Uni:Press #676 (März 2014)

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UNI:PRESS STUDIERENDENZEITUNG DER ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHÜLERINNENSCHAFT SALZBURG — #676 APRIL 2014 —

Jubiläum



EDITORIAL

Christopher Spiegl

Marie Schulz

Jürgen Wöhry

Lisa Mitterbauer

Marina Hochholzner

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im März 1974 erschien die erste Ausgabe der uni:press – Grund genug, unseren Schwerpunkt ganz im Zeichen dieses Jubiläums zu gestalten! Die periodische Zelebrierung von bestimmten Tagen, Jahren und Ereignissen ist tief in unserem Alltag verankert. Diese Ausgabe soll weniger eine Selbstbeweihräucherung der uni:press sein, sondern vielmehr kritische und informative Aspekte bestimmter Ereignisse hinterleuchten. Du willst wissen, welche Rechte du als StudentIn hast und wo du demnächst günstige Lebensmittel ergattern kannst? Wie kann man den Lebensraum „Universität“ mitgestalten? In Uni&Leben könnt ihr mehr über die aktuelle Arbeit der ÖH erfahren und euch in puncto Studium auf dem Laufenden halten. Was würdest du davon halten, wenn ein großer Getränkehersteller und souveräne Staaten den gleichen Rechtsstatus erhielten? Ist die Beschneidung von Jun-

gen eigentlich noch zeitgemäß und aus ethischer Sicht vertretbar? Wird die Ukraine jetzt von Faschisten regiert? Unbequeme Fakten und kontroverse Darstellungen haben wir für euch in Politik&Gesellschaft aufbereitet. In Kultur&Menschen haben wir für euch ein besonderes Potpourri zusammengestellt: Neben Comic, Zeitmaschine – Was war denn an der Uni Salzburg vor 40 Jahren los? – und einem Quiz könnt ihr euch dort via Rezensionen über Aktuelles aus Film und Fernsehen informieren. Du möchtest bei der nächste uni:press mitarbeiten? Dich wurmt einer unserer Artikel und du würdest gerne Kritik loswerden? Wir freuen uns über deine Meinung! Schick uns einfach eine Mail an presse@oehsalzburg.at – Deine Redaktion

Impressum Medieninhaberin: Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Paris Lodron Universität Salzburg (ÖH Salzburg), Kaigasse 28, 5020 Salzburg, www.oeh-salzburg.at, sekretariat@oeh-salzburg.at / Herausgeber: HochschülerInnenschaft / Pressereferent: Christopher Spiegl (Kontakt: presse@oeh-salzburg.at) / Chefredakteurin: Marie Schulz Layout: Luca Mack / Lektorat: Katharina Zeppezauer-Wachauer / Anzeigen und Vertrieb: Bernhard Svacina, Christopher Spiegl / RedakteurInnen dieser Ausgabe: Lisa Mitterbauer, Marina Hochholzner, Jürgen Wöhry, Doris Hörmann, Nicole Vorderobermaier, Michael Seifert, Tobias Neugebauer, Maria Gruber, Dominik Gruber, Elisabeth Feldbacher, Fabian Habersack, Marco Stadlberger, Werner Müller-Schell, Sabrina Schneider, Andreas Eisl, Caroline Huber, Stefan Klingersberger, Jenny Rödl, Katharina Schmid, Susanne Mayr, Robert Obermair & Martina Schradi / Druckerei: Print and Smilie, MichaelRottmayr-Straße 46, A-5110 Oberndorf. / www.laberdruck.at / Auflage: 9.000

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INHALT

in halt

Jubiläum

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Warum zählen wir überhaupt mit?

Factum

Vogelfrei. Doch wir wollen mehr Aufstieg und Fall des Ernst Strasser. Vom Sozialreferat vor den Korruptionsstaatsanwalt

25 Jahre ECTS

Flirrende Leinwände vor beschaulichem Salzach-Ambiente Campus-Fragerunde „Für wie kompetent hältst du deine Uni-ProfessorInnen?“ Kaleidoskop (in Kooperation mit Mosaik). Poesie und Fotostrecke

Uni & Leben

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Aktuelles aus dem Vorsitzbüro

Foodsharing-Lebensmittelverwendung statt- Verschwendung Die Uni- Drive-Through oder Lego-Baukasten? Die Rechte der Studierenden- Fragen und Antworten Go Abroad: Studieren im Ausland mit Erasmus+ Semesterbeginn ganz woanders: Eine französische Universität durch österreichische Augen betrachtet Reisefieber, Revolutionsgeschichten und Rum. Eine Reportage aus Nicaragua

Auf eigenen Beinen stehen?

Versus: Fleisch


INHALT

Politik & Gesellschaft

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Das unfairhandelbare TTIP „Die Medienzensur bekämpfen“: Interview mit dem ukrainischen Journalisten Vladimir Larin Kommentar: Krisenstimmung in Europa

„Corrective Rape?!“- Das wahre Unwort des Jahres

Gefahr aus der Deodose?

Aufs Ganze gehen. Gegen den Kleingeist der politischen Linken Babies are born in a perfect way. Gedanken zum Tag der genitalen Autonomie7. Mai Ein vergessener Krieg: Reportage aus Laos

Kultur & Menschen

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Aus dem Kinosaal direkt in unsere Herzen

God loves Uganda

Comic: „Ach, so ist das?!

Zeitmaschine

Rezension: „Die Bücherdiebin“ – im Reich der machtvollen Worte Quiz: Teste dich selbstSkurriles aus dem Tierreich

Quizauflösung

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JUBILÄUM

jubiläum

Warum zählen wir überhaupt mit? Die uni:press hat Geburtstag. Ganze vierzig Jahre hat sie nun schon auf den Buckel – ist somit erwachsen, wahrscheinlich verheiratet, mitten im Berufsleben und bewegt sich schön langsam auf die Midlife-Crisis zu. Aber warum feiern wir Geburtstage und Jubiläen überhaupt und was hat das alles mit unserer Gesellschaft zu tun? Ein Erklärungsversuch. Von Marie Schulz eburtstagstorte, massenhaft Geschenke und eine Party, über die alle BesucherInnen noch bis zum nächsten Jahr sprechen – Geburtstage sind für viele von uns ein wichtiges Ereignis. Das war jedoch nicht immer so; unser Älterwerden feiern wir nämlich noch gar nicht so lange. Diese heidnische Tradition wurde erst gegen Ende des Mittelalters geboren. Vorher wurde im katholischen Christentum nämlich nur der Namenstag gefeiert – begründet durch das liturgische Gedenken an die heiliggesprochenen NamenspatronInnen. Bis zum 19. Jahrhundert wurde der Geburtstag aber nur von der gehobenen Gesellschaft zelebriert, da nur diese sich ausschweifende Feste leisten konnte. Heute gestaltet sich das Partymachen zwar sicherlich wesentlich unkomplizierter und kostengünstiger, trotzdem sind noch viele Bräuche rund um den Geburtstag aus den vergangenen drei Jahrhunderten erhalten geblieben – zum Beispiel die Geburtstagskerzen, die ebenfalls in der Tradition der opulenten Festkultur des Großbürgertums stehen. Wenn man die Kerzen in einem Zug auf der Geburtstagstorte ausbläst, soll ein Wunsch in Erfüllung gehen – verraten darf man diesen jedoch nicht. Auf der Suche nach Gold. Eigentlich wird der Geburtstag von vielen Menschen auf der ganzen Welt gefeiert. Jedoch gibt es in vielen Ländern ganz eigene Traditionen, die den Ehrengast an diesem Tag hochleben lassen sollen. So ist es in England beispielsweise üblich, dass eine oder andere Geldstück,

einen Glücksbringer oder auch edle Schmuckstücke im Geburtstagskuchen zu verstecken. Die Tradition soll den Geburtstagskindern Glück und Wohlstand bringen – natürlich nur, wenn das Schmuckstück nicht aus Versehen mitgegessen wird. Die Mexikaner verzichten meist auf kalorienreiche Geburtstagstorten und „verdienen“ sich stattdessen ihren Süßkram, in dem sie wie wild mit Holzstöcken auf ein mit Süßigkeiten gefülltes Pappmaché-Tier, die Piñata, eindreschen, bis diese auseinanderfällt. In manchen Teilen Asiens wird der Geburtstagskuchen nicht mit Kerzen bestückt, sondern mit Räucherstäbchen. Hier sollte man sich jedoch auch nicht wundern, wenn sich so ein Räucherstäbchen im Rahmen einer asiatischen Geburtstagsfeier auch einmal in anderes Essen verirrt. In den USA und in Italien bekommt das Geburtstagskind nicht nur Geschenke, sondern beschenkt auch seine Gratulanten. Bei uns in Westeuropa sind solche großmütigen Gesten eher ungewöhnlich und in Indien gelten diese sogar als unhöflich und verpönt. Kein Stein in der Krone. In vielen Monarchien ist es üblich, den Geburtstag des Königs oder der Königin zum allgemeinen Feiertag zu erklären. Ist zu dieser Zeit im Jahr jedoch nicht sehr angenehmes Wetter, wird der Feiertag – wie beispielsweise in den Niederlanden – einfach in eine angenehmere Zeit des Jahres verschoben. So hat Königin Beatrix eigentlich am 31. Januar Geburtstag – gefeiert wird dieser aber erst am 30. April. Trotz der vielen verschiedenen Bräuche und Traditionen, die es rund um den Geburtstag gibt, gibt es doch einige Menschen, die ihren Geburtstag nicht feiern, sondern stattdessen an anderen Tagen die Sau rauslassen.

© synx508 (Flickr)


JUBILÄUM

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So ist der Geburtstag in manchen Strömungen des Islams als christlicher oder jüdischer Brauch verpönt und somit für strenggläubige Muslime verboten. Stattdessen wird in diesen Kulturen einfach der Geburtstag des Religionsgründers Mohammed gefeiert. In anderen Strömungen des Islams ist es aber auch durchaus üblich, seinen Geburtstag zu feiern. So wird beispielsweise im schiitischen Iran der Geburtstag der Tochter Mohammeds als Muttertag zelebriert. Geschenke, Konsum und Wirtschaft. Geburtstag geht ganz selbstverständlich auch mit Konsum, Geld und Wirtschaft einher. So gehören in unserer heutigen Zeit Geburtstagsgeschenke einfach dazu. Ob Mama, Papa, Schwester oder besteR FreundIn – (fast) jedeR erwartet sich, bewusst oder unbewusst, ein Geburtstagsgeschenk. Das setzt die Schenkenden – vor allem wenn die Kreativität in diesem Bereich nicht sehr ausgeprägt ist – doch unter Druck und lässt gleichzeitig die Wirtschaft hochleben und die Geldbörse abmagern. So wirkt es doch irgendwie komisch, wenn man die Menschen, die eigentlich eine große Rolle im Leben spielen, an ihrem besonderen Tag kein wohl überlegtes, tolles Geschenk überreichen kann. Trotzdem gibt es glücklicherweise noch Geschenke, die zwar etwas Zeit kosten, aber den Geldbeutel schonen und außerdem sicher eine große Freude beim Geburtstagskind verursachen. So ist der selbstgebackene Lieblingskuchen für die beste Freundin mit Sicherheit seinen Aufwand wert und auch ein persönliches, individuelles Geschenk wie ein selbstgemachter Schlüsselanhänger wird bestimmt Freude bereiten. Die uni:press hat also Geburtstag. Und auch wir werden dieses Jahr wieder nicht darum herum kommen, ein Jahr älter zu werden. Das Ende eines Lebensjahres ist jedoch glücklicherweise auch der Anfang eines neuen – und das ist definitiv ein Grund zum Feiern.


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JUBILÄUM

Factum Euer uni:press-Team hat den Anlass dazu genutzt, weitere Jubiläen aus den Annalen der Weltgeschichte auszugraben. Vieles davon ist euch sicher noch nicht bekannt! Von Christopher Spiegl & Jürgen Wöhry

„They see me rollin‘“: 6000 Jahre Rad Hier lässt sich das genaue Jubiläum natürlich nicht festmachen. Fest steht jedoch, dass die Menschheit seit dem vierten Jahrtausend vor Christus das Rad kennt, wobei der genaue Ursprungsort umstritten ist. Klar ist jedenfalls, dass diese Erfindung einen enormen technischen Aufschwung ermöglichte und heute nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken ist: Was würden etwa die Massen an Hipsters ohne Fahrräder im Vintage-Look machen?

Licht ins Dunkel: Die erste Mondumrundung vor 55 Jahren Jahrhundertelang wurde darüber gerätselt, was sich auf der nie sichtbaren Rückseite befindet. Der Fantasie waren in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt, manche kreativen Köpfe vermuteten dort dicht bewaldete Gebiete und außerirdisches Leben. 1959, also nur zwei Jahre nachdem mit dem Start von Sputnik I das Zeitalter der Raumfahrt begann, lüftete die sowjetische Sonde Lunik 3 schließlich das Rätsel. Auf ihrer Umrundung des Erdtrabanten schickte diese die ersten Bilder der Rückseite. Doch anstelle der von PoetInnen und AutorInnen ausgedachten utopischen Landschaften war nur eine endlose Kraterlandschaft zu sehen. Wie ernüchternd!

Strahlende Aussichten: 60 Jahre Atomstrom Wenn die Leute vor 60 Jahren nur gewusst hätten, was sie mit gewissen Erfindungen ihrem Heimatplaneten und der Zukunft der eigenen Spezies antun. 1954 ging in Obninsk bei Moskau das erste kommerziell genutzte Atomkraftwerk ans Netz. Zu jener Zeit hatte man wohl noch große Hoffnungen in die neue, futuristische Energiequelle. Unangenehme Nebenwirkungen hatten damals noch keinen Platz in den Köpfen. Fukushima und Tschernobyl waren damals noch reine Ortsnamen, ohne negative Assoziationen.

Cool times: 180 Jahre Kühlschrank Wer kennt das nicht: Du kommst an einem heißen und anstrengenden Tag nach Hause und freust dich auf ein kaltes Getränk oder ein Eis. Bereits seit 180 Jahren können wir dank einer bahnbrechenden Erfindung diese Art von Erfrischung genießen: 1834 baute Jacob Perkins den ersten modernen Kühlschrank. Dieser funktionierte mittels Luftkompression. Weshalb der Erfinder so ein Gerät schuf, ist nicht genau bekannt. Es kann jedoch gut sein, dass er einfach die Schnauze voll von warmem Bier auf Partys hatte.


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Vogelfrei. Doch wir wollen mehr. Eine Generation in der Quarterlife-Crisis. „[Wir] sind zu groß für unsere Stadt, doch zu klein für die Welt. Eigentlich, eigentlich, eigentlich geht es uns gut, doch wir wollen mehr, mehr, mehr, mehr,“ bringt die deutsche Band OK Kid das Gefühl einer Generation auf den Punkt, die sich nun zum ersten Mal in ihrem Leben in einer veritablen Krise befindet: der QuarterlifeCrisis. Von Daniel Winter

Die Generation Y ist in einer Gesellschaft großgeworden, in welcher der reale Sozialismus gemeinhin bereits als gescheitert angesehen wird. Zugleich ist ihr Wohlstand die Ernte des keynesianischen Wohlfahrtsstaates der 1960er und 1970er-Jahre. Die Kinder dieser Generation (selbst die meisten der Linken unter ihnen) verdanken dem gezügelten Kapitalismus alles und wollen ihn darum auch nicht abschaffen. Diese Menschen mussten sich nicht an den Wohlstand gewöhnen, sie kennen nichts anderes. Selbst die Wirtschafts- und Finanzkrise verfolgt sie wie einen Film im Fernsehen. Im Gegensatz zur Elterngeneration X ist Y weniger materialistisch. Es kommt ihr nicht darauf an, es einmal besser zu haben. Nein, sie will mehr. Sie will es gut. Zugegeben, es handelt es sich beim Phänomen der Quarterlife-Crisis um ein ziemliches Luxusproblem. Selbiges gilt aber auch für andere Volkskrankheiten der postindustrialisierten Welt: Kaum jemand etwa würde auf die Idee kommen, Depression oder die Ausprägung des Burnout-Syndroms infrage zu stellen. Obwohl von dieser sogenannten Quarterlife-Crisis also nur ein sehr elitärer Kreis von jungen Menschen betroffen ist, wäre es fatal, diese Krise nicht ernst zu nehmen. Vogelfrei. Was ist diese Quarterlife-Crisis eigentlich? Es handelt sich um eine Krise, die wie ihr Name bereits erahnen lässt, für gewöhnlich in den Mittzwanzigern auftritt. Hauptsächlich ist jene Schicht davon betroffen, die das Privileg einer tertiären Bildung genoss. Kurz: Studierende in der Phase des Übergangs vom Studium in die „wirkliche“ Berufswelt. Als Symptome gedeutet werden Angst vor der Zukunft, Perspektivlosigkeit und das subjektive Gefühl, dass alle aus dem persönlichen Bekanntenkreis besser und erfolgreicher sind als man selbst. So weit, so trivial. All diese Sorgen und Ängste klingen relativ normal für die Phase des Umbruchs im Leben eines Menschen. Ist die Quarterlife-Crisis also nur eine neue Bezeichnung für das, was ohnehin normal ist und schon immer da war? Tatsächlich ist es keine Besonderheit, dass sich eine Generation auf ihrem Sprung in die Berufswelt bzw. in das Erwachsenenleben in einer Identitätskrise befindet und Angst hat. Eine Besonderheit wäre, wenn es anders wäre. Was die angesprochene Generation Y aber von ihrer Elterngeneration unterscheidet, ist, dass der Sprung ins zweite Lebensdrittel nicht nur einen Wandel verlangt, sondern den Zwang erzeugt, die eigenen Ansprüche zu hinterfragen. Wir sprechen also von jener Generation, welcher seit jeher gesagt wurde: „Du kannst alles machen, was du willst!“ Gleichzeitig wurde sie nie gefragt: „Was willst du eigentlich wirklich?“ Gemeint ist jene Altersschicht mit Eltern, die wollten, dass es ihren Kindern besser gehen werde. Väter und Mütter, die finanziellen Wohlstand erwirtschaftet haben, damit ihre Kinder eine bessere Bildung genießen. Wir sprechen von jener Generation, deren Eltern auf den eigenen Ur-

laub verzichtet haben, damit das Kind in den Sommerferien auf Sprachreise fahren kann. Leute, deren mittzwanziger Jahre von dieser Krise begleitet werden, sind keineswegs faul. Wie Eichhörnchen haben sie fleißig ECTS-Punkte gesammelt, um schnell durchs Bachelor- und durch das anschließende Masterstudium zu kommen. Jeden Sommer und auch die Monate darüber hinaus absolvieren sie unbezahlte Praktika. Der einzige Lohn ist der Lebenslauf; an diesem arbeiten sie alle fleißig. Denn das wird diesen Menschen auch gesagt: „Dein Studium reicht nicht aus. Du muss flexibel sein, mobil sein, dich unterscheiden.“ Individualität im Gleichstrom. Die Generation in der Quarterlife-Crisis glaubt an das, was man ihr versprochen hat. Gleichzeitig zweifelt sie daran, ob es denn wirklich realisierbar ist. Sie möchte flexibel sein, frei sein, stets alles tun können. Einer Gruppe, der es darum geht, möglichst viele Möglichkeiten zu haben, fällt es schwer, sich auf etwas festzulegen. Doch gerade das macht sie vogelfrei. Der Anreiz, tatsächlich mit einer Masterarbeit fertigzuwerden, ist relativ gering. Obwohl die Leute, die an der Quarterlife-Crisis leiden, sich eine Welt ohne Konsumgesellschaft nicht vorstellen können, glauben sie nicht an den Wachstum, welcher immerhin nichts Geringeres als die Grundannahme des Kapitalismus darstellt. Sie wollen mehr, mehr als hohe Gehälter und eine Eigentumswohnung. Sie wollen mehr verdienen als sie für ihre Praktika bezahlt bekommen, gleichzeitig aber auch nicht mit Spitzengehältern erkauft werden. Kaufen lassen sie sich mit der 30-Stunden-Woche, der Work-Life-Balance, klimatisierten Arbeitsplätzen, abwechslungsreichen Herausforderungen. Ursache für die eigene Lebenskrise sind Ansprüche, von denen man selbst nicht glaubt, dass sie realisiert werden können. Darum versuchen viele, mit Gelegenheitsjobs den Erhalt des status quo hinauszuzögern. Wenn schon kein Geld, dann wenigstens Freiheit. Angst kennt keine Zahlen. Durchschnittlich verdient einE BacherlorabsolventIn mit brutto 1.920,00 Euro beim Berufseinstieg mehr als etwa einE AbsolventIn einer HTL (1.700,00 Euro). Mit einem Masterabschluss beläuft sich das durchschnittliche Einstiegsgehalt auf 2.350,00 Euro.1 Zugleich bestätigen unzählige Statistiken, dass ein Studium noch immer den besten Schutz vor Arbeitslosigkeit darstellt. Deshalb zu glauben, es handle sich bei der Quarterlife-Crisis um ein imaginiertes oder gar virtuelles Problem, wäre fatal. „[Wir] sind zu groß für unsere Stadt, doch zu klein für die Welt“ gilt selbst dann, wenn man einen bezahlten Job hat. Wir sind die Generation mit so großen Ambitionen, dass wir Gefahr laufen, vor lauter Angst an diesen zu zerbrechen.


Aufstieg und Fall des Ernst Strasser Vom Sozialreferat vor den Korruptionsstaatsanwalt

Was aussieht wie der Mugshot eines Mannes, der in der Nähe eines Kinderspielplatzes festgenommen wurde, ist in Wahrheit jenes Bild, mit dem Ernst Strasser zu Beginn des Wintersemesters 1977 als neuer Sozialreferent der ÖH-Salzburg in der uni:press vorgestellt wurde (oben). Zu jener Zeit befand sich der junge Grieskirchner Bauernsohn im fünften Semester seines Jus-Studiums und sprühte vor Elan und Tatendrang. Von Doris Hörmann


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as aussieht wie der Mugshot eines Mannes, der in der Nähe eines Kinderspielplatzes festgenommen wurde, ist in Wahrheit jenes Bild, mit dem Ernst Strasser zu Beginn des Wintersemesters 1977 als neuer Sozialreferent der ÖH-Salzburg in der uni:press vorgestellt wurde. (Abb. 1) Zu jener Zeit befand sich der junge Grieskirchner Bauernsohn im fünften Semester seines Jus-Studiums und sprühte vor Elan und Tatendrang. Während seines Engagements im Sozialreferat setzte er sich für die Bedürfnisse der Salzburger Studierenden ein. Mit seinem „Kampf gegen den Wohnk(r) ampf“ schaffte er es erstmals im Oktober 1978 sogar in die Titelstory der uni:press. Die Wohnungsnot sollte in den kommenden Jahren das Hauptanliegen des damals 22-Jährigen sein. Mit regelmäßigen öffentlichen Aktionen, Informationsveranstaltungen und medienwirksamen Auftritten machte er als Robin Hood der Salzburger Wohnungssuchenden Furore. Der von der uni:press als „Wohnaktivist“ Bezeichnete hatte für seinen Besuch bei Wissenschaftsministerin Hertha Firnberger sogar seine dichte Gesichtsbehaarung abgelegt. (Abb. 2) Leider vergeblich, denn der Kampf an der „Heim-Front“ musste ohne finanzielle Hilfestellung durch den Bund weitergehen, schaffte es aber erneut als Titelstory in die uni:press, welche dem Thema eine breite Reportage widmete. Neben dem Wohndebakel engagierte sich das Sozialreferat unter Strasser auch für zahlreiche andere Bedürfnisse der Studierenden. So entstanden in diesen Jahren zum Beispiel die Möglichkeiten einer kostenlosen Rechtsberatung und der ärztlichen Versorgung für StudentInnen, sowie ein Fonds für die Vergabe zinsloser Kleinkredite. Je eine Mitfahr-, Nachhilfe-, Ferialjobund Babysitterbörse rundeten das Programm abseits der Uni ab. Eingeführt wurde der studentische Mittagstisch, eine Mietrechtsbroschüre herausgegeben, Mustermietverträge für Studierende ausgearbeitet und die Idee einer Wohnbeihilfe durch Land und Bund aufgeworfen. Viele dieser Annehmlichkeiten, die Strasser als Sozialreferent für die Salzburger Studierenden einrichten konnte, gibt es bis heute. Kaum zu glauben, dass dieser einst ideenreiche und sozial engagierte Student zu einem bestechlichen EU-Abgeordneten wurde, der seine politische Entscheidungskraft wie eine Prostituierte an den Höchstbietenden verkaufte. Wo lag also der TurningPoint, an dem sich der Idealist den Verführungen von Macht und Einfluss hingab und sich dazu entschied, in die eigene Tasche zu wirtschaften, anstatt die Interessen des Wahlvolks zu verfolgen? Wahrscheinlich hat es ganz wenig mit „Gut“ und „Böse“ zu tun, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Strassers Wandel ist viel simpler zu erklären: Solange der Mensch nach oben strebt, tritt und paddelt er unaufhör-

lich. Doch oben angekommen, werden plötzlich seine Beine schwach. Übersetzt: Strassers leidenschaftlicher Einsatz für eine Verbesserung studentischen Lebens stellte letztendlich auch nur die Vertretung seiner eigenen Interessen dar, bildete gleichzeitig aber die erste Sprosse auf seiner Karriereleiter. Spätestens als er realpolitische Macht auf Bundes- und später auf EU-Ebene erlangte, war es bestimmt nicht mehr schwer sich den Verlockungen zu ergeben, studentische Ideale zugunsten einer vollen Brieftasche über Bord zu werfen. Jungendliche Vorstellungen von Gerechtigkeit haben eben keinen Platz in der Politik der „Großen“. Vor allem wenn politische Meinungen feilzubieten ein viel lukrativeres Geschäft darstellt und weniger frustrierend ist als jahrelange Kämpfe gegen Windmühlen.1 Auch wenn es jetzt vielleicht nicht danach aussieht, aber dieser Beitrag sollte keineswegs ein Plädoyer für Ernst Strasser sein. Meine Einstellung zu ihm ist nach dem Lesen der uni:press aus den 1970ern aber zwiegespalten. Ursprünglich war dieser Artikel als Satire geplant, bei den Recherchen musste ich jedoch feststellen, dass ich mich in meiner Naivität wohl in den prä-korrupten (aber bitte glattrasierten) Ernst Strasser verknallt hätte. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Daher die Warnung: Das Lesen alter Ausgaben der uni:press kann zu einem veränderten Weltbild führen! Mögliche Nebenwirkungen wie „Plötzlich wirkt Ernst Strasser weniger korrupt, aber sympathisch!“ sind nicht ausgeschlossen und das Lesen der uni:press-Artikel aus fünf Jahrzehnten sollte daher mit Vorsicht und kritischer Haltung genossen werden!

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25 Jahre ECTS Was bedeutet ECTS und warum gibt es dieses System? Welche Kritikpunkte gibt es? Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum des ECTS werden nun im Folgenden alle wichtigen Fragen beantwortet. Von Nicole Vorderobermeier Was bedeutet die Abkürzung ECTS? ECTS steht für European Credit Transfer and Accumulation System. Es ist also ein System zur Anrechnung, Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen. Seit wann gibt es das ECTS und warum wurde es eingeführt? Als ein Teil des EU-Mobilitätsprogramms ERASMUS wurde das Politprojekt European Credit Transfer System vor 25 Jahren gestartet. Von 1989 bis 1997 blieb es ein Modellversuch, der die Anerkennung und Übertragung von Studienleistungen, die während eines Auslandsaufenthaltes erworben wurden, erleichtern sollte. Im Vordergrund stand dabei die Verbesserung von Qualität und Umfang der Studierendenmobilität in Europa. Was hat das ECTS mit Bologna zu tun? Vor etwa 15 Jahren in Bologna, am 19. Juni 1999, unterschrieben 29 europäische Staaten die Erklärung „Der Europäische Hochschulraum“. Ziel der Erklärung war es, bis 2010 einen europäischen Hochschulraum zu verwirklichen, der die veralteten nationalorientierten Modelle reformieren sollte. Doch um überhaupt einen Vergleich der Hochschulen und Hochschulsystem gewährleisten zu können, einigte man sich unter anderem auf folgende Instrumente: Einführung gestufter Studiengänge mit den drei Stufen Bachelor, Master und Promotion; die Vereinfachung der Anerkennung u. a. durch die Verwendung des Diploma Supplements, die Förderung der Mobilität der Hochschulangehörigen und die Einführung des Kreditpunktesystems ECTS. Damit ist das ECT-System ein Werkzeug für den Bologna-Prozess.

