uni:press #683 (November 2015)

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UNI:PRESS STUDIERENDENZEITUNG DER ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHÜLERiNNENSCHAFT SALZBURG — #683 NOVEMBER 2015 —



EDITORIAL

Doris Hörmann

Saša Sretenovic

Veronika Ellecosta

David Lahmer

Christopher Spiegl

Wenn einem alles gegen den Strich geht, sollte man einen Punkt machen. Liebe LeserInnen! In unserer letzten Ausgabe als fraktionsunabhängiges Pressereferat haben wir uns des Themas Täuschung angenommen. Wir haben uns Gedanken über die verschiedenen Arten und Beweggründe des Täuschens gemacht (ab S. 6) und ein Interview mit Pablo Rosenfeld über das ent-täuschende Uni-Leben geführt (ab S. 10). Nach dem Koalitionsende zwischen VSStÖ und GRAS brach für uns eine turbulente Zeit an. Statt der üblichen zwei Monate, hatten wir diesmal nur etwa zwei Wochen Zeit, um diese neue Ausgabe zu gestalten. Als unabhängiges Medium fühlen wir uns dazu verpflichtet, euch die Situation aus unserer Sicht zu schildern und einige Unwahrheiten zu klären (S. 32). Trotz alldem haben wir uns natürlich wie üblich kritischen, ungewohnten und kulturellen Themen gewidmet. So hat sich Christian Kaserer Gedanken über politische Jugendorganisationen und deren Förderung des Kapitalismus gemacht (S. 42) und Christoph Krainer berichtet über das tabuisierte Thema Euthanasie (S. 50).

Im Kulturteil könnt ihr nicht nur die Ergebnisse des 1. Salzburger Karikaturenpreises sehen (S. 52), sondern auch Tinderellas Erlebnisse beim Online-Dating nachlesen (S. 56). An dieser Stelle bleibt nur noch zu sagen, wie dankbar wir für die bei der uni:press gemachten Erfahrungen sind. Unser Dank gilt besonders unseren LeserInnen, für die wir unermüdlich interessante, polarisierende und provokante Themen aufbereiten durften. Liebe freie AutorInnen, euch gebührt wohl der größte Dank, denn ohne euch wären die Ausgaben nicht möglich gewesen. Das Gleiche gilt für unseren genialen Layouter Luca und unsere tolle Lektorin Sigrid. Über die Beweggründe unseres Rücktritts könnt ihr euch ab S. 66 informieren. Wie es mit der uni:press in Zukunft weiter gehen wird, bleibt ungewiss. Wir wünschen ihr jedoch das Beste. In Liebe, eure Redaktion P.S.: Feedback zu dieser Ausgabe bitte an: doris.hoermann@stud.sbg.ac.at

IMPRESSUM MedieninhaberIn: Hochschüler- und Hochschülerinnenschaft an der Paris Lodron Universität Salzburg (ÖH Salz­ burg), Kaigasse 28, 5020 Salzburg, www.oeh-salzburg.at, presse@oeh-salzburg.at / Herausgeberin: ÖH Salzburg (Vorsitz: Katharina Obenholzner) / Pressereferentin: Doris Hörmann / Redaktion: Saša Sretenovic (Chefredakteur), Veronika Ellecosta, David Lahmer, Christopher Spiegl / Layout: Luca Mack / Lektorat: Sigrid Klonner / AutorInnen in dieser Ausgabe: Carlos Reinelt, Christine Gnahn, Daniela Schefbaumer, Katharina Obenholzner, Stefan Klingersberger, Khaled Hafez, Jenny Rödl, Vanessa Köppl, Christian Kaserer, Jochen Reißinger, Eva Krallinger, Christoph Krainer, Nina Wewerka / Fotoshooting: Saša Sretenovic (Konzept), Jonathan Schweizer (Model), Clemens Arndt www.clemensarndt.de (Fotograf), Christopher Spiegl (Licht), Doris Hörmann und Veronika Ellecosta (Make-up), Druckerei: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H. / www.berger.at / Auflage: 6.000 Stück. Die Auffassungen der AutorInnen der Beiträge und die der Redaktion müssen nicht übereinstimmen. Verbesserungsvorschläge und kritische Hinweise sind jederzeit willkommen. / Auskünfte über unsere Anzeigentarife unter wiref@oeh-salzburg.at

