt es Unterstützung? Welche Vorurteile gehören hinterfragt? Von Maria Gruber Wir sind hier, wir sind viele und wir sind (un)sichtbar Seit den 1970ern wird in regelmäßigen Abständen die soziale Lage aller Studierenden in Österreich erhoben. Zu dieser Studierendensozialerhebung1 gibt es seit 2002 auch Zusatzstudien über behinderte und/ oder chronisch kranke Studierende. Zuletzt wurde im Sommersemester 2015 erhoben2 und zwar mit einer eigens konzipierten barrierefreien Umfragesoftware. (Nein, Umfragesoftware ist nicht automatisch barrierefrei und ja, wahrscheinlich habt ihr deswegen in euren Studien keinen genauen Querschnitt aus eurer Grundgesamtheit, außer ihr schließt beeinträchtigte Menschen – wie so oft – von vornherein aus.) Dabei gaben 12% der Proband_innen an, eine oder mehrere studienerschwerende Beeinträchtigung zu haben – das sind hochgerechnet auf alle österreichischen Studierenden rund 36.760 Personen.

„HIER, AN DER UNI SALZBURG, GIBT ES MIT 15% DEN HÖCHSTEN ANTEIL VON GESUNDHEITLICH BEEINTRÄCHTIGTEN STUDIERENDEN VON ALLEN ÖFFENTLICHEN WISSENSCHAFTLICHEN UNIS IN ÖSTERREICH. “

Das sind bei rund 18.000 Studierenden 2.700 Betroffene – oder durchschnittlich 4-5 Personen in einem Seminar mit 30 Studis. Von den studienerschwerenden Beeinträchtigungen wurden von jeder dritten Person psychische Erkrankungen und von jeder vierten Person chronisch-somatische Krankheiten genannt (z.B. Rheuma, chronische Schmerzen, Stoffwechselerkrankungen). Weiters wurden auch einschränkende Allergien oder Atemwegserkrankungen (8%), Hör-, Sprach- oder Sprechbeeinträchtigungen (2,2%), Mobilitäts- oder motorische Beeinträchtigungen (3,6%), Sehbeeinträchtigungen, Teilleistungsstörungen ( jeweils 4,3%) und „andere“ (nicht zuordenbare) Beeinträchtigungen (5,6%) angegeben. Sehr viele gaben Mehrfachbeeinträchtigungen an – wenn sich diese nicht gleich stark aufs Studium auswirken, wurde aber nur die einschränkendere Beeinträchtigung gezählt. Bei jeder zehnten Person erschweren mehrere Beeinträchtigungen gleich stark das Studium. Diese bekamen eine eigene Kategorie. Mehr als die Hälfte gab an, durch ihre Beeinträchtigung(en) im Studium sehr stark oder stark eingeschränkt zu sein. Bei rund zwei Drittel der befragten Studierenden mit Beeinträchtigung trat die Beeinträchtigung bereits vor Beginn des Studiums auf, bei einem Drittel erst während des Studiums.

1 www.studierendensozialerhebung.at 2 Terzieva, Berta and Dibiasi, Anna and Kulhanek, Andrea and Zaussinger, Sarah and Unger, Martin (2016) Zur Situation behinderter, chronisch kranker und gesundheitlich beeinträchtigter Studierender: Quantitativer Teil der Zusatzstudie zur Studierenden-Sozialerhebung 2015 ; Endbericht. [Research Report] 127 p.


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Studieren mit Beeinträchtigung(en)

Unter den Beeinträchtigungen, die erst nach Studienbeginn auftreten, wurden besonders häufig chronisch-somatische Beeinträchtigungen, psychische Erkrankungen sowie „andere“ Beeinträchtigungen genannt. Sehr auffällig ist, dass der Großteil der Beeinträchtigungen (bei 65%) nicht ohne Weiteres wahrgenommen werden kann. 29 Prozent gaben an, dass anderen die Einschränkung nach einiger Zeit auffällt und nur 6 Przent der Studierenden mit Beeinträchtigungen gehen davon aus, dass ihre Beeinträchtigung sofort zu erkennen ist.

du, alles zu tun, um nicht aufzufallen, um mit den nicht-beeinträchtigten Menschen mitzukommen. Denn wer will sich schon freiwillig in eine Schublade stecken lassen, über die man sich lustig macht, vor der man sich ekelt und in der man nicht mehr als vollwertige Person wahrgenommen wird? Denn als wertvoll gilt sowohl im völkischen, als auch im neoliberalen Sinne nur, wer genug Leistung erbringt; wessen Arbeitskraft sich für das Volk oder den Wirtschaftswachstum ausbeuten lässt.

VIELE STUDIERENDE MIT BEHINDERUNG HABEN TROTZ EINSTUFUNG VON 50% KEINEN BEHINDERTENPASS, WEIL SIE NACHTEILE UND STIGMATISIERUNG IN LOHNARBEIT ODER IM STUDIUM BEFÜRCHTEN.

Exklusion - Diskriminierung – Ableismus – Stigmata Abgesehen von struktureller Exklusion in Sonderschulen, Heimen und geschützten Werkstätten, die behinderte Menschen (oder auch andere benachteiligte Menschen) per se von Hochschulen und Wissenschaft fernhalten und den – immer noch zu vielen – baulichen Barrieren, gibt es auch viel subtilere (aber nicht weniger strukturelle) Formen der Diskriminierung. Zum Beispiel finden sich viele Ableismen (Diskriminierungen gegen behinderte Menschen) auf sprachlicher Ebene: Begriffe wie „behindert, verrückt, bist du blind/taub?, krank, Psycho, Spast, Mongo“ werden von vielen alltäglich (als Schimpfwörter) benutzt. Massenmörder, Terroristen und andere schlechte Menschen werden als psychisch krank hingestellt, obwohl psychisch kranke Personen häufiger von Gewalt betroffen sind als Personen ohne psychische Krankheiten. Es gibt verachtenswerte Menschen, die schreckliches tun. Diesen aber sofort eine psychische Krankheit zu diagnostizieren ist einerseits relativierend und schürt andererseits gefährliche Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Einige wussten auch nicht, dass sie anspruchsberechtigt sind oder ihnen war der Behördenweg zu aufwändig. Es bezeichnen auch nur 6 Prozent ihre Beeinträchtigung als Behinderung, andere grenzen sich dagegen häufig vom Begriff ab: Sie wollen nicht als „behindert“ abgestempelt werden und geben an, zwar Schwierigkeiten im Studium zu haben, aber auch ohne Hilfe von außen klarzukommen. Auch ich hatte sehr lange das Bedürfnis, mich von anderen behinderten und chronisch kranken Menschen abzugrenzen. Ich habe sehr viel Energie dafür aufgewendet, nicht als „anders“ wahrgenommen zu werden. Wenn sich Menschen über dich lustig machen und dir einreden, dass du abnormal und hässlich bist, versuchst


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Studierendenvertreter der Aktionsgemeinschaft senden sich in Facebookgruppen behindertenfeindliche und Holocaust-verharmlosende „Witze“ zu3, während der nationalsozialistische Einfluss an den Hochschulen erst langsam aufgearbeitet wird.

„BEHINDERTE PERSONEN WERDEN ERST NACH UND NACH NICHT MEHR NUR ALS „MEDIZINISCH DEFEKTE ABNORMALE“ ANGESEHEN“ Behinderte Personen werden erst nach und nach nicht mehr nur als „medizinisch defekte Abnormale“ angesehen, die man heilen, richten oder zumindest anpassen und erforschen muss, weil sie sich mühsam eine Beteiligung an Forschungsprozessen erkämpft haben und immer noch erkämpfen müssen, denn auch jetzt

finden noch zu viele Forschungen ÜBER und nicht MIT und VON behinderten Menschen statt. Da über unsichtbare Beeinträchtigungen wenig gesprochen wird, besonders psychische Erkrankungen massiv tabuisiert werden, kommt es oft zu Vorurteilen. Nicht selten wird man als faul, dumm, unorganisiert oder unvorbereitet angesehen, weil man es nicht schafft, im Seminar mitzudiskutieren oder unabgemeldet fehlt. Es kommt auch vor, dass Lehrende einen Nachteilsausgleich nicht zulassen wollen, da es sich ihrer Meinung nach um eine Bevorzugung handelt oder weil sie nicht von ihrem starren Weg der Wissensabfrage abweichen wollen. Ein Beispiel wäre hier die Weigerung, Systeme wie Echo360 (ermöglicht automatisches Aufzeichnen von LVs) zu verwenden, aus Angst, niemand würde dann mehr eine Vorlesung besuchen. Für Studierende, die aus Gründen wie Lohnarbeit, Betreuungspflichten, Ängsten, Schmerzen

3 http://derstandard. at/2000057250697/Antisemitische-Postings-in-Gruppe-der-Aktionsgemeinschaft?ref=rec


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oder fehlender Mobilität die Lehrveranstaltung nicht besuchen können, ist die Aufzeichnung eine tolle Möglichkeit, den Stoff entsprechend zu lernen. Generell erschwert die immer stärker werdende Verschulung der Studienpläne das Vorankommen im Studium um ein Vielfaches: Weniger Wahlmöglichkeiten, mehr und unflexiblere Voraussetzungsketten und Anwesenheitspflichten machen es für beeinträchtigte Studierende sehr schwer, im Studium voranzukommen. Manche können aus Mobilitätsschwierigkeiten nicht so oft an die Uni kommen, manche können nicht mehr als eine Lehrveranstaltung am Tag besuchen, wegen fehlender Konzentrationsfähigkeit, chronischer Müdigkeit oder Schmerzen bei zu langem Sitzen.

BEI DER ERSTELLUNG DER STUDIENPLÄNE WIRD ANSCHEINEND HÄUFIG NUR VON EINEM NICHTBEHINDERTEN „MAX MUSTERSTUDENT“ AUSGEGANGEN Bei der Erstellung der Studienpläne wird anscheinend häufig nur von einem nichtbehinderten „Max Musterstudent“ ausgegangen, der Vollzeit, mit finanzieller Unterstützung seiner Akademiker-Eltern, studiert und sich in der vorlesungsfreien Zeit unbezahlte Praktika leisten kann. Erschreckend ist auch das elitäre Gehabe mancher Lehrender, die mit unerklärten Fachbegriffen um sich werfen, als würden sie gerade auf einer internationalen Konferenz im akademischen Elfenbeinturm sprechen und nicht vor Studierenden, die sich teilweise das Vokabular erst mühsam aneignen müssen, weil ihnen der akademische Wortschatz nicht in die Wiege gelegt wurde oder sie wegen Lernschwierigkeiten leichtere Sprache benötigen. Würden Wissenschaftler_innen ihre Forschungen zugänglicher machen, würden sie vielleicht nicht nur von den 2-3 Peer-Reviewer_innen gelesen werden. An dieser Stelle möchte ich mich aber auch bei allen tollen Lehrenden bedanken, die sich sehr um eine Öffnung der Hochschulen und ein barrierefreies Umfeld bemühen! Zum Glück konnten in den letzten drei Jahrzehnten auch einige Forderungen durch den unermüdlichen Einsatz von Interessensvertretungen und der Selbstbestimmt-leben-Bewegung erkämpft und durchgesetzt werden. Gleichgestellt sind behinderte Menschen allerdings noch immer nur theoretisch, denn viele Ziele sind nach wie vor nicht oder nicht ausreichend durchgesetzt.

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Nachteilsausgleich. Von Maria Gruber

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in Nachteilsausgleich versucht – wie der Name schon sagt – Nachteile, die durch Einschränkungen entstehen, auszugleichen. Da Beeinträchtigungen unterschiedlich ausfallen, wird ein Nachteilsausgleich individuell festgestellt und gewährt. Das Gesetz (UG 2002 § 59 (1) 12) sagt, dass Studierende mit Beeinträchtigung das Recht auf abweichende Prüfungsmethoden haben, wenn die Beeinträchtigung die vorgeschriebene Prüfungsmethode unmöglich macht. An der Uni Salzburg funktioniert das so: Wenn du noch nicht genau weißt, welche Möglichkeiten es gibt und was für dich als Ausgleich in Frage kommt, kannst du einen unverbindlichen Termin bei der Abteilung disability&diversity ausmachen und dich beraten lassen. Man kann online auch mit einer anonymen E-Mailadresse eine Anfrage stellen. Die Gespräche werden vertraulich behandelt. Für einen Nachteilsausgleich muss man keine Diagnose nennen, es braucht aber eine Bestätigung von einer_m Fachärzt_in, in der sie_er bescheinigt, dass du wegen der Beeinträchtigung deinen spezifischen Nachteilsausgleich brauchst: [Name] ist bei mir in Behandlung und braucht [Nachteilsausgleich]. Diesen Bescheid schickst du dann zu disability&diversity. Die Abteilung muss zwar den Lehrenden Bescheid geben, welchen Nachteilsausgleich du benötigst, es werden aber keine Infos über deine Beeinträchtigung weitergegeben. Bei Prüfungen musst du natürlich etwas Zeit einplanen, damit die Mitarbeiter_innen die Prüfungsmodalitäten vorbereiten können. Beispiele für Nachteilsausgleiche sind z.B. Schreibassistenz, verringerte Anwesenheitspflicht (mit Kompensation durch andere Leistungen), verlängerte Prüfungszeiten, verlängerte Abgabefristen, anderer Prüfungsmodus (mit Laptop, mit Hilfsmittel, in einem ruhigen Raum, mit Pausen, in größerer Schrift, mündlich - schriftlich), Gebärdendolmetsch, digitalisierte Lernmaterialien etc.

(ACHTUNG: NACHTEILSAUSGLEICHE, DIE ZWISCHEN STUDIERENDEN UND LEHRENDEN AUSGEMACHT WURDEN, SIND NICHT RECHTLICH GESICHERT, DESHALB IST ES WICHTIG, DICH AN DISABILITY&DIVERSITY ZU WENDEN.) Bei psychischen Problemen kannst du dich an die Psychologische Studierendenberatung wenden. Diese hilft unbürokratisch und kostenlos bei Problemen von der Studienwahl bis zur Therapie bei psychischen Krankheiten. Es gibt dort auch Workshops und Gruppen, z.B. für Studierende mit Prüfungsangst. Auf der Website gibt es auch die Möglichkeit einer anonymen Chatberatung.


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Finanzielles. Ansprechstellen. Finanzielles Behinderte und chronisch kranke Studierende müssen nicht nur meist mehr Energie aufwenden – viele haben auch höhere finanzielle Ausgaben, z. B. wegen Arzt- und Medikamentenkosten, Mobilitätshilfen, baulichen Anpassungen, Hilfsmitteln, Assistenz, teurerer Nahrung wegen Unverträglichkeiten. Die Sozialerhebung zeigt, dass bei rund drei Viertel der Studierenden mit Beeinträchtigung deshalb monatliche Zusatzkosten anfallen. Studierende, deren Beeinträchtigungen sich stärker auf das Studium auswirken, gaben auch häufiger finanzielle Schwierigkeiten an. Es gibt einige Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung – von Erlass des Studienbeitrages bis zur Kostenerstattung von Hilfsmitteln. Eine gute Zusammenfassung findet sich in der Broschüre „SOWIESO“ vom Verband UNIABILITY . Bei länger andauernder Krankheit/Behinderung können die Toleranzsemester für Studienbeihilfe und Familienbeihilfe verlängert werden. Mit Feststellung des Grades der Behinderung über 50% kann die Familienbeihilfe doppelt so hoch und bis 25 Jahre ausbezahlt werden. Auch braucht man so keinen Leistungsnachweis erbringen und muss keinen Studienbeitrag bezahlen (Hier reicht ein Mail mit der Kopie des Behindertenpasses an studium@sbg.ac.at). Der Studienbeitrag kann auch ohne Behindertenpass erlassen/erstattet werden, dazu braucht man entweder eine fachärztliche Bestätigung, dass man wegen Krankheit mind. 2 Monate lang vom Studium verhindert war oder eine fachärztliche Bestätigung der Beeinträchtigung und alle möglichen Unterlagen, die bestätigen, dass man finanzielle Schwierigkeiten hat sowie einen Antrag mit Belegen über Einkünfte und Ausgaben (Mietvertrag, Telefonrechnung, Medikamentenkosten etc.). Diese und weitere Erlassgründe finden sich auf www.uni-salzburg.at/Studienbeitrag. Finanzielle Unterstützung gibt es auch vom Sozialministeriumsservice (früher Bundessozialamt): Das ist für die Einstufung einer Behinderung zuständig und kann Ausbildungsbeihilfe und Hilfsmittel auszahlen, wenn ein behinderungsbedingter Mehraufwand vorliegt. Notfalls kann man auch noch Unterstützung aus dem Sozialtopf der ÖH beantragen. Leider bedeutet das Beantragen von Unterstützung auch wieder sehr viel Arbeit und zusätzliche Anstrengung. Es fehlt noch viel. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, Barrieren und Vorurteile abzubauen und gemeinsam statt gegeneinander zu kämpfen. Barrikaden statt Barrieren!

Ansprechstellen Universität Salzburg disability&diversity Kapitelgasse 4-6 disability@sbg.ac.at www.uni-salzburg.at/ disability 0662/8044 -2465 Informations- und Beratungszentrum für blinde und sehbehinderte Menschen 0662/8044-2467 Österreichische Hochschüler_innenschaft Referat für Barrierefreiheit Taubstummengasse 7-9, 1040 Wien www.oeh.ac.at barrierefrei@oeh.ac.at ÖH Beratungszentrum Erzabt-Klotz-Straße 1 beratung@oeh-salzburg.at 0662/8044-6001 oder -6006 Sozialreferat Kaigasse 28 sozial@oeh-salzburg.at Psychologische Studierendenberatung Salzburg Mirabellplatz 9/1 psb.sbg@sbg.ac.at www.studierendenberatung.at Sozialministeriumservice Auerspergstraße 67a www.sozialministeriumservice.at post.salzburg@sozialministeriumservice.at 0662/88 983-0
 Behindertenanwaltschaft Babenbergerstraße 5/4, 1010 Wien office@behindertenanwalt.gv.at 0800808016 Verein knack:punkt Aignerstraße 69 www.knackpunkt-salzburg.at info@knackpunkt-salzburg.at 0677 614 264 95


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Frau an der Uni, wer bist du?

Wird man gebeten, einen Artikel über „Frauen in der Uni“ zu schreiben, stellt sich einem unmittelbar die Frage: Wer sind diese Frauen und was machen sie an der Uni? Von Sandra Grübler

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rofessorinnen, Bibliothekarinnen, Studentinnen, Sekretärinnen, Studienassistentinnen, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, Archivarinnen, Mensakellnerinnen, Studienvertreterinnen, Raumpflegerinnen, Rektorinnen. Sie alle tragen dazu bei den Universitätsbetrieb am Laufen zu halten und ihn zu verbessern. Und auch wenn man versucht, die Bandbreite all der an der Universität arbeitenden Frauen aufzuzeigen, wird bald klar, dass es sich dabei auch nur um Labels handelt, die man da galant verteilt. Denn darunter sind junge Frauen, die gerade maturiert haben, Frauen, die abends nach der Arbeit in die Uni laufen, um sich ihren Traum vom Studieren zu erfüllen, Frauen, die Mütter und Großmütter sind, Frauen, die zwei Nebenjobs haben, an ihrer Masterarbeit schreiben und freitags Flüchtlingskindern kostenlosen Deutschunterricht erteilen. Was sagt man also über Frauen an der Uni ohne die Sache zu platt werden oder sich zu einem Roman hinreißen zu lassen, ohne die Leistungen zu schmälern, die uns hierher gebracht haben und hoffentlich noch viel weiter bringen werden? Man könnte sagen, wie grandios es ist, nicht mehr in einer Zeit zu leben, in der sich die Bildung der Frauen darauf beschränkte, sie zu gefälligen Gattinnen und geschickten Hausfrauen zu dressieren. Man sollte es sogar sagen: laut und klar und dabei unendlich dankbar sein. Man könnte sagen, wie traurig es ist, dass es ein Gesetz gibt (§ 42 des Bundesgesetzblatts), das etwas regelt, das eigentlich viel zu selbstverständlich ist, um gesetzlich geregelt werden zu müssen. Gleichzeitig könnten wir auch einfach sagen: danke, danke, danke, dass wir in einem Land leben, in dem es mittlerweile solche Gesetze gibt.