Wie funktioniert das ECTS? Lehrveranstaltungen kann man beispielsweise anhand der Semesterwochenstunden vergleichen, wobei eine Semesterwochenstunde 45 Minuten Anwesenheit in der Lehrveranstaltung bedeutet. Daran lässt sich jedoch in keiner Weise der tatsächliche Arbeitsaufwand für die jeweilige Lehrveranstaltung messen, denn neben der Präsenzzeit/den Kontaktstunden müssen in den meisten Fällen noch das zugehörige Selbststudium, die Prüfungsvorbereitung, das Schreiben von Arbeiten usw. miteinberechnet werden. Deshalb wurde die Einheit des ECTS-Punktes eingeführt. Die ECTS-Punkte ergeben sich aus dem durchschnittlichen Arbeitspensum zur Erlangung fachspezifischer und darüber hinaus gehender Kompetenzen, das für die einzelnen Lehrveranstaltungen geschätzt wird. Ein ECTS-Punkt bedeutet 25-30 Echtstunden an tat-


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sächlichem Arbeitsaufwand für die studierende Person. Damit sollen die Studienleistungen international lesbar und vergleichbar sein. Welche Bedeutung hat das ECTS heutzutage? Seit einiger Zeit hat sich das ECT-System neben dem Transferzweck zu einem Akkumulierungssystem weiterentwickelt. Für den Abschluss eines Studiums muss man nun genügend viele ECTS-Punkte erarbeiten. Wie viele man dafür brauchen sollte, ist bereits geregelt: Der Arbeitsaufwand eines Studienjahres wird für eineN VollzeitstudierendeN mit 60 ECTS-Punkten bemessen. Das entspricht ca. 1.500 – 1.800 Stunden. Hat sich das ECT-System europaweit durchgesetzt? Ja. Aber nicht jedes EU-Land hält sich an die 60 ECTS-Punkte pro Jahr bzw. an 25-30 Echtstunden pro Punkt. Beispielsweise bekommt man in Bulgarien bereits für circa 13 Stunden Arbeitsaufwand einen Credit, wohingegen man in der Ukraine 36 Stunden dafür aufwenden muss. Auch in England bedeutet ein ECTS-Punkt nur 15 Echtstunden, jedoch muss man pro Jahr doppelt so viele wie üblich, also 120, sammeln. In Lettland entspricht ein ECTS-Punkt 40 Stunden Arbeitspensum, jedoch hat man pro Studienjahr auch nur einen Wert von 40 zu erreichen. Insgesamt lässt sich daraus schließen, dass zwar einerseits die Umstellung auf dieses System erfolgreich vonstattengegangen ist. Andererseits ist die Umsetzung je nach Land trotzdem sehr unterschiedlich und es stellt sich die Frage, ob die gewünschte Mobilität damit wirklich erreicht werden kann. Was lässt sich an dem ECTS kritisieren? Theoretisch sollen ECTS-Credits am tatsächlichen Arbeitsaufwand einer/ eines durchschnittlichen Studierenden bemessen werden. Doch in der Praxis werden diese eher willkürlich berechnet. Gerade Lehrende, für die sich eine Feststellung des Arbeitspensums der Studierenden oft als schwierig gestaltet, sind in vielen Ländern für die Vergabe der ECTS-Punkte verantwortlich. Evaluierungen des tatsächlichen Arbeitsaufwandes werden europaweit wenig durchgeführt, was aber ohnehin aufgrund der unterschiedlichen Lernmethoden und Lerngeschwindigkeiten der Studierenden schwierig ist. Zudem stellt sich die Frage, ob man kognitive Leistung überhaupt in Punkten berechnen kann. Außerdem ist zu kritisieren, dass Studierende auch heutzutage trotz der Umstellung auf ECTS-Punkte kaum mobil sind. Nur knapp 5% der Studierenden in Österreich machen ein Auslandssemester. Oftmals machen die dicht konzipierten, höchst individuellen und mit hohem Prüfungsaufwand versehenen Curricula einen Mobilitätsaufenthalt unmöglich.

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Flirrende Leinwände vor beschaulichem Salzach-Ambiente Ein schwerer, samtroter Vorhang; hölzerne Stühle, die mit rotem und blauem Stoff gepolstert sind; eine Leinwand in einem beschaulichen Kellergewölbe und alte Filmprojektoren und Fahrräder in der Eingangshalle – wo es das gibt? Im DasKino in Salzburg. Von Marina Hochholzner


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ieses Jahr feiert das kleine Lokalkino sein 36-jähriges Bestehen. Ursprünglich wurde es am 6. Juli 1978 als eine studentische Initiative gegründet. Als Vorbild galt das erste sogenannte „kommunale Kino“ von Hilmar Hoffmann, das der Kinobetreiber 1971 in Frankfurt am Main eröffnete. Unter einem kommunalen Kino versteht man im Grunde eine Kinostätte, die nichtkommerziell arbeitet und sich mehr an kulturellen Inhalten orientiert als an Kassenschlagern. Meistens werden diese Einrichtungen in eigenen kleinen Räumen untergebracht und arbeiten dort mit verschiedenen Partnern wie Kinos und Schulen zusammen. Ursprünglich war das Ziel der Kinobetreiber, dem Film, der damals als einflussreichstes Medium des 20. Jahrhunderts galt, eine eigene Spielstätte zu geben. Außer dem sich mittlerweile außer Betrieb befindlichen Mozartkino gab es zu jener Zeit noch keine anderen Lichtspielhäuser in Salzburg. Der Film, mit dem das Kinokulturzentrum seine Tätigkeiten eröffnete, war Bernhard Wickis „Eroberung der Zitadelle“ (1977). Anschließend widmete man dem deutschstämmigen Regisseur eine vollständige Retrospektive seiner Filme. Es wurde also eine umfassende Filmreihe der Werke Wickis gezeigt. Seither flimmern am Giselakai 11 regelmäßig kulturell bedeutende, filmische Werke über die Leinwand. Nach zehnjährigem Bestehen wurde der Entschluss gefällt, das DasKino vollständig zu renovieren und umzubauen. Ein zweiter Vorführsaal, genannt das GEWÖLBE, sollte dabei im ehemaligen Heizraum entstehen. Bei den Umbauarbeiten kam es jedoch zu einigen Verzögerungen, und so wurde die Anlage erst am 22. März 1992 wiedereröffnet. Das Konzept des DasKinos ist nicht etwa das Verdienen am Eintrittsgeld der BesucherInnen – die MitarbeiterInnen orientierten sich viel mehr an den Ansichten von Siegfried Kracauer, der Filme als „Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse“ verstand. Im DasKino werden Filme als Produkte unserer Fantasie, unserer Vorstellungen, Ängste und auch Träume betrachtet. Deswegen ist auch ein lebendiger Dialog mit ihnen möglich. Dieser Dialog besteht aus einer Auseinandersetzung der ZuschauerInnen mit dem Werk. Um diese bestmöglich gewährleisten zu können, versuchen die BetreiberInnen durch die Vorstellungen und verschiedenen Aktionen im Kino Reflexion, Gespräch und Konfrontation zu ermöglichen. Prinzipiell verstand sich das DasKino von Anfang an

nicht nur als „Filmkulturzentrum“, sondern als Kulturzentrum im Allgemeinen, als ein offener Ort, wo sich Menschen treffen können, wo Projekte entstehen und Initiativen Platz finden. So gehörten Konzerte genauso zum permanenten Programm wie auch Theater, Kabarett, Lesungen und Vorträge. Auch bei Zusammenarbeiten mit verschiedensten Organisationen und Institutionen werden die Räumlichkeiten genutzt. Das Programm des DasKinos ist auch heute noch breit gefächert. So stehen in erster Linie die Präsentation neuer, interessanter und künstlerisch wertvoller Filme sowie Filmreihen im Vordergrund. Auch die spezielle Präsentation und Förderung des „Österreichischen Films“ ist dem Filmzentrum ein großes Anliegen. Genauso wie das Zeigen von Filmen verschiedener, insbesondere unterrepräsentierter Länder zum Programm gehört, ist es im DasKino üblich, Leinwandwerke in Originalfassung zu zeigen. Je nach Möglichkeit werden dazu deutsche Untertitel ausgestrahlt. Doch es finden auch diverse Kultur-Austauschprogramme in den Räumlichkeiten des Giselakais statt. Dazu zählen Programme zur „Filmgeschichte“, die Stummfilme, Tonfilme, Diskussionen, Workshops und Ähnliches umfassen. Ein besonderes Schmankerl bietet das DasKino seinen BesucherInnen immer dann, wenn Filmschaffende zu Gast sind und den BesucherInnen so Rede und Antwort zu all ihren Fragen bezüglich der Arbeit mit Filmen stehen. In den Kinonächten werden vor allem studentische Projekte gefördert und einen ganzen Abend lang im Gewölbe gezeigt. Das Programm des DasKinos erfreut sich seit Jahrzehnten größter Beliebtheit. In seinem bisher erfolgreichsten Jahr – 2004 – besuchten 110.242 FilmfreundInnen das Filmzentrum an der Salzach. Auch heute noch lassen sich hunderte ZuschauerInnen im Monat von der heimeligen Atmosphäre im 1980erJahre-Stil anlocken. Studierende sind in der Kultureinrichtung immer gerne gesehen, was sich auch in den stets gleich bleibenden, niedrigen Preisen des DasKinos widerspiegelt. Für die Jubiläumsausgabe der Uni:press verlost das DasKino 20 Freikarten für eine Vorstellung eurer Wahl. Beantwortet uns einfach folgende Frage und zählt vielleicht schon bald zu den glücklichen Gewinnern! Wie lautet der Titel des erfolgreichsten einheimischen Filmes in Österreich? Schickt eure Antwort per Mail an presse@oeh-salzburg. at und gewinnt mit etwas Glück jeweils 2 der Freikarten!

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„Für wie kompetent hältst du deine Uni-ProfessorInnen?“ Unter dem Motto „Wer sind die Professoren“ widmeten auch unsere VorgängerInnen im Jänner 1980 dem Können und der Position der Lehrenden einige Seiten in der damaligen uni:press-Ausgabe. Wir haben jetzt, fast 35 Jahre danach, die selbe Umfrage durchgeführt und sind zu spannenden Ergebnissen gekommen! Parallel zu diesen Ergebnissen, wollen wir euch natürlich auch nicht die Aussagen aus der Vergangenheit vorenthalten. Julia, 20 Jahre, Kommunikationswissenschaft und Politikwissenschaft „Manche Vortragenden beten vor, wie wichtig gute Vorträge und Präsentationen sind, können aber selbst nicht vortragen. Es gibt ProfessorInnenen, die die Studierenden wie Kindergartenkinder behandeln und stundenlang monotone Vorträge halten. Ich finde, manche ProfessorInnen sollten mehr auf die Fähigkeiten und Interessen der Studierenden eingehen. Es gibt aber auch ProfessorInnen, denen ich gerne zuhöre und bei denen ich auch gerne in die Vorlesung gehe.“ Flo, 23, Soziologie und Sport & Sasi, 20, Soziologie „Es gibt gute und schlechte ProfessorInnen [an] der Uni. Manche sollten vielleicht besser in die Wirtschaft, als in der Lehre sein, da diese zwar fachlich sehr gut sind, aber didaktische Mängel vorweisen. Besonders schlimm ist es auch, wenn die Lehrenden nicht einmal Englisch sprechen können. Wir fühlen uns oft etwas ausgenutzt durch die Profs, wir sind teilweise nicht mehr als kostenlose Arbeitskräfte, um irgendwelche Studien für sie durchzuführen. Differenzen werden vom manchen Profs zu persönlich genommen, dann werden einem Steine in den Weg gelegt, zum Beispiel beim neuen Mastercurriculum in Soziologie.“Mastercurriculum in Soziologie.“ Sebastian, 19, Sport und Englisch auf Lehramt, Elisabeth, 19, Englisch und Musik auf Lehramt & Dominik, 20, Deutsch und Psychologie und Philosophie auf Lehramt „Unsere ProfessorInnen sind eigentlich sehr unterschiedlich. Der Großteil ist sehr gut drauf und auch kompetent – aber natürlich gibt es Ausnahmen. Es gibt beispielsweise ProfessorInnen, die unmotiviert wirken und den Stoff einfach stundenlang hinunterratschen – das ist dann schon sehr langweilig. Prinzipiell sind wir als StudienanfängerInnen jedoch sehr positiv überrascht von den Lehrmethoden unserer ProfessorInnen.“


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Thomas, 24 & Christina 20, Englisch auf Lehramt „Uns kommen die Profs an der Uni alle sehr kompetent vor. Wir sind begeistert, dass es so viele Native Speaker gibt, von denen wir besonders viel lernen können. Die Vorträge waren allesamt gut strukturiert und die Themen gut verständlich aufgearbeitet. Wir haben bislang wirklich nur gute Erfahrungen gemacht.“

Student (Jus, 1. Sem.): ´I kaun nix sogn- i bin no goa net drinnen im studium. Aba bei maunche vorlesungen hob i des gfü das de zimlich höhergeistige floskeln daheagred haum, des is maunchmoi iasinnig kompliziat. I hab eigentlich fost nua negative eaforungen gmocht.‘“ [uni:press WS 1979/80, Nr. 6, 29.01.1980, S 8.]

Mittelschullehrer, 30: "Haich hab‘ selber studiert. Meiner Ansicht nach sind die nicht geeignet, den Studenten etwas beizubringen: Ihre pädagogische Ausbildung ist gleich Null. Das ist der größte Vorwurf, den ich den Professoren machen muß. Ich muß sagen, ich bin Lehrer an der Schule, aber wenn ich so prüfen würde, wie mich die Professoren an der Uni geprüft haben, wär‘ ich schon längst nicht mehr im Schuldienst. Das Dritte: Die Ausbildung ist auf alle Fälle sehr praxisfremd.“ [Ebd., S 7.]

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Tanz des Feuervogels - Edda Emilia Steiner (Germanistik) Der Phönix entsteht aus seiner Asche und zu Asche wird er wieder dazwischen liegt ein Tanz aus feuerroten Federn ein Tanz voll brennendem Verlangen, ein Tanz der Gegenwart in die Vergangenheit eine unstillbare Sehnsucht treibt ihn an; der Wunsch auf Feuerschwingen hinein zu fliegen in den Sonnenuntergang, der genauso lodernd brennt ein freudig-feuriger Schrei voll unstillbarer Freiheit Die Angst des Menschen vor dem Tod, die kennt er nicht denn aus seiner Asche wird er immer neu geboren, aus sich selbst heraus entsteht ein neues Selbst tischgebet - Kristos Varvaridis (Geschichte & Philosophie) hetzen, wie die letzten den anfang entgegen nichtwissend wo ein ende begonnen wurde, um zu besitzen was besitzende schwitzen. deren rechte achsel entlang, gleich zecken im feuchtheißen juli beissen wir uns an. meindeinmeindeinseinkeinmeinheimdeinheimsosindwir zufrieden, bestenfalls ruhig allein. und ich sitze und warte, hoffnung inbrünstig, dass ein kind aufsteht, den teller vor sich wegschiebt, nichts davon isst, nicht widerkaut und spricht: „Diese Scheisse fresse ich nicht!“

Die Texte für die Fotostrecke wurden uns freundlicherweise durch unsere KollegInnen von mosaik Zeitschrift für Literatur und Kultur vermittelt. mosaik ist eine Zeitschrift für Literatur und Kultur von und für StudentInnen an der Universität Salzburg und versteht sich als nicht-profitorientiertes Medium zur Veröffentlichung studentischer Texte. Mit 4 Ausgaben pro Jahr soll mosaik eine Plattform für junge Schreibenede darstellen: Texte aller Art sollen unkompliziert und ungebunden veröffentlicht werden können. Neben literarischen Texten sind ausdrücklich auch nichtliterarische Textsorten wie Essays, Kommentare oder Forschungsberichte und auch Rezensionen, Interviews sowie Veranstaltungsberichte erwünscht. Die komplette Auflage von 1000 Stück steht für alle Interessierten frei zur Verfügung; erhältlich ist sie an zahlreichen Universitätsstandorten sowie Kultureinrichtungen in der Stadt Salzburg. Ermöglicht wird dieses Projekt durch die unentgoltene Mitarbeit aller Beteiligten – die anfallenden Druckkosten werden von der Fakultätsvertretung Kultur- und Gesellschaftswissenschaften der ÖH Salzburg getragen. Bisherige Ausgaben und noch viel viel mehr: mosaikzeitschrift.wordpress.com Schickt uns eure Texte an mosaik@studlit.at und findet euch wieder als ein Steinchen im mosaik.

Formale Anforderungen: maximal eine Einsendung pro AutorIn/Ausgabe, bei Kurzprosa maximal 1500 Wörter; Angabe von Name und Studienrichtung (Anonyme Veröffentlichungen sind möglich, der Autor/die Autorin muss uns jedoch bekannt sein.) Einsendungen sind jederzeit möglich - die Texte werden für die jeweils nächste Ausgabe berücksichtigt. Der jeweilige Einsendeschluss wird gesondert bekanntgegeben.


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Intuition - Florian Lambrecht Es klappt und klappt Ein Leben lang, Ohne einen Gedanken dran, Blut beständig Das Herz.

Dächt ich dran', Seinen Schlag zu planen, Ihm logisch Rhythmus Vorzusagen, Die Adern blieben Leer.

Raison De Mettre - Jonas Fabian Habersack (Politikwissenschaft) Wie Speichen leicht sich drehen, Die oberste der untersten die Hand hinhält, Als könnten's die mittleren versteh'n. Jede sich im Kreis belügt, Liegt - logisch - jede selbst an allen Orten, Steht, sitzt, fällt - wie auch immer, Sei hingestellt - doch vergisst Bereits nach siebeneinhalb Minuten. Je schneller, desto schlimmer, Die Hand bald nicht mehr weiß, Ob sie die hingestreckte oder Doch die and're war. Und doch alles so leicht.

wi(e)der – Kurt Zapletal (Geschichte & Germanistik) Nebelkuss auf meinen Lippen – So lässt du mich, lässt es mich und reißt mich auf Ansteigender Atem, Wunderluft wir nehmen auf, wir nehmen ein und reißen uns auf Morgenrote Augen sterben in die Nacht hinein, verlieren sich in Traumsprachen, die meine Zunge noch nicht spricht.


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uni & leben

Maria Gruber

Daniel Winter

Dominik Gruber

Vorsitzende der ÖH Salzburg

1. stv. Vorsitzender

2. stv. Vorsitzender

Gremienarbeit – ein Dankeschön. Über 400 Studierende setzen sich an der Universität Salzburg für dich ein: Das umfasst die 32 Studienvertretungen (StV), die 4 Fakultätsvertretungen (FV), die Universitätsvertretung (UV) sowie die unzähligen studentischen Mitglieder in Kommissionen und Räten. Vor allem die Mitwirkung in Kommissionen wird nach außen hin oft wenig wahrgenommen, obwohl sie einen sehr wichtigen Bestandteil des Studienalltags darstellt: In Curricular,- Promotions-, Habilitations- und Berufungskommissionen sowie in den Fachbereichs- und Fakultätsräten und dem Senat wird so die studentische Sicht auf wichtige Entscheidungen eingebracht und Verbesserungen werden angestrebt. Des Weiteren gibt es noch die Kommissionen für das Qualitätsmanagement an der Uni: Auch hier versuchen Studierende, die Qualität von Lehre, Forschung und Co. zu sichern und zu verbessern. Das Bildungspolitische Referat der UV kümmert sich darum, Schulungen und Hilfestellungen für die Arbeit in Gremien anzubieten und Probleme zu beseitigen. Da wir aus eigener Erfahrung wissen, wie nervenaufreibend diese Arbeit sein kann, möchte wir uns bei allen, die in einem oder mehreren Gremien sitzen und die Stimme von uns Studierenden vertreten, herzlich bedanken!

1387 Zeichen. So viel Raum steht mir zur Verfügung, über ein mir wichtiges Thema zu schreiben. Räume sind wichtig: Für eine funktionierende ÖH sind sie sogar notwendig. Zum Glück sind die ÖH und ihre Fraktionen gesetzlich dazu berechtigt, unentgeltlich Veranstaltungen in der Uni durchzuführen. Dies ermöglicht uns, Podiumsdiskussionen, Filmabende und diverse andere Veranstaltungen anzubieten. Thematische Einschränkungen sieht das Gesetz keine vor; sehr wohl allerdings, dass es die Aufgabe der ÖH ist, nicht nur studienbezogene, sondern auch die allgemeinen Interessen der Studierenden zu vertreten. Dass es auch zu den Aufgaben der ÖH zählt, sich in gesellschaftliche Prozesse einzumischen, versteht sogar der als „Wissenschaftsminister“ fungierende Mitterlehner. Dass es im allgemeinen Interesse der Studierenden ist, an einer lebendigen Universität zu studieren, an der es eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen gibt, ist eigentlich selbstverständlich. Nicht so für die zuständigen Personen in der Universität Salzburg, welche neuerdings die Meinung vertreten, bestimmen zu können, wofür die ÖH gratis Räume zur Verfügung gestellt bekommt – und wofür nicht. Damit missachtet sie nicht nur die Autonomie der studentischen Vertretung, sondern auch das Gesetz. Geht es also nach der Uni, können viele anregende Diskussionen, kulturelle Veranstaltungen sowie Events wie Kino1 künftig nicht mehr stattfinden. Wo soll sich der zu universitären Werbezwecken hochgejubelte „wissenschaftliche Nachwuchs“ zukünftig geistig austauschen, wenn seine Universität ihn nicht mehr dabei unterstützen will?

Sagt uns, was ihr wollt und wo euch der Schuh drückt ... Dieses Sommersemester ist es so weit. Wir werden das erste Mal einen so genannten „Studierendenrat“ organisieren. Hierbei handelt sich um eine Methode der demokratischen Mitbestimmung, die zum Beispiel im Rahmen der Gemeindearbeit und unter dem Namen „BürgerInnenrat“ bereits breite Anwendung findet. Ziel ist es, die Anliegen der Studierenden zu einem bestimmten Thema zu eruieren und natürlich auch umzusetzen. So funktioniert‘s: Im ersten Schritt wird eine zufällig ausgewählte Gruppe von Studierenden eingeladen. Dabei wird darauf geachtet, dass Studierende aus allen Fakultäten vertreten sind. Danach werden in einer mehrstündigen Arbeitsphase gemeinsame Interessen und Anliegen identifiziert und Verbesserungs- und Lösungsvorschläge entwickelt. Die TeilnehmerInnen werden dabei von eine/r/m oder zwei ModeratorInnen unterstützt. Im letzten Schritt werden die gemeinsam gefundenen Ideen, Vorschläge und Projekte der ÖH und dem Vorsitzteam in einer Kurzpräsentation vorgestellt. Und dann schreiten wir zur Tat: Wir werden unser Bestes geben, um die im Studierendenrat generierten Ideen, Vorschläge und Projekte für euch umzusetzen. Wenn du Interesse am oder Fragen zum Studierendenrat hast, melde dich unter: vorsitz@oeh-salzburg.at Wir freuen uns schon darauf und hoffen auf deine Unterstützung!

Richtigstellung: In der Jänner-Ausgabe der uni:press war im Artikel Hörsaalrazzia – wie die Uni freie HörerInnen kriminalisiert zu lesen, dass die Universität der Organisationseinheit Uni 55 PLUS mehrere Räume anderer Fachbereiche in der Kaigasse 17 sowie Mittel aus dem Disability-Fond bereitgestellt hatte. Dies ist jedoch unzutreffend. Die Redaktion bedauert den Irrtum. Der vollständige Artikel ist online abrufbar unter www.oeh-salzburg.at.


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Foodsharing – Lebensmittelverwendung statt -verschwendung Das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung ist kaum vorstellbar und erreicht gigantische Dimensionen. 1,3 Milliarden Tonnen werden weltweit pro Jahr weggeworfen oder sind Verluste entlang der so genannten Wertschöpfungskette. Das ist nicht weniger als ein Drittel aller produzierten Lebensmittel weltweit. In Europa ist der Anteil noch höher, sogar die Hälfte aller Lebensmittel landet auf unserem Kontinent in der Mülltonne, obwohl der Großteil davon noch genießbar wäre. Von Elisabeth Feldbacher

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ir leben in einer Wegwerfgesellschaft, in der Lebensmittel ständig und überall verfügbar sind und das oft zu unschlagbar günstigen Preisen. Das Überangebot und die perfekte Zurschaustellung der Ware scheint nur auf den ersten Blick paradiesisch: Wenn man etwas näher hinschaut und an der Fassade zu kratzen beginnt, kann man die Dimension dieses Wahnsinns erst nach und nach erkennen. Die überzogenen Maßstäbe, die der Handel und die KonsumentIInnen an den Tag legen sorgen dafür, dass einwandfreie Lebensmittel, die mit hohem Rohstoffaufwand produziert wurden, in der Tonne landen. Diese Umstände veranlassen viele Menschen, sich Gedanken über alternative Konsumformen zu machen und Wege aus der Wegwerfgesellschaft zu finden. Eine Form, aktiv Widerstand zu leisten und Lebensmittel vor der Tonne zu retten, ist das Projekt Foodsharing, welches von der ÖH-Salzburg unterstützt wird. Doch was heißt das jetzt genau? Dabei werden ab April 2014 an verschiedenen Standorten der Universität Kühlschränke bereitgestellt, die dazu einladen sollen, Lebensmittel, die man zu viel gekauft oder containert -also aus dem Müll „getaucht“ hat, dort vorbeizubringen und somit anderen die Möglichkeit zu geben, diese Lebensmittel noch zu genießen. Vor allem aber sollen Kooperationen mit Bioläden, Supermärkten und anderen LebensmittelhändlerInnen aufgebaut werden, die uns nicht mehr für den Verkauf bestimmte Lebensmittel zur Verfügung stellen anstatt sie wie bisher in die Tonne zu schmeißen. Die zentralen Foodsharing-Standorte werden so zu Orten des Austauschs und der Lebensmittelverwendung statt -verschwendung. Dank der Bildung einer Gemeinschaft engagierter EssensretterIInnen kann eine neue Kultur der Wertschätzung für Essen im Speziellen und Ressourcen im Allgemeinen entstehen. Bis dahin ist ein langer Weg. Fangen wir an und gehen ihn gemeinsam. Das nächste Treffen für alle Foodsharing-Interessierten findet am 29. April 2014 um 18 Uhr im ÖH-Freiraum statt.

