UNI:PRESS STUDIERENDENZEITUNG DER ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHÜLERINNENSCHAFT SALZBURG — #675 Jänner 2014 —
MINDERHEIT
Interview: Minderheiten im Diskurs. Autor Karl-Markus Gauß erzählt im Interview mit der uni:press über die Stellung von Minderheiten in verschiedenen Systemen. Seite 14.
Wie die Universität sogenannte SchwarzhörerInnen definiert und kriminalisiert. Steht das im Widerspruch zum öffentlichen Bildungsauftrag der Universitäten? Seite 22.
Rechte Gewalt auf dem Vormarsch. Spätestens seit der Aufdeckung des NSU-Skandals wird rechte Gewalt wieder in den Medien diskutiert. Eine Bestandsaufnahme. Seite 46.
Impressum Medieninhaberin: Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Paris Lodron Universität Salzburg (ÖH Salzburg), Kaigasse 28, 5020 Salzburg, www.oeh-salzburg.at / sekretariat@oeh-salzburg.at / Herausgeber: HochschülerInnenschaft / Pressereferent: Christopher Spiegl (Kontakt: presse@oeh-salzburg.at) / Chefredakteurin: Marie Schulz / Redaktion: Marina Hochholzner, Lisa Mitterbauer, Jürgen Wöhry / Layout: Luca Mack / Lektorat: Katharina Zeppezauer-Wachauer, Christopher Spiegl / Anzeigen und Vertrieb: Bernhard Svacina / MitarbeiterInnen an dieser Ausgabe: Maria Gruber, Daniel Winter, Dominik Gruber, Su Karrer, Robert Obermair, Kay-Michael Dankl, Jennifer Rödl, Nicole Vorderobermeier, Stefan Souceck, Christopher Matt, Stephanie Schmidt, Fabian Habersack, Irene Sulzenbacher, Stefan Klingersberger und Brigitte Gertraut Erhardt. VerfasserInnen von anonymen Artikeln sind der Redaktion bekannt. / Druckerei: Print and Smilie, Michael-Rottmayr-Straße 46, A-5110 Oberndorf. / www.laberdruck.at / Auflage: 9.000
EDITORIAL
Liebe Leserin, lieber Leser! „Minderheit“ – das ist der Schwerpunkt dieser Ausgabe der uni:press. Doch was ist das überhaupt, eine Minderheit? Eine Gruppe, die einer größeren Anzahl von Menschen gegenübersteht. Aber nicht nur: Das Wort „Minderheit“ impliziert zugleich ein Machtverhältnis. Wo es eine Minderheit gibt, gibt es nicht nur eine Mehrheit, sondern immer auch eine Gruppe, die im Vorteil ist. In einer Demokratie ist die Mehrheit im Vorteil. Aber nicht nur das: Sie hat den Anspruch, dass die Mehrheit nur dann regieren darf, wenn die Minderheit geschützt wird. Wo Demokratie herrscht, wird Minderheit zu Vielfalt. Soweit die Theorie. Denn wie man in dieser Ausgabe erfährt, sieht die Realität leider oftmals ganz anders aus. Gleich mehrere Artikel beschäftigen sich mit der stark zunehmenden Problematik menschenfeindlicher Tendenzen im Raum Salzburg. Doch die uni:press ist vielfältig: Es geht um Verschwendung, Zivilcourage und das abgeschaffte Wissenschaftsministerium, es wird gehäkelt und gestrickt, und auch dieses Mal gibt es eine Zeitmaschine. Viel Spaß beim Lesen! Maria Gruber, Daniel Winter, Dominik Gruber ÖH-Vorsitzteam PS: Aus ökologischen und ökonomischen Gründen wird die uni:press ab jetzt nur mehr dann an Haushalte versendet, wenn man sie abonniert (http://bit.ly/up-abo), oder in einem Studiheim wohnt. Natürlich bleibt sie gratis!
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INHALT
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Minderheit
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Die Minderheitsmasche - Integration und der kulturalistische Kurzschluss
Minderheiten-Facts
Campus-Fragerunde: Minderheiten Wenn es um meine persönliche Meinung ginge, wäre die Sache einfach“ - Interview mit Karl-Markus Gauß
Kaleidoskop (in Kooperation mit Mosaik) „Keine Arbeit. Keine soziale Absicherung. Keine Unterstützung.“ Wohnungslos in Salzburg „Frau Professorin?“ - Interviews mit Lehrenden der Uni-Salzburg
Uni & Leben
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Hörsaalrazzia - Wie die Uni freie HörerInnen kriminalisiert Erfolgreiches Uni-Projekt: Müllschlucker in Mantarochen-Form
Was darf die ÖH?
Pro/Kontra: Lehrveranstaltungsevaluierungen
Der Wegwerfwahn
Ich mach‘ mir meine Welt, so wie sie mir gefällt! Reportage: „Aber es gibt Dinge, die man tun muss, sonst ist man kein Mensch, sondern nur ein Häuflein Dreck.“ Was wir durch die Auflösung des Wissenschaftsministeriums verlieren
INHALT
Politik & Gesellschaft
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Plattform gegen Rechts - eine Initiative der ÖH Salzburg Der Traum von einer freien Welt - Olga Zweigs Leben im Schatten des Natonalsozialismus „Ich verurteile die Menschen, die Angst davor haben den Mund aufzumachen, nicht.“ - Interview mit Gert Kerschbaumer
Rechte Gewalt auf dem Vormarsch Stammtischparolen - Was sie sind und wie ihnen entgegengetreten werden kann Mit Rassismus und Säbel ins hohe Amt Burschenschaften
Kultur & Leben
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Neues vom Mozarteum: Das Thomas Bernhard Institut
Comic „Ach, so ist das?!“
Stricken und Häkeln - Schritt für Schritt zum eigenen Wunschstück Woyzek im Hier und Jetzt (Volkstheater Wien) Der Blutsauger-Blues (Filmrezension Only Lovers Left Alive) Rape-Revenge-Filme: Wenn Frauen auch mal Schlachten dürfen Zeitmaschine: Was die Welt im Jahr 1913 bewegte
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MINDERHEIT
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Die Minderheitsmasche Integration und der kulturalistische Kurzschluss
Der Begriff „Minderheit“ wird selten in seiner quantitativen Dimension erfasst, sondern scheint vor allem mit wertenden Aspekten – in den seltensten Fällen mit positiven – in Verbindung gebracht zu werden. Oft wird in eurozentristischen Standpunkten eine aufgeplusterte Mehrheit suggeriert, in der sich eine Minderheit nahtlos einzufügen hätte, da diese ja eine quasi natürliche „Bringschuld“ hat. Die Kulturalisierung des Integrationsbegriffes führt zu einer tragischen Verwässerung der Frage nach den Menschenrechten. Von Christopher Spiegl inderheiten werden als Problemfälle behandelt und nicht als Messlatte, an der sich eine progressive Gesellschaft messen könnte, nein – alles „soll so bleiben wie es ist, war und für immer sein wird.“ Argumentiert wird häufig mit schwammigen Kulturbegriffen zu Lasten einer – leider nicht immer als solche erkannten und definierten – politischen (!) Ökonomie, welche die Führungskräfte der post-politischen Landschaft in Europa schon längst von der Agenda des öffentlichen Diskurses gestrichen haben. Anstelle komplexer ökonomischer Vorgänge, welche maßgebliche Auslöser der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise sind, ist es in Wahlkampfzeiten auch einfacher, eine Debatte über die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund vom Zaun zu brechen. Die Ent-Politisierung der Ökonomie führt zu gefährlichen Tendenzen: Verteilungsfragen werden nicht diskutiert und die Wirtschaft sei keine Domäne der Politik – ja, sie solle gar entfesselt werden! Die Kulturalisierung sozioökonomischer Fragen, sowie die Politisierung von Identität und Religionszugehörigkeit sind negative Folgen der unsichtbaren, „regulierenden“ Hand des Marktes. Hinter dieser Verwässerung bleiben wichtige Fragen über Bildung, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Wohnen und Menschenrechte ungestellt und unbeantwortet. Lediglich in marginalen Kreisen, welchen in unserer Demokratie zu wenig Einfluss gewährt wird, wird in diesen Themenbereichen diskutiert und an Alternativen gearbeitet. Wurzel allen Übels – das „Typische“. Solange die wirtschaftliche Dimension außen vor bleibt, wird in der Debatte über die Integration von Minderheiten immer das „Typische“ der vermeintlichen Kultur diskutiert werden. In der gegenwärtigen Ablehnung des Sozialfürsorgesystems in den USA durch konservative Kräfte wird der Gedanke an einen Wohlfahrtsstaat durch das „typische“ Bild der alleinerziehenden, afroamerikanischen Mutter, das so in der Wirklichkeit si-
cher kaum Entsprechung findet, negativ besetzt. Dennoch wirkt das Bild, das überwiegend in den Medien als „die Unterschicht“ und „die nutznießerische Minderheit“ dargestellt wird, als der „typische“ Fall. In der Angelegenheit der Moral-Majority-Kampagne gegen Abtreibung in den USA ist die Wahrnehmung hingegen eine ganz andere: Hier möchte man die Minderheit der erfolgreichen, promiskuitiven Karrierefrauen bekämpfen, für die Kinder letztendlich doch zu viel Zeit und Kosten verschlingen würden. Die Tatsache, dass die Mehrzahl der Abtreibungen in den kinderreichen Familien der unteren Klassen durchgeführt werden, spielt hierbei nur in den Statistiken eine Rolle. Erst auf der Ebene, an der ein partikularer Inhalt als „typisch“ wahrgenommen wird, werden Schlachten gewonnen oder verloren. Eva Maria Bachinger und Martin Schenk (Die Integrationslüge. Antworten in einer hysterisch geführten Auseinandersetzung) illustrieren anhand eines Interviews eine Begebenheit, in welcher reale Probleme durch das „Typische“ nicht erfasst werden können. Eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes erzählt in dem Buch von vielen kranken Familien, die zu ihr kommen, und die fast ausschließlich türkischstämmig sind. Als Gründe für die Krankheiten zählt sie auf: Schlechte Wohnungen, feuchte Wände, krankmachende Arbeit. Als Unterstützung für ihre Arbeit wünscht sie sich, mehr über Religion und Kultur zu erfahren, um besser mit ihren KlientInnen umgehen zu können. Der Rückgriff auf „Kultur“ dient hier einmal mehr dazu, konsequente Lösungsvorschläge erarbeiten zu können: Angemessene Wohnungen als soziales Grundrecht werden nicht hinterfragt, während an diesem Beispiel die „Türkei“ oder „der Islam“ als Probleme angesehen werden. Integration muss man sich leisten können. Integration ist vor allem eine Frage der sozialen Rangordnungen, und so lange diese nicht ernst genommen wird, werden wir immer Demagogen und Hetzern ausgesetzt sein. Unser sozialer Status misst sich in unserer Gesellschaft vor allem durch eines: finanzielle Potenz. Wer Geld hat, bleibt weniger „fremd“ und hat mehr
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Literaturhinweise: Medien und Minderheiten. Herausgegeben von Andreas Kriwak und Günther Pallaver. Innsbruck 2012. Eva Maria Bachinger & Martin Schenk: Die Integrationslüge. Antworten in einer hysterisch geführten Auseinandersetzung. Wien 2012. Zizek, Slavoj: Ein Plädoyer für die Intoleranz. 5. Auflage. Wien 2013.
Chancen auf sozialen Aufstieg. Dieser Faktor hat in der „Integrationsfrage“ viel zu wenig Gewicht, während Populismen gezielt Ängste der Mittelschicht schüren. Es geht dabei immer um die Aufrechterhaltung des sozialen Abstands zu den Dazugekommenen, die einfach als Schmarotzer am eigenen Wohlfahrtsstaat abgestempelt werden. Ein ehemaliger Diplomat aus Afghanistan, welcher in einer Wiener Küche als Hilfskraft arbeitet, oder eine ausgebildete Juristin aus Georgien, welche ihren Lebensunterhalt als Reinigungskraft bestreiten muss, passen da nicht in dieses Klischee. Schicksale wie diese dringen nur schwer an die Öffentlichkeit. Somit wird eine Diskussion, etwa über die Anerkennung von Studienabschlüssen, vollkommen im Keim erstickt. Die soziale Disqualifizierung von hunderttausenden von Menschen wird öffentlich nicht wahrgenommen. Wir dürfen uns nicht dazu verleiten lassen zu glauben, dass Stereotype nur von Modernisierungsverlierern aus „unseren eigenen Reihen“ rezipiert und verbreitet werden. Laut Studien sind diejenigen besonders anfällig für Ideologien des Ausschlusses und der Ausgrenzung, die sich mit den herrschenden Werten Geld, Karriere und Erfolg identifizieren. Diese individualistische Einstellung steht im engen Zusammenhang mit der Abwertung von „Überflüssigem“ und vermeintlich „Nutzlosem“. Da kann es schon vorkommen, dass aus sozioökonomischer Ungleichheit Differenz und aus pluralistischer Gesellschaft eine homogene Kultur gemacht wird. Plötzlich ist alles Kultur! Ganze Bevölkerungsgruppen werden in verschiedene Töpfe geworfen, die maßgeschneiderte, spezifische Identitäten für diese nicht nur parat haben, sondern in diesen immanent erscheinen. „Blut“, Herkunft und Religion werden zum Stigma für das Individuum; der mündige Mensch, samt seiner Be-
gabung zur Benützung des Verstandes und die Entfaltung seiner Persönlichkeit, negiert. Die Kulturalisierung des Integrationsbegriffes dient dazu, nicht über Menschenrechte und Verteilungsfragen reden zu müssen und nicht dazu, Wesentliches anzupacken. Alles wird verwässert. Hierzu ein
„Blut“, Herkunft und Religion werden zum Stigma für das Individuum; der mündige Mensch, samt seiner Begabung zur Benützung des Verstandes und die Entfaltung seiner Persönlichkeit, negiert. Vergleich: Menschen ohne Bekenntnis haben höhere Bildungsabschlüsse als Katholiken in Österreich. Kulturalistischer Kurzschluss: Der Katholizismus ist mit moderner Bildung nicht vereinbar, Katholiken sollten in eigenen Sonderklassen unterrichtet werden. Franz Fuchs war für die letzten Terroranschläge in Österreich verantwortlich. In seinem Bekennerschreiben gab er bekannt, das christliche Abendland retten zu wollen. Kulturalistischer Kurzschluss: Das Christentum ist eine terroristische Religion. Muslimischer Mann ermordet Frau. Kulturalistischer Kurzschluss: Es war kein Mord, sondern ein Kulturdelikt. Mann hält Frau im Keller gefangen. Prikopil. Dann Fritzl. Der Kurzschluss: Verrückte Einzeltäter. Selektive Wahrnehmung kann gefährlich werden, wenn unter dem Deckmantel der Kultur der Mensch unsichtbar wird.
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Minderheiten-Facts Minderheit verdoppelt sich im Vatikan Mit nur 0,44 km² und 839 EinwohnerInnen ist der Vatikan der kleinste Staat der Erde. Alle Menschen dort gehören also bereits der Minderheit der VatikanerInnen an. Unter dieser gibt es aber noch eine besonders kleine und höchst interessante Gruppe: Päpste. Lediglich zwei befinden sich unter der Bevölkerung, was ca. 0,24% entspricht. Wenn man die Geschichte dieser Minorität betrachtet, so ist im letzten Jahr eine Bevölkerungszunahme um 100% zu verzeichnen. Zuvor gab es über hunderte Jahre hinweg nur einen Papst.
© Joadl (Wikimedia commons)
Kreative Eltern - die TOP-Namen in der Minderheit Weiblich: Während Anna, Lena und Sophie derzeit zu den drei beliebtesten Namen gehören, bilden Menschen mit einem der folgenden Vornamen eindeutig eine Minderheit: Summer, Xenia, Nena, Miracle, Jessika. Laut Statistik Austria gehören diese – doch etwas skurrilen – Namensgebungen zu den unpopulärsten im Land: 2012 gab es jeweils nur fünf Benennungen. Männlich: Bei den Buben dominieren Klassiker wie David, Lukas und Maximilian. Schlusslicht hingegen bilden u.a. Marwin, Neo, Rocco, Keanu und Jason. Statistisch gesehen ist es sehr unwahrscheinlich, einen Angehörigen der Rocco- oder Keanu-Minderheit anzutreffen. 2012 wurden nur fünf Eintragungen der oben genannten Vornamen in Österreichs Geburtsurkunden eingetragen.
Bevölkerung - Alter und Bundesland
© Karmela (Wikimedia commons
Die Geburtstagsminorität – Prädestiniert gegenüber der Mehrheit der „Faschingsscherze“? Hast du dich schon mal gefragt, welche Tage die häufigsten und seltensten Geburtstage sind? Auch darüber wurde von der Statistik Austria eine Tabelle erstellt. Mit einer Gesamtanzahl von nur 4.950 Personen bilden in diesem Fall Menschen, die am 29. Februar geboren wurden, die kleinste Minorität in Österreich. Dahinter liegen der 25. und der der 26. Dezember. Ein deutlicher Beleg dafür, dass vom Krankenhaus in den Feiertagen weniger Geburten eingeleitet werden? Im Gegensatz dazu bilden jene, die am 22. September das Licht der Welt erblickten, mit 20.994 Geburtstags-GenossInnen eine deutliche Mehrheit. Der September ist generell ein Monat, in dem viele Menschen Geburtstag feiern: Auf Platz zwei liegt der 26., dicht gefolgt vom 21. Womöglich liegt dies daran, dass in der lustig-lockeren Faschingszeit besonders viele Kinder gezeugt werden, aber Genaueres weiß man nicht.
© Karmela (Wikimedia commons
Studienabschlüsse Betrachten wir einmal die AbsolventInnen der österreichischen Universitäten etwas genauer: Wenn du ein Studium im Bereich darstellende Kunst abgeschlossen hast, darfst du dich offiziell zu einer sehr kleinen Gruppe bekennen: 2010 gab es insgesamt nur 62 Abschlüsse von Studien, welche in diese akademische Sparte fallen. Im Gegensatz dazu dominieren die Geisteswissenschaften (7.479) sowie die Sozialund Wirtschaftswissenschaften (6.579) das Feld.
Neben den durchaus bekannten Daten und Fakten über die Bevölkerungsstruktur, die über die Massenmedien verbreitet werden und auf gewisse Minoritäten aufmerksam machen, gibt es auch solche, die komplett außen vor gelassen werden. Statistisch gesehen sind nämlich 94-Jährige BurgenländerInnen in der Minderheit. 2012 gab es von ihnen nur 84, während mit 28.594 Personen die 47-Jährigen NiederösterreicherInnen am meisten Anteil an der Gesamtbevölkerung haben. Eigentlich ist es unfassbar, dass eine solche (im wahrsten Sinne des Wortes) vom Aussterben bedrohte Minderheit unter uns lebt, ohne wahrgenommen zu werden!
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Campus-Fragerunde: MinderheiteN Minderheiten, das ist ein Begriff, der gigantisch viele Personengruppen umfasst. Genau genommen gehört doch jeder Mensch irgendwie einer Minderheit an, oder? Wir haben uns mit Kamera und Kugelschreiber bewaffnet aufgemacht um unsere MitstudentenInnen zu befragen: Wie fallen euch Minderheiten im Alltag auf, und wenn ihr wählen könntet, welcher Minderheit würdet ihr gerne angehören? Herausgekommen sind spannende Antworten und viele persönliche Eindrücke zum großen Thema Minderheiten. Von Christoph Matt & Stephanie Schmidt
Martin / 25 Jahre / Kommunikationswissenschaft „Aktuell ist mir aufgefallen, dass die Blindenleitwege in Salzburg oft sehr irreführend sind, dass war gleich nachdem ich mit einem Blinden Fußball geschaut habe. Eine weitere Minderheit, die mir gerade in Salzburg auffällt sind die vielen Bettler hier.“
Medeea & Isabella / 20 Jahre / Rechtswissenschaft
Benjamin / 20 Jahre / PH: „Ich finde, dass ‚Minderheiten‘ eigentlich ein diskriminierender Begriff ist, auch wenn man ihn positiv verwenden kann. Wenn zum Beispiel eine Minderheit etwas besonders gut kann oder sich in einem speziellen Bereich besonders hervortut, dann ist das positiv. Ich versuche Menschen im Alltag nicht gleich einer Minderheit zuzuordnen, sondern die Person als Ganzes zu sehen. Und wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich gerne der Minderheit der Weltklasse-Gitarrenspieler angehören!“
Daniel / 22 Jahre / Geografie und Geschichte „Minderheiten fallen mir im Alltag eigentlich unterschiedlich häufig auf. Allerdings habe ich keine positive oder negative Meinung speziellen Minderheiten gegenüber, sondern ich versuche, immer den Menschen an sich wahrzunehmen und mir dann ein individuelles Bild von der- oder demjenigen zu machen.“
„Auch wenn das jetzt vielleicht eine blöde Antwort ist, aber ich würde total gerne der Minderheit der Arktisforscher angehören. Das ist so spannend und interessant und ich werde es vermutlich nie machen können, das find ich schade!“
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Katharina / 25 / Germanistik und Theaterwissenschaften „Ich würde gern der Minderheit der weiblichen Regisseurinnen angehören. Sowohl beim Film als auch am Theater ist das immer noch eine Männerdomäne. Das Theater, als ältere Kunstform, ist dabei noch mehr in patriarchalischen Mustern verhaftet und es ist schwierig, sich als Frau durchzusetzen.“
Karl / Professor für Neuere Deutsche Literatur: „Mir fallen im alltäglichen Leben ununterbrochen die verschiedensten Arten von Minderheiten auf. Der Begriff Minderheiten ist ein riesiger Begriff, der zu wenig spezifiziert wird. Wenn ich unter den vielen Minderheiten aber eine wählen müsste, würde ich gern zu den konzernunabhängigen und trotzdem etablierten Musikern gehören.“
Florian / 26 / PP und Deutsch Lehramt
Anna (21) und Sabrina (21) / Pädagogik: „Wenn jemand körperlich behindert ist, dann fällt das eher auf als andere Minderheiten. Aber auch Freaks mit verrückten Haarfarben wie pink oder grün, so Menschen, die einfach auffallen wollen durch ihr Auftreten nimmt man eher als Minderheit war als andere.“
Benjamin / 22 / Englisch, Biografie und PP Lehramt „Ich habe zwei Jahre in Wien studiert und bin dort häufig mit dem Vorurteil konfrontiert worden, dass die Österreicher durch den deutschen Studenten-Überschuss zur Minderheit werden. In meinem Studentenheim war ich tatsächlich unter 80 Heimbewohnern der einzige Österreicher! Gestört hat es mich aber nicht, ich mag die Deutschen ja. Trotzdem finde ich, darf man da nicht so sehr verallgemeinern. Es sind bei weitem nicht alle Studienrichtungen deutschüberlaufen. In Landschaftsarchitektur beispielsweise sehe ich dieses Problem nicht.“
„Wie ich Minderheiten wahrnehme, das hängt vor allem von der Umwelt ab, in der ich mich bewege. Bin ich jetzt beispielsweise in New York oder in Los Angeles, dann fallen mir Minderheiten sicher nicht so stark auf wie hier, in der Provinzstadt Salzburg. Ich persönlich finde es aber wichtig, dass der individuelle Mensch fokussiert und nicht ständig kategorisiert wird. Ich möchte keiner speziellen Minderheit angehören, nicht weil ich negativ urteile, sondern weil ich dieses Schubladen- und Kategoriendenken einfach falsch finde.“
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„Wenn es um meine persönliche Meinung ginge, wäre die Sache einfach.“ © Kurt Kaindl
Der Autor Karl-Markus Gauß beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit diversen sprachlichen Minderheiten Europas. Die UP sprach mit ihm über die Situation von Minderheiten in staatlichen und gesellschaftlichen Systemen, sowie über deren Selbstwahrnehmung. Interview von Jürgen Wöhry UP: Was ist für Sie eine Minderheit? Gauß: Wenn es um meine persönliche Meinung ginge, wäre die Sache einfach. Ich glaube, mich in meinem Leben relativ frei von der Obsession zu halten, Menschen in Minderheiten und Mehrheiten einzuteilen. Aber wichtiger als meine private Auffassung ist, dass sich mit dem Begriff "Minderheit" politisch und juristisch etwas verbindet, und zwar etwas Ambivalentes. Zum einen, dass bestimmte Personengruppen durch ihre sprachliche, ethnische, religiöse, sexuelle Besonderheit in der Gesellschaft als Minderheit wahrgenommen und oft auch misstrauisch bis feindselig betrachtet werden; zum anderen jedoch, dass ihnen zumindest in entwickelten Gesellschaften daraus bestimmte Rechte erwachsen, z.B. dass sie, wiewohl in der Minderzahl, Anrecht auf den Gebrauch ihrer Sprache in der Öffentlichkeit haben. Und so weiter.
„Wer“ bestimmt Ihrer Meinung nach, welche Bevölkerungsgruppen zu einer Minderheit gehören und welche nicht? Üblicherweise bestimmt das der jeweilige Staat, der mit der jeweiligen Gesellschaft in einem besonderen Verhältnis steht. Wenn sich z.B. die Regierung Putin, also der russische Staat, gegen Rechte für Homosexuelle ausspricht, dann tut er das im Wissen, dass er breite Teile der durchaus reaktionären russischen Gesellschaft hinter sich hat. In anderen Ländern ist es anders, da ist die Gesellschaft weiter als der Staat, der bestimmte Dinge noch pönalisiert, die große Teile der Gesellschaft längst liberalisiert haben möchten. Umgekehrt, und das ist das Interessante an der Sache mit Minderheiten, entdecken verschiedene Minderheiten natürlich das Potential, das darin liegt, wenn sie sich erst einmal als eigene
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„Nicht die Moderne ist darauf gekommen, dass es 'das Andere' gibt, das gegebenenfalls lächerlich gemacht, verfolgt, ausgemerzt werden muss.“ Gruppe selbst entdeckt und gewissermaßen öffentlich gemacht haben. Ich denke da zum Beispiel an die Volksgruppe der Aromunen, die es in etlichen Balkanländern gibt. Sie sind ein klassisches Beispiel dafür, dass sich eine Anzahl von Menschen in ihrem Recht als "Minderheit" entdecken und von daher Forderungen an die Staaten erheben, in dem sie leben und bisher nicht als Gruppe, die über eine eigene Sprache verfügt und besondere kulturelle Traditionen hat, wahrgenommen wurden. Welche Faktoren begünstigen den von Ihnen gerade beschriebenen Prozess, dass sich Minderheiten selbst als solche deklarieren? Dass sich eine Minderheit zu sich selbst bekennt, dazu braucht es natürlich zwei Dinge. Erstens Selbsterkenntnis und zweitens eine zumindest minimale gesellschaftliche Bereitschaft, diese Minderheit immerhin nicht mit dem Tode zu bedrohen. Ein Beispiel: In der Lausitz im Osten Deutschlands leben seit über tausend Jahren auch die Sorben - eine slawische Sprachgruppe - , die über die Jahrhunderte immer wieder verfolgt wurden. Sie haben als Sprachgruppe und Nationalität trotzdem überlebt, aber immer wieder gewissermaßen im Verborgenen, das heißt, sie haben ihre Sprache nur bei geschlossenen Türen, ihre kulturellen Feste nur im Geheimen pflegen können. Sie haben sich behauptet, aber Forderungen an die deutschen Nachbarn, den deutschen Staat konnten sie nur in den Perioden erheben, in denen das jeweilige Regime nicht willens war, das Sorbentum auszulöschen. Welche ökonomischen Faktoren kann es bei der Kategorisierung einer Minderheit geben? Ein wenig verallgemeinernd kann man sicher sagen, dass es verfolgte, geduldete und geförderte Minderheiten gibt. Bei den verfolgten Minderheiten gibt der Staat Geld dafür aus, um die Rechte der Minderheit zu schmälern und seine Mitglieder auszuspionieren. Bei den geduldeten herrscht gleichgültige Akzeptanz. Bei den geförderten hat sich in Staat und Gesellschaft die Einsicht durchgesetzt, dass es Minderheiten verdienen, nicht nur toleriert, sondern in welchem Ausmaß auch immer gefördert zu werden. Das ist übrigens gar nicht unbedingt nötig und auch gar nicht der Wunsch jedweder Minderheit. Es hängt also von der Minderheit ab, ob ökonomische, bzw. kulturelle, religiöse oder ethnische Aspekte im Vordergrund stehen?