§ 42 DES BUNDESGESETZBLATTS FÜR STUDIENWERBERINNEN, STUDIENWERBER UND STUDIERENDE AN UNIVERSITÄTEN GILT FERNER, DASS SIE AUCH IM ZUSAMMENHANG MIT IHREM STUDIUM, INSBESONDERE BEI 1. DER ZULASSUNG ZUM ORDENTLICHEN ODER AUSSERORDENTLICHEN STUDIUM, 2. DEM ZUGANG ZU LEHRVERANSTALTUNGEN MIT EINER BESCHRÄNKTEN TEILNEHMERZAHL, 3. DER ANMELDUNG ZU PRÜFUNGEN, 4. DER DURCHFÜHRUNG VON LEHRVERANSTALTUNGEN ODER PRÜFUNGEN, 5. DER BEURTEILUNG DES STUDIENERFOLGES, 6. DER FESTLEGUNG DES THEMAS UND DER BETREUUNG DER BAKKALAUREATS-, (KÜNSTLERISCHEN) MAGISTER- ODER DIPLOMARBEIT ODER DISSERTATION UND 7. DER EINRÄUMUNG DER MÖGLICHKEIT ZUR BENÜTZUNG DER FACHEINSCHLÄGIGEN EINRICHTUNGEN DER UNIVERSITÄT 8. NICHT UNMITTELBAR ODER MITTELBAR AUF GRUND DES GESCHLECHTES, DER ETHNISCHEN ZUGEHÖRIGKEIT, DER RELIGION ODER DER WELTANSCHAUUNG, DES ALTERS ODER DER SEXUELLEN ORIENTIERUNG DISKRIMINIERT WERDEN DÜRFEN. 1

1 https://www.ris.bka.gv.at/ GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008858


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Man könnte sagen, dass es doch beachtlich ist (vor allem im internationalen Vergleich), dass seit 2000 die Zahl der Studentinnen jene der Studenten in Österreich übersteigt. Gleichzeitig könnte man auch sagen, dass es traurig ist, dass es in der Wissenschaft noch immer geschlechterspezifische Domänen in den Köpfen vieler Frauen und Männer zu geben scheint: denn in die Technik und Montanistik wagen sich nur die wenigsten Frauen vor, während Männer in den Geisteswissenschaften zahlenmäßig absolut unterlegen sind.

Man könnte sagen, dass es erfreulich ist, dass die Frauen den Universitätsbetrieb auf so vielen Ebenen bereichern und weiterbringen. Man könnte aber auch sagen, dass es doch ziemlich verwunderlich ist (Hoch lebe der Euphemismus!), dass die Zahl der Studentinnen zwar jene der Studenten übersteigt, hingegen Professorinnen nach wie vor mehr als rar gesät sind im Universitätsbetrieb. Man könnte sagen, dass wir auf einem guten Weg sind, wenn an der Spitze der 21 öffentlichen Universitäten Österreichs acht Rektorinnen stehen. Man könnte aber auch sagen, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Man könnte sagen: Es ist noch viel zu tun. Man könnte auch aufhören zu reden, und es einfach tun.

2 https://www.bmb.gv.at/ frauen/gender/gender_index_2015.pdf ?5lidom

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Festung GesWi


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örsäle, Bibliothek und Dachterrasse gehören zu den bekannteren Einrichtungen an der GesWi. Die meisten wissen vermutlich auch, dass es außerdem eine Tiefgarage gibt. Was aber vermutlich den wenigsten bekannt ist: Diese Tiefgarage konnte auch als Luftschutzkeller benützt werden. Das „Haus für Gesellschaftswissenschaften“ wurde von 1897 bis 1900 für die k. k. Staatsgewerbeschule errichtet. Die wegen eines Bombentreffers im Zweiten Weltkrieg errichteten Ergänzungen und Zubauten wurden im Zuge der Adaptierung für die Universität (1986–1989) wieder entfernt. Dabei wurde das Gebäude auch um einen Zubau Richtung Basteigasse erweitert. Außerdem wurde während dieses Umbaus die Tiefgarage geschaffen. Als Bunker kann diese mangels Wartung mittlerweile nicht mehr verwendet werden, Autoabstellplatz ist sie aber weiterhin. Nur mehr die Zugänge erinnern daran, dass man hier einmal vor einem Atomangriff Schutz suchen hätte können.

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Die Festung der Eliten Akademiker_innenkinder werden Akademiker_innen und Arbeiter_innenkinder werden Arbeiter_innen – so war das früher. Ist es noch immer so? Von Hedwig Obenhuber

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ei der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe zur Qualitätsentwicklung (einem Gremium, das dem Vizerektor für Lehre beratend zur Seite stehen soll) wurden die letzten Ergebnisse der Studierendensozialerhebung besprochen. Dabei stellte sich heraus, dass die Uni Salzburg bezüglich sozialer Durchmischung weitgehend im österreichischen Durchschnitt liegt. Im Zuge dessen klopften sich die Anwesenden auf die Schulter und sahen dies als Bestätigung, nicht mehr allzu viel ändern zu müssen. Dass die Erhebung aber auch auf deutliche Missstände hinwies, wurde nicht weiter beachtet. Wenn wir von Studierendenseite anmerkten, was noch verbessert werden sollte, wurden wir teilweise sogar recht harsch zurückgewiesen. Die soziale Herkunft der Studierenden scheint auf den ersten Blick relativ ausgewogen – gleich viele Studierende kommen aus „niedrigen“ (17%) wie aus „höheren Schichten“ (18%). Dabei ist allerdings nicht deren Verteilung in der Gesamtbevölkerung einbezogen, wo „niedrige Schichten“ 14 Prozent und „höhere“ 10 Prozent ausmachen.1 Die Wahrscheinlichkeit eines Studiums ist für Akademiker_innenkinder momentan 2,4

mal so hoch wie für Kinder „bildungsferner“ Schichten. Diese Zahl dürfte in Zukunft noch steigen.2 Die 25- bis 64-jährigen in Österreich haben zu 19,1 Prozent einen Pflichtschulabschluss, zu 49,8 Prozent eine Ausbildung ohne Hochschulzugangsberechtigung, 17,5 Prozent eine Hochschulzugangsberechtigung und nur 13,6 Prozent einen Hochschulabschluss. Die Studierendensozialerhebung fragte nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung der Eltern, wonach in Salzburg 6 Prozent einen Pflichtschulabschluss, 39 Prozent eine Ausbildung ohne Hochschulzugangsberechtigung, 26 Prozent eine Hochschulzugangsberechtigung und 29 Prozent einen Hochschulabschluss vorweisen (bundesweit liegt die Gewichtung noch stärker bei besser gebildeten Eltern). So wird besonders deutlich, dass Kinder von weniger gut ausgebildeten Eltern an der Uni deutlich schlechtere Chancen als Akademiker_innenkinder haben.3 Zuletzt promovierten zehnmal so viele Akademiker_innenkinder wie Arbeiter_innenkinder; während 10 Prozent der studierenden Akademiker_innenkinder ein Doktorat abschlossen, war es bei studierenden Arbeiter_innenkindern nur 1 Prozent.


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Soziale Durchmischung an Universitäten Der Unterschied wird noch größer, wenn mit einberechnet wird, dass die Zahl der Eltern ohne Hochschulabschluss fünfmal so hoch ist, als derer mit. Ähnlich wie in der oben beschriebenen Arbeitsgruppe scheint es in ganz Österreich zu laufen, wenn die soziale Durchmischung an Hochschulen betrachtet wird. Im europäischen Vergleich schneidet Österreich also gar nicht so schlecht ab und davon ausgehend, dass durchschnittlich absolut ausreichend ist, können wir folglich eine Verschlechterung auch noch verschmerzen. Oder? Eine Studie der Arbeiterkammer verglich die Fächer Medizin, Psychologie, Publizistik und Biologie vor und nach der Einführung von Zugangsbeschränkungen. Dabei zeigte sich das, was die ÖH schon lange voraussagt: Kinder von Akademiker_innen profitieren von Zugangsbeschränkungen, während Kinder aus „bildungsfernen“ Schichten nicht einmal mehr die Hälfte der Studierenden ausmachen. Der Anteil der Akademiker_innenkinder ist in diesen Fächern teilweise sogar über 10 Prozent gestiegen.4 Diese Chancenungleichheit zeigt sich schon ganz unten im Bildungssystem. Bereits in der Volksschule haben jene Kinder einen Vorteil, von denen die Lehrer_innen denken, dass sie gebildete Eltern haben. Denn bekanntlich sind gebildete Eltern ein wichtiger Faktor, um in der Schule erfolgreich zu sein und dem System der selffulfilling prophecy folgend werden diese Kinder mehr gefördert und schreiben unter anderem deshalb bessere Noten. Zahlreiche Studien belegen, dass schon erhöhte Erwartungen zu größerem

Bildungserfolg führen können. Eine deutsche Studie fand drei relevante Faktoren, die den Bildungsweg maßgeblich mitbestimmen: Geld, Selbstvertrauen und Förderung. Auch wenn man es schon auf die Uni geschafft hat, ist trotzdem nicht die letzte Hürde genommen. Besonders die Rolle des Selbstvertrauens ist vielen nicht bewusst. Kinder, die nicht mit einem akademischen Selbstverständnis aufgewachsen sind, tun sich deutlich schwerer, vom eigenen Erfolg auszugehen und nicht von vornherein Misstrauen gegenüber den eigenen Fähigkeiten zu haben. Doch in einer Hochschule, die immer härtere Zugangsbeschränkungen aufbaut und den Konkurrenzdruck zwischen den Studierenden massiv erhöht, braucht es mehr als nur das Interesse am Fach.

„FÜR KINDER OHNE „AKADEMISCHEN HINTERGRUND“ IST DIE HOCHSCHULWELT NOCH IMMER EINE UNEINNEHMBARE FESTUNG.“ Nur wenige schaffen es, ihre Mauern zu überwinden, die meisten scheitern schon lange vorher. Was es braucht, ist ein System, das Kinder nicht nach ihrer Herkunft bewertet und dementsprechend einteilt. Vereinzelte Erfolgsgeschichten von BildungsaufsteigerInnen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass unser Bildungssystem Kinder aus der sogenannten Unterschicht grob benachteiligt. Alle müssen die gleichen Chancen auf Bildung haben.

1 Lebensbedingungen in Österreich – ein Blick auf Erwachsene, Kinder und Jugendliche sowie (Mehrfach-) Ausgrenzungsfälle: http:// tinyurl.com/lebensbedingungen 2 Studierenden-Sozialerhebung: http://tinyurl.com/ sozialerhebung2015 3 Statistik Austria, Bildungsstand der Bevölkerung. http://tinyurl.com/bildungsstand 4 Der Standard, Unis: weniger Arbeiterkinder nach Beschränkungen. http:// tinyurl.com/weniger-arbeiterkinder


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Befestigungsplan Maschinengewehre: Sollte euch beim wohlverdienten 5 Uhr-Tee unerwarteterweise eine etwas größere Gruppe Zombies überraschen, seid ihr mit schweren Geschützen am Dach gut bedient.

Ein Zaun: Wir wollen jetzt nicht den Trump auspacken – es muss nicht immer eine Mauer sein. Ein Zaun erfüllt genau so seinen Zweck und ist wesentlich schneller aufgebaut.

Ein Hochsitz: Ihr wollt Ordnung in eurer Gruppe halten? Wie wäre es als Strafmaßnahme anzudrohen, dass der Bösewicht eine Nacht im Hochsitz Wache halten muss? So halten sich alle an eure Regeln.


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Es gibt zwei wichtige Tipps, die einen im Leben immer hilfreich sein werden – Vergesst nie ein Handtuch mitzunehmen! Und: man sollte immer auf eine Nazi-Zombie-Apokalypse vorbereitet sein. In Salzburg gibt es natürlich nur einen Ort, der Sinn macht um sich vor untoten NationalsozialistInnen zu schützen: der Unipark. Solltet ihr also zu den glücklichen Überlebenden zählen, die ihr restliches Dasein nicht auf der Festung oder irgendeinem anderen lebensgefährlichem Ort fristen müssen: Glückwunsch! Und weil ihr so viel Glück habt, haben wir für euren Überlebenskampf einige Tipps gesammelt. Ein Plan von Miggi Seifert.

Die Scharfschützen-Challenge: Typischer Dienstag: Euch ist langweilig und ihr chillt auf der Dachterrasse. Was also machen? Schnappt euch doch eineN FreundIn und wettet, wer mehr Zombies von da oben erwischt!

Stacheldraht: Wer nicht will, dass in den ersten paar Tagen gleich alle Minen hochgehen, sollte sich zusätzlich noch mit etwas Stacheldraht absichern. In Kombination mit dem Zaun seid ihr damit für lange Zeit sicher und könnt eine neue Zivilisation aufbauen.

© Luigi Caputo

Minen: Passend zum brandheißen Logo vom Unikum solltet ihr rund um euren Safe Space ein paar Minchen hier und da verteilen. Erstens hält es euch die Untoten vom Leib und zweitens sprengt es euch gleich einen kleinen Graben um die Anlage. Win-Win!


uni & leben

NEUES

AUS DEM

Wiebke Fischbach (GRAS), Vorsitzende

VORSITZBÜRO

Ivana Ristic (VSStÖ), 1.stv. Vorsitzende

Felix Klein (GRAS), 2. stv. Vorsitzender

Die ÖH hat mehr Potential

Was für 1 ÖH Periode

Revolution!

Meine Tätigkeiten im Moment: Wahlergebnis verdauen, besonders die niedrige Wahlbeteiligung. Des Weiteren: Mut fassen. Pläne, die ich mit anderen zusammen für die ÖH hatte, ausgestalten, Termine machen, Gespräche führen und von einer ÖH nach dem Sommer träumen, die mir erlaubt, diese Pläne zu realisieren. Das ÖH Sommerfest war ein voller Erfolg, 1000 Dank an Alex und Jakob aus dem Kulturreferat für ihre wahnsinnig gute Arbeit! Als nächstes steht die Nachtschicht an. Die Hauptbliothek bleibt am 21. Juni bis 2 Uhr nachts geöffnet und wir werden da sein, um euch mit Verpflegung und unterstützendem Programm durch die Nacht zu bringen. Egal wie es nun weitergeht, die ÖH hat bedeutsames Potential. Ich bin überzeugt davon, dass sich dort unglaublich viel rausholen lässt; in der Gremienarbeit, mit der Organisation von kulturellen und gesellschaftskritischen Veranstaltungen und durch die Verbesserung von Transparenz, Kommunikation und Zusammenarbeit. Ich wünsche mir einfach, dass wir es schaffen, dieses Potential auszuschöpfen und die Rechte der Studierenden zu sichern und auszubauen.

M1 letzte Vorsitzspaltung okej, ruhig bleibm umd pressm. Halo 1.mal i bims Ivanka, die es 2 years im Voasitz ausgehaltem had. Na klar i han nit nur m1 Studium liegm gelasset, nein auch zu meinem friends war i nit so lieb. Aba so isd dem halt im dem ÖH. I hoff td, dass des gepasst had vong Arbeit umd Projekte her umd i ruhigem Gewissen jetzt 1 neues Motto verfolgen kann: veni, vidi, canavi, netflixavi, partyavi et dormovi - übersetzt so viel wie: i kam na klar, sah, aß, netflixte #serienjunkie #serientippsbitteanmichpermail, partyete #everybodydancenow und schlief. lol weng es party peoples gibt, dem sich mir anschließen wollen und dem #newfreedom feiern wollen, einfach vorbeikommen. Ich hab dem Bier und Spritzer gekühlt in ÖH und stoße bis 12h Dienstags an (da endet m1 week vong Arbeit her) Ah noch was, an dem ganzen Haters, dem das nit verstehen: ihr seids dem solche Lärrys!

Wenn man wissen möchte, wie schwer es ist, Weltbewegendes in 1000 Zeichen niederzuschreiben, so braucht man nur unsere Vorsitzspalten hier anschauen. Dabei gäbe es ganz brennende Themen zu besprechen. Die Wahlbeteiligung an der Uni Salzburg ist die niedrigste von allen öffentlichen Unis, die es je gab, und wenn es so weiterläuft, dann geht in vier Jahren so gut wie niemand mehr wählen. Doch was ist die Antwort darauf? Reformierung oder Revolution? Definitiv Letzteres. Immerhin arbeitet die ÖH schon seit über 50 Jahren mit den gleichen Strukturen und rundherum hat sich inzwischen quasi alles geändert. Jetzt ist die Zeit für große Veränderungen und mutige Experimente! Natürlich nur unter der Prämisse, dass die Basisarbeit der STVen sowie die in den Gremien wie geschmiert läuft. Alles, was es braucht, sind Menschen mit Vision, stabile politische Verhältnisse und natürlich jede Menge Zeit. Eine Utopie quasi.


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UND JETZT? Mit einer Wahlbeteiligung von 18,42% ist die Salzburger ÖH kräftig auf die Schnauze gefallen. Wer die ÖH-Geschehnisse in den letzten beiden Jahren mitverfolgt hat, den wird das kaum wundern. Passiert ist nämlich – abgesehen von zwei Koalitionswechseln – recht wenig. Noch nie war in der ÖH so viel Desinteresse an Hochschulpolitik zu beobachten. Was ist da bloß los und wie kann man die ÖH aus dieser Misere wieder herausführen? Wir haben drei Menschen aus dem ÖH-Umfeld nach ihrer Meinung gefragt.

MEHR SERVICE! Von Marlene Krickl.