Austauschplätze für Lebensmittel, sogenannte Fairteiler, wird es ab April 2014 an folgenden Standorten geben: ÖH-Frei:raum (Kaigasse 17), Nawi und Unipark. Interessante Links: myfoodsharing.org, lebensmittelretten.de


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Die Uni – Drive-Through oder LEGO-Baukasten? Was machen wir eigentlich an der Universität? Sind wir nur kurz da, um uns aus einem Sortiment an Wissenshäppchen und Prüfungsterminen das Notwendigste herauszupicken, um die Welt der Hörsäle und Referate möglichst rasch wieder zu verlassen? Oder versuchen wir, die Uni als Lebensraum zu begreifen, in dem wir prägende Jahre unseres Lebens verbringen und den wir aktiv nach unseren Vorstellungen mitgestalten? Von Kay-Michael Dankl

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eder Mensch hat eigene Vorstellungen davon, wie der Kosmos Universität aussieht und wie er funktionieren sollte. Für den einen geht es vorrangig um die Verfolgung der Interessen an einem Fach, für die andere um die Verbesserung beruflicher Chancen – oder vielleicht nur um die Erfüllung eines elterlichen Wunsches, dass das brave Kind doch bitte studieren möge. Unsere persönliche Wahrnehmung unserer Zeit an der Uni hängt aber nicht nur von eigenen Studienmotiven ab. Vielmehr wird sie von den in unserem gesellschaftlichen Umfeld gängigen Bildern, was ein Studium ist und worum es bei höherer Bildung gehen sollte, beeinflusst. Doch welche Vorstellungen von Universität und Studium dominieren unsere Wahrnehmung und zwischen welchen Polen bewegen wir uns? Schnelles Studium – alles super? Sehr aufschlussreich ist dabei unser Umgang mit Zeit. Ist die Studienzeit für uns etwas, das minimiert und möglichst schnell hinter sich gebracht werden sollte? Quasi als Ausbildungszeit, die für das Berufsleben notwendig ist, aber keinen darüber hinausgehenden eigenen

Wert hat? In diese Kerbe schlagen jene PolitikerInnen und RektorInnen, die nach neuen „Anreizen“ für ein schnelles Studium rufen. Dabei wird euphemistisch verschwiegen, dass Zwänge gemeint sind, die ein gewünschtes Verhalten belohnen oder bestrafen sollten. Bereits jetzt nimmt die Studienmindestzeit vielen Studierenden die Entscheidung ab, wie viel Zeit sie für ihre Bildung in Anspruch nehmen. Schließlich droht ein Studium, das länger als die bürokratisch gewünschte Norm ist, den Anspruch auf Beihilfen und Stipendien zu gefährden. Bemerkenswert ist die Begriffsgeschichte der Mindeststudienzeit. Während sie heute wie ein Damoklesschwert über den Studierenden schwebt, stets bereit, bei Zeitüberschreitungen klaffende Wunden in ohnehin knappe Budgets zu schlagen, bezeichnete die Mindeststudienzeit einst jene Zeit, die mindestens an der Universität zu verbringen war, bevor ein Studium abgeschlossen werden konnte. Dass ein Studium durch einige zusätzliche Semester, Erfahrungen und Erkenntnisse deutlich an Qualität gewinnen könnte, kommt in dieser ökonomistischen


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Rechnung nicht vor. Auch die Tatsache, dass Existenzängste und Zeitknappheit keinen günstigen Rahmen für Bildungsprozesse darstellen, wird ignoriert. Der Studienmindestzeit ist egal, dass Menschen unterschiedlich lernen – unterschiedlich schnell, unter verschiedenen Rahmenbedingungen oder mit anderen Methoden. Entscheidend ist nur, dass jene bestraft werden, die sich länger an der Uni bilden möchten als es eine willkürlich festgelegte Regel vorsieht. Das ist bereits eine Prägung für angepasstes Verhalten auf dem Arbeitsmarkt: schnell studieren, jeden Eindruck der (für Bildung wichtigen) Pausen und Erholung vermeiden, nicht nach links oder rechts blicken. Eine Umgestaltung des Studiums in diesem Sinne folgt der Logik des Kapitalismus, die sich auf immer mehr Lebensbereiche ausdehnt und alles entwertet, das sich nicht (rasch) zu Geld machen lässt. Eine Entfaltung des Individuums hin zu mündigen, gebildeten Menschen, die nicht zur Disziplinierung für den kapitalistischen Arbeitsmarkt beitragen (oder diese sogar entgegenlaufen), ist in dieser Logik wertlos. Eigenständig mitgestalten statt passiver Konsum. Ein Gegenmodell zum Mantra des schnellstmöglichen Studiums ist jenes, das die Universität als Lebensraum begreift, der von allen Universitätsangehörigen mitgestaltet werden kann. Der entscheidende Unterschied ist, dass nach diesem Modell die Verhältnisse, unter denen wir studieren, von uns hinterfragt, diskutiert und verändert werden können. Es ist nicht die Pseudo-Freiheit des Konsumenten, aus einem vorgegebenen Menü an Produkten auszuwählen (so das knappe Monatsbudget dies erlaubt), während die Entscheidungsgewalt, was überhaupt zur Auswahl steht, außer Reichweite bleibt. Das Modell der hinterfragbaren und gestaltbaren Universität stellt im Kleinen die Voraussetzungen für tatsächliche Freiheit dar – nämlich Freiheit in dem Sinne, dass Menschen die Rahmenbedingungen ihrer Existenz bestimmen können. Das bedeutet, dass die Umstände, unter denen wir an der Uni studieren, lehren und forschen, hinterfragt und verändert werden können. Was heißt das konkret? Beispielsweise, dass die Curricula und das Lehrveranstaltungsangebot von Studierenden mitbestimmt wird. Oder dass die nötigen Freiräume vorhanden sind, um alleine oder in Gruppen Veranstaltungen zu organisieren, Diskussionen zu führen oder Projekte zu initiieren. Doch inwieweit können wir uns überhaupt unsere Lebensumwelt aneignen und sie LEGO-Steinchen gleich gemäß unserer Vorstellungen gestalten? Denn das Biotop aller Studierenden endet ja nicht an den Pforten der NaWi oder an den Glas- und Betonwänden des Uniparks, in denen dank studentischer Mit-

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bestimmung eine gewisse Mitsprache möglich ist. Das Dasein als StudentIn findet überall statt – von der Wohngemeinschaft oder dem Studi-Heim über die Arbeit bis hin zur Freizeit oder dem Besuch politischer oder kultureller Veranstaltungen. Diese Sphären entziehen sich oft unserem Gestaltungsvermögen – zumindest unserem individuellen. Doch für die überschaubareren Verhältnisse vor Ort am Studienort gilt Ähnliches wie für die gesellschaftliche Makro-Ebene, die den Alltag von Millionen Menschen bestimmt: Manche Veränderungen können durch Initiativen Einzelner angestoßen werden, für andere bedarf es einer Organisierung in Gruppen sowie einer Infrastruktur (z.B. Räume oder finanzielle Mittel). Diese sind im Falle Salzburgs durchaus vorhanden (siehe Informationskasten). Die entscheidenden Faktoren sind das Interesse und die Motivation – lassen wir uns passiv durch das Studium schleifen, wie im Drive-Through hie und da nach LV-Häppchen und Partys greifend, gelegentlich das angebliche Fehlen von Engagement und studentischer Kultur beklagend – oder denken wir nach, was an unserem Studien- und gesellschaftlichen Umfeld nicht passt und versuchen, es aktiv zu verändern?

»» öh-frei:raum: Du möchtest eine Filmvorführung mit Diskussion, einen Spieleabend, einen vegetarischen Brunch oder ganz etwas Anderes organisieren? Den öh-frei:raum in der Kaigasse 17 kannst du als StudentIn oder als NGO unentgeltlich nutzen! Bereits jetzt finden im öh-frei:raum regelmäßig Trainings-Debatten, Lesungen, Verhandlungssimulationen, Vereinssitzungen, ÖH-Veranstaltungen, Filmabende, Strick- und Häkel-Treffen oder sogar Theater-Übungen statt. »» ÖH-Projektförderung: Wenn du ein Projekt, eine Initiative oder eine Veranstaltung umsetzen möchtest und dafür finanzielle Hilfe benötigst, kannst du die Projektförderung der ÖH Salzburg beantragen. Einen Antrag zu stellen ist einfach und unbürokratisch. Wichtig ist nur, dass du bereits ein grobes Konzept für dein Projekt hast. »» öh:clubs: Du möchtest gemeinsam mit anderen Studierenden eine Gruppe gründen, die sich den Künsten, gesellschaftlichen und politischen Themen, sportlicher Aktivität oder etwas komplett Anderem widmet? Die öh:clubs bieten dir die Möglichkeit, unkompliziert und schnell einen organisatorischen Rahmen für deine Idee zu finden. Zusammen mit mindestens ein bis zwei KollegInnen kannst du einen öh:club gründen. Hinzu kommen weitere Vorteile: öh:clubs werden auch auf der ÖH-Website beworben und du kannst niederschwellig auf organisatorisches Know-How und Infrastruktur zugreifen. »» Finanzielle und organisatorische Unterstützung deiner Studienvertretung (STV): Die 32 Studien- und die vier Fakultätsvertretungen der ÖH Salzburg verfügen über eigenständig verwaltete Budgets, die unter anderem zur Unterstützung studentischer Projekte eingesetzt werden können. Meistens ist ein Bezug zum jeweiligen Studium, dem Fachbereich oder den Studierenden nötig. »» Nähere Infos findest du unter www.oeh-salzburg.at!


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Die Rechte der Studierenden – Fragen und Antworten Wieder keinen Platz in der Lehrveranstaltung bekommen? Die Benotung deiner Prüfung steht schon Monate aus? Das sind alles Probleme, die wir kennen – und für die wir auch eine (rechtliche) Lösung haben. Von Tobias Neugebauer

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nd täglich grüßt das Murmeltier. So etwa könnte man die Arbeit als StudierendenvertreterIn beschreiben. Tagtäglich suchen verzweifelte Studierende die Büros der Studienvertretungen auf, schreiben niedergeschmettert Mails an das Beratungzentrum der ÖH Salzburg oder lassen das Telefon im Bildungspolitischen Referat der ÖH Sturm klingeln. Eines der Hauptanliegen ist dabei die Beratung in studienrechtlichen Angelegenheiten. Wie viele Prüfungsantritte habe ich? Darf ich in einer Vorlesung fehlen? Was passiert, wenn ich mich nicht rechtzeitig von einer Prüfung abmelde? Die Antwort auf diese Fragen findet sich meist in den jeweils gültigen Rechtsvorschriften, dies sind an der Universität Salzburg neben dem UG (Universitätsgesetz 2002)1 die Satzung der Universität Salzburg2 – eine Art „Gesetz“ für die Angehörigen – auch die einschlägigen Curricula. Selbst für langjährige StudienvertreterInnen sind die Bestimmungen jedoch oft nur schwer zu verstehen, da sie meist schwammig formuliert und überaus unübersichtlich strukturiert sind. Es lohnt sich dennoch, die eine oder andere Studienbestimmung – vor allem das eigene Curriculum – zu lesen. Das UG regelt die grundlegenden Rechte von Studierenden, die unter den Begriff „Lernfreiheit“ gestellt werden. Wie frei sind wir wirklich, wenn es ums Lernen geht? Studierenden wird beispielsweise das Recht zuerkannt, je nach Lehrangebot zwischen dem Lehrpersonal auszuwählen, Lehrveranstaltungen anderer Studien zu besuchen, spätestens bei der zweiten Wiederholung einer Prüfung einen bestimmten, fachlich geeignete/n PrüferIn zu beantragen oder auch Prüfungen mittels einer abweichende Prüfungsmethode zu absolvieren, wenn die Ablegung der Prüfung in der vorgeschriebenen Methode auf Grund einer län-

ger andauernden Behinderung unmöglich ist. Doch das war noch lange nicht alles. Wir haben die häufigsten Fragen gesammelt und versucht, sie kurz und verständlich zu beantworten. Die Ergebnisse seht ihr hier: Ich habe vor einigen Wochen eine Prüfung geschrieben/ eine Arbeit abgegeben, aber noch keine Note erhalten. Was kann ich tun und wie lange haben die Lehrenden Zeit, um mich zu benoten? Gemäß § 75 Abs 4 sind die Zeugnisse so rasch als möglich, jedenfalls aber innerhalb von vier Wochen nach der Prüfung/Abgabe der Arbeit auszustellen. Solltest du deutlich länger auf deine Beurteilung warten, wende dich bitte an deine Studienvertretung. Mir ist nicht klar, nach welchen Kriterien ich in der Lehrveranstaltung beurteilt werde. Wie kann ich das herausfinden? Am Beginn jeder Lehrveranstaltung müssen den Studierenden die Beurteilungskriterien von den Lehrenden mitgeteilt werden. Diese dürfen nachträglich selbstverständlich nicht mehr abgeändert werden (§ 59 Abs 6 UG). Lehrveranstaltungsprüfungen dürfen den Inhalt der Lehrveranstaltung nicht übersteigen, doch aufgepasst, es reicht in der Regel nicht aus, nur die Foliensätze auswendig zu lernen, da vernetzendes Verstehen zwingend erforderlich ist! Ich habe den ersten Prüfungstermin der Vorlesung verpasst, der/die LehrveranstaltungsleiterIn will jedoch erst nächstes Semester wieder einen Termin anbieten. Kann das sein? Prüfungstermine für Vorlesungen müssen gemäß § 59 Abs 3 UG mindestens dreimal im Semester angeboten werden, am Anfang, zur Mitte und am Ende des Se-


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Kontaktdaten der Studienvertretungen: www. oeh-salzburg.at/politik-diewirkt/studienvertretungen/ studienvertretungen ÖH-Beratungszentrum c/o Unipark Nonntal Erzabt-Klotzstraße 1 5020 Salzburg Tel: +43(0)662/8044-6001 od. -6006 beratung@oeh-salzburg.at Bildungspolitisches Referat der ÖH Salzburg: Kaigasse 28 5020 Salzburg bildung@oeh-salzburg.at

mesters. Bei Vorlesungen, die jedes Semester angeboten werden, müssen also insgesamt mindestens sechs Termine im Studienjahr angeboten werden. Die Satzung der Universität (§ 15 Abs 2) schreibt weiters vor, dass Termine, die in die lehrveranstaltungsfreie Zeit fallen, hier nicht mitgezählt werden dürfen. Ich wurde bei der letzten Prüfung negativ beurteilt. Darf ich die Klausur einsehen? Ja, natürlich darfst du dir die Klausur bzw. das Prüfungsprotokoll ansehen. Du hast dafür sechs Monate ab Bekanntgabe der Beurteilung Zeit. Wenn dir die Klausur nicht ausgehändigt wird, darfst du sie dir zumindest kopieren – ausgenommen, es handelt sich um Multiple Choice-Fragen, doch auch hier ist dir jederzeit Einsicht zu gewähren. Negative Beurteilungen müssen zudem immer begründet werden. In einer Vorlesung wird die Anwesenheit kontrolliert. Zudem werden immer wieder Zwischenprüfungen abgehalten. Ist das zulässig? Nein, ein solches Vorgehen ist nicht zulässig. Bei Vorlesungen handelt es sich um Lehrveranstaltungen mit nicht-prüfungsimmanentem Charakter, das bedeutet, dass die Beurteilung aufgrund einer schriftlichen oder mündlichen Prüfung am Ende der Lehrveranstaltung erfolgt (§ 14 Abs 2 der Satzung). Die Anwesenheit darf daher ebenso wenig in die Prüfungsleistung eingerechnet werden wie etwaige Zwischentests. Der Lehrveranstaltungsstoff – der Prüfungsumfang darf diesen nicht überschreiten – ist in einer einzigen Prüfung abzufragen. Auch eine Kombination aus schriftlicher und mündlicher Prüfungsleistung ist unzulässig. Ich habe meine Prüfung verpatzt. Wie oft kann ich diese wiederholen? Negativ Prüfungen können dreimal wiederholt werden (insgesamt hast du also vier Antrittsmöglichkeiten). Sollte auch die vierte Prüfung negativ beurteilt werden, wirst du für jene Studien, für welche die betreffende Lehrveranstaltung als Pflichtfach angeführt wird, gesperrt. Ein Nichtantritt zu einer Prüfung darf jedoch nie als negative Prüfungsleistung gewertet werden, auch dann nicht, wenn du schlicht vergessen hast, dich von der Prüfung abzumelden (oder aus einem anderen Grund nicht erschienen bist) (§ 77 Abs 2 UG). Nur, wenn während der Prüfung ein schwerer Mangel (z.B. zu kurze Prüfungszeit) bestanden hat, kann der Vizerektor für Lehre diese aufheben, sofern du dies innerhalb von zwei Wochen nach der Benotung beantragst (§ 79 Abs 1 UG). Meine KollegInnen haben mir gesagt, dass ich die Prüfun-

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gen der STEOP nur zweimal wiederholen kann. Stimmt das? Für die Lehrveranstaltungen der sogenannten Studieneingangs- und Orientierungsphase bestehen Sonderregelungen. Du hast zwar nur zwei Wiederholungsmöglichkeiten, wirst dafür, sofern du auch beim dritten Antritt negativ beurteilt wirst, aber „nur“ für ein Jahr für das betreffende Studium gesperrt. Danach kannst du dich wieder für das gewünschte Studium inskribieren und hast wieder drei Prüfungsantritte (§ 66 Abs 1b UG). Ich bin mit meiner Note unzufrieden, kann ich diese noch verbessern? Ja, ebenso wie negative Prüfungen kannst du auch positive Prüfungen einmal wiederholen (§ 77 Abs 1 UG). Diese Wiederholung muss innerhalb von sechs Monaten stattfinden, doch Vorsicht, du kannst dich bei einer Wiederholungsprüfung auch verschlechtern. Eine Beschwerde gegen eine positive Note ist hingegen nicht zulässig (§ 79 UG). Ich habe mich zu einer prüfungsimmanenten Lehrveranstaltung angemeldet, kann diese nun aber doch nicht besuchen. Muss ich mit einer negativen Note rechnen? Natürlich ist es auch möglich, sich bei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen (z.B. PS, SE etc.) abzumelden, die Satzung (§ 19 Abs 5) sieht dafür jedoch eine Frist bis nach dem zweiten Lehrveranstaltungstermin vor. Wer sich bis zum dritten Lehrveranstaltungstermin nicht abgemeldet hat, muss anschließend benotet werden. Ich habe mich für eine Lehrveranstaltung mit beschränkter TeilnehmerInnenzahl angemeldet, jedoch stehe ich nur auf der Warteliste. Muss ich warten, bis die Lehrveranstaltung das nächste Mal angeboten wird? Die meisten Studienpläne (Curricula) sehen für teilnehmerInnenbeschränkte Lehrveranstaltungen besondere Reihungskriterien vor. Im Regelfall sind dabei Personen, die laut Studienplan die Lehrveranstaltung zwingend besuchen müssen, anderen vorzuziehen. Auch andere Kriterien wie Berufstätigkeit oder Notenschnitt finden sich in vielen Curricula. Der Zeitpunkt der Anmeldung ist dabei meist nachrangig. Solltest du also keinen Platz in der Lehrveranstaltung bekommen, kann es sich lohnen, auf die Einhaltung der Reihungskriterien zu bestehen. Wir haben deine Frage noch nicht beantwortet? Kein Problem, deine Studienvertretung, das ÖH-Beratungszentrum sowie das Bildungspolitische Referat der ÖH Salzburg stehen dir gerne mit Rat und Tat zur Seite!


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Go abroad: Studieren im Ausland mit ERASMUS + Nur verschwendete Zeit oder vielleicht doch die beste Entscheidung deines Lebens? Der einfachste Weg das herauszufinden, ist, mit dem reformierten Auslandsprogramm der Europäischen Kommission deine eigenen Erfahrungen im europäischen Ausland zu machen. Doch was bietet einem Erasmus + und wieso könnte es sich lohnen über den Tellerrand des eigenen Studienstandorts hinauszublicken? Eines ist im Ausland garantiert, langweilig wird es nicht!. Von Fabian Jonas Habersack

MCTIGovBr (Flickr)

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nteressierten Studierenden standen bisher schon die Türen offen, mit dem alten ErasmusProgramm, bzw. seinen Untergliederungen insbesondere ins nahe europäische Ausland zu gehen. Das neue Erasmus + bringt einige Änderungen und Vereinfachungen mit sich, kombiniert sieben bestehende Programme und strebt nach verstärkter Einbeziehung von Regionen jenseits der Grenzen der EU. Am 01. Jänner 2014 angelaufen, ist es mit einem rund 40% höheren Budget aus dem Topf der EU ausgestattet. Befristet sind die Mittel für Erasmus + bis 2020, danach muss das EU-Budget neu bewilligt werden. Es umfasst den allgemeinen Hochschulbereich, die Berufsausbildung (also u.a. Internships), den Jugendarbeitsbereich und, neu hinzugekommen, den Sportbereich. Dadurch soll die Employability vorwiegend junger Menschen, sowohl in Ausbildung als auch in Lehrtätigkeit, gestärkt werden: das Angebot richtet sich speziell an 13- bis 30-Jährige. Mit den Auslandsaufenthalten soll zudem die Internationalisierung vorangetrieben und die Qualität der Lehre in Europa gesichert werden. Europaweit wird Erasmus + über vier Millionen Menschen offenstehen, darunter zwei Millionen Studierenden. Das bedeutet eine Verdoppelung der Zahlen gegenüber dem alten Programm. Outgoing and Incoming Gemäß den Zahlen des für Auslandsaufenthalte verantwortlichen OeAD (Österreichischer Austauschdienst) hat Österreich innerhalb der letzten 20 Studienjahre gut 64.000 Studierende entsandt. Die Zahl der Praktikumsaufenthalte der letzten fünf Jahre lag bei gut 4000. Trotz dieser erfreulichen Zahlen sind diese in Salzburg leicht rückläufig. „Ich würde mir mehr Bereitschaft wünschen“ beklagt Dr. Franz Kok von der KGW-Fakultät und Zuständiger für Erasmus und Erasmus + Auslandsaufenthalte. Die Ursache sieht Kok im Wandel der Bewertung des Studiums als Teil des eigenen Lebenslaufs: Stand das Studium früher noch im Zentrum des Lebens, so würde es jetzt von Nebenbe-

schäftigungen wie Teilzeitjobs und Freizeitaktivitäten verdrängt. Es fehle schlicht die Einsicht, dass wir in einer globalisierten Welt leben. Zu berücksichtigen ist aber auch der EU- und österreichweite konstante Anstieg der Zahlen der Erasmus-Studierenden (Quelle: OeAD). Leichte Rückgänge scheinen also lokale Phänomene zu sein. Um diesen entgegenzuwirken, könne laut Kok aber auch die Uni mehr unternehmen, indem sie sich um die Bereitschaft der Studierenden bemühe, Kooperationen mit Partnerunis eingehe und bei der Organisation des Aufenthalts bereitstehe. Wann und wie lange ins Ausland? Nachdem das erste Semester, bzw. Trimester meist mit einem hohen Organisationsaufwand verbunden ist, bietet es sich an, für ein ganzes Jahr ins Ausland zu gehen. Anders als es bisher der Fall war, sind ab der ersten Runde des neuen Programms (2014/15) mehrere geförderte Auslandsaufenthalte pro Studienzyklus möglich – also beispielsweise ein Jahr im Bachelor und eines im Master. Wann im Studium oder ob gleich danach über ein Aufenthalt nachgedacht werden sollte, obliegt im Prinzip jedem selbst. Grundsätzlich bietet sich jedoch die Mitte des Studiums an, da man hier bereits über die notwendigen Grundkenntnisse verfügt, allerdings noch freie Wahlfächer zur Anrechnung übrig hat und so die Chance größer ist, aus dem Ausland eine entsprechende Anzahl an ECTS mitzubringen. Das Problem der Nichtanrechenbarkeit sei in erster Linie eine curriculare Angelegenheit der betreffenden Studiengänge. In manchen Studien wie Politikwissenschaft sei das aber keine Schwierigkeit, wie Studierende berichten. Der Aufenthalt kann dann auch zum Studienfortschritt beitragen. Was kostet mich das? Kok zufolge biete Erasmus + Studierenden eine „niederschwellige“ Möglichkeit, die Chance zu ergreifen ins Ausland zu gehen, da Österreich (abgesehen von Skandinavien) zu einem der Länder gehöre, die für ihre Studierenden am tiefsten in die Tasche greifen.

Wofür steht ERASMUS? Als Abkürzung steht ERASMUS zum einen für European Action Scheme for the Mobility of University Students, zum anderen für den Universalgelehrten Erasmus von Rotterdam (*1466-69; †1535).


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Nützliche Links Informationen zu Erasmus + www.ec.europa.eu/programmes/erasmus-plus Website der OEAD www.oead.at/home ÖH-Homepage www.oeh-salzburg.at

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„Je nachdem wohin man geht, kommt man besser oder schlechter mit dem Erasmus-Stipendium aus,“ berichtet eine Studierende, die mit Erasmus in England war, „aber Tatsache ist auch, dass ich mit dem Geld, das ich hier in Salzburg ausgegeben hätte auch irgendwie dort zurechtgekommen bin.“ Nur wenn jemand mehr vom Land sehen wolle, anstatt sich nur auf das Studium zu konzentrieren, könne es schwierig werden. Was die Budgetsteigerung für die Erasmus-Stipendien bedeutet könne noch nicht abgeschätzt werden (Quelle: OeAD). Derzeit stünden 262 bis 368 Euro für Studienaufenthalte und zwischen 328 und 435 Euro für PraktikantInnen zur Verfügung. Für die Uni Salzburg geht es zunächst darum, sich um Kooperationen mit Partnerunis im Ausland zu bemühen, um den Vorteil der Budgetsteigerung ausschöpfen zu können und hier könnte Salzburg eventuell im Nachteil sein: Denn je kleiner der Studienstandort und das Studienangebot, desto geringer ist auch das Interesse ausländischer Standorte, ihre Studierenden dorthin zu entsenden. Wieso ins Ausland? Ein Auslandsaufenthalt bietet viele Vorteile, ganz gleich, ob du an der Integration deiner Auslandserfahrungen ins berufliche Leben oder an legendären Partyabenden und natürlich an der Kultur in einem anderen Land interessiert bist. Das neue Erasmus + bietet dir die Gelegenheit, wichtige persönliche Erfahrungen zu sammeln, dich in selbstständiger Studienorganisation zu üben, deine Sprachkenntnisse zu verbessern und bringt dich auch im Studium voran. Am Schluss sind es aber persönliche Abwägungen, die man vorzunehmen hat. Wenn du dich bereits für ein Auslandsjahr oder -zeitraum entschieden hast, stellt sich die Frage nach dem Land deiner Präferenz. Insbesondere im Master- und Doktoratsstudium kann es hier von Vorteil sein, deine Motivationen klar zu bedenken und eventuell den Erwerb von Sprachkenntnissen dem Fächerangebot und der Spezialisierung der Zieluniversität nachzustellen. Hier gilt es genau abzuwägen und Rat einzuholen, welche Destination sich für welchen Schwerpunkt empfiehlt. Die Bemühungen von Erasmus + vermehrt Drittstaaten einzubeziehen, bringt eine größere Auswahl mit sich und kommt dir in solchen Abwägungen entgegen. Wann bewerben? Für den Startschuss von Erasmus+ im nächsten Semester (WiSe 2014/15) sollte man sich bereits jetzt bewerben! Bis Ende Mai müssen die Nominierungen seitens der Uni fixiert werden, die Bewerbungen sollten allerdings bereits bis 31. März eingegangen sein. So, what are you waiting for? Go abroad!