Man fasst ja unter den Begriff "Minderheit" heute so vieles zusammen, dass es schon fraglich ist, ob der Begriff noch irgendeine konkrete Bedeutung hat. Ich habe ja schon angedeutet, dass dem Wort von Anfang an eine Doppeldeutigkeit innewohnt. Zum einen, weil eine bestimmte Gruppe zur "Minderheit" gemacht wird; zum anderen, weil darin auch ein emanzipatorisches Potential schlummert. Aber wenn heute jede kulturelle Mode sich als Minderheit aufmascherlt, ist es damit wohl bald vorbei. Andrerseits: Wenn eines Tages das Recht des Menschen, in seiner Muttersprache geachtet zu sein und für die Seinen auch Schulen zu haben, in denen neben der Staatssprache auch diese unterrichtet wird, dann benötigen wir das immer auch ein wenig abwertende, bestenfalls paternalistisch wohlwollende Wort von den Minderheiten gar nicht.
Die Diskriminierung von Anderen ist kein Produkt der Moderne. Welche historischen Faktoren dafür ziehen sich bis in die Gegenwart? Es ist richtig, nicht die Moderne ist darauf gekommen, dass es das Andere gibt, das gegebenenfalls lächerlich gemacht, verfolgt, ausgemerzt werden muss. Aber die Moderne als dialektische Unternehmung, wenn man das so salopp sagen darf, hat natürlich nicht nur Freiheiten und Vielfältigkeit geschaffen, von denen in vorangegangenen Epochen nicht einmal geträumt werden konnte; nein, vor der Moderne hat es auch keinen dermaßen wirksame Versuche gegeben, den gesamten gesellschaftlichen Prozess in Griff zu kriegen und auf Linie zu bringen. Das klingt höchst widersprüchlich und ist es auch. Aber es ist schon so, die totalitär organisierte Zurüstung der Gesellschaft, die Störendes ausstößt, ist in der Moderne erfolgt. Eine Modene, die uns jetzt mit einer geradezu bizarren Entwicklung der Kulturindustrie konfrontiert, dass nämlich für jede Abweichung binnen kurzem eine eigene Marke erfunden wird. Oder umgekehrt: dass Marken kreiert werden, die dann auch die zu ihr passenden Abweichungen im kulturellen Verhalten erschaffen. Die Moderne ist also Vereinheitlichung und Diversifizierung. Oder, aktuell gesprochen, bedeutet sie auch: Die Leute zu disziplinieren, indem man ihnen kuriose Abweichungen genehmigt. Ich empfehle jedem, der dazu Zeit hat, gelegentlich das Nachmittagsprogramm der privaten Fernsehstationen anzuschauen. Wer sich da in den Talk- und Realityshows präsentiert, das ist ein sozial ganz neuer Typus: nämlich der exzentrische Spießer.
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„Man hat für die Roma zu arbeiten versucht, aber nicht mit ihnen“ Welche Formen der Unterdrückung von Minderheiten sind in den letzten Jahren in Europa besonders angestiegen? Gauß: Was die alten ethnischen Minderheiten betrifft, so ist fast überall eine Verbesserung festzustellen, auch in Ländern wie der Türkei. Politisch mobil gemacht wurde in etlichen osteuropäischen Ländern gegen sexuelle Minderheiten, wobei besonders die orthodoxen Kirchen von Serbien bis Russland sich als volksverhetzende Kraft erwiesen haben, was es schwer macht, ihnen auch nur einen Bruchteil der Sympathie zu bewahren, die man für sie in Zeiten des staatsverordneten Atheismus entwickelt haben mochte. Schwer haben es in diesen Ländern auch all die mutigen Gruppen der Zivilgesellschaft, die sich gegen staatliche Übermacht und gesellschaftliche Erstarrung wenden. Wie beurteilen Sie die Rolle und die bisherige Arbeit der EU beim Schutz von Minderheiten? Es gibt wenige Verdienste, die man der EU so wenig bestreiten kann wie die, die sie sich in dieser Frage erworben hat. Allerdings auch hier gibt es Einschränkungen. Eine grundsätzliche: Was die kleinen Nationalitäten innerhalb einzelner Staaten der EU betrifft, die um ihr Überleben kämpfen, so kollidieren in der Politik der EU zwei gegensätzliche Dinge: Auf der Seite fördert die EU überall die Umwandlung klein strukturierter Ökonomien in große; will sagen: sie fördert z.B. die Agrarindustrie zuungunsten der Kleinbauern, die Großindustrie zuungunsten alter, überkommener Erwerbszweige. Gerade das aber war stets die Domäne von Minderheiten. Wenn im Süden Italiens, um ein Beispiel zu nennen, die Tomaten-, Erdbeer- und Olivenernten in einem schier unfassbaren Ausmaß industrialisiert wurde, dann haben z.B. die albanischen Arbereshe, die dort seit vielen Generationen auch davon gelebt haben, keine Chance mitzuhalten. Sie geben ihre Felder auf, verkaufen sie an die börsennotierten agroindustriellen Konzerne, verlassen ihre Dörfer, ziehen in die großen Städte. Dort verlieren sie den Zusammenhang mit ihren Landsleuten im engeren Sinne, verlieren die Möglichkeit, noch im Alltag ihre früh-albanische Sprache zu sprechen - und büßen so nach Jahrhunderten ihre Identität ein. - Im Speziellen aber hat die EU erstmals global die Rechte der nationalen Minderheiten festgeschrieben und garantiert, und wenn man in Kalabrien unterwegs ist, dem Kerngebiet der albanischstämmigen Arbereshe in Italien, so sieht man heute, was man vor zwanzig Jahren noch nirgendwo gesehen hat: nämlich in jedem Kaff ein Heimatmuseum
der Arbereshe, auf dem steht, dass es aus Mitteln der EU gefördert wurde, nicht etwa von der Regionalregierung Kalabriens oder vom italienischen Staat. Es gibt ja zahlreiche Programme für den Schutz und der Förderung von Minderheiten. Hinzu kommt jedoch auch, dass auch diese über gewisse Strukturen besitzen und oft Minderheiten in sich aufweisen (sie berichteten in "Die unbekannten Europäer" über die Dögewö innerhalb der Roma). Inwiefern werden Minoritäten und deren Strukturen bei solchen Programmen berücksichtigt? Die EU hat viel Geld aufgewendet, um die Roma zu fördern. Das Problem dabei war und ist: Man hat für die Roma zu arbeiten versucht, aber nicht mit ihnen. Und das kann nicht klappen. Das heißt, es kam kaum zu einer Partizipation der Roma, was ihre eigene Förderung betrifft. Die inneren Strukturen, die in verschiedenen Ländern, Regionen höchst unterschiedlich sind, wurden kaum beachtet, sofern sie überhaupt zur Kenntnis genommen wurden. Was sind die größten Probleme der Salzburger Bevölkerung bei der Akzeptanz von Minderheiten? Die meisten Salzburger stammen ja selbst nicht aus Salzburg, sondern sind „Zuagroaste“. Beflissen möchten sie daher sich und den anderen beweisen, dass sie salzburgerischer als die waschechten Salzburger sind, und das gelingt am einfachsten, indem man dauernd Leute findet, an denen man mittels Ausgrenzung seinen lokalen Patriotismus erweisen kann. Kommt hinzu, dass die Salzburger seit 200 Jahren vor den Fremden in Gestalt zahlungskräftiger Touristen kuschen müssen und sie daher periodisch ihr Mütchen kühlen möchten an denen, die fremd, aber außerdem noch arm sind. Heimatberechtigung erwirbt man in der neoliberalen Ära ja nicht mehr durch so altertümliche Attribute wie Herkunft oder Abstammung, sondern durch die finanziellen Mittel, über die man verfügt. Wer genug hat, ist kein Fremder mehr, wer zu wenig hat, der wird bald im eigenen Land zum Fremden.
© Kurt Kaindl
Karl-Markus Gauß Geboren am 14.5.1954 in Salzburg ist Autor, Kritiker und Herausgeber der „Zeitschrift Literatur und Kritik“. Das Werk des aus einer donauschwäbischen Familie stammenden Schriftstellers thematisiert besonders die Lage verschiedener Minderheiten, primär aus dem südosteuropäischen Raum. Seine Recherchen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass er sich vor Ort ein Bild der Lage macht und diese analysiert. Für sein Werk wurde Gauß 2013 mit dem Preis Internationalen Preis für Kunst und Kultur von der Stadt Salzburg ausgezeichnet. Werke (Auswahl):Die sterbenden Europäer (2002), Die Hundeesser von Svinia (2006) Die unbekannten Europäer (2008), Das Erste, was ich sah (2013).
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Matthias Dietrich vorzugsweise aufschwung
Die Texte für die Fotostrecke wurden uns freundlicherweise durch unsere KollegInnen von mosaik - Zeitschrift für Literatur und Kultur vermittelt. mosaik ist eine Zeitschrift für Literatur und Kultur von und für StudentInnen an der Universität Salzburg und versteht sich als nichtprofitorientiertes Medium zur Veröffentlichung studentischer Texte. Mit 4 Ausgaben pro Jahr soll mosaik eine Plattform für junge Schreibenede darstellen: Texte aller Art sollen unkompliziert und ungebunden veröffentlicht werden können. Neben literarischen Texten sind ausdrücklich auch nichtliterarische Textsorten wie Essays, Kommentare oder Forschungsberichte und auch Rezensionen, Interviews sowie Veranstaltungsberichte erwünscht. Die komplette Auflage von 1000 Stück steht für alle Interessierten frei zur Verfügung; erhältlich ist sie an zahlreichen Universitätsstandorten sowie Kultureinrichtungen in der Stadt Salzburg.
wir tun uns selbst gefallen und gegenüber anderen am besten zahlen klopfen wir uns auf die eigne schulter und waschen uns die hände lassen uns die schuhe putzen vom bilanzgewichse verfolgen im live-ticker alles aufstieg und fall anderer und wer nicht dran verdient ist selber schuld nicht wa(h)r
© Pawel Wieloch
Ermöglicht wird dieses Projekt durch die unentgoltene Mitarbeit aller Beteiligten – die anfallenden Druckkosten werden von der Fakultätsvertretung Kultur- und Gesellschaftswissenschaften sowie der Studienrichtungsvertretungen Germanistik und Kommunikationswissenschaft der ÖH Salzburg getragen. Bisherige Ausgaben und noch viel viel mehr: mosaikzeitschrift.wordpress.com facebook.com/mosaikzeitschrift Schickt uns eure Texte an mosaik@studlit.at und findet euch wieder als ein Steinchen im mosaik.
Formale Anforderungen: maximal eine Einsendung pro AutorIn/ Ausgabe, bei Kurzprosa maximal 1500 Wörter; Angabe von Name und Studienrichtung (Anonyme Veröffentlichungen sind möglich, der Autor/die Autorin muss uns jedoch bekannt sein.) Einsendungen sind jederzeit möglich - die Texte werden für die jeweils nächste Ausgabe berücksichtigt. Der jeweilige Einsendeschluss wird gesondert bekanntgegeben.
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© Pawel Wieloch
Natasa Tasic nicht einmal tausende Worte anderer nicht einmal tausend worte anderer können das schweigen eines menschen rechtfertigen. stumm, taub, sprachlos aus angst, unrecht, überraschung misshandelt missbraucht, belogen, betrogen ist der stumme warum wehrt er sich nicht? seine abwehr spiegelt sich in seinem blick in die sonne im blick ins gerechte, wohlwollende, gute in der freundeshaltung. misshandelt, missbraucht, belogen, betrogen ist der taube warum wehrt er sich nicht? er wehrt sich die blumen riechend, den rausch der wasserfälle hörend. misshandelt, missbraucht, belogen, betrogen ist der sprachlose warum wehrt er sich nicht? es tötete ihn ein allzu starkes wort. er verstand wieso das böse im großen ausmaße die macht hat er wusste nicht, was das beste für die menschen sei die abwehr wird nicht von alleine kommen der stumme wird verstehen der taube wird sagen den sprachlosen werden menschen richtig sehen. © Pawel Wieloch
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Veronika Aschenbrenner Aus Swinehuntas Geschichte: Zuerst war ich komisch. Dann warst du komisch. Immer muss jemand komisch sein. Wie sollen wir da weiter kommen, wenn jeder seine Innenwelt nach außen stülpt, einfach so, und niemals sagt warum ersie sich so komisch verhält und wir uns dann fragen müssen, ob wir der Grund dafür sind und uns dann schließlich auch komisch verhalten und uns dabei ständig abwechseln, so dass wir selten glücklich sein können. Selten genießen können.
© Wolfgang Illmeyer
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Sarah Krennbauer Akrostichon Dudelsäcke machen dudelnde Geräusche und Indianer sind gar nicht aus Indien. Es gibt also auch Menschen, die heißen, wie sie heißen aber nicht von dort sind, sowie sie heißen. So ist‘s im Leben. Es macht eben nicht alles Sinn, was sich die Menschen so ausdenken. Rittersport ist Schokolade und hat nichts mit Turnieren zu tun. Eigentlich ist es komisch, dass es so wenige Worte mit X gibt. Damit es nicht ausstirbt, sollten wir es unterstützen und neologisieren. Tausend neue Worte mit X für Tisch drei, bitte. Haben Sie schon von der neuentdeckten Affenart gehört? Ist dem Menschen sehr ähnlich, nur verplempern diese Tiere nicht ihre Zeit mit dem Texten von Posts und dem Kreieren von Bildern, die von schräg oben fotografiert sind oder welche mit Entenschnute. In Wirklichkeit sind das nur wieder solche Trends, die wir bereuen in ein paar Jahren, genau wie Neonstrumpfhosen, Arschgeweihe und Sterntatoos. Eigentlich wissen wir das alles, aber eben nur theoretisch, denn theopraktisch ist es wohl das Neue, was uns reizt. Ist es nicht mehr neu, sondern mittelalt, wird es Alltag und langweilig, verliert Sinnhaftigkeit und eben seinen Anreiz. Ist es dann aber so alt, dass es schon antik ist, ist es ja eigentlich schon wieder eine Neuheit, nicht? Normalerweise schon – und dann geben wir wieder fein Geld aus, für Dinge, die wir mochten und dann wieder nicht und dann wieder schon und dann wieder nicht und dann wieder schon und dann ... beginnt alles wieder von vorne, wie das dudelnde Geräusch eines Dudelsacks.
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„Keine Arbeit. Keine soziale Absicherung. Keine Unterstützung“ Winter für Winter gibt es rund tausend wohnungslose Menschen in Salzburg. Vergessen von der Politik – aufgefangen von NGOs und Privatinitiativen. Von Stefan Soucek und Marie Schulz
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n der Abenddämmerung werden die Straßen immer leerer und die Menschen machen sich dick eingepackt auf den Weg in ihr warmes, gemütliches Heim. Während für viele nun ein entspannter Feierabend bevorsteht, beginnt für andere die Suche nach einem warmen Schlafplatz in einer der wenigen Notschlafstellen in Salzburg. Einige der rund tausend wohnungslosen Menschen in Salzburg werden dort auch heute Nacht einen Schlafplatz bekommen, während die anderen sich eine andere Unterkunft suchen müssen. Hier sind die Möglichkeiten, besonders jetzt im Winter, nicht sehr vielfältig – geschlafen wird im Auto, in einem Abbruchhaus oder auf der Straße. Insgesamt gab es im Jahr 2012 etwa tausend Wohnungslose in Salzburg. Ein Teil von ihnen sind Notreisende, also Menschen, die in Österreich Geld für ihr Leben in ihrem Heimatland verdienen wollen. Außerdem sind noch viele so genannte Wanderarme aus den südöstlichen EU-Ländern, die jahrelang in Europa unterwegs sind und deren Rückkehrmöglichkeiten in ihre Heimatländer eingeschränkt sind, in Salzburg ohne Obdach. Aber auch Menschen, die unser Sozialsystem nicht aufgefangen hat, müssen oft im Freien übernachten. „Die Stadt Salzburg stellt zurzeit keine Notunterkünfte für Notreisende oder Bettelmigran-
tInnen zur Verfügung, alle Notschlafstellen werden durch Privatinitiativen, beispielsweise von der Caritas, bereitgestellt“, erklärt Helmut Gaisbauer aus dem Zentrum für Ethik- und Armutsforschung der Uni Salzburg. „Außerdem läuft falsch, dass es in der Stadt nicht möglich ist, trotz finanzieller Unterstützung eine Duschgelegenheit für Apropos-VerkäuferInnen zu organisieren“. Nicht jeder hält, was er verspricht. Die Charta der Menschenrechte, eine Vereinbarung, die die Stadt Salzburg im Jahr 2008 unterschrieben hat, stellt in Artikel XVI klar, dass das Recht auf Wohnraum für jeden Bürger und jede Bürgerin gewährleistet werden muss. Außerdem besagt die Charta, dass vor allem für die schwächsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen menschenwürdige Bedingungen garantiert werden müssen. Es sollte eine aktive Politik zur Unterstützung und zur Teilhabe stattfinden und alle notwendigen Maßnahmen zur sozialen Integration sollten ergriffen werden. „Um etwas an der bestehenden Situation zu ändern, ist es notwendig, ein neues Denken zuzulassen. Es muss ein Bewusstsein dafür entstehen, auf welch vielfältige Weise Bedürftige ausgegrenzt werden und auch dafür, wie wenig sie in ihrer Not ernst genommen werden und was es überhaupt bedeutet, arm zu sein“, sagt Helmut Gaisbauer weiter.
© Rainer Knäpper
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Die Gruppe von wohnungslosen Menschen wird zusehends von der Stadtpolitik außen vor gelassen – viele gesellschaftliche Vorurteile und Behauptungen machen den Notreisenden und BettelmigrantInnen das Leben zusätzlich schwer. Sozialpolitische Maßnahmen, um die Situation der Wohnungslosen zu verbessern, sucht man derzeit noch vergebens. Die Notreisenden und BettelmigrantInnen haben in der schiefen Vorstellung vieler oft gar keine andere Wahl als in einem reichen Land wie Österreich Geld zu verdienen. „Notreisende kommen, weil sie hier mehr erbeten, als sie anderswo verdienen können – nämlich nichts. Die Situation in ihrem Heimatland ist offensichtlich völlig ausweglos, ansonsten würden sie nicht in Kauf nehmen, hier als Obdachlose schutzlos auf der Straße zu betteln und jeden Euro, der möglich ist, zu sparen“, sagt Gaisbauer. Zu dieser Thematik hat der „Runde Tisch Menschenrechte“ im letzten Jahr eine Studie herausgegeben, in der die Lebens- und Bedarfslagen von Notreisenden und BettelmigrantInnen erhoben wurden. Aus ihr geht heraus, dass die Situation für Wohnungslose nicht nur durch die nicht vorhandene Unterkunft so schwierig ist – und die fehlende medizinische Betreuung dies noch verschärft. Mit einem Verdienst von durchschnittlich unter zehn Euro am Tag wird auch der Erwerb des Nötigsten zu einer Herausforderung. Außerdem dementiert die Studie Vorurteile, die in der Gesellschaft über BettelmigrantInnen und Notreisende verankert sind. So hört man oft, dass Besagte sich zu kriminellen Organisationen zusammenschlössen, um auf diese Art viel Geld zu verdienen. Jedoch wirkt dieses vorherrschende Vorurteil vor allem in Betracht auf den Tagesverdienst von BettlerInnen nicht sehr wahrscheinlich.
Bei den aktuellen Salzburger Wohnungspreisen von monatlich 13,48 Euro pro Quadratmeter ist eine eigene Wohnung für viele Menschen nicht mehr leistbar. Das „Forum Wohnungslosenhilfe Salzburg“ weist in einem offenen Brief an Landesrat Mayr im Dezember 2013 wiederholt darauf hin, dass noch immer zu wenige sozialpolitische Maßnahmen zur Bekämpfung
„Solange es mir hier, auf der Straße, besser geht als Zuhause, werde ich herkommen und betteln.“ der Wohnungsnot in Salzburg ergriffen werden. Auf eine Lösung bzw. öffentliche Erklärung wird bisweilen noch immer gewartet. Gerade die laufenden Verfehlungen im Bereich der Sozial- und Wohnungspolitik öffnen die Schere nur noch weiter. Die prekäre Situation am Salzburger Wohnungsmarkt trifft vor allem armutsgefährdete Personen und Personen mit niedrigem Einkommen – aber auch Studierende, die sich keinen angemessenen Wohnraum mehr leisten können oder in überteuerten Wohnungen leben müssen. Maßnahmen gegen diesen Trend wurden bisweilen noch nicht unternommen. Es wird also auch in Zukunft so sein, dass sich wohnungslose Menschen stundenlang auf der Straße aufhalten müssen, um ihr weniges an Geld zu verdienen. Sich anschließend mit kargem und unzureichendem Essen verköstigen müssen, um am Abend unter widrigsten Rahmenbedingungen zu nächtigen und somit am nächsten Tag wieder von vorne beginnen zu können.
© Benreis (Wikimedia commons)
© Franz Marc
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Frau Professorin? Der Anteil der Frauen unter den UniversitätsprofessorInnen an der Universität Salzburg liegt bei circa 23%. Wer steckt jedoch hinter dieser anonymen Zahl? Wie ist es ihnen gelungen, in diese universitäre Berufselite hineinzukommen? Um das herauszufinden hat sich die uni:press ganz privat mit drei Universitätsprofessorinnen der Universität Salzburg unterhalten. Von Nicole Vorderobermeier Katholisch-TheologischeFakultät UP: Frau Prof. Gielen, Sie sind Professorin für neutestamentliche Bibelwissenschaft. Wie sind Sie dazu gekommen? Prof. Gielen: Zu meiner Studienzeit wurde mit Prof. DDr. Merklein der Lehrstuhl für Neues Testament an der Kath.-Theol. Fakultät in Bonn neu besetzt. Ich war von seinen Lehrveranstaltungen begeistert. Zudem war für mich die sprachliche Hürde (gute Griechischkenntnisse) für eine vertiefte Beschäftigung mit dem Neuen Testament ufgrund meines Zweitstudiums gering. Ich habe bei Merklein schließlich meine Diplomarbeit geschrieben und als ich von ihm das Angebot für eine Promotion bekommen habe, hat sich mein Werdegang abgezeichnet. Ebenso war das Umfeld der Bonner Fakultät für das, was ich heute mache, sehr gedeihlich. Glauben Sie, dass Ihr bisheriger Berufsweg davon beeinflusst wurde , dass Sie eine Frau sind? Nein. Mein Betreuer Prof. Merklein förderte damals alle Qualifizierten, egal ob Mann oder Frau. Eine Quotenfrau war ich nie. Das Klima der Bonner Fakultät war außerdem sehr offen, auch wenn alle Lehrstühle zu meiner Studienzeit mit Männern besetzt waren.
Wir sehen Sie die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben in Ihrer Situation? Nicht ganz einfach. In meinem Fall hat es sich so ergeben, dass ich unverheiratet geblieben bin. Vielleicht auch deshalb, weil ich sehr mit der Wissenschaft beschäftigt gewesen bin in der Lebensphase einer Familiengründung. Ich sehe es aber bei Kolleginnen, für welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Herausforderung ist. Dafür ist Organisationstalent nötig! Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Universitätsprofessoren zu Universitätsprofessorinnen an der Universität Salzburg einschätzen? Das Verhältnis an meiner Fakultät ist augenblicklich 9:1. Drei Berufungsverfahren laufen derzeit , und ich bin zuversichtlich, dass ich am Ende wenigstens eine weitere Kollegin haben werde. An der gesamten Universität würde ich den Anteil der Frauen unter den UniversitätsprofessorInnen auf 20-25% schätzen. Gut geschätzt! Als ich mich im Herbst 2000 im Senat vorstellte, traf ich gleich auf drei weitere Kolleginnen aus anderen Fakultäten, die zeitgleich mit mir berufen worden waren.
Wir haben dann sogar einen Professorinnenstammtisch gegründet. Dieser hat sich leider nach einigen Jahren aufgelöst, als die Zahl der Professorinnen erfreulicherweise immer größer wurde. Gibt es für Sie ein ideales Geschlechterverhältnnis unter en ProfessorInnen? Sagen wir so, das derzeitige Verhältnis ist steigerungsfähig. Gut wäre es, wenn es sich bei wenigstens 1:2 einpendelt, optimal wäre natürlich 1:1. Aber angesichts der Entwicklung der letzten Jahre dürfen wir insgesamt zuversichtlich in die Zukunft blicken ! Haben Sie eine Empfehlung aufgrund Ihrer beruflichen Erfahrungen, die Sie weitergeben möchten an Frauen, die von einer Professur träumen? Wenn sich der Weg abzeichnet und man Freude dabei hat, dann soll man es probieren! Steckbrief Person: Univ.-Prof. Marlis Gielen Geburtsjahr: 1959 Geburtsort: Straelen (Deutschland) Grundstudium: Katholische Theologie und Klassische Philologie (Latein) an der Universität Bonn Fach: Neutestamentliche Bibelwissenschaft
Kultur- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät UP: Frau Prof. Coelsch-Foisner, Sie sind Professorin für Englische Literaturwissenschaft und Kulturtheorie. Sie haben jedoch einiges mehr als nur Anglistik und Amerikanistik studiert – warum? Prof. Coelsch-Foisner: Ich war schon immer sehr sprachinteressiert und wollte am liebsten Freunde auf der ganzen Welt haben und viel reisen. Gleichzeitig hat meine Sprachbegabung dazu beigetragen, dass ich ebenso Romanistik studieren wollte. Aber auch neben
den Sprachen hatte und habe ich ein großes Interesse für Kultur und insbesondere Theater. Das Theater an der Universität ist jedoch sehr textlastig, mich interessierte mehr der Raumaspekt. Das war auch der Grund, Bühnen- und Kostümbild an der Universität Mozarteum zu studieren. Hatten Sie schon immer den Traum, Professorin zu werden? Ich hatte damals lange keine Stelle an der
Universität und ich war auch ohne Perspektive für eine Stelle. Nach der ersten Studienzeit arbeitete ich sogar im Bundesdenkmalamt und beim ÖAD. Nebenher fing ich jedoch an, eine Dissertation zu verfassen. Und irgendwann wurde für mich in dieser Phase des Schreibens klar, dass ich weiter wissenschaftlich arbeiten möchte. Mit 32 bekam ich dann meine erste Stelle für ein halbes Jahr an der Universität. Es folgten Lehraufträge, nicht nur an der Anglistik, sondern beispielsweise
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auch am Juridicum. Als dann ein neuer Professor aus England an den Fachbereich kam, wurde ich Assistentin und schrieb meine Habilitation. Rückblickend lässt sich sagen, dass alle meine Berufserfahrungen mir etwas gebracht haben, auch das Bundesdenkmalamt. Und besonders prägend waren gescheite Frauen auf meinem Weg. Wurden Sie jemals an der Universität Salzburg aufgrund Ihres Geschlechts diskriminiert? Wenn überhaupt, dann durch die allübliche Sitzungspolitik. Gerade Kuriensitzungen finden zu jenen Zeiten statt, welche absolut unvereinbar sind mit Kindern, d.h. zwischen 18 und 20 Uhr. In Estland beispielsweise gilt
es als absolut unmöglich, um diese Zeit einen Termin anzusetzen. Insgesamt sind ProfessorInnen mit Kindern immer noch eine große Minderheit an dieser Universität. Eine Vereinigung von Familie und Beruf geht aber wunderbar, wenn man nur will. Und man wird Meister im Koordinieren und Organisieren. Eine andere Art Diskriminierung passiert manchmal, wenn es heißt „man hat die Stelle nur bekommen, weil man eine Frau ist“. So etwas ignoriere ich.