Diagnose Lieber engagiert man sich auf unwichtigen Nebenschauplätzen, als eine schlagkräftige Vertretung für Salzburgs Studierende darzustellen. Demos und Spritzerstände scheinen wichtiger zu sein als ein funktionierender Hochschulbetrieb. Das größte Augenmerk legt die ÖH momentan nicht auf die Studierenden, sondern auf sich selbst. Mit ideologischen Grabenkämpfen beschäftigt, vergisst sie ihre eigentliche Aufgabe: Sich den Anliegen der Student_innen anzunehmen. Was wird benötigt? Wie kann man den Studienalltag erleichtern? Die ÖH vertritt längst nicht mehr die Interessen der Studierenden. Gefangen zwischen links-ideologischen Utopien und ideenloser Servicepolitik, ist das Sprachrohr der Studierenden in Österreich beschämend leise. Ohne die Unterstützung der Studierenden und ohne sinnvolle Konzepte zur Reform des Hochschulsektors kann die ÖH seit Jahrzehnten keine Impulse für Verbesserungen an der Uni liefern. Die ÖH ist im Moment Teil des Problems, anstatt Teil der Lösung zu sein. Rezept Nur wenn die ÖH ihre Denkweise verändert und beginnt, für die Studierenden zu arbeiten, kann sie erfolgreicher werden. Studierende, die nicht aktiv als Studienvertreter tätig sind, haben keinerlei Möglichkeit, in die Geschehnisse der ÖH einzugreifen. Daher wollen wir Studierenden eine einfache Partizipation auch zwischen den Wahlen ermöglichen. Auf jeder lokalen Hochschule sowie auf Bundesebene soll dafür eine online Partizipations-Plattform zur Verfügung gestellt werden. Auf dieser sind alle Studierenden stimmberechtigt, die ihren ÖH-Beitrag für das laufende Semester eingezahlt haben. Jeder Studierende hat auf dieser Plattform das Recht, eigene Ideen einzubringen und die Ideen anderer zu bewerten. Positiv abgestimmte Ideen

dieser Plattform müssen von der Hochschulvertretung behandelt werden und der Konsens dieser online für alle Studierenden frei zugänglich veröffentlicht werden. Da Studierende auch nicht entscheiden können, wofür die ÖH ihren Pflichtbeitrag ausgibt, wollen wir die Möglichkeit schaffen, den ÖH-Beitrag unkompliziert Projekten zu widmen. Dadurch können sich Studierende über die gewissenhafte Nutzung ihres Beitrages sicher sein und so auch aktiv bestimmen, welchen Fokus die ÖH mit ihren Geldern setzt. Um die ÖH wieder arbeitswillig zu machen, muss die Zwangsmitgliedschaft abgeschafft werden. Studierende sollen die Möglichkeit haben, sich nach dem ersten Semester von der ÖH Mitgliedschaft abzumelden. Wenn der Service und die Vorteile der ÖH überzeugen, werden genügend Studierende Mitglied bleiben. Durch die Einnahmen der Erstsemestrigen steht der ÖH ein Sockelbudget zur Verfügung, je besser die Arbeit, desto mehr Student_innen bleiben Mitglieder und desto mehr Budget hat auch die ÖH. Damit sich diese Systemänderung nach jahrzehntelanger Zwangsmitgliedschaft durchsetzen kann, fordern wir eine Step-by-Step Lösung. Es braucht keine Zwangsmitgliedschaft, eine starke Interessensvertretung überzeugt allein durch ihre Leistung. Die ÖH muss als Organisation generell wieder sichtbar werden und aktiv auf die Studierenden zugehen. Serviceleistungen, ständige Informationsweitergabe und die Rückkopplung mit den Studierenden muss wieder im Fokus stehen. Es braucht eine transparentere ÖH, in der jedem Studierenden ohne bürokratischen Aufwand das Recht zusteht, alle Informationen seiner Hochschülerschaft zu erhalten. Unser Anliegen ist es, gezielte Studierendenpolitik zu leisten, indem wir das gesetzliche Mandat der ÖH dazu nutzen, die Interessen der Studierenden innerhalb der Österreichischen Gesellschaft zu vertreten. Konstruktive Zusammenarbeit ist jetzt gefragt – für die Student_innen und nicht für sich selbst!


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DIE ÖH GEHÖRT AUF DIE STRASSE

Von Kay-Michael Dankl. Diagnose

Rezept

Die ÖH hat ein grundsätzliches Problem. Und zwar eines, das sie mit anderen sozialpartnerschaftlichen Organisationen teilt. Die 18,4 Prozent Wahlbeteiligung an der Uni Salzburg sind ein brutaler Tiefpunkt für die ÖH Salzburg – mathematisch, politisch und demokratisch. Dafür tragen zwar ganz wesentlich die ÖH-Funktionär*innen der letzten Semester und jene, die jetzt in den ÖH-Büros sitzen, die Verantwortung. Die erschreckende Schwäche der ÖH hat aber tiefere Ursachen, die im System ÖH begründet sind. Die ÖH ist ein Ausdruck der österreichischen Sozialpartnerschaft: Alle Studierenden sind per Gesetz verpflichtet, ÖH-Mitglieder zu sein und einen Mitgliedsbeitrag zu leisten. Dafür dürfen sie alle zwei Jahre ihre Stimme abgeben und Leute wählen, die ihre Interessen am Fachbereich, auf Uni-Ebene oder gegenüber der Regierung vertreten. Die ÖH hat dazu einen komplexen Apparat entwickelt, der bürokratisch wirkt und den Studierenden ebenso fremd ist wie der undurchschaubare Dschungel der Österreichischen Wirtschaftskammer. Dieses System hat Vorteile. Denn ohne gemeinsame Vertretung wäre es für viele Studierende zu mühsam, sich bei jedem Problem im Curriculum oder mit Lehrenden selbst zu engagieren. Vielen fehlt die Zeit, vielen wäre es zu kompliziert und oft kommen erst spätere Generationen von Studierenden in den Genuss der erkämpften Vorteile und Rechte. Es hat aber auch gravierende Nachteile. An der Uni geht es um ganz konkrete, handfeste politische Kämpfe: Wird die Mensa an der GesWi geschlossen, weil sie einem Privatunternehmen zu wenig Profit bringt? Können Professoren willkürlich entscheiden, Prüfungen nicht zu beurteilen? Kann das Rektorat für Kurse Gebühren einheben, die eigentlich rechtswidrig sind? Im sozialpartnerschaftlichen Modell der ÖH kommen die Studierenden nur in der Rolle der Wähler*innen, die gefälligst brav ein Kreuzchen machen sollen, oder der Bittsteller*innen vor, wenn sie etwas von der ÖH brauchen. Die ÖH hat sich so weit von den Studierenden entfremdet.

Die ÖH muss auf die Straße. Nicht im Sinne der Neoliberalen, die die ÖH am liebsten zerschlagen und auf die Straße werfen würden. Sondern in dem Sinne, dass die ÖH viele Studierende in eine starke Bewegung einbindet, um gemeinsam für ihre Interessen zu kämpfen. Um wieder zu einer starken Vertretung zu werden, muss die ÖH die Vorteile einer sozialpartnerschaftlichen Organisation verbinden mit den Vorteilen einer Bewegung: der Beweglichkeit, der Energie, der Begeisterung der Menschen die mitmachen, ihrer Dynamik und ihrem Momentum. Es reicht nicht, in Gremien zu sitzen und Presseaussendungen zu schreiben – die ÖH sollte viele Studierende aktiv im Einsatz für ihre Interessen beteiligen. Das heißt, konkrete Probleme an den Instituten und Fachbereichen aufzugreifen und nicht nur im stillen Kämmerchen hinter verschlossenen Türen zu verhandeln, sondern die betroffenen Studierenden einzubeziehen und ihnen eine Rolle zu geben, mit der sie aus der Ohnmacht und Unmündigkeit heraustreten können. Dazu braucht es viele Studierende, die sich vor Ort in den StVen einbringen, sowie eine ÖH, die gezielt versucht, Studierende als politische Akteur*innen partizipieren zu lassen. Dass die ÖH nicht nur auf die Organisation setzt, sondern auch auf eine Bewegung, ist unumgänglich. Denn erstens braucht die ÖH die Studierenden hinter sich, um politisch etwas durchsetzen zu können. Zweitens könnte die ÖH auf diese Weise viele Studierende ermächtigen, selbst aktiv zu werden und zu zeigen, dass man durch politisches Engagement sehr wohl etwas erreichen kann - sei es an der Uni oder später im Leben im Beruf, in Vereinen oder Parteien, in der Gewerkschaft oder in ihrem Ort oder der Nachbarschaft. Ein Blick auf den Rechtsruck in halb Europa zeigt - wir werden viele junge Menschen brauchen, die heute lernen, wie sie an der Uni gemeinsam für ihre Interessen eintreten können, um auch morgen für eine demokratische und solidarische Gesellschaft zu kämpfen.


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ÖH IN DER KRISE: DAS RUDER HERUMREISSEN

Von Edwin Schmied. Diagnose

Rezept

Wäre die ÖH Salzburg ein Schiff, hätte sie im Mai ein massives Leck geschlagen: Nicht einmal mehr jedeR fünfte StudentIn an der Uni Salzburg hat an der ÖHWahl teilgenommen. Mit 18,4 Prozent ist die Wahlbeteiligung gegenüber 2015 um fast fünf Prozentpunkte gefallen. Das ist der schlechteste Wert in der Geschichte der ÖH Salzburg und aller Voll-Universitäten in Österreich. In der ÖH müssen alle Alarmglocken schrillen. Wenn es jetzt nicht gelingt, die ÖH wieder auf Kurs zu bringen, droht ihr das Versinken in die Bedeutungslosigkeit. Die gute Nachricht ist: Der Schaden ist selbstverschuldet. Und er ist behebbar. Denn die ÖH segelt noch immer mit veralteten Methoden und Arbeitsweisen der 1970er Jahre durch Gewässer, die sich in Zeiten des Bologna-Systems, des steigenden Leistungsdrucks und des Rechtsrucks in der Politik rapide verändern. Ein Beispiel: Durch den Stress mit dem Bachelor/ Master-Modell, Mindeststudienzeit, Praktika und prekärem Arbeiten, sind Studierende weniger lang in der ÖH aktiv. Anstatt drei bis sechs Jahre in einer Studienvertretung oder der Hochschulvertretung mitzuarbeiten, bleiben die meisten nur mehr ein bis zwei Jahre. Dadurch fehlt Zeit, um sich einzuarbeiten, Sachen auszuprobieren und zu lernen. Leider hat die ÖH es verabsäumt, auf diese Veränderungen zu reagieren. So scheitert die ÖH oft schon an Basics des ÖH-Betriebs: Veranstaltungen sind mangels Bewerbung unnötig schwach besucht, es gibt keine wirksame Vertretung gegenüber Uni-Leitung und Politik und nicht einmal die Website ist aktuell. Die Wahbeteiligung von 18,4 Prozent ist dabei nur die Spitze des Eisbergs, an dem die ÖH zu zerbrechen droht. Unter der Oberfläche liegt ein größeres Problem: Die ÖH spielt im Leben der Studierenden keine Rolle mehr. Viele Studierende sehen das ÖH-Beratungszentrum und die Studienvertretungen zwar als praktische Service-Einrichtungen, aber die ÖH nicht als eine starke Vertretung, die an ihren ganz konkreten Problemen im Alltag - knappen Kursplätzen, teuren Öffis, explodierenden Mieten, teure Lernmaterialien, dem wachsenden Stress im Studium - etwas ändern kann.

Wie könnte die ÖH Salzburg das Steuer herumreißen, die Lecks beheben und eine Havarie doch noch abwenden? Zuerst braucht es eine ehrliche, nüchterne Analyse, wo die ÖH steht und woran sie krankt, konkrete Ziele als Kompass und einen Rettungsplan für die nächsten zwei bis zehn Jahre. Entscheidend sind drei Bereiche: 1.

2.

3.

Die ÖH muss ihre Arbeitsweise professionalisieren, damit Studierende sich beteiligen können. Wenn Studierende nur zwei bis drei Semester mitarbeiten, braucht es klare Aufgaben, professionelle Einschulungen und effiziente Arbeitsweisen, damit auch Ehrenamtliche mit wenig Zeit mitarbeiten und sich einbringen können. Ohne starke, motivierte Mitarbeiter*innen ist die ÖH ein trister Verwaltungsapparat. Die ÖH braucht konkrete Ziele. Anstatt wie in den letzten Jahren ohne langfristigen Plan von Monat zu Monat dahinzuwerkeln, braucht es konkrete Ziele für alle zwei bis vier Jahre, was wie erreicht werden soll. Denn ohne Weitblick verliert sich die ÖH in Selbstbeschäftigung, Papierkram und sinnlosem Fraktions-Hickhack. Die ÖH muss die Studienvertretungen stärken, die an der Basis der ÖH wertvolle Arbeit leisten. Hier braucht es hochwertige Schulungen, niederschwellige Unterstützung bei Projekten, Infrastruktur und EDV sowie eine enge Zusammenarbeit, die StVen dabei unterstützt, aber auch herausfordert, sich weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Eine grundlegende ÖH-Reform muss von innen kommen: Denn den Studierenden ist die ÖH tendenziell egal, und von der “großen Politik” ist spätestens nach der Bildung einer rechten Regierung im Herbst eher mit einer Breitseite gegen die ÖH als mit einem Rettungsanker zu rechnen. Die im Mai gewählten Funktionär*innen haben die Wahl, mit dem angeschlagenen Kahn “ÖH Salzburg” noch zwei bis vier Jahre dahinzudümpeln, bis das Schiff sang- und klanglos versinkt, oder jetzt die Chance zu nutzen und das Steuer herumzureißen.


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fellner ’sche weis heiten

Uni und Demokratie Impressionen eines Senators a.D.1

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ie Wahl ist geschlagen. Namens der gewählten Kandidierenden bedanke ich mich bei euch allen dafür, dass ihr so fleißig abgestimmt habt, sie werden sicher für euch das Beste geben. Nun erinnert ihr euch vielleicht noch daran, dass es während der nun zu Ende gehenden Periode einmal einen Aufschrei aus einer Fraktion der Universitätsvertretung gab, weil einer der ihren nicht in den Senat der Universität Salzburg gewählt worden ist. Jetzt soll es nicht um den Vorgang gehen, sondern vielmehr um das Gremium, um das die Debatte kreiste. Um die tatsächliche Macht und den wirklichen Einfluss von uns StudierendenvertreterInnen. Ich weiß, dass genau diese beiden von verschiedener Seite gerne ins Lächerliche gezogen werden, als nicht vorhanden, als von uns eingebildet angesehen werden. Und vielleicht denkt ihr ja auch so. Ich werde heute versuchen, euch aus einem dieser innersten Kreise zu erzählen und zeigen, dass so manches ganz anders sein kann als es wirkt. Entsprechend der Satzung der Universität Salzburg hat der Senat einige sehr wichtige Aufgaben. Er erstellt beispielsweise einen Vorschlag zur Wahl des Rektors, bzw. schreibt dessen Wahl überhaupt erst aus. Das hört sich ja ganz wichtig an, doch wer die zweiten und dritten Zeilen der jeweiligen Artikel nachliest, wird feststellen, dass es mit der Macht des Senats doch nicht so weit her ist. Er wirkt mit, gibt Stellungnahmen ab, aber wirklich in der Lage, das Rektorat zu bremsen, ist er nicht. Besonders bemerkbar machte sich dies bei einer Idee des Vizerektors Müller, wie der Erfolg der Universität zu messen wäre.

CETERVM·CENSEO SENATVM·ESSE DEMOCRATIFICANDVM


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Trotz mehrfacher Anfragen konnte er dieses System nie wirklich begründen, und der Senat konnte nicht verbieten, es anzuwenden. Andere Bereiche, die so genannten Unterkommissionen des Senates, zu denen beispielsweise die Curricularkommissionen zählen, haben es da schon leichter. In ihnen arbeiten die Teilkurien des Fachbereichs die Curricula der Studien oder ähnliches aus. Da aber einige Senatsmitglieder einander nur aus den Sitzungen, nicht aber aus den täglichen Geschäften des Fachbereichs kennen, entfallen auch die Arbeit erleichternden Gespräche zwischendurch, die den eigentlichen Ideenaustausch oft ausmachen. Das wirklich problematische am Senat ist jedoch seine Zusammensetzung. Mehr als die Hälfte der Mandate wird durch die ProfessorInnenkurie wahrgenommen, die andere Hälfte wird zwischen Mittelbau und Studierendenkurie aufgeteilt. Damit sind die beiden letztgenannten auf die Zusammenarbeit mit einigen Mitgliedern der ProfessorInnenkurie angewiesen, um ihre Vorstellungen durchzubringen. Hinzu kommen noch zwei beratende Stimmen der Betriebsräte und des Arbeitskreises für Gleichbehandlung. Zu meiner Zeit gab es damals eine Koalition aus Mittelbau, Studierenden und einigen Profs.

„MANCHMAL GEHT ES AUCH EINFACH NUR DARUM, JEMANDEM EIN BEIN ZU STELLEN.“ Die Vorsitzende hatte ihre eigene Kurie zwar gegen sich, doch die beiden anderen für sich. Mit den Wahlen zum Senat in den beiden anderen Kurien 2013 verlor diese Koalition die Mehrheit, doch gab es für die Studierenden immerhin den Erfolg, einen der drei Vorsitzenden des Gremiums zu stellen. Es menschelt, so könnte man die Debatten, die manches Mal geführt wurden, nach meinem Empfinden in diesem Gremium beschreiben. Nicht immer durfte man von selbstloser Argumentation auf Basis wissenschaftlicher Argumente ausgehen, manchmal ging es auch einfach nur darum, jemandem ein Bein zu stellen, während wir als StudierendenvertreterInnen uns aus diesem Hickhack heraushalten mussten. Es gab für uns ja nichts zu gewinnen. Vor dem Universitätsgesetz von 2002 war das anders, da waren alle Gremien drittelparitätisch besetzt, also alle drei Kurien gleichberechtigt. Es sollte unser Ziel sein, zu diesem Vertretungszustand zurückzukehren. Es sollte unser Ziel sein, den Studierenden wieder mehr Gewicht in den Gremien zu verleihen. Dafür gibt es verschiedene Wege, doch darüber wird an anderer Stelle zu schreiben sein.

1 Christof Fellner war Mitglied des Senats der Uni Salzburg


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Müssen Studierende an der GesWi bald verhungern?

In der Mittagspause schnell in der Mensa den Bauch füllen – das könnte für Studierende an der GesWi bald der Vergangenheit angehören. Die Verkürzung der Öffnungszeiten auf gerade einmal drei Stunden am Tag ist möglicherweise nur der Vorbote. Von Hannah Wahl Was die Mensa-Schließung bedeutet Studierende der Fachbereiche Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie haben in absehbarer Zukunft keine Möglichkeit mehr, sich schnell, gesund und günstig im Gebäude zu versorgen. Das bedeutet nicht nur, dass der gemütliche Kaffee mit KollegInnen zwischen den Vorlesungen wegfällt: Um einen langen Unitag zu überstehen, müssen sich Studierende zukünftig bei den umliegenden Supermärkten mit kalter Verpflegung eindecken, oder auf die teuren Gastronomiebetriebe in der Umgebung ausweichen – sofern sie sich das leisten können. Das studentische Leben wird damit wieder ein Stück mehr aus der Universität verbannt. Auch die Uni-Bediensteten an der GesWi – viele davon in prekären Anstellungsverhältnissen – sind davon betroffen und können sich in ihren Pausen nicht mehr im Gebäude versorgen.

Fehlende Transparenz, keine Kommunikation – ein Kalkül? Lange war es nur ein Gerücht, denn keiner fühlt sich dafür zuständig, Studierende und Bedienstete an der GesWi über die Mensa-Angelegenheit offiziell zu informieren. Vielleicht auch besser für Mensa-Betreiber und Universitätsleitung – negative Veränderungen führen still und leise durchgeführt zu weniger Aufregung. Außerdem haben die Betroffenen so weniger Zeit sich zu wehren, und eine Schließung rückgängig zu machen ist natürlich weitaus komplizierter als die Schließung zu verhindern. Derzeit wird auf Nachfragen vom Betreiber kommuniziert, es sei keine Schließung angedacht, während das Dekanat davon spricht, dass die Schließung zumindest noch nicht fix sei. Wie glaubwürdig das Dementi ist, wird sich wohl erst im Oktober herausstellen. Dann soll laut anonymen Informanten die Geswi-Mensa endgültig schließen.


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Die gefürchtete Konkurrenz der Mensa: ein leerer Kühlschrank.