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Semesterbeginn ganz woanders: Eine französische Universität durch österreichische Augen betrachtet Von Marco Stadlbauer Semesterbeginn. Irgendeine Stadt an der französischen Atlantikfront, 1500 Kilometer von Salzburg entfernt. Ein kleiner Student vertraut sich der lokalen staatlichen Heimverwaltung an, deren Wände aus administrativem Papier die darin Befindlichen jeden Moment zu verschütten drohen. Sechsstöckig steht es da, das Meisterwerk aus Karton. Freundliche Insekten begleiten den Studenten über den speckigen Teppichfußboden flitzend auf seinem Weg zum bescheidenen Nachtlager. Gleichmäßiges Rauschen des auf der Autobahn nach Norden diffundierenden spanischen Gemüses vermischt sich mit den Wettergesängen eines Nigerianers, der um eine Pinie stundenlang im Kreis das Gras erdig tritt. Die Fenster isolieren eindeutig nicht. Nächster Morgen. Eine Herde von Menschen umringt hitzig die verschlossene Tür des Hörsaals im kühlen Morgengrauen. Ihre Stimmen vermischen sich zu einem unverständlichen, lärmenden Surren, dessen Pegel kaum Schwankungen unterlegen ist. Niemand lässt sich durch die Vorlesung aus dem durch Smartphonebildschirme vermittelten Paralleluniversum reißen. Der honorige Professor hinter dem Pult predigt derweil weiter wie ein Heiliger und dringt doch nicht in die Herzen seiner Schafherde durch. Er steht auf der Schaubühne, wie ein Relikt aus einer anderen, patriarchalen Zeit, das von den Anwesenden schlichtweg ignoriert zu werden scheint. Besuch eines anderen Nachtlagers. Drei Menschenkinder ließen sich bis zur Decke stapeln. Alles verspiegelt, Stil Louis Quinze, spätes 18. Jahrhundert mit Blick auf den parc publique. Darf man sich hier auf dem Rokoko-Sofa mit seinen zierlich geschweiften Füßen niederlassen? Die Erasmuskollegin, die hier wohnt und die lokale Business School besucht, logiert also in einem privat-musealen Schloss bei Gräfin X, flaniert vormittags über den feinen mit alten Gaslampen gesäumten Boulevard in der Innenstadt zum kleinen Geschäft, das ausschließlich Cognac verkauft. Ob sie überhaupt das große sechsstöckige Kartonheim, in dem der kleine Student döst, für real hält? Mensa. Zurück im Campus, welcher extra wegen den 68er-Demonstrationen außerhalb der Stadt deeskalierend aufgebaut wurde, lutsche ich lustlos an einem Stück Schafsfleisch Marke steuerfrei mit allerlei Beilagen. Drei Euro kostet das Menü – staatlich gefördert. DDR-Charme umgarnt den kleinen Studenten. Sehr funktionale Strukturen sind durch öffentliche Mikrowelle, Wasserbrunnen und Tischtennismöglichkeiten ausreichend vorhanden.

Plötzlich eine Sirene. Aber niemand schreckt und reckt sich nach der Ursache. Eine Megafonträgerin marschiert mit Anhang ein, verkündet eine Studierendenversammlung, direkt neben unserem Tisch – ein sich in den folgenden Monaten oft wiederholendes Ereignis. Austern. Der kleine Student wirft sich in seinen einzigen Anzug und fährt zur kostenlosen Weinverkostung, schlürft widerwillig ein paar Austern, die zuckend vor jedem – den unmittelbaren Todestoß darstellenden – Zitronenspritzer zurückzuweichen scheinen und labt sich am unerschwinglich teuren Wein. Wird ihn jemand als Scheinkonsument entlarven und verjagen? Und war das Zugticket zu dieser Veranstaltung nicht teurer als die gratis Ausspeisung? Trotz der Austern fahre ich hungrig nach Hause, weil ich im teuren angeschlossenen Restaurant nichts Leistbares auf der Speisekarte vorfinden kann. Besuch. Heute Abend sind meine Nachbarinnen, einige Roma und Sinti, aus der unbeachteten Wagenburg vom Mensaparklatz in mein Kartonhaus gekommen und haben mit Schuhen ein Bad genommen. Zitternd steht eine Familie vor mir, halbnackt und ängstlich. Sie sprechen auch französisch, wir essen gemeinsam mit Mohammed, meinem Nachbarn. Der schaut etwas kritisch auf die Weinflasche. Am nächsten Morgen waren unsere neuen Freundinnen weg, weil die Polizei sie wohl etwas überraschend aufgesucht hatte. Sie sind verschwunden – so als ob sie nie da gewesen wären. Wie wohl fremde Augen unsere Universität sehen würden? Morgen in Salzburg. Eine Herde Menschen umringt schweigend die verschlossene Tür des Seminarraums im eiskalten Morgengrauen. Sie spähen umher, halten Ausschau nach der Studienassistentin mit ihrem klirrenden Schlüssel, dessen Geräusch Pawlow’schen Gesetzen folgt, jedoch eher nervöses Kramen in der Tasche und kampfbereite Ellbogenadjustierung als Speichelfluss zur Reaktion hat. In der Stille starren zusammengekauert lustlos wirkende Gestalten auf Smartphonebildschirme, bis die sich mühselig anschleppende Lehrveranstaltungsleiterin ohne Assistentin erscheint. Der Geruch fetter Würste und regionaler Musik zieht in den Hörsaal während der Diskussion eines wissenschaftlichen Artikels. Da simst mir meine Nachbarin, wie denn so mein Erasmus-Semesterbeginn damals gewesen sei, und ich schreibe ihr immer tiefer versinkend: „Semesterbeginn. Irgendeine Stadt an der französischen Atlantikfront...“.


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Reisefieber, Revolutionsgeschichten und Rum Die Zusammenarbeit der Städte Salzburg und Léon jährt sich 2014 zum 30. Mal. Im Rahmen einer UniversitätsExkursion reisten im Februar 60 StudentInnen der Fachbereiche Kommunikationswissenschaft und Romanistik nach Nicaragua – Grund genug für uns, der Salzburger Partnerstadt einen Besuch abzustatten. Von Werner Müller-Schell und Sabina Schneider

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uf dem zentralen Markt Leóns pulsiert das Leben. Bereits am frühen Vormittag drängen sich zahlreiche Menschen durch die engen Gassen . Einige Stände locken mit frischen Früchten und Gewürzen, an anderen bieten Frauen selbstgemachte Tongefäße oder Kleidung an. Aus provisorischen Küchen strömt der Duft frittierter Bananen, der sich zusammen mit den anderen Sinneseindrücken zu einem exotischen Mix entfaltet. Für die Geräuschkulisse sorgt ein auf der Ladefläche eines Pickups angebrachter Lautsprecher, aus dem lautstark lateinamerikanische Musik dröhnt. „Freeesco, Freeesco!“, ruft eine farbenfroh gekleidete Frau. An ihrem Stand erstehen wir eine kleine Erfrischung, ehe wir unseren Stadtrundgang durch León starten. Der Mercado Central befindet sich im Ortskern Leóns. 150.000 Menschen leben in der zweitgrößten Stadt Nicaraguas, die im Westen des mittelamerikanischen Landes liegt. Zur nahen Pazifikküste sind es gerade einmal 20 Kilometer. Ansonsten ist León von landwirtschaftlichen Feldern, unberührten Flusslandschaften und zahlreichen Vulkanen umgeben. Der spanische Konquistador Francisco Hernández de

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Córdoba war es, der 1524 den Grundstein für den Bau der Stadt legte. „Seitdem war sie Schauplatz zahlreicher bedeutender Begebenheiten in der Historie Nicaraguas“, wie unser Guide Ramon stolz erklärt. 1812 wurde hier mit der UNAN eine der größten Universitäten Mittelamerikas gegründet und am 11. Oktober 1821 beschloss man dort die vollständige Unabhängigkeit Nicaraguas von Spanien.Anfang des 20. Jahrhunderts war die Kulturstadt Wohnsitz des Dichters Rubén Darío, einem der bekanntesten Künstler des Landes. „In jüngerer Zeit wurde der Ort vor allem als Schauplatz der sandinistischen Revolution 1978/79, dem bedeutendsten politischen Ereignis Nicaraguas in den vergangenen Jahrzehnten, international bekannt“, so Ramon weiter. Von der bewegten Geschichte der einstigen Kolonialstadt zeugen zahlreiche Bauten, die man beim weiteren Rundgang durch die Stadt passiert: Nur wenige hundert Meter vom Markt entfernt treffen wir auf die beeindruckende Basilica de la Asunción. Die weiß gemauerte Kathedrale ist die größte ihrer Art in ganz Mittelamerika und bildet zusammen mit dem bereits besuchten Markt und dem nebenan liegenden Parque Central den Ortskern. Vor allem am Vormittag, wenn sich die Sonne hinter den beiden Türmen erhebt, ist der Anblick des barocken Baus besonders imposant. Das Ambiente wird dabei von zahlreichen Cafés und dem Rathaus der Stadt eingerahmt. Auch hier tummeln sich viele Straßenhändler, die in typisch lateinamerikanischer Manier lautstark Erfrischungen und Souvenirs anbieten. Ramon führt uns über den Platz hinweg weiter zu zwei miteinander verbundenen Steinen. „Sie sind ein Symbol für die Partnerschaft zwischen León und Salzburg“, erklärt er und deutet auf eine metallene Tafel mit entsprechender Gravur. Seit 1984 sind die beiden Städte eng miteinander verbunden. „Ursprünglich entstand die Verbindung dabei aus der Initiative einer kleinen Salzburger Gruppe, die nach der Revolution Entwicklungsarbeit leisten wollte“, erklärt Barbara Breidenbach. Sie ist Mitarbeiterin des Vereins „Städtepartnerschaft Salzburg-León“ und kümmert sich zudem als Geschäftsführerin von „Loro Trips“ – einem als Tochterunternehmen der Städtepartnerschaft angelegten, nicht gewinnorientierten Reiseveranstalter – darum, den Tourismus in Nicaragua zu fördern. „In den letzten 30 Jahren realisierte man so einige spannende Projekte. Zum Beispiel wurde ein Kindergarten gebaut, eine Grundschule errichtet und es wurden auch mehrere Austausch-Programme für Studierende ins Leben gerufen“, fährt Breidenbach fort. Um den interkulturellen Dialog der beiden Städte zu fördern, besuchen zudem regelmäßig nicaraguanische Dele


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gationen Salzburg und umgekehrt. Das politische Geschehen Leóns ist aber nicht nur wegen der Verbindung zu Salzburg interessant, sondern auch weil die Stadt an fast jeder Ecke Einblicke in die historische Entwicklung Nicaraguas bietet. Über ein paar kopfsteingepflasterte, bröckelige Gehsteige erreichen wir kurz hinter dem Rathaus ein mehrere Meter langes Wandbild, das der Hamburger Sönke Nissen gemeinsam mit heimischen Künstlern geschaffen hat. Guide Ramon erklärt die einzelnen Szenen auf der riesigen Malerei: Ein Ausschnitt, der die lange Tradition der Einwohner bezeugt, zeigt Skulpturen, die im großen Nicaragua-See gefunden wurden. Andere Bilder gehen auf die Gründung der Stadt ein. Bei einer Betrachtung der Geschichte Leóns erfahren wir aber auch viel von der oftmals brutalen, durch Aufstände und Bürgerkriege gezeichneten Historie Nicaraguas. Ein Name, der dabei immer wieder fällt, ist der von Augusto César Sandino: Dieser führte Ende der 1920er Jahre einen Aufstand gegen die damalige US-Besatzung Nicaraguas und wird heute als Volksheld verehrt. Auch als Namensgeber der Sandinistischen Revolution, einem blutigen Freiheitskampf in den Jahren 1978 und 1979, in dem etwa 200.000 Menschen ihr Leben ließen, wirken seine politischen Ideale noch nach. Wie bedeutend dieses Ereignis für die Bewohner Leóns ist, will uns Ramon mit einem Blick in die nahe Galería de Héroes y Mártires veranschaulichen. Hierbei handelt es sich um eine von Müttern der damaligen Opfer geführte Sammlung. Ein heroisches Zitat Sandinos prangt in dicken Lettern an der Wand, unzählige Fotos erinnern an die vielen Toten. Die Mütter berichten von den politischen Idealen ihrer Kinder, wie sie in den Krieg zogen um für die Befreiung Nicaraguas von der bis dato diktatorisch herrschenden Somoza-Familie zu kämpfen. Und je länger man sich mit der schlagenden Wucht dieser in Europa oftmals nicht mehr vorhandenen Präsenz politischer Eindrücke auseinandersetzt, desto mehr entsteht auf dem Rückweg der Eindruck, dass manch dunkle Flecken auf den Wänden der hell gemauerten Häuser im Zentrum Leóns tatsächlich Rückstände von Einschusslöchern der Revolution von 1978/79 sind. 35 Jahre später dominiert allerdings das bunte, mittelamerikanische Treiben das Straßenbild: Taxis hupen, um Fahrgäste anzuwerben, überfüllte Busse rütteln durch die Gassen und ab und an gesellt sich auch ein Pferdefuhrwerk in das Rennen um die Vorfahrt an der nächsten Kreuzung. Dazu erklingt der Sound der hierzulande äußerst populären Reggaeton-Musik an fast jeder Ecke. Ramon führt uns wieder zum

Hauptplatz, unser Stadtrundgang nähert sich seinem Ende. Es ist Mittag, die Sonne steht im Zenit und die Temperatur hat die 35-Grad-Marke längst überschritten. Wir verabschieden uns von unserem Guide und nach einer kulinarischen Stärkung in einem der zahlreichen Comedores steigen wir schließlich auf eigene Faust über eine steile Treppe auf das Dach der Basilica de la Asunción. Von dort oben bietet sich eine grandiose Aussicht über die Stadt und ihre Menschen. In der Tat hat León zahlreiche interessante Begebenheiten zu erzählen. Diese sollte man bei einer Siesta am Nachmittag noch einmal Revue passieren lassen, ehe man sich in das aktive mittelamerikanische Abend- und Nachtleben stürzt. Davon hat León übrigens mehr als genug zu bieten – aber das ist eine andere Geschichte. Die Nicaragua-Exkursion 2014. Während die Fachbereiche Geografie, Geschichte und Politikwissenschaften bereits in früheren Jahren nach Nicaragua reisten, war die diesjährige Exkursion für die Abteilung Kommunikationswissenschaft ein Novum: „Für uns war es ein Anliegen, dass die Studierenden auch einmal hinaus ins Feld gehen können“, erklären Robert Bichler und Eva Gaderer, Organisatoren der unter dem Motto „Kommunikation und Entwicklung“ stehenden Exkursion. Die elftägige Veranstaltung führte die Teilnehmenden durch das ganze Land: Programmpunkte waren unter anderem der Besuch der Universität UCA in der Hauptstadt Managua. Auch die der „El Nuevo Diario“, eine der größten Tageszeitungen Nicaraguas, war hier eine Station. Als anstrengend erwies sich die Busfahrt nach San Carlos, wo kleine Radiostationen besucht wurden. Im weiteren Verlauf zählte die Kolonialstadt Granada zu einem der Höhepunkte der Exkursion. Eine Bootstour führte die Studenten zu den Isletas im See Nicaragua. Auf der Inselgruppe mit mehr als 300 Inseln konnten Affen in freier Wildbahn beobachtet werden. In León wurden schließlich die Salzburger PartnerUniversität UNAN, die „La Isla Foundation“ – eine Organisation, die sich für die Belange von Zuckerrohr-Arbeitern einsetzt –und die Produktionswerkstätte des nicaraguanischen Rums „Flor de Caña“ besucht. Auch lernten die Studierenden den Verein „Chica“ kennen, welcher für die Koordinierung der Partnerschaft zwischen Nicaragua und Österreich zuständig ist. „Für viele war es das erste Mal, dass sie nach Mittelamerika [gereist] sind. Es war unser Ziel, einen Einblick in die Medienwelt Nicaraguas zu geben, aber auch das Thema ‚Leben in einem Entwicklungsland‘ zu beleuchten“, so Bichler und Gaderer. Die beiden Exkursionsleiter hoffen auf eine Wiederholung des erfolgreichen Programms in der Zukunft.


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Auf eigenen Beinen stehen? Warum die Erhöhung der Familienbeihilfe die Füße noch etwas weiter einbetoniert. Ein Plädoyer für den Vorschlaghammer. Von Andreas Eisl

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ntro – Vorhang auf: Es ist der 31. Jänner 2014. Die neue Familienministerin Sophie Karmasin darf im Kindertheater Dschungel im Wiener Museumsquartier eines der eingelösten Wahlzuckerl der Regierung Faymann II präsentieren: Die Erhöhung der Familienbeihilfe. Schon der Rahmen zeigt, wie wenig diese Unterstützung mit Studierenden zu tun hat. In der Zielgerade der Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP beschlossen, wird die Familienbeihilfe bis 2018 in drei Schritten erhöht werden: Ab Juli 2014 um 4%, ab Jänner 2016 und 2018 jeweils um 1,9%. Nach Angaben der Regierung kostet die Gesamtumsetzung 830 Millionen Euro. Damit bringt die Erhöhung der Familienbeihilfe auch zusätzliche Millionen für Studierende im Alter zwischen 18 und 23 bzw. 24 Jahren, deren Eltern Anspruch auf diese Unterstützungsleistung haben. Aus studentischer Sicht auf den ersten Blick ein begrüßenswerter Schritt. Auf den zweiten, prüfenden Blick eine Richtungsentscheidung für die nächste Legislaturperiode, eine Entscheidung für den Status Quo und gegen einen neuen Zugang zum veralteten Unterstützungssystem für Studierende.Doch betrachten wir erst einmal die nackten Zahlen. Erster Akt: Ein Blick auf die Zahlen – Weitere Kaufkraftverluste. Was zumeist umgangssprachlich als „Familienbeihilfe“ bezeichnet wird, sind eigentlich zwei unterschiedliche Unterstützungen. Erstens die namensgebende Familienbeihilfe, die nach Alter gestaffelt für Personen ab 18 in einer Höhe von 152,70 Euro im Monat ausbezahlt wird. Zweitens der sogenannte Kinderabsetzbetrag, der aktuell 58,40 Euro im Monat ausmacht. Zusammen machen diese Beträge also 211,10 Euro im Monat für Studierende aus. Die

Familienbeihilfe wurde seit Anfang 2000 nicht mehr angehoben. Die zwischenzeitliche Auszahlung eines 13. Monats im Jahr ab 2007 wurde in Folge der Wirtschaftskrise 2009 wieder zurückgenommen. 2009 wurde jedoch der Kinderabsetzbetrag von 50,90 Euro auf 58,40 Euro im Monat erhöht. Das bedeutet, dass in den letzten 14 Jahren die Gesamtunterstützung nur um 3,7% angestiegen ist. Im gleichen Zeitraum verlor die „Familienbeihilfe“ über 30% an Wert. Netto bleiben also Kauftkraftverluste von mehr als 25% für Studierende. Wenn wir auf die Entwicklung der Kaufkraft für Studierende in Bezug auf die Periode bis 2018 blicken, so zeigt sich, dass auch die nun geplanten Erhöhungsschritte nicht einmal die zu erwartende Inflation (ca. 2%) abdecken können. Durch die drei Familienbeihilfeerhöhungen in den nächsten fünf Jahren erhöht sich diese von 152,70 Euro auf 165,10 Euro im Jahr 2018. Bei einer Anpassung der Familienbeihilfe an die zu erwartende Inflationsrate jedoch (hier werden die von der Europäischen Zentralbank angepeilten 2% pro Jahr angenommen), würde die Familienbeihilfe stattdessen im Jahr 2018 168,80 Euro betragen. Gleichzeitig wird jedoch der Kinderabsetzbetrag in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich nicht steigen. Der Gesamtbetrag steigt also noch geringer als er inflationsangepasst steigen sollte. Die dreistufige Familienbeihilfeerhöhung verbessert also nicht den Status Quo, sondern dämpft lediglich die weiteren Kaufkraftverluste, die durch Inflation in den nächsten Jahren entstehen werden. Eine gesetzlich vorgeschriebene Inflationsanpassung wurde auch weiterhin nicht beschlossen. Die 830 Millionen Euro mehr sind also nichts weiter als recht dünne Argumentationskrücken der Regierung, die uns zufrieden stellen soll, und eine unzureichende Abfede-

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rung von Kaufkraftverlusten für Studierende, von der fehlenden Anpassung zwischen 2000 und 2013 einmal ganz abgesehen. Zweiter Akt: Studieren in Österreich – Bevormundung für erwachsene Menschen. Neben diesen allgemeinen Aspekten, die neben Studierenden auch alle Kinder zwischen 0 und 17 Jahren betreffen, bleibt das Festhalten an der Familienbeihilfe als Unterstützungsleistung für junge Studierende ein veralteter Zugang zu volljährigen Menschen. Im gegenwärtigen Stipendien- und Unterstützungssystem für österreichische Studierende sind wir unmündig und abhängig. Die Eltern sind die prinzipiellen Anspruchsberechtigten der Familienbeihilfe. Zwar sollen durch die Familienbeihilfe Kosten beglichen werden, die den Studierenden anfallen, schlussendlich bleibt es aber den Eltern belassen, darüber zu entscheiden, welche Kosten das sind, und inwiefern die Geldleistung der Familienbeihilfe an das „Kind“ weitergegeben wird. Seit September 2013 gibt es zumindest die Möglichkeit, die Familienbeihilfe nach Antragsstellung direkt ausgezahlt zu bekommen. Dies ist aber weiterhin von der Unterschrift der Eltern abhängig. Damit deckt die Miniänderung der Familienbeihilfe sowieso nur die Fälle ab, in denen ansonsten die Eltern das vom Staat überwiesene Geld an den/die StudentIn weitergeleitet hätten. Wiederum: Status Quo. Für Studierende, die bereits zuvor Probleme hatten, die Geldleistung von ihren Eltern ganz oder überhaupt zu bekommen, wird nichts besser. Das wahrscheinliche Wohlwollen der Eltern aus Sicht des Gesetzgebers ändert nichts an der Tatsache, dass Studierende trotz Volljährigkeit weiter unmündig sind. Österreich braucht einen völlig neuen Ansatz für die Unterstützung von Studierenden. Momentan gibt es von staatlicher Seite zwei zentrale Elemente von finanzieller Hilfe für Studierende. Das ist einerseits die hier diskutierte Familienbeihilfe (+ der Kinderabsetzbetrag) und andererseits die Studienbeihilfe. Während die Familienbeihilfe jedoch nicht vom Einkommen der Eltern abhängt, ist dies bei der Studienbeihilfe der Fall. Die Eltern werden zum Komplementär des staatlichen Unterstützungssystems. Wessen Eltern mehr verdienen, müssen anstelle des Staates studierende Kinder unterstützen. Was prinzipiell für einen sozialen Ausgleich sorgen soll, schafft in der Praxis zahlreiche Probleme. Erstens bleiben viele Studierende damit sowohl über die Familienbeihilfe als auch bei den darüber hinausgehenden Unterstützungen von den Eltern und deren Gunst abhängig. Ein Wohlwollen, das bei nicht erwartungsgemäßen Studienverläufen oftmals stark rückläufig ist und somit das Fertigstudieren weiter behindern kann. Zweitens ist es schwierig, die Einkom-

menssituation der Eltern fair zu beurteilen, da nur die momentanen Einkommen und nicht das Vermögen betrachtet werden. Beispielsweise können bei Abfertigungen für einen Elternteil Verluste des Anspruchs für ein ganzes Jahr die Folge sein, die aber kaum die wirkliche finanzielle Situation der Familie widerspiegeln. Was bleibt ist ein kompliziertes, potentiell unfaires und abhängig machendes System, in dem die Ausformung der derzeitigen Familienbeihilfe Teil der Problematik ist. Dritter Akt: Es könnte auch anders gehen - Studierende mündig machen. Das Vorbild nordischer Länder in Bezug auf die finanzielle Unterstützung von Studierenden wird immer wieder von StudienvertreterInnen und Medien aufgegriffen. In Dänemark gibt es für alle Studierenden unabhängig vom Alter ein Kontingent an 70 monatlichen Unterstützungen in der Höhe von 5839 dänischen Kronen (entspricht 782 Euro). Falls der/die Studierende noch bei den Eltern wohnt, beträgt die monatliche Unterstützung 337 Euro. Die 70 monatlichen Unterstützungen entsprechen knapp sechs Jahren Ausbildungszeit. Über diese können Studierende frei verfügen, die Unterstützungsleistung also auch aussetzen. Im Unterschied zu Österreich zählt das Grundstipendium in Dänemark zum steuerpflichtigen Einkommen. Von den oben genannten Beträgen fallen je nach Höhe also noch


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Beträge im Bereich bis zu 100 Euro pro Monat weg. Bei zusätzlichen Nebenverdiensten addieren sich die Einkommen und werden gesamt besteuert. Für diese zentrale Unterstützungsleistung für Studierende (gemeinsam mit zusätzlichen Zahlungen für Studierende mit körperlichen Beeinträchtigungen oder studierende Eltern) gibt Dänemark pro Jahr etwas weniger als 1,5 Milliarden Euro aus. Das ist eine Menge Geld, die Dänemark dafür in die Hände nimmt, aber wie in zahlreichen Studien durch die OECD gezeigt, rentiert sich der finanzielle Aufwand für Studierende, da sie im späteren Berufsleben durch überdurchschnittliche Einkommen auch höher besteuert werden und dadurch nicht nur die Kosten für das Studium und die finanzielle Unterstützung gedeckt sind, sondern sogar noch Mittel für weitere Umverteilung übrig bleiben. In Österreich wird der Löwenanteil der Unterstützungsleistungen an Studierende über die drei bereits genannten Instrumente Studienbeihilfe, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag geleistet. Im Budget 2013 waren dabei insgesamt 195 Millionen Euro für die Studienbeihilfe vorgesehen, wobei nur ca. 185,5 Millionen Euro tatsächlich ausbezahlt worden sind. Zusätzliche Studienförderungsmaßnahmen wie Fahrtkostenzuschuss, Studienabschlussstipendium, etc. sind in diesen Beträgen jedoch nicht inkludiert. Gleichzeitig haben im Jahr 2013 im Durchschnitt 103.000 Studie-

rende Familienbeihilfe bezogen, was auf 12 Monate und den Betrag von 152,70 Euro monatlich Ausgaben von ca. 190 Millionen Euro bedeutet (das Finanzministerium beziffert die Zahl als an die 200 Millionen Euro gehend). Wiederum ist hier zu berücksichtigen, dass andere Leistungen des Familienlastenausgleichsfonds für Studierende, wie z.B. das Kinderbetreuungsgeld, hier nicht inbegriffen sind. An die Auszahlung der Familienbeihilfe bindet sich auch der Kinderabsetzbetrag. Verwendet man die gleiche Anzahl an Anspruchsberechtigten, so kommt man für 2013 auf Ausgaben von etwas mehr als 70 Millionen Euro. Zusammengerechnet kommen die drei Unterstützungen auf etwas weniger als 450 Millionen Euro. Gibt man noch eine Reserve für hier nicht inkludierte Ausgaben hinzu, so kann man von ca. 500 Millionen Euro sprechen, die die Republik Österreich jährlich für die finanzielle Unterstützung von Studierenden ausgibt. Nur zum Vergleich: Die Gesamtausgaben für Pensionsleistungen haben in Österreich laut Statistik Austria im Jahr 2012 ca. 46 Milliarden Euro ausgemacht. Geht man nun von ca. 208.000 ordentlichen österreichischen Studierenden aus (Zahl aus dem Jahr 2012), wovon aktuell 18% noch bei ihren Eltern wohnen (Daten aus 2011), so würde sich der notwendige jährliche Gesamtbetrag zur Finanzierung eines Grundstipendiums unter Verwendung der dänischen Zahlen auf ca. 1,75 Milliarden Euro belaufen. Obwohl Dänemark ca. 3 Millionen EinwohnerInnen weniger hat als Österreich liegen die Ausgaben dort nur unwesentlich darunter. Eine solch radikale Änderung der Studierendenförderung, wie sie hier vorgeschlagen wird, ist in Zeiten fehlender Reformen des Steuersystems und den Nachwirkungen der Wirtschaftskrise natürlich großen Widerständen ausgesetzt. Die mit 1. März 2014 in Kraft getretenen Steuererhöhungen, die vor allem unelastische Steuern treffen (z.B. Zigaretten und Alkohol) sollen in Zukunft pro Jahr ca. 1,2 Milliarden ins Budget spülen. Mit etwas mehr Vision könnte man dieses Geld 1:1 für den Aufbau eines Grundstipendiums nach dänischem Vorbild verwenden. Die Minierhöhung der Familienbeihilfe über die nächsten fünf Jahre betoniert uns die Füße nur weiter ein, das bestehende System wird damit weiter einzementiert. Um die österreichischen Studierenden mündig und abhängig zu machen, benötigt es einen Vorschlaghammer. Die Familienbeihilfe von der Studierendenförderung abtrennen, aus drei Förderungssystemen ein zentrales machen. Und Mut dazu haben, Geld für eine Investition in die Hand zu nehmen, welche die harte Arbeit Studierender anerkennt, den Bildungsstandort Österreich aufwertet und spätestens in ein paar Jahren Rendite für den Staat abwirft.