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Steckbrief Person: Univ.-Prof. Sabine Coelsch-Foisner Geburtsjahr: 1960 Geburtsort: Bad Hall (Österreich) Grundstudium: Studium der Anglistik und Amerikanistik / Romanistik an der Universität Salzburg, Bühnen- und Kostümbild an der Universität Mozarteum Salzburg Fach: Englische Literaturwissenschaft und Kulturtheorie
Haben Sie ein Vorbild? Vorbilder für mich sind Menschen, die große Friedensarbeit leisten und sich einsetzen für Menschen, Schwache, Unterdrückte. Die sich einsetzen für die Würde des Menschen.
Naturwissenschaftliche Fakultät UP: Frau Prof. Hüsing,Sie sind Professorin für Anorganische Chemie und Materialchemie. Was fasziniert Sie daran und wie sind Sie dazu gekommen? Prof. Hüsing: Mich interessieren die Materialien selber, aber auch die Schnittstelle von Grundlagenforschung und angewandter Forschung, insbesondere für die vielen verschiedenen Anwendungsfelder, z.B. neue Materialien für Lithium-Ionen-Batterien. Zur Berufswahl würde ich sagen: Es war eine ganze Reihe von zufälligen Ereignissen, aber irgendwann bleibt man bei der Entscheidung, Professorin werden zu wollen. Ab dann ist der weitere Berufsweg natürlich kein Zufall mehr. Wie empfinden Sie die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben? Wie alle KollegInnen: Viel Arbeit, wenig Zeit. Es ist eine Gratwanderung zwischen Lehre, Verwaltungstätigkeit und Forschung. Aber für mich ist es auch der schönste Beruf,auch wegen der intensiven Interaktion mit jungen Leuten. Man muss sich bewusst machen, was einen in anderen Berufen erwartet, dann wird man sich trotz der vielen Arbeit der positiven Seiten bewusst. Wurden Sie jemals an der Universität Salzburg aufgrund Ihres Geschlechts diskriminiert?
Nein. Es gibt natürlich Kollegen, die so richtig das Gefühl vermitteln, man sei eine Frau, im positiven und negativen Sinn. Im letzten Fall kann man nur kompetent und sachlich reagieren. Gibt es eine männliche Dominanz im akademischen Bereich und wenn ja, wie kann man daran etwas ändern? In Deutschland und Österreich wird der Anteil der Professorinnen wohl bei 15-20% liegen, natürlich auch abhängig vom Fach. Hier spiegelt sich, insbesondere für technische oder auch naturwissenschaftliche Fächer wie z.B. Chemie, die Situation im Studium bzw. bei den Abschlüssen wider. Insgesamt hören mehr Frauen als Männer auf. Frauenförderprogramme, die helfen, mehr Frauen in den Studiengängen zu halten, sind aus meiner Sicht deshalb zu unterstützen, allerdings bin ich gegen eine reine Frauenquote um mehr Frauen in akademische Führungspositionen zu bringen. Worin sehen Sie einen Grund dafür, dass nur so wenige der Professuren an der Universität Salzburg oder allgemein an österreichischen und deutschen Universitäten weiblich besetzt sind? Für mein Fach spiegelt sich einfach die Abgängerquote wider. Man sollte schon in der Schule motivieren und spezielle Förder-
maßnahmen für Mädchen vor der Pubertät einrichten, um mehr Begeisterung auch für den technischen Bereich zu erzielen. Für mich wäre für das Studium, aber auch danach, weniger eine explizite Frauenförderung im Vordergrund, sondern Maßnahmen, die die gesamte Familie unterstützen. Haben Sie eine Empfehlung aufgrund Ihrer beruflichen Erfahrung, die Sie weitergeben möchten an Frauen, die von einer Professur träumen? Interesse am Fach, gute Organisation und Spaß und Freude an Forschung und Umgang mit jungen Leuten. Wenn man das hat, einfach machen. Steckbrief Person: Univ.-Prof. Nicola Hüsing Geburtsjahr: 1969 Geburtsort: Rheda-Wiedenbrück (Deutschland) Grundstudium: Chemie an der Universität Würzburg Fach: Anorganische Chemie, Materialchemie
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uni & leben Hörsaalrazzia – wie die Uni freie HörerInnen kriminalisiert Das Vizerektorat für Lehre (Uni Salzburg) hat ein neues Feindbild: „Freie HörerInnen“ über 55 Jahren, die rein aus Interesse einzelne Vorlesungen besuchen, ohne jedoch für ein Studium inskribiert zu sein. Bisher galt es als selbstverständlich, dass Vorlesungen allen interessierten Mitgliedern unserer Gesellschaft – von SchülerInnen bis hin zu SeniorInnen – offen stehen. Das Vizerektorat für Lehre schlägt jedoch auf Betreiben der „Uni 55 PLUS“ einen fragwürdigen Kurs ein: Wissbegierige ältere Menschen werden als „SchwarzhörerInnen“ denunziert und öffentlich als „Schaden“ für die Universität dargestellt1. Von Kay-Michael Dankl
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m Hörsaal ist genug Platz. Was bringt das Rektorat dazu, ältere freie HörerInnen zu kriminalisieren? Ist es Platzmangel? Wohl kaum. Denn für prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen mit Platzbeschränkung können sich freie HörerInnen mangels PLUSonline-Zugangs ohnehin nicht anmelden. Und in praktisch allen Vorlesungen sind während des gesamten Semesters zumindest ein paar Sitzplätze frei. In manchen Fächern liegt es an den niedrigen (und teils sinkenden) Studierendenzahlen. Hinzu kommt das Anwesenheitsverhalten der jüngeren Studierenden – wer kann schon von sich behaupten, an jeder Sitzung einer Vorlesung ohne Anwesenheitspflicht teilgenommen zu haben? Jedenfalls nehmen freie HörerInnen keinen ordentlichen Studierenden einen Platz im Hörsaal weg. Und da es in Vorlesungen keine Hausarbeiten gibt und freie HörerInnen keine Prüfungen ablegen können, verursachen diese auch keine Kosten. Im Gegenteil: Viele Lehrende freuen sich, wenn ihre Vorlesungen von HörerInnen aus genuinem Interesse (und nicht nur mit Blick auf die nächste Prüfung) besucht werden. Die räumlichen Kapazitäten und die Kosten können also nicht als Argumente für die Kriminalisierung älterer freier HörerInnen gelten. Aber worauf ist die Kriminalisierung als „SchwarzhörerInnen“ dann zurückzuführen? Der eigentliche Grund: Uni 55-PLUS. Der wahre Grund für die Kriminalisierung der älteren Mitmenschen durch das Vizerektorat ist ein anderer. Denn die älteren freien HörerInnen sind Urs Baumann, ehemaliger Professor am Fachbereich Psychologie und Leiter der 2012 gegründeten „Uni 55 PLUS“, ein Dorn im Auge. Bei der Uni 55 PLUS handelt es sich um ein Kursprogramm, das älteren Menschen ohne Studienberechtigung ermöglicht, den Besuch einzelner Vorlesungen mit einem Zertifikat bescheinigen zu lassen. Dieses Zertifikat ist kein akademischer Abschluss, sondern lediglich ein fiktives Zeugnis. Denn das Kursprogramm ist kein reguläres Studium. Die Kurse sind
frei zusammengewürfelt und haben keine Curricula als Grundlage. Die Struktur der Uni 55 PLUS selbst ist ein diffuses Gebilde. Sie existiert nur als „Stabsstelle“ im Vizerektorat für Lehre – eine vom Rektorat erfundene Kategorie, die im Organisationsplan unserer Universität nicht vorgesehen ist. Dahinter scheint Kalkül zu stecken: Denn die Uni 55 PLUS wurde 2012 vom Rektorat im Alleingang gegründet. Die anderen unipolitischen Organe, wie der Senat und die Fakultäten, wurden nicht informiert. Da die Uni 55 PLUS bis heute nicht in den Organisationsplan aufgenommen worden ist, haben die anderen Organe keine Möglichkeit, ihre Mitspracherechte zu nutzen. Als Leiter der Uni 55 PLUS wurde – ohne Wahl oder öffentliches Hearing – Urs Baumann installiert. Vor allem die Fakultäten waren über die überfallsartige Einrichtung der Uni 55 PLUS nicht erfreut. Sie befürchteten, dass ohnehin knappe Ressourcen der (teils stark belasteten) Fachbereiche abgezogen würden – nicht zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte: Entgegen der Zusage von Vizerektor Müller wurden Räume in der Kaigasse 17, die vormals von Fachbereichen genutzt wurden, der Uni 55 PLUS übertragen. Auch aus dem Disability-Fonds (!) der Universität wurden Gelder abgezogen, um Spezialkurse der Uni 55 PLUS zu finanzieren. Zwang als Armutszeugnis. Im Sommersemester 2013 ist die Zahl der Uni 55 PLUS-TeilnehmerInnen stark eingebrochen. Mit der Einführung von Kursgebühren in der Höhe von 180 Euro pro Semester zerstreute sich die anfängliche Begeisterung der rund 400 TeilnehmerInnen. Nur mehr jeder zweite Teilnehmer meldete sich für die Uni 55 PLUS an. Die Gründe sind einfach: Viele wollten das Programm im ersten Semester einfach mal ausprobieren. Andere haben festgestellt, dass sie sich für ein ordentliches Studium ihrer Wahl inskribieren können, ohne in den ersten Jahren Studiengebühren bezahlen zu müssen.
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Wieder andere interessierten sich für einzelne Vorlesungen, nicht aber für ein Zertifikat ohne realen Wert. Anstatt die Uni 55 PLUS attraktiver zu gestalten, um so die verlorenen TeilnehmerInnen zurückzugewinnen, reagierten Urs Baumann und Vizerektor Erich Müller mit Zwang: Per Email forderte der Vizerektor die Lehrenden im Frühjahr 2013 auf, BesucherInnen ohne Studierendenstatus aus den Hörsälen zu werfen. Damit sollen die freien HörerInnen wieder unter das Dach der Uni 55 PLUS getrieben werden. Begründet wurde dies damit, dass solche BesucherInnen „SchwarzhörerInnen“ seien und die Uni „schädigen“ würden, da sie keine Studiengebühren bezahlen. Dabei wurde verschwiegen, dass die freien HörerInnen keinerlei Kosten verursachen. Hinzu kommt, dass sich viele freie HörerInnen nur für einige wenige Vorlesungen interessieren. Das breite Angebot der ordentlichen Studien ist für sie ebenso unpassend wie das der Uni 55 PLUS. Außerdem wurden freie HörerInnen jahrhundertelang völlig selbstverständlich als Teil einer Universität angesehen. Auch die Uni Salzburg hat eine lange Tradition, dass ihre Vorlesungen allgemein zugänglich sind. Gleichzeitig sind die mittlerweile mehrfach durchgeführten Kontrollen in Hörsälen höchst fragwürdig. Altersdiskriminierung von offizieller Seite. Die Kriminalisierung von „SchwarzhörerInnen“ ist stark gegen ältere HörerInnen gerichtet. Während etwa SchülerInnen, die aus frühem Interesse oder zwecks Studienorientierung einige Vorlesungen besuchen, willkommen sind, möchte man möglichst viele ältere HörerInnen in die Uni 55 PLUS drängen. Offiziell wendet sich die Kontrollpolitik des Vizerektorats für Lehre gegen alle „SchwarzhörerInnen“; die Ankündigungen und Kontrollen in den Hörsälen haben aber Seniorstudierenden als primäre Zielgruppe. Es ist widersprüchlich, einerseits vorzugeben, mit der Uni 55 PLUS mehr ältere Menschen an die Uni zu bringen, andererseits aber gegen freie HörerInnen vorzugehen. Gesellschaftliche Öffnung, ade? Die Universität hat einen öffentlichen Bildungsauftrag. Universitäten sollten als öffentliche Institutionen zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und Demokratie beitragen. Außerdem werden die universitäre Lehre und Forschung sowie die Verwaltung mit Steuergeldern finanziert. Konsequenterweise muss sich die
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Universität gegenüber der Gesellschaft öffnen – und zwar nicht nur beim jährlichen „Uni:Hautnah“-Event im Europark, sondern auch indem sie ihre Vorlesungen für interessierte Nicht-StudentInnen zugänglich macht.
„Unis haben einen gesellschaftlichen Auftrag – und ihre Vorlesungen sollten weiterhin den freien HörerInnen zugänglich sein!“ Nicole Vorderobermeier, ÖH Salzburg
Diese Offenheit wird auch von der Gesellschaft und der Politik gewünscht. So hat die Universität kürzlich mit der Stadt Salzburg vereinbart, im Gegenzug zu Steuererleichterungen auch weiterhin öffentliche, kostenfrei zugängliche Veranstaltungen anzubieten, insbesondere Ringvorlesungen. Diese Ringvorlesungen stoßen – wie auch viele Vorlesungen – auf nennenswertes öffentliches Interesse. Dass aber Menschen, die aus genuinem Interesse Vorlesungen besuchen möchten, kriminalisiert und in kostenpflichtige Angebote mit unzureichend attraktivem Profil gedrängt werden, steht in einem Widerspruch zu diesem öffentlichen Auftrag. Diese Vorgehensweise ließe nur den Schluss zu, dass unter „Öffnung“ der Uni vor allem die Erschließung neuer Geldquellen gemeint ist. So wird die Kommerzialisierung der Universitäten fortgesetzt. Bildung wird immer mehr zu einer Ware, die künstlich verknappt wird und nur über kostenpflichtige Angebote zugänglich ist. Zu dieser Marktlogik gehört, dass der freie (und eigentlich kostenneutrale!) Zugang zu Vorlesungen eingeschränkt wird. Diese Ökonomisierung von Bildung hat zahlreiche Schattenseiten. Eine davon ist, dass auf dem Weg zum „Wissensunternehmen“ der öffentliche Charakter verloren geht, zu dem der niederschwellige allgemeine Zugang zu Vorlesungen gehört. Wenn sich Salzburg tatsächlich als eine Stadt der Bildung etablieren möchte, muss die Uni ihren Teil beitragen. Wissbegierige ältere Menschen zu kriminalisieren und Razzien in Hörsälen durchzuführen, gehört mit Sicherheit nicht dazu. Vielmehr sollte die lange Tradition des freien HörerInnentums als positive Eigenschaft unserer Universität anerkannt und bewahrt werden.
Auf einen Blick: Das Vizerektorat für Lehre kontrolliert, ob ältere Menschen Vorlesungen besuchen, die nicht für ein Studium angemeldet sind. Diese Kriminalisierung als „SchwarzhörerInnen“ soll ältere Menschen dazu zwingen, sich für das (kostenpflichtige) Kursprogramm der „Uni 55 PLUS“ anzumelden. Die TeilnehmerInnenzahlen dieses umstrittenen Kursprogramms waren zuletzt stark eingebrochen. Die ÖH kritisiert diese Kriminalisierung von älteren freien HörerInnen als „SchwarzhörerInnen“ und „schädigend“ für die Universität durch das Vizerektorat für Lehre.
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Müllschlucker in Mantarochen-Form Warum man persönliche Träume immer verfolgen sollte, egal ob die Mittel und Wege dazu zur Verfügung stehen, zeigen uns immer wieder erfolgreiche Studentenprojekte. Der Niederländer Boyan Slat ist einer davon. Seine Idee zur Säuberung der Ozeane schlug so große Wellen, dass ihn mittlerweile die ganze Welt kennt. 2011 hatte der Student der Luft- und Raumfahrttechnik nämlich eine Idee, die den Müll in den Meeren dauerhaft entfernen könnte. Doch nicht nur Slat machte bereits als Student Schlagzeilen. Von Marina Hochholzner
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er träumt nicht davon, wenn er ein Studium beginnt, damit irgendwann mal die Welt zu verändern? Die Medizinstudenten hoffen insgeheim, das Heilmittel gegen Krebs zu erfinden, die Kommunikationswissenschaftler erstreben den Pulitzerpreis, die Juristen wollen einmal Staranwälte werden und die Studenten des Ingenieurwesens wünschen sich, in Zukunft irgendwann einmal wichtige Bauten zu entwerfen. Der Niederländer Boyan Slat träumte davon, seine Zukunft damit zu verbringen, Menschen sicher in den Weltraum zu schicken. Neben dem Studium der Luftund Raumfahrttechnik ist er Hobbyfotograf und Taucher. Diese Freizeitbeschäftigungen führten letztlich auch zu einer der vielversprechendsten Ideen zur Reinigung der Meere und der Rettung der Umwelt. Bei einem Tauchgang während eines Urlaubes fiel dem Studenten einmal wieder auf, wie furchtbar verschmutzt die Meere mittlerweile weltweit sind. Der Plastikmüll in den Ozeanen ist zum globalen Problem geworden. Durch diverse Unterwasserströmungen, die aufeinander treffen, kommt es nämlich in bestimmten Meeresregionen zu einer ganz enormen Verdichtung des Abfalls. Herumtreibender Plastikmüll wird durch Wellenbewegung und Sonneneinstrahlung auf Dauer zerkleinert, was sogar dazu führen kann, dass das Plastik in eine pulverähnliche Substanz zerfällt. Dies wird zur großen Gefahr für die Meeresbewohner. Bei einem so hohen Feinheitsgrad wird das Plastikpulver sogar von den kleinsten Organismen in den Meeren aufgenommen.
Selbst beim Plankton kann das Plastik versehentlich in die Nahrung geraten und dies löst eine unheilvolle Kettenreaktion aus. Die Müllpartikel enthalten giftige und krebsverursachende Chemikalien und Schadstoffe, die das Plankton in sich speichert. Über das Plankton gelangt das Plastik dann immer weiter in die Körper der Meeresbewohner. Da das Plankton ganz unten auf der Nahrungskette steht, basiert auf ihm die Ernährung sämtlicher anderer Meeresgeschöpfe. Letztlich gelangt auf diesem Weg der Plastikmüll mit den anlagernden Giftstoffen auch in die für den menschlichen Verzehr bestimmten Lebensmittel.
„Schon jetzt schwimmt im Wasser sechsmal mehr Plastik als Plankton.“ Auch Slat ist sich dieser Gefahr durch die Wasserverschmutzung nur allzu bewusst. Die Meeresschutzorganisation Oceana vertritt die Meinung, dass weltweit stündlich 675 Tonnen Müll direkt ins Meer geworfen werden, wovon die Hälfte aus Plastik besteht. Nach verschiedenen Schätzungen schwimmen 13.000 bis 46.000 Plastikteile in jedem Quadratkilometer der Ozeane. Plastik, vor allem in Form von PET-Flaschen, Kanistern und Tüten, macht einer Studie des UNEP (United Nations Environmental Programme) zufolge
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bis zu 80% der gesamten Abfälle in den Meeren aus. Lösungsansätze gibt es bisher noch nicht wirklich. Zwar wurden schon viele Ideen vorgebracht und es haben sich auch dutzende Schutzorganisationen zusammengefunden, doch ernsthafte Schritte wurden bisher noch nicht eingeleitet. Dies veranlasste Slat, der bereits mit 14 Jahren einen Rekord im Abschießen von Wasserraketen aufstellte, selbst zu handeln. Er entwickelte ein Konzept, das man rentabel und vor allem auch realistisch dazu einsetzen könnte, die Meere zu säubern. Es bietet die Möglichkeit, Millionen von Tonnen an Plastikabfall aus den Meeren zu sammeln und zu recyceln. Die Technologie befindet sich momentan in der Erprobungsphase und basiert auf dem Einsatz mehrerer Mantarochenförmiger, schwimmender Plattformen, die mit rohrähnlichen, auf der Meeresoberfläche treibenden Schwimmkörpern, genannt Pontons, verbunden sind. Die Technik macht sich die natürliche Meeresströmung zu Nutze. Diese Konstruktion sammelt den Abfall zuverlässig ein und bunkert ihn
„Ein Fehler in den Zahlen galt zuerst als Ursache für die falschen Ergebnisse.“ in einem dafür vorgesehenen Abschnitt innerhalb der Plattformen. Außerdem spielt die Tatsache, dass das zu entfernende Plastik auf der Meeresoberfläche treibt und so gut zu erreichen ist, eine weitere wichtige Rolle. Denn das hat den Vorteil, dass Plankton und andere Meeresbewohner nicht versehentlich zusammen mit dem Abfall gefangen werden. Slat rechnet damit, die Meere in etwa fünf Jahren gesäubert zu haben, wenn seine Sea Water Processors an den fünf Bereichen in den Meeren ausgesetzt werden, an denen die Strömungen den Müll konzentriert zusammen treiben. Momentan arbeitet die von Slat im Zuge seiner Idee gegründete Ocean Cleanup Foundation an mehreren Machbarkeitsstudien. Oftmals ist es so, dass Menschen bereits während des Studiums großartige innovative Ideen haben, die der Welt von großem Nutzen sein können. Slat ist da nur eines von vielen Beispielen. Ob nun der junge Bill Gates mit Microsoft, Mark Zuckerberg mit Facebook oder Larry Page und Sergej Brin mit Google – vor allem im Bereich der Technologie zeigen Studenten hohen Einfallsreichtum und den richtigen Riecher für das große Geld. Doch auch Projekte, die keinen Gewinn abgeben, ha-
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ben bereits einigen Studenten zu weltweitem Ruhm verholfen. So passierte es auch kürzlich im Frühling 2013 dem amerikanischen Wirtschaftsstudenten Thomas Herndon. Während seines Studiums bekam Herndon in einem seiner Kurse die Aufgabe, sich eine ökonomische Studie auszuwählen und die Ergebnisse dieser Arbeit nachzurechnen. Er wählte die Studie Growth in a Time of Debt, die von zahlreichen Politikern international zitiert wurde und hohes Ansehen genoss. Die 2010 erschienene Untersuchung von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff wurde auch wegen des guten Rufs der beiden Autoren zu einer der meistzitierten Arbeiten. Rogoff war Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und unterrichtet in der Harvard-Universität. Rogoff zählt als einer der einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler der Welt. Reinhart unterrichtet ebenso in Harvard und forscht zusätzlich am renommierten Peterson Institute in Washington. In ihrer Studie stellen die beiden die Behauptung auf, ein Staat mit über 90% Staatsverschuldung würde unrettbar Konkurs erleiden. Herndon versuchte, die Ergebnisse der Studie eigenständig nachzurechnen. Dabei kam er jedoch nicht zum gewünschten Erfolg und stellte fest, dass er irgendwo einen Fehler in den Zahlen gemacht haben musste. Er nahm mit den Autoren Reinhart und Rogoff Kontakt auf. Diese stellten ihm ihre Tabellenkalkulation zur Verfügung, mit der sie zu ihren Ergebnissen gekommen waren. Herndon fand in diesem Dokument einige Fehler: in der Analysegleichung hatten die Autoren nur 15 der 20 Länder berücksichtigt (Australien, Belgien, Dänemark, Kanada und Österreich wurden vergessen) und bei einigen Ländern fehlten entscheidende Daten. Außerdem stellte er auch fest, dass die verwendete Rechenmethode fehlerhaft war. So gelang es einem unscheinbaren Wirtschaftsstudenten tatsächlich, zwei toprenommierte Professoren und Wissenschaftler bloßzustellen. Dies hatte immense Ausmaße, da die so oft zitierte und als Vorlage für Finanzpolitik verwendete Studie schlichtweg falsch war. Herndon verhalf dies zu internationalem Ruhm und auch eine Festanstellung nach dem Abschluss seines Studiums dürfte dem Amerikaner sicher sein. Man sieht also, nur weil man noch keine abgeschlossene Berufsausbildung hat heißt das noch lange nicht, dass man nicht schon kleine Wunder bewirken kann. Slat und Herndon sind nur zwei von vielen Beispielen. In unserer Welt gibt es noch hunderte Bereiche, in denen geholfen oder nachgeforscht werden muss. Wer weiß, vielleicht ist auch unter Salzburgs Studenten der nächste Boyan Slat zu finden?
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Was darf die ÖH? Und was sollte sie lieber lassen? Die Antworten auf diese Fragen nach dem politischen Mandat der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) sind nicht ganz unumstritten. Während die einen sie als eine Interessenvertretung inskribierter Studierender sehen, drängen die anderen darauf, dass sie sich politisch breit aufstellen, Gesellschaftspolitik an die Uni bringen und Studierenden die Chance eröffnen sollte, sich selbst zu engagieren. Ein Plädoyer für ein breites politisches Mandat der ÖH. Von Fabian Jonas Habersack
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unächst zur Definition: Was heißt eigentlich „Mandat“? Der Ausdruck Mandat ist dem lateinischen mandare entlehnt, was so viel bedeutet wie „anvertrauen“. Was genau anvertraut wird? Das Recht und die Pflicht, dich in deinen Anliegen an der Uni zu vertreten. Wie das geht? Indem du alle zwei Jahre die Universitätsvertretung (UV) der ÖH wählst, die die Leitlinien festlegt und konkrete Beschlüsse fasst. In den Aufgabenbereich der ÖH fällt zum einen die Wahrung studentischer Interessen in den Gremien der Uni. Zum anderen sorgt sie für Serviceangebote wie Beratungen zum Studium und Kulturprogramme. Um dem nachzukommen, hat die ÖH ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung. Inwieweit sie dieses nutzen sollte und was die ÖH darf ist seit Längerem umstritten und das nicht ausschließlich unter Studierendenfraktionen in Salzburg. In Deutschland, wo Hochschulpolitik Ländersache ist, gilt mehrheitlich die Auffassung von der „Studierendenschaft“ als einer reinen Vertretung in universitären Belangen. Allgemeinpolitische Themen anzusprechen fällt, so ist es den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen, nicht in ihren Aufgabenbereich. Nur im Bundesland Nordrhein-Westfalen wird ihr das Recht eingeräumt Stellungnahmen abzugeben, die nicht in diesen engen Rahmen fallen – unter der Voraussetzung, dass sie nicht im Namen aller Studierenden spricht (Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen §53 Abs. 2 und 3). 1. Gegen Klientelpolitik: Eine breitere Basis. Aus Sicht der ÖH spricht jedoch einiges dafür, sich thematisch breit aufzustellen und von reiner Klientelpolitik klar abzugrenzen. So bezieht sie beispielsweise immer wieder gegen Knock-Out-Prüfungen im ersten Semester, gegen die Einhebung von Studiengebühren und gegen Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen (Studierende aus nicht EU-Staaten) Stellung – Angelegenheiten, die selbstverständlich nicht nur bereits eingeschriebene, sondern auch zukünftige Studierende
betreffen. Und auch Minderheiten an der Uni Salzburg wird so mehr Gehör zuteil. Ein Punkt, der die ÖH noch weiter von einer reinen Klientelpolitik entfernt, betrifft die Finanzen. Sähe die ÖH ihre einzige Funktion in der Erleichterung des Unilebens, würde sie sämtliche Forderungen an die Politik stellen, ohne Bezug darauf zu nehmen, woher im Einzelfall das Geld genommen werden soll. Im Kontrast dazu würde sie sich jedoch explizit gegen eine Erhöhung des Budgets der Universität aussprechen, wenn dieses über massive Einsparungen im Schulwesen oder Kürzungen der Mindestsicherung finanziert werden würde. Und auch die eigenen Ausgaben der ÖH und die Verwaltung des Jahresbudgets von rund 475.000 Euro gehen mit einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung einher. Welche Projekte sollen gefördert werden? Wofür sollte die ÖH im Namen der Studierenden Geld ausgeben? Mit welchen Sponsoren sollte die ÖH kooperieren, mit welchen nicht? Fragen, über welche auch intern debattiert wird. 2. Untrennbarkeit. Zweitens ist die Vertretung studentischer Interessen gar nicht so leicht von Gesellschaftspolitik zu trennen. Denn Studierende führen ihr Leben nicht nur an der Uni, sondern sind in jedem Fall in einen breiteren gesellschaftlichen Kontext eingebunden: Das heißt, du bist nicht nur Studierende oder Studierender einer bestimmten Fachrichtung, sondern lebst in Salzburg zur Miete, pendelst aus dem Ausland und nimmst öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch, übst neben deinem Studium einen Beruf aus oder hast bereits Familie. Insofern würde es keinen großen Sinn machen, nur deine Interessen an der Uni durchzusetzen. Stattdessen setzt sich die ÖH für leistbares Wohnen ein, bietet Kulturprogramme an, unterstützt sozial schwache Studierende, um ihnen den Zugang zur Bildung genauso zu ermöglichen, wie er anderen Studierenden offensteht, und setzt zu guter Letzt mit der von ihr initiierten „Plattform gegen Rechts“ ein Zeichen gegen Rechtsext-
Mehr zu den Standpunkten der ÖH und zu ihren Grundsätzen findest du online unter: www.oeh-salzburg.at
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remismus in Salzburg. Damit geht sie weit über die Einmischung in universitäre Angelegenheiten hinaus. 3. Solidarisierung. Das dritte Argument ist ein strategisches. Der ÖH ist es ein Anliegen, sich mit bestehenden zivilgesellschaftlichen Organisationen zu solidarisieren, um eine größere Öffentlichkeitswirkung zu erzielen. Im Hintergrund eines solchen Schulterschlusses steht der Gedanke, sich die Unterstützung durch dieselben Organisationen auch zukünftig zu sichern: Das geschieht beispielsweise über die „Plattform gegen Rechts“, welche ja von einer breiten Basis mitgetragen wird, aber das geschah auch schon früher, als die Arbeiterkammer Österreichs (AKÖ) die „Uni-Brennt“-Aktion unterstützte. Erst dadurch kann ein progressives, gesellschaftliches Klima geschaffen werden, aus dem konkrete Anreize für die Politik hervorgehen. Der formal begrenzte Handlungsrahmen der ÖH weitet sich somit in der Praxis enorm aus. Das bedeutet allerdings auch, dass die ÖH ihr Repertoire an Möglichkeiten der Einflussausübung auch ausschöpfen sollte. 4. Engagement fördern. Viertens ist die Förderung des studentischen Engagements ein wichtiges Anliegen und Interesse der ÖH. Zum einen kann das über die Organisationsstruktur der ÖH selbst erreicht werden: Die ÖH gliedert sich in den Vorsitz, das Sekretariat und (derzeit) zehn Referate mit unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern, die nicht von einer einzigen Person wahrgenommen werden können. Möglichkeiten, sich an der Uni einzubringen, bieten auch die verschiedenen Studierendenvertretungen (STV), mit denen du sicherlich am häufigsten in Kontakt trittst, wenn du Fragen zum Studium hast. Auch die „uni:press“ ermöglicht es dir, selbst Artikel zu verfassen und dich in journalistischer Form zu engagieren. Zum anderen fördern die Kulturprogramme, Workshops und Podiumsdiskussionen die Partizipationsmöglichkeiten. Auch an dieser Stelle ist die „Plattform gegen Rechts“ zu nennen, die eine Artikulation gegen Rechtsradikalismen gerichteter Ansichten und Interessen zulässt. Aber auch nicht-immatrikulierten GasthörerInnen sollten die Türen einer öffentlichen Bildungseinrichtung wie der Uni Salzburg offenstehen, findet die ÖH. Deshalb spricht sie sich explizit gegen die „Kriminalisierung“ von GasthörerInnen aus, welche zukünftig vielleicht durch stichprobenartige Kontrollen zur Entrichtung einer nicht geringen Gebühr gezwungen werden, um an Lehrveranstaltungen teilnehmen zu können. Damit würde die Uni das Anliegen der ÖH massiv unterwandern, Engagement und Interesse an Bildung auch außerhalb der Uni zu fördern, anstatt Interessierten die Tore zur „Universitätsstadt Salzburg“ zu verschließen.