Unsolidarische Studierende? Die Österreichischen Mensen Betriebsgesellschaft mbH (ÖMBG) gibt den Studierenden die Schuld. Diese würden lieber die Großkonzerne „Billa“ und „Spar“ unterstützen, anstatt das „gute Preis-Leistungsverhältnis“ der Mensa anzunehmen. Auch den STVen, die alle heiligen Zeiten einen Brunch anbieten, und dem meist leeren „Fairteiler“, mit dem Studierende Lebensmittel verschenken und somit vor dem Kaputtwerden retten können, will man eine Teilschuld zuschieben. Massive Einschränkungen der Öffnungszeiten und das damit einhergehende immer schlechtere Angebot senkt auch die Nachfrage – nur der Betreiber scheint das leider nicht zu erkennen. Versuche der MitarbeiterInnen, das Angebot der Mensa attraktiver zu gestalten, z.B. durch ein Frühstücksangebot, verschiedene Snacks und Salate etc., fielen wohl Einsparungen und Umstrukturierungen zum Opfer. Dass Studierende, aber auch die Fachbereiche, sich der Wichtigkeit der Mensa bewusst sind und es keineswegs an Solidarität mangelt, zeigen der schriftliche Protest der Fachbereiche sowie die zahlreichen Unterschriften, die in den vergangenen Wochen mit großem Engagement von StudienvertreterInnen gesammelt wurden. Das Geschäft mit den Studierenden Teure Mieten, teures Semesterticket, teure Versorgungskosten – kein Wunder, dass zwei Drittel der Studierenden arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Die Mensa an der Hochschule trägt zumindest einen kleinen Teil bei, den teuren

Versorgungskosten entgegenzusteuern. Damit hat die Mensa auch einen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen. Auch das jährliche Minus der Mensa, das laut Betreiber -5000€ beträgt, befreit weder Mensa noch Universitätsleitung von ihrer Verpflichtung, für das „studentische Wohl“ an den Universitätsstandorten zu sorgen. Anstatt das Defizit durch universitäre Gelder auszugleichen, sollen laut Mensa-Betreiber die Studierenden die Mensa retten: „Sie können uns allerdings gerne lösungsorientierte Maßnahmenvorschläge erbringen, möglicherweise Subventionen aus Studentenvereinen, ÖH, etc…“ Was passieren muss Zurück zu vernünftigen Öffnungszeiten, die den Studierenden und Angestellten ermöglichen, mehr als dreieinhalb Stunden am Tag etwas zu konsumieren. Zudem eine fundierte Analyse darüber, wie dieser Standort mit 500-1000 potentiellen Kunden pro Tag überhaupt defizitär geführt werden kann, immerhin sieht die Mensa nach eigenen Aussagen „seit zwei Jahren zu, wie der Standort von Jahr zu Jahr defizitärer wird.“ Dazu gehört auch das Gespräch mit den Studierenden, nicht nur Gejammer über „fehlende Solidarität“, Angst vor Touristenlokalen und Supermärkten. Außerdem müssen – und das bestätigen Gespräche mit den betroffenen Studierenden – die Preise gesenkt und die Qualität wieder angehoben werden. Die Universitätsleitung muss, im Sinne des viel genannten „studentischen Wohls“, die Mensa bei ihrem gesellschaftlichen Auftrag unterstützen und im Notfall auch finanziell Hilfe leisten.

Das Mensa-Problem Ein Kommentar von Christoph Würfelberger Man könnte ja fast lachen, wäre es nicht so traurig: Die Mensa-Leitung behauptet allen Ernstes, sie könne den Standort am Rudolfskai nicht kostendeckend betreiben. Es gehört schon einiges Geschick dazu, ein Cafe mit hunderten potentiellen KundInnen pro Tag defizitär zu betreiben. Schuld soll neben den umliegenden, teuren Touristenlokalen in der Altstadt ausgerechnet ein kleiner Kühlschrank („Fairteiler“) sein, der – wenn er nicht leer ist – mit meist halb-verfaultem Gemüse befüllt ist. Wenn das die Konkurrenz sein soll, derentwegen die Mensa defizitär ist, dann sollte sich die Mensa-Leitung schleunigst einen neuen Job suchen – am besten als Clown, denn Humor scheint man ja zu haben.


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WAS PASSIERT EIGENTLICH MIT MEINEM STUDIENBEITRAG? Studierende aus der EU, die länger als die Regelstudienzeit samt Toleranzsemester für ihr Studium bzw. den betreffenden Studienabschnitt benötigen, müssen – abgesehen von einigen Ausnahmen – pro Semester € 363,36 an die Universität entrichten. Studierende aus Drittstaaten zahlen davon unabhängig sogar den doppelten Studienbeitrag in Höhe von € 726,72 pro Semester. Doch was passiert mit dem Geld? Von Tobias Neugebauer

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ie Universität Salzburg erhält jährlich in etwa € 1,8 Mio. an Studienbeiträgen, die von den Studierenden gemäß der gesetzlichen Bestimmungen (§§ 91 und 92 UG 2002) sowie der Studienbeitragsverordnung zu entrichten sind. Die Universität verwendete diese Gelder, um damit den laufenden Betrieb mitzufinanzieren, schließlich machen diese Zahlungen bei einem Jahresbudget von etwa € 170 Mio. (Stand 2015) etwas mehr als 1 Prozent des Gesamtbudgets aus. Die gängige Praxis muss jedoch einer kritischen Überprüfung unterzogen werden, denn die öffentlichen Universitäten in Österreich sind hier an bestimmte gesetzliche Vorgaben gebunden. Als der Bundesgesetzgeber im Jahr 2002 flächendeckend die Studienbeiträge einführte, legte er gleichzeitig fest, dass den Studierenden ein Mitbestimmungsrecht über die Verwendung dieser Budgetmittel zusteht. Dabei hat der Senat der jeweiligen Universität verschiedene Kategorien festzulegen, aus denen die Studierenden anschließend auswählen können. So sind die Studierenden zwar in ihrer Auswahl nicht vollkommen frei (da sie nur aus diesen Kategorien wählen können), die StudierendenvertreterInnen im Senat haben jedoch das Recht, mindestens eine der Kategorien für die Zweckwidmung zu bestimmen. Theoretisch klingt das zwar schön und gut, praktisch kamen und kommen die Bestimmungen über die Zweckwidmung

an den öffentlichen Universitäten jedoch kaum zur Anwendung. Zumindest an den „großen“ Universitäten dürften die Studierenden ihrer Rechte beraubt werden, indem entweder nur eine Kategorie festgelegt wird (so an der Universität Wien), wodurch den Studierenden keine Auswahlmöglichkeit gelassen wird, oder die Festlegung der Kategorien durch den Senat erst gar nicht durchgeführt wird. In Salzburg hat man sich – auf Druck der Studierendenkurie im Senat – dazu durchgerungen, die Zweckwidmung zumindest ab dem Kalenderjahr 2017 vorzunehmen. An anderen öffentlichen Universitäten sträubt man sich derzeit anscheinend noch dagegen, den Studierenden das gesetzlich vorgesehene Mitspracherecht zuzugestehen. Begründet wird dies meist damit, dass der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2011 eine Bestimmung über die Zweckwidmung aufgehoben hat – daneben blieben aber weitere gesetzliche Regelungen über die Widmung der Beiträge durch die Studierenden bestehen. Ein Rechtsgutachten, das vom Verband Sozialistischer StudentInnen Österreichs (VSStÖ) in Auftrag gegeben wurde, bestätigt nun, dass die Universitäten unverändert zur Vornahme der Zweckwidmung verpflichtet sind. Um diese auch rechtlich durchzusetzen, haben Angehörige des VSStÖ bereits an fünf Unis Anträge beim Universitätsrat eingebracht. Damit soll die Festlegung der Kategorien für die Zweckwidmung erzwungen werden.


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Laut dem Rechtsgutachten des Rechtsanwalts und ausgewiesenen Hochschulrechtsexperten Dr. Stefan Huber sind die Unis verpflichtet, "die Zweckwidmung der Studienbeiträge durch die Studierenden vornehmen zu lassen und sich bei der Mittelverwendung auch an diese Zweckwidmung zu halten".

„DIE STUDIERENDEN MÜSSEN AUCH EIN RECHT HABEN, MITZUBESTIMMEN, WOFÜR IHR GELD VERWENDET WIRD!“ Die Bedeutung der Zweckwidmung darf dabei nicht unterschätzt werden. Wenn alleine an der Universität Salzburg knapp € 1,8 Mio. in die Kassen der Hochschule fließen, ergibt dies hochgerechnet auf alle öffentlichen Universitäten mehr als € 20 Mio. jährlich, über deren Verwendung die Studierenden derzeit nicht oder nicht rechtskonform entscheiden dürfen. Grund genug, um tätig zu werden. In den letzten Wochen haben die SpitzenkandidatInnen des VSStÖ an den Universitäten Innsbruck, Linz, Graz, Salzburg und der Wirtschaftsuniversität Wien Anträge an den jeweiligen Universitätsrat gestellt, um die Zweckwidmung rechtlich durchzusetzen. Denn wenn schon gezahlt werden muss, müssen die Studierenden auch ein Recht haben mitzubestimmen, wofür ihr Geld verwendet wird! Das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft plant indessen, die Zweckwidmung der Studienbeiträge abzuschaffen. In den Erläuterungen des bereits in Begutachtung geschickten Gesetzesentwurfs wird die Streichung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen als „legistische Bereinigung“ bezeichnet. Ob sich das Ministerium mit Hilfe des Rechtsgutachtens noch umstimmen lässt, ist fraglich. Die Zeichen deuten eher darauf hin, dass die noch bestehende Regierung die Mitbestimmungsrechte der Studierenden noch stärker einschränken will, als dies die schwarz-blaue Regierung zu Beginn der 2000er-Jahre bereits getan hat.

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HOCHSCHULFINANZIERUNG, QUO VADIS? Interessante politische Zeiten stehen uns bevor. Im Herbst entscheidet sich der Dreikampf Kern–Kurz–Strache um das Kanzleramt. Was das für die Zukunft der Universitäten bedeutet, erklärt Christoph Würflinger

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uf uns Studierende kommen harte Zeiten zu. Die neoliberalen Drillinge sind sich einig: Bei den Studierenden gibt’s was zu holen. In welcher Kombination sie letztendlich ab Herbst 2017 regieren, ist unerheblich, denn in der Sache sind sie sich einig: Der freie Hochschulzugang muss abgeschafft werden! Schwarze und Blaue haben Anfang des Jahrtausends schon gezeigt, was von ihnen zu erwarten ist. Kanzler Kern hat Anfang 2017 mit seinem Plan A nachgelegt: Eine Studienplatzfinanzierung muss her. Seine Parteifreundin Sonja Hammerschmied (Bildungsministerin) fordert ganz offen Studiengebühren. Dass sich damit im Hochschulsektor nichts zum Positiven ändern wird, muss klar sein. Ware Bildung Das grundlegende Problem, vor dem wir stehen, ist, dass (Aus-)Bildung gemäß marktwirtschaftlicher Logik in erster Linie eine Ware ist, die man kaufen kann, um damit den persönlichen wirtschaftlichen Aufstieg zu ermöglichen. Es geht in erster Linie um employability, um die Attraktivität für potentielle Arbeitgeber. Was sich am Arbeitsmarkt nicht verwerten lässt, ist nichts wert. Ginge es nach den Hardlinern der Bildungsökonomisierung, würden die meisten von uns Jus, Wirtschaft oder MINT-Fächer studieren, denn nur diese Studienrichtungen garantieren später – angeblich – eine gute Bezahlung. Wer später davon profitiert, muss der Logik

folgend auch dafür investieren – und zwar in Form von Studiengebühren. Unsinnige Studiengebühren Studiengebühren – und das zeigt die Zeit zwischen 2002 und 2009 recht deutlich – sorgen in erster Linie dafür, dass Menschen davon abgeschreckt werden, eine Hochschule zu besuchen. Vor allem Personen aus finanziell schwachen und bildungsfernen Familien wären davon betroffen. Dabei tragen Studiengebühren nur geringfügig zur Finanzierung der Universitäten bei. Zum einen reduziert der hohe Verwaltungsaufwand die Einnahmen, zum anderen ist der Betrag, der den Hochschulen für vernünftige Arbeit fehlt, so hoch, dass er niemals durch dreistellige Beträge (aktuell sind es 363,36€ pro Semester) abgedeckt werden könnte. Es bräuchte schon höhere vierstellige Beträge, damit Studiengebühren einen wirkungsvollen Beitrag zum Uni-Budget leisten könnten – das kann niemand ernsthaft wollen. Zudem ist davon auszugehen, dass sich die Geschichte wiederholen würde: Nach der Einführung der Studiengebühren durch die schwarz-blaue Regierung 2002 wurde nämlich das Hochschulbudget um genau den Betrag gekürzt, den die Gebühren einbrachten. Zu einer Verbesserung der katastrophalen Budgetlage der Unis werden Studiengebühren also bestimmt nichts beitragen – es sei denn man will, dass in Zukunft nur mehr Kinder reicher Eltern studieren können.


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Wundermittel Studienplatzfinanzierung? In der Theorie klingt es ja schön: Es soll sichergestellt werden, dass jeder Studienplatz auch wirklich ausfinanziert ist, damit niemand mehr während der Vorlesung am Boden sitzen muss und damit jedeR einen Seminarplatz bekommt. In der Praxis würde das freilich Zugangsbeschränkungen bedeuten und um die Unterfinanzierung des Hochschulsystems zu lösen, müssten die Studierendenzahlen schon drastisch gekürzt werden. Das steht allerdings im groben Widerspruch zu Zielen wie Bildungspartizipation aller Bevölkerungsschichten, mehr StudienanfängerInnen und einem hohen Anteil von AkademikerInnen in der Gesamtbevölkerung. Zugangsbeschränkungen bedeuten Auswahlverfahren, auf die sich Kinder reicher Eltern besser vorbereiten können (weil sie sich Vorbereitungskurse leisten können, weil sie nicht nebenbei arbeiten müssen etc.). Es würde also wieder Menschen aus finanziell schwachen und bildungsfernen Familien treffen. Was tun? Die Regierung muss endlich umsetzen, was sie schon vor Jahren beschlossen hat: die Erhöhung der Uni-Mittel auf 2 Prozent des BIP. Alles andere wäre verantwortungslos. Schon seit Jahren warnen die österreichischen RektorInnen davor, ganze Fachbereiche bald wegen Geldmangels auflösen zu müssen. Professuren können teilweise nicht mehr nachbesetzt werden und für die Schaffung neuer Stellen fehlt ohnehin schon lange das Geld. Ein Vergleich der Budgets von Bayern und der Schweiz zeigt, dass eine Erhöhung der Mittel dringend notwendig wäre: Studierende an Universitäten 14/15 Österreich 304.160 Schweiz 143.961 Bayern 242.160

Ausgaben in Mrd.€ 3,838 7,220 6,308

Mittel / AbsolventIn in € 102.869 216.284 142.415

Mittel / Studierender/m 12.619 50.152 26.051

Die Schweiz gibt für halb so viele Studierende fast doppelt soviel Geld aus; auch Bayern ist der Hochschulsektor wesentlich mehr wert. Anstatt also über Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren nachzudenken, sollte sich die Regierung schleunigst Gedanken darüber machen, wie sie die bereits beschlossene Budgeterhöhung endlich umsetzt. Denn eine ordentliche finanzielle Ausstattung der Universitäten darf nicht zulasten finanziell Schwacher gehen, denen ohnehin schon genug Hürden in den Weg gelegt werden.

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Jiddisch – Eine Sprache ohne Land „Yiddish has not yet said its last word.“, sagte Isaac Bashevis Singer in seiner Rede, als er 1978 den Nobelpreis für Literatur als erster und bislang einziger jiddischer Schriftsteller erhielt. Eine zu optimistische Aussage oder anders gefragt: Spricht eigentlich irgendjemand Jiddisch? Carolina Forstner im Interview mit Dr. Armin Eidherr, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Jiddistik und Deutsch-Jüdische Literatur an der Universität Salzburg zu lehren. uni:press: Warum eigentlich Jiddisch? Könnte man dann nicht genauso gut Altgriechisch oder Gotisch lernen? Dr. Eidherr: Weil Jiddisch mehr als eine Sprache ist. Die ganze Weltkultur ist in die jiddische Sprache eingeflossen. Sei es in der Sprache selbst: Es ist eine Sprache, die ihre Wurzeln in einigen Sprachen hat und die ganze Weltkultur hat in ihr eine „Auferstehung“ erfahren, zum Beispiel in Form von Übersetzungen der Weltliteratur – von Dickens bis Dostojewski. Jiddisch ist eine relativ “junge“ Sprache – sie ist erst circa 1000 Jahre alt und weil sie so jung ist, sind Veränderungen und Adaptionen im Jiddischen noch klarer erkennbar. Das Jiddische hat eine eigene Schrift, sie verwendet zwar die hebräische Schrift, wandelt diese jedoch ab. Es ist eine schöne aber auch gefährdete Sprache, allein schon deswegen lohnt es sich, sich mit ihr zu beschäftigen.

uni:press: Warum eine gefährdete Sprache? Gibt es eigentlich noch JiddischsprecherInnen? Dr. Eidherr: Ja es gibt noch viele JiddischsprecherInnen, jedoch wurde der Nährboden des Jiddischen – Osteuropa – durch den Holocaust fast judenfrei gemacht und mit jenen, die noch fliehen konnten, ist die jiddische Kultur großteils nach Amerika gewandert. Dort konnte sie sich nur schwer halten. Wenn man nach Israel floh, löste die hebräische die jiddische Kultur ab. Es gibt aber sogar Zeitungen und Bücher – Jiddisch sprechen weitaus mehr Menschen als zum Beispiel Isländisch mit circa 300.000 SprecherInnen. Es ist zwar schwer zu sagen wie man den Terminus „SprecherIn“ korrekt definieren möchte, aber ich würde die Zahl der JiddischsprecherInnen auf circa 3 Millionen schätzen. Jiddisch ist also keine tote Sprache.


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© Susan S - Flickr.com

Es gibt zwei Milieus, die sich wenig überschneiden, die Jiddisch sprechen. Das eine ist das orthodoxe Milieu, dieser Gesellschaftskreis verwendet Jiddisch aus Tradition, um im Alltag nicht die „heilige Sprache“ Hebräisch zu sprechen. SprecherInnen des anderen Milieus nennen sich „JiddischistInnen“, die eher als weltlich und politisch links einzustufen sind, aber im Jiddischen ihre Identität sehen. Sie verteilen sich auf die ganze Welt, sind aber besonders stark in den Vereinigten Staaten. uni:press: Aus welchen Sprachen entwickelte sich die jiddische Sprache? Dr. Eidherr: Das Jiddische besteht aus vier Hauptkomponenten: Slawisch, Deutsch, Hebräisch und aus Internationalismen. Der Grundstock basiert auf dem Mittelhochdeutschen, circa 70-80%der jiddischen Sprache. Die restlichen verteilen sich je nach Textsorte auf die eben genannten drei Sprachursprünge. uni:press: Warum wird Jiddisch nicht der Stellenwert einer „eigenen“ Sprache einberaumt? Dr. Eidherr: Das Jiddische wird und wurde oft behandelt, als sei es ein Dialekt. Jiddisch wird oft durch Lieder, wie zum Beispiel der Klezmermusik, vermittelt, so entsteht der Eindruck, dass das Jiddische nur aus einer Kultur der Lieder besteht. Doch die jiddische Kultur ist noch viel mehr als nur Musikstücke und umfasst einen riesigen Kanon. Für uns Deutschsprechende mag vieles vertraut klingen, doch um jiddische Texte wirklich verstehen zu können, muss man sich intensiv mit der Grammatik und den anderen Sprachkomponenten, wie dem Hebräischen, beschäftigen. Es gibt eine Menge an jiddischen Wörtern, die auf den ersten Blick klar verständlich wirken – zum Beispiel das Wort „tajch“ (‫)ךייט‬ – man denkt dabei sofort an das deutsche Wort „Teich“,

jedoch hat ‫ ךייט‬nicht dieselbe Bedeutung wie im Deutschen, sondern wird als Fluss übersetzt, was den Sinn eines Textes, der vielleicht anfangs verständlich klingt, natürlich verändert. Es gibt im Jiddischen sehr viele Worte, die für uns Deutschsprechende sehr vertraut klingen, sich jedoch als „falsche Freunde“ herausstellen und ihre Wortherkunft aus ganz anderen Komponenten als dem Deutschen ziehen und nur ähnlich wirken.