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ver Fleisch sus

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Marie Schulz

Die einen ekeln sich davor, die anderen könnten sich einen Tag ohne nicht vorstellen – Fleisch, ein Lebensmittel, das polarisiert. Trotzdem entschließen sich immer mehr Menschen dazu, fleischlos oder gar vegan zu leben. Eine Diskussion rund um Tierhaltung, Lebensmittelkonzerne und Genuss.

Weltuntergangsstimmung. Mein Blutzuckerspiegel nähert sich gnadenlos einem historischen Tiefpunkt, mein leerer Magen gibt bereits Geräusche von sich, die viel eher an einen brüllenden Bären als an ein Verdauungsorgan erinnern. Als der Kellner schließlich nach gefühlten hundert Stunden endlich das blutige 300-Gramm-Steak vor meiner Nase absetzt, ist die Welt plötzlich wieder in Ordnung. Saftig zergeht das Rinderfilet buchstäblich auf meiner Zunge. So fühlt sich also der Himmel auf Erden an. Am Nebentisch knabbern ein paar RestaurantbesucherInnen an Salat und Käse – jedoch nicht ohne alle paar Sekunden einen sehnsüchtigen, sich verzehrenden Blick in die Richtung meines Tellers zu werfen. Fleischkonsum ist doch eigentlich eines der natürlichsten Dinge der Welt. So sind Homo Erectus, Homo Sapiens und Co. von Anfang an wilden Tieren hinterhergejagt, um etwas zwischen die Zähne zu bekommen – sehr nett fanden das die Tiere bestimmt auch damals nicht. Aber klar – heute reicht zur Nahrungsbeschaffung der Gang in den Supermarkt und es ist nicht mehr unbedingt nötig, Fleisch zu essen, um satt zu werden. Trotzdem wäre das Leben doch nur halb so lebenswert, wenn sich nicht alle paar Tage ein Stück totes Tier in jemandes Pfanne verirren würde, oder? Ganz ohne schlechtes Gewissen funktioniert der uneingeschränkte Fleischkonsum aber nicht so ganz. So regen Aufklärungs-Dokus wie „We feed the World“ oder im Internet kursierende Fotos von ausgehungerten, verwahrlosten Nutztieren doch zum Nachdenken an. Ist es in Ordnung, dass Tiere für menschlichen Genuss getötet werden? Sind Vege-

tarierInnen oder VeganerInnen bessere Menschen? Vielleicht. Trotzdem würden Teile der Lebensmittelindustrie regelrecht zusammenbrechen, wenn wir plötzlich alle fleischlos leben würden. So zum Beispiel die Milchindustrie. Kühe können schließlich nur Milch geben, wenn sie gerade Nachwuchs bekommen. Würden die daraus resultierenden Kälber später einfach nicht mehr geschlachtet und gegessen werden, gäbe es irgendwann wahrscheinlich mehr Kühe als Menschen. Das würde uns auf jeden Fall vor viele neue Herausforderungen stellen. Außerdem würde man bei ausbleibendem Fleischkonsum der Menschheit so viel neue Anbaufläche für Soja und ähnliche Fleischersatzprodukte benötigen, dass sich an der Situation unserer Regenwälder genau nichts ändern würde – so viel besser wäre eine fleischlose Welt also auch nicht. Es geht in der gesamten Fleisch-Diskussion für mich sowieso mehr um das wie als um das ob. So spielt doch vor allem die Haltung der Tiere eine große Rolle. Während jene, die in Massentierhaltung leben müssen, ein kurzes, grauenvolles Leben haben, finde ich es durchaus vertretbar, hier und da eine glückliche Kuh vom Bauernhof nebenan zu essen, die ihr ganzes, wenn auch kurzes, Leben glücklich auf einer Weide herumgaloppiert ist. Glückliches Fleisch von glücklichen Tieren zu kaufen geht zwar sicher mehr ins Geld als Billigfleisch vom Discounter – schmeckt aber auch besser – und macht nebenbei definitiv ein besseres Gewissen. Klar, zu viel Fleischkonsum ist ungesund. Klar, Tiere müssen für meinen Geschmacksknospenorgasmus sterben. Trotzdem: Ein Leben ohne Fleisch wäre für mich nicht lebenswert!

Fleischkonsum ist doch eigentlich eines der natürlichsten Dinge der Welt. So sind Homo Erectus, Homo Sapiens und Co. von Anfang an wilden Tieren hinterhergejagt.


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contra Caroline Huber

„Am nächsten Morgen begegnete sie mir im Nachthemd und mit Sonnenbrille im Hausflur, da war ich mir sicher, dass da etwas nicht in Ordnung ist.“

Außerdem sind negative gesundheitliche Folgen von Fleischkonsum nicht auszuschließen. Der Verzehr von rotem Fleisch erhöht beispielsweise das Herzinfarktsowie Krebsrisiko.

Fleischlose Ernährung ist schon lange kein Nischenthema mehr. Rund 9% aller ÖsterreicherInnen ernähren sich entweder vegan oder vegetarisch. Die Zahl stieg in den letzten zehn Jahren rapide an. Die Gründe für den Verzicht von Fleisch sind vielfältig und manchmal auch durch einen ungesund-diätären Lebensstil der modernen Gesellschaft begründet. Für viele kritische KonsumentInnen spielt die tierrechtliche Komponente beim Verzicht auf Fleisch oder tierische Produkte eine wesentliche Rolle. Die Missstände, insbesondere in der Massenproduktion tierischer Lebensmittel, sind zweifellos bedenklich. Im Mittelpunkt steht aber die Hervorhebung von Tieren als leidensfähige Lebewesen, welche durch die Nutztierhaltung in der Fleisch- und Milchproduktion ausgebeutet und oft grausam gehalten und getötet werden. Im Grunde ist es so, dass die meisten von uns die Bilder von katastrophalen Zuständen, wie etwa den der industriellen Legehennenhaltung, aus Funk und Fernsehen kennen. Sie werden allzu gern verdrängt, sind im Alltag nicht präsent und somit bei vielen Menschen nicht handlungswirksam. Grund ist die „Auslagerung“ der Schlachtfabriken in die Peripherie, abseits unserer Gesellschaft. Und mal ehrlich, eigentlich wollen wir nicht wissen, wie der Inhalt einer Wurstsemmel oder das Steak auf unserem Teller zustande kam. Den meisten ÖsterreicherInnen ist die Herkunft der Wurstsemmel leider sprichwörtlich wurscht. Hinsehen, Sensibilisierung und bewusst Handeln wie etwa durch den Verzicht von Fleisch, hat übrigens häufig eine reinigende Wirkung auf die Psyche und boykottiert die bestialische Behandlung von Tieren. Das Bewusstsein für die Umwelt ist ein weiterer Grund, Fleisch aus der Ernährung zu streichen. Die Freisetzung von Methan bei der Rinderzucht oder die Energieverschwendung, welche durch den Transport und die Küh-

lung von Fleisch verursacht wird, sind wesentliche Faktoren des Treibhauseffektes. Jährlich werden Waldflächen in der Größe von 45 Millionen Fußballfeldern für den Futtermittelanbau gerodet. Auch wenn sich hier das Argument bringen ließe, dass „glückliche“ Kühe eigentlich eh kein Getreide zu fressen brauchten, ist sie nicht gerade nachhaltig, diese industrielle Fleischwirtschaft. Der gesundheitliche Aspekt ist umstritten. So argumentieren manche BefürworterInnen fleischreicher Ernährung, dass der Verzicht von Fleisch zu einem Mangel an wichtigen Nährstoffen führe, da Fleisch Lieferant für Eisen, Eiweiß und Vitamin B12 ist. Diese Befürchtungen sind bei einer ausgewogenen fleischlosen Ernährung allerdings unbegründet. Wichtige Vitalstoffe und Vitamine können durch den Verzehr von Hülsenfrüchten, Gemüse, verschiedenen naturbelassenen Getreidesorten etc. aufgenommen werden. VeganerInnen können zu Sesam oder Mandeln greifen, um einem Kalziummangel vorzubeugen. Außerdem sind negative gesundheitliche Folgen von Fleischkonsum nicht auszuschließen. Der Verzehr von rotem Fleisch erhöht beispielsweise das Herzinfarktsowie Krebsrisiko. Bei weißem Fleisch wie Huhn und Pute ist dies zwar nicht der Fall, jedoch ist dieses oft stark hormonbelastet. Ganz abgesehen davon, dass einfach nicht gesund sein kann, was unter Folter produziert worden ist. Freilich ist jeder Mensch souverän und kann über die eigene Ernährung selbst entscheiden – kann sich also auch von seiner fleischlastigen Umgebung abwenden und eigene Wege gehen! Der Schritt zur fleischlosen Ernährung ist zwar anfangs oft ein großer und bedarf sicher eines gewissen Maßes an Selbstdisziplin, zahlt sich aber längerfristig persönlich und für die Umwelt aus. Und: Vegetarische Gerichte sind unbestreitbar köstlich!

*Aus „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren


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politik & gesellschaft © IESM (Flickr)

Das unfairhandelbare TTIP TTIP – klingt erstmal unscheinbar, hat es aber in sich. Das „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ befindet sich seit 2013 in Verhandlung. Dabei handelt es sich um nichts weniger als das Entstehen der größten, bilateralen Freihandelszone der Welt. Doch was bedeutet das für uns und welche Auswirkungen hätte das Abkommen auf die Umwelt und VerbraucherInnen? Von Carolina Huber und Selina Bege Das TTIP wird im Auftrag der Europäischen Kommission von den RegierungschefInnen der EU verhandelt. Als offizielle Ziele des TTIP werden auf der Homepage Europäischen Kommission Wirtschaftswachstum, Abschaffung von Zöllen und Arbeitsplatzvermehrung genannt, welche mit der Angleichung der jeweiligen Gesetze beider Wirtschaftsregionen (EU und USA) und der Stärkung von Investorenrechten erreicht werden. Die Ebnung der gesetzlichen Standards für das Freihandelsabkommen und die fokussierten ökonomischen Ziele sind jedoch Wegbereiter für einen ganzen Rattenschwanz an Konsequenzen. Ohne eine umfassende, unabhängige Nachhaltigkeitsprüfung der Kommission drohen laut einem Positionspapier1 verschiedener NGOs viele Gefahren, die uns alle betreffen: Einräumung von Klagerechten für Konzerne Im Rahmen des TTIP würden den US-Konzernen Klagerechte gegen die europäischen Umwelt-

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und Sozialgesetze eingeräumt werden. Das würde bedeuten, dass zum Beispiel Coca Cola derselben Status wie ein vermeintlich souveräner Staat eingeräumt werden würde! Insbesondere die EU fordert Sonderklagerechte für Unternehmen im Rahmen des so genannten „Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit“. Diese unterlaufen jedoch grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates, denn derartige Schiedsgerichte sind „Schattengerichte“, die im Geheimen entscheiden, ob Standards gegenseitig anerkannt werden. Nehmen wir beispielsweise an, Österreich verabschiedet ein Gesetz im Bereich Grenzwerte eines gesundheitsschädlichen Stoffes in Lebensmitteln. Ein Unternehmen muss auf Grund dieses Gesetzes ein Produkt, in welchem dieser Grenzwert überschritten wird, vom Markt nehmen. Das Unternehmen hätte nun die Möglichkeit, die Republik Österreich durch Verletzung des Freihandelsabkommens zu klagen. Österreich müsste dann das Produkt zulassen und Strafe an das Unternehmen zahlen.

1: Aufzurufen unter: http:// www.forumue.de/fileadmin/ userupload/AG_Handel/pospap_ttip_fin.pdf


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Die Untergrabung des Vorsorge- und Verursacherprinzips Bereits in Europa bestehende oder geplante Maßnahmen und Regeln bezüglich des Klima- und Umweltschutzes, wie beispielsweise „die Kennzeichnung von Gentechnik-Lebensmitteln“, „EU-Chemikalienrichtwerte REACH und der EURO-Norm für Auto-Emissionswerte“ sowie die „EU-Strategie zur Begrenzung der von Kunststoffen ausgehenden Umweltgefahren“ könnten unter dem Vorwand eines Handelshindernisses abgeschafft oder aufgeweicht werden. Die Befürchtung, dass niedrige Standards, wie genmanipuliertes Fleisch und chemisch verseuchtes Gemüse, aufgrund von nicht verzollten und unversteuerten Gütern zur Norm werden, spitzt sich besonders bei dem Thema Gasgewinnung durch „Fracking“2 zu. Eine Förderung umweltschädlicher Produktionsverfahren durch ein Freihandelsabkommen wird eine der indirekten, jedoch eklatanten Folgen sein. Die Verdrängung kleinbäuerlicher und ökologischer Landwirtschaft Angesichts der in den USA legalen Verabreichung von Hormonen bei der Tierfütterung, der gängige Verkauf von Klon-Fleisch und chlorgebleichtem Geflügelfleisch sowie gentechnisch veränderter Pflanzen ohne „stringentes Zulassungsverfahren“ oder „Kennzeichnungspflicht“ wird die Unvereinbarkeit der Normen der europäischen Kleinbauern und der US-amerikanischen Industrie ersichtlich. Ebenfalls problematisch ist sind die nicht deckungsgleichen Patent- und Haftungsrechte, denn durch etwaige Unterschiede wächst die Gefahr, dass „Agrar-Exportschlachten zu Dumpingpreisen“ künftig an der Tagesordnung stehen. Weder für die Bauern noch für die KonsumentInnen Europas birgt das TTIP Vorteile. Untergrabung der europäischen Normen Ohne die europäischen Standards als Grundlage aller Verhandlungen, würden der hohe Verbraucherschutz und die Gesundheitsprinzipien dramatisch an Wert verlieren. Die vorgeschrieben Kennzeichnungspflicht darf nicht untergraben werden. Bedrohung der Arbeits- und Menschenrechte Das bevorzugte Argument der Arbeitsplatzschaffung durch das TTIP rückt bei Betrachtung bestehender Freihandelsabkommen wie dem NAFTA-Vertrag (USA-Kanada-Mexiko) in ein zweifelhaftes Licht. Wie bei diesen Abkommen ersichtlich

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ist, hatte die Änderung der bestehenden Gesetze eher das Gegenteil bewirkt. Gewerkschaften beklagen „Arbeitsplatzverluste in der Industrie, sinkende Löhne, Unterlaufen vor Arbeitsmindeststandards und wachsende Einkommensunterschiede als Folge des Freihandels“3. Unter dieser Annahme wären innerhalb der EU Massenarbeitslosigkeit, Druck auf Löhne und die Ausweitung prekärer Beschäftigung die Folgen schwacher Sozialstandards im liberalisierten Binnenmarkt. Vormachtstellung und Privatisierung Durch das TTIP wird die Vormachtstellung Europas und der USA verdeutlicht. Aufstrebende Schwellen- und Entwicklungsländer werden aufgrund ihrer geringen Wettbewerbsfähigkeit abgedrängt und verlieren an Marktanteilen. Dies würde ein massives Verstoßen gegen die internationale Solidarität und Kooperation darstellen. Zusätzlich sind Maßnahmen zur Privatisierung zu erwarten. Hiermit würde eine wirtschaftlich-globale Monopolstellung angestrebt werden, welche fatale Auswirkungen auf alle anderen Länder, die Hebung der Preise und die Senkung der Qualität zur Folge hätte. Neben den bereits angeführten Gefahren für den Umwelt- und VerbraucherInnenschutz gibt es eine weitere skandalöse Problematik. Die Bedingungen, unter denen die Verhandlungen geführt werden, können nur als Farce bezeichnet werden und zeigen die Schwachstellen der bürgerlichen Demokratie auf. Die Verhandlungen werden großteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt und auch im Vorfeld hatten überwiegend nur LobbyistInnen internationaler, großer Konzerne Mitspracherecht. Das Europäische Parlament wird zwar über Fortschritte informiert, ist jedoch gleichzeitig zur Geheimhaltung verpflichtet. Nationale Parlamente hingegen sind weder ausreichend informiert noch in die Verhandlungen eingebunden. Einige NGOs und zivilgesellschaftliche Gruppierungen machen derzeit gegen das TTIP mobil und so gelang es durch deren hartnäckigen Einsatz, einige Dokumente zu veröffentlichen. Doch was kann im Kleinen gemacht werden, um sich gegen ein Aufzwingen des Abkommens zu wehren und mehr Mitbestimmung einzufordern? Es gibt bereits sehr weitreichende Petitionen mit tausenden UnterzeichnerInnen, wie beispielsweise auf der Homepage freihandelsabkommen.at. Auch bei den Europawahlen im Mai diesen Jahres haben BürgerInnen die Möglichkeit, über die Richtung der zukünftigen Verhandlungen des TTIP mitzubestimmen!4

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2: Beim Fracking wird fünf Kilometer in den Boden gebohrt und unter Druck ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und Chemikalien in das Bohrloch gepumpt. Dadurch können Erdöl und Erdgas aus den Rissen des Reservoirgesteins gewonnen werden. Fracking birgt viele Risiken, wie z.B. verseuchtes Grundwasser, zerstörte Landstriche, den Austritt von Erdgas in die Atmosphäre oder die Gefahr künstlicher Erdbeben.

3: http://www.forumue. de/fileadmin/userupload/ AG_Handel/pospap_ttip_fin. pdf, S. 2

4: Neben dem TTIP wird aktuell auch das weniger bekannte TISA diskutiert, welche nationale Dienstleitungen internationalen Investoren öffnen kann. Auch diese Wegebnung zur Liberalisierung und Privatisierung ist äußerst kritisch zu betrachten.


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„Die Medienzensur bekämpfen“ © Vladimir Larin


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Unser Interviewpartner Vladimir Larin ist Journalist und Sozialdemokrat. Er musste nach dem Putsch aus Kiew fliehen und befand sich einige Zeit in Österreich. Hier hat er in mehreren Städten Vorträge gehalten, um über die Situation in der Ukraine aufzuklären und zu diskutieren. So auf Einladung der Partei der Arbeit auch im „Denkmal Salzburg“, was wir am 13. März als Gelegenheit genutzt haben, um ein Interview mit ihm zu führen. Du bist jetzt in Österreich – aber nicht ganz freiwillig? Ja, ich musste mein Haus verlassen, da es richtig gefährlich wurde für Leute, die sich gegen die neue Regierung stellen. Ich bekomme viele Drohungen. Meine Freundin hat mir erzählt, als ich schon in Wien war, dass Unbekannte angerufen haben und gefragt haben wo ich bin. Zwei Freunde sind von Bewaffneten aufgesucht worden und haben auch gefragt, wo ich bin. Viele Journalisten und Antimaidan-Aktivisten werden gesucht oder wurden bereits verletzt und können einfach nicht ruhig in Kiew bleiben. Die meisten sind daher schon weggefahren. Ich bekomme diese Drohungen weil ich gegen die falsche Regierung bin und ein Medienprojekt gestartet habe, wo wir zeigen, wie das gemacht wird, wenn demonstriert wird, wo wir Videomaterial darüber anbieten, und solche Materialien übersetzen. Das ist heute sehr gefährlich.

Warum bist du gegen die neue Regierung? Diese neue Regierung ist wieder nur eine neue Banditenregierung. Das war die alte zwar auch, aber da war es trotzdem möglich, eine andere Meinung zu vertreten. Heute ist es im Westen der Ukraine so, dass Leute mit anderer Meinung ihre Meinung nicht sagen können: Die Partei der Regionen, die kommunistische Partei, die russische Sprache werden unterdrückt. Außerdem befindet sich die faschistische Partei Swoboda jetzt mit in der Regierung. Aber die größte Gefahr kommt eigentlich vom Rechten Sektor. Anfangs war der Rechte Sektor keine eigenständige Organisation, aber da waren viele Faschisten von anderen Organisationen, die sich zusammengetan haben und zur wirklichen Schlagkraft des Maidan wurden. Er ist inzwischen als eine Partei registriert und ich glaube, dass sie bei den Wahlen sehr stark werden könnte.

Die Drohungen bekommst du also deshalb, nicht weil du Sozialdemokrat bist? Ja. Es ist aber auch gefährlich, wenn man Aktivist einer Oppositionspartei ist. Zum Beispiel wenn man Aktivist der Kommunistischen Partei oder der Partei der Regionen ist. Die Büros dieser Parteien werden einfach zerstört, im Zentrum und im Westen der Ukraine. Die Aktivisten werden gesucht und geschlagen. So ist das heute. Außerdem gab es Attacken auf Synagogen in mehreren Regionen und Aktivisten der Swoboda-Partei rufen dazu auf, alle Juden und Russen zu hängen. Im Osten der Ukraine gibt es momentan Sicherheit. Auch da sind aber Provokateure, die auf ein Signal warten.

Kannst du uns ein bisschen was über diesen sogenannte „Euro-Maidan“ erzählen? Losgegangen ist es, als der Präsident Janukowitsch das Assoziierungsabkommen nicht unterzeichnet hat. Das Abkommen hätte für die Ukraine Verschlechterungen bedeutet, etwa die Privatisierung von Kraftwerken und Bergwerken. Für die Leute am Maidan bedeutete das Abkommen, dass man problemlos in die Europäische Union fahren und dort auch arbeiten könnte. Alle hatten die freien Grenzen im Blick, aber das war nur ein kleiner Vorteil neben viel größeren Nachteilen. Euromaidan ist auch ein gutes Schlagwort für die Menschen in der Europäischen Union. Hier glauben


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© snamess (Flickr)

© Jordi Bernabeu (Flickr)

bis heute die meisten, dass alle Leute in der Ukraine für die Europäische Union und für die Integration mit der EU wären. In Wirklichkeit hat die Idee des Euromaidan nur etwa eine Woche gehalten, danach wurde er aber zu einer Marke für die damalige Opposition, um eben so zu tun, als wären alle für die Europäische Union. Natürlich wollten viele Leute, die auf dem Maidan waren, wirkliche Verbesserungen für das Land und haben friedlich dafür protestiert. Aber sie wurden betrogen von der alten Opposition, also von der neuen Regierung, denn die versprachen Verbesserungen, aber in Wirklichkeit haben wir jetzt nur statt der alten Diebe neue Diebe. Außerdem gab es eben auch die Kräfte wie den Rechten Sektor am Maidan, die immer stärker wurden. Die Absetzung des Präsidenten wurde nicht korrekt gemacht. Bis heute ist Janukowitsch daher der legitime Präsident. Auch deshalb protestieren viele Leute gegen die neue, illegitime Regierung, vor allem auf der Krim und im Osten der Ukraine. Vom Westen der Ukraine weiß ich es nicht genau, denn es ist schwierig, von dort Informationen zu bekommen. Die Ukraine ist inzwischen geteilt: Der Westen wird kontrolliert von der neuen Regierung, der Osten und die Krim stellen sich dagegen.

Warum erkennt die EU die neue Regierung an? Ich verstehe es auch nicht ganz, es würde mich auch interessieren. Die EU-Mitglieder Frankreich, Deutschland und Polen haben die Vereinbarung für Frieden in der Ukraine mit Janukowitsch und der damaligen Opposition unterschrieben. Gleich am nächsten Tag hat der Putsch stattgefunden. Janukowitsch hat die Polizei brutal auf die friedlichen DemonstrantInnen losgelassen – zumindest wenn man den westlichen Medien glaubt. Wie hast du das erlebt? Ich war selbst einige Male am Maidan. In den deutschen Medien, und auch in den österreichischen, wurde immer nur eine Seite gezeigt. Man hat immer nur Ausschnitte gezeigt. Die sogenannten friedlichen Demonstranten haben Molotow-Cocktails und Steine geworfen und schlagen zu. Das wird nicht gezeigt, sondern nur die Reaktion der Polizei auf diese Demonstranten. Wie siehst du die Rolle von Russland in diesem Konflikt? Putin ist nicht der Aggressor. Wenn die Opposition von Kiew die EU um Hilfe bittet, dann soll das okay sein. Aber wenn die Leute von der Krim Russland um Hilfe bitten, dann soll das schrecklich sein. Warum geht das


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Kriegsstimmung in Europa 100 Jahre werden es heuer, seit sich Europa in die sogenannte „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ gestürzt hat. Die aktuellen Vorgänge rund um die Ukraine zeigen wieder einmal, dass man nichts aus der Geschichte lernt, wenn man nicht will. Kommentar von Stefan Klingersberger

so? Auf der Krim war ja immer schon die Militärbasis von Russland. Jetzt sind viele Soldaten nicht in diesen Militärbasen, sondern auch außerhalb. Sie tragen kein Abzeichen. Ich denke, das ist ein Spiel von Putin. Wenn die Extremisten in Kiew vom Westen friedliche Demonstranten genannt werden, dann nennt Putin diese Soldaten ohne Abzeichen Volksverteidigungskräfte. Aber der große Aggressor sind die USA. Dafür gibt es ja schon viele Beispiele aus aller Welt. Der Medienkrieg in der Ukraine war vorbereitet und bezahlt von den USA. Die US-Botschafterin Victoria Nuland hat gesagt, dass die USA 5 Milliarden Dollar in die „Demokratisierung“ der Ukraine investiert haben. Außerdem sind pro Woche 20 Millionen Dollar in die Finanzierung des Maidan geflossen. Viel ist auch bezahlt durch ukrainische Oligarchen. Sie unterstützen auch die neue Regierung. Einer der Oligarchen unterstützt auch den Rechten Sektor, manche sagen, dass Poroschenko dadurch zum Präsidenten werden möchte. Ein anderer unterstützt Swoboda. Wie glaubst du wird es in der Ukraine jetzt weitergehen? Ich sehe zwei Varianten. Erstens eine schlechte Föderation, wo viele einander hassen. Das wäre ein Problem für den Westen der Ukraine, weil es da nur eine schwache Wirtschaft gibt. Die zweite Variante wäre die Teilung der Ukraine, wo der Osten mit Russland und der Westen mit der EU assoziiert ist. Vielleicht gibt es noch eine dritte Variante, aber die wäre zu schrecklich, nämlich dass das alles jetzt der Beginn eines dritten Weltkriegs ist. Hoffen wir nicht. Mir scheint leider, die USA brauchen einen Krieg. Ich denke man sollte ein Referendum machen. Das war im letzten Jahr ein Projekt von der Kommunistischen Partei im Parlament, sie wollten, dass politische Konflikte mit Referenden gelöst wer-

Noch hat sich der Konflikt um die Ukraine nicht zu einem Krieg ausgeweitet, aber wir befinden uns in einer Situation, in der sich das schnell ändern kann. Die Kriegsrhetorik in Politik und Medien ist vor allem auf Seiten der Aggressoren EU, USA und ihrer ukrainischen Verbündeten derart festgefahren, dass kaum mehr ein diplomatischer Ausweg aus der Krise möglich scheint. Die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, es könnte sich in der Ukraine wiederholen, was der russischen Diplomatie vergangenen Sommer in Syrien gelungen ist, nämlich in letzter Minute eine NATO-Intervention zu verhindern und die westlichen Kriegstreiber an den Verhandlungstisch zurückzuholen – die Lage scheint aber noch vielfach zugespitzter zu sein als damals. Wir sind wir und die sind der Feind. Die Kriegsstimmung wird mit den üblichen Mustern angeheizt: Was für einen selbst erlaubt ist, ist für den Anderen verboten. Was der Einsatz für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte ist, wenn man es selbst macht, ist völkerrechtswidrige Einmischung, wenn es der Andere macht. Was objektive Berichterstattung ist, wenn sie von einem selbst kommt, ist von harten Interessen geleitete, bloße Propaganda, wenn sie vom Anderen kommt. Aber: Einen Unterschied gibt es halt jeweils doch, der sich konsequent durch all solche Fälle zieht, und der ist entscheidend: Wir sind wir und die sind der Feind! Der Verfasser dieser Zeilen hat eine klare Meinung darüber, wer die Aggressoren in diesem Konflikt sind, aber soviel ist klar: Auch die russischen Medien können nicht für bare Münze genommen werden. Es sei daher jeder und jede dazu angehalten, sich ein allseitiges Bild von den Vorgängen in der und um die Ukraine zu machen. Nur wenn die Menschen „alle Seiten sehen, können sie selber nachdenken, was richtig ist“, meinte dazu der ukrainische Journalist Vladimir Larin in unserem Interview. Zum Zwecke einer richtigen Interpretation ist das allerdings nur in Verbindung mit geschichtsphilosophischen Überlegungen über den Charakter unserer Epoche und auf Basis einer Analyse des momentan nahezu weltumspannenden kapitalistischen Wirtschaftssystems möglich. Für Frieden kämpfen heißt EU zerschlagen. Das zentrale Dogma, dem sich die Massenmedien und fast alle politischen Strömungen bis hin zur angeblichen Linken willfährig unterwerfen, ist das Märchen von der EU als einem Friedens- und Demokratieprojekt. Auch der LINKE-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi – der zwar immer schon zum rechten Flügel der Partei gehört hat, welcher halt aber auch dominierend ist – wagt es in diesem Zusammenhang lediglich, von Fehlern der EU und der NATO zu labern. Er traut sich nicht zu benennen oder weiß selbst nicht mehr, was vielen an der Parteibasis völlig klar ist: Dass die EU und die NATO keine Fehler gemacht haben, sondern selbst die Fehler sind. Es sind imperialistische Zweckbündnisse zur Unterdrückung nach innen und zur Aggression nach außen. Dass die Waffen in beide Richtungen mit lieben Blümchen bemalt sind, ändert nur dem Schein nach etwas. Auf die oberflächlichen Vorteile der „Europäischen Integration“ fallen aber ohnehin viel weniger Menschen herein als manche glauben würden – das kann man dem „Eurobarometer“ sehr wohl entnehmen. ArbeiterInnen sind diesbezüglich oftmals weniger naiv als StudentInnen und AkademikerInnen. Noch ausständig ist, dass sich Skepsis in Widerstand verwandelt. Wer Frieden will, wird über kurz oder lang nicht daran vorbeikommen, die EU zu zerschlagen, die den Krieg in sich trägt wie die Wolke den Regen. Gemeinsam mit den USA ist sie hauptverantwortlich für die Krise in der Ukraine, durch die Faschisten zentrale Machtpositionen einnehmen konnten und der ganze Westen des Landes ins Chaos gestürzt wurde.