„Die Vertretung studentischer Interessen ist gar nicht so leicht von Gesellschaftspolitik zu trennen.“
Die „Plattform gegen Rechts in Salzburg“ ist eine organisationen- und parteienübergreifende Einrichtung, welche auch von zahlreichen Einzelpersonen mitgetragen wird. Ihr Ziel ist es, die Gesellschaft in Bezug auf Rechtsradikalismen zu sensibilisieren. Näheres zur Plattform findest du ab der Seite 40.
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ver Lehrveranstaltungsevaluierung sus
pro
Fabian Habersack
Jedes Jahr aufs Neue beglücken uns unsere Professorinnen und Professoren am Ende einer Lehrveranstaltung mit ominösen bunten Zetteln. So soll die Lehrveranstaltung von uns Studierenden beurteilt – und besser gemacht werden. Doch wie sinnvoll ist diese Prozedur? Bringt die LV-Evaluierung nur viel Papiermüll oder können Studis dadurch wirklich mitbestimmen?
Nachdem immer wieder Kritik am bestehenden Evaluierungssystem geäußert wird – nicht zuletzt von Studierenden, denen die gelben, grünen und weißen Fragebögen vorgelegt werden –, bricht diese Perspektive eine Lanze für die LV-Evaluierungen der Uni Salzburg. Zum einen ist die Regelmäßigkeit hervorzuheben, mit welcher die studentische Perspektive in die Lehrveranstaltungsgestaltung einfließt. An allen Fakultäten werden jedes zweite Jahr Evaluierungsbögen an die Studierenden ausgegeben, an den Zentren der Uni Salzburg sogar jedes Semester. Der Grundgedanke: die Beteiligung der Studierenden an der Optimierung des Lehrangebots. Dabei geht es um weit mehr als einen gerechten Ausgleich zur Notenvergabe durch die Lehrenden: Seit dem Wintersemester 2008/09 werden mit dem weißen und grünen Bogen Workload-Erhebungen durchgeführt, um abschätzen zu können, ob das theoretische Arbeitspensum auch mit der studentischen Realität korrespondiert. Hier fließt neben der Präsenz- und Prüfungsvorbereitungszeit beispielsweise auch die Zeit ein, die für das Eigenstudium (z.B. Literaturrecherche) aufgewendet wird – ein beträchtlicher Teil des gesamten Arbeitsaufwandes pro Semester. Die Erhebung bietet die Möglichkeit, das Arbeitspensum anzupassen oder gegebenenfalls die Zahl der ECTS daran auszurichten. Der Bogen beinhaltet darüber hinaus auch Fragen zu den Leistungsanforderungen oder dem Klima in der Lehrveranstaltung sowie zur Relevanz der vermittelten Inhalte. Nach dem Schulnotensystem beziehen die Studierenden Stellung zu sämtlichen qualitativen Parametern einer Lehrveranstaltung, bis hin zur Beurteilung der Raumqualität. Am Ende ist ein Gesamturteil über die Lehrveranstaltung zu fällen. Die gelben Bögen hingegen bieten Platz für die Beantwortung offener Fragen, die vor allen Dingen der Zwischenevaluierung dienen und eine reine Rückmeldung an die/den Lehrende/n sind. Konstruktive
Kritik an Inhalten oder Zeitmanagement fließt im Idealfall in die Gestaltung der zweiten Hälfte des Semesters ein. Über die Umsetzung der eingebrachten Kritikpunkte, das heißt die Flexibilität der/des Lehrenden, wird zu Semesterende geurteilt, wenn erneut die Fragebögen vergeben werden. Zum Ende des Semesters erhalten neben den Lehrenden auch die DekanInnen und FachbereichsleiterInnen Einsicht in die Ergebnisrückmeldungen. Somit wird ermöglicht, dass die studentische Kritik am Lehrangebot nicht etwa in den Tiefen der Bürokratie oder des Desinteresses verschwindet. Stattdessen, so liest es sich zumindest auf der Homepage der Uni, fließen die Rückmeldungen in die Vergabe von zukünftigen Lehraufträgen an externe Lehrende sowie in die Qualitätssicherung ein. Schließlich bleibt noch die Frage, welche Alternativen es zum bisherigen Modell gibt – denn dass eine wie auch immer geartete Bewertung stattfinden muss, um die Interessen der Studierenden berücksichtigen zu können, steht außer Frage. An der Freien Universität Berlin läuft derzeit das Tagebuch-Modell Probe; eine Idee, die ursprünglich aus Schweden stammt. Es sieht über den Zeitraum eines Semesters die Protokollierung des studentischen Arbeitspensums vor, sowie begleitende, qualitative Interviews. Damit kann der studentische Arbeitsaufwand wesentlich genauer und umfassender erhoben werden. Allerdings geht mit dem Tagebuchführen auch ein zusätzlicher Zeitaufwand für Studierende einher, der neben den Studienarbeiten und Prüfungsvorbereitungen zu einer großen Belastung werden kann. Die Schwierigkeit besteht vermutlich darin, die Bereitschaft unter Studierenden zu finden, an zeitintensiven Projekten teilzunehmen. Bei allen Schwächen des standardisierten Modells der Uni Salzburg liegen also die Vorteile auf der Hand: Die Evaluationsbögen sind eine einfache Methode, die studentische Perspektive mit ins Boot zu holen.
„Die Evaluationsbögen sind eine einfache Methode, die studentische Perspektive mit ins Boot zu holen.“
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contra
Nicole Vorderobermeier & Kay-Michael Dankl
„Die Messung von Zeitaufwand erinnert mehr an die industrielle Arbeitsweise in Fabriken.“
Im besten Fall: Zeitvertreib. Im schlimmsten: ein weiterer Schritt hin zur Ökonomisierung der Universität. Der Evaluierungs- und Messungswahn, der vor einigen Jahren in der österreichischen Hochschullandschaft Einzug gehalten hat, macht auch vor den Lehrveranstaltungen der Uni Salzburg nicht halt. Die Lehre ist seit fast 1.000 Jahren eine Hauptaufgabe europäischer Universitäten. Doch seitdem die Unis zunehmend nach dem Modell privater Unternehmen umgebaut werden, gewinnen betriebswirtschaftliche Logiken und Management-Formen an Boden – darunter auch die Auffassung, dass alles gemessen, quantifiziert und evaluiert werden muss. Die Lehre an unserer Uni wird über mehrere Instrumente evaluiert. Zum einen können LV-LeiterInnen zur Semestermitte anhand von gelben Zetteln mit fünf offenen Fragen Feedback einholen, was Studierenden an ihrem Kurs gefällt oder missfällt. Ob diese gelben Formulare ausgeteilt werden und inwiefern das Feedback in der Gestaltung der Lehrveranstaltung berücksichtigt wird, hängt von den LV-LeiterInnen ab. Problematisch ist, dass Lehrende die Handschrift einzelner Studierender leicht erkennen können und somit die Anonymität des Feedbacks nicht gewährleistet ist. Zum anderen müssen alle Fachbereiche jedes vierte Semester offizielle LV-Evaluierungen durchführen. Dabei können die Studierenden Fragebögen mit geschlossenen Fragen in 18 Kategorien ausfüllen. Die Bandbreite der zu bewertenden Merkmale reicht von den „Leistungsanforderungen“ über „Relevanz der Inhalte“ bis hin zu „Raumqualität“ und zum Gesamturteil. Auf der Rückseite sollen die Studierenden zwecks Erhebung des studentischen Arbeitsaufwands die Stunden eintragen, die sie für die jeweilige Lehrveranstaltung aufwenden. Die Ergebnisse werden nicht nur den Lehrenden selbst mitgeteilt, sondern auch dem jeweiligen Dekanat und dem Rektorat. Diese Form der LV-Evaluierung hat mit erheblichen methodischen Problemen zu kämpfen. Beispielsweise wird die Evaluierung oft am Ende der Vorlesungszeit durchgeführt, also im Jänner oder Juni. Aber gerade
bei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen werden manche Aufgaben (z.B. das Verfassen von Seminararbeiten) erst in der vorlesungsfreien Zeit erledigt. Doch wie soll der Arbeitsaufwand für eine zukünftige Leistung seriös eingeschätzt werden? Hinzu kommt, dass wohl niemand akribisch Buch führt, wie viele Minuten und Stunden pro Woche für eine Lehrveranstaltung aufgewandt werden. Solange keine allgemeine Tagebuchpflicht eingeführt wird, bleibt die Einschätzung des studentischen Arbeitsaufwandes hoch spekulativ. Viel heikler als diese instrumentellen Mängel ist aber die Ideologie hinter LV-Evaluierungen und der Erhebung des studentischen Arbeitsaufwandes. Denn die Evaluierungen von Bildungs- und Forschungsprozessen beansprucht, die Qualität von Lehre, Studium und Forschung mit quantitativen Maßstäben zu erfassen. Wie der Wiener Philosoph Konrad Paul Lissmann in „Theorie der Unbildung“ ausführt, muss dies zwangsläufig scheitern. Denn Kriterien, wie z.B. die Anzahl der in einer Vorlesung verwendeten Powerpoint-Folien und Videos, die studentischen Einschätzungen zur Relevanz eines Themas oder die Häufigkeit wissenschaftlicher Publikationen, sind lediglich äußere Merkmale von Bildungs- und Erkenntnisprozessen, die noch nichts über deren Qualität aussagen. Ist eine Vorlesung per se schlechter, weil keine Powerpoint-Folien eingesetzt wurden oder kein leicht verdauliches Skript für die Prüfung bereitgestellt wird? Analoges gilt für die Erhebung der studentischen „work load“. Wie viele Stunden eine Person mit der Vorbereitung eines Referats verbringt, sagt nichts darüber aus, wie viel dabei gelernt wurde. Die Messung von Zeitaufwand erinnert mehr an die industrielle Arbeitsweise in Fabriken, wo mit Größen wie „Zeiteinsatz“, „Plansoll“ und dergleichen gearbeitet wird. Bildungsprozesse können aber nicht ernsthaft quantifiziert werden – vielmehr wird die Quantifizierung zum Instrument, das von freier Bildung ablenkt und der Industrialisierung von Bildung und Forschung Vorschub leistet, indem sie vortäuscht, diese messbar (und damit handelbar) zu machen.
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DER WEGWERFWAHN S
179 Kilogramm Essen wirft jede/r von uns Europäern durchschnittlich im Jahr in den Müll. Das ist so viel wie drei herkömmlich große Mülltonnen. Alle Hungernden dieser Welt (das sind nach Angaben der UN unglaubliche 842 Millionen!) könnten mit den Lebensmitteln, die wir jährlich in Europa wegwerfen, zwei Mal ernährt werden. Nähme man dem Abfall Nordamerikas noch dazu, würde unser Lebensmittel-Müll sogar dreimal für sie reichen. Wie wir zwischen Überfluss und Verschwendung verlernt haben, unsere Nahrung zu schätzen, und welche Anstrengungen Politik und Privatinitiativen unternehmen, gegen die Verschwendung von Lebensmitteln anzukämpfen: eine Bestandsaufnahme. Von Katharina Schmid
© Beaulawrence
ie beginnt in der Küche einer StudentenWG. Wieder mal eine verschimmelte Käsepackung in der hintersten Ecke des Kühlschranks gefunden, das halb leere Joghurt von vor zwei Wochen sieht auch nicht mehr so vertrauenswürdig aus. Wem ist es nicht schon mal so oder ähnlich ergangen? Manchmal passiert es einfach; Lebensmittel werden schlecht, weil wir sie vergessen oder schlicht verschmähen. Und wo landen sie? Klarerweise dort, wo sie in diesem Zustand auch hingehören: im Mistkübel. Doch findet man dort, im Müll, unglücklicherweise nicht nur verdorbene Lebensmittel und bei weitem nicht nur ein, zwei Joghurtbecher, die im Kühlschrank vergessen wurden. 19 Kilogramm Nahrungsmittel wirft jede/r Österreicher/in in einem Jahr in den Müll. Das ist Essen im Wert von 300 Euro pro Jahr und Haushalt, oder anders ausgedrückt: 157.000 Tonnen Lebensmittel und Speisereste im Jahr, ein Anteil von 15 Prozent des gesamten Restmülls in Österreich. Allein in Stadt und Land Salzburg landen jährlich 10.000 Tonnen Lebensmittel im Müll ohne ihren eigentlichen Zweck erfüllt zu haben, nämlich als „Mittel zum Leben“ zu dienen. Doch wo liegen die Gründe? Warum werfen wir solch unvorstellbar große Mengen an unverbrauchten Lebensmitteln einfach weg? Wir leben in einer Zeit der Extreme. Während Menschen in Entwicklungsländern Hunger leiden, schwelgen wir im Überfluss. Während Mangel, sei es an Wasser oder an Nahrung, das Leben eines Großteils der Menschen auf der Erde bestimmt, geben wir uns der Verschwendung hin. Dahinter muss gar keine böse Absicht stecken, vielmehr haben viele von uns die Wertschätzung gegenüber unseren Lebensmitteln verloren. Ganz einfach aus dem Grund, weil wir grenzenlosen Zugang zu ihnen haben. Immer und überall. Willst du Erdbeeren im Winter – hol sie dir im Supermarkt um die Ecke; willst du frisch duftende Brezen um 17 Uhr abends – hol sie dir aus den vollen Regalen des nächsten Backshops. Die am Abend noch frischen Weckerl und Brote tummeln sich tags darauf schon auf dem Müllberg. Keiner will sie mehr, frische Ware wartet bereits in den Auslagen darauf, gekauft zu werden. 45 Kilogramm genießbare Lebensmittel sortiert ein Supermarkt in Österreich täglich aus. Weil die Produkte bald ihr Mindesthaltbarkeitsdatum erreichen, sie sich nicht so gut verkaufen, wie das geplant gewesen wäre, das Sortiment erneuert wird. Und wohin mit ihnen? In den Müll. 90 Millionen Tonnen Lebensmittel sind es in der EU jährlich, die auf diese oder ähnliche Weise (sei es in Produktion, der Lage-
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„Erdbeeren im Winter, frische Brezen am Abend. Durch den grenzenlosen Zugang haben wir die Wertschätzung für unsere Lebensmittel verloren.“ rung, im Verkauf oder schließlich beim Konsumenten) auf dem globalen Müllberg landen – und dieser wird immer größer. Die aufrüttelnden Zahlen zur Verschwendung von Lebensmitteln wurden 2011 populär, als der Dokumentarfilm „Taste the waste“ mit seinen schockierenden Bildern und Fakten für Furore sorgte; jetzt ist der Nachfolgefilm „Frisch auf den Müll“ erschienen. Der deutsche Filmemacher Valentin Thurn sucht darin nach Antworten auf die Frage, warum in der westlichen Welt so große Mengen an Lebensmitteln unverbraucht entsorgt werden und welche Auswirkungen diese auf Weltklima und -ernährung, auf soziale Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten hat. Politische Pläne folgten prompt: In Österreich will man bis Ende 2016 die Lebensmittelabfälle um 20 Prozent verringern, in Deutschland sollen bis 2020 sogar nur noch halb so viele Nahrungsmittel weggeworfen werden – ein ambitioniertes Vorhaben, dessen gelungene Umsetzung noch fraglich scheint. Doch Bemühungen gibt es: So arbeiten beispielweise in Österreich Lebensministerium und Sozialpartner im Rahmen der Initiative „Lebensmittel sind kostbar!“ daran, dieses Ziel zu erreichen. Neben der 20-prozentigen Reduktion der Lebensmittelabfälle bis 2016 soll die Sensibilität für das Thema „Lebensmittelverschwendung“ in der Gesellschaft geschärft werden, wirtschaftliche Prozesse und Systeme, die zur nachhaltigen Verminderung von Lebensmittel-
abfällen führen, werden unterstützt. Ganz konkret greift man Projekten, die sich um die Weitergabe von nicht mehr benötigten Nahrungsmitteln an soziale Einrichtungen und Bedürftige kümmern, unter die Arme. Die Wiener Tafel rettet auf diese Weise täglich drei Tonnen Lebensmittel vor dem Müll und versorgt gleichzeitig 12.000 Menschen, die im Großraum Wien in Armut leben, mit Nahrungsmittelspenden. Daneben haben sich in den vergangenen Jahren private Initiativen formiert. Die Online-Plattform „foodsharing.at“ biete als Börse den Tausch von Lebensmitteln an, öffentliche Kühlschränke, sogenannte FairTeiler, sind ein neuer Trend, der in Großstädten zu beobachten ist: Lebensmittel, deren Besitzer keine Verwendung mehr für sie haben, stellen sie der Öffentlichkeit zu Verfügung. Es wird getauscht und geteilt, nicht weggeworfen. Doch es sind nicht die Privathaushalte, die den größten Teil der weggeworfenen Nahrungsmittel zu verantworten haben. Ein Großteil wird schon nach der Produktion aussortiert, und das nur, weil er nicht der so genannten Norm entspricht: Gekrümmte Gurken, braune Bananen, kleine Kartoffeln, blassrote Tomaten – sie alle haben keine Chance, sich in Supermarktregalen den Konsument/innen anzubieten. Dieses unreflektierte Wegwerfen von Lebensmittel führt zu ihrer Verknappung und in Folge dessen zur Erhöhung der Preise. Ergebnis davon: Der Hunger in der Welt wächst. Menschen aus Kamerun können sich keine Bananen von Plantagen ihres Landes leisten, weil diese in Europa teuer verkauft werden. Große Lebensmittelkonzerne zerstören die Existenzgrundlage von Kleinbauern aus Südamerika oder Asien. Ganz zu schweigen davon, welche Verschwendung von Umweltressourcen jene von Lebensmitteln mit sich bringt: Regenwald wird gerodet, Düngemittel und Pestizide verseuchen das Wasser und zerstören die Vegetation, Wasser und Energie werden über die Maßen verbraucht – und das alles für Lebensmittel, die danach weggeworfen werden. Und was können nun wir tun? Vielleicht ist es schon ein Anfang, unser Bewusstsein zu schärfen. Wieso nicht mal die eigenen Tomaten auf dem Balkon ziehen, statt sie im nächsten Supermarkt zu kaufen? Vielleicht sind sie nicht so rot und prall, aber die Freude und der Genuss, sie anschließend zu essen, dürften mit Sicherheit größer sein – ganz zu schweigen von ihrem um Längen besseren Geschmack. Wieso nicht eine Essens-Tauschbörse im Kleinen starten, sei es in der WG oder im Freundeskreis? Wieso nicht öfter mal auf den Markt statt in den Supermarkt gehen? Ein Anfang wäre gemacht.
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Ich mach' mir meine Welt so wie sie mir gefällt Brasilien ist eigentlich größer als Grönland, außerdem schmeckt Kakao gar nicht süß. Diese und weitere Dinge lernt man, wenn man sich näher mit der Organisation „Südwind“ beschäftigt. Von Marie Schulz
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er sich eine der vielen Weltkarten aus Schulbuch, Atlas und Co. ansieht, erhält ein vertrautes Bild. Europa ist im Zentrum, links daneben kann man Nord- und Südamerika, rechts darunter Afrika erkennen. Nichts Neues eigentlich – bis Birgit Kastner, eine Mitarbeiterin von „Südwind Salzburg“, eine Weltkarte auf dem Tisch ausbreitet, die irgendwie komisch aussieht. „Die Karten, die bei uns in den Büchern abgebildet sind, sind winkelgetreu. In Wirklichkeit sehen sind die einzelnen Länder flächenmäßig ganz anders aus.“, sagt sie. Einmal um die Welt. Den Verein „Südwind Salzburg“ gibt es bereits seit mehr als 30 Jahren. Er besteht aus drei Teilzeit-MitarbeiterInnen und fünf geringfügig angestellten Workshop-LeiterInnen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Organisation, die sich vor allem mit gesellschaftspolitischen Themen beschäftigen, wollen eigentlich nur zwei Dinge: aufklären und Bewusstsein schärfen. „Es geht uns darum, Impulse in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit zu setzen, also Informationsarbeit zu leisten, und auch gleichzeitig dazu anzuregen, vernetzt und global zu denken.“, erklärt Anita Rötzer, eine Mitarbeiterin von „Südwind“. So ist unsere europazentrierte Ansicht von der Welt zwar nicht falsch, jedoch nicht die einzige. „Zeigt man Menschen eine Karte, auf der beispielsweise Australien im Zentrum steht, oder eine, die nicht winkel-, sondern abstands- oder flächengetreu ist, verursacht das meist Verwirrung.“, erklärt Birgit Kastner weiter. Natürlich hat „Südwind Salzburg“ noch andere Projekte. So setzt sich die Organisation bereits seit mehr als 30 Jahren für entwicklungspolitische Themen aller Art ein. Mit Workshops für SchülerInnen, StudentInnen und für sonstige Interessierte will die Organisation zum Denken anregen. „Wir bieten zu vielen
Themen Workshops an. Unser Workshop zu Mode und Baumwolle soll vor allem Bewusstsein für unsere Kleidung herstellen – und auch zum Nachdenken anregen.“ Außerdem gibt es noch Workshops zum Thema Kakao und Schokolade, zum Fairen Handel und auch einen, der die Weltsicht von jungen Erwachsenen weiterentwickeln soll. „Wir machen Workshops für alle Altersklassen. Für die ganz Kleinen machen wir einen Mini-Kakao-Workshop, für alle ab acht Jahren machen wir die anderen Workshops aus unserem Programm.“, sagt Anita Rötzer. Lehren Lernen. „Südwind Salzburg“ arbeitet auch eng mit der Uni Salzburg zusammen, um Workshops für uns Studierende anbieten zu können. „Vor allem mit den Lehramt-StudentInnen haben wir viel Kontakt, weil es darum geht, den zukünftigen Lehrern entwicklungspolitische Themen zu vermitteln – die geben es schließlich dann an die SchülerInnen weiter und so kann ein neues Bewusstsein entstehen.“, erklärt Anita Rötzer. So kann man sich als zukünftiger Lehrer oder zukünftige Lehrerin in einer kleinen Bibliothek im „Südwind Salzburg“-Büro im zweiten Stock der ARGEKultur mit Unterrichtsmaterialien, Büchern und Ähnlichem eindecken. Gemeinsam mit der Uni veranstaltet „Südwind Salzburg“ etwa alle zwei Jahre die „Entwicklungspolitischen Hochschulwochen“. Im Rahmen dieser gibt es viele Vorträge, Diskussionen und andere Veranstaltung zu einem der zahlreichen Kernthemen von „Südwind Salzburg“. Vergangenes Jahr rund um den Oktober setzte die Organisation beispielsweise auf den Schwerpunkt Indien. Die Veranstaltungen der „Entwicklungspolitischen Hochschulwochen“, die knapp zweieinhalb Wochen lang auf den Salzburger Unis abgehalten wurden, waren immer gut besucht. „Wir können uns nicht beklagen. Weil wir so eng mit
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der Uni zusammengearbeitet haben, sind auch viele Lehrveranstaltungsleiter sind mit ihren StudentInnen in unsere Veranstaltungen gekommen, das ist natürlich ideal so.“, sagt Anita Rötzer. Insgesamt könne man also die 14. „Entwicklungspolitischen Hochschulwochen“ als vollen Erfolg bezeichnen. Um welches Land von den BRICS-Staaten – einer Vereinigung von aufstrebenden Volkswirtschaften bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – sich die „Entwicklungspolitischen Hochschulwochen“ in zwei Jahren drehen werden, ist jedoch noch nicht fixiert worden. Einmal mitmachen, bitte! Wer auch gerne einen Teil zur Bewusstseinsbildung der Welt beitragen möchte, der kann sich mithilfe von „Südwind“ in vielerlei Belangen engagieren. So kann man für einen geringen Mitgliedsbeitrag Mitglied im Verein „Südwind Salzburg“ werden oder sich ganz ohne Verpflichtungen einfach einmal auf der „Südwind“-Homepage umschauen. Hier gibt es viele Links zu Internetseiten, auf denen entwicklungspolitische Petitionen und Aktionen unterstützt werden können. So kann man sich an dem Werdegang Salzburgs zu einer „Fair TradeStadt“ beteiligen oder eine Petition gegen ausbeuterische Kinderarbeit unterschreiben. Auf der Website der „Clean Clothes Kampagne“ kann man außerdem H&M und Co. in puncto Arbeitsweisen überprüfen und aktuelle Petitionen unterschreiben. „Wenn jeder von uns einen kleinen Teil zur Bewusstseinserweiterung von bildungspolitischen Themen beiträgt, sind wir auf dem richtigen Weg.“, sagt Anita Rötzer – und das möchten wir von der uni:press natürlich voll und ganz unterschreiben, denn bekannterweise muss, wer nichts weiß, alles glauben. Was sowohl die Science Busters als auch schon Marie von Ebner-Eschenbach gesagt haben, kann so falsch also nicht sein.