JIDDISCH KANN MAN IN ÖSTERREICH ÜBRIGENS NUR IN SALZBURG AUF UNIVERSITÄREM NIVEAU LERNEN! Gibt es eine Zukunft für die jiddische Sprache? Eine Antwort, die dieser Artikel wohl der Beantwortung schuldig bleiben wird. Jiddisch ist eine Sprache der Diaspora, in keinem Land war sie jemals offizielle Landessprache. Schätzungen zufolge waren fünf der sechs Millionen im Zweiten Weltkrieg ermordeten JüdInnen Jiddisch-SprecherInnen. Prof. Dr. Yechiel Szeintuch, der Jiddisch an der Hebräischen Universität Jerusalem lehrt, sagte in einem Gespräch: „In Osteuropa ist Jiddisch nicht gestorben. Es wurde ermordet.“1 Dennoch - dem Jiddischen wohnt für eine totgesagte Sprache eine bemerkenswerte Vitalität inne. Das zeigt sich zum Beispiel im Deutschen in Lehnwörtern wie etwa: Ganove, meschugge, Tacheles, Schmock, Kaff, Chuzpe, die Liste ist lang. Gilles Rozier, ein französischer Schriftsteller und der ehemalige Leiter des Pariser Hauses für jüdische Kultur, welches die größte jiddische Institution Europas ist, beschreibt Jiddisch folgendermaßen: „Diese Sprache ist ein Ozean, ihre Literatur eine versunkene Stadt. Sie wartet voller Ungeduld auf dem Grund der Wasser, die sie begraben haben. Sie bleibt im Herzen der Menschen. Wir müssen nur nach ihr tauchen.“

1 http://www.zentralratdjuden.de/de/article/3138. der-kampf-ums-%C3%BCberleben.html Infos über das Masterstudium Jüdische Kulturgeschichte: Der spezifische Ansatz des Salzburger Masterstudiums „Jüdische Kulturgeschichte" besteht in der interdisziplinären Vernetzung der Judaistik/Jüdischen Studien mit anderen kulturwissenschaftlichen Fragestellungen und Forschungsfeldern. Ziel des Studiums ist der Erwerb von Wissen und analytischen Kompetenzen, jüdische Kulturen und Identitäten der verschiedenen Epochen und Regionen betreffend. Gesellschaftspolitische Debatten um politische und religiöse Identitäten, um Integration und Migration sowie zum Thema Antisemitismus, Erinnerungspolitik und Diskriminierungen sind in diesem Studium ständig im Blick; es geht darum, die damit verbundenen Fragestellungen zu analysieren und ihre historischen und kulturellen Spuren zu verfolgen. Dazu sind sprachliche Grundlagen in Hebräisch und Jiddisch unerlässlich.


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DIE LEIDEN DES (JUNGEN)1

JUSSTUDIERENDEN

Was ein Studium der Rechtswissenschaften mit Blutschweiß, Liebesbeziehungen und Geldbäumchen zu tun hat, erzählt euch Sarah Ducellari

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illkommen im Jusstudium.

Alle, die Jus studieren, wissen, was ich meine. Alle die gerade beginnen, werden sich denken, ach, so schlimm wird es schon nicht werden. Stimmt.

Mühe und Fleiß ALLES schaffen kann, I know, I know... Mit diesen zwei Attributen ist tatsächlich alles schaffbar; darüber sehe ich jedoch mühelos hinweg und fahre mit meinem Gesudere unbeirrt fort.) Um nicht zu erfahren, dass es niemandem außer mir und meinen FreundInnen so geht und mich nur Grillenzirpen erwartet wenn ich hier schimpfe, habe ich mit ein paar JusstudentInnen gesprochen.

Es wird noch viel schlimmer. Spaß (oder auch nicht Spaß) beiseite: In jedem Studium gibt es einige Dinge, die man nur mit anderen StudentInnen dieses Faches über Stunden und Tage diskutieren kann; Freunde und Verwandte können es natürlich verstehen, aber wie genau sich dieser ganz spezielle Schmerz anfühlt, weiß nur jemand, der oder die selbst schon einmal Blut über seinen Unterlagen geschwitzt hat. Okay, vielleicht kein Blut, aber wenn nicht mindestens zwei Tränentropfen auf deinem Skript/Buch/ Taschentuch mit deinen Notizen sind, machst du es nicht richtig. Aber keine Sorge, genauso wenig wie du es richtig machst, macht es der Rest von uns (geschätzte 42384328 StudentInnen) auch falsch. (An alle glücklichen StudentInnen aka Fabelwesen/ Magier, die sich hier nicht angesprochen fühlen und den Text bis hierher einfach nicht nachvollziehen können, weil das alles nur Blödsinn ist und man mit

Hier die TOP TEN der Dinge, die uns fertig machen (aus den Leiden werden hier nun „Zehn Dinge die ich an dir hasse“ - How do I loathe thee? Let me count the ways.): Von unten nach oben, das Beste2 kommt zum Schluss. 10. Wie die Zahl zehn eine Zahl von unendlich vielen ist, so bist auch du eine Zahl, die neben anderen Zahlen sitzt und genauso irrelevant wie die restlichen ist. Willkommen in der Welt. Bevölkerung: 7,3 Milliarden. Teil der Bevölkerung, den deine Leiden, Wünsche oder auch nur dein richtiger Name interessiert... Grillenzirpen. Mit Ausnahme von Mama und Papa. 9. Hier kommen wir auch gleich zum nächsten Punkt. Die ProfessorInnen kennen deinen Namen nicht und deine MitstudentInnen gleich noch weniger. Natürlich. Bei Kursen mit 50 Menschen ist kein Platz und, wenn wir uns ehrlich sind, Nerv, die anderen kennenzulernen. Für zugezogene StudentInnen ist dieser Teil einer der schwierigsten.

1 Nur um genau zu sein, die Klammern stellen dar, dass es sich hier um junge, aber nicht ausschließlich junge, JusstudentInnen handelt. Natürlich sind hier auch die älteren .. – Halt. Meint man hier die älteren, die schon länger studieren als ihre KommilitonInnen, oder älter im Sinne ihres tatsächlichen Alters? 2 Es gibt hier kein „Bestes“, da es eine Aufzählung der negativen Dinge dieses Studiums ist, als kleine Erläuterung, damit hier keine Missverständnisse aufkommen - You get the point?


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8. Viele Menschen, noch mehr Prüfungsstoff. Wenn man, wie meine Wenigkeit, in der Schule die „Prüfungen“ (haha) so gemeistert hat, indem man sich in der Pause vor der Stunde noch schnell etwas durchgelesen hat und es auch so bis zur Matura geschafft hat, wird man merken, dass dieses System genauso schnell wieder zu vergessen ist. Im ersten Abschnitt hat man vielleicht noch Glück. Im zweiten hast du vergessen, was Glück überhaupt heißt, denn dir begegnet es in diesem Zeitraum sowieso nicht. MINDESTvorbereitungszeit für eine Fachprüfung (Willkommen in der Wirklichkeit!): 4 Wochen. Min. des. tens.

tatsächlich einmal lernst. Du liest etwas - du liest es noch ein zweites und drittes Mal, nur um ganz sicher zu gehen, dass du kein Wort verstanden hast, geschweige denn wiedergeben kannst, was dort geschrieben steht. In den Top 3 der Leiden: Der gleiche Moment, aber nicht zu Hause im stillen Kämmerchen, wo niemand dein Versagen mitbekommt, sondern im Saal mit 200 anderen StudentInnen, die sich alle umsehen, um zu sehen, ob es nur ihnen so geht. Sollte zu Prüfungsbeginn leichtes, nervöses Lachen von allen ertönen, die neben dir sitzen, kannst du zumindest beruhigt sein, dass es nicht nur dir so geht.

7. 4 Wochen mindestens? Ach, das ist ja noch eeeeeeeeeeewig. Tja, wie auch bei den meisten Liebesbeziehungen stellte sich die Ewigkeit als ein klitzekleines bisschen zu kurz heraus. Dabei hätte noch eine Woche mehr locker gereicht, um die Prüfung zu schaffen. Das Problem: Was dir an Zeit im Nachhinein noch gegeben wird (weil du z.B. erst zum nächsten Termin antrittst), wird dir im Vorhinein wieder fehlen. Eine Woche länger Zeit = eine Woche später zu lernen zu beginnen, da wir Erwachsene, was das betrifft, völlig lernresistent zu sein scheinen.

2. Die Top 2 der Liste der Symptome - Stoffabgrenzung. Dieses Mal wurde alles verstanden. Du kannst die Theorie, die Schemata in- und auswendig und hast jeden Fall gelöst, den diese oder eine andere Uni seit 1700 jemals zur Prüfung gegeben hat. Am Vorabend hast du dir noch bis 3 Uhr in der Früh etwas eingetrichtert - und dann ÜBERRASCHUNG: Alles uns bisher Bekannte wurde auf den Kopf gestellt. Der BESTE Moment, dies den StudentInnen zu übermitteln (und auch der schmerzhafteste) – beim Austeilen der Angabe.

6. Die Woche, die du vielleicht früher beginnst zu lernen, wird dir spätestens dann die Laune verderben, wenn kurz danach die neue Auflage des Lernbuches/Kodex auftaucht. Aber keine Sorge: Einmal das Geldbäumchen schütteln, das jeder von uns zu Hause stehen hat, und dann besorgst du dir diese Sachen ganz Chanel. Denn was Lacostet schon die Welt? Hier bei uns spielt Geld doch keine Rolex. Sarkasmus Ende.

1. Die absolute Nummer eins, die römische Eins, das Non Plus Ultra der nervigen Dinge im Jusstudium:

5. Kein Geldbäumchen. Also muss ein Job her. Die meisten Studierenden arbeiten nebenher. Durch die Uni werden aber Praktika und dergleichen kaum vermittelt. Wie auch beim Lernen, Studienplan zusammenstellen und all den anderen lustigen Dingen, die einen erwarten, ist auch die Jobsuche eine sehr, sehr einsame Angelegenheit. 4. Deine ganze Zeit geht für Uni und Arbeit drauf und du fragst dich, wo deine Zeit geblieben ist. Sie liegt gut auf der Uni verwahrt, wo die ProfessorInnen und ihr Fußvolk mindestens 4 Wochen für die Bewertung deiner Prüfung brauchen. Plus Minus die vorher erwähnte Ewigkeit. 3. Aber nicht nur dort ist sie verborgen wie ein Schatz, sondern auch in der Zeit, in der du dann

KommilitonInnen, die a) Vor der Prüfung, während der Prüfung, nach der Prüfung jammern, dass sie GANZ SICHER eine 5 haben, weil dieses und jenes usw. und so fort und dann ein Sehr Gut ins PLUS Online eingetragen bekommen. (Kurze Frage, falls jemand so eine E-Mail tatsächlich in seinem Posteingang hat, könnte man mir einen Screenshot davon senden? Würde gerne mal sehen, wie so etwas aussieht.) b) Sagen, wiiiiiie schlimm die Prüfung ist, und unschaffbar und was, du hast nur 3 Monate gelernt? Viel viel zu wenig! Am besten meldest du dich gleich ab. c) Ach, die ist total einfach. Ich hab mir am Vorabend die Zusammenfassung durchgelesen und bin locker durchgekommen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

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Salzburg

du schnöde Perle.

Das Gute liegt so nah. Die Ironie daran ist, dass einem das oft erst in der Ferne klar wird. Die ist aber mindestens genauso schön. Gedanken über Beziehungspausen und das Sich-neu-Verlieben von Sandra Grübler Klobalisierung Vor Kurzem sprach ich mit einem Kommilitonen aus Salzburg über unsere Stadt. Die Stadt, in der wir beide leben, arbeiten und studieren. Und die wir beide aus Überzeugung hasslieben. Ich liebe sie (meistens), er hasst sie (fast immer). Während unseres Gesprächs purzelte ein sehr bildlicher Vergleich aus seinem Mund: Salzburg sei ein kulturelles Plumpsklo und literarisches Bauerntheater. Autsch. Obwohl meine erste Reaktion natürlich war, Salzburg aufs Heftigste zu verteidigen, stimmt es natürlich, dass einem Salzburg in vielerlei Hinsicht manchmal sehr klein vorkommen kann und in vielem – zumindest gefühlt – heftig hinterherhinkt, so sehr es auch versucht mitzuhalten. Und ja, während ich diese Zeilen schreibe, male ich mir bereits das empörte Schnauben aus, zu dem sich wohl viele LeserInnen an dieser Stelle genötigt fühlen. Ich schnaube selbst

empört, über das, was ich hier tippe, denn ich liebe Salzburg, ehrlich und aufrichtig. Aber wie in jeder Liebesbeziehung ist es gesund, manchmal auch die rosa Brille abzunehmen und sich einzugestehen: Der andere ist ebenso wenig perfekt wie man selbst. Für mich als Salzburger Landei aus den Gasteiner Bergen (Schleichwerbung auf 3, 2, 1!) fühlte es sich vor einigen Jahren wie ein riesengroßer Schritt an, die Landidylle zu verlassen, um in die GROSSE STADT zu ziehen und zu studieren. Die Tatsache, dass sich Salzburg bereits nach wenigen Wochen eher als großes Dorf erwies, indem beinahe jeder jeden kennt, war für mich damals ein großer Bonus: die Annehmlichkeiten der Stadt zu genießen, ohne die Gemütlichkeit des Landes komplett aufgeben zu müssen, machte es mir sehr leicht, mich schnell zu Hause zu fühlen und fühlte sich schlicht und ergreifend gut an. Und tut es heute noch.


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Kommt es etwa doch auf die Größe an? Dennoch kam mir Salzburg zwischenzeitlich einfach zu klein vor. Natürlich kommt es nicht auf die Größe an [bestätigendes Nicken bitte hier einfügen], aber wenn einen das Gefühl überkommt, dass in der Kürze nicht mehr genug Würze liegt [anzügliches Grinsen oder pikierte Augenbrauenakrobatik an dieser Stelle einfügen], ist es wichtig, die Zelte abzubrechen und sich etwas Größeres zu suchen. Und das tat ich dann auch. Ich zog also nach Sydney, ans andere Ende der Welt. Im australischen Sydney wohnen über fünf Millionen Menschen und ich kann mit Fug und Recht behaupten: diese Stadt schläft nie. Abends kann man sich zwischen unzähligen Konzerten, Lesungen, Kinofilmen, Lichtershows, Kabaretts und Pubs (nicht) entscheiden, tagsüber locken einen die Strände und die bezaubernden Märkte und an jeder Ecke warten drei Abenteuer und Menschen, die einem auf herzliche Weise den Weg erklären, obwohl man nie danach gefragt hat. Ähnlich wie Salzburg kam auch die Millionenstadt Sydney mir nach ein paar Wochen wie ein kleines, feines Städtchen vor, in dem ich mich daheim und angekommen fühlte. Weil ich Freunde gefunden hatte, einen chinesischen Obsthändler, der mich schon von weitem grüßte und einen Job, den ich liebte. Als ich schließlich in den Flieger stieg, der mich wieder nach good old Austria bringen sollte, ließ ich ein ziemlich großes Stück meines Herzens in Down Under. Und als ich ausstieg, verliebte ich mich neu in Salzburg. Wir haben einfach wirklich riesiges Glück mit Salzburg. Aus unseren Leitungen fließt Trinkwasser, dessen Geruch die Augen nicht zum Tränen bringt, vor unseren Türen erstrecken sich Wälder und Berge und endlose Felder, und dennoch können wir keine fünf Schritte gehen ohne nicht über Kunst und Kultur zu stolpern, die von außen zwar oft bieder wirkt, bei näherem Hinsehen Salzburg jedoch als HipsterStadt-To-Be enttarnt. Und so oft die asiatischen Touris, die im Sommer die Getreidegasse zur Sperrzone werden lassen, für entnervtes Augenrollen sorgen, ist es andererseits doch einfach nur grandios, dass unsere Stadt es schafft, Menschen Tag für

Tag begeistertes Funkeln in die Augen zu zaubern. Bevor diese Angelegenheit nun aber zu kitschig wird, sollte ich einräumen: ich schreibe diesen konfus-schnulzigen Beitrag nicht in meiner Wohnung in Salzburg, auch nicht in der Unibib oder in einem unserer überteuerten Cafés, sondern in der wohl abgefucktesten WG-Bruchbude Krakaus ( ja, genau, Polen). Denn Salzburg wurde mir nach zweieinhalb Jahren wieder einmal zu klein und um die Liebe aufrecht zu erhalten, ist es manchmal wichtig, auf Distanz zu gehen. Während ich also hier in dieser AltbauGibt-Es-So-Etwas-Wirklich-Noch-Hölle sitze, sich meine nicht verschließbare Zimmertür zum dreizehnten Mal selbst öffnet, ich bete, dass die Deckenlampe heute einen guten Tag hat und meine zwei griesgrämigen polnischen Mitbewohnerinnen Pierogi ruskie kochen, kann ich nicht umhin festzustellen: auch Krakau ist in den letzten Monaten zu meinem Zuhause geworden. Diese historisch-hippe Stadt mit ihrer Streetart, ihrer viel zu guten Küche, ihren blutrünstigen Legenden, den Großmütterchen, die an jeder Ecke Brezeln oder Blumen verkaufen und dem ich-bin-alt-na-und-Charme, den viele der Häuser mit Stolz nach außen tragen. Heimatl(i)eben oder Salzburg, du Plumpsklo meiner Träume Es kommt wohl manchmal viel weniger auf die Stadt an, als auf einen selbst. Jede Perle kann zum Plumpsklo werden, wenn wir uns nicht die Mühe machen, genau hinzusehen. Und in jedem vermeintlichen Plumpsklo (alleine das Wort lässt das Grundschul-Wandertagstrauma zurückkehren!) kann sich eine Perle verstecken. Die richtige Einstellung ermöglicht es einem, sich überall zu Hause zu fühlen. Mit der falschen Einstellung fühlt man sich wohl nirgendwo so richtig daheim. Oder, wie man hier in Polen sagt: Gdzie serce tam i szczęście. Wo Herz, da Glück. Ich freue mich schon darauf, mich nach Ende dieses Semesters und meiner (Aus-) Zeit in Polen, neu in Salzburg zu verlieben.