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den, aber niemand sonst hat zugestimmt. Der erste Punkt meiner NGO „Ukrainische Wahl“ ist auch ein Referendum. In diesem Referendum sollte man viele verschiedene Fragen stellen, zum Beispiel nach dem Regierungssystem, nach Nationalitätenfragen und der Frage nach den Amtssprachen. Man würde auch verschiedene lokale Referenden brauchen. In unserer Verfassung steht, dass jeder Mensch eine Stimme hat – ein Referendum wäre dafür die adäquate Form, und es wäre eine friedliche Variante. Die falsche Regierung wird das aber sicher nicht machen. Die interessiert sich nicht für die Meinung der Leute, sondern sie verfolgt eigene Interessen. Was können wir im Westen tun? Veranstaltungen, Diskussionen, Medienarbeit – Aufklärung darüber leisten, was wirklich passiert. Wenn die Leute nur eine Seite sehen, die in den westlichen Medien gezeigt wird, denken sie, das stimmt so, aber wenn sie alle Seiten sehen, können sie selber nachdenken, was richtig ist. Man muss gegen die Medienzensur kämpfen. Gibt es etwas, das du uns noch sagen möchtest? Der größte Mist kommt aus den Medien. Die Medien in der Ukraine gehören natürlich auch Oligarchen. Einen Kanal gibt es, der gehört zwar auch einem Oligarchen, aber der zeigt die andere Seite auch ein wenig. Auf diesen Sender gibt es jetzt aber viele Attacken. Auch Zeitungen müssen wegen den Gefahren eingestellt werden. Es gibt keine Medienfreiheit mehr in der Ukraine. Wichtig ist noch zu verstehen, dass AntimaidanAktivisten nicht für Janukowitsch sind. Es gibt viele Leute, die sind gegen Janukowitsch, sie finden ihn nicht gut, aber sie verstehen, dass er der legitime Präsident ist. Hier im Westen glaubt man oft, dass alle, die gegen den Maidan sind, automatisch für Janukowitsch sind. Das ist nicht so.

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„Corrective Rape?!“das wahre Unwort des Jahres Als „Corrective Rape“ (zu Deutsch: „korrigierende Vergewaltigung“, „Korrekturvergewaltigung“; wird auch mit „heilende Vergewaltigung“ übersetzt) wird die Vergewaltigung von Lesbischen Frauen durch Männer bezeichnet, welche meinen, sie so von ihrer „Krankheit“ heilen zu müssen. Ignorant ist bereits die Wortwahl, noch viel ignoranter und brutaler die Tat. Von Jennifer Rödl

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amit ein soziales Problem überhaupt zu Sprache kommt, muss zuerst ein bekannter und geliebter Mensch auf tragische Weise sterben: Eudy Simelane, ehemalige Spielmacherin der südafrikanischen Frauennationalmannschaft und bekennende Lesbe, wurde im April 2008 nach einer Massenvergewaltigung durch 25 Messerstiche brutal ermordet. Erst so wurde die Problematik des Corrective Rape auch öffentlich wahrgenommen. Jedoch hatte die mediale Aufmerksamkeit leider auch zur Folge, dass noch mehr Lesben belästigt und missbraucht wurden. Laut einer LGBTI-Selbsthilfegruppe in Kapstadt verzehnfachten (!) sich die Fälle von „Korrekturvergewaltigung“ nach dem tragischen Mord an Simelane. Nach einer Statistik aus dem Jahre 2012 hat sich die Situation sogar verschlechtert: So dokumentieren Anlaufstellen alleine in Kapstadt zehn Fälle von Vergewaltigung und versuchter Vergewaltigung an lesbischen Frauen JEDE WOCHE! Auch vor dem Mord an Eudy gab es zumindest 31 dokumentierte Hassmorde an lesbischen Frauen, jedoch kam es in keinem der Fälle zu einer Verurteilung. Insofern war der Fall Simelane auch richtungsweisend, da zumindest zwei der Täter für die Vergewaltigung verurteilt wurden. Zynischerweise erwähnte der Richter, dass „die sexuelle Ausrichtung von Eudy Simelane bei ihrem Mord keine Rolle gespielt“ habe. Oh rainbow nation, where are you going…?1 Dabei ist Südafrika in Bezug auf die Homosexuellenrechte ein Vorzeigeland: Die Verfassung des demokratischen Südafrikas war die erste Verfassung der Welt, die eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung verbot (1996). Am 1. Dezember 2006 schrieb das Land Geschichte, indem es als fünftes Land der Welt und erstes Land in Afrika die Ehe für gleichgeschlechtliche PartnerInnen öffnete. Klarerweise ist anzuerkennen, dass diese Bemühungen im Besonderen auf Nelson Mandelas Politik des Friedens und des Respekts zurückgehen. „When someone is a lesbian, it's like saying to us men that we are not good enough,“ antwortete Thulani Bhengu dem BBC auf die Frage, warum es so viele Hassverbrechen gegen lesbische Frauen gäbe. Marc Epprecht (der Autor des Buches „Heterosexual Africa?“2) argumentiert, dass der Ärger über die ökonomische Situation und ihre gesellschaftliche Marginalisierung für viele Männer der Katalysator für die Gewalt gegen lesbische Frauen sei. Indem sich ihre Aggression gegen lesbische Frauen richtet, versichern sie sich ihrer Maskulinität und rechtfertigen ihr Verhalten damit, „richtige Frauen aus ihnen zu machen“.

Für die Township Aktivistin Zanele Muholi besteht das Problem vor allem im Patriarchat: „Die Männer, welche derartige Verbrechen verüben, betrachten die Vergewaltigung als heilend und als einen Versuch, die Frauen auf ihren Platz in der Gesellschaft zu verweisen.“ Homosexualität wird oft als widernatürlich und „unafrikanisch“ klassifiziert: In vielen afrikanischen Ländern ist Homosexualität illegal, wird sogar mit lebenslanger Haftstrafe oder gar Todesstrafe geahndet (Sudan, Mauretanien, Uganda und Nigeria). Es nimmt also kaum Wunder, dass viele Männer zur Selbstjustiz greifen und sich dafür auch noch feiern lassen, da sie ja eine „korrigierende Maßnahme“ setzen. Denn wenn ein Staat durch Gesetze diskriminiert, wieso sollten es dann die Bürger nicht tun (dies gilt übrigens auch bzw. gerade für westliche Staaten)? Speak up! Der „Fall Eudy Simelane“ wurde in deutschsprachigen Medien kaum verfolgt; auch wissen wenige von der Problematik (geschweigen denn vom Begriff ) des „Corrective Rape. Dabei gibt es dieselbe Problematik auch in westlichen Ländern: Es wird versucht, Menschen ihre Homosexualität durch sexuelle Gewalt „auszutreiben“. Durch diskriminierende Gesetze fühlen sich Täter gestärkt und bestätigt, denn wenn der Staat legal diskriminierend wirken darf, warum nicht auch die Bürger. Leider benachteiligen fast alle Länder LGBTI Personen systematisch, und (be)werten Menschen als richtig und falsch. Selbst zu diskriminieren und dennoch zu schreien „eure Diskriminierung ist aber schlimmer!“ führt in den wenigsten Fällen zur Einsicht. In Russland zeigt sich der gesetzliche Rückschritt auch auf gesellschaftlicher Ebene; homosexuelle Menschen werden gekündigt („Schädigung des Allgemeinwohls“) und Bürgerwehren bilden sich, um Jagd auf homosexuelle „Verräter“ zu machen. Insofern versagen viele westliche Staaten, da sie Verbrechen gegen LGBTI Menschen nicht als das benennen, was sie sind: Hassverbrechen. Deshalb ist der Begriff „Corrective Rape auch irreführend, denn: Auch wenn er reflexiv und gewissenhaft verwendet wird, suggeriert er doch, dass es bessere und schlechtere Formen der (sexuellen) Gewalt gäbe. Das entschuldigt die Täter und belastet die Opfer. Es ist an der Zeit, den Mund aufzumachen und die Probleme eindeutiger zu benennen.,. Diese sind mit einer aufgeklärten Demokratie nicht vereinbar. Denn wenn jemand glaubt, einem anderen Menschen legitime, sexuelle Gewalt antun zu dürfen, dann hat irgendwo eine mündige demokratische und politische Bildung versagt.


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Gefahr aus der Deodose? Schaden wir mit dem falschen Deo tatsächlich unserer Gesundheit? Oder ist die Sache mit den angeblich krebserregenden Aluminiumsalzen im Deo nur einer von vielen Alltagsmythen? Einem Mythos auf der Spur. Von Katharina Schmid

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ine Tatsache sei diesem Artikel vorweg gestellt: Ein „Wahr“ oder „Falsch“ gibt es in diesem Fall (noch) nicht. Zu sehr polarisiert das Thema selbst in der Wissenschaft, zu wenige verlässliche Erkenntnisse liegen bisher aus der Forschung vor. Ob Aluminium tatsächlich verantwortlich für bestimmte Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs ist, wurde noch immer nicht ausreichend erforscht. Um ein eindeutiges Ergebnis zu liefern, fehlt es – wie so oft – am Geld für die Forschung. Was genau ist Aluminium und vor allem: Was hat es in meiner Deodose zu suchen? Aluminium ist ein Leichtmetall. Es kommt auf natürliche Weise auch in der Erde vor. Der Mensch nimmt Aluminium täglich in sich auf, sei es über die Nahrung oder das Trinkwasser, oder aber, weil wir aluminiumhaltige Produkte benutzen, etwa Geschirr oder die populäre Alufolie. Solange ein gewisser Wert – die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat diesen auf ein Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Woche geschätzt – nicht überschritten wird, soll das auch nicht weiter schädlich sein. Doch führen wir unserem Körper auf Dauer mehr Aluminium zu, kann dieser es nicht mehr in ausreichendem Maße über die Nieren ausscheiden, was möglicherweise schwerwiegende Folgen für unsere Gesundheit haben könnte. Dass der von der EFSA festgelegte Grenzwert schnell überschritten ist, liegt vor allem daran, dass Aluminium nicht nur über Lebensmittel im weitesten Sinne in unseren Körper gelangt. Auch in Arzneimitteln und Kosmetika ist es fester Bestandteil – sei es in den Farbpigmenten im Lippenstift, als Aluminiumfluorid in der Zahnpasta oder als Aluminiumsalze in Antitranspirantien. Deo oder Antitranspirant – ist das nicht das Gleiche? Nein. Im Unterschied zum Antitranspirant sind im herkömmlichen Deodorant keine Aluminiumsalze enthalten. Diese werden eingesetzt, weil sie die Poren verschließen. Die Hautporen ziehen sich durch die Wirkung der Aluminiumverbindungen zusammen, was dafür sorgt, dass weniger Schweiß abgegeben wird. Deodorants haben diese schweißhemmende Wirkung nicht, sie töten lediglich die


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schweißzersetzenden Bakterien ab, die für den unerwünschten Geruch verantwortlich sind. Und was hat das alles mit Alzheimer oder Krebs zu tun? Es besteht der Verdacht, dass Aluminiumsalze die Alzheimer-Krankheit fördern und sogar Brustkrebs auslösen können. Der Grund: Aluminium wurde sowohl in hoher Konzentration im Blut von Alzheimerpatienten wie auch in Tumorzellen gefunden. Ob Alu Alzheimer verursachen kann, ist wissenschaftlich sehr umstritten. Selbiges gilt für die Tumorbildung. Eine Gruppe britischer Wissenschaftler um Philippa Darbre von der University of Reading legt in ihren Studien einen Zusammenhang zwischen Brustkrebs und Aluminium nahe. Dieser Verdacht begründet sich darauf, dass Dabre in einer 2011 veröffentlichten Studie in der Brustwarzenflüssigkeit von Brustkrebspatientinnen höhere Aluminiumkonzentrationen nachweisen konnte als dies bei gesunden Personen der Fall war. Auch der britische Toxikologe Chris Exley, der seit 1984 zu den Risiken von Aluminium forscht, ist kritisch. Im Arte-Interview wirft er Behörden wie der EFSA vor, dass diese in erster Linie Interessensvertreterinnen der Industrie seien und der Einfluss der Aluminiumlobby auf Regierungen und deren Forschungssubventionen immens sei. „Hätten wir mehr Forschungsgelder, würden wir aufklären können, wie schädlich es [das Aluminium] wirklich ist“, so Exley im Interview. Faktum jedoch ist: Aluminium ist ein Nervengift. Gelangen hohe Mengen davon ins Gehirn, löst es dessen krankhafte Veränderung aus. Bewiesen ist außerdem, dass dieses Metall Knochenstruktur und -bildung beeinflussen kann. In geringen Mengen kann der Körper das Leichtmetall verkraften; zu hohe Mengen überfordern ihn. Als Beweis dafür dürfen die mehr als 20 Krankheiten angesehen werden, die in der wissenschaftlichen Literatur damit in Verbindung gebracht werden, wie Exley weiß. Bei einigen von ihnen wurde ein tatsächlicher Zusammenhang bewiesen, bei der Mehrzahl ist es jedoch bisher bei einem Verdacht geblieben. Der deutsche Krebsinformationsdienst dagegen schlägt bei der Bewertung eines erhöhten Brustkrebsrisikos durch aluminiumhaltige Deodorants

einen beruhigenden Tonfall an. Befeuert werde die Debatte um den Zusammenhang zwischen Aluminium aus Antitranspirantien und anderen Kosmetika und dem Risiko einer Krebserkrankung vor allem durch jene WissenschaftlerInnen, die unmittelbar an diesen Studien beteiligt waren. Dabei handle es sich jedoch um einen relativ kleinen Personenkreis. Eine Mehrzahl anderer WissenschaftlerInnen habe bisher keinen Beweis dafür gefunden, dass Al-Verbindungen das Krebsrisiko erhöhen würden. Dies bestätigt beispielsweise eine Studie brasilianischer WissenschaftlerInnen aus dem Jahr 2013, die keine auffälligen Unterschiede zwischen den Aluminiumwerten von gesundem und erkranktem Brustgewebe nachweisen konnte. Und was heißt das jetzt? Der Tenor der Stimmen zur Aluminiumproblematik beruhigt: Es habe bisher kein kausaler Zusammenhang zwischen der Aufnahme dieses Metalls etwa aus Antitranspiranten und der Entstehung von Brustkrebs oder Alzheimer wissenschaftlich nachgewiesen werden können, betont beispielsweise das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung. Die Datenlage ist dennoch widersprüchlich. Weiterer Forschungsbedarf besteht mit Sicherheit, um die Frage abschließend zu klären. Will man nun nicht gleich ganz verzichten auf sein schweißhemmendes Deospray, das vor allem während der wärmeren Jahreszeiten wieder verlässlich seinen Dienst tun sollte, können ein paar Dinge beachtet werden: Tatsache ist, dass nach einer frischen Rasur oder durch beschädigte Achselhaut ungleich mehr Aluminiumsalze in den Körper aufgenommen werden, deshalb lieber etwas warten mit dem Auftragen, und das Deo nicht unmittelbar nach der Rasur benützen. Und möchte man ganz auf Aluminium im Deo verzichten, schadet ein Blick aufs Kleingedruckte nicht: Aluminium muss als Inhaltsstoff auf dem Produkt angegeben sein. Auch gibt es dazu hilfreiche Apps: Einfach den Strichcode des Produkts einscannen und schon können Informationen zu dessen Inhaltsstoffen abgerufen werden. Es ist auf jeden Fall ratsam, auf den Gebrauch von Alu-Deo zu verzichten, solange die Wissenschaft keine endgültige Entwarnung gibt.


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Aufs Ganze gehen

Gegen den Kleingeist in der politischen Linken Hochmut kommt vor dem Fall, heißt es. Kleinmut hingegen kniet freiwillig, wenn auch oft unbewusst: Der Kleingeist verklärt dieses Knien als Bescheidenheit oder Besonnenheit. Notwendig wäre aber der aufrechte Gang. Die Knieenden wie die Gefallenen müssen sich aufrappeln. Von Stefan Klingersberger

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ie politische „Linke“1 befindet sich in Europa seit über einem Vierteljahrhundert in einer historischen Defensive. In die Ecke gedrängt von den Siegern des Kalten Krieges, die den Kapitalismus seither sehr erfolgreich als das Ende der Geschichte verkaufen, hat es die Linke auf unserem Kontinent bisher nicht geschafft, sich aus dieser Ecke wieder herauszuringen. Die Gleichschaltung der westlichen Medien, Bildungssysteme und sonstiger bewusstseinsprägender Institutionen zugunsten der vermeintlichen Unausweichlichkeit des Kapitalismus sowie die Unsichtbarkeit historischer Alternativen haben zu einer fatalen Orientierungslosigkeit in der europäischen Linken geführt. Grundsätzlich werden! Die notwendige Umgestaltung der Gesellschaft von Grund auf wurde seither kaum mehr zu träumen gewagt und in der Regel auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Folglich schien es überflüssig, sich darüber Gedanken zu machen, wie diese grundlegende Umgestaltung am besten herbeizuführen sei, wie der Kapitalismus analysiert werden solle und wo sich seine Bruchstellen befinden könnten, an denen angesetzt werden muss. Dabei wäre die radikale Umgestaltung der Gesellschaft heute so dringend wie – eh und je? Oder wie noch nie. Millionen Menschen werden von der kapitalistischen Krise, deren Ende nicht abzusehen ist, in Armut, Elend und Arbeitslosigkeit gedrängt. Die rechten Rattenfänger kriechen aus ihren Löchern, um die Völker zu spalten und dadurch beherrschbar zu machen. Die EU entlarvt sich immer offensichtlicher als Instrument der europäischen Hauptmächte, um die Ausbeutung und Unterdrückung der eigenen Bevölkerung sowie der abhängigen Länder zu perfektionieren. Die Kriegstreiber haben Waffen im Gepäck, mit denen ein dritter Weltkrieg der letzte wäre. Die Natur, deren Teil, aber nicht Eroberer wir sind, wird in rasantem Tempo zerstört, und damit auch unsere eigene Lebensgrundlage. Wer sich vor diesem Hintergrund mit Kleinigkeiten begnügt, ohne sie mit ebendiesem Hintergrund zu verknüpfen, verkennt die Realität. Wer Reformen2 und Reförmchen propagiert, ohne gleichzeitig Perspektiven einer grundlegenden Umgestaltung aufzuzeigen, lenkt von ihr ab. Und wer abstrakt von solch grundle-

genden Umgestaltungen schwärmt, ohne sich die konkreten Bedingungen der Möglichkeit ihrer Verwirklichung klarzumachen3, über sie aufzuklären und zu ihrer Erfüllung beizutragen, kann nur als heuchlerisch bezeichnet werden. „Keiner oder alle. Alles oder nichts.“ (Bertolt Brecht) Tatsächlich geht es heute um alles oder nichts: Die Selbstvernichtung der Menschheit beziehungsweise zumindest der menschlichen Zivilisation, oder auch die Einzementierung der Klassenherrschaft dergestalt, dass ein emanzipatorischer Bruch unmöglich wird, sind als realistische Optionen noch gar nicht lange denkbar, dafür werden sie jetzt immer bedenklicher4. Der Kapitalismus wird aufgrund seiner inhärenten Gesetzmäßigkeiten immer wieder und immer weiter in diese Richtungen treiben. Die einzige Rettung bestünde folglich darin, den Kapitalismus zu überwinden. Erforderlich wäre, aufs Ganze zu gehen, in revolutionärer Theorie wie Praxis, jegliche Scheuklappen abzulegen und die grundlegenden Strukturen und Zusammenhänge der Gesellschaft und der Welt zu verstehen versuchen. Und zwar auf eine Weise, die es ermöglicht, ebendiese Strukturen und Zusammenhänge bestmöglich in eine positive Richtung zu beeinflussen, um sodann der berühmten „elften Feuerbachthese“5 gerecht zu werden und genau das aktiv zu tun. Dieser Anspruch, im Denken und Handeln aufs Ganze zu gehen, hat nichts mit eingangs erwähntem Hochmut zu tun, sondern basiert auf nichts Geringerem als der persönlichen Integrität eines aufgeklärten Menschen. Das Ziel ist der aufrecht gehende Mensch in solidarischer Gemeinschaft, der selbstbewusst und vorausschauend eine bessere Zukunft gestaltet und zu diesem Zweck die eine Welt als ein Ganzes denkt, dessen grundlegende Veränderung ebenfalls nur aufs Ganze geht.

1: Verstanden als jene Kräfte, die die Forcierung des Fortschritts, vor allem des sozialen, versuchen.

2: Die ja heutzutage bezeichnenderweise schon fast eine negative Konnotation haben, weil sie unter der Fuchtel der derzeit etablierten Parteien so gut wie immer, wenn auch großteils sicher beabsichtigt, nach hinten los gehen.

3: Wozu nüchterne Kapitalismusanalyse eine zentrale Voraussetzung ist.

4: Insofern könnte der Kapitalismus tatsächlich das Ende der Geschichte bedeuten, wenn er die Menschheit mit sich in den Tod reißt. So war das von den Apologeten des Kapitals aber nicht gemeint.

5:„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.“, Karl Marx (Thesen über Feuerbach, http://bit.ly/1hB0rYu). Verallgemeinert gesehen handelt es sich bei diesem Satz um einen der zentralen spekulativ-philosophischen Sätze der gesamten Philosophiegeschichte. Ihm geht es um die Herstellung der Einheit von Theorie und Praxis, wobei sich Marx in Zusammenhang mit der Kritik bisheriger Philosophie vor allem zur Forderung nach dem praktisch-werden der Philosophie und dem Sprung vom Denken zum (theoriegeleiteten) Handeln gedrängt sah.


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BABIES ARE BORN IN A PERFECT WAY Gedanken zum Tag der genitalen Autonomie – 7. Mai Von Gabriele Rothuber Am 7. Mai 2012 bewertete das Kölner Landgericht eine medizinisch nicht indizierte „Beschneidung“ an einem nicht einwilligungsfähigen Jungen als eine Straftat. Damit stellte ein deutsches Gericht erstmals klar, dass auch Buben ein Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung haben – und dass die „Beschneidung“ (die Amputation der Vorhaut, die durchschnittlich 50% der gesamten Penishaut ausmacht) dagegen verstößt.1 Doch es kam anders: Trotz der Rechte auf gewaltfreie Erziehung oder auf körperliche Unversehrtheit – die ja wohl auch auf die Genitalien der Kinder anzuwenden sind – entschied der Bundestag am 12. Dezember 2012 anders und erklärte „Beschneidungen“ an Buben aus jeglichem Grund für legal. Tradition und Religion sowie die damit verbundene Angst vor einem „Kulturkampf“ siegten über das Selbstbestimmungsrecht von Minderjährigen. Die Verstümmelung der Genitalien bei Mädchen (female genitale mutilation – FGM) aus Kulturen, welche die „weibliche Beschneidung“ anwenden, werden seit Jahren durchgeführt und geahndet2. Die Eingriffe bei Mädchen übersteigen die Vorhautamputationen an Eingriffstiefe und Folgen erheblich. Hier ist man sich einig: Im Falle der weiblichen Genitalverstümmelung werden Menschenrechte

auf massive Weise missachtet und Mädchen brutal patriarchalen Machtstrukturen unterworfen. Doch zurück zu den Jungs: Weshalb gelten die oben erwähnten Menschenrechte nicht auch für sie? Weshalb dürfen sie nicht im Erwachsenenalter selber entscheiden, ob sie ihre Vorhaut ihrem Gott oder der Hygiene opfern möchten? (Frauen haben schon längst eine sehr effektive Vorgehensweise entwickelt, um das Smegma clitoridis, ein Talgdrüsensekret der Geschlechtsorgane, in den Griff zu bekommen: Die Intimhygiene!) Weshalb wird FGM als Straftat, männliche Genitalverstümmelung (MGM?) hingegen als „bewahrenswertes und identitätsstiftendes Kulturgut“ bewertet?3 Stellt nicht jeder nicht-medizinisch indizierte Eingriff in einen Körper eine Körperverletzung dar? Jeder Eingriff in die körperliche Unversehrtheit einer Person ist juristisch betrachtet eine Körperverletzung. Das gilt auch für Eingriffe durch eine ärztliche Behandlung zu Heilzwecken; zum Beispiel wenn bei der Behandlung auf irgendeine Weise in den Körper des Patienten eingedrungen wird. Die Körperverletzung ist nur dann nicht rechtswidrig und damit nicht strafbar, wenn in sie eingewilligt worden ist oder ein anderer Rechtfertigungsgrund, wie ein rechtfertigender Notstand vorliegt. Bei einem nicht einwilligungs-

1: Siehe Artikel www.genitale-selbstbestimmung.de.