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„Aber es gibt Dinge, die man tun muss, sonst ist man kein Mensch, sondern nur ein Häuflein Dreck.“ * Von Irene Sulzenbacher
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ivilcourage – das heißt vieles. Für mich hieß es in den letzten Wochen auch, einen Zwiespalt zu durchleben: Man möchte sich abschotten, nichts gesehen und nichts gehört haben, man will sagen, das geht mich nichts an, ich will meine Ruhe, Tür zu, Ohrstöpsel rein, Licht aus, fertig. Die Sehnsucht danach ist da. Aber da ist auch das Gefühl von Verantwortung, Mitgefühl, der Sorge vor den Konsequenzen, die dieses Wegschauen haben kann, die Frage nach dem Leid der Anderen. Mir ging es jedenfalls neulich so. Und ich konnte nicht wegschauen. Eine Nachbarin von mir, eine ältere Dame, ca. 60 Jahre alt, erlitt vor einigen Wochen nach Jahren einen schweren Rückfall ihrer psychischen Erkrankung. Dass sie schon einmal vor Jahren wegen einer bipolaren Störung behandelt wurde, erfuhr ich erst später. Als ich in den Wohnblock einzog, wusste ich nichts davon. Die arme Frau brachte schlussendlich die Hausgemeinschaft an die Grenzen der Belastbarkeit. Sie war nicht mehr gut mit der Realität verbunden, sie nahm Grenzen kaum mehr wahr und war sehr aggressiv. In der ersten Phase, als ihr Krankheitsschub nicht mehr zu verheimlichen war, jagte sie mir eine Heidenangst ein. Es begann klein. Ich kam am späten Abend von der Arbeit nach Hause. Meine Nachbarin stand in der Wohnungstüre, die Türe nur einen Spalt weit geöffnet. Sie trug eine Sonnenbrille und sah mich einfach nur an. Ich erschrak, grüßte sie und fragte, ob alles in Ordnung sei. Sie schrie mich an, ich brauchte sie nicht zu grüßen, denn das würde ich sonst auch nie tun und schmiss die
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Türe zu. Ich war verstört und verstand nicht, was geschehen war – ich hatte die Dame als angenehme und freundliche Nachbarin kennengelernt. Wir hatten uns immer gegrüßt, wenn wir uns sahen und hin und wieder einen kleine Plausch gehalten. Am nächsten Morgen begegnete sie mir im Nachthemd und mit Sonnenbrille im Hausflur. Da war ich mir sicher, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Ich rief bei der Krisenintervention der Rettung an. Auch wenn das nicht ganz die richtige Stelle war, so war der Herr am anderen Ende doch sehr um Rat bemüht und bestätigte mir meinen Eindruck, dass die Nachbarin vor einer psychischen Herausforderung stünde. Ich informierte auch die Hausbetreuerin und teilte ihr meine Beobachtungen mit. Die Hausbetreuerin verhielt sich übrigens während der ganzen Zeit großartig: Sie versuchte, mit meiner Nachbarin zu reden, sie war zweimal in der Woche im Haus, sie erklärte mir bei einem unserer Telefongespräche, woran die Frau genau litt. Sie zeigte Verständnis für meine Sorgen und auch für die der anderen MieterInnen. Jedenfalls war das der Auftakt zu einer Nervenprobe für alle Beteiligten: Jeder im Haus bekam es mit ihr, ihrer Erkrankung und den Auswirkungen derselben zu tun. Sie schrie alleine in ihrer Wohnung, ich hörte sie immer durch die Wand. Sie schrie die Leute, die an ihrer Tür vorbeigingen an und verteilte ihre ganzen Sachen im Haus. Einmal musste ich den Notruf wählen, weil ich am Morgen, als ich aus dem Haus ging, sah, wie sie im Nachthemd und mit Sonnenbrille ihre Möbel im Hausflur aufstellte. Sie hatte offensichtlich Wahnvorstellungen, war verwirrt,
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hielt sich zum Schluss für eine Spezialagentin des FBI und warf mir vor, ihren Geliebten in Italien umgebracht zu haben. Immer wieder fand sie zwischendurch Ruhe, aber je länger der Zustand ohne Behandlung anhielt – sie hatte keine Krankheitseinsicht und wollte sich freiwillig nicht psychiatrisch behandeln lassen – desto schlimmer wurde es. Ich nahm mit der Hausverwaltung Kontakt auf und erfuhr, dass man dem Vermieter angeraten hatte, den Mietvertrag mit der Dame aufzulösen, da sie durch ihre Erkrankung natürlich das Leben der Mieter im Haus massiv störte und wir sie auch als Bedrohung empfinden mussten. Eine Zwangseinweisung war nur schwer zu bewerkstelligen. Einerseits konnte ich die Handlungsweise der Hausverwaltung sehr gut verstehen und empfand das auch als richtig, andererseits konnte ich mich der Frage, was mit der Frau geschehen sollte, wenn sie delogiert werden würde, nicht erwehren. Nach einigen Wochen, in denen ich mich alleine mit der Thematik fühlte, erhielt ich Hilfe von außen – ich begann durch meine Suche nach Rat zum „besser zu verstehen“, wie ich mit meiner Nachbarin umgehen sollte. Besonders auch ein Gespräch mit einer Kollegin, die derzeit ihren Master in Psychologie macht, half mir sehr. Ich schilderte ihr, dass mir meine Nachbarin einmal am späten Abend im Hof begegnet war und mir auf meine Frage hin, ob sie Hilfe brauchte, nachlief und mich anschrie bis knapp vor meine Wohnungstüre. Ich drehte mich dann in meiner Not um und schrie ihr ins Gesicht, sie solle mich in Ruhe lassen. Sie zog sich zurück und ich begann zu realisieren, dass die Nachbarin in ihrer Erkrankung wohl eine massivere Grenzsetzung brauche als gesunde Menschen. Sie erklärte mir auch, dass sie das Gefühl hätte, dass meine Reaktion auf die Situation sehr authentisch wäre. Sie glaube, dass das meine Nachbarin in ihrem Wahn auch noch irgendwo wahrnehmen könne. Tatsächlich hatte ich, wenn sie in ihrer Wohnung schrie und ich das in meiner Küche hörte, auch Erfolg damit, wenn ich in meiner Küche die Musik aufdrehte – öfter merkte ich, wie es dann nach kurzer Zeit drüben ruhig wurde. Im Gespräch mit einer Dame der Krisenintervention von Pro Mente hörte ich eine ähnliche Bestätigung, dass ich mich richtig verhalten würde. Sie erklärte, dass es gut sei, dass ich hinsehen würde, aber auch dass ich klar abstecken müsste, wo meine Verantwortung in diesem Fall aufhört, denn mir wären bei allem Hinsehen auch die Hände gebunden. Ich entdeckte weiters, dass sich auch die anderen Nachbarn, ganz besonders ein benachbartes Paar, in diesem Fall engagierte. Ohne den Mut und die Wachsamkeit der beiden hätte die ganze Geschichte auch anders ausgehen können. Dieses Paar und ich tauschten Telefonnummern aus. Als ich einmal anrief, weil ich Brandgeruch wahrnahm, kamen sie rasch herunter, sie waren sehr hilfsbereit und wir machten gemeinsam einen Kon-
trollgang. Auch sie bemerkten den Brandgeruch und wir entschlossen uns, die Feuerwehr zu verständigen. Zum Glück bestand keine akute Gefahr. Was wir damals noch nicht ahnen konnten, war dass die Geschichte bald darauf ein glimpfliches Ende nehmen sollte. Am Ende ist es dem benachbarten Paar und dem Sohn der Dame, der mit den beiden in Verbindung stand und sich auch in dieser Sache engagierte – hier muss auch gesagt werden, dass uns allen auch die Hände gebunden waren, denn rechtlich muss die Erkrankte damit einverstanden sein, sich untersuchen zu lassen – zu verdanken, dass sie in Behandlung kam und im Haus wieder Ruhe eingekehrt ist. Diese drei Personen konnten nach einer für die Nachbarin selbst und auch andere gefährliche Situation (sie hantierte mit einem Messer) am vergangenen Mittwoch den Notruf verständigen und der Sohn konnte den Wohnungsschlüssel seiner Mutter an sich nehmen. Der Amtsarzt wurde hinzugezogen und meine Nachbarin wurde in die Psychiatrie gebracht. Auch wenn es dann doch eine Zwangseinweisung wurde, ich bin froh, dass ihre Türe dafür nicht aufgebrochen werden musste und dass es auch nicht soweit ging, dass sie in ihrem Zustand delogiert worden wäre. Ich bin auch erleichtert, dass bis auf unsere angegriffenen Nerven und Sachschäden im Haus (so demontierte sie einmal ein Türschnalle und beschädigte das Licht im Keller) die Sache glimpflich ausging. Es brach kein Brand aus, niemand wurde verletzt. Und die Nachbarin ist dort, wo sie hingehört – in ärztlicher Betreuung. Gestern sprach ich noch mit der Hausbetreuerin, die am Abend noch im Haus war. Wir trafen uns im Keller und ich holte ein Möbelstück aus meinem Kellerabteil. Endlich konnte ich mich wieder hinunter trauen und sie machte gerade einen Rundgang – da unterhielten wir uns über das Geschehene. Ich drückte meine Hoffnung aus, dass es meiner Nachbarin gelingen würde, sich wieder soweit zu erholen, dass sie wieder ein ruhiges Leben führen kann. Wir sprachen auch von den guten Erinnerungen an sie und dass wir ihr gerne vermitteln würden, dass wir ihr nicht böse sind, sondern froh, dass sie nun Hilfe bekommt. Da schlug die Hausbetreuerin vor, dass man ihr einen Blumenstrauß und eine Karte von der Hausgemeinschaft zukommen lässt. Ich halte das für eine sehr gute Idee – die erkrankte Frau soll neu anfangen können und nicht noch zusätzlich mit der Last leben müssen, dass sie uns wütend auf sich zurückgelassen haben könnte. In den letzten sieben oder acht Wochen beanspruchte diese Sache viel von meiner Aufmerksamkeit, es war eine sehr anstrengende und teilweise auch eine Zeit, in der ich mich ängstigte. Aber am Ende durfte ich erkennen, dass ich in einem Haus lebe, in dem eine gute Nachbarschaft herrscht und dass hier im Haus einige Leute wohnen, die genau das haben, worum es in dieser Geschichte geht – Zivilcourage.
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„Am nächsten Morgen begegnete sie mir im Nachthemd und mit Sonnenbrille im Hausflur, da war ich mir sicher, dass da etwas nicht in Ordnung ist.“
*Aus „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren
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Was wir durch die Auflösung des Wissenschaftsministeriums verlieren Seit 16. Dezember 2013 hat Österreich eine neu-alte Bundesregierung. Während SPÖ und ÖVP zum 18. Mal seit 1945 eine Große Koalition bilden, gehört eine uns wohl vertraute Institution nicht mehr der Regierung an: das Wissenschaftsministerium. Auch jene, die dem letzten Wissenschaftsminister Töchterle zu Recht keine Träne nachweinen, haben Grund, über die Eingliederung der Wissenschaft in das Wirtschaftsministerium empört zu sein. Von Kay-Michael Dankl m Abend des 12. Dezembers verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: SPÖ und ÖVP schaffen das Wissenschaftsministerium ab. Der Hintergrund: Die ÖVP wollte ein Familienministerium. (Dass dieses keine nennenswerten Aufgaben hat, schien nicht zu stören.) Um die Gesamtzahl an Ministerium nicht zu erhöhen, was in Zeiten der Sparpolitik schwer zu rechtfertigen sein könnte, musste ein anderes Ministerium weichen. Anstatt einer Sachlogik zu folgen und beispielsweise die Landwirtschaftsagenden in das Wirtschaftsministerium zu integrieren (was freilich die Pfründe des ÖVP-Bauernbundes betroffen hätte), wurde das Wissenschaftsministerium zum Opfer des rot-schwarzen Kuhhandels. Nun ist Universitätspolitik eine Zuständigkeit von vielen im Wirtschaftsministerium. Das Ende einer 43-jährigen Geschichte. Damit endet die 43-jährige Existenz des Wissenschaftsministeriums. Ein eigenständiges Ministerium für Universitäten und Forschung wurde in Österreich erstmals 1970 gegründet. Die erste Wissenschaftsministerin war Herta Firnberg (SPÖ), die mit der Universitätsreform 1975 das Hochschulwesen grundlegend veränderte. Zu den progressiven Maßnahmen ihrer Amts-
zeit gehörte unter anderem, dass die Unis für breitere Bevölkerungsschichten geöffnet wurden, die demokratische Mitbestimmung von Studierenden und Mittelbau an den Unis die Alleinherrschaft der Professoren ersetzte und Studiengebühren abgeschafft wurden. Das Wissenschaftsministerium unter Firnberg war 13 Jahre lang die Antriebskraft fortschrittlicher Hochschulpolitik. Zwischen 1996 und 2000 kam die Verkehrspolitik in das Wissenschaftsministerium. Unter der schwarzblauen Koalition gab es von 2000 bis 2007 ein Bildungsministerium, das sowohl für die Unterrichtsagenden, als auch die Wissenschaft zuständig war. Das progressive Potenzial eines gesamtheitlichen Ministeriums, das für Bildungspolitik von der Schule bis zur Universität zuständig ist, wurde aber durch die katastrophale Besetzung mit Elisabeth Gehrer und ihre Politik verspielt. Mit den SPÖ/ÖVP-Koalitionen ab 2007 und 2009 wurden Schul- und Universitätspolitik wieder getrennt – ganz nach dem großkoalitionären Prinzip, bei kontroversen Themen die Zuständigkeiten aufzuteilen um sich bei Bedarf gegenseitig zu blockieren. Nichts in den bewegten Jahren zwischen 2007 und 2013 deutete darauf hin, dass das Wissenschaftsministerium im Zuge der rot-schwarzen Koa-
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Wissen: In der am 16. Dezember 2013 angelobten neuen Bundesregierung ist die Wissenschaftspolitik im Wirtschaftsministerium angesiedelt. Dabei geht es um die 21 Universitäten, die Fachhochschulen und um die außeruniversitäre Forschung. Hingegen bleiben die Pädagogischen Hochschulen direkt dem neuen Ministerium für Unterricht und Frauen unterstellt. Die ÖH fordert seit Langem die Einrichtung eines ganzheitlichen Bildungsministeriums, das sowohl Unterrichts-, als auch Wissenschaftsagenden umfasst. Dieses Ministerium wäre dann für den gesamten Bildungssektor zuständig und könnte wichtige Reformen (wie die Gesamtschule) kohärent umsetzen.
litionsverhandlungen überfallsartig abgeschafft werden sollte. Unverständnis, Kritik und Protest. Die heftigen Proteste in Reaktion auf die Abschaffung ließen nicht lange auf sich warten. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der neuen Ressortverteilung verabschiedeten die rund hundert MandatarInnen der ÖHBundesvertretung (des bundesweiten „Studierendenparlaments“) bei ihrer Sitzung in Graz eine Resolution „Hochschulpolitik ernst nehmen“. Die einstimmig beschlossene Resolution verweist auf die vielen offenen Baustellen – von der Unterfinanzierung der Unis bis zur prekären Lage von JungwissenschafterInnen. Kritisiert wird in der Resolution auch der mangelnde politische Wille, der Uni-Politik einen höheren Stellenwert einzuräumen: „Anstatt einem Bekenntnis der Regierung, die Probleme des Hochschul- und Bildungssektors ganzheitlich und vollständig zu analysieren und zu lösen, wird die Bildungspolitik zum Wirtschaftsressort verräumt. Bildungsökonomisierung bekommt eine ganz neue Dimension.“ Heinrich Schmidinger, Rektor der Uni Salzburg und Vorsitzender der uniko (bundesweite Vertretung der RektorInnen) forderte Bundespräsident Heinz Fischer auf, keine Regierung ohne Wissenschaftsministerium anzugeloben. Auch Lehrende und die Betriebsräte äußerten ihre Empörung über die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums mit Pressemitteilungen, Petitionen und Solidarisierungen mit den studentischen Protesten. Die im Internet spontan gegründete Protestgruppe „Österreich braucht ein Wissenschaftsministerium“ brachte es binnen weniger Tage auf über 60.000 UnterstützerInnen. Am Tag der Angelobung der neuen Bundesregierung hielt die ÖH eine „Trauerkundgebung“ vor dem Sitz des Wissenschaftsministeriums in Wien ab. Die Anwesenden konnten dabei ihre letzten Worte an das Ministerium in ein Kondolenzbuch eintragen. Am selben Tag ließen die RektorInnen die Universitäten als Zeichen der Trauer schwarz beflaggen. Große Demonstration in Salzburg. Mehr als 10.000 Menschen gingen tags darauf in Wien, Salzburg, Graz, Innsbruck und Linz auf die Straße, um für ein eigenständiges Bundesministerium mit Bildungs- und Wissenschaftsagenden zu demonstrieren. In Graz besetzten Studierende im Anschluss an ihre Kundgebung den Landtag um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen.
In Salzburg beteiligten sich über 2.000 Personen an der Demonstration der ÖH Salzburg. Darunter waren Uni-Externe ebenso wie Studierende, Lehrende und andere Uni-MitarbeiterInnen der Uni Salzburg, des Mozarteums und der Fachhochschule Salzburg. Schon bei der Bewerbung der Demo waren die Rückmeldungen sehr positiv. Manche Vortragende brachen ihre Vorlesungen ab, um mit den HörerInnen geschlossen zum Unipark, dem Startpunkt der Demo, zu ziehen. Von dort setzte sich der Protestzug über die Nonntalerbrücke und den Giselakai in Richtung Staatsbrücke in Bewegung, weiter zum Residenzplatz, bevor die Abschlusskundebung bei der GesWi am Rudolfskai stattfand. Gemeinsamer Protest, viele Interessen. Einträchtig wie selten zuvor demonstrierten Studierende, Lehrende und RektorInnen im Dezember Seite an Seite gegen die Bundesregierung. Allerdings darf diese Einigkeit nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem gemeinsamen Protest durchaus unterschiedliche Interessen und Vorstellungen einer wünschenswerten Bildungspolitik zu Grunde liegen. Zwar herrscht Einigkeit, dass ein eigenständiges Wissenschafts- oder Bildungsministerium notwendig ist; jedoch scheiden sich die Geister an der Frage, was dieses Ministerium tun sollte. So forderte uniko-Chef Heinrich Schmidinger noch im September, die Unis sollten eigenständig über Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen entscheiden können. Die ÖH lehnt solche Vorstöße vehement ab und setzt sich für den freien und offenen Hochschulzugang ein. Unterschiede treten auch bei der Beurteilung der Ökonomisierung von Bildung zu Tage. Während viele Rektorate dieses Phänomen begrüßen, um die Unis zu „Unternehmen“ umzubauen, warnt die ÖH seit Langem davor, dass Bildung zunehmend zur Ware wird – mit schweren negativen Folgen für Studierende, die Wissenschaft und die gesamte Gesellschaft. Und gemäß der Logik der Ökonomisierung von Bildung ist die Eingliederung der Wissenschaft in das Wirtschaftsministerium durchaus vernünftig. Es lohnt sich daher, zu vergegenwärtigen, dass nicht einfach Dummheit, sondern handfeste Interessen und Ideologien der Politik der neuen Bundesregierung zu Grunde liegen. Gesellschaftlicher Protest, der sich gegen diese Politik richtet, muss daher deren ideologische Grundlage in der neoliberalen Marktorientierung aufdecken und offen kritisieren.
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AFA Debattierclub RedeSalz Ob im Rahmen des Studiums, im Berufsalltag oder Privatleben – gekonnt und kontrolliert zu sprechen ist in (fast) jeder Lebenslage wichtig. Im AFA Debattierclub RedeSalz bietet sich jedem die Chance, seine Argumentations- und Rhetorik- Fähigkeiten anzuwenden und zu verbessern sowie live eine geregelte Debatten- bzw. Redekultur mitzuverfolgen. Die Teilnahme an den Debatten steht allen Interessierten – auch jenen ohne besonderes Vorwissen – offen.. Das Themenspektrum setzt sich zusammen aus zahlreichen Punkten, die dem Wissen eines/ einer durchschnittlichen Zeitungsleser/s/in gerecht werden. Du bekommst von einem erfahrenen Teammitglied Unterstützung in der Vorbereitungszeit und ein Feedback, damit du in den nächsten Debatten und Präsentationen rhetorisch besser und sicherer
überzeugen kannst. Durch die Auslosung der RednerInnenpositionen bzw. deren Festlegung durch die Debattenleitung spiegelt die in der Debatte vertretene Meinung nicht zwingend deine eigene Überzeugung wieder. Das heißt, du jonglierst mit Argumenten, über die du vielleicht vorher noch gar nicht so richtig nachgedacht hast. Das Thema und deine Einstellung dazu werden dadurch in ein neues Licht gerückt. So fällt es dir leichter zu verstehen, dass im Leben nicht alles nur schwarz oder weiß ist, sondern Geschehnisse unterschiedlich bewertet werden können. Ohne dass du dabei zwangsweise deine eigene Meinung zu Themen verlieren musst, wird dein gedanklicher Horizont erweitert. Du gewinnst somit neue Perspektiven und erlernst gleichzeitig das souveräne Spielen mit Worten. Wir freuen uns über dich als NeueinsteigerInnen!
Debattenstichworte: Geregelte Redezeiten, Open Parliament Debate, SExITArgumentation, Regierung und Opposition, British Parliamental Style, Geschützte Redezeit, Hammer und Glocke, Rebuttal Wöchentliche Debattentermine: Montag, 19:00 Uhr, Ort: ÖH-frei:raum (Kaigasse 17), Debattensprache: Deutsch Mittwoch, 18:00 Uhr, Ort: SR 2.208, UniPark (ErzabtKlotz-Straße 1) Kontakt: debattierclub.salzburg@ afa.at
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FoodCoop SALZKÖRNDL Seit Dezember 2013 gibt es in der Kaigasse 28 regulären FoodCoops-Betrieb. Der Verein bezieht selbstorganisiert Produkte nach ökologischen & sozialen Kriterien. Konsumation abseits des gängigen Lebensmittel- und Agrarsystems steht also im Mittelpunkt. Neugierig? Dann komm einfach zu einem unserer Salzkörndl-Öffnungen oder zum nächsten Plenum. Alle Infos & Termine unter www.salzkoerndl.org. supported by ÖH-Salzburg
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Plattform gegen Rechts Als sich die ÖH Salzburg Ende Oktober dazu entschloss, eine „Plattform gegen Rechts“ zu initiieren, wusste man noch nicht, dass der traurige Höhepunkt der Vandalismusakte erst noch bevorstehen würde: die Attacke auf die Salzburger Synagoge, ausgerechnet am Gedenktag an die Novemberpogrome 1938 („Reichskristallnacht“). Dieser Vorfall erwies sich zugleich als Bestätigung dafür, dass es die richtige Entscheidung war, dem rechtsextremistisch motivierten Vandalismus der vergangenen Monate etwas entgegenzusetzen. Von Daniel Winter
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eit etwa Juli wurden regelmäßig Türschlösser von politischen Organisationen und Institutionen – darunter auch der ÖH – verklebt und die Wände mit rechtsextremen Parolen beschmiert. „NS statt US“, „Linke Fotzen wegboxen“, „NAZIonal statt aSOZIAL“, „ZOG“, um nur manche der erschreckenden Sprüche zu nennen. Darüber hinaus wurden mehrmals Stolpersteine – das sind Kleindenkmäler für NS-Opfer – mit einer teerartigen Substanz geschändet. Was ist die Plattform gegen Rechts? Ziel der ÖH Salzburg ist es, mit der Plattform gegen Rechts ein überparteiliches Aktionsbündnis zu schaffen, das alle Teile der Gesellschaft miteinbezieht. Dass dies gelungen ist zeigt sich unter anderem daran, dass die Plattform aus Organisationen mit teils sehr heterogenen Idealen und Zielen zusammengesetzt ist. Die Besonderheit der Plattform besteht in ihrer Breite und dem Konsens, dass sie Ausdruck eines „kleinsten gemeinsamen Vielfachen“ ist und die „größten gemeinsamen Teiler“ im Engagement gegen rechtsextremistische Tendenzen zurückgestellt werden müssen. Unabhängig davon wie die über dreißig Organisationen in ökonomischen, gesellschaftlichen und anderen politischen Fragen zueinander stehen, wird ausschließlich
ein Ziel verfolgt: eine Gesellschaft, in der menschenverachtende und diskriminierende Weltanschauungen und derart motivierte Handlungen nicht toleriert werden. Rechtes Gedankengut beginnt für die Plattform gegen Rechts da, wo einer Person ein geringerer Wert als einer anderen beigemessen wird, wo ein Mensch willkürlich oder strukturell gegenüber einer anderen benachteiligt wird. Der Umstand, dass sich an der Plattform gegen Rechts sowohl konservative, linke als auch ökonomisch liberale Vereine und Parteien beteiligen, spricht durchaus für die Einzigartigkeit des Aktionsbündnisses. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Aktionsbündnis einem Politikverständnis folgt, das die jüdische Theoretikerin Hannah Arendt folgendermaßen beschreibt: „Politik beruht auf der Tatsache der Pluralität der Menschen. [...] Politik handelt vom Zusammen- und Miteinandersein der Verschiedenen.“ Diese Aussage umschreibt sowohl Anspruch als auch Ziel der Plattform gegen Rechts. Nur wenn die Unterschiede zwischen den Organisationen in den Hintergrund gestellt und die Pluralitäten im Sinne der Sache akzeptiert werden, kann gemeinsam für eine plurale Gesellschaft gekämpft werden. Die Demonstration gegen Rechtsextremismus am 29. November 2013, zu der neben
„Ziel der ÖH Salzburg ist es, mit der Plattform gegen Rechts ein überparteiliches Aktionsbündnis zu schaffen, das alle Teile der Gesellschaft miteinbezieht.“
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unzähligen Vereinen und Parteien auch die Universität aufgerufen hatte, zeigte schließlich, dass dies auch abseits vom Web 2.0 möglich ist. Denn der Marsch vom Antifaschistischen Mahnmal bis zum Kapitelplatz war mit mehr als 600 TeilnehmerInnen ein mehr als deutliches Signal dafür, dass die Salzburger Bevölkerung in einer Stadt leben möchte, in der kein Platz für menschenverachtendes Gedankengut ist. Mit skandierten Sprüchen wie „Keine Nazis im Salzburger Land – wir leisten heut’ Widerstand“ machte die Menge lautstark klar, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Schmierereien unerwünscht sind und die Menschen in einer toleranten und weltoffenen Stadt Salzburg leben wollen. Für die an der Plattform gegen Rechts beteiligten Organisationen war die Demonstration allerdings nur der Startschuss für eine breite Sensibilisierungsoffensive. Bereits wenige Tage danach wurde eine Podiumsdiskussion organisiert, bei der unter anderem mit Marko Feingold (Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde) den Fragen nachgegangen wurde, inwiefern Salzburg die nationalsozialistische Vergangenheit aufgearbeitet hat und ob die aktuellen Vorfälle in einem Zusammenhang mit mangelnder Reflexion eben dieser stünden. Neben klassischen Veranstaltungsformen – wie solchen Diskussionsrunden – ist es der Anspruch der Plattform gegen Rechts, mit verschiedenen Aktionsformen und Veranstaltungen möglichst unterschiedliche Bevölkerungsteile zu erreichen. Es geht darum, auch bei jenen Menschen ein Problembewusstsein zu fördern, die möglicherweise blind an
Schmierereien vorbeigehen, aber sehr wohl schockiert wären, würden ihnen die rassistischen Parolen auffallen. Konkret sind unter anderem Workshops in Schulen, Flashmobs, Filmabende oder auch Theaterstücke auf öffentlichen Plätzen geplant. Auch mit spontan durchgeführten Befragungen in der Innenstadt möchte man PassantInnen dazu anregen, über die Problematik nachzudenken. Die Stärke der Plattform besteht außerdem darin, dass das bereits bestehende Angebot der mitwirkenden Organisationen gebündelt und so eine größere Breitenwirksamkeit erzielt wird. Neben den gemeinsamen Aktionen und Veranstaltungen hat die Plattform gegen Rechts auch konkrete Forderungen und Ziele formuliert: »»Die Plattform gegen Rechts will rassistischen, rechtsextremen und rechtspopulistischen Tendenzen innerhalb der Gesellschaft entgegenwirken. »»Die Plattform gegen Rechts will, dass Fälle von Wiederbetätigung rechtlich stärker verfolgt werden. Es bedarf einer rascheren und unmittelbareren Aufklärung bei Straftaten, die rechtsextremistisch motiviert sind. »»Die Plattform gegen Rechts möchte ein höheres Ausmaß an Aufklärung erreichen, um innerhalb der Bevölkerung ein Problembewusstsein zu fördern, was die Zunahme rechtsextremer Tendenzen angeht. »»Die Plattform gegen Rechts forciert mehr präventive Arbeit in Schulen, um Rassismus entgegenzuwirken. »»Die Plattform gegen Rechts fordert einen konstruktiven Diskurs zu politischen Themen – wie etwa Asylund Fremdenpolitik –, bei denen häufig rassistische, fremdenfeindliche und populistische Argumentation und Beweggründe erkennbar sind. In Zukunft wird noch einiges von der Plattform gegen Rechts zu hören sein. Als Erklärung, warum ausgerechnet die ÖH die Initiative ergriff und eine Plattform gegen Rechts in Salzburg ins Leben rief, soll das folgende Zitat vom polnischen Philosophen und Essayisten Leszek Kołakowski dienen: „Der Antisemitismus ist keine Doktrin, die kritisiert werden kann, sondern eine Haltung, deren soziale Wurzeln so geartet sind, daß sie keine Begründung erfordert. Man kann ihm keine Argumente entgegensetzen, denn er ist mit einer Reaktionsart verbunden, der die Beweisführung als Denkart fremd und verhaßt ist. Er ist ein Mangel an Kultur und Menschlichkeit, etwas, was im Gegensatz zu Theorie und Wissenschaft steht. Davon hat sich jeder überzeugt, der Gelegenheit hatte, mit einem Antisemiten eine jener hoffnungslosen Diskussionen zu führen, die immer dem Versuch ähneln, einem Tier das Sprechen beizubringen.“ Der Umstand, dass die akademische Minderheit der Burschenschafter als Kaderschmiede des Diskurses in rechtsextremen Kreisen auftritt, stellt die ÖH zudem vor eine besondere Verantwortung.