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WIDERSTAND IST (AUCH) WEIBLICH! 2018 jährt sich der Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland zum 80. Mal. Der KZ-Verband Salzburg ist daher bemüht, im Gedenkjahr ein besonderes Projekt zu finalisieren. Die Schicksale von sieben widerständigen Frauen, die im Salzburger Stadtgebiet und in Hallein wohnten und ohne vorheriges Verfahren nach Auschwitz deportiert wurden, wurden näher beleuchtet. Für sie soll ein bereits bestehendes Denkmal im Stölzlpark im Stadtteil Maxglan erweitert werden. Von Tobias Neugebauer

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ie Geschichte der österreichischen kommunistischen Jugendfunktionärin und Widerstandskämpferin Rosa „Ratzi“ Hofmann mag der einen oder dem anderen LeserIn bekannt sein. In der Stadt Salzburg erinnern mittlerweile eine Gedenktafel am Wohnhaus, ein Denkmal im Stölzlpark, ein Stolperstein und eine nach ihr benannte Straße an sie. Die Namen und Schicksale weiterer Frauen aus Salzburg, die im Widerstand gegen das Nazi-Regime ihr Leben las-

sen mussten, sind jedoch großteils unbekannt. Der Verband der Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus Salzburg (KZ-Verband Salzburg) hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, an das Leben und Wirken der sieben Frauen aus dem Großraum Salzburg mahnend zu erinnern. Rosa Bermoser, Maria Bumberger, Anna Frauneder, Marianne Innerberger, Anna Prähauser und Anna Reindl aus der Stadt Salzburg sowie Josefine Lindorfer aus Hallein wurden vom Polizeigefängnis in Salz-

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burg nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihnen allen wurde nicht einmal ein Prozess gewährt, der sie zumindest theoretisch vor der Ermordung hätte retten können. Der österreichische Historiker Gert Kerschbaumer hat die Lebensgeschichten der sieben Widerstandskämpferinnen durchleuchtet – ihre Biographien sowie die vieler weiterer Opfer aus dem Bundesland Salzburg kann man auf der Seite des Dachverbands Salzburger Kulturstätten (Aktion Stolperstein Salzburg http://www.stolpersteine-salzburg. at/) nachlesen. Insgesamt, so Gert Kerschbaumer, waren es mindestens 79 Aktivistinnen und Aktivisten aus den diversen sozialistischen und kommunistischen Widerstandsgruppen in Stadt und Land Salzburg, die in Konzentrationslagern oder Zuchthäusern zu Tode kamen oder nach der Befreiung an den Folgen der Haft starben. Sie alle dürfen nicht vergessen werden! Deshalb soll nun im Stölzlpark im Stadtteil Maxglan – wo bereits ein

Denkmal für Rosa Hofmann zu finden ist – durch ein Kunstprojekt eine Gedenkstätte mit weitreichenden Informationen für Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus geschaffen werden. Diese soll – wenn es nach Christine Steger und Patrick Bohn geht, die das Projekt für den KZ-Verband federführend betreuen – noch im Gedenkjahr 2018 eröffnet werden. Weiters angedacht ist auch, dass gesellschaftlich bedeutende Salzburgerinnen eine Patinnenschaft für die ermordeten Frauen im Widerstand übernehmen, um verstärkt auf die Wichtigkeit der Erinnerungsund Gedenkkultur aufmerksam zu machen. Hier soll bereits reges Interesse bestehen. Die Stadt Salzburg hat im kommenden Jahr die Chance, weiter zur Aufarbeitung ihrer Geschichte – insbesondere jener der NS-Zeit – beizutragen. Es bleibt zu hoffen, dass sie diese Gelegenheit ergreift und dieses sowie zahlreiche weitere Projekte sowohl organisatorisch als auch finanziell unterstützt.

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Eines steht fest: VegetarierInnen nerven. Nicht nur wollen sie immer eine „Extrawurst“, sie belehren einen auch gerne über Moral. Darauf hat natürlich niemand Lust. Aber: Haben sie Recht? Ein Kommentar von Moritz Friedrich

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Eines steht fest: VegetarierInnen nerven. Nicht nur wollen sie immer eine „Extrawurst“, sie belehren einen auch gerne über Moral. Darauf hat natürlich niemand Lust. Aber: Haben sie Recht? Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen auf Fleisch verzichten. Neben gesundheitlichen Gründen ist vielen der Verbrauch von Nahrungsmitteln durch die Tierhaltung und der Beitrag der Nutztiere am Klimawandel wichtig. Aber an der Frage der Tiere scheiden sich wirklich die Geister. Bleiben wir also dabei. Das grundsätzliche Argument für Veganismus sieht so aus: Wir sollten Tiere nicht unnötig leiden lassen. Tierprodukte zu konsumieren lässt Tiere leiden.

Tierprodukte zu konsumieren ist unnötig. Also sollten wir keine Tierprodukte konsumieren. Ist dieses Argument zutreffend? Es lässt sich kaum leugnen, dass die allermeisten Nutztiere unter äußerst schlechten Bedingungen leben. Z.B. haben die meisten Schweine in Österreich und Deutschland 0,75 qm Platz und können ihre Instinkte wie Graben, Futtersuchen oder Nest bauen nicht ausleben.1,2 Zuchtsauen stehen zweimal im Jahr bis zu vier Wochen in Kastenständen, die so eng sind, dass sie sich nicht umdrehen können.3 Männliche Schweine dürfen in Österreich ohne Betäubung kastriert werden.4 Es ist auch sehr schwer, überhaupt Fleisch aus anderer Haltung aufzutreiben: In Deutschland leben mehr als 99,5% der Schweine in konventioneller Haltung.5

1 http://vgt.at/presse/ news/2017/news20170322y. php 2 http://www.bmel.de/ DE/Tier/Nutztierhaltung/ Schweine/schweine_node. html 3 http://www.bmel.de/ DE/Tier/Nutztierhaltung/ Schweine/schweine_node. html 4 http://vgt.at/actionalert/ ferkelkastration2016/fakten. php 5 http://www.bmel.de/ DE/Tier/Nutztierhaltung/ Schweine/schweine_node. html


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MORALAPOSTEL UND SCHWEINE Über die gesundheitlichen Aspekte von Ernährung gibt es viel Diskussion, aber es scheint klar, dass wir Tierprodukte nicht brauchen, um gesund zu leben. Die amerikanische Academy of Nutrition and Dietetics hält eine vegetarische oder vegane Ernährung in allen Lebensphasen für geeignet. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ist etwas kritischer, aber sieht das in den meisten Fällen trotzdem als möglich an.6,7 Tierprodukte schmecken gut, sind aber nicht nötig. Es erscheint auch klar, dass wir Tiere nicht unnötig leiden lassen sollten. Kaum jemand würde es in Ordnung finden, zum Beispiel einen Hund zum Spaß zu quälen. Tatsächlich reicht dieses Argument völlig aus, um den Verzicht auf Tierprodukte zu fordern, wenn man der Aussage voll und ganz zustimmt. Aber: Greift das nicht etwas zu kurz? Haben wir nicht das Recht, Tiere zu nutzen, wegen unserer größeren Intelligenz? Andere Tiere fressen auch Tiere. Und ist Moral nicht etwas von und für Menschen? Haben wir nicht schon immer Tiere gegessen? Tiere zu essen ist natürlich. Vor allem ist es doch deutlich weniger schlimm, wenn ein Tier leidet, als wenn ein Mensch leidet. Viele dieser Einwände machen nur auf den ersten Blick Sinn. Weniger intelligente Menschen (z.B. Kinder) darf man auch nicht einfach so ausnutzen. Löwen sind keine guten moralischen Vorbilder. Solange uns Tierquälerei nicht völlig egal ist, zählen offensichtlich auch die Tiere zu den moralisch relevanten Wesen. Aus der Natur geschaffene Dinge, oder solche die sich aus Traditionsgründen halten, sind nicht zwangsläufig gut. Was ist mit der Ansicht, dass Menschen moralisch mehr zählen als Tiere? Der Philosoph Peter Singer nennt diese Haltung ‚Speziesismus‘ (analog zu Rassismus und Sexismus). Speziesismus ist "ein Vorurteil oder eine Haltung der Voreingenommenheit zugunsten der Interessen der Mitglieder der eigenen Spezies und gegen die Interessen der Mitglieder anderer Spezies."8 Genauso wie wir ein Wesen nicht

wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmen Ethnie oder einem bestimmten Geschlecht abwerten sollten, sollten wir das auch nicht wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Spezies tun. Aber ist Speziesismus wirklich falsch? Menschen haben schließlich ganz andere Eigenschaften und Fähigkeiten als Tiere. Das Problem daran ist, dass es keine relevante Eigenschaft gibt, die alle Menschen von allen Tieren unterscheidet. (Während wir moralisch alle Menschen von allen Tieren unterscheiden.) Menschen sind im Durchschnitt intelligenter als Tiere, aber es gibt Menschen, (z.B. kleine Kinder) die weniger intelligent sind als manche Tiere (z.B. ausgewachsene Schweine). Wenn eine bestimmte Intelligenz (oder andere Eigenschaft) das Kriterium wäre, ob ein Wesen moralisch berücksichtigt werden muss oder nicht, müssten wir manche Menschen ausschließen, was natürlich niemand will. Wenn die Interessen der Tiere aber genauso zählen wie die von Menschen, sollten wir sie nicht für unseren Genuss einsperren und töten. Diese Schlussfolgerung kommt einem vielleicht absurd vor. Aber es ist wichtig, sich zu erinnern, dass sich Menschen mit dem Aufgeben von gruppenbezogener Diskriminierung schwertun. Noch vor 160 Jahren waren in Teilen der USA Sklaverei und in allen westlichen Ländern offener Rassismus und Sexismus die Norm, und den Menschen damals kamen Forderungen nach Gleichberechtigung von Frauen, Schwarzen oder Homosexuellen oft absurd vor. Diese Menschen haben wie wir in dem Bewusstsein gelebt, gute Menschen zu sein und auf dem Höhepunkt der Zivilisationsgeschichte zu stehen. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, Fehlschlüsse zu ziehen, die uns heute unvorstellbar erscheinen. Ist es also absurd anzunehmen, dass auch wir in Bezug auf Tiere solche Fehler in unserer moralischen Intuition haben? Was werden die Menschen in 160 Jahren über unseren Umgang mit Tieren denken?

6 http://www.vrg.org/nutrition/2009_ADA_position_paper.pdf 7 https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2016/04_16/ EU04_2016_M220-M230_ korr.pdf 8 Praktische Ethik, Peter Singer, 2013


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TATENRUHM, TREUE UND TRADITION Neben Wirtshaus, Pfarrkirche und Billaparkplatz gehört das Kriegerdenkmal zum Standardinventar der typischen österreichischen Landgemeinde. Die verwitterten Monumente lösen heute nicht nur Befremdlichkeit aus, sondern sie transportieren vielerorts auch fragwürdige Narrative und Mythen in Bezug auf die NS- und Nachkriegszeit, wie zwei Fallbeispiele aus der oberösterreichischen Provinz zeigen.1 Von Clemens Gruber Markt Aschach an der Donau (Bezirk Eferding)

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ls meist einzige Symbole zeitgeschichtlicher Erinnerungskultur haben Kriegerdenkmäler in vielen Landgemeinden eine Monopolstellung inne. Ihre Gestaltung und Symbolik ist aber oft irritierend. Von »Helden«, von »Vaterland«, von »Dank« und »Ehre« und anderen beschönigenden Floskeln ist die Rede, eindeutig militaristische Symbole und Überreste nationalsozialistischer Ästhetik sind keine Seltenheit. Kriegerdenkmäler evozieren damit ein Vergangenheitskonstrukt, das neben der simplifizierenden Darstellung der Kriegsereignisse aber vor allem auf einer Relativierung der NS-Zeit beruht. Opfer des NS-Terrors und des Holocaust finden ebenso wenig Erwähnung wie die Ver-

brechen österreichischer NS-TäterInnen. Ländliche Kriegerdenkmäler sind in der Regel Abbilder punktueller und eindimensionaler Vergangenheitsbetrachtung, die eine Reduzierung historischer Komplexität zugunsten lokaler Bedürfnisse und regional bedingter Gegebenheiten leisten. Sie sind demnach keine Orte, an denen objektive, historische Erkenntnisse tradiert werden, sondern sie leisten »plebiszitäre Geschichtsschreibung. (…) Kriegerdenkmäler drücken aus, was die Menschen in der Gemeinde für ›wahr‹, für ›wirklich‹ halten wollen«.2 Trotz dieser Kritikpunkte sind die Denkmäler sakrosankte Elemente, denen trotz aller historischer Brisanz der Nimbus des »immer schon dagewesenen«

1 Der Artikel basiert auf: Gruber, Clemens: Helden-Opfer-Kriegsverbrecher. Symbolik und Rezeption ländlicher Kriegerdenkmäler in Oberösterreich vor und nach 1945. Wien: 2016. Univ. Dipl.-Arb. 2 Pelinka, Anton: Vorwort. In: Gärtner, Reinhold; Rosenberger, Sieglinde: Kriegerdenkmäler. Innsbruck: 1991. Studien-Verlag. S.7.


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und der »Normalität« anhaftet. So auch im Markt Aschach an der Donau (Bezirk Eferding). Direkt an einem der meistbefahren Radwege Europas, neben bunten BürgerInnenhäusern und lauschigen Schanigärten lädt das Kriegerdenkmal die RadtouristInnen zu einer Verschnaufpause ein. Dessen zentrales Element, ein Granitfindling mit einer der altnordischen Liedersammlung »Edda« entliehenen Runeninschrift (»Ewig ist der Toten Tatenruhm«), stammt noch original aus dem Dritten Reich. Der ursprüngliche »Ehrenhain« war am 8. November 1942 im Rahmen einer stark ritualhaften NS-Propagandafeier eingeweiht worden – zu einem Zeitpunkt, als die abermalige Radikalisierung der Kriegs- und Vernichtungspolitik des Regimes voll im Gange war. Die Runeninschrift symbolisiert bis heute den Helden- und Opferkult des Dritten Reiches, der den Vernichtungskrieg des NS-Regimes positiv besetzen sollte. Bei einer Umgestaltung 1951 blieb der Spruch unangetastet – vor dem Hintergrund der Ausbildung der österreichischen Opferthese in der Nachkriegszeit hatte er nichts an Aktualität verloren.3 Legitimation erhalten Kriegerdenkmäler häufig durch herkömmliche Vorstellungen von Pietät. In der unscheinbaren Ortschaft Stillfüssing bei Waizenkirchen (Bezirk Grieskirchen) liegen direkt an der Straße in einem Massengrab 13 deutsche Angehörige der Waffen-SS begraben. Sie fanden am 4. Mai 1945 bei einem Gefecht mit US-Truppen den Tod. Waizenkirchen (Bezirk Grieskirchen)

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Das Kriegerdenkmal in Maxglan wurde 1959 feierlich mit Feldmesse und der Maxglaner Trachtenmusikkapelle enthüllt. Als Ehrengast war unter anderem der damalige Landeshauptmann Josef Klaus eingeladen.

Die Heimat dankt ihren Söhnen – für die zahllosen Kriegsverbrechen?

Seit Jahrzehnten finden bei dem ursprünglich vom »Österreichischen Schwarzen Kreuz« errichteten Denkmal unter dem Deckmantel der »Tradition« Gedenkfeiern statt. Hauptakteur ist dabei die »Kameradschaft Vier« – ein Veteranenverband der ehemaligen Waffen-SS, der auch lange in Salzburg aktiv war.4 Unter Zutun des »Österreichischen Kameradschaftsbundes« und mit Duldung der Öffentlichkeit bzw. der Gemeinde wurde bei den Feiern in Stillfüssing jahrelang revisionistisches bzw. nationalsozialistisches Gedankengut und Nachkriegsmythen verbreitet. Mehrmals wurden die Veranstaltungen als »Heldengedenken« und unter Verwendung des SS-Leitspruchs »unsere Ehre heißt Treue« öffentlich in Waizenkirchen beworben. Im Zuge einer Renovierung des Denkmals im Jahr 2015 kam es zu keiner kritischen inhaltlichen Auseinandersetzung. Beide Kriegerdenkmäler sind bis heute unverändert und bestehen weiter als Ausdruck anachronistischer Erinnerungskultur, die ihre ursprüngliche gesellschaftliche Bedeutung längst verloren hat. Eine politische Lösung kam in den Orten bislang nicht zustande, angesichts aktueller Krisen scheint eine Diskussion über Gedenkkultur und deren zeitgemäße Interpretation in der Gesellschaft nicht möglich zu sein. Der fortschreitende Historisierungsprozess aber wird eben diese Frage, nämlich wie wir mit Erinnerungen umgehen, in Zukunft unweigerlich und immer wieder aufwerfen.

3 Vgl. Uhl, Heidemarie: Landscapes of Commemoration: Historical Memory and Monument Culture in Austria (1945-2000). In: Borejsza, Jerzy W.; Hulas, Magdalena (Hrsg.): Totalitarian and Authoritarian Regimes in Europe: Legacies and Lessons from the Twentieth Century. 2006: New York u.a. Berghahn. 4 Vgl. http://tinyurl.com/kameradschaftIV bzw. http:// tinyurl.com/SS-gedenken


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POLITIK & GESELLSCHAFT

SOLIDARITÄT

SCHAFFT

RAUM

Die Schließung des "Denkmals" hat eine riesige kulturelle Lücke in Salzburg hinterlassen. Einige engagierte junge Leute setzen jetzt alles daran, diese zu füllen. Dabei soll neben kulturellen Möglichkeiten auch Wohnraum geschaffen werden. Von Carlos Peter Reinelt


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Ein Projekt der Autonomen Wohnfabrik Es ist soweit, das erste Salzburger Hausprojekt steht kurz vor der Realisierung. Die Autonome Wohnfabrik ist das zweite habiTATs-Haus in Österreich, das nach dem Vorbild des deutschen Mietshäuser-Syndikats freigekauft und somit für immer dem Spekulationsmarkt entzogen wird. Das HabiTAT ist ein Zusammenschluss unterschiedlicher Hausprojekte aus verschiedenen Städten, der österreichweit agiert, um Häuser vom Spekulationsmarkt freizukaufen. Nachdem mit dem 'Denkmal' im vergangen Herbst die letzte alternative Bar geschlossen hat, gibt es in Salzburg praktisch keine linken Orte für Konzerte und größere Veranstaltungen mehr. Die Autonome Wohnfabrik schafft einen Anlaufpunkt für politischen Austausch und Diskurs und bietet zugleich Räumlichkeiten für Vorträge, Workshops und Lesungen. In Salzburg mangelt es nicht nur an politischen Kulturräumen, auch glänzt es durch überteuerte Mieten und extrem hohe Lebenshaltungskosten. Mieten von über 400 Euro für ein WG-Zimmer sind keine Seltenheit. Mit der Verwirklichung des ersten Salzburger Hausprojektes setzt die Wohnfabrik ein Zeichen gegen überteuerte Mieten und den Immobilienspekula-

tionsmarkt und ist hoffentlich nur das Erste von vielen Häusern, die kollektiv gekauft und dem Markt für immer entrissen werden. Anfang März wurde der Kaufvorvertrag für das Haus unterschrieben. Es befindet sich zentral in Bahnhofsnähe und verfügt neben 10 Wohnungen mit Platz für 12 Menschen über einen Gemeinschaftsraum samt Küche, einen geräumigen Keller und eine Bar, die an einen befreundeten Verein vermietet werden soll. Die Finanzierung des Hauses wird zu 2/3 von der deutschen GLS-Bank übernommen, das restliche Drittel wird über Direktkredite von Privatpersonen aufgestellt. Bis Ende Juni müssen 280.000€ an Direktkrediten aufgenommen werden, im Moment (Anfang Juni) ist der Stand bei knapp 150.000€. Um den Kauf über die Bühne zu bringen, fehlen also noch 130.000€. Da alles Rechtliche schon geklärt ist und es keine anderen Hürden mehr gibt, steht und fällt das gesamte Projekt mit der Finanzierung. Mehr Informationen zum Projekt und wie ihr es unterstützen könnt gibt es unter www.autonome-wohnfabrik.at oder ihr schreibt uns eine Mail an wohnfabrik@ systemli.org. Wir sind auch auf Twitter und Facebook vertreten und ihr könnt euch dort über unsere neusten Veranstaltungen informieren!

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kultur & menschen

Gott gegen Allah – das ist Brutalität!