Siehe Terre des femmes.

Siehe Fußnote 1.


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fähigen Patienten darf normalerweise angenommen werden, dass er mit einer Behandlung, die zu seiner Lebensrettung oder Gesunderhaltung medizinisch geboten ist, einverstanden ist (mutmaßliche Einwilligung).”4 Aktivisten kämpfen seit mehr als 40 Jahren gegen die männliche Beschneidung an Neugeborenen und Kindern. Die Beschneidungsrate konnte von über 90 Prozent auf heute rund 55 Prozent reduziert werden – nicht durch eine Gesetzgebung, sondern vorrangig durch öffentlichkeitswirksame Aufklärungskampagnen. Einer gesetzliche Regelung und der Aufklärung der Eltern würde es wohl bedürfen, um auch weniger „wandlungsfähige“ Gruppierungen zu erreichen .5 2013 verabschiedete die Parlamentarische Versammlung des Europarates einen Beschluss, der ein Novum darstellt: „Das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit“ bezog zum ersten Mal die Frage der körperlichen Integrität von intergeschlechtlichen Kindern mit ein. Die Resolution umfasst weitere Themen wie FGM, die Beschneidung von Buben aus religiösen/gesellschaftlichen Gründen sowie die Unterwerfung oder Nötigung von Kindern zu Piercings, Tätowierungen oder Schönheitsoperationen.6 Kinder, Neugeborene, die mit eindeutig intersexuellem Genitale zur Welt kamen (und kommen) sind der Gefahr ausgeliefert, Opfer von Genitalverstümmelung (IGM) zu werden: Ihr Geschlecht wird einer Norm geopfert. Körper werden „korrigiert“ und designt. Alles, was scheinbar nicht zum Körper des Kindes gehört – und zwar äußere wie innere Geschlechtsorgane – wird entfernt. Das Entfernen der Keimdrüsen bringt den Verlust der Zeugungs-oder Gebärfähigkeit mit sich sowie die lebenslange Substitution körperfremder Hormone. Irreversible Eingriffe in den Körper verursachen bei vielen Intersex-Personen den Verlust der sexuellen Empfindsamkeit, post-traumatische Belastungsreaktionen und den Verlust der Identität: Sie werden in ein geschlechtliches Zwangskorsett gesteckt.7 Die überwiegende Mehrheit der Intersex -Neugeborenen wird übrigens zu Mädchen gemacht, weil das chirurgisch einfacher ist: Eine vergrößerte Klitoris oder im Bauch verborgene Hoden werden entfernt und eine sogenannte Neovagina durch oft jahrelange Dehnung angelegt – meist ab dem Kleinkindalter! Intersex-Interessensgemeinschaften wie die ILGAEurope (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) und die OII-Europe (Organisation Intersex International) begrüßen die Verabschiedung: Die Sprache der Resolution signalisiere eine Verschiebung vom derzeitigen medizinischen

Definitionsbereich hin zu einem Menschenrechtsansatz, adressiere das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Autonomie und Selbstbestimmung und fordere die Beendigung von kosmetischen Eingriffen.8 Wie setzen Staaten diese Resolution um? Wie sieht es in Österreich aus? Seit 1956 hat sich Österreich als Mitglied des Europarates der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verpflichtet und hat 1992 die Kinderrechtskonventionen der Vereinten Nationen ratifiziert (Kinderrechte sind nicht Teil der österreichischen Verfassung). Diese fordern das Recht aller Kinder auf körperliche Unversehrtheit, auf bestmögliche Förderung ihrer Interessen, familiäre Unterstützung, freie Meinungsäußerung und Teilhabe an Entscheidungen, von denen sie selbst betroffen sind. Somit müsste theoretisch auf rechtlicher Ebene doch auch für intersexuelle Neugeborene oder Kinder der Schutz vor kosmetischen, normangleichenden Operationen garantiert sein. Deutsche Interessensverbände9 gehen jedoch davon aus, dass auch heute noch etwa 85 Prozent der Kinder, die mit eindeutig intersexuellem Genitale geboren werden, medizinisch (chirurgisch und/oder hormonell) zu „eindeutigen Buben oder Mädchen“ gemacht werden.10 In den allermeisten Fällen sind dies rein kosmetische Zwangsoperationen an nicht einwilligungsfähigen Kleinkindern.11 Noch immer gibt es keinen einheitlichen Behandlungsstandard. Das bedeutet für ein intersexuelles Neugeborenes, dass es mit einer großen Portion Glück ausgestattet sein muss, um einer Zwangsoperation zu entgehen: Es hat hoffentlich Eltern, die es bedingungslos lieben, die durch medizinisches Personal gute Aufklärung erfahren haben. Aufklärung insbesondere darüber, wie ein Leben ohne Eingriff gelingen kann. Eltern, denen Vernetzung mit Interessensverbänden angeboten wird und die psychosoziale Beratung erhalten, sind für Intersex-Geborene von immenser Bedeutung. Sie haben großes Glück, wenn KinderärztInnenkeinen medizinischen Notfall in ihnen sehen, sie dementsprechend behandeln und Studierenden nicht als Kuriosum vorführen. Und wenn MedinzinerInnen ihre eigenen Grenzen kennen und die Kinder an spezialisierte Zentren überweisen (oder so ähnlich!) Denn sobald ein intersexuelles Kind als medizinischer Notfall behandelt wird, können geschlechtszuweisende Eingriffe als Heilbehandlung deklariert werden. Intersexualität hat in der Lehre (Medizin, Pädagogik etc.) keinen Stellenwert, d.h. auch ÄrztInnen wachsen – wie der große Rest der Gesellschaft – in der Annahme auf, es gäbe nur die beiden Pole männlich und weiblich. Aber das ist eine Fehlinformation.

4: www.pflegewiki.de

5: Stefan Schritt vom Arbeitskreis Beschneidungsbetroffener im Verein MOGiS in: http://www. diesseits.de/menschen/ interview/1367791200/ermuss-nicht-mehr-aussehensein-vater

6: Heinz-Jürgen Voss beanstandet die Gleichsetzung von IGM & FGM mit dem Stechen eines Piercings oder dem einmaligen Akt der Vorhautbeschneidung und sieht hierin eine Verniedlichung der Gewalt, die intergeschlechtliche Minderjährige durch das medizinische System erleiden müssen. Siehe: http://dasendedessex. blogsport.de/

7: Hamburger Forschungsprojekt: Diese durchgeführten genitalchirurgischen Eingriffe werden keineswegs als heilend empfunden, sondern als missbrauchsähnlich, verstümmelnd und traumatisierend.

8: http://oiieurope.org/de/

9: etwa www.intersexuellemenschen.net

Eine „Faustregel“ lautet etwa, dass ein Penis bei der Geburt mindestens 2,5 cm lang sein muss, eine Klitoris darf nicht nicht über 0,85 cm betragen. 11: Eine Ausnahme stellt AGS dar, bei der Kindern aufgrund einer lebensbedrohlichen Salzverlustkrise Medikamente verabreicht werden müssen.


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Das Wissen, dass es völlig natürlich ist, verschiedene Geschlechtsmerkmale zu haben, fehlt. Zwischengeschlecht ist als Thema in unserer Gesellschaft ein Tabu und einkörperliches Stigma. Ein weiterer Problemkreis ist das Kindschaftsrecht. Es geht hier um die Frage, inwieweit bzw. ob Eltern überhaupt für ihre Kinder in geschlechtszuweisende Eingriffe zustimmen dürfen. Zu verlockend scheint die Aussicht, mit einem Eingriff (dem meistens viele Folgeoperationen bis ins Erwachsenenalter folgen) vermeintliche Normalität herzustellen. Doch kein Eingriff kann aus einem intersexuellen Kind ein nicht-inersexuelles machen! Und niemand kann vorhersehen, wie sich die geschlechtliche Identität eines Neugeborenen bis ins Erwachsenenalter entwickeln wird! Immer lauter werden die Stimmen der Intersex-Personen, die welche deutlich machen, dass es nicht die Kinder sind, die operative „Hilfe“ benötigen, sondern die Eltern und das Bezugssystem, die psychosoziale Unterstützung brauchen. Die Juristin Eva Matt erläutert, dass die Befugnis von Eltern, medizinische Behandlungen an Stelle ihrer Kinder zuzustimmen, Grenzen hat: Diese bestünden dort, wo die elterliche Entscheidung das Wohl des Kindes unberücksichtigt lässt und entgegensteht oder wo das Kind durch die Entscheidung der Eltern in seinen Grundrechten auf körperliche Integrität und Selbstbestimmung verletzt würde. Eine absolute Grenze bestünde bei Sterilisationen und Kastrationen. Zu derart schwerwiegenden Eingriffen dürfe – sofern es sich nicht um Heileingriffe handelt – niemand außer der betroffenen Person selbst zustimmen.12 Und hier ist er wieder – ein Begriff, der mit „Heil-“ beginnt. Vielen intersexuellen Kindern werden im Bauchraum liegende Hoden entfernt, mit dem Hinweis, diese könnten sich kanzerös entwickeln. Wäre es denn nicht eine Option, dies engmaschig zu kontrollieren, anstatt ihnen völlig gesunde, hormonproduzierende Gonaden zu entfernen und ihnen Hormone zu verabreichen, die auf dem Markt nicht zugelassen sind und somit Menschenversuche darstellen?13 „Kann seitens der Medizin glaubhaft gemacht werden, dass das Vorliegen uneindeutiger Genitalien und deren Nicht-Behandlung jedenfalls zu Krankheit, Leiden oder seelischen Störungen führt, dann geht das Recht von einer medizinischen Indikation aus und qualifiziert den Eingriff als ‘Heilbehandlung‘“, so Matt. “Why don’t change minds instead of bodies?” (Alice Dreger) Es ist aus den genannten Gründen besonders wichtig, Menschen mit Informationen zu versorgen: Informationen über weibliche Genitalverstümmelung, über

das Selbstbestimmungsrecht auf körperliche (und geschlechtliche!) Unversehrtheit, über natürliche Variationen von Geschlecht und über die Möglichkeit, ein vollkommen gesundes Kind zur Welt zu bringen, das nicht in die gängige Zweigeschlechternorm passt. Eltern brauchen diese Informationen genauso wie Hebammen, MedizinerInnen, JuristInnen und alle therapeutisch und beratend Tätige… es gehört ins Allgemeinwissen und Allgemeinbewusstsein! Die uni:press wünscht sich für Österreich auch eine Deklaration, wie Helsinki sie 2012 „Für das Recht auf Genitale Autonomie“ verfasst hat: Sie umfasst die persönliche Kontrolle über die eigenen genitalen und Fortpflanzungsorgane und den Schutz vor medizinisch nicht notwendiger genitaler Veränderung sowie vor anderen unumkehrbaren Eingriffen in die Fortpflanzungsorgane.14 “Erwachsenenhände haben an Genitalien von Kindern zur Zufriedenstellung eigener Bedürfnisse nichts zu suchen: Nichts, niemals und egal aus welchem Grund!” (Önder Özgeday, Mitglied im Facharbeitskreis Beschneidungsbetroffener Im MOGiS eV)

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12: Siehe Fußnote 11.

13: Laut Lucy Veith, Intersexuelle Menschen e.V. gibt es keine für Kinder zugelassene Hormonpräparate

14: 12. Internationales Symposium für Kinderrechte und genitale Autonomie, Helsinki.

„Der Text wurde redigiert: Die Autorin ist es gewöhnt, mit dem Sternchen zu gendern um Menschen mitzubedenken, die sich nicht in die binäre Geschlechterordnung einfügen wollen oder können.“


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Ein vergessener Krieg Während der Vietnamkrieg weltweit für Aufsehen sorgte und sich eine der ersten großen globalen Protestbewegungen formierte, blieben die Vorgänge im angrenzenden Königreich Laos der internationalen Öffentlichkeit weitgehend verborgen. Unbemerkt von der Weltöffentlichkeit wurde mehr Bombenmaterial über dem kleinen Binnenland abgeladen, als im ganzen Zweiten Weltkrieg. Bis heute leidet die Bevölkerung unter den Folgen. Eine Reportage von Susanne Mayr und Robert Obermair aus Laos

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aos, das bis in die 1950er Jahre Teil der Kolonie Französisch-Indochina (kurzzeitig wurde es während des Zweiten Weltkriegs von japanischen Truppen besetzt) hatte im ersten Indochinakrieg 1953 eigentlich seine Unabhängigkeit zurückerhalten. Frieden war damit in dem südostasiatischen Land allerdings keiner eingekehrt: MonarchistInnen, KommunistInnen und NationalistInnen kämpften um die Vorherrschaft im Land. In der Hochphase des Kalten Krieges blieb der Konflikt jedoch nicht auf Laos begrenzt. Während die Sowjetunion und Nordvietnam die kommunistischen Pathet Lao unterstützten, griffen die USA auf Seiten deren GegnerInnen ein. Bei einer Friedenskonferenz in Genf 1962 hatten die USA gemeinsam mit den anderen zuvor in Laos involvierten Ländern noch erklärt, sich in Zukunft neutral zu verhalten und keine militärische Unterstützung für eine der Konfliktparteien zu leisten. Nichtsdestotrotz begann die CIA nur wenige Monate später einen geheimen Krieg in Laos – AgentInnen reisten in die abgelegenen Gebirgsgegenden in Zentrallaos und instrumentalisierten die Hmong, ein marginalisiertes Bergvolk, das bisher relativ abgeschieden vom Rest des Landes gelebt hatte, für ihre Zwecke. Im Austausch für Essen und dem Versprechen auf eine bessere Zukunft wurden tausende Hmong militärisch ausgebildet und teilweise mit ihren Familien in strategisch wichtige Regionen umgesiedelt. Gleichzeitig begann man, in

ganz Laos geheime Luftlandeplätze – am Ende dürfte es bis zu 400 dieser Landebahnen gegeben haben – einzurichten. Darüber hinaus wurden unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe unzählige Mengen an Kriegsmaterial in das Land gebracht. Nachdem sich der Vietnamkrieg mittlerweile über die Grenzen Vietnams hinaus ausgebreitet hatte, kam es in Laos zu schweren Gefechten zwischen nordvietnamesischen Truppen, ihren laotischen Verbündeten und den von der CIA ausgebildeten Hmong. Auch die Royal Lao Army, die ebenfalls völkerrechtswidrig von den USA ausgerüstet worden war, wurde nun vermehrt in den Konflikt involviert. Die Bombardierung beginnt. 1964 begannen die USA kommunistische Stellungen in Zentrallaos zu bombardieren. Kurze Zeit später wurde das Bombardement auf einen Großteil des Landes ausgedehnt. Grund hierfür war, dass die nordvietnamesischen Truppen auf dem sogenannten Ho Chi Minh-Pfad, hunderte Kilometer weit durch Laos ihren Vormarsch in den Südvietnam vorantrieben. Ziel des großflächigen US-Bombenkrieges war es daher, diesen Pfad zu unterbrechen – ein Vorhaben, das sich allerdings trotz des unglaublichen Materialeinsatzes nicht durchführen ließ. Innerhalb der nächsten neun Jahre wurden mehr als zwei Millionen Tonnen Bomben über Laos, das offiziell neutral war, abgeworfen. In keinem Land der Welt wurden jemals so viele Bomben pro Kopf ab-


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Fact Box Laos: Hauptstadt: Vientiane Fläche: 236.800 km² EinwohnerInnen: 6.500.000 (Schätzung 2012) BIP pro EinwohnerIn: 1.490 US$ (2013)

geworfen wie in Laos. Bis heute weiß niemand, wie viele Menschen damals ums Leben kamen. Waffenstillstand. Erst als in Vietnam ein Waffenstillstand erreicht wurde, endete auch der Bombenkrieg über Laos. Das Martyrium der Bevölkerung war damit aber lange noch nicht vorbei. Neben verschiedensten „herkömmlichen“ Bomben, die von den USA bei ihren 580.000 Bombenangriffen in Laos eingesetzt worden waren, kam es auch zum millionenfachen Einsatz von Clusterbomben. Das Besondere an diesem Bombentyp ist, dass sich in der Bombenhülle bis zu mehrere tausend „Bomblets“ befinden, die sich nach dem Abwurf großflächig verteilen. Schätzungen zufolge wurden etwa 240 Millionen dieser „Bomblets“ in Laos eingesetzt. Waren die direkten Auswirkungen dieser Bomben bereits fatal für die lokale Bevölkerung, prägen die Auswirkungen des Clusterbombeneinsatzes das Land bis heute. Späte Folgen. Man schätzt, dass 80 Millionen dieser „Bomblets“ beim Aufprall nicht explodierten. Bis auf zwei Provinzen sind alle Regionen des Landes bis heute von den Nachwirkungen betroffen. Seit Ende des Krieges im Jahr 1973 starben mehr als 20.000 LaotInnen bei Unfällen mit Streumunition. Auch wenn seit Jahrzehnten versucht wird, das Land zu entminen, gibt es bis heute fast täglich (oft tödliche) Unfälle. Der Einsatz staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen wirkt dabei leider wie ein Kampf gegen Wind-

mühlen. So gelang es zum Beispiel der Organisation UXO Lao im Zeitraum von 1996 bis 2007 die beeindruckende Anzahl von ca. 395.000 Bomblets zu entschärfen. Dies entspricht allerdings nur 0,47 Prozent der Bombenreste im Land. Gerade die Bevölkerung in den ländlichen Gebieten ist tagaus, tagein mit dieser Gefahr konfrontiert. Nur ein Bruchteil der landwirtschaftlichen Flächen ist entmint. Oft sind es Kinder, die angelockt von den interessanten Formen und Farben, die kleinen Bomben mit Spielzeug verwechseln und Explosionen auslösen. Neben Kindern, Bauern und Bäuerinnen sind es vor allem sogenannte scrap collectors, die späte Opfer des Krieges werden: Die wirtschaftliche Misere des Landes hat dazu geführt, dass manche LaotInnen bei der Suche nach Bombenresten ihr Leben riskieren. Ausgerüstet mit nicht viel mehr als einfachen Metalldetektoren sammeln sie im ganzen Land Bombenreste ein, um sie an Metallhändler zu verkaufen. Dabei lockt vor allem der Preis von ein bis zwei US-Dollar pro Kilo Altmetall. Immer wieder kommt es dabei zu tödlichen Zwischenfällen. Bis heute weigern sich die USA, Entschädigungen für das von ihnen verursachte Leid zu leisten. Seit 2010 gibt es ein internationales Übereinkommen über das Verbot der Produktion, des Einsatzes und der Weitergabe verschiedener Formen von Streumunition. Die USA haben das Abkommen nicht unterzeichnet...

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kultur & menschen

Aus dem Kinosaal direkt in unsre Herzen

Ob Auftragskiller, die ihr Leben nach einem biblischen Wunder ändern wollen, der Geist einer Bibliothekarin, die Lärm in ihrer Bücherei überhaupt nicht ausstehen kann oder ein junger Mann, der dem Präsidenten der Vereinigten Staaten eine Schusswunde im Hinterteil präsentiert – seit der Erfindung der Laterna Magica begeistern Filme die ZuschauerInnen weltweit. Von Marina Hochholzner

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ilmklassiker feiern Jahr für Jahr aufs Neue Jubiläen, und Dauerbrenner wie das klassische „Dinner for One“ am Weihnachtsabend erfreuen sich immer noch größter Beliebtheit. Einige der erfolgreichsten Filme der Geschichte zelebrieren dieses Jahr ihr teilweise jahrzehntelanges Bestehen. Die meisten Leinwandwerke, die dieses Jahr ein Jubiläum begehen, sind uns schon alleine aufgrund der unzähligen Szenen geläufig, die im Laufe der Zeit parodiert wurden. Oder beispielsweise ihr Soundtrack hat sich als Ohrwurm in unseren Köpfen eingenistet. Wenn Übernatürliches zur Berufung wird. Einen Film wie „Ghostbusters“ (1984) hat es zuvor in dieser Form noch nie gegeben. Bei der Fantasykomödie, in der sich drei mäßig erfolgreiche Universitätsprofessoren als Vollzeit-Geisterjäger versuchen, wurden zum ersten Mal auf humorvolle Weise die Themen Exorzismus und Geisterjagd aufgegriffen. Die Protagonisten Ray, Peter und Egon kommen in dem Blockbuster auf die Idee, ihre Haushaltskassen mit der professionellen Jagd nach übernatürlichen Wesen aufzustocken. Was sie zunächst nur halbernst und stets mit einem humorvollen Spruch auf den Lippen beginnen, wird nur allzu schnell bitterer Ernst, als sie den ersten Gruselwesen von durchsichtigem Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Schnell wird ihnen klar, dass New York City bei Weitem nicht so gespensterfrei ist wie allgemein angenommen. Bereits vor 30 Jahren feierte der weltweit erfolgreiche Film „Ghostbusters“ seine Premiere. Die Darsteller Bill

Murray (Peter) und Dan Aykroyd (Ray) sind mittlerweile reifere Herren, die allerdings immer noch großen Spaß dabei hätten, mit Ektoplasma-Kanonen auf Geisterjagd zu gehen. Allerdings nur noch zu zweit. Dieses Jahr beklagte die Filmwelt den Tod ihres Kollegen Harold Ramis (Egon). Im Alter von 70 Jahren verstarb der Schauspieler, ehe er am dritten Teil der Reihe mitwirken konnte. Die Drehbuchautoren arbeiten nun an einer Version ohne Egon. Bis jetzt ist für das nächste Jahr ein weiterer Teil der Ghostbustersreihe geplant, der dann den Nachfolger des ebenfalls sehr erfolgreichen Sequels bilden würde. Ob Teil 3 ohne Ramis‘ Rolle jedoch an den Erfolg seiner Vorgänger anknüpfen kann, steht noch in den Sternen. Fakt ist, dass „Ghostbusters“ mit einem Einspielergebnis von 291,6 Millionen US-Dollar der erfolgreichste Film im Jahr 1984 war. Auch heute bringen MerchandiseArtikel wie T-Shirts oder Fun-Schilder mit Anti-GeisterAufdruck noch eine Menge Geld. Und wer verspürt kein Zucken in den Tanzmuskeln, wenn hin und wieder der Soundtrack des Filmes im Radio läuft? Ganz nach dem Motto „Hört nur, ich glaube ich riech' was!“ werden die Ghostbusters gewiss auch nach weiteren 30 Jahren stets für einen Lacher gut sein. Mit Schundliteratur zum Oscar. Ein Jahrzehnt jünger ist Tarantinos Meisterwerk „Pulp Fiction“ (1994). Die etwas verworrene Geschichte um das Gangsterduo Jules und Vincent sowie den Boxer Butch Coolidge brachte Tarantino zahlreiche Auszeichnungen, darunter einen


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Oscar für das beste Originaldrehbuch. Dabei lässt der Titel etwas ganz anderes vermuten. „Pulp Fiction“ bedeutet übersetzt „Schundliteratur“. Dass sich dahinter einer der größten Filmklassiker verbirgt, mag beim ersten Lesen des Titels vielleicht manche ErstzuschauerInnen überraschen. In Tarantinos Film werden mehrere Handlungsstränge miteinander verwoben, die weder in chronologischer Reihenfolge erzählt werden noch durch beispielsweise Rückblenden das Geschehen erklären. Die ZuschauerInnen werden mitten in die Handlung geworfen und müssen erst einmal selbst sehen, was Tarantino da eigentlich von ihnen will. Erst in der zweiten Hälfte des Filmes werden nach und nach alle Zusammenhänge verdeutlicht – und so wird erkennbar, dass Tarantinos Film eigentlich eine sehr sozialkritische Schiene fährt. Natürlich zwischen all den Schießereien und Blutlachen. Vor allem die damals noch recht unbekannte Uma Thurman erlangte durch ihre Rolle als Gangster-Ehefrau Mia Wallace in „Pulp Fiction“ internationalen Ruhm. Auch einer der Hauptdarsteller, John Travolta, der zu dem Zeitpunkt nur in Schnulzenfilmen wie etwa „Grease“ in den Medien war, zeigte seine breite Palette an schauspielerischen Fähigkeiten. Bruce Willis übernahm ebenfalls eine der heißbegehrten Rollen in dem Actionstreifen, nämlich die des Boxers Coolidge. Samuel L. Jackson überzeugte den Regisseur ebenso und wurde neben Travolta zu Jules, einem der beiden Auftragskiller. Doch neben all den hochkarätigen Vertretern der Filmbranche ist der eigentliche Hauptdarsteller jener mysteriöse Koffer, der alle Handlungen erst in Gang bringt und der jeden Handlungsstrang zu dominieren scheint. Es stellt sich bis zum Ende immer mehr die brennende Frage, was denn nun eigentlich sein Inhalt ist, wenn alle Protagonisten dafür durch die Hölle gehen. Superkali…was für’n Ding? Fünfzig Jahre nach „Mary Poppins“ (1964) fragt sich die Gesellschaft vermutlich immer noch, was nun eigentlich hinter dem Wort Superkalifragilistischexpialigetisch stecken mag. Frauen, die mit Regenschirmen durch die Luft fliegen, hatte die Welt noch nicht gesehen, und während tausende Nannys, Mütter und Väter sich damals wohl wünschten, ebenso über die Fähigkeiten der lieben Miss Poppins zu verfügen, waren die Single-Männer vielleicht eher von der Hauptdarstellerin Julie Andrews abgelenkt. Disneys Musicalfilm erzählt die Geschichte des Kindermädchens Mary Poppins, das zeitgleich für die Namensgebung des Streifens verantwortlich ist. Sie wird den zwei Geschwistern Jane (Karen Dotrice) und Michael (Matthew Garber) als Nanny zugeteilt, da die Eltern der beiden kaum Zeit für sie haben. Die Familie gehört zur Londoner Oberschicht und verhält sich zunächst abweisend gegenüber ärmeren Menschen. Auch das Familien-

leben ist alles andere als harmonisch. Bei so einem Notfall bleibt Miss Poppins natürlich nichts anderes übrig als das triste Leben der Kinder durch Gesang, Herzlichkeit und etwas Magie aufzuheitern. Sie zeigt der Familie, worauf es wirklich ankommt im Leben – auch, wenn es dazu bisweilen ein wenig Beeinflussung seitens der Nanny bedarf. Der Film unterscheidet sich deutlich von der Romanvorlage. Im Werk des Autors P. L. Travers spielen beispielsweise die Eltern der Kinder kaum eine Rolle, und Mary Poppins sieht es auch nicht als ihre Aufgabe, die Familie wieder zusammenzuführen. Es ist vielmehr eine Sammlung von Kurzgeschichten, in deren Zentrum die schnippische, rechthaberische Mary Poppins steht. Da war es eine gute Idee von Disney, das Kindermädchen zu der freundlichen Dame zu machen, die die ganze Welt von der Leinwand kennt. Und wenn man das Wort Superkalifragilistischexpialigetisch endlich einmal aussprechen kann, geht einem das dazugehörige Lied einfach nicht mehr aus dem Kopf. „Lauf, Forrest, lauf!“ Wer sich fragt, wie eigentlich der Smiley erfunden wurde oder wo der Spruch „Shit happens“ denn nun seinen Ursprung hat, der findet in „Forrest Gump“ Antworten auf all diese Fragen. Bereits vor 20 Jahren flimmerte der liebenswerte, etwas spät zündende Amerikaner über die Leinwände. Und was erlebt er in dem 2-stündigen Drama nicht alles! Er wird Footballspieler, Tischtennisprofi, Rasenmähermann, Vietnamsoldat, Teilhaber des großen Apple-Konzerns, Langstreckenläufer und Shrimpsfischer. Der Film bietet nicht nur MenschenrechtlerInnen und Anti-Kriegs-FaschistInnen genügend Nährstoffe, sondern auch denjenigen, die verlernt haben, an sich zu glauben oder – vielleicht noch schwieriger – an sich selbst zweifeln. Tom Hanks verkörperte den unterdurchschnittlich intelligenten Forrest Gump, der aufgrund seiner geistigen Einschränkungen keine Aussichten auf ein erfolgreiches Leben hat. Im Verlauf des Filmes belehrt er die ZuschauerInnen jedoch eines Besseren. Robert Zemeckis‘ Film wurde mit sechs Oscars ausgezeichnet, darunter Hanks als der beste Hauptdarsteller und Zemeckis für die beste Regie. Vor allem der Spruch „Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen – man weiß nie, was man kriegt“ wird oft zitiert. Dabei scheint Zemeckis genau den Nerv der Zeit getroffen zu haben, denn mit nur 55 Millionen Produktionskosten und einem Einspielergebnis von weltweit 677,4 Millionen zählt Forrest Gump zu den erfolgreichsten Filmen der 1990er. Definitiv gibt es noch zahlreiche andere Filme, die als Klassiker in die Geschichte eingegangen und jeder/m FilmfreundIn geläufig sind. Diese vier sind nur einige Beispiele für die Vielfältigkeit der Filmbranche. Und außerdem feiert der nächste Schwung Blockbuster bereits im nächsten Jahr runde Geburtstage. Glückwunsch!