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„Der Antisemitismus ist keine Doktrin, die kritisiert werden kann, sondern eine Haltung, deren soziale Wurzeln so geartet sind, daß sie keine Begründung erfordert.“ —Leszek Kołakowski
© Bundesarchiv
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Der Traum von einer freien Welt
Heinrich Himmler mustert SS-Freiwillige am Unionssportplatz (heutiger Standort Unipark) 1938
Wie kein Zweiter porträtierte der Schriftsteller, der zwischen 1919 und 1934 in Salzburg am Kapuzinerberg lebte, das Gesicht „seines“ Europas. Mit einer beeindruckenden Beobachtungsgabe und einem feinen Gespür für die historischen Ereignisse entwarf Zweig neben zahlreichen Romanen viele Essays, Porträts und literarische Miniaturen. Zweigs erträumtes Europa war ein Europa, das seine Jugend zu weltoffenen Menschen erzöge. Es war kein Europa der Ausgrenzung, der Verachtung und der Gewalt. Es war kein Europa, in dem Synagogen beschmiert wurden, kein Europa, in dem ein Krieg so tiefe Wunden schlug, dass sie bis heute nicht ganz verheilt sind. Das zunehmende und wiederkehrende Problem mit Rechtsextremismus und Vandalismus in Salzburg spricht eine traurig-deutliche Sprache. Aber auch wir sagen etwas, wenn wir dem protestlos begegnen. Zivilcourage wird wieder offener gelebt werden müssen! Von Irene Sulzenbacher
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lga Zweig – ein Bekenntnis zur Menschlichkeit. Wenn die Toleranz gegenüber Repressalien zu massiv wird, wenn die Opfer zu schwach sind um auf die Problematik aufmerksam zu machen, kann sich manchmal nicht einmal mehr deren eigene Familie mehr zu diesen bekennen. Olga Zweig etwa meinte anno 1941: „Ich bin eine Verwandte des Dichters Stefan Zweig und es ist amtsbekannt, wie verhasst dieser Dichter von Weltbedeutung bei den Nazis war. Um den Verfolgungen zu entgehen, die mir auf Grund dieser Verwandtschaft und auf Grund meiner Abstammung drohten, habe ich versucht, mich als Arierin auszugeben und das hat mir dann erst recht die Verfolgung durch die Nationalsozialisten zugezogen.“ Trotzdem blieb die Frau nicht protestlos. Über die Cousine von Stefan Zweig ist öffentlich wenig bekannt. Sie ging nicht ins Exil wie Ihr berühmter Verwandtner. Als Stefan Zweig seine letzten Werke (Die Welt von Gestern und die Schachnovelle) schrieb wurde seine Cousine Olga im Polizeigefängnis der „Gauhauptstadt“ Salzburg inhaftiert. Olga Zweig gehörte zu den „kleinen Leuten“, für die der illustre Name des Weltruhmdichters zur Bedrohung wurde – eine Bedrohung, die so gefährlich für sie war, dass sie sich gezwungen sah, ihn angesichts des virulenten Antisemitismus zu verleugnen. Kontakt zwischen Cousin und Cousine – zwischen dem Exil und Salzburg – ist nicht nachweisbar. Olgas Vater war Jude und die Mutter Katholikin. Olga wuchs gemeinsam mit ihren sechs Geschwistern ohne Bekenntnis auf. 1939, bei der Sonderzählung der Juden, wurde Olga Zweig noch richtigerweise als „glaubenslos“ in den Akten der Nazis geführt, wie aus der deutschen Polizeimeldekartei in der Rubrik „Abstammung“ hervorgeht. Im Februar oder März 1941 wurde dies durchgestrichen und durch den Begriff „Volljüdin“ ersetzt – eine bewusst falscher Vermerk. Die Gestapo machte mit Betroffenen der Nürnberger Rassengesetze, die ihre „Abstammung“ gar nicht oder falsch deklariert hatten, meist kurzen Prozess – ihnen blühte die verfahrenslose Einlieferung ins KZ. Olga Zweig
hatte Glück im Unglück: Sie wurde am 11. März 1941 wegen Manipulation ihres Geburtsscheines – sie hatte angeblich „katholisch“ hinzugefügt –verhaftet, angezeigt und nach 14-monatiger Polizeihaft vom Landesgericht Salzburg wegen „Verbrechens des Betruges“ zu einem Jahr Kerker verurteilt. Am selben Tag, dem 11. Mai 1942, wurde sie entlassen, da ihre Strafe verbüßt war. Zurück in Salzburg vollbrachte Olga Zweig, der die Opferfürsorge zuerkannt wurde, ihr lebensrettendes Werk – die stille Heldin sorgte als Pflegemutter für einen jungen behinderten Mann, namens Rudi. Er stammte aus einer kaputten Ehe, seine Mutter und jüngere Schwester starben in London, wohin sie 1938 emigriert waren, unter deutscher Bombardierung. Sein Vater wurde vermutlich in Auschwitz ermordet. Unter Olga Zweigs Schutz blieb Rudi den Behörden verborgen. Sie, die politisch Verfolgte, setzte sich zum Schutz eines jungen Menschen erneut der Gefahr aus, verhaftet und deportiert zu werden. Am 4. Juli 1942 ließ sich die nunmehr 57-jährige Olga Zweig in der Stadtpfarre St. Andrävon von Pfarrer Franz Zeiss taufen, im Glauben vor weiteren Verfolgungen geschützt zu sein. Dies erwies sich als Irrtum – 60-jährig wurde sie am 14. Februar 1945 vom Polizeigefängnis Salzburg nach Theresienstadt deportiert: „Sondertransport IV/15e“, befreit am 8. Mai 1945. Was blieb davon? Welche Zeichen der Menschlichkeit setzten wir heute? Wie viel Mut bringen wir auf? Immer wieder finden sich Stimmen gegen Ungerechtigkeit, gegen rechtes Gedankengut, gegen Faschismus. Immer wieder sprechen diese Stimmen sich für Toleranz aus, für Bewusstsein, für Gerechtigkeit. Wir dürfen nie zulassen, dass sie verstummen. Wir dürfen diese Stimmen auch nicht alleine lassen, in dem Glauben, sie sprechen für uns mit. Wir müssen unsere eigenen Stimmen nutzen – jede Stimme zählt. Keiner, der sich für die Menschlichkeit einsetzt, soll ungehört sein, keiner von jenen umsonst gesprochen haben.
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug" —Stefan Zweig
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„Ich verurteile die Menschen, die Angst davor haben den Mund aufzumachen, nicht.“ Gert Kerschbaumer betritt das Büro des gesellschaftspolitischen Referats der ÖH in der Kaigasse. Bei einem Blick durch den Raum fällt ihm das Plakat gegen Burschenschaften an der Wand auf. Sofort beginnt er eine Anekdote zum Thema Burschenschaften zu erzählen und berichtet sogar von einem Stolpersteine-Projekt, an dem er beteiligt ist. Interview von Lisa Mitterbauer UP: Dr. Kerschbaumer, wie definieren Sie Zivilcourage? Kerschbaumer: Ich würde „zivil“ weglassen und nur Courage sagen. Courage ist aus sich selbst heraus schon zivil. Ich denke, das ist das Schwierigste, dass man aus eigener Erfahrung sagen kann, dass etwas nicht Courage war, weil man versagt hat. Das ist beispielsweise das Schweigen, das ich in meinem Leben immer wieder angetroffen habe. Ich habe das auch am 9. November in der Synagoge [in meiner Rede] angesprochen, dass man darüber nachdenken muss, wie oft man eigentlich selbst versagt hat, geschwiegen hat, nichts dazu gesagt hat, dort wo es überhaupt nicht gefährlich war. [...] Einfach so nichts zu sagen, wenn jemand sich [fragwürdig] äußert [...], das ist problematisch. Da stehen dann 20-30 Leute und niemand sagt etwas. Ich war [einmal] einer davon und ich habe auch nichts gesagt. Das ist etwas, woraus man lernt. Da schämt man sich ein Leben lang. Das sollte man auch sagen. Bei so kleinen Dingen fängt es an. Worum ging es genau bei den Äußerungen des Fremdenführers? Bei dieser Gedenkveranstaltung [an die NS-Opfer] am 9. November, die erstmals etwas größer war, weil sich die ÖH und mehrere Schulen beteiligt haben, waren [auch] sehr viele junge Leute [dabei]. Bei mei-
ner Vorbereitung habe ich überlegt, wie ich meine Rede gestalten sollte – ich wurde ja gebeten etwas zum 9. November und [zu den] Hintergründe[n] zu sagen. [...] Als ich die vielen Jugendlichen sah, fragte ich mich erstens „Was wissen sie überhaupt davon?“ […] „Was soll man ihnen also sagen?“ Ich wollte nicht über die Gräuel, die am 9. November geschahen, erzählen. Also sagte ich ihnen […],dass das Gedenken alleine zu wenig ist. Dass wachsam sein und Courage zeigen jederzeit vonnöten [ist]. Das heißt hinsehen und helfen, wo es geht. Aber Courage ist für uns ein Fremdwort, ein Fremdwort, mit dem wir nichts anfangen können, außer wir denken an die Krieger an den Fronten. Wir verbinden das Wort Courage eher mit kriegerischen Heldentaten. Das ist damit aber nicht gemeint. Ich wollte also ausdrücken, dass es im Alltag immer wieder Situationen gibt, in denen man etwas sagen muss. [...] Ich habe [zum Beispiel] in den 60er Jahren eine Stadtführung durch Salzburg mitgemacht, mit einem hochgewachsenen Fremdenführer mit Trachtenschirm. Wir standen in der Linzergasse, dort wo der Weg zum Kapuzinerberg hinaufgeht (Stefan-Zweig-Weg). Dann hat er mit seinem Schirm hinaufgezeigt zum Haus und gesagt „Da oben hat Stefan Zweig gewohnt, der hat sich wie alle Juden selbst umgebracht“. Und da war Schweigen. War es Betroffenheit, war es Nichtwissen, war es Gleichgültigkeit? Ich, aus meiner Position, würde es eher als Gleichgül-
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tigkeit bezeichnen. Das war in den 60er Jahren. Wie es heute aussieht, weiß ich nicht. Ich wäre neugierig. Ich wollte den Jugendlichen zeigen, worauf es ankommt in solchen Situationen. Ich verurteile die Menschen nicht, die Angst davor haben den Mund aufzumachen, weil ihnen etwas passieren könnte. Manche haben weniger Angst, manche haben mehr Angst. Die erwähnten Frauen und Männer haben nicht in der Öffentlichkeit Kritik geäußert, sondern im Geheimen geholfen. Sie haben aber etwas getan, was die Meisten nicht getan haben. Die einen haben halt weggesehen oder bei den geplünderten Geschäften haben sie hingesehen, aus Faszination oder aus Mitleid, ich weiß es nicht. Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich im Moment? Nach der Stefan Zweig-Biografie, die ich geschrieben habe, wollte ich eigentlich weiterhin im literarischen Bereich arbeiten. […] 2007 wurde ich gefragt, ob ich zum Thema Kranken- und Kindermorde auch Vorschläge machen kann. […] Ich bin dann draufgekommen, dass schon sehr viel über die Roma und Sinti geforscht wurde, aber die Namen der Opfer gar nicht bekannt waren. Das war das erste, dass ich die Kinder, die hier geboren wurden und nach Auschwitz deportiert wurden, ausfindig machte. [...] Was bereitet Ihnen zurzeit Sorgen? Ich will die Schmierereien jetzt nicht bagatellisieren, aber vor 25-30 Jahren, als ich begonnen hab TäterRecherchen zu machen und eine Debatte vom Zaun gebrochen habe über die Benennung von öffentlichen Verkehrsflächen, Straßenschilder[n], Straßen [etc.] nach Tätern oder zumindest nach Kollaborateuren, hat es große Aufregung gegeben und das nicht etwa, weil damals noch so viele Nazis am Leben waren [...], sondern weil es eine konservative Grundstimmung gegeben hat. Ein Vergessenwollen. Also diese Stim-
mung, die damals herrschte, hat sich verändert. [...] Wenn man sich vorstellt, was passiert wäre, wenn wir das Stolpersteine-Projekt vor 20 Jahren gemacht hätten. Hier hat sich schon vieles geändert. Wie gesagt, ich möchte nichts bagatellisieren, aber die Stimmung ist eine andere. Allein dass die Polizei heute so flink ist, ist eine Überraschung. Vor 15 Jahren wurden wir verurteilt, weil wir ein Gedenken veranstaltet haben, wegen Störung der Totenruhe, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und nicht angemeldeter Versammlung. [...] Vor 1314 Jahren haben wir noch Verwaltungsstrafen bekommen. Denken Sie, dass die heute erkennbaren antisemitischen Vorurteile auch mit dem Internet zusammenhängen? Es ist durchaus möglich, dass das Internet auch negative Auswirkungen hat und nicht nur die positive Seite hat, die ich zur Kontaktaufnahme mit Opferfamilien nutze. Ich habe in diese Richtung bisher aber nicht recherchiert. Die Frage ist, wieso wir erst so spät über Antisemitismus reflektieren. Wir konnten dieses Thema weitestgehend wegschieben und auslöschen. Die Vernichtungslager waren quasi in einer anderen Welt. […] Die Menschen haben nicht darüber gesprochen und haben die Juden gemieden. In der Bevölkerung war auch die Meinung verbreitet, dass die Juden nicht auf sich aufmerksam machen sollen. Sie sollen schweigen, weil ihnen sonst wieder etwas passiert. Wenn man dies wieder auf die Stolpersteine bezieht, dann fällt auf, dass viele Menschen glauben, dass die Stolpersteine ausschließlich für Juden sind. Bei einer Verlegung fuhr ein Ehepaar vorbei und die Ehefrau rief „Schon wieder Judensteine“. Es ist schon möglich, dass im Internet die Vorurteile geschürt werden und Verschwörungstheorien verbreitet werden. Ich gehe hier und auch bei den Tätern, die die Steine beschmiert haben, nicht von einem „akademischen Rassen-Antisemitismus“ aus. Es ist meist eine
Gert Kerschbaumer: Kerschbaumer setzt sich unter anderem im Rahmen des Projekts „1938-1945 Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ mit den Themen Kultur, Kunstraub und Literatur unter NSHerrschaft auseinander. Derzeit arbeitet er an Biografien über Verfolgte und Holocaustopfer.
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eigene Unzufriedenheit und Hass, und dann sucht man sich Feindbilder. Das Internet erleichtert die Suche nach solchen Feindbildern. Wie beurteilen Sie den Rechtsruck in der österreichischen Gesellschaft, der sich auch an den Wahlergebnissen erkennen lässt? Der Rechtsruck war bereits in den 80er Jahren spürbar und zieht sich bis jetzt durch, das ist nichts Neues. Die ersten Erfolge, die Haider in den 80ern hatte, sind bis heute ungebrochen. Das hängt natürlich mit den politischen Veränderungen zusammen. Ich habe miterlebt und gespürt, dass uns der Feind abhanden gekommen ist. Wir haben klare Grenzen gehabt: Ost und West. Es gab auch damals Antisemitismus, aber wir hatten unseren Feind. Entweder man ging zu den Kommunisten oder man blieb, das war alles ziemlich klar. Es gibt zwar noch immer Putin, aber das ist nicht mehr dasselbe wie das Feindbild Kommunismus. Man sieht das auch an den Sozialgesetzen, am Abbau von sozialen Errungenschaften. Früher musste man quasi den sozialen Frieden aufrechterhalten und gute Löhne bezahlen. Es ging den Leuten früher besser, nicht ohne diese Grenze, nicht ohne diese Teilung der Welt. Wir Älteren profitieren davon noch heute. Das bricht jetzt alles wieder auf. Es gibt eine Suche nach neuen Feindbildern und eines davon ist der Islam. Über dieses Thema habe ich auch schon mit Juden gestritten. Ich habe gesagt: „Wenn der ganze Hass auf den Islam abgelenkt wird, dann wird er sich wieder gegen die Juden richten“. Ein Hassobjekt ist austauschbar. Hier muss nach der Ursache, der Quelle dieses Hasses, gesucht werden. Uns fehlt dieses gemeinsame Hassbild. Jetzt suchen wir uns individuell oder in Kollektiven unsere Feinde, die wir glauben gleich an Äußerlichkeiten erkennen zu können, zum Beispiel Dunkelhäutigkeit. Wie schätzen Sie die Sensibilität der SalzburgerInnen gegenüber rechtsradikalen Gedankenguts ein? Man sollte sich einmal die Kommentare im Standard. at-Forum zum Artikel über die Schmierereien in Salzburg durchlesen. Genauer gesagt die Kommentare über den Täter, der bereits gefasst wurde. Erstens sind fast alle Äußerungen täterbezogen. Zu den Opfern hat man keinen Bezug. Die Äußerungen lauten dann in etwa „Das ist ein dummer Junge.“, oder „Dem muss man helfen.“, oder Ähnliches. Es gibt eine Spannbreite von Ablehnung bis hin zu Mitleid. Er hat ein schlechtes Elternhaus, die Lehrer haben versagt oder Sonstiges. Die Kommentare stammen von Leuten, die sich mit der Thematik befassen, aber was ist mit denen, denen das Thema egal ist? Wichtig scheint mir, dass die veröffentlichte Meinung unisono gesagt
hat, dass es so nicht geht. Dass auch die ÖH sich engagiert, das ist sehr positiv zu sehen. Aber nur weil 400-500 Menschen bei einer Demonstration mitgehen, ist das kein Zeichen, dass die Bevölkerung dahinter steht. Mich überrascht allerdings ein Erstarken der Burschenschaften, gerade in Salzburg, wo es sie so eigentlich gar nicht gegeben hat. Salzburg ist eine junge Universität. Aber es gibt keine couragierte Bevölkerung, dazu fehlt auch die Aufklärung. Wir stecken immer noch in einer Gegenreformation. Es ist schlimm, dass die reformatorischen Kräfte eigentlich ins rechte Lager abgewandert sind. Wir sind kein reformatorisches Land. Die Obrigkeitshörigkeit ist hier noch sehr stark, die Papstkonzentriertheit und alles Mögliche. Gibt es sonst noch abschließende Anmerkungen ihrerseits? Wichtig ist, dass ich nicht sagen möchte, dass ich Salzburg nicht erreichen will. Es ist mit dem Stolpersteine-Projekt gelungen, Brücken zu bauen, und das ist mit dem Internet natürlich einfacher. Natürlich auf Englisch. Wir werden immer gebeten, ein Buch herauszugeben. Aber das müssten wir jedes Jahr verändern, weil laufend neue Informationen auftauchen. Durch die Schmierereien stehen nun die Öffentlichkeit und die Politik hinter dem Projekt und [man] kann nicht mehr so einfach sagen, dass wir aufhören sollen, dass es genug ist. Sie haben Farbe bekennen müssen. Es ist eine größere Aufmerksamkeit jetzt erreicht und zum Teil auch eine größere Zustimmung. Aber alles braucht seine Zeit.
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Rechte Gewalt auf dem Vormarsch Die Bedeutung der aktuellen Vorfälle in Salzburg (die Beschädigung von Stolpersteinen, Beschmierung von Wänden, Verklebung von Türen und ähnlichen Vandalismusakten) kann nicht verstanden werden, wenn man sie isoliert betrachtet. Stattdessen sind sie in ihren größeren geografischen und historischen Zusammenhang sowie in ihr Verhältnis zu sonstigen politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu setzen. Aus diesen Gründen sollten wir unseren Blick über den Salzburger Tellerrand hinauswerfen, wobei jedoch klar sein muss, dass die politische Bedeutung rechter Aktivitäten andernorts für unseren lokalen antifaschistischen Kampf aus verschiedenen Gründen unterschiedliche Formen und Ausmaße annehmen kann. Von Stefan Klingersberger
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orfälle in Österreich und Europa. Erinnern wir uns an den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Deutschland, welcher erst vor etwa zwei Jahren öffentlich bekannt wurde, nachdem zwischen 2000 und 2007 insgesamt neun Morde an migrantischen Kleinunternehmern und einer Polizistin, sowie ein Attentat mit mehreren Schwerverletzten verübt wurden. Vor etwa zehn Jahren wurden die engen Verflechtungen zwischen dem Staatsapparat und der faschistischen Partei NPD bekannt, welche darauf hinausliefen, dass die Partei zu Teilen vom „Verfassungsschutz“ (!) mitfinanziert wurde. Beim NSU flogen ähnliche Verbindungen auf. Ende Oktober 2013 stürmte ein Rollkommando von etwa drei Dutzend Neonazis das Vereinslokal des linksgerichteten MigrantInnenvereins ATIGF 1. Dort tagte zu diesem Zeitpunkt die Kommunistische Gewerkschaftsinitiative KOMintern. In einer mutigen Aktion ist es den migrantischen und österreichischen
„Der Überfall auf das ATIGF-Lokal stellt eine schwere Drohung gegen alle linken und migrantischen Organisationen dar.“
ArbeiterInnen gelungen, die Faschisten hinauszudrängen und einige von ihnen der Polizei zu übergeben. Diesmal war es gut ausgegangen, weil über 60 AntifaschistInnen bei dieser Veranstaltung zugegen waren. Wie es beim nächsten Mal aussehen wird mag man sich ausmalen – oder lieber nicht. Der Überfall ist jedenfalls eine ernst zu nehmende und gefährliche Drohung gegen linke und migrantische Organisationen in Wien und ganz Österreich. Das Haus, in dem sich das Vereinslokal befindet, ist übrigens nach Ernst Kirchweger benannt, dem ersten Todesopfer rechter Gewalt nach 1945. Der KZ-Überlebende wur-
Stefan Klingersberger ist Autor der Broschüre „Konkrete Utopie als Antifaschismus. Eine bündnispolitische Skizze entlang der Salzburger Plattform gegen Rechts“, die unter folgendem Link heruntergeladen werden kann: bit. ly/1l7im9Z
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de 1965 am Rande einer antifaschistischen Demonstration von einem Mitglied des RFS 2 totgeschlagen. In Deutschland machen Faschisten gegen Flüchtlinge mobil: Mittels politischer Hetze, direkter Gewalt und der Mobilisierung der Bevölkerung, welche ihnen offenbar in zunehmendem Ausmaß gelingt. „Seit August 2013 wurden bereits sieben brennende Migrantenhäuser dokumentiert. Neofaschisten marschieren gegen Flüchtlinge.3 In November wurde in der Nähe von Magdeburg ein Antifaschist von Faschisten entführt und im Wald ausgesetzt. Man nahm ihm sein Handy ab, um Kontaktdaten weiterer AntifaschistInnen ausfindig zu machen. In Griechenland wurde im September 2013 ein linker Musiker von einem Mitglied der faschistischen Parlamentspartei Goldene Morgenröte ermordet. Dass wenige Zeit später zwei Mitglieder der Goldenen Morgenröte ermordet wurden, weiß diese Partei für ihre Propagandazwecke gut zu nutzen. Auch andere Parteien, Medien und die Regierung greifen diesen Vorfall gerne auf, um die fortschrittlichen Kräfte im Lande zu diskreditieren. Bei den Tätern handelt es sich wohl entweder um dumme Linke, die nicht verstehen, dass „linker“ Terror nach hinten los geht, weil er der politischen Linken letztlich mehr schadet als nützt; oder aber um schlaue Rechte bzw. Staatssöldner, die ebendiesen Schaden herbeiführen wollten. Ein besonders krasser Fall von agents provocateurs ist nicht auszuschließen. Insgesamt drängt sich nach dieser Rundschau die Befürchtung auf, dass die Vorfälle in Salzburg nur als erste Androhungen zu verstehen sind. Sie dienen den Faschisten – welche von ihnen auch immer hinter den Vandalismusakten stecken und wie auch immer sie mit anderen Gruppen verflechtet sein mögen – unter anderem dazu, ihre organisatorischen Möglichkeiten zu proben und weiterzubilden, die Gegenaktivitäten der AntifaschistInnen und der Polizei auszuloten, die Öffentlichkeit an faschistische Symbolik zu gewöhnen und nicht zuletzt: Rechte Gesinnungsgenossen wachzurütteln, zu mobilisieren und zu vernetzen. Warum gerade jetzt? Rechtsextremismus-Experten sprechen davon, dass der Überfall auf das ATIGF-Lokal bzw. die KOMintern-Tagung eine neue Qualität rechtsextremer Gewalt in Österreich eröffne, welche darin bestünde, dass ein faschistisches Rollkommando ganz gezielt eine Organisation attackiere, die es aus politischen wie rassistischen Gründen verachten müsse. Wie auch KOMintern-Arbeiterkammerrätin Selma Schacht anführt, ist es mit Sicherheit kein Zufall, dass ausgerechnet eine Organisation, welche ein Zusammenschluss von MigrantInnen und NichtmigrantInnen aus der arbeitenden Bevölkerung ist, zum
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Ziel eines derartig brutalen Überfalls wurde. Das Erstarken rechtsextremer und faschistischer Bewegungen fällt zeitlich mit der tiefgreifendsten kapitalistischen Wirtschaftskrise seit 80 Jahren zusammen. Zum einen, weil die in Armut und Arbeitslosigkeit gedrängten Menschen dem herrschenden System gerne eins auswischen würden. Dabei verfallen sie aufgrund der historischen Schwäche der fortschrittlichen Kräfte in Europa oftmals den Lügen der
„Die faschistischen Bewegungen lenken vom Kampf für eine bessere Gesellschaft ab und drängen die fortschrittlichen Kräfte in die Defensive.“ rechten Rattenfänger. Zum anderen aber auch, weil diese Bewegungen gerade in Krisensituationen für die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems äußerst hilfreich sind: Sie halten die fortschrittlichen Kräfte von ihrer historischen Aufgabe – dem Kampf für eine freie, soziale, demokratische, ökologische und friedliche Welt, welcher nur erfolgreich sein kann, wenn er über das kapitalistische Gesellschaftssystem hinausweist – ab und lenken deren Aufmerksamkeit auf den per se defensiven antifaschistischen Kampf. Ein Beispiel dieser Ablenkungsfunktion: Als die deutsche Bundesregierung „[…] im Herbst 2010 die ersten Rettungsschirme für 'notleidende Banken' spannte und in den Betrieben die Empörung wuchs, erschien genau zu diesem Zeitpunkt das Buch von Thilo Sarrazin, und statt über die Geschenke für Banken und Millionäre zu diskutieren, wurde nun über die rassistischen Thesen des SPD-Politikers geredet.“ 4 Konkrete Utopie als Antifaschismus. Selbstverständlich darf die Devise nun aber nicht lauten, dass die fortschrittlichen Kräfte auf antifaschistische und antirassistische Arbeit verzichten und sich auf die positive Veränderung der Gesellschaft beschränken sollten – man würde ebendiese positive Veränderung verunmöglichen, wenn man die Faschisten ungehindert ihren Unfug treiben lässt. Stattdessen muss die Losung lauten: Intime Verbindung der antifaschistischen Kämpfe mit den demokratischen, sozialen, ökologischen und friedenspolitischen Kämpfen. Der antifaschistische Kampf muss in Form einer „konkreten Utopie“ (Ernst Bloch) vom Ziel einer Gesellschaft geleitet sein, für die der Grundsatz „jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ (Karl Marx) gilt. So kann der faschistischen Ideologie der Boden unter den Füßen weggezogen werden.
1: „Avusturya Türkiyeli Isçi Gençlik Federasyonu“ – „Föderation der Arbeiter und Studenten aus der Türkei in Österreich“ 2: Ring Freiheitlicher Studenten 3: Philipp Kissel, in: Theorie & Praxis, Heft 34, Dezember 2013, Seite 6. 4: Renate Münder, in: Theorie & Praxis, Heft 34, Dezember 2013, Seite 5
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Sie sind oft diskriminierend, h채ufig un체berlegt und zumeist kann man ihnen nur wenig entgegensetzen:
Stammtischparolen Was sie sind und wie ihnen entgegengetreten werden kann. Von Su Karrer
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„Das Problem mit den Parolen ist folgendes: Sie sind meist drastische Aussagen, die kein Wenn und Aber zulassen. Hier gibt es nur die Guten und die Bösen.“
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er kennt sie nicht, diese Parolen, diese leeren, unüberlegten Phrasen, oft geschmacklos, häufig banal und meistens höchst hirnlos. In so genannten „Stammtischsituationen“ hört man Sätze wie „Früher war alles besser!“, „Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet.“, „Wer Arbeit will, findet auch eine.“, bis hin zum magenumdrehenden „Wir brauchen wieder einen Hitler.“, „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg.“, oder „Bald werden wir vom Islam regiert.“. Diese Stammtischsituationen passieren aber nicht ausschließlich im Wirtshaus mit reichlich Alkohol – der Begriff umschreibt ein Phänomen an Gesprächen, die auch bei Familienzusammenkünften, unter Freundinnen beim Kaffee, im Bus oder mit dem Nachbar am Gartenzaun entstehen können. Der zivilcouragierte Mensch steht den ungustiösen Parolen dann mit flauem Bauchgefühl und den fehlenden Kontraworten gegenüber. Das Dagegenhalten mit der Realität, mit Verstand und Tatsachen lässt den/die Kontrahenten/in allerdings meist ziemlich unberührt und verschafft ihm/ihr Nährboden für weiteren Unsinn, der augenblicklich von sich gegeben wird. Im Nachhinein, das Gespräch betrachtend, fällt dann der Groschen – unzählige schlagkräftige Gegenargumente fallen einem ein. Dann ist es aber auch schon zu spät. Das Problem mit den Parolen ist folgendes: Sie sind meist drastische Aussagen, die kein Wenn und Aber zulassen. Hier gibt es nur die Guten und die Bösen. Die „Anderen“ sind schlecht, denn sie haben die falsche Hautfarbe, Lebensart, Religion oder soziale Situation. Folglich sind die ParolenschmeißerInnen besser und beanspruchen mehr Rechte an allem – und das alles unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Mehrheitsmeinung. Propagiert werden vorwiegend politische Ansichten, die sowohl markant als auch bekannt sind und scheinbar leichte, aber harte Lösungen vorschlagen. Die Parolen basieren oft auf einem autoritären Politikverständnis, einer chauvinistischen Grundeinstellung oder schlichter Unwissenheit. Genährt werden sie von Angst und Unbehagen dem Fremden gegenüber, welche leider häufig von den Massenmedien und populistischen Parteiaussagen geschürt werden. Sie wirken aggressiv, laut und selbstbewusst, sind aber einfach, höchst emotional und finden schnell Zuspruch von anderen Mitdiskutierenden. Typisch für das Parolengedresche ist auch die schnelle Abfolge verschiedenster Aussagen, die nicht zwangsläufig etwas mit dem Ausgangsthema zu tun haben müssen. Mit einem raschen Themenwechsel ist es schließlich leicht, von eigentlichen Wissenslücken abzulenken. Deprimierend, aber oft wahr: Der/Die Parolenanführe-
rIn steuert und dominiert die vermeintliche Diskussion – und „gewinnt“ letzten Endes. Doch nicht entmutigen lassen – mit etwas Übung und Gelassenheit kann man den Parolen den Wind aus den Segeln nehmen. Ein gutes Mittel gegen die scheinbare Mauer ist Nachfragen. Was meint eine Aussage genau? Ist mein Gegenüber persönlich davon betroffen oder kennt es Beispiele aus seinem nahen Umkreis? Und was heißt „die“ eigentlich? Wer sind „die“ Ausländer? Sind damit auch der italienische Restaurantbesitzer oder die türkische Mitstudentin gemeint? Personalisierungen führen dem Gegenüber vor Augen, wie pauschal ihre Aussagen eigentlich sind. Zudem sollte darauf beharrt werden, dass ein Thema nicht einfach gewechselt wird – also nachbohren, zurück zum Eigentlichen! Selbst in die Offensive gehen und das Gespräch aktiv in die Hand nehmen hilft auch, die Dominanz des anderen zu mindern, um das Gespräch in eine Diskussion zu verwandeln. Geht der Lärmpegel der Zusammenkunft ins Unermessliche, ist es durchaus sinnvoll, Regeln aufzustellen: Ausreden lassen, aktives Zuhören und am Thema bleiben bringen oft ein angenehmeres Gesprächsklima. Was der Auseinandersetzung hingegen schaden kann ist der bekannte Fingerzeig: Moralisierungen und Belehrungen wirken besserwisserisch und die GesprächspartnerInnen laufen Gefahr, ihre Mauern noch weiter aufzutürmen. Dahingegen kann die Moral als Argument hinzugezogen werden – dem Bezug auf Menschenrechte oder dem Grundgesetz kann nur schwer entgegengetreten werden. Ein Augenmerk auf Widersprüche zu legen, schwächt die Argumente ebenfalls etwas ab. Bei ausländerfeindlichen Äußerungen darf zum Beispiel ruhig darauf hingewiesen werden, dass der vom Parolendrescher getragene Pulli vermutlich in Bangladesch produziert wurde. Fährt sich eine Situation fest, ist es durchaus hilfreich, selbst einmal kurz vom Thema abzulenken, um eine Eskalation zu vermeiden. Erzürnt sich ein oder eine ParolenschwingerIn über alle Maßen, ist es durchaus angebracht, auf die Emotionalität einzugehen – vielleicht ist er oder sie persönlich betroffen und ein „Warum regst Du Dich so auf?“ kann eine neue Perspektive ins Gespräch bringen. Hier auf ein „wir“ verweisen, ist ein gutes Mittel, um eine neue Sichtweise einzubringen: „Wie wäre es, wenn wir in dieser Situation wären?“. Gelingt es nun noch, die bislang Unbeteiligten in der Runde aktiv miteinzubeziehen, löst sich die Situation vielleicht schon bald in Wohlgefallen auf. Aber das Wichtigste, um einem Parolenkampf entgegenzuwirken: Authentisch bleiben, am besten mit viel Ironie, denn diese zeigt Absurdes auf, verdeutlicht Widersprüche und wirkt ungemein entkrampfend.
Tipps und Tricks entnommen aus: Klaus-Peter Hufer, Argumentationstraining gegen Stammtischparolen, 8. Aufl., Schwalbach 2008 Klaus-Peter Hufer, Argumente am Stammtisch. Erfolgreich gegen Parolen, Palaver und Populismus Und in Selbsterfahrung durch den Workshop – Paroli den Parolen; Argumentationstraining gegen Stammtischparolen beim Friedensbüro Salzburg
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Mit Rassismus und S채bel ins hohe Amt
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Über tausend Menschen versammeln sich mitten in Innsbruck. Plakate werden in die Luft gehalten, zu lesen ist „Orangensaft statt Burschenschaft“ oder „Kunterbunt statt Burschibund“. Bei der Versammlung handelt es sich um eine Demo gegen das Aufgebot von etwa hundert Burschenschaftern, welche anlässlich ihres Verbandstages durch die Stadt marschieren. Auch in Salzburg gibt es schlagende Verbindungen deutschnationalen Charakters. Wie aber sind diese einzuordnen und warum finden sich unverhältnismäßig viele Burschenschafter in hohen Ämtern?
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nnerhalb der Vielfalt studentischer Verbindungen sind Burschenschaften jene mit dem am stärksten ausgeprägten völkischen Gedankengut. Alles, was nicht der eigenen Volksgemeinschaft angehört, alles, was „fremd“ ist oder nicht dem strikt dualistischen Geschlechtersystem mit konservativen Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern entspricht, wird abgelehnt. Frauen spielen in Burschenschaften nur insofern eine Rolle, als dass sie „schmückendes Beiwerk“ und Geburtsmaschinen sind. In Salzburg sind drei schlagende Burschenschaften ansässig: Germania, Gothia und Rugia. Die interne Struktur ist stark hierarchisch, neu beigetretene Personen sind keine vollwertigen Mitglieder, sondern müssen als „Fuchs“ eine Probezeit durchlaufen und sich einem „Fuchsmajor“ unterordnen. Um endgültig aufgenommen zu werden, haben sie sich in schlagenden Burschenschaften der Mensur – einem Fechtkampf mit scharfen Waffen – zu unterziehen, bei welcher der mitunter später stolz getragene „Schmiss“ – eine Narbe im Gesicht – entsteht. Alles im Dienste „der Sache“! „Die Sache“ ist (bzw. die Sachen sind) neben Alkoholexzessen und Waffenspielchen die Verteidigung der Ehre und des Vaterlandes. Ideologien, die sich meist in rechtsextremistischen, politischen Verbänden wiederfinden – oder aber, wie hier, auf größtenteils universitärer Ebene. Von den Burschenschaften selbst zwar immer wieder abgestritten, können dennoch häufig direkte Verbindungen in das rechtsextreme Milieu festgestellt werden. Bei der Burschenschaft Germania referierte 2011 Walter Marinovic, Autor verschiedener rechtsextremer Zeitungen, über den „Türkensturm – einst und jetzt“. 2007 protestierten die Germanen gegen die Anbringung von Stolpersteinen zum Gedenken der ermordeten Jüdinnen und Juden vor dem Haus der Linzergasse 5, welches in der Zeit des Nationalsozialismus arisiert wurde. Als windiges Argument wurde hervorgebracht, dass die Stolpersteine in die Linzer Straße gehören, was sich aber als eine fehlerhafte Recherche der Burschenschaft erwies. Sei nun ein antisemitisches, rassistisches, sexistisches und homophobes Weltbild noch nicht bedenklich genug, gibt es auch noch eine weitere markante Eigenheit: die Seilschaften zwischen den „Alten Herren“, wie nicht mehr aktive Burschenschafter genannt werden, und den jungen Aktiven. Ein eigenmächtiger
Austritt aus der Verbindung ist formal nicht möglich. „Einmal Burschi, immer Burschi“, heißt hier die Devise. Die jüngeren werden von den älteren moralisch, finanziell und durch lukrative Posten unterstützt. Gerade für die FPÖ gelten Burschenschaften als Kaderschmiede für die Vergabe von Posten in Politik und Verwaltung. Bekanntes Beispiel ist FPÖ Politiker, Jurist und „Alter Herr“ der Burschenschaft Olympia. Martin Graf, welcher bis vor kurzem das Amt des dritten Nationalratspräsidenten bekleidete und Betreiber des Blogs unzensuiert.at ist, in welchem schon des Öfteren hetzerische und rechtsgerichtete Postings auftauchten. Im Nationalrat abgelöst wurde Graf von Norbert Hofer, FPÖ Politiker und „Alter Herr“ der Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld, in letzter Zeit aufgefallen durch Äußerungen gegen das Verbotsgesetz, welches Wiederbetätigung
„Der Rechtskonservatismus und die Verflechtungen, einerseits in die rechtsextremistische Szene und andererseits in gesellschaftlich hochrelevante Felder und Berufsgruppen, hinterlassen einen mehr als fahlen Beigeschmack.“ unter Strafe stellt. Trotz (oder gerade wegen?) ihres rechten Gedankenguts lassen sich Burschenschafter auch abseits der Politik in hohen Ämtern finden: als Ärzte, Rechtsanwälte, Bauingenieure, Universitätsprofessoren, Notare etc. Der Rechtskonservatismus und die Verflechtungen, einerseits in die rechtsextremistische Szene und andererseits in gesellschaftlich hochrelevante Felder und Berufsgruppen, hinterlassen einen mehr als fahlen Beigeschmack. Doch unter den Studierenden regt sich immer wieder starker Widerstand, wie sich am Beispiel in Innsbruck oder den jährlich stattfindenden Demonstrationen gegen den WKR-Ball feststellen lässt. Es gilt aber auch auf kleiner Ebene die gesellschaftlichen Gesinnungen von Burschenschaften aufzuzeigen, diese zu kritisieren und auch am eigenen Unistandort die Stimme gegen deutschnationalistische Ideologien und Sexismus zu erheben!
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Neues vom Mozarteum – Das Thomas Bernhard Institut
„Da kann man nichts machen. Sie kriegen einen Namen, der heißt Thomas Bernhard, und den haben sie lebenslänglich.“ (Thomas Bernhard)
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5 Jahre nach ihrer Gründung wurde die Abteilung Schauspiel und Regie der Universität Mozarteum Salzburg am 16. November 2013 im reifen Alter „getauft“ und trägt nun den Namen eines ihrer schillerndsten und streitbarsten Absolventen: Thomas Bernhard Institut. Der Name wird künftig für eine bessere Sichtbarkeit der Schauspielabteilung sorgen, welche in den letzten Jahren ihren Ruf als eine der erfolgreichsten und innovativsten Ausbildungsstätten für Schauspiel und Regie erneuert hat und zuletzt mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurde. Die Abteilung versteht die Namensgebung als Ausdruck der Verbundenheit mit einem der bedeutendsten österreichischen Autoren des 20. Jahrhunderts und als eine Ermutigung zur Suche nach entschiedenen Haltungen zur Welt, zum Einspruch und zur Lust an Polemik. Schauspiel-Jahrgang 2011 (3. Jahrgang). Eine Schauspielklasse am Thomas Bernhard Institut besteht in der Regel aus zehn Studenten, die aus etwa 600 Bewerbern ausgewählt werden. Die Hälfte des aktuellen dritten Jahrgangs ist zur Zeit am Deutschen Nationaltheater in Weimar, wo sie ein praktisches Jahr (Studio Weimar) absolviert. Diese Kooperation findet dieses Jahr zum ersten Mal statt. Die anderen fünf StudentInnen (Alexander Tröger, Simon Rußig, Ludwig Hohl, Vassilissa Reznikoff und Elisa Plüss) haben sich entschieden, in Salzburg zu bleiben und sich als fünfköpfiges Ensemble ein Jahr lang den unterschiedlichsten Theater-Projekten zu
widmen. Diese werden im eigenen Theater, („Theater im Kunstquartier“ - Paris-Lodron-Straße 2a, 5020 Salzburg) gezeigt und sollen ein breitgefächertes Publikum aus Salzburg und Umgebung finden. Als Auftakt wurde gemeinsam mit dem Tiroler Schauspieler und Regisseur Michael Klammer anlässlich der Umbenennung der Abteilung eine Stückentwicklung mit Texten von Thomas Bernhard erarbeitet. Bis zum Sommer 2014 sind noch vier weitere Produktionen des Jahrgangs geplant, darunter ein Tanzprojekt. Hinzu kommen natürlich auch die Projekte und Inszenierungen der anderen Jahrgänge. Aktuell haben die Proben mit dem Regisseur und Schauspielprofessor Kai Ohrem für das nächste Stück begonnen: „Protection“ von Anja Hilling. Die Premiere findet am 18. Jänner 2014 im Theater im Kunstquartier statt. Weitere Vorstellungen werden am 19. Jänner, sowie im März und April gegeben (genaue Daten siehe unten). Der Wunsch der Abteilung ist es, die Stadt Salzburg und vor allem auch die zahlreichen StudentInnen auf ihr Theater aufmerksam zu machen. Es scheinen nur wenige Menschen in Salzburg von den Aufführungen zu wissen und daher soll ein möglichst vielfältiges Publikum herzlich dazu eingeladen werden, das Theater im Kunstquartier zu besuchen und kennenzulernen. Auch aus diesem Anlass ist für den 22. Jänner 2014 ein „open stage-Abend“ geplant. Damit besteht in Zukunft auch die Möglichkeit, bei einem kühlen Getränk an der Bar ins Gespräch zu kommen und sich zu vernetzen.
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‚Protection’ von Anja Hilling Premiere: 18.01.2014 Weiter Vorstellungen: 19. Jänner / 21.+22. März / 3.+4. April / 10.+11. Mai jeweils 20 Uhr Kartenvorbestellungen und Informationen über aktuelle Produktionen und Szenenzeigen der verschiedenen Jahrgänge: www.schauspiel.moz.ac.at ; +43 662 / 6198-3121, schauspiel@moz.ac.at Spielstätten: Theater im Kunstquartier Paris-Lodron-Straße 2a 5020 Salzburg Thomas-Bernhard-Institut Paris-Lodron-Straße 2a 5020 Salzburg http://on.fb.me/19wY0aB Karten: 8,00 Euro und 4,00 Euro ermäßigt (Studenten) Weitere Vorstellungen der Thomas Bernhard Inszenierung „In der Höhe. Rettungsversuch. Unsinn“ voraussichtlich im März 2014. Regie: Michael Kalejaiye Dramaturgie: Kai Ohrem Bühne und Ausstattung: Maria Moser Weitere Vorstellungen von „Protection“ von Anja Hilling im März und April Regie: Kai Ohrem Bühne: Maria Moser
Tagsüber spielt Lucy auf ihrem Kontrabass vor den Passanten in der U-BahnStation. Nachts schläft sie im leeren Instrumentenkasten. Ross beobachtet die kranke Lucy. Ihm fällt auf, wie sie mitten im Sommer zusehends verfällt. Er wagt eine Annäherung. Zwei Männer begegnen sich in einem Club. Es ist nicht das erste Mal. Marc hat sich verändert, die Beinprothe-
se unter der weiten Hose versteckt. Davon darf Marco nichts erfahren. Bloß weg hier, aber so einfach ist das nicht. Eine Verwechslung: Leon klingelt an der falschen Tür. Nazifes Augen. Sie geht nicht mehr runter von seiner Haut. Zufällig treffen sie sich am nächsten Morgen wieder. Alles scheint jetzt ganz schnell zu gehen.
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“Ach, so ist das?!”
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Wie es zu dem Projekt kam, ist schnell erzählt. Ich saß mit meiner besten Freundin beim Eiskaffee, und wir erzählten uns Anekdoten aus dem Freundeskreis. „Fabios Mutter verkraftet es immer noch nicht, dass er schwul ist. Stell dir vor, was die neulich zu ihm gesagt hat!… “, „Helene hat mir gestern ihre Coming-Out-Geschichte erzählt…”, „Sasha macht sich ständig Gedanken, wie Andere auf seine Intersexualität reagieren…” Dann hatten wir die zündende Idee: Warum nicht aus all diesen spannenden, bewegenden Geschichten Comics machen? Sozusagen biografische Comicreportagen, die LGBTI*-Menschen und ihre Identität, Lebensweise und alles, was sie so bewegt, sichtbar und begreifbar machen? Deshalb meldeten wir die Projektidee beim Bundesprogramm ‚TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN‘ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an. Und, wow, wir bekamen die Förderung! Nach wie vor sind im deutschsprachigen Raum Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transidente, Transgender-Personen und intersexuelle Menschen struktureller oder individueller Diskriminierung ausgesetzt – sei es in der Schule oder am Arbeitsplatz, im Gesundheitswesen, in den Kirchen, im öffentlichen oder privaten Umfeld. Diskriminierung entsteht oft durch Unkenntnis – ein Problem ist dabei auch die Nicht-Sichtbarkeit von LGBTI in der Gesellschaft. Das Projekt soll einen Beitrag dazu
leisten, dies zu ändern. Mit Hilfe der Comicreportagen sollen Identität, Lebensweise, Erlebnisse und Erfahrungen von LGBTI sichtbar und begreifbar gemacht werden. Der Comic ist ein tolles Format, um Geschichten und persönliche Erlebnisse zu erzählen und damit Sichtbarkeit herzustellen, Wissen weiterzugeben und Vorurteile abzubauen. Selbst Themen, die vielen als fremd oder gar tabu erscheinen, können auf interessante und leichte Art dargestellt werden. Daher sammeln wir biografische Geschichten, Anekdoten, Erlebnisse, die mit der Identität, der Lebensweise, dem Selbstverständnis von LGBTI-Menschen zusammenhängen. Ergänzende Interviews werden in einer vertrauensvollen Umgebung geführt, jede_r Befragte entscheidet selbst, wie anonym die Darstellung sein soll und welche Passagen verwertet werden dürfen. Die Geschichten bilden dann die Grundlagen für die Comicreportagen. Einen Teil der Comics gibt es als Wanderausstellung und auf der Projektwebseite www.achsoistdas.com. Es gibt schon Ausstellungpläne für es gibt schon Pläne für Freiburg, Bielefeld, München, Erlangen, Neumarkt, Bamberg, Stuttgart, Basel, Bern und Innsbruck. Wenn es unser zeitplan zulässt, werden wir die Ausstellung mit unserer multimedialen Comiclesung, Vorträgen und Workshops zum Thema begleiten. Weitere Orte folgen sicher im kommenden Jahr.
Unter dem Motto “Ach, so ist das?!” sammelt Comiczeichnerin Schradi wahre Geschichten um Lebensweise und Erfahrungen vonLGBTI – Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transidenten, Transgender und Intersexuellen – und zeichnet daraus biografische Comicreportagen.
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Stricken und Häkeln - Schritt für Schritt zum eigenen Wunschstück Stricken und Häkeln liegen wieder voll im Trend. Das „alte“ Handwerk hat den Sprung ins neue Jahrtausend geschafft und nutzt nun sogar das Internet für sich. Von Brigitte Gertraud Erhardt
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as Image von Stricken und Häkeln wandelte sich in den letzten Jahren zu einem richtigen Trend, dem immer mehr junge Frauen und Männer nachgehen. So diente Handarbeit früher primär zur Deckung des Familienbedarfs an warmen Wintersachen. Mittlerweile hat Gestricktes und Gehäkeltes auch Catwalks, Museen und öffentliche Plätze („Stickkunst“ bzw. „knit art“) der Welt erobert. Aber auch in Wohnzimmern, als Teil der Einrichtung, und in Kinderzimmern, in Form von liebevoll selbst gestalteten Kuscheltieren, lässt sich immer mehr Selbstgemachtes aus Wolle und Co. ausmachen. Auch die zu verarbeitenden Fasern haben sich mit dem Fortschritt der Technik im 20. Jahrhundert verändert. Früher galt Schafwolle als das A und O;heute gibt es synthetische Fasern wie Polyester und Mikrofaser. Für die gehobenen Ansprüche unter Fortgeschrittenen gibt es eine breite Palette an Wolle aus Seide, Milchfaser, Alpaka-, Angora- (Kaninchen), Büffel- oder Opossumhaar. Rein pflanzliches Material aus Mais-, Baumwoll-, Bambus-, Soja-, Leinen- oder Hanfwolle steht mittlerweile tierischen Produkten in nichts nach. Außerdem gibt es noch einige Fasergemische und Effektgarne, die entweder besonders haarig (fake-fur) oder allergikerInnenfreundlich sind. Andere Spezialutensilien haben eine besondere Textur, die etwa im Dunkeln leuchtet oder dank eines dünnen Metallfadens schön funkelt. Diese Art von Wollknäuel sind überdurchschnittlich teuer und meistens schwer zu bekommen. Einfache Wolle (Polyester, Schafwolle und Gemische daraus) findet man jedoch bereits zu sehr günstigen Preisen
(von unter einem bis zu vier Euro pro Knäuel in den großen Supermarktketten). Einfache Effekt- und Tierhaarwolle, aber auch die meisten Pflanzengarne, kann man in Salzburg von den lokalen Handarbeitsläden beziehen. Sie sind zwar etwas teurer als Kunstfaserwolle (ca. 3,50- 11,50€ pro Knäuel). Der kleine Aufpreis lohnt sich aber meist, denn man bekommt eine fachgerechte Beratung und einige Tipps und Tricks hinzu. So erschließen sich einem nach und nach die Geheimnisse der Strick- und Häkelkunst. Die besonders teuren und ausgefallenen Wollarten sind jedoch fast ausschließlich über das Internet erhältlich, das sich mittlerweile auch als ziemlich guter Helfer bei offenen Fragen etabliert hat. Dank Plattformen wie ravelry.com kann man sich im Internet über Themen austauschen, Wollgeschäfte in der Nähe finden, Buchbesprechungen zum Thema lesen sowie Treffen planen und koordinieren. Das Wichtigste bleibt natürlich nicht außen vor: Auch Muster können über ravelry.com bezogen werden! Das Internet ist voll von tollen Mustern, die manchmal sogar gratis zur Verfügung gestellt werden und zum Herstellen eines Strick- bzw. Häkelstücks für EinsteigerInnen unabdingbar sind. Andere Bezugsquellen sind Zeitschriften und Bücher, die mehrere Muster zur Auswahl anbieten. In diesen sogenannten Mustern bzw. „patterns“ wird Schritt für Schritt erklärt, was man machen muss, um sein Projekt erfolgreich anzufertigen. Aber Muster sind nicht nur dafür wichtig. Sie geben ebenfalls an, wie viele Knäuel Wolle und v.a. welche Stärke man braucht, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Außerdem hängen
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© such sweet hands
direkt von Muster und Wollstärke die benötigten Nadeln ab. So gibt es Häkelnadeln entweder vollständig aus Plastik, Metall, Bambus oder Holz, oder aber auch aus Metall bzw. Kunststoff. Welches Material am besten für dich geeignet ist, musst du selbst herausfinden. Am besten probierst du unterschiedliche Nadeln direkt vor Ort im Kaufhaus aus und kaufst dann jene, die am angenehmsten in der Hand liegt. Stricknadeln sind in den selben Materialien erhältlich, sind aber meist mehr an die Bedürfnisse des Projekts angepasst. So gibt es Nadelspiele, welche aus 5 Nadeln bestehen, die an beiden Enden angespitzt sind und sich sehr gut für Socken oder Mützen eignen. Rundstricknadeln, deren Enden durch ein Seil verbunden sind, sind ideal für das Stricken in Runden bzw. für größere Projekte . Jackennadeln, die besonders lang sind und an einem Ende einen „Stopper“ besitzen, sind ebenfalls gut für das Fertigen von Pullovern und Jacken geeignet. Strick- wie Häkelnadeln gibt es in unterschiedlichen Stärken, deren Durchmesser in Millimeter angeben wird. Welche Stärke man benötigt, gibt die so genannte „Manschette“ am Wollknäuel an. Auf dem Papierstreifen findet man alle relevanten Informationen über die Wolle: Name der Wolle, Zusammensetzung, Gewicht und Länge, Pflegehinweise, Nadelstärke, Maschenprobe, Verbrauch für einen Pullover, Artikel-, Farb- und Partienummer (Partien können farblich leicht voneinander abweichen). Sind nun alle erforderlichen Materialien zusammengetragen, kann munter mit dem Stricken oder Häkeln begonnen werden! Solltest du bei der Wahl des Mo-
tivs oder des Projekts noch unentschlossen bzw. ratlos sein, gibt es nun einige Möglichkeiten zur Abhilfe: Entweder du informierst dich durch Bücher oder Zeitschriften (in jedem guten Musterbuch werden mit Hilfe von Zeichnungen oder DVDs die wichtigsten Techniken erklärt) oder du machst dich im Internet über z.B. Youtube schlau und lässt dir das Handwerk mittels Video-Tutorials erklären. Eine weitere Möglichkeit zum wahren Häkelmeister oder zur wahren Strickmeisterin aufzusteigen, sind so genannte Handarbeitszirkel oder -abende. Hier tauschen sich Begeisterte über ihr Hobby aus und geben Tipps. Diese Treffen werden häufig von Wollgeschäften oder Privatpersonen (Anmeldung meist über einschlägige Websites) organisiert. Worauf wartest du noch? Warum sollte man mit dem Stricken/Häkeln (wieder) beginnen? Stricken und Häkeln sind bei kleineren Projekten, wie etwa Mützen, eine günstige Alternative zum Gekauften. Selbstgemachtes passt mit einigen Tricks sehr genau hat somit einen eindeutigen Vorteil gegenüber industriell gefertigter Ware. Weiters kannst du deine Wunschfarben verwenden und deinen Kreationen einen sehr individuellen Touch verleihen.Einige Studien belegen sogar, dass handarbeiten wie eine Art Meditation wirkt; es reduziert den Stresslevel und soll sogar gegen Depressionen helfen. Aber der beste Grund mit diesem Hobby (wieder) zu beginnen ist, dass man eine Möglichkeit hat, Freunde zu treffen und am Ende etwas ganz Besonderes zu erschaffen. So tief kann kein Volksschultrauma aus dem Bastelunterricht sein; es lohnt sich!
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Woyzeck im Hier und Jetzt Das Volkstheater Wien hat die Woyzeck-Inszenierung von Robert Wilson auf die Bühne gebracht. Nicht nur die Musik von Tom Waits verleiht dem Stück eine gewisse Aktualität. Von Lisa Mitterbauer Georg Büchner begann 1836 das Stück Woyzeck zu verfassen, konnte es allerdings aufgrund seines frühen Todes nicht fertigstellen. Büchner, selbst mit revolutionären Ambitionen ausgestattet, übte mit seinem unvollendeten Werk harsche Gesellschaftskritik. Motive wie eine strukturelle Benachteiligung von sozial Schwachen, ihre Demütigung, die Profilierung der eigenen Person auf Kosten anderer und Eifersucht, sind die Grundpfeiler seines Dramas. Er konnte wohl kaum ahnen, dass auch heute gerade diese Themen in unserer Gesellschaft noch beherrschende Rollen einnehmen. Damals wie heute sind die Zukunftschancen stark vom sozialen Milieu beherrscht. Strukturell Benachteiligten sind viele Möglichkeiten aus ihrer Situation auszubrechen verstellt. Woyzeck ging es ähnlich. Seine anfängliche Gutmütigkeit und sein Bestreben seiner Geliebten und seinem Kind ein möglichst angenehmes Leben bieten zu können wurden sowohl vom Hauptmann als auch vom Arzt ausgenutzt. Und darüber hinaus wurde er auch noch öffentlich gedemütigt. Das Streben nach der persönlich passenden Lebensform kann auch heute schnell zu einem Abhängigkeitsverhältnis werden, aus dem man manchmal nur scher wieder ausbrechen kann. Das sture Jagen nach einem Beruf der am meisten Geld einbringt, damit man genug hat, um seinen Lebensstil finanzieren zu können, für den man aber wenig Zeit hat, weil man ja arbeiten muss, damit genug Geld angeschafft wird, kann zu einem Teufelskreis werden,
der die Sinne verblendet. Obwohl die Grundidee von „Woyzeck“ auf einer Sammlung wahrer Begebenheiten basiert, führt der beschriebene Teufelskreis oft nicht zum Mord der oder des Geliebten, kann aber häufig zu Selbstverletzung führen, nicht nur körperlich sondern auch psychisch. Die Frage ist also, ob wir nicht endlich, aus einem Stück wie diesem, das vor fast 200 Jahren verfasst wurde, unsere Lehren ziehen sollten und uns einem kapitalistischen System entgegenstellen, das strukturell Menschen benachteiligt und sie geistig nur nach dem einen, universellen Grundwert streben lässt, nämlich dem Geld? Das soll natürlich kein Plädoyer dafür sein, dass wir alle nur arme Opfer des Systems sind, denn wenn wir nicht kooperieren würden, würde sich das System wohl nicht mehr halten können. Aber es besteht nun mal in gewisser Weise ein gesellschaftlicher Druck danach mitzumachen. Diesen gesellschaftlichen Druck, das Leben zu führen, das eben allseits anerkannt ist, den verspürte auch Woyzeck. Er wurde zu einer Marionette im Theater der Gesellschaft. Der Arzt benötigte ihn für seine unmenschlichen Versuche, der Hauptmann benötigte ihn, um sich selbst erhabener zu fühlen und durch Marie und den Tambourmajor kam er in die Fänge der Liebe. Alles in allem ist es vollkommen nachvollziehbar, wenn jemand in den Konstellationen die damals herrschten und heute immer noch bestehen, dem Wahnsinn verfällt.
© Lalo Jodlbauer
Mit seinem neuesten Werk wagt sich Independent-Regisseur Jim Jarmusch an ein für ihn völlig neues Genre. Das Vampir-Drama Only Lovers Left Alive entführt die Zuschauer in die düstere Welt der heutigen Detroiter Slums. Dabei bekommen sie einen Einblick in das Leben des Ehepaares Adam und Eve, die ein blutiges Geheimnis hüten: Sie sind Vampire. Von Marina Hochholzner Obwohl sie uns körperlich überlegen sind, zeigt Jarmusch, dass das Leben in der modernen Zeit nicht mehr so einfach ist für Kreaturen der Nacht. Die Menschen verunreinigen ihr Blut mit Nikotin, Alkohol und Drogen, und an reines, unverschmutztes Blut zu kommen ist nicht einfach. Da bedient man sich schon einmal gerne des krankenhauseigenen Dealers oder man greift zurück auf Import-Produkte aus dem Ausland. Eve, gespielt von Tilda Swinton (The Beach), lebt von ihrem Liebsten getrennt im fernen Tanger in Marokko. Sie hat sich gut in das neue Jahrhundert eingefügt – man sieht sie kaum ohne ihr iPhone, und auch beim Buchen von Nachtflügen weiß sie sich bestens zu helfen. Nicht so ihr Gatte Adam: Tom Hiddleston (Thor – The Dark Kingdom) spielt einen depressiven RockerVampir, der sich einfach nicht mehr in die heutige Gesellschaft zu integrieren weiß und deshalb immer mehr verbittert. Er hat nur wenig Kontakt zur Außenwelt und scheint nur noch für seine Instrumente zu leben. Seine Leidenschaft gilt dabei besonders alten Gitarren, die er sammelt und besser kennt als die aktuellen Hits auf Youtube. Als er schließlich mit dem Gedanken spielt, seinem unsterblichen Leben ein Ende zu bereiten, spürt Eve, dass ihr Mann in Gefahr ist. Sie setzt sich in den nächstbesten (Nacht-)Flug und kommt nach Detroit. Das Liebespaar ist nun wieder vereint und verbringt seine Zeit fortan mit nächtlichem Sightseeing. Der Frieden währt jedoch nicht ewig. Als Eves jüngere Schwester Ava auftaucht, wird die gerade erst entstandene Idylle gestört. Mehrere Vorkommnisse, an denen Eves aufgedrehte Schwester nicht ganz unschuldig ist, zwingt das Ehepaar schließlich, Detroit zu verlassen. Sie suchen nun Zuflucht in Eves Heimat Tanger, wo sie sich bereits mit einem weiteren Problem konfrontiert sehen: Der Blutlieferant ist plötzlich nicht mehr zu erreichen...
Filmrezension Only Lovers Left Alive
Blutsauger-Blues Jarmuschs Film zieht die Zuschauer schon deshalb in seinen Bann, weil er trotz der modernen Technologien und Gesellschaften, die die beiden Vampire umgeben, von Anfang an eine düstere Atmosphäre schafft. Vor allem der schweigsame und in sich gekehrte Adam macht deutlich, dass sich nach Jarmuschs Auffassung Vampire in der heutigen Zeit kaum noch integrieren können. Hiddleston zeigt in dieser Rolle nicht nur sein musikalisches Talent, sondern auch, dass durchaus mehr in ihm steckt als nur die Rolle von ComicBösewichten. Oscar-Preisträgerin Swinton spielt die hochgebildete Eve so überzeugend, dass man ihr beinahe glauben möchte, sie sei bei allen wichtigen Geschehnissen der Geschichte hautnah dabei gewesen. Intellektuell wie sie sind, persönlich bekannt mit sämtlichen namhaften Physikern und Lyrikern der Vergangenheit, scheinen sie auch tatsächlich nicht mehr in die Welt des Internets und Konsumrausches zu passen. Cool genug sind diese Vampire jedenfalls. Leichenblass, wie es sich gehört für Geschöpfe, die niemals das Sonnenlicht erblicken, und so lichtempfindlich, dass sie sogar in Nachtclubs noch ihre Sonnenbrillen tragen müssen, verkörpern sie die klassischen Blutsauger. Der Film erfreut die Zuschauer immer wieder mit sarkastisch-humorvollen Sprüchen und unausgeschlafenen, untoten Morgen-, pardon, Abendmuffeln. Ein etwas früheres und längeres Auftauchen von Ava hätte der Handlung vielleicht nicht geschadet, doch das Zusammentreffen der amerikanischen und marokkanischen Kultur mit den britischen Vampiren ist dennoch zu jeder Zeit unterhaltsam.
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Rape-Revenge-Filme:
Wenn Frauen auch mal schlachten dürfen Frauen im Mainstream-Film glänzen durch stereotype Darstellung, Abwesenheit oder als „das ewige Opfer, das gerettet werden muss“. Sie fallen vor allem durch ihre Eindimensionalität auf: Kennst du eine, kennst du alle. Aber wie steht es mit der Frau als Rächerin? Oder ist es einzig Männern vorbehalten, ihren Rachegelüsten zu frönen, mitsamt den dazugehörigen filmischen Gewaltexzessen? Von Jennifer Rödl
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nde letzten Jahres wurde wieder einmal das große Gleichberechtigungs-Vorbildland Schweden honoriert – diesmal im Bereich des Filmwesens. Dort werden in Zukunft nur noch jene Filme mit „A“ (beste Auszeichnung) ausgezeichnet, welche den Bechdel-Test bestehen. Das Prinzip des Bechdel-Tests ist simpel: Im Film gibt es mindestens zwei Frauencharaktere, welche über etwas anderes sprechen als über Männer. Scheint einfach, allerdings fallen über 80% der Hollywood Blockbuster bei diesem Ranking durch (wie zum Beispiel alle bis auf Harry Potter , Fluch der Karibik und die Der Herr der Ringe-Teile). Laut einer Studie waren 2012 weniger als ein Drittel der Filmcharaktere in den Top-100-Filmen weiblich: Der absolute Tiefpunkt der vergangenen fünf Jahre. Und die wenigen weiblichen Hauptcharaktere ließen überproportional oft die Hüllen fallen. Gleichzeitig verzeichnet Hollywood den niedrigsten Stand an von Frauen geschriebenen Drehbüchern seit zwei Jahrzehnten. Wenn neun von zehn Filmen aus der Perspektive von Männern erzählt sind und Frauen in ihnen kaum ernstzunehmend vorkommen, dann bleiben sie auch in unseren Vorstellungen von der Realität zumeist unsichtbar. Haben hingegen Frauen hinter der Kamera das Sagen, gibt es mehrere weibliche Figuren, die auch weit weniger sexualisiert dargestellt werden. Erst 2010 ging der erste Regie-Oscar (nach über 85 Jahren!) an eine Frau: Kathryn Bigelow. Paradoxerweise für
den Film The Hurt Locker – ein Film, in welchem „richtige“ Männer noch zeigen dürfen, wie „echter“ Krieg eigentlich geht – nämlich indem Bomben mit „Hey Baby“ begrüßt und Anweisungen der Vorgesetzten mit einem erhobenen Mittelfinger entgegnet werden. Die Frau – das Opfer? Dem entgegen werden Frauen im Film entweder als schöner Aufputz, als zerbrechliches Juwel, das gerettet werden muss oder als „das Opfer“ inszeniert und nehmen selten ihr Schicksal oder ihr Leben selbst in die Hand. Ein Genre, welches auch die filmische Logik bereithalten könnte, Frauen zur potentiellen (Anti-)Heldin ( jenseits einer „Lara Croft-Doppel-D-Logik“) werden zu lassen, ist der so genannte RapeRevenge-Film. Er folgt dabei drei wesentlichen Handlungsakten: 1.) Eine Frau wird vergewaltigt, gefoltert und liegen gelassen (der oder die Täter halten sie für tot). 2.) Die Frau überlebt und kommt wieder zu sich. 3.) Die Frau (oder Angehörige) nimmt Rache und tötet den/die Vergewaltiger. Im Rape-Teil sollen Hass- und Rache-Gefühle evoziert werden, die dann im Revenge-Teil befriedigt werden. Aus diesem Grund unterliegen Rape-Revenge-Filme auch dem Vorwurf der „Verherrlichung von Selbstjustiz“ und damit oft der Zensur – obwohl sich doch zumeist eine gespaltene Haltung zu dieser Form der Rache abzeichnet. Obwohl das Genre des Rape-Revenge-Films dazu präde-
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stiniert wäre, auch Frauen einmal „legitime Gewalt“ ausüben zu lassen (wie sie in jedem Action-Film suggeriert wird), ist der große „Hollywood“-Rächer und Retter oft wiederum ein Mann (der Freund, Bruder, Vater etc.) des Opfers. Rape-Revenge-Filme, in denen Frauen die Rache selbst in die Hand nehmen, gelten als Ausnahme. The Male Gaze – der männliche Blick. Problematisch ist an Rape-Revenge-Filmen aber nicht nur die „Selbstjustiz“, sondern vor allem der so genannte Male Gaze, also der männliche Blick auf das Geschehen. Dies geschieht zum einen dadurch, dass viele Rape-Revenge-Filme in das Genre des Revenge Porn kippen (also einfach des harten Gewaltpornos). Ziel dieser Filme ist offenkundig die sexuelle Erregung durch die Darstellung von Vergewaltigung und Gewalt. Da wir uns von diesem Genre distanzieren und klar abgrenzen, wird darauf auch nicht näher eingegangen. Zum anderen ist die Darstellung der Vergewaltigung problematisch: Diese wird oft als „nicht so schlimm“ präsentiert oder es wird das uralte Klischee aus der Kiste geholt, dass Frauen früher oder später eine Vergewaltigung ja genießen (und sich insgeheim wünschen) würden. Insbesondere wenn der Täter eigentlich der Partner ist (so wie in 80% der Fälle in der realen Welt) wird Vergewaltigung nicht als Gewalt wahrgenommen, sondern viel mehr als legitimes Mittel der Zähmung einer widerspenstigen Frau. Am Ende winkt ja die Aussicht auf Liebe, Ehe und ein trautes Heim. Was als Vergewaltigung beginnt wird von den ZuseherInnen dann als aufregender (von beiden gewollter) Sex erkannt, vor allem, wenn am nächsten Tag wieder alles in Ordnung ist. Beispiele dafür ist der Klassiker Vom Winde verweht, aber auch 9½ Wochen oder Basic Instinct zeigen ganz eindeutig Szenen, in welchen die Frauen „Nein“ sagen, dies aber weder von Regie noch von ZuseherInnen als Vergewaltigung interpretiert wurde. Oft erkennen wir Gewalt oder Vergewaltigung in einer „Sexszene“ gar nicht, da es normal zu sein scheint, eine protestierende Frau zum Sex zu „überreden“. Im Gegenteil: Dies wird uns als normales, erotisches Verführungsspiel präsentiert. Im schlimmsten Fall kann man es mit „schlechtem Sex“ erklären, aber als Vergewaltigung wird dieser Akt mit Sicherheit nicht tituliert. Der Male Gaze geschieht aber auch in etwas subtilerer Form: Indem zum Beispiel Sympathie mit dem Täter aufgebaut wird, um die Vergewaltigung als logische Konsequenz eines verhunzten Lebens erscheinen zu lassen. Indem das Opfer lächerlich gemacht oder zum Objekt degradiert wird, kann ebenfalls eher Sympathie mit den Tätern erzeugt werden.
Viele erfolgreiche Hollywood-Produktionen der letzten Jahre führen ihren Erfolg auf genau jenes eine Element zurück, nämlich den männlichen Rächer (bietet viel Identifikationsraum für männliche Zuseher), der die unschuldige Frau (Schwester, Tochter) gerade noch vor der „Entjungferung“ beschützen kann. Beispiele für dieses Genre sind Trade – Willkommen in Amerika oder 96 Hours. Wichtigste Charaktereigenschaft der weiblichen Hauptdarstellerinnen sind offensichtlich ihre Unschuld und ihre Unberührtheit. Die Frau als Rächerin? Neben all diesen stereotypen Darstellungen von sexueller Gewalt entfaltet die Frau als Rächerin vor allem überraschendes Potential, da Gewalt eigentlich Männer vorbehalten scheint. Gewalttätige Frauen sind vor allem ein Tabubruch und nicht oft im Film zu finden. Einer der populärsten Rape-RevengeFilme (mit einer Frau als Rächerin) ist Thelma und Luise. Beispiele für weniger bekannte Filme dieses Genres sind: Eye for an Eye, I Spit on Your Grave oder Sudden Impact. Doch das Besondere an diesen Filmen ist nicht nur, dass Frauen selbst zu Täterinnen werden, sondern auch dass die patriarchale Grundordnung nicht nötigerweise wieder hergestellt wird. Dieses patriarchale Modell besagt, dass der Wert der Frau darin liegt, dass ihre Ehre wieder hergestellt wird. Dies geschieht entweder durch das Justizsystem (mithilfe einer erfolgreichen Gerichtsverhandlung wie in The Accused) oder durch einen Mann, der die Frau trotz einer Vergewaltigung noch „zurücknimmt“ und sie somit symbolisch zurück in die Mitte der Gesellschaft kehren darf (am besten durch Heirat!). Genau hier setzen viele feministische Interpretationen an Rape-Revenge-Filme an: Sie kritisieren, dass die gängige Gesetzgebung und Gesellschaftsstrukturen Opfer nicht genug schützen, und deshalb greifen sie zur Selbstjustiz. Die Filme arbeiten mit unterschiedlichen gängigen Vergewaltigungsmythen und spielen mit dem Generalvorwurf der Unglaubwürdigkeit. So wird das Opfer eben erst dann glaubwürdig, wenn es einen männlichen Zeugen gibt (wie zum Beispiel in Angeklagt). Es gibt sie also schon, jene Filme, in denen die Frauen die „Herrinnen“ ihres Schicksals sind. Warum Hollywood (oder auch andere FilmproduzentInnen) sie trotzdem nicht adaptieren? Zum einen sind eindimensionale Charaktere einfacher, vorhersehbarer aber auch scheinbar interessanter.. Und zum anderen haben jene weißen, mächtigen Männer vielleicht Angst, dass dann sämtliche Opfer sexueller Gewalt (und das sind statistisch gesehen ja ziemlich viele) gar beginnen sich zu wehren.
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Was die Welt vor 101 Jahren Bewegte Verstaubtes ausgegraben von Jürgen Wöhry Durch Konsumwahn in den Tod getrieben — Die Fabrikantensgattin [sic!] Martha Miller in Rotherkirch bat ihren Mann um die Bewilligung zum Ankaufe einer kostbaren Pelzboa. Fabrikant Miller schlug jedoch die Bitte der Frau mit der Begründung ab, dies sei ein überflüssiger Toilettegegenstand. Die Frau hatte nun hierauf einen lauten Auftritt mit ihrem Gatten gehabt, in dessen Verlauf Frau Miller einen Revolver hervorzog und sich in Gegenwart ihres Gatten mit einem Schuß in die Schläfe entleibte. Sie – eine hübsche, 22jährige Erscheinung – war auf der Stelle tot. (Die neue Zeitung, 12.12.1913)
GTA im Jahr 1913 — Es lag schon von jeher in der Natur der Mitglieder der Gilde der Diebe, daß sie es sehr eilig hatten und nach vollbrachter Tat ist jeder Langfinger ungemein auf sein Fortkommen bedacht. Die Diebe aller Länder sind aber auch von einem Eifer für den Fortschritt beherrscht, der einer besseren Sache würdig wäre. Dies liegt freilich auch wieder in ihrer Natur – Sie wollen eben nicht hinten bleiben“, denn hinter ihnen her ist ja eben die Polizei. Jede technische Errungenschaft wird von der Langfingergilde für ihre Zwecke ausgenützt, umso mehr, wenn eine technische Neuerung zugleich Zweck und Hilfsmittel sein kann. In Amerika hat jetzt einer ein Flugzeug gestohlen und suchte damit nicht nur das Weite, sondern auch das Hohe. Der Flugleutnant Nerriman, der auf dem Wasserflugfelde von Milwaukee Unterricht erteilte, ließ seinen Aeroplan, einen Courtis-Doppeldecker, unbeaufsichtigt stehen. Als Nerriman zurückkehrte, sah er in der Richtung auf den Michigansee jemanden mit seinem Doppeldecker fliegen. Bei diesem Anblicke ging der Flugleutnant ungeheuer in die Höh‘“ und sofort wurden sämtliche Bootsstationen und Polizeizentralen alarmiert und der allgemeine Alarm funktionierte auch großartig. Der Dieb aber flog mittlerweile ruhig weiter, denn er saß in einem guten Flugzeug und er war ein guter Pilot. Dort um den Michigansee aber fragen jetzt die Polizisten überall herum: Hab’n S‘ kan flieg’n g‘seh’n?“ Und wie nun auch die Antwort lautet – der Dieb soll immer noch gefangen werden und wenn er nicht schon irgendwo gelandet ist, so fliegt er immer noch. (Die neue Zeitung, 10.12.1913)
im Jahr 1913 4. Februar: Rosa Parks, US-amerikanische Bürgerrechtlerin, wird geboren. Februar: Das New Yorker Grand Central Terminal wird eingeweiht. Es ist seitdem der größte Bahnhof der Welt.
29. April: Selbstwähltelefone mit Nummernschalter werden erfunden. 4. März: Der bisherige Gouverneur von New Jersey, Woodrow Wilson, wird als 28. US Präsident in sein Amt eingeführt.
1. Juni: Norwegen führt als erster souveräner Staat Europas das Frauenwahlrecht ein Mai: Das erste reine Passagierflugzeug startet zum ersten Mal in die Luft.
29. Juni: Beginn des zweiten Balkankrieges
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Immer diese Punks! — Aus Paris schreibt man der "Kölnischen Zeitung“: Man wird es mir nicht glauben, aber ich habe schon mehrere Damen mit lila, grünen, kornblumblauen oder rubinroten Haaren gesehen. Ich gebe zu, sie erregen selbst hier Straßenaufläufe. Und das will viel sagen. In Paris erweckt im weiblichen Anzug eigentlich keine Ungeheuerlichkeit die Aufmerksamkeit der Straßenjugend und des übrigen zu Kundgebungen geneigten Volkes. Nur den Hosenröcken war es beschieden, Sensation zu erwecken. Jetzt sind diesen Märtyrerinnen der Mode Schwestern im Leid entstanden. Man folgt in dichten Scharen den Trägerinnen von himmelblau oder rosa gefärbten Haares oder bunter Perücken. Zurufe erschallen, und in mehreren Fällen haben die armen Mannequins sich schon in Häuser flüchten müssen. Wo sie im Theater erschienen sind, fesselten sie die allgemeine Aufmerksamkeit derart, daß man für die Bühne keine Augen mehr hatte. Da aber kein Gesetz besteht, das das öffentliche Anlegen von buntgefärbtem Haar als "Unfug“ verbietet, muß man die Narrerei über sich ergehen lassen. (Die neue Zeitung, 2.12.1913)
10. Juli: Im Death Valley, Kalifornien, wird eine Temperatur von 56,7 °C gemessen, der bis zu diesem Zeitpunkt weltweit höchste gemessene Wert.
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„Königlicher Besuch“ in Wien — Unterhalb der Ferdinandsbrücke ereignete sich gestern mittags eine aufregende Szene. Ein junger Mann, der vorher lange in auffallender Weise sich am Ufer zu schaffen gemacht hatte, entledigte sich plötzlich seiner Schuhe, warf Hut, Rock und Gilet ins Wasser und wollte eben nachspringen, als der von Passanten avisierte Wachmann Anton Lazaruk im vollen Laufe herbeikam und den Lebensmüden festhielt. Der mit Mühe Gerettete stellte sich anfänglich sinnesverwirrt und erzählte dem Wachmann, er sei der "König von Sachsen“ und wolle, da es Sommer sei, als vorzüglicher Schwimmer ein wenig baden. Der vor Kälte zitternde Mann, der nur mehr mir Hemd und Hose bekleidet war, wurde zum Polizeikommissariat Leopoldstadt gebracht, wo er, ins Verhör gezogen, schließlich zugab, mit dem 21 jährigen postenlosen Goldarbeiter Otto Ilgner identisch zu sein. Aus Verzweiflung über seine Arbeitslosigkeit habe er Selbstmord begehen wollen und, da er daran verhindert wurde, wollte er Irrsinn simulieren, um wenigstens für einige Zeit geborgen zu sein. (Die neue Zeitung, 5.12.1913). Wiens erste Bäckerin — Es hat sich nunmehr in Wien das erstemal [sic!] der Fall ereignet, daß ein weiblicher Geselle freigesprochen wurde. Dieser Ruhm gebührt dem Fräulein Marie Schürer, welche bei ihrem Vater, Bäckermeister Johann Schürer, […] das Bäckergewerbe erlernt hat und noch im Geschäfte des Vaters tätig ist. Fräulein Schürer hatte am 28. November die Gesellenprüfung mit außerordentlich gutem Erfolge abgelegt, worauf gestern der feierliche "Freispruch“ stattfand, zu der [sic!] Angehörige des Wiener Bäckergewerbes massenhaft erschienen waren. Vorsteher Kommerzialrat Johann Breunig und Vorsteher-Stellvertreter Körber beglückwünschten Fräulein Schürer und betonten in ihren Ansprachen das lokalhistorische Moment der Feierlichkeit. (Die neue Zeitung, 5.12.1913)
13. August: Harry Brearley erfindet durch Hinzufügen von Chrom den rostfreien Stahl. Entdeckung der Ozonschicht durch Charles Fabry und Henri Buisson. 28. August: Eröffnung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag.
7. Oktober: Henry Ford führt die Fließbandfertigung ein. Das Aldi-Imperium wird zunächst als Tante-Emma-Laden in Schonnebeck gegründet. 9. Oktober: Untergang des britischen Ozeandampfers Volturno. 136 Passagiere und Besatzungsmitglieder sterben.
6. November: Der indische Freiheitskämpfer Mohandas Karamchand Gandhi protestiert in Südafrika mit mehr als 2.200 Satyagrahis gegen die Rassendiskriminierungspolitik gegenüber den indischen Einwanderern.
18. Dezember: Willy Brandt wird geboren.