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INHALT

in halt © Creativity103, Camouflage Pattern (flickr)

TÄUSCHUNG

UNI & LEBEN

06 Leitartikel: Alles nur Schein?

22 Abschied vom ÖH-Vorsitz

09 Factum

23 Pimp my Studies: Mehr Individualität durch Studienergänzungen

10 Interview: Eine universale Ent-täuschung 12 Wenn Facebook ein Märchen wär 14 Ich weiß nicht, wie ich bin. So jedenfalls nicht. 16 Apfelstrudel im Interview 18 Ideale

26 What the Unterrichtspraktikum!? 28 Unipark Nonntal – Design statt Zweckmäßigkeit 30 Sechs Jahre Grün-Rote ÖH Salzburg: Eine Bilanz 32 Koalitionsaus: Von Schlammwrestlern, Märtyrern und dem ganz normalen Wahnsinn an der ÖH Salzburg 35 Zeitmaschine 36 Das kann doch nicht alles gewesen sein ... Ein Resümee aus fünf Jahren StV-Tätigkeit 39 Khaled Hafez – Salzburgs erster MORE-Student 40 Das MORE-Programm der Uni Salzburg


INHALT

POLITIK & GESELLSCHAFT 42 Retten wir die Welt? 44 Cybermobbing: Hatschi Strache 46 Blut zweiter Klasse 47 Queer Topics 48 Im Netz der Lügen 50 Euthanasie: Ist der Tod nur im Angesicht eines würdelosen Lebens würdevoll?

KULTUR & MENSCHEN 52 Erster Salzburger Karikaturenpreis 56 Einmal ficken, weiterschicken – Ob man auf Tinder Liebe findet? 59 Prosa: Koita Kaffee und hoarts Stoiwerk 60 Buchrezension: Wir haben den englischen König bedient 61 Filmrezension: Un monstruo de mil cabezas 62 Ausgedeutscht: I drah ständig des Liacht ob EPILOG 63 Hinter den Kulissen: Covershooting 66 Abschied: Wir sind dann mal weg ...

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TÄUSCHUNG

© Dennis Skley, Wahlversprechen 339/365 (flickr)


TÄUSCHUNG

R U N S ALLE ? N I E SCH

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Wir werden getäuscht und das täglich. Ob von Medien, PolitikerInnen oder falschen Werbeversprechen – die undurchsichtigsten Lügen werden uns tagein, tagaus serviert. Doch auch Menschen aus unserer unmittelbaren Nähe sind nicht immer ehrlich zu uns. Viele sind SchauspielerInnen und täuschen einem eine andere Persönlichkeit vor, geben vor, ein völlig anderer Mensch zu sein. Einige dieser Darstellungen sind wirklich oscarreif. Doch irgendwann kommt die Wahrheit immer ans Licht. Von Saša Sretenovic

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u reißt eine Tüte Chips auf und freust dich auf den Inhalt, doch gleich wirst du enttäuscht, denn die Packung ist nur halbvoll – der Rest ist Luft. Du schreibst mit einer süßen Person auf Facebook und triffst dich einige Tage später mit ihr. Die Person ist in Wahrheit zehn Jahre älter und zehn Kilo schwerer als auf ihrem Profilbild. DeinE „besteR FreundIn“ verspricht dir, niemals deineN Ex zu daten und plötzlich erwischst du die beiden knutschend in einer Ecke. Täglich erfahren wir Lügen und Enttäuschungen. Es scheint fast so, als würde die ganze Welt daraus bestehen. Doch Lügen ist nicht gleich Lügen, es gibt verschiedene Unterkategorien und Beweggründe. Im Grunde tut es jeder von uns und viele meist täglich. Und jedeR, der/die vorgibt nicht zu lügen, tut es erst recht. Doch nicht immer beabsichtigen wir etwas Böses damit. Ein Grund, wieso viele die Unwahrheit sagen, ist, um andere zu schützen oder sich aus einer brenzligen Situation zu retten – auch Notlüge genannt. Du hast die ganzen Ferien lang nichts gemacht, außer das geniale Wetter zu genießen und wilde Partys zu feiern, für die Seminararbeit blieb da leider keine Zeit. Abgabetermin war schon vor zwei Tagen. Was machst du jetzt? Na klar, eine Ausrede muss her. Wenn deinE ProfessorIn human ist, bekommst du eine Nachfrist und am Ende ist für dich alles gut gelaufen. Seien wir uns doch ehrlich: Wer von uns hat das noch nicht gemacht?