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In ihren Namen wird gemordet, vergewaltigt und versklavt. Nach etlichen Jahrhunderten brechen Allah und Gott ihr Schweigen und haben sich für ein exklusives Interview mit der uni:press zur Verfügung gestellt. Ein Gespräch über Krieg, Snapchat und Jack Nicholson. Interview mit Cärlos P. Reinelt1 uni:press: Lieber Gott, im ersten Buch Moses tötest du Onan, von dem das Wort onanieren kommt, weil er „seinen Samen auf den Boden“ fallen ließ. Ich, ein begeisterter Samen-auf-den-Boden-fallen-lasser, frage mich da: Wieso lebe ich noch? Gott: Man wird mit dem Alter zahmer. Sein erstes Kind behandelt man strenger als seine Enkel. Wird dir auch noch so gehen. Aber von Onan war das schon sehr dreist. Ich töte extra seinen Bruder, damit er dessen Frau begatten kann, und dann macht er das. Das hat mich schon gekränkt. uni:press: : Okay… Allah, hattest du schon einmal mit ähnlichen Problemen zu kämpfen? Allah: Nein. Meine Gefolgschaft bekommt ausreichend Material, also Frauen, zur Verfügung gestellt. Keine alten Witwen. Mohammed war seit seiner Jugend schon ein Freund der Direkteinspritzung. uni:press: Auch mal gern bei jüngeren… Seine dritte Ehefrau Aischa war bei der Hochzeit 6 Jahre alt, beim Vollzug der Ehe dürfte sie 9 oder 10 gewesen

sein. Ist das nicht ein bisschen früh, für eine *hust* „Direkteinspritzung“? Allah: Ich möchte da Jack Nicholson aus Einer flog über das Kuckucksnest zitieren: „Unter uns gesagt Doktor, sie war vielleicht jung, aber wenn sie diese kleine rosa Muschi direkt vor sich haben, muss man doch nicht gleich verrückt sein, wenn man da nicht widerstehen kann.“ uni:press: Oooookay. Ich wechsle mal das Thema. Gott, viele fragen sich, ob es sowas wie einen guten Gott überhaupt geben kann, wenn man z.B. krebskranke Kinder, den Holocaust, oder die Sklaverei vor Augen hat. Gott: Holo-was? Allah: Holocaust, das weiß sogar ich (gibt Gott einen Klaps auf den Hinterkopf). Er wird wirklich schon alt. Nietzsche hatte Unrecht, als er sagte, Gott sei tot. Aber er liegt quasi schon im Sterben. Lang macht er es nicht mehr.

1 Wegen der Angst vor etwaigen Fundamentalisten, veröffentlicht der Autor unter geändertem Namen. Und vor so nem komischen Anwalt, der mich wegen des letzten Artikels anzeigen wollt. Lol.


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uni:press: Ihr scheint euch eigentlich recht gut zu vertragen. Das wirkt etwas überraschend, wenn man auf die Kriege der Welt sieht. Allah: Ach Carlos2, du spielst doch mit deinen Geschwistern auch manchmal gern das Brettspiel Risiko. Das macht Spaß. Wir haben halt die superrealistische Advanced Edition. Gott: Total, weißt wie fad dir sonst da oben wird? Und wie sich der Allah immer ärgert, dass er Israel nicht kriegt. (streckt ihm die Zunge entgegen) Israel wirst du niemals kriegen!

wir ihn nicht mehr bei unseren Risiko-Abenden dabeihaben. uni:press: Man darf euch beide ja nicht abbilden. Vor dem Interview habt ihr wegen den Fotos diese, pardon, lächerlichen Masken angezogen. Die Frage liegt auf der Hand: Seid ihr… Seid ihr hässlich? Gott: Du kennst doch diese Snapchatfilter. Bei denen die Haut geglättet wird und einen verschönern? uni:press: Ja. Gott: Nicht einmal die helfen bei Allah.

uni:press: Gott, Sie sind ja damals als Jesus auf die Welt gekommen und haben so ein paar Wunder vollbracht. Manchmal beten Sie als Jesus aber, bei Johannes sagen Sie: „Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche“ Sprechen sie da echt mit sich selbst? Ist das nicht ziemlich schizophren von Ihnen? Gott: Come on! Das sind mir die liebsten Atheisten: Bei mir wird das immer kritisiert, aber wenn Gollum im Herr der Ringe mit sich selbst redet findet ihr es geil! Da redet man dann von Kunst. Ich habe die Methode erfunden, nicht Tolkien, ich! Man sollte nicht golluming sondern jesusing dazu sagen. Allah: Hey, wo ist eigentlich Buddha? Ich dachte wir werden zu dritt interviewt.

Allah: Hey! Wenigstens schicke ich nicht täglich Snaps mit diesem komischen Hundefilter darauf. Wie alt bist du? 14? Gott: Mal sicher 1000 Jahre älter als du! Außerdem hast du gesagt, du findest die Fotos lustig… uni:press: Zurück zum Anfang. Jesus hat zwar nicht wie Mohamed mit Kindern geschlafen, aber dafür gibt es genug christliche Priester, die das erledig haben. Was soll das? Gott: Da halte ich es mit Jack Nicholson, der in The Shining sagt: „Hiiiiiieeeeeer kommt Jackie!“ uni:press: Was hat das mit meiner Frage zu tun?

uni:press: Der lässt sich entschuldigen, er steckt noch im Samsara fest. Kränkt es euch eigentlich, dass im Osten viele Menschen aufgrund buddhistischer Religionskriege ermordet wurden, aber Buddhismus heute von vielen Eso-Leuten im Westen als einzige friedvolle Weltreligion angesehen wird?

Gott: Welcher Frage?

Gott: Buddha?

Allah: Er hat mich gefragt! (wieder ein Klaps auf den Hinterkopf) Ganz ehrlich, das habe ich nicht gelesen. Wer liest denn dieses Schundblatt schon?

Allah: Mir ist das egal. Aber ich bin ganz froh, dass

uni:press: Allah, in der vorletzten uni:press habe ich dafür aufgerufen, dich zu töten. Nimmst du mir das übel? Gott: Nein.

2 Da das Wort Allahs nicht verfälscht werden darf, steht hier der richtige Autorenname. Die uni:press bittet etwaige Terroristen trotzdem, ihm nicht aufzulauern.


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EIN SEHNSUCHTSORT,

IRGENDWIE AUS DER ZEIT GEFALLEN.

Kuba: Normalerweise braucht man schon einen ganzen Abend und eine ganze Flasche Wein oder in diesem Fall Rum, um die Eindrücke einer Reise zu erzählen. Dieser Artikel kann also kaum eine Urlaubserfahrung, geschweige denn ein ganzes Land charakterisieren. Versuchen wir trotzdem, dieses Land der Widersprüche und Ungereimtheiten einzufangen. Was ist dran am Kuba-Hype? Von Paul Großkopf und Carolina Forstner


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Bunte Oldtimer vor dem Capitolio in Havanna, ein Cuba Libre in der Hand am azurblauen Meer, leicht bekleidete Menschen, die zu Salsa Musik tanzen und irgendwo im Hinterkopf hat das auch mit irgendeiner Revolution zu tun. Gleich zu Beginn, ja das ist Kuba, zumindest der Teil von Kuba, den man herausgeputzt hat und idealisiert den Touristen präsentiert. In Habanna Vieja spielt in einem Pub eine Band das gesamte Buena Vista Social Club Album rauf und runter, während krebsrote TouristInnen verschwitzt an ihren Cuba Libres und Mochitos schlürfen und hustend an Cohibas nuckeln. Eine Straße weiter sitzen KubanerInnen an einer baufälligen Bar, trinken puren Schnaps aus Plastikbechern und schnipsen die Asche ihrer 20 Cent Zigarren in abgeschnittene Bierdosen. Im Radio läuft Reggaton und Straßenhunde liegen am Boden. Auch das ist Kuba! Diese Widersprüche liegen so dicht beieinander, dass es einem als EuropäerIn so bizarr vorkommt, als seien die Gesetze der Logik aufgehoben. Eine Häuserzeile hinter dem Capitolio gibt es Schlaglöcher in den Straßen, in denen nach dem Regen Kinder baden, während in Habanna Central ein ganzer Häuserblock in ein Kunstwerk verwandelt wurde mit Bildern und Statuen aus Müll. In den staatlichen Restaurants zahlt man 10 Dollar für das, was man am Straßenrand in der Einheimischenwährung für 50 Cent bekommt: Reis, Bohnen, Fleisch. KulinarikerInnen sollten Kuba prinzipiell meiden, denn außer diesem Essen gibt es schlechte Pizza, schlechte Pasta und der Klassiker: Bocadito Jamon y Queso (Schinken-Käse-Sandwich), welches überall genau gleich schmeckt. Es kann passieren, dass es Montagmorgen kein Wasser mehr im Geschäft gibt und wenn es welches gibt, dann mit einem Fantasiepreis für TouristInnen.


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Siehe Bild Mitte unten

Kulinarische "Genüsse" (Es hat so geschmeckt, wie es aussieht)

Teures Internet gibt es nur am Hauptplatz und dort sitzt dann das ganze Dorf versammelt, wie Tiere vor der Tränke. In einem See im Valle de Viñales baden KubanerInnen, doch als TouristIn kostet das. Manchmal wird man von KubanerInnen auf ein ganzes Spanferkel und Unmengen an Rum eingeladen, manchmal wird man als AusländerIn 30 Minuten lang von der Kellnerin ignoriert. Die Landschaft und Architektur versprechen ein so schönes Land, doch der Versuch, ein Museum zu besuchen, scheitert allzu oft an den Worten: „Is closed, mañana posible!“ GegnerInnen des Kommunismus werden nun sagen: „Ja, das passiert halt, wenn man es mit dem Sozialismus probiert!“ Links-linke GutmenschInnen könnten dann erwidern, dass Kuba die zweitbeste Krankenversicherung in Amerika hat. (Nach Kanada, vor ’Murrica.) Doch auch wenn wir als EuropäerInnen meinen, Kultur und Moral gepachtet zu haben, müssen wir anerkennen, dass es in Kuba keine BettlerInnen gibt und Rassismus ein Fremdwort ist. Am Ende stellen wir uns natürlich die Frage: Kuba, quo vadis? Klar ist, Kuba wird sich in den nächsten Jahren stark verändern, wie genau, kann keineR voraussagen. Doch keine Angst, es wird weiterhin Cuba Libres, Salsamusik und überteuerte Souvenirs geben. Nur vielleicht ein bisschen weniger Oldtimer Taxis und hoffentlich ein bisschen besseres Essen.


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Wer sich trotz unseres nüchternen und realistischen Blickes auf die Karibikinsel wagen will - hier ein paar Tipps, die euch die Planung um einiges erleichtern könnten: Touristenkarte: Um eine Touristenkarte zu erhalten, müssen mindestens drei Übernachtungen in einem Hotel/Hostel/ Casa particular vorliegen, um diese beantragen zu können. Weiters müssen die Einreise und Ausreise aus Kuba mittels der Flugticketdaten angegeben und so an die kubanische Botschaft in Wien weitergegeben werden. Die Touristenkarte erlaubt Reisenden einen Aufenthalt von bis zu 30 Tagen. Doch ACHTUNG an alle, die dem Pauschaltourismus abschwören und nicht ein Gesamtpackage mit „Buena Vista Social Club“-Kon-

zertabend samt Touristenkarte buchen: Kümmert euch früh genug um eure Touristenkarte. Anfang Dezember beantragt, konnten wir nach unzähligen E-Mails und tagelangem Telefonterror ein paar Tage vor unsere Einreise (Mitte Februar) unsere Karten in den Händen halten. Ob unser Fall eine einmalige Begebenheit war oder die kubanische Botschaft in Wien nicht gerade die schnellste Bearbeitungszeit hat, können wir nicht beurteilen, früh genug und mit dem nötigen Nachdruck seine Touristenkarte anzufordern schadet jedenfalls bestimmt nicht. Am Flughafen wird einem ein kleiner Abschnitt der Touristenkarte ausgehändigt, diesen unbedingt aufbewahren, denn er muss bei der Ausreise wieder vorgezeigt werden und wird dann einbehalten.


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Die Mural de la Prehistoria wurde in Fidel Castros Auftrag vom mexikanischen Künstler Leovigildo González Morillo geschaffen.

Wohnen & Herumreisen in Kuba: Als Unterkünfte dienten uns sogenannte Casa particulares, billige Unterkünfte, die meist von Landsleuten betrieben werden. Für umgerechnet 12 Euro pro Nase nächtigt man nicht nur ganz passabel, sondern lebt auch noch mit KubanerInnen unter einem Dach. Seit unserer Kubareise sind wir Kenner aller Latinschlager und sangen „Despacito“ schon vor allen anderen. Sammeltaxis sind, wenn man nicht allzu großen Wert auf Komfort und Beinfreiheit legt, eine günstige Alternative zu öffentlichen Verkehrsmitteln, wie etwa der Buslinie Viazul. Die Taxis werden meist von den InhaberInnen der Casas organisiert. Tipp: Vom wunderschönen Valle de Viñales ein Sam-

meltaxi zu einer Insel namens Cayo Jutias nehmen – die mehrstündige Autofahrt über holprige Straßen wird mit einem Traumstrand belohnt. Generell waren wir von den Stränden in Kuba positiv begeistert: Wenige Touristen, türkisblaues Wasser und saubere Sandstrände, die von Palmen gesäumt sind und wie gephotoshopped wirken. Bei jedem unserer Treffen kommt irgendwann das Thema „Kubaurlaub“ wieder ins Gespräch. Doch auch nach etlichen Versuchen, unseren Urlaub zu bewerten, fällt es uns schwer, ein klares Urteil abzugeben. Zu viele Gegensätze trüben den Blick. Kuba ist und bleibt eine einzigartige Erfahrung, ein Urlaub den man so schnell nicht vergisst!

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Jana & JS – Wände voller

© Martin Leixnering

Nachdenklichkeit, Nostalgie und Melancholie

Street Art gibt es auch in Salzburg. Beim genaueren Hinsehen lassen sich in der Mozartstadt einige beeindruckende, teils versteckte Kunstwerke an unerwarteten Orten finden. Einzige Bedingung für den Kunstgenuss: Ein offenes Auge. Von Christoph Mödlhamer


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© Jana & JS

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Verträumt blickt das Mädchen in nachdenklicher Pose von der Wand. Nur ein verstohlener Blick trifft vorbeikommende PassantInnen. Hinter ihr eine karge Hochhausfront. Wohnung um Wohnung, Balkon um Balkon zwängen sich aneinander. Privatsphäre: Fehlanzeige. Direkt daneben, aber räumlich deutlich abgegrenzt, auf einem Zählerkasten, ist eine junge Frau im Kleid auf dem Fensterbrett sitzend zu erkennen. Sie schaut abgewandt aus dem geöffneten Fenster in die Ferne. Beide Bilder fallen dem/r aufmerksamen BeobachterIn sofort ins Auge. Dennoch übersehen viele Vorbeikommende diese Schätze – selbst wenn sie täglich daran vorbeigehen. Genau das ist die Anziehungskraft von Street Art. Auf der ehemaligen Geschäftsfront der verlassenen „Tändlerei“ in einer engen Gasse mitten in der Stadt finden sich diese Bilder. Darunter eine Signatur: Jana & JS. Jana und JS steht für ein KünstlerInnen-Duo, das in Salzburg seine Spuren hinterlassen hat. Leicht zu übersehen, schmücken ihre Kunstwerke meist verlassene Orte und versteckte Ecken in der Stadt. Auch das Umland ist nicht verschont geblieben. Wer sind Jana & JS? Und warum machen sie derartige Kunst im öffentlichen Raum? Hinter diesem Pseudonym, das bereits europaweit für Furore sorgt, stecken die Salzburgerin Jana und ihr Ehemann Jean-Sébastien aus Paris. Bereits seit über zehn Jahren sind die beiden beruflich wie auch privat ein Paar. Die uni:press hat Jean-Sébastien in ihrem Atelier nahe Salzburg besucht und ihm einige Fragen gestellt. uni:press: Wer seid ihr? Stellt euch doch mal unseren LeserInnen vor. Jean-Sébastien: Wir sind ein Künstler-Duo. Jana kommt aus Salzburg und ich aus Frankreich. Kennengelernt haben wir uns während meines Erasmus-Aufenthaltes in Madrid vor etwa 13 Jahren. Seitdem leben wir zusammen. Vor einem Jahr haben wir geheiratet und wir haben zwei gemeinsame Kinder. Wir arbeiten sowohl im öffentlichen Raum als auch für und mit Galerien.

uni:press: Habt ihr etwas Künstlerisches studiert? Jean-Sébastien: Ich nicht, denn in meiner Familie hatte Kunst als Beruf, keinen richtigen Stellenwert. Ich habe ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen und auch einige Jahre in Paris in diesem Bereich gearbeitet. Jana kommt eher aus einer künstlerischen Familie. Ihr Vater ist Siebdrucker und ihre Mutter Lithografin. Jana hat Kunstgeschichte und Multimedia-Art studiert. uni:press: Wie hat das bei euch alles angefangen mit der Kunst? Jean-Sébastien: In meinem Auslandsemester in Madrid habe ich viele kleine Stencils bzw. gesprühte Schablonen gesehen. Das hat mich fasziniert und ich wollte das auch machen. So habe ich angefangen leichte Schablonen zu schneiden und bin nachts rausgegangen, um zu sprühen. Das war sehr aufregend. In der Zeit habe ich Jana kennengelernt, die viel mit analogen Kameras fotografiert hat. Wir hatten uns damals gegenseitig inspiriert: Ich fing an zu fotografieren und Jana fing an Schablonen zu schneiden. Seit zehn Jahren arbeiten wir gemeinsam und haben unseren eigenen Stil entwickelt. uni:press: Wie würdest du euren Stil beschreiben? Jean-Sébastien: Unseren Stil zu beschreiben, ist schwierig. Ich würde sagen, dass unser Stil melancholisch, nostalgisch und sehr introspektiv ist. Unsere Bilder entstehen immer von unseren selbstgemachten Fotos, daher ist unser Stil auch sehr persönlich. uni:press: Wer sind die Menschen, die ihr in eure Werke einbaut? Jean-Sébastien: Die Menschen auf unseren Bildern haben immer mit uns zu tun. Das sind Verwandte, FreundInnen oder Bekannte. Das ist uns auch sehr wichtig. Wir wollen zu den Leuten mit denen wir arbeiten eine Beziehung haben. Und wir wollen diese Beziehungen darstellen. Auf vielen Bildern sind wir auch selbst zu sehen.


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uni:press: Was ist der Reiz an Street Art oder Kunst im öffentlichen Raum?

wir uns nie gedacht, dass wir einmal einen Baumstamm im Wald besprühen. Grundsätzlich möchten wir besonders offen sein, sodass jedes Element, egal ob in der Stadt oder am Land der Hintergrund für ein neues Kunstwerk sein kann.

Jean-Sébastien: In den ersten Jahren war es das Adrenalin, das ich spürte, wenn ich nachts rausging, um zu sprühen. Und am nächsten Tag beobachtete ich die Leute, wie sie auf mein Werk reagierten. Heute interessiert uns die Reflektion noch immer und dazu noch die Interaktion. Im Französischen gibt es den Ausdruck “mise en abyme“ – also, mit Spiegeln die Stadt in der Stadt zu zeigen. Das trifft auch auf unsere Arbeiten zu. Der Reiz im öffentlichen Raum zu arbeiten, ist für uns auch das Vergängliche. Man weiß nie, wie lange ein Kunstwerk bleibt. Zum Beispiel das Werk in der Steingasse ist jetzt schon vier Jahre alt und deshalb schon etwas kaputt – aber genau das macht es auch wiederum schön.