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God loves Uganda

Was evangelikale Extremisten mit der Wiedereinführung der Todesstrafe für Homosexualität zu tun haben. Von Jennifer Rödl

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m 20. Dezember 2013 hat nun auch Uganda als viertes afrikanisches Land (neben Maruetanien, Nigeria und dem Sudan) die Todesstrafe für Homosexualität wieder eingeführt. In seinem neuen Film God Loves Uganda (2013) hat der Oscar-Gewinner Roger Ross Williams die Verbindung zwischen amerikanischen Ultrakonservativen und ugandischen Opportunisten aufgeklärt, die Uganda den Ruf eingebracht hat, für Homosexuelle eines der gefährlichsten Länder der Welt zu sein. Wer in Uganda den Einfluss von Religion auf die Politik hinterfragt, stößt auf die finanzielle und geistige Macht von Amerikas christlicher Rechten. Sie kämpfte maßgeblich für ein Gesetz, mit dem Homosexuellen die Todesstrafe droht und führte eine erfolgreiche Anti-AIDS Kampagne durch, welche eine strikte, aber eher utopische Enthaltsamkeits-Kampagne voraussetzt. Während viele von Amerikas streng Konservativen den Kampf um christlich-konservative Werte in den USA für verloren halten, sehen sie in Uganda das Potential für einen christlichen Gottesstaat. Der Film zeigt unter anderem den Kampf junger, naiver MissionarInnen, die sich dafür einsetzen, alles aus ihrer Sicht sexuell Unmoralische zu verbannen. Der selbst homosexuelle Regisseur begleitet (verdeckt) eine Gruppe junger Mitglieder des International House of Prayer auf ihrer ersten Auslandsmission. Dabei sollen Andersgläubige bekehrt, Homosexuelle „geheilt“ und einheimische Missionare ausgebildet werden. Weitere ProtagonistInnen sind Lou Engle, ein führender Kopf der amerikanischen evangelikalen Rechten, Pastor Scott Lively, Autor des Buches The Pink Swastika - Why and How to Defeat the Gay Movement, in dem Homosexuellen die Schuld am Nationalsozialismus (!) gegeben wird, sowie der ugandische Pastor Martin Ssempa, der durch seine fanatischen und bizarren Reden bereits zu einer fragwürdigen Youtube-Berühmtheit


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Alle sind gleich, manche sind gleicher 1 Zwar gibt es seit 2011 den Versuch einiger westlicher Länder, Entwicklungshilfegelder für jene Staaten einzufrieren, welche die Rechte von Homosexuellen einschränken, aber erstens treffen die Kürzungen wahrscheinlich wiederum die Ärmsten der Armen und zweitens könnten wir dann gleich mit einigen Industrieländern beginnen. Denn auch hier sind Homosexuelle eben nicht gleichgestellt. Und besonders darin liegt auch der Kern des Problems: Oft schreien westliche Länder am lautesten (zu Recht!) wenn es um Menschenrechtsverletzungen gegen LGBTIPersonen in Afrika, Russland und andere Staaten der Welt geht. Gleichzeitig verabsäumen es aber Regierungen (wie auch in Österreich oder Deutschland) selbst Gesetze zu implementieren, die zeigen würden, dass alle Menschen gleich an Würde und Rechten geboren sind. Aber wie kann ein Land argumentieren, dass Diskriminierung gegen die Menschenrecht verstößt, wenn es doch selbst diskriminieren? Ist denn die eine Diskriminierung tolerierbar und die andere nicht? Wer entscheidet, welche Diskriminierung vertretbar ist und welche nicht? Denn wenn politische Entscheidungsträger dafür eintreten, LGBTI-Menschen weniger Rechte zuzugestehen (Ehe, Elternschaft etc.), aber gleichzeitig andere Länder für ihre Form der Diskriminierung „rügen“, dann handelt es sich um reine Augenauswischerei. So zeigt leider auch unsere „demokratische“ Staatsführung, dass nicht alle Menschen gleich an Würde und Rechten geboren worden sind. 1: Diese Aussage bezieht sich auf das Buch „Animal Farm“ von Goerge Orwell (1945), in welchem Ausbeutung, Privilegien und Diskriminierung mit dem Satz „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“ negiert werden.

geworden ist (Stichwort „Eat da Poo Poo“). Vor allem Pastor Scott Lively, der in den USA eher als wenig einflussreicher Sonderling gilt, hat in Uganda ein neues Betätigungsfeld entdeckt. Er hielt im Parlament von Uganda eine vierstündige Rede, in der er vor den Gefahren der Homosexualität warnte. Bei der Wahl seiner „Argumente“ war er nicht wählerisch: Das Hauptziel der „homosexuellen Lobby“ sei die Zerstörung der ugandischen Gesellschaft durch die Rekrutierung und „Homosexualisierung“ von Kindern. Livelys Gesetzesentwurf sah neben der Todesstrafe für gewisse homosexuelle Aktivitäten auch eine Gefängnisstrafe von bis zu sieben Jahren für Angehörige und Freunde von Homosexuellen vor, wenn sie diese nicht denunzieren. Diese zwielichtigen ProtagonistInnen sprechen für sich und machen so jeden zusätzlichen Kommentar überflüssig. Und manche Szenen hätten auch durchaus humoristisches Potential, etwa wenn Pastor Martin Ssempa vermeintlich „typisch schwule“ Praktiken anhand von SM-Bildern vorführt. Wenn dann jedoch ein ugandischer Bürgerrechtler zu Wort kommt, der sagt: „Wenn sie in Uganda predigen, dürfen sie nicht vergessen, dass die Leute hier das Gesetz in die eigene Hand nehmen“, wird drastisch klar, dass die Sache ganz und gar nicht lustig ist. Dass die Gefahr real und Selbstjustiz mehr als denkbar ist zeigte sich 2011: Während der Zeit des Filmdrehs wurde der Schwulenaktivist und Sprecher der LGBTI-Community David Kato mit einem Hammer erschlagen. Zuvor, im Oktober 2010, hatte der (nicht mit dem gleichnamigen bekannten Musikmagazin in Verbindung stehende) Rolling Stone Fotos, Namen und Adressen von hundert angeblich homosexuellen Menschen („Top Homos“) mit dem Aufruf „Hang ‘em all!“ veröffentlicht. Das Uganda, das wir hatten… Dabei war die Situation in Uganda für nicht-heterosexuelle Lebenskonzepte bereits wesentlich besser.

Jahrzehntelang wurden Schwulenbars toleriert. Die Buganda, die größte Ethnie Ugandas, hatten sogar einen offen schwulen König. Auch in anderer Hinsicht hatte Uganda Vorzeigecharakter: Durch ehrgeizige und kostenintensive Aufklärungsprogramme der amerikanischen und ugandischen Regierung unter dem Motto „Abstinenz, Treue und Kondome“ konnte die AIDS Rate von 18% auf 5% gesenkt werden (in den neunziger Jahren hatte Uganda die höchste AIDS Rate am afrikanischen Kontinent!). Unter George W. Bush wurde dieses Projekt aus ideologischen Gründen geändert: Die Bewerbung von Kondomen wurde mit dem Einfrieren von staatlichen Fördergeldern geahndet, der Fokus lag nun ausschließlich auf Abstinenz – ein Konzept, das die Lebensrealität der Menschen ignorierte und das ehemalige Vorzeigeland der AIDS-Bekämpfung weit zurückwarf. Auch in dieser Hinsicht hatte der Einfluss der amerikanischen Evangelikalen fatale Auswirkungen. Der Regisseur Ross Williams sieht in den Gesetzen gegen Homosexualität den Versuch, einen gemeinsamen Feind zu schaffen. Die Regierung nutze es ebenso wie die Kirche, um die Öffentlichkeit von echten Problemen abzulenken. Neben dieser Vernebelungsaktion winkte aber auch das Geld, welches von frustrierten Konservativen aus Amerika kommt: Im Film erzählt David Bahati, der Urheber des Anti-Homo-Gesetzes, dass die Spenden sich verdreifachten, als das Gesetz vorgeschlagen wurde. Der Film zeigt auch die wertvolle und gefährliche Arbeit der LGBTI AktivistInnen und verschiedener Menschenrechtsorganisationen. Und auch in der Kirche selbst regt sich Widerstand: Eine weitere Schlüsselfigur des Films, Bischof Christopher Senyonjo, der wegen seines Kampfes für LGBTI-Rechte bereits exkommuniziert wurde, ist nach wie vor aktiv. Ihm folgen viele weitere Pastoren, die ebenso für LGBTIRechte kämpfen.


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so ist das?!

Ach,


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Zeitmaschine Interessantes, Kurioses und Schockierendes in uni:press-Ausgaben aus dem Jahr 1979 Ein dunkles Kapitel der jüngeren Geschichte Salzburgs — Am Samstag, den 20.01.79 fand an der Salzburger Landesnervenklinik eine wissenschaftliche Tagung über 'Tötungsdelikte Geisteskranker‘ statt. Mitveranstalter: Univ. Prof. Dr. Gerhart Harrer […]. Als Referent […] eingeladen: Primarius Doktor Heinrich Gross […]. Es läßt sich nicht mehr verheimlichen, daß Dr. Gross in der NS-Zeit an der Ermordung von 336 Kindern (Euthanasie) schuldhaft beteiligt war. Kein österreichisches Gericht hat ihn diesbezüglich freigesprochen. Fest steht, daß Prof. Harrer SS- und NSDAP-Mitglied war. Mit Ausnahme von zwei Ärzten und einem Psychologen wurde ihnen der Zutritt verwehrt. Diese drei wurden jedoch wiederholt von den Beamten der Staatspolizei aus dem Saal entfernt, sobald sie sich zu Wort meldeten. Die ÖH Salzburg protestiert gegen dieses undemokratische Verhalten, bei dem sich Rektor Revers mit Hilfe der Staatspolizei schützend vor ehemalige NS-Ärzte stellte.“ [Quelle: uni:press vom 05.03.1979]

Der Jugendzug — "In die Sowjetunion fährt auch im kommenden Jahr wieder: 01. bis 09. Februar 1980 Preis: öS 4.250.- (excl. Visabesorgung für Österreicher öS 50,--).“ Diese Reise wurde in den späten 1970ern und 1980ern vom Reisereferat der ÖH angeboten. Zum Programm gehörte unter anderem die Besichtigung der Städte Kiew, Moskau, Leningrad sowie ein Freundschaftstreffen mit gleichaltrigen Personen aus der Sowjetunion. Bemerkenswert ist, dass die ÖH zu dieser Zeit von der Österreichische Studentenunion (ÖSU), der Vorgängerinnenfraktion der heutigen AG, geleitet wurde. Haben hier linksextreme Elemente die brave, konservative ÖH-Fraktion unterwandert? Das wird wohl für immer ungeklärt bleiben. [Quelle: Anzeige in der uni:press vom 06.11.1979]

im Jahr 1979 2. Februar: Sid Vicious (Bassist der Sex-Pistols) stirbt 1. Jänner: USA erkennen Volksrepublik China an

5. März: amerikanische Raumsonde Voyager 1 fliegt am Jupiter vorbei  Fotos von Jupiter und seinen Monden

12. – 23. Februar: erste Weltklimakonferenz in Genf 18. Februar: erster dokumentierter Schneefall in der Sahara

13. März: Europäisches Währungssystem tritt in Kraft

22. Mai: Elton Johns erstes Konzert in Leningrad

31. März: Abzug der letzten britischen Truppen aus Malta

1. Mai: Dänemark entlässt Grönland in die Selbstverwaltung

4. Mai: Königin Elisabeth II ernennt Margaret Thatcher zur britischen Premierministerin

11. Juni: John Wayne, einer der größten Westernhelden, stirbt


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„Präpäpstlicher“ Besuch in Salzburg — Es ist schon erstaunlich, welche berühmten Persönlichkeiten die Universität Salzburg 1979 beehrten. In diesem Jahr war sogar ein Papst zu Besuch, zu dumm nur, dass dies damals noch niemand wusste. Am 14. März diesen Jahres hielt der damalige Kardinal Joseph Ratzinger nämlich in der großen Aula einen Vortrag zum Thema "Konsequenzen des Schöpfungsglaubens“. Über Inhalt und BesucherInnenzahlen ist leider nichts Genaueres bekannt. Papa Ratzi dürfte damals jedoch noch viel weniger Fans gehabt haben als heute. [Quelle: uni:press vom 05.03.1979

1. Juli: Sony bringt den weltweit ersten Walkman TPS-L2 auf den Markt

12. Juli: Reinhold Messner erreicht den Gipfel des K2 ohne Sauerstoffgerät

Heiratstipps und Kniefall der Regierung — Neben dem bereits erwähnten "Kampf“ für die Wohnenden in der Stadt Salzburg heftete sich der ehemalige Sozialreferent Ernst Strasser auch noch das Engagement in anderen, sozial relevanten Themen aufs Revers, wenn auch mit sehr merkwürdigen Ratschlägen. So war Ende der 1970er und Anfang der 1980er die Diskriminierung von verheirateten Studierenden (zu Recht) ein Hauptthema. Diese bekamen nämlich nicht die Kinderbeihilfe von 10.400 Schilling. Doch "Mr. Social“ und seine MitarbeiterInnen hatten auch für dieses Problem eine Lösung parat: "Derzeit kann allen heiratswilligen Studenten nur der Rat gegeben werden, dem Standesamt fernzubleiben und nur kirchlich zu heiraten.“ [Quelle: uni:press Nr. 637, 2003; Uni:Press vom 14.01.1980] Im Ringen um fairere Regelungen der Studierendenfrage gab sich Strasser kämpferisch, wie dieses Zitat beweist: "Nach den Wahlen muß es kräftig weitergehen; die Regierung muß in die Knie gezwungen werden.“ Wenn man bedenkt, dass die gleiche Person 21 Jahre später selbst Teil der Bundesregierung wurde, entbehrt das nicht einer gewissen Ironie. Er hätte die Zeit als Innenminister jedoch sehr gut nutzen können, um die Regierung tatsächlich in die Knie zu zwingen. Das hätte uns zwischen den Jahren 2000 und 2004 einiges erspart. Aber das ist eine andere Geschichte… [Quelle: uni:press vom 26.03. 1979]

20. November: Eröffnung des Islamischen Zentrums Wien  beherbergt erste österreichische Moschee

19. August: Beendigung des bisher längsten bemannten Raumflugs

16. September: zwei Familien fliehen mit selbstgebautem Heißluftballon aus der DDR

25. Oktober: Katalonien und Baskenland werden eingeschränkt autonom

10. Dezember: Mutter Teresa erhält Friedensnobelpreis 26. November: erstmals Hausbesetzungen in Berlin-Kreuzberg


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„Die Bücherdiebin“ – Im Reich der machtvollen Worte Nach dem Bucherfolg wurde das Werk „Die Bücherdiebin“ von Markus Zusak nun auch verfilmt. Die ergreifende Geschichte handelt von einem Mädchen, das während des Zweiten Weltkriegs lesen und mit harten Schicksalsschlägen umzugehen lernt. Wie gut ist die filmische Umsetzung des Bestsellers gelungen? Es fragte sich Lisa Mitterbauer

D

er Tod als auktorialer Erzähler begleitet uns zu Liesls strenger, aber großherzigen Pflegmutter Rosa, ihrem gutmütigen Pflegevater Hans, zu ihrem besten Freund Rudi und ihrem Geheimnis Max. Gemeinsam mit Liesl stehlen wir Bücher und folgen ihr auf ihrer Reise durch die Welt der Wörter. Im Luftschutzkeller fürchten wir uns mit ihr vor den Bomben und erleben, wie sie mit schweren Schicksalsschlägen umgeht. Markus Zusak verarbeitet in seinem Werk mit Liebe zum Detail jene Geschichten über das Leben während des Zweiten Weltkrieges in Österreich und Deutschland, welche ihm von seinen Eltern immer wieder erzählt wurden. An der Verfilmung von Buchvorlagen sind schon viele RegisseurInnen gescheitert. Polarisierend sind etwa die „Harry Potter“-Verfilmungen und auch bei den aktuellen Filmversionen vom „Kleinen Hobbit“ scheiden sich die Geister. Ähnlich verhält es sich mit „Der Bücherdiebin“. Einen über 500 Seiten schweren Roman zu verfilmen stellt ohne Zweifel eine Herausforderung dar, vor allem wenn man den Anspruch stellt, keinen Film mit enormer Überlänge oder einen Mehrteiler produzieren zu wollen. Da haben detaillierte Beschreibungen von Menschen, Räumen oder gar von Farben nur geringen bis gar keinen Platz. Trotzdem versucht Regisseur Brian Percival die Bilder, die Markus Zusak mit seinen Worten zeichnete, in seinem Film einzufangen. Wer das Buch kennt, stellt sich aber natürlich die Frage, aus welchem Grund bestimmte Szenen ausgewählt wurden und an-

dere, die beim Lesen zentral wirkten, vollkommen außen vor gelassen wurden. Warum etwa wird mit keiner Szene erwähnt, dass Liesl nicht nur Bücher, sondern auch Lebensmittel stahl? Gerade bei der Verfilmung dieses Romans ist die Selektion besonders schwierig, da jedeR die Geschichte anders interpretiert. Die Kraft, Macht und Magie von Worten und Wörtern wird aber im Film zweifelsohne genauso deutlich wie in der Romanvorlage. Das Einzige, das bei der Verfilmung weniger Wertschätzung erfährt, ist die Bedeutung der Bücherdiebstähle für die Hauptprotagonistin. Mit jedem Buch erschließt sich für sie eine neue Welt. Sie lernt neue Wörter, sie erlebt neue Abenteuer und kann ihnen durchaus Ratschläge für ihr eigenes Leben abgewinnen. Schlussendlich hilft ein Buch ihr sogar dabei, ein weiteres Mal dem Tod zu entfliehen. Aber auch ganze Handlungsstränge, die für die Charakterbildung der Protagonistin von großer Bedeutung sind, werden ausgelassen. Klar ist, dass beim Übertrag einer Buchvorlage auf die Leinwand Prioritäten gesetzt werden müssen. Im Fall der „Bücherdiebin“ hätte ich persönlich die Schwerpunkte anders gesetzt, was jedoch meine Ansicht, dass der Film durchaus sehenswert ist, nur bedingt schmälert. Sehr glaubwürdig zeichnen die SchauspielerInnen die Charakterzüge ihrer Figuren nach und bieten mit ihren Darstellungen Einblicke in deren Gefühlswelt. Selbst mit Markus Zusaks Version des Todes kann man sympathisieren, spätestens wenn er meint, dass er „von Menschen verfolgt ist“, denn das sind wir in gewisser Weise doch alle.


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Teste dich selbst – Skurriles aus dem Tierreich Tiere erfreuen und begeistern die Menschen auf viele unterschiedliche Arten. Mit ihnen wird gelacht, gespielt und manchmal auch geweint. Mit skurrilen Facts und ausgefallenen Fähigkeiten machen sie ihre Besitzer von sich reden oder schaffen es in die Medien. Zehn der witzigsten Mythen über Tiere haben wir hier in einem kleinen Quiz für euch zusammengefasst. Was stimmt, was ist nur erfunden? Wie gut kennt ihr euch aus in der Welt der flauschigen Felle und tapsenden Pfoten? Die Antworten findest du auf der nächsten Seite. Von Marina Hochholzner

1. Die Farbe der Milch kann sich je nach der Nahrung der Kühe verändern. Wahr

Falsch

2. Köpft man Kakerlaken, sterben sie nicht etwa, weil die Blutzirkulation zwischen Gehirn und Herz unterbrochen wird, sondern weil sie verhungern. Wahr

Falsch

3. Im Atlantik gibt es Fische, die sich ausschließlich rückwärts fortbewegen. Wahr

Falsch

4. Faultiere bewegen sich so langsam, dass sogar Moos auf ihnen wächst. Wahr

Falsch

5. Piranhas riechen bereits vorher am Blut ihrer Opfer und entscheiden dann, welches sie zuerst fressen. Sie sind wahre Gourmets und sehr wählerisch. Wahr

Falsch

6. Es gibt Tiere, deren Augapfel größer ist als ihr Gehirn.

Wahr

Falsch

7. Eine madagassische Primatenart besitzt ihre Zitzen in der Leistengegend und nicht etwa im Brustbereich, wie es sonst bei ihrer Gattung üblich ist. Wahr

Falsch

8. Kamele und Dromedare speichern in ihren Höckern Wasserreserven, von denen sie in trockenen Zeiten zehren können. Wahr

Falsch

9) Pinguine kippen nach hinten um, wenn sie in den Himmel schauen. Beispielsweise beim Versuch, ein Flugzeug zu beobachten. Wahr

Falsch

10) Wenn Delphine älter werden, verändert sich ihre gräuliche Farbe in ein knalliges Rosa. Wahr

Falsch

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Testauflösung Frage 1: Antwort: Die Aussage ist wahr. Tatsächlich kommt es vor, dass Kühe rosa Milch geben, wenn sie genügend Karotten essen. Schmecken tut die Milch trotzdem wie immer. ;) Frage 2: Antwort: Die Aussage stimmt. Verliert eine Kakerlake ihren Kopf, kann sie bis zu neun Tage überleben, ehe sie schließlich verhungert. Frage 3: Antwort: Diese Aussage ist falsch. Zwar gibt es Fische, die zum Fliehen oder Verstecken auch rückwärts schwimmen können, allgemein bewegen sich Fische aber vorwärts fort. Frage 4: Antwort: Das stimmt. Das Moos verhilft den Faultieren auch zu ihrer modrig-grünen Farbe. Es hilft ihnen aber auch, sich im Regenwald zu tarnen. Frage 5: Antwort: Die Aussage ist falsch. Piranhas sind überhaupt nicht wählerisch, sie stürzen sich einfach auf alles, was sich fressen lässt. Man sollte also lieber zusehen, dass man davon kommt, und nicht darauf hoffen, dass andere Anwesende besser schmecken als man selbst. ;) Bevorzugt fressen sie aber kleine Fische und Säuger. Frage 6: Antwort: Auch das stimmt. Beim Koboldmaki hat ein Augapfel einen größeren Durchmesser als das ganze Gehirn. Frage 7: Antwort: Klingt seltsam, stimmt aber. Beim sogenannten AyeAye-Tierchen, einem Lemur aus Madagaskar, befinden sich die beiden Zitzen tatsächlich im Leistenbereich. Frage 8: Antwort: Dies ist ein weit verbreiteter Irrtum. Kamele und Dromedare speichern kein Wasser, sondern ihre Fettreserven in den Höckern. Würden sie sie über den ganzen Körper verteilen, wäre es ihnen viel zu heiß. Frage 9: Antwort: Diese Behauptung ist falsch. Pinguine können sehr wohl ihr Gleichgewicht halten. Die Armen fallen nur deshalb auf den Rücken, weil sie die tieffliegenden Flugzeuge so sehr erschrecken. Frage 10: Antwort: Diese Aussage stimmt. Die im Amazonas lebenden Flussdelfine nehmen im Alter tatsächlich eine rosa Färbung an – ungeachtet des Geschlechts. Mit ihrer sexuellen Orientierung hat das aber freilich nichts zu tun (auch wenn homophiles Sexualverhalten im Tierreich völlig natürlich und dementsprechend weit verbreitet ist).


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Betteln. Eine Herausforderung. Tagung 12.-14. Mai 2014 St. Virgil Salzburg Betteln als soziales Phänomen polarisiert - im internationalen Kontext genauso wie innerhalb einer Kommune. Zusätzlich verursacht es aber auch innere Konflikte und ambivalente Gefühle bei jeder und jedem Einzelnen. Bettelnde zeigen die Ungleichheiten unserer Gesellschaft in einer Deutlichkeit auf, der wir uns nicht entziehen aber auch nicht jederzeit offen stellen können oder wollen. Manchmal stören wir uns an dem ungnädigen Bild, das BettlerInnen uns auf der Straße zeigen, gelegentlich ärgern wir uns, fühlen uns verunsichert oder sind beschämt. Die teilweise stark polarisierende öffentliche Diskussion über diese Problematik offenbart die Notwendigkeit, sich tiefer und ganzheitlicher damit auseinander zu setzen! Diese Tagung spannt einen Bogen über die vielen Ebenen dieses Phänomens. Für die Frage der gesellschaftlichen Herausforderung bedeutet dies die Notwendigkeit einer gemeinsamen und interdisziplinären Auseinandersetzung aller Beteiligter: Von Kaufleuten, SozialarbeiterInnen, PolizistInnen, PolitikerInnen bis zu Personen aus unterschiedlichen NGOs sind deshalb alle herzlich eingeladen, die sich in irgendeiner Form mit dem Thema Betteln konfrontiert sehen. Die Einladung richtet sich auch an jene, die sich aus privater Motivation mit dieser Problematik auseinandersetzen möchten. Für diejenigen, die an einer weiterführenden Arbeit an den Tagungsergebnissen interessiert sind, gibt es die Option, an der praktischen Umsetzung weiter zu feilen. In einem begleiteten Folgeseminar (12. Juni 2014) werden in interdisziplinärer Zusammenarbeit Nägel mit Köpfen gemacht. Leitung: Robert Buggler, Hans Peter Graß, Jakob Reichenberger, Desirée Summerer

Themen (u.a.) Migration und Betteln Betteln: Strategien und Gegenstrategien Diskurspanele: Zwischen Wahrheit und Mythos; Zwischen Verbot und Grundrecht; Zwischen Inklusion und Exklusion; BettlerInnen-Erzählcafés; Bedürfnisse Ambivalenzen Dilemmata; Betteln als kommunale Herausforderung Anmeldung&Organisatorisches: Veranstaltungsnummer: 140432, Termine: Tagung: 12. Mai, 19.00 Uhr bis 14. Mai, 13.00 Uhr, Folgeseminar zur Umsetzung der Tagungsergebnisse: 12. Juni 2014 Tagungsort und Anmeldung: St. Virgil Salzburg, Bildungsund Konferenzzentrum, Seminarhotel, Ernst-Grein-Straße 14, 5026 Salzburg, Telefon: +43 (0)662 65901-514, Anmeldung online: www.virgil.at/betteln, Email: anmeldung@virgil.at, Web: www.virgil.at Tagungsbeitrag: 79Euro Ermäßigter Beitrag: 49 Euro Infos im Detail: www.friedensbuero.at Veranstalter Friedensbüro Salzburg St. Virgil Salzburg Foto: Joachim Bergauer, Tänzer: Mzamo Nondlwana, Balazs Posgay



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