Andere Situation: DeinE KollegIn erzählt dir völlig euphorisch und überzeugt von einem Artikel, den sie/er geschrieben hat und fragt dich, wie du ihn findest. Der Artikel ist völlig mies, es gibt kaum etwas, das gut ist. Doch du blickst in ihr/sein erwartungsvolles Gesicht. Was machst du jetzt? Du lügst, um sie oder ihn nicht zu enttäuschen, vor allem wenn du weißt, dass diese Person keine Kritik verträgt. Unaufrichtigkeit bedeutet also nicht immer zwingend, jemandem etwas Böses zu wollen. Manchmal weiß man einfach, dass die betroffene Person zart besaitet ist und total sensibel auf ein bestimmtes Thema reagiert. In solchen Momenten kommt man meist selbst ins Zweifeln: Was tun? Entweder die Wahrheit sagen und dadurch die Person verletzen oder lügen, um sie zu schützen? Natürlich ist es immer am besten, die Wahrheit zu sagen, aber in gewissen Situationen ist schwindeln die einfachere Option. Und bei Notlügen kann man schon mal ein Auge zudrücken und sie verzeihen. Mehr Schein als Sein. Problematisch wird es aber, wenn das Lügen zur Gewohnheit wird und man dadurch immer wieder etwas vortäuscht. Dabei neigen die Menschen zur maßlosen Übertreibung. Aus dem netten Fortgehen mit den besten Kumpels wird eine heiße Nacht in Las Vegas. Aus dem Gespräch über eine mögliche Beförderung wird das Angebot zum Chefposten. Alle führen plötzlich das tollste Leben und es scheint, als gäbe es keine Probleme. Dein Studienkollege ist kurz vor seinem Abschluss und hat


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TÄUSCHUNG

bereits ein Jobangebot bei einem renommierten Unternehmen bekommen. Na, das musst du doch toppen können, also gibst du vor, bei dir liefe es mindestens genauso gut, obwohl das völlig aus der Luft gegriffen ist. Und warum das Ganze? Wir leben in einer Gesellschaft, in der Reputation und Zugehörigkeit alles sind. Wer am Rand steht, wird von der Mehrheit ignoriert. Und wir tun alles, um einen guten Ruf zu wahren und dazuzugehören. Wir stehen ständig unter Leistungsdruck. Manche Menschen bekommen Selbstzweifel, wenn sie sehen, dass andere mehr Erfolg haben oder einfach zufrieden mit ihrem Leben sind. Außerdem wird man ständig mit KollegInnen verglichen bzw. man vergleicht sich selbst mit anderen. Manchmal muss man eben enttäuscht feststellen, dass jemand anderer „besser“ ist als man selbst. Einige fühlen sich dadurch gezwungen etwas vorzugeben, was nicht den Tatsachen entspricht, vor allem dann, wenn sie bestimmten Weltbildern mancher gerecht werden wollen. Denn so ist es nun mal, wir haben alle ein gewisses Bild von unseren Mitmenschen. Familie, Freunde, Verwandte stellen einen auf ein Podest und meinen zu wissen, wie man ist und was man kann. Das setzt uns unter Druck. Wir wollen sie nicht enttäuschen, weswegen wir die Fassade aufrechterhalten, nur um sie zufrieden zu stellen. Denn in unserer schnelllebigen Welt ist leider kein Platz für Niederlagen, noch weniger dafür, Schwächen zu zeigen. Also lügt man. Fern von jeglicher Realität. Drastischer als die LügnerInnen aus Selbstschutz, sind jedoch jene zu bewerten, die das ganz bewusst tun. Sie haben zwei Identitäten, die sie gut verstecken können. Sie hintergehen ihre Mitmenschen, um daraus Gewinn zu ziehen. Dabei handeln diese Leute völlig egoistisch und messen sich einen höheren Stellenwert als ihren Mitmenschen zu. Sie spielen Spielchen und lachen einem freundlich ins Gesicht. Sie schrecken nicht davor zurück, Falschinformationen zu einem Referat zu geben, nur um am Ende alles richtig stellen zu können, um zu glänzen und damit den/die KollegIn bloß zu stellen. Geleitet werden sie von der Gier nach Anerkennung und Macht. Bewusstes Täuschen liegt auch manchen PolitikerInnen sehr gut, wie auch dubiosen Medien, die Lügen verbreiten, hetzen und Fremdenhass auflodern lassen. Als extremes Beispiel dafür mag die Meinung dienen, dass Flüchtlinge nur gekommen seien, weil sie vom IS geschickt wurden, um Europa zu islamisieren und zu zerbomben. Erbärmlicher als diese Unwahrheiten selbst sind nur die Personen, die diese Blendung als Wahrheit annehmen. Schlimmer, als von einzelnen Personen hintergangen zu werden, ist nur, von ganzen Institutionen und politischen Gruppen getäuscht zu werden. Natürlich gibt es viele, die aufrichtig arbeiten und etwas bewegen

© Toban Black (flickr)

wollen. Doch mehr als genug verlieren sich in ihrer Aufgabe und verfallen in eine Scheinwelt. In ihrem eigenen Kosmos gefangen, geht es ihnen nur darum, mehr Macht zu erlangen. Dabei sind ihnen alle Mittel recht. Sie erzählen dir das Blaue vom Himmel und bringen dich dazu, Verträge, Versicherungen oder Vereinsmitgliedschaften zu unterschrieben, die dir helfen sollen – stattdessen hast du dadurch nur Nachteile. Dass sie versuchen dir durch Manipulation ihre Meinung aufzuzwingen, ist schon schlimm genug, denn sie sind nicht um dein Wohl bemüht, sondern wollen nur für sich selbst Vorteile rausschlagen. Sie handeln völlig strategisch und drehen die Sachen so hin, wie es ihnen passt. Rhetorisch perfekt geschult bringen sie dich dazu, Sachen zu glauben, die du üblicherweise sonst bezweifeln würdest. Ihre Überzeugungskraft wirkt manchmal sogar hypnotisch. Deswegen ist es wichtig, Sachen kritisch zu hinterfragen und nicht alles zu glauben, was einem aufgetischt wird, sich nicht täuschen zu lassen. Es ist wichtig, sich fundierte Informationen zu holen, die Angelegenheit aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, bevor man sich eine Meinung bildet. Die Wahrheit ist letztlich ein Stück weit immer etwas Subjektives und jedeR muss für sich entscheiden, welche Wahrheit er/ sie als die seinige/die ihrige akzeptiert.


TÄUSCHUNG

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FACTUM

© Riccardo Cuppini, Chameleon (flickr)

Chamäleons sind keine Tarn-Könige

Sehen ist reine Interpretation

Die Schuppenkriechtiere gelten fälschlicherweise als Meister darin, ihre Feinde zu täuschen und sich in ihrer Farbe der Umgebung anzupassen. Eigentlich aber ändern Chamäleons die Pigmentation ihrer Hautzellen nicht zur Tarnung, sondern um mit Artgenossen zu kommunizieren oder sich an Lichtverhältnisse anzupassen. Die Farbe ist grundsätzlich abhängig von der Stimmung des Chamäleons, aber auch von äußeren Einflüssen wie Temperatur, Sonneneinstrahlung, Tageszeit oder Luftfeuchtigkeit. Bei hohen Außentemperaturen färben sich die Tiere hell, um Licht zu reflektieren und nicht zu „überhitzen“. Bei niedrigen Temperaturen hingegen färben sie sich dunkel, um die Wärme des Lichts aufzunehmen. Die Farbgebung kann außerdem die Bereitschaft zur Balz signalisieren. In Gefahren- oder Kampfsituationen wechseln Chamäleons am schnellsten ihre Farbe.

Optische Illusionen sind Wahrnehmungstäuschungen und basieren häufig auf impliziten Annahmen. Das Hirn wird getäuscht ohne zu merken, dass es getäuscht wird. Solche Illusionen beruhen auf der Tatsache, dass die Wahrnehmung subjektiv ist und vom Gehirn beeinflusst wird. Das nach Ludimar Hermann benannte Hermann-Gitter wurde 1870 präsentiert. Es erzeugt beim Betrachter die Illusion, dass im Schnittpunkt der grauen Linien schwarze Flecken zu sehen sind. Konzentriert man seinen Blick aber darauf, sind die Punkte weiß.

© matt northam, moo cows (flickr)

Kühe sind unumschubsbar © Insomnia Cured Here, Frankenstein (flickr)

Wir täuschen uns täglich Es gibt viele weitere Irrtümer, die sich in unsere Alltagskultur eingeschlichen haben und bei denen man als pingeligeR BesserwisserIn beschimpft wird, wenn man auf ihre falsche Verwendung hinweist. Daher in aller Kürze: Frankenstein ist der Name des Schöpfers, nicht des Monsters. Es heißt Klebeband, Tixo ist eine Markenbezeichnung. Zelda ist die Prinzessin des Königreichs Hyrule, der blonde Typ mit Schwert und Schild heißt Link. Eine Olympiade ist der Zeitraum von vier Jahren zwischen zwei Olympischen Spielen, nicht das Event selbst. Kaugummi braucht keine sieben Jahre, um den menschlichen Verdauungstrakt zu passieren. Die Chinesische Mauer ist nicht vom Mond aus sichtbar. Tomaten sind kein Gemüse, sondern Obst. Die Menschen im Mittelalter glaubten nicht, dass die Erde eine Scheibe ist. Und das Mittelalter war auch keineswegs so dunkel und dreckig, wie angenommen.

Das cow tipping, bei dem man davon ausgeht, man könne im Stehen schlafende Kühe einfach umschubsen, ist reiner Mythos. Als falsch erweist sich diese Urban Legend gleich in dreierlei Hinsicht: 1) Ausgewachsene Kühe wiegen zwischen 600 und 700 Kilogramm. Es würde also einen enormen Kraftakt erfordern, diese Tiere auch nur einen Millimeter zu bewegen. 2) Kühe schlafen nicht wie Pferde im Stehen. 3) JedeR, der/die schon einmal eine galoppierende Kuh gesehen hat, wird sich tunlichst davor hüten, den Zorn dieses Tieres durch einen Umschubsversuch auf sich zu ziehen. Wie man eine Kuh dazu bringt, sich hinzulegen (z.B. für Untersuchungen durch den Tierarzt), weiß Bauer Walter: Man binde einen langen Strick mit Schlinge um die Brust der Kuh und eine zweite Schlinge unmittelbar um den Bauch vor das Euter. Der Strick sollte dann um das Euter nach unten zwischen die Hinterbeine durchgefädelt werden. Zieht man nun am Strick, ziehen sich die Schlingen zusammen und bringen das Tier mit wenig Kraftaufwand zu Boden.


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TÄUSCHUNG

E L A S R E V I N U E EIN G N U H C S U Ä T T EN In seinem neuen Buch Eine universale Ent-täuschung beschreibt Pablo Rosenfeld, wie ihm in der Universität Salzburg „mit einem riesigen Umschnall-Dildo das Wissen aus dem Hirn gefickt“ wurde. In einem Gespräch mit der uni:press verrät er, was ihn dazu bewegte und wieso er gerne eine Frau wäre. Interview von Carlos P. Reinelt uni:press: Im ersten Absatz Ihres neuen Werkes beschreiben Sie sehr detailreich, wie gern Sie mit einer Dreijährigen Unzucht treiben würden. Wieso das? Pablo Rosenfeld: Aus demselben Grund, aus dem Lady Gaga ein Fleischkostüm anzieht. Ich wollte provozieren und damit Publikum gewinnen. Stellen Sie sich vor, ich finge gleich mit einer etymologischen Untersuchung des Wortes „Täuschung“ an. Wer würde da noch weiterlesen? Ich erkläre das ja sogar wenige Absätze später. Haben Sie das Buch denn nicht gelesen? up: Doch, doch. Vielleicht stelle ich ja diese Frage, um denselben Effekt zu erlangen und die Leser an diesen Artikel zu binden? P.R.: Aha. up: Nun gut. Sie sind ja erst im 5. Semester, behaupten in Ihrem Buch aber, schon mehr als die meisten Master-AbsolventInnen zu wissen. Ist diese Einstellung nicht eine allgemeine Studierendenkrankheit? P.R.: Schauen Sie mal her. Wenn ich mir in die Hand furze [Er furzt sich in die Hand, Anm. d. Red.] und

Ihnen dann meine Hand ins Gesicht strecke, riecht das unangenehm für Sie [Er hat recht, es stinkt fürchterlich, Anm. d. Red.]. Wieso hören Sie also nicht auf, mir verbal ins Gesicht zu furzen und stellen mir ein paar vernünftige Fragen? up: Okay, Sie schreiben es gäbe eine „unausweichliche Strecke zwischen Täuschung und Enttäuschung“. Wie meinen Sie das? P.R.: Sehen Sie, die Menschen behaupten, sie wollen nicht getäuscht werden. Und tatsächlich scheint das Bedürfnis nach Wissen, Wahrheit und Ehrlichkeit, ein sehr großes zu sein. Wenn man ihnen also Wissen vorenthält, ein Geheimnis zum Beispiel, oder sie verarscht, sind sie unglücklich. up: Klingt verständlich. Wieso gibt es da jetzt aber kein Entrinnen? P.R.: Na, hören S‘ halt zu. Man kennt das. Bei Zaubertricks zum Beispiel wird man getäuscht. Man ist fasziniert, spürt Magie, ist aber unruhig, ja geradezu nervös in dem Verlangen zu wissen, wie das Kunststück funktioniert. Und wenn man sich die Auflösung auf YouTube anschaut, verfliegt die Magie und man ist erst recht wieder unglücklich. Auf die Täuschung folgt sozusagen die Enttäuschung.


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up: Sind wir also zum ewigen Enttäuscht-Sein verdammt? P.R.: Sloterdijk hat ja schon gesagt: „Dem zu Wissen Gekommenen wird rückwirkend klar, was er am Nichtwissen hatte.“ Nun, was Sloterdijk aber vergisst, ist, dass der Unwissende, also einer wie Sie, ja unbedingt wissen will und somit auch unglücklich ist. Wir haben es hier mit einem logischen Phänomen zu tun. up: Wieso das? P.R.: Weil die Negation eines Zustandes nicht dieselben Eigenschaften haben kann, wie der Zustand selbst. Leben kann nicht dieselben Folgen haben, wie Nicht-Leben. Jetzt soll Täuschung und Enttäuschung allerdings beides scheiße sein. Die Negation eines Phänomens beinhaltet die gleichen Konstanten? Aber das verstehen S’ eh nicht. Fragen Sie mich was anderes, sonst springen Ihnen die LeserInnen noch ab. up: Also wieder Provokation? P.R.: Von mir aus. up: Sie behaupten, am liebsten eine Frau sein zu wollen. Wieso das? P.R.: Da verdrehen Sie wieder meine Aussagen! Ich schreibe klar und deutlich, ich wäre am liebsten eine „homosexuelle, schwarze Frau mit Migrationshintergrund“. up: Pardon, wieso wollen Sie eine homosexuelle, schwarze Frau mit Migrationshintergrund sein? P.R.: Sehen S’, die ganzen Eigenschaften die hier aufgezählt werden, sind ein Garant dafür, dass man politisch, gesellschaftlich und beruflich benachteiligt, ja im schlimmsten Fall sogar ausgeschlossen wird. Die einen werden fast weltweit als Unzüchtige dargestellt, in Amerika erschießen s’ dann jene und die anderen dürfen in Arabien nicht Autofahren. Und Migrationshintergrund, na lesen S’ mal Kommentare im Facebook, da graut’s einem. up: Wollen Sie also angefeindet werden? P.R.: Auf keinen Fall! Aber während man überall mit diesen Eigenschaften diskriminiert wird, sind sie in der Literatur von immensem Vorteil. Die Kunst bildete schon immer einen Gegenpol zur Sozialisation. Und diese Leute sind halt eben jetzt sehr gefragt. Ihre Themen, wie Feminismus und Migration, sind leider so lange ignoriert worden, dass sie jetzt mit überspitzter Aufmerksamkeit verfolgt und gefeiert werden. Selbst ich habe meinen einzigen Literaturpreis mit einer Novelle gewonnen, in der erzählt wird, wie Asylanten im Schlepper-LKW ersticken. War eigentlich eine ziemlich miese Geschichte.

up: Sie werfen dem Literaturbetrieb also zu viel Toleranz vor? P.R.: Nein, sondern Sexismus und Rassismus. up: Da gibt es ja den HC, der hat ganz ähnliche Argumentationslinien. P.R.: Wenn Sie noch einmal die Nazikeule schwingen, furze ich wieder in meine Hand. up: HC hin oder her. Sie sind ja jüdischer Abstammung, sollte das nach Ihren Schilderungen nicht auch ein Vorteil sein? P.R.: Vor einigen Jahren wäre es sicher einer gewesen. Aber die Juden haben schon wieder ausgedient, von denen gab es zu viele, die nun lange genug die Szene dominiert haben. up: Kommen wir nun zur Universität. Wie hat diese Ihr Wissen, nun ja, aus Ihrem Kopf geboxt? P.R.: Ach, Sie meinen die Passage mit dem Umschnall-Dildo? Habʼ nicht gewusst, dass so frigide Leute bei der uni:press arbeiten. Naja, im Prinzip ist es so: Die Bachelor-Curricula, besonders im Lehramt, wo sie sogar die Wahlpflichtfächer gestrichen haben, bieten keinen Freiraum. Man verbringt die ganze Woche an der Uni, schlimmstenfalls in einem Pädagogik-Seminar. Die DozentInnen sagen einem dann immer, man solle sich autodidaktisch in die Gebiete vertiefen. Das geht aber nicht, wenn man die ganze Zeit an der Uni sitzt und in den freien Minuten Sekundärliteratur abschreiben muss. up: Sie sagen, dies hebe die Enttäuschung auf eine ganz andere Stufe, zu einer „universalen Enttäuschung“. P.R.: Ja, weil die jungen Leute denken, an der Uni gibt’s endlich das große Wissen. Das täuscht einem diese Institution immer vor. Die Unwissenden leben also in der Täuschung, dort Wissen zu erlangen. Würden sie dieses bekommen, würde die Täuschung wahr sein und sie kämen zu Wissen. Aber das tun sie nicht. Der Unwissende wird mit noch mehr Unwissen enttäuscht. Das ist die „universale Enttäuschung“. up: Da ich vermute, die ganze Luft dürfte Ihrem Darm inzwischen entwichen sein, trau ich mich, die letzte Frage zu stellen: Leidet die Person Pablo Rosenfeld unter ihrem Zynismus? P.R.: [Pablo grinst. Zum ersten Mal während des ganzen Interviews. Er setzt sich auf seine Hand, furzt herzhaft darauf und hält sie mir vor die Nase. Es stinkt fürchterlich, Anm. d. Red.]

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WENN FACE EIN MÄRCHE © Sofi, Roland Risse (German, 1835-1900), „Sleeping Beauty“ (flickr)


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Im Kamin knistert das Feuer schläfrig, die Großmutter sitzt in ihrem roten Ohrensessel, die Stricknadeln klappern monoton in ihren Händen, während draußen der Tag vergeht. Und die Kinder scharen sich um den Sessel, mit großen Augen erwarten sie, dass die Stricknadeln beiseitegelegt werden. Ich erzähle euch ein Märchen, sagt da die Großmutter. Und bootet den Laptop. Ein modernes Märchen von Veronika Ellecosta

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inter den Zuckerbergen, bei den 350 FreundInnen lebte einst ein wunderschönes Mädchen, dessen Haut war so weiß wie Schnee, die Lippen so rot wie Blut und das Haar so schwarz wie Ebenholz. Ein jeder liebte diese Schönheit und das Mädchen war sich dessen bewusst, und mit viel Begabung wusste sie, ihre Schönheit in der hiesigen Markthalle anzupreisen. Tagein, tagaus tummelten sich dort Menschen, ebenso schöne wie hässliche, dumme, kluge – aber alle wunderschön. Denn jedes gute Märchen hat einen Zauber, und der Zauber dieses Märchens bestand in der Magie der Maskierung. JedeR in der Markthalle wurde davon in den Bann gezogen, verwandelte sich in eine verzaubert bezaubernde Gestalt, einer Anbetung würdig. Natürlich gab es unter den Menschen auch vernarbte, neidende und verletzte Seelen: Auch jene, vielleicht besonders jene, unterlagen dem Zauber. Die Markthalle war der Ort der Sorgenfreiheit, Projektionsfläche der Sehnsüchte, vor allem der Sehnsucht nach dem idealen Ich: Sehr schnell erlernten die Neuen nämlich das Handwerk der dollsten und tollsten Eigen-PR und jedeR wollte gesehen, wollte gehört werden, die fünf Minuten Ruhm in einer großen, unüberschaubaren Markthalle genießen – mehr stand bei dem massiven täglichem Zustrom sowieso niemandem zu. Die Stummen unter ihnen, die teilnahmslos dem Trubel zusahen, gingen kläglich unter und wurden Opfer einer der gravierendsten menschlichen Ängste, und kein Zauber der (Märchen-)Welt

EBOOK EN WÄR konnte sie zerschlagen: Die Angst vor dem Nichts, vor dem bedeutungslosen Nichts-Sein. Diese Angst, die wie eine Damoklesschwert über den BesucherInnen hing, witterte jedeR, der/die einen Fuß in die Markthalle setzte. Und je länger man sich umsah in der lauten Umwelt, desto größer wurde die Angst

im Einzelnen, ein satanischer Sog, der böse Wolf des Märchens. Und zwischen all den Möglichkeiten der Selbstbestimmung, Selbstdarstellung und Selbstoffenbarung hatten alle, die sie im Würgegriff dieser Angst waren, die verzauberten Bezaubernden, das schöne Mädchen mit dem Ebenholzhaar, erkannt: Ich bin, was ich schreie. Ich schreie, also bin ich. Und so schrien alle um ihr Leben. Was sie schrien, in dieser, wie bereits erwähnt, komplexen, stimmengewirrerdrosselten Markthalle, musste einfach sein, kompakt, unmissverständlich. Es galt das Gesetz, das sich auch mancheR gerisseneR PolitikerIn zunutze zu machen weiß: Man entwirre das Netz an Komplexität, man verschaffe Überblick, man gebe einfache Lösungen, ein kompaktes, unmissverständliches Weltbild. Dazu schütte man primitive Emotionen aus, gewünscht sind Oberflächen, keine Inhalte. Das Ergebnis war ein Produkt, geeignet zum sofortigen Konsum. Weil jedeR, der/die sich in der Markthalle aufhielt, konsumieren wollte. Dem gegenüber, dem zuvor stand jedoch der dämonisch angehauchte Drang, konsumiert zu werden. Was keine leichte Sache zu sein schien, in einem vielfältigen Sammelsurium unterschiedlichster zwischenmenschlicher Kontakte. Hier sah man sich mit Freund und Freundin konfrontiert, Feind und Feindin, Eltern, Kindern, ArbeitskollegInnen, Großmüttern. Eine märchenhafte Paradoxie, weil die Markthalle dadurch an Vielschichtigkeit und Komplexität kaum zu übertreffen war, während der Einzelne versuchte, gegen den Strom anzukämpfen und ein eindimensionales Ich zu entwerfen, um sich dem Konsumdiktat zu unterwerfen. Das produzierende Ich, getrieben von der Angst der Bedeutungslosigkeit, lernte schnell, wie maßgeschneidertes Marketing funktioniert. Und so schrien die Menschen ein Produkt aus, das die meisten Erwartungen stillte, den größten gemeinsamen Nenner an löblichen Anpreisungen erwarten durfte. Sie schrien ein Produkt aus, welches die größte Masse zu konsumieren bereit war. Alle, die sie im Würgegriff der menschlichen Idealmaschinerie waren, die verzauberten Bezaubernden, das schöne Mädchen mit dem Ebenholzhaar, hatten erkannt: Ich bin, was von mir konsumiert wird. Ich werde konsumiert, also bin ich. Aber eines, das bin ich nicht: selbstbestimmt. Die Großmutter klappte den Bildschirm zu. Die großen Kinderaugen schauten sie ratlos an, der Kleinste zupfte Fransen aus dem Wollknäuel. Die Großmutter kniff dem Kleinsten liebevoll in die Kinderbäckchen und sagte, keine Angst, das ist doch nur ein Märchen.

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, T H C I N S S I E W ICH WIE ICH BIN. S L L A F N E D E J O S NICHT. Die Reise zu sich selbst ist ein Thema, über das manche gar nicht nachdenken und manche viel zu viel. Wie findet man da nur hin, zu dem wahren Selbst? Christine Gnahn über die Täuschungen des Lebens.

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igentlich fühle ich mich fast jeden Tag getäuscht. Das beginnt morgens, wenn ich, gerade mal wach, gleich einmal in meinen Facebook-Account blinzle und diverse Bildchen bewundern darf von Menschen, die sich positionieren und präsentieren, wie sie sich