Jean-Sébastien: Wie das genau zustande kam, weiß ich nicht mehr. Wir verwenden meist alte Objekte, die wir gesammelt haben, wie zum Beispiel Holzkisten, Türen oder Fensterläden. Alte Holzteile erzählen eine Geschichte – die Risse, Verwitterung, Strukturen fügen sich in unsere Arbeiten ein und werden zu unserer persönlichen Aussage und Teil unseres Stils.

uni:press: Wenn ihr etwas für Draußen macht, wie wählt ihr da einen Ort aus?

uni:press: Hattet ihr als Street Artists bereits Ärger mit der Polizei?

Jean-Sébastien: Er muss für uns spannend und interessant sein. Unsere Arbeit muss sich gut in den Ort integrieren. Es sollte unerwartet sein, dort ein Kunstwerk zu entdecken. Oft messen wir den Platz vorab aus und fertigen dann extra ein Bild für diesen Ort an. Diese speziellen Orte finden wir meistens zufällig – etwa beim Spazieren gehen. Zum Beispiel hätten

Jean-Sébastien: Nein, mit der Polizei hatten wir noch nie Probleme. Die meisten Wände, die wir sprühen sind für unsere Arbeiten genehmigt. Wir möchten mit unserer Kunst ja einen Moment der Poesie erzeugen. Wobei ich der Meinung bin, dass die Stadt Salzburg nicht sehr offen für Street Art ist, darum sprühen wir manchmal unsere Bilder auf Papier und

uni:press: Wie kam es zum Faible für Holz als Hintergrund bzw. Material?

© Jana & JS

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© Jana & JS

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kleben sie an Wände. So können sie leicht wieder entfernt werden, falls gewünscht. uni:press: Street Art in Galerien? Ein Widerspruch? Wie seht ihr das? Jean-Sébastien: Ich finde, dass Street Art prinzipiell draußen stattfinden und frei sein muss. Ich habe aber auch überhaupt kein Problem damit, wenn Street Art in Galerien ausgestellt wird. Nur muss sie anders sein als draußen, denn im geschlossenen Raum verliert man das Besondere, das der Ort draußen hat. Wenn wir für eine Galerie arbeiten, überlegen wir uns ganz genau, welche Materialen und Objekte wir als Hintergründe verwenden. Aber ich finde es nicht gut, wenn Leute eine Wand die Banksy gesprüht hat, abreißen oder zerlegen wollen, um sie zu verkaufen und dieses ganze Street Art-Ding ausnützen, um schnelles Geld zu machen.

Jean-Sébastien: Am Anfang war es für mich etwas schwierig in Salzburg zu leben, weil ich Paris sehr vermisst habe mit seinem Großstadtfeeling. Aber jetzt schätze ich es sehr, dass uns Salzburg die Ruhe und den weiten Raum und Platz für die Entwicklung unsere Arbeit bietet. Wir wohnen in Salzburg am Land und gehen viel in die Natur, die uns immer wieder zu neuen Bildern inspiriert. Gerade die Verbindung zu Holz ist in unserer Arbeit zentral geworden. uni:press: Und was mögt ihr weniger? Jean-Sébastien: Für mich ist die Stadt Salzburg ein bisschen zu konservativ und sie lässt jungen KünstlerInnen nicht viel Raum. Ich würde mir wünschen, dass sich Salzburg endlich für Street Art öffnet und auch die Galerien einmal etwas davon zeigen. uni:press: Was macht ihr so abseits der Kunst?

uni:press: Wo gibt es in Salzburg Werke von euch zu bewundern?

Jean-Sébastien: Abseits der Kunst sind wir eine kleine Familie, die das Leben genießt.

Jean-Sébastien: In der Stadt Salzburg gibt es eigentlich nicht mehr so viel. Das angesprochene Werk in der Steingasse ist das einzige, das mir einfällt. Alle anderen sind verschwunden. Wir haben so zehn bis 15 Sachen gemacht. Aber Salzburg bietet wenig geeignete verlassene Orte, wie zum Beispiel die „Tändlerei“, die interessant für unsere Arbeit sind.

uni:press: Wie sieht‘s bei euch in der Zukunft aus? Pläne?

uni:press: Was schätzt ihr an Salzburg?

Jean-Sébastien: Aktuell arbeiten wir an Werken für Galerien in Amerika, China und Australien. Ende Juni nehmen wir an einem Projekt in München teil. Momentan führen wir Gespräche über ein Street Art-Projekt in Helsinki, das im August stattfindet. Im September machen wir dann eine Solo-Ausstellung in Paris, Anlass dazu ist unsere zehnjährige Zusammenarbeit als Jana&JS.

Mehr zum Schaffen von Jana & JS www.janaundjs.com www.facebook.com/janaundjs www.instagram.com/janaundjs

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DER ULTIMATIVE UNI:PRESS

BEISLTEST FORTGEHEN ABSEITS DES (STUDENTISCHEN) MAINSTREAMS TEIL 2 - LEHEN Rudolfskai, Gstättengasse, Bergstraße oder Imbergstraße – das sind die Topadressen des Salzburger Nachtlebens. Topadressen? Wirklich? Wir haben uns schick gemacht und für euch Lokale abseits des studentischen Nachtlebens getestet, damit ihr ein Refugium findet, wenn euch die Segabar zu fad wird.

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assenschlägereien, Ghettobildung, Salzburgs Schmuddelecke oder dunkler Hinterhof – das sind topgereihte Schlagworte, die Google auf die Suchanfrage „Salzburg Lehen“ liefert. Zugegeben, mit dem Bild Lehens in der öffentlichen Wahrnehmung ist es nicht zum Besten bestellt. Berichte über Gewaltexzesse, Drogenkriminalität, Verkehrschaos und selbstverständlich den Brennpunkt Lehener Park, wo sich unterschiedliche Ethnien regelmäßig Auseinandersetzungen liefern, scheinen omnipräsent zu sein. Doch wie steht es wirklich um Lehen? Schließlich hat der nordwestlich gelegene Stadtteil doch in den letzten Jahren eine ambitionierte Aufwertung erfahren – siehe ehemaliges Stadtwerke-Areal, ehemaliges Lehener-Stadion, oder gegenwärtig der Umbau am Rauchmühlenareal an der Glan. Kann man in Lehen des Nächtens unterwegs sein, ohne Angst haben zu müssen? Kann man im mit 15.000 EinwohnerInnen am dichtesten besiedelten Viertel Salzburgs gepflegt auf ein Glaserl gehen? Diese drängenden Fragen haben wir uns zum Anlass genommen, um erneut zu einem Beisltest auszuschwärmen: Inkognito und die Spielregeln wie gehabt: Pro Beisl und Person ein Bier und einen Schnaps – Willkommen in Lehen! Oldtimer Just am Rande des berühmt-berüchtigten Lehener Parks befand sich unser erster Stopp: Das Oldtimer. Das sympathische Musik-Café in der Franz-Martin-Straße gehört zweifellos zu den Institutionen des Lehener Nachtlebens, existiert es doch bereits seit 1972. Das Interieur wird dem Namen des Lokals gerecht: Alte Blechschilder, Bilder und dekorativer Krimskrams mit einem Hauch vom Amerika der

1960er versprühen nostalgisches Flair. Hinter der Bar findet sich eine üppige Auswahl an Schallplatten – von AC/DC bis Frank Zappa – die am hauseigenen Plattenteller abgespielt werden können. Das Personal ist äußerst freundlich und verfügt über guten Schmäh. Wir bestellten in klassischer Beisltest-Manier je ein Bier sowie einen Schnaps und stellten fest, dass die Preise sehr vernünftig sind. Ein weiteres Highlight am Oldtimer ist definitiv der gemütliche Schanigarten. Adriatische Urlaubsgefühle – und das mitten in Lehen. Die ihn umringenden Gewächse sorgen für die notwendige Diskretion, sollte man sich entschieden haben, die Sonne bei einem kühlen Getränk zu genießen, anstatt in der Lehrveranstaltung zu hocken. Vor etwaigen peinlichen Begegnungen mit und verurteilenden Blicken von KommilitonInnen oder ProfessorInnen ist man somit bestens geschützt. Selbstverständlich mussten wir – in offizieller Mission, der Service-Orientierung der uni:press verpflichtet – davor keine Angst haben. Leider hat das Oldtimer nur bis 01:00 Früh geöffnet, obwohl vor allem in lauen Sommernächten der charmante Gastgarten zum längeren Verweilen einlüde. Zum Stern Nur einen halben Katzensprung vom Oldtimer entfernt, in derselben Straße, versteckt sich das Pub Zum Stern. Wie letztens Joe’s Garage entpuppte sich der Zufallsfund als wahrer Glücksgriff. Im Zum Stern wurden wir sofort freundlichst bedient und uns die Empfehlungen nahegelegt. Wir entschieden uns – wie im Reglement vorgesehen – für ein Bier und einen Schnaps. Genauer gesagt einen Haselnussschnaps – vorzüglich. Dessen Beschreibung als „Mannerwafferlschnaps“ trifft definitiv ins Schwarze. Auch preislich kommt das Zum Stern dem oftmals knappen Studie-


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rendenbudget entgegen. Da es in den wenigen lauen Frühsommernächten in Salzburg ein Frevel wäre, in einem Lokal zu hocken, machten wir uns im ebenso gemütlichen und diskreten Gastgarten breit. Musik vernahmen wir nur im Hintergrund. Es dürfte sich um Charts gehandelt haben. Nach anfänglichem Zögern wurden wir auch von den uns umringenden Stammgästen herzlich aufgenommen und in das ein oder andere Gespräch verwickelt. Ihre Lehen-Expertise und ihre Auskunftsfreudigkeit sollten für den späteren Abend noch Gold wert sein. Die Sanitäreinrichtungen sind gepflegt; wenn auch etwas eng. Die gute Ausstat-

tung derselbigen macht diesen Umstand wieder wett. Auffällig war zudem eine dort vorhandene Fluchtluke. Wofür? Entweder handelte es sich dabei um eine Einfallsluke für Ninjas oder einen Fluchtweg für Zechpreller. Für den kleinen Hunger bietet das Zum Stern etwas Besonderes: Direkt danebengelegen befindet sich das (oder der?) Kumpel Kebap – und der Name ist Programm. Dort können Speisen geordert werden, die anschließend ganz bequem zum Verzehr in den Schanigarten geliefert werden. Natürlich machten wir von dieser Möglichkeit Gebrauch. Fazit: Köstlichst und preiswert.

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Pelikan Der nächste Stopp auf unserer Liste war das Pelikan, direkt an der Lehener Hauptverkehrsader, der Ignaz-Harrer-Straße. Sogleich nach Betreten wurde von der netten Bedienung unsere Bestellung aufgenommen und wir staunten nicht schlecht: Das Pelikan war das preiswerteste Lokal des gesamten Abends. Ein Bier aus der Flasche bekommt man hier noch für vertretbare 3,40 und einen Kurzen – in diesem Fall Marille – für 2,20. Das eigentlich kleine Pelikan besticht außerdem durch seine konsequente Umsetzung des inkonsequenten Nicht-RaucherInnenschutzes in Österreich, der EU-weit nicht nur belächelt, sondern auch bestaunt wird. Es gibt mit der Bar und einem zweiten Raum zwei Raucherbereiche. Eine kleine, nicht wirklich abgetrennte Stube ist für Nicht-Raucher vorgesehen. Daneben befinden sich die Sanitäreinrichtungen, die – gelinde gesagt – zumindest vorhanden sind. Positiv hervorgehoben werden muss definitiv der vorhandene Dart-Automat mit einem reichhaltigen Sortiment an Pfeilen für Vergnügungswillige. Zwar hat das Pelikan auch nicht wirklich lange für NachtschwärmerInnen geöffnet, aber wenn

man zumindest in einer kleineren Gruppe unterwegs ist, sind die BetreiberInnen gewillt, noch die eine oder andere Runde nach offizieller Sperrstunde zu servieren. Rossegger Stüberl Danach ging es in das legendäre Rosseggerstüberl in der gleichnamigen Straße. Vorab muss erwähnt werden, dass uns erst nach Klingeln und zweifelnden Blicken der Einlass „ausnahmsweise“ gewährt wurde. Angeblich hatte das Lokal bereits geschlossen. Diese Ausnahme würdigend setzten wir uns sofort an einen Tisch und wurden von der rustikalen Kellnerin ohne Zeitverlust bedient. Im Rossegger servieren sie Trumer Bier, was die einen jubeln und die anderen ob Kopfweh am Folgetag verzagen lässt. Als Höherprozentiges wurde uns Raki mit Wasser empfohlen – ein Angebot, das wir natürlich annahmen. Das Lokal bietet seinen Gästen außerdem Rommé-Spielkarten zur Unterhaltung an. Zuerst muss aber aus einem Stapel Karten ein spielbares Kartendeck zusammengesucht werden. Uns war das zu mühsam, weshalb wir auf den Spielgenuss verzichteten. Im Rossegger Stüberl wird


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(noch) der RaucherInnen-Schutz groß geschrieben, denn dort darf überall geraucht werden – mit entsprechender Auswirkung auf die Luftqualität. Eigentlich wollten wir, regeltreu, nach der ersten Runde wieder weiterziehen. Doch die Kellnerin sah das wohl etwas anders und erfreute uns mit ihrer Gesellschaft bei Tisch. Dass das fesselnde Geschichten ohne Ende und kleine Frotzeleien/Sticheleien am laufenden Band bedeutete, wird wohl niemand wirklich anzweifeln. Wir ließen uns darauf ein und feuerten auch den einen oder anderen Witz zurück, was summa summarum das Rezept für einen amüsanten und gelungenen Aufenthalt im Rossegger Stüberl war. Wie immer erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gäbe es doch noch einige Klassiker in Lehens Nachtleben zu besuchen. Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde und der eingeschränkten Öffnungszeiten blieb uns dies jedoch versagt; an dieser Stelle ein Hinweis für BeisltouristInnen in spe: Der frühe Vogel fängt den Wurm – die meisten Beisln schließen vor Mitternacht, weshalb es sich empfiehlt, schon am späten Nachmittag loszuziehen. Eine Studierenden-

gruppe nachts in diesen Lehener Lokalen dürfte wohl etwas Exotisches sein. Die von uns besuchten BeislbetreiberInnen waren aber sichtlich über unsere Anwesenheit erfreut. Und auch die Stammgäste zeigten sich freundlich und aufgeschlossen. Zugegeben, mit einer Sperrstunde um 01:00 – während der Woche sowie am Wochenende – werden sich die meisten Beisln in Lehen wohl kaum zu angesagten Treffs unter Studierenden entwickeln. Eine nette Erfahrung und willkommene Abwechslung stellen die von uns besuchten Lokale mit Sicherheit dar. Natürlich können wir nur subjektiv von unseren Erfahrungen berichten und natürlich gab und gibt es in Lehen soziale Brennpunkte und Probleme, die dann und wann überkochen. Wir hatten allerdings zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, in Gefahr zu sein und können einen Beislbesuch in Lehen definitiv weiterempfehlen. Über Anregungen und Geheimtipps für Zukünftiges freut sich übrigens die Redaktion unter presse@ oeh-salzburg.at Prost!

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Disclaimer: Der Test wurde in unserer Freizeit durchgeführt, dadurch keine Studierendeninteressenvertretungsarbeit vernachlässigt. Es wurden keine ÖH-Mittel aufgewendet. Es gab keinerlei finanzielle Zuwendungen seitens der Beisl-InhaberInnen.


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zeit masch ine Interessantes, Kurioses und Schockierendes in alten uni:press-Ausgaben, entdeckt und ausgegraben von Christoph Würflinger

EINE FRAGE DES MÖRTELS? Als Protest gegen den Bildungsabbau mauerten „radikale Studenten“ in der Nacht vom 27. auf den 28. November 2000 die Eingänge zum Haus für Gesellschaftswissenschaften am Rudolfskai zu. Dass solche kreativen Formen des Protests mittlerweile undenkbar geworden sind, finden wir schade. Vielleicht versteht der eine oder andere von euch diese Zeilen ja als Aufruf und Handlungsanleitung. Denn besser ist die Situation der Studierenden ja nicht geworden – ganz im Gegenteil. Montag, 27. November 2000: 12.30 ÖH, Kaigasse 28. Zwei rechtshändige, linksautonome Studierendenvertreter setzen sich in ihr Auto und fahren zur Firma Buchbinder, um einen Lastwagen zu mieten. Entschlossen steuern die verkommenen Subjekte des Bösen diesen dann zum Lagerhaus nach Wals, um 1,2 Tonnen Ziegelsteine für einen kriminellen Akt käuflich zu erwerben. 14.30 Lagerhaus Wals. Die zwei Tagediebe müssen festhalten, dass sie sich bei der Wahl des Leihautos verschätzt haben, weil dessen Nutzlast zu klein ist. Nach einem kurzen Telefonat von einem nicht registrierten Handtelefon, beschließen die beiden, den Wagen bei einer nicht näher bekannten Tankstelle in der Alpenstraße zu wechseln. 16.10 Lagerhaus Wals. Wieder beim Händler


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des angehenden Corpus Delicti eingetroffen, diesmal mit einem Lastwagen, der dem enormen Gewicht gewachsen ist, verstauen die hinterhältigen Schurken Ziegel, den Mörtel und Maurerwerkzeug in dessen Laderaum. 16.30 Parkplatz hinter der GesWi. Der Wagen mit den zur Sachbeschädigung reservierten Objekten steht verlassen und unbeobachtet auf einem nicht näher gekennzeichneten Parkplatzstreifen. 23.00 Shamrock. Eintreffen der ersten Verschwörer. Diese kommen in Kleingruppen mit Schals und Handschuhen vermummt und stark nach Alkohol riechend im vereinbarten Etablissement an. Um kein Aufsehen zu erregen, verharren sie in besagter Aufteilung und erweckendem Eindruck, sich nicht zu kennen. Vermehrt wird der Effekt des Sich-Mut-Antrinkens bemerkbar. Von leuten Gesängen wird aber Abstand genommen. Dienstag, 28. November 2000: 01.50 Vor den Pforten GesWi. Die Kommandos aus dem Etablissement vereinen sich hier mit ihren noch verschlafenen MitverschwörerInnen. Der unverdächtig geparkte Lastwagen wird vor das Gebäude gefahren und verdeckt nunmehr den schaurigen Ort des Geschehens. 02.10 Die letzten der Kleinkriminellen sind eingetroffen. Mit Mörtel, Ziegeln und Maurerkellen beginnen die Schurken ihr schmutziges Werk. 03.00 Das erste Corpus Delicti auf der Vorderseite ist vollendet. Ein linksautonomer Sprayer versieht es mit letzten kommunistischen Hetzparolen. Das Gros der Truppe ist inzwischen so betrunken, dass die Arbeiten nur zögerlich vorangehen. Sich gegenseitig Halt gebend wankt man grölend auf die Hinterseite des geschändeten Gebäudes. 03.20 Rückseite GesWi. Endlich ist es so weit. Die Vorhut der getreuen Hüter von Sitte und Ordnung ist eingetroffen. Der Österreichische Wachdienst zeigt sich von seiner durchschlagekräftigsten Seite. Unmittelbar nach dem Ende der Arbeiten wird jede weitere kriminelle Handlung unterbunden und die Polizei gerufen. 03.45 Eintreffen der Staatsmacht. Die meisten der finsteren Gesellen sind in der Zwischenzeit geflohen. Die VertreterInnen der Staatsmacht nehmen die Daten der Redelsführer (sic!) der Erhebung auf. Diese sind vom Abhalten ähnlicher subversiver Aktivitäten polizeilich bereits bestens bekannt. Aktenauszug: Besagte Studierendenvertreter gelten als unberechenbar und gemeingefährlich. Mit weiteren Schandtaten gegen den Bildungsabbau ist zu rechnen. (uni:press #613, 2000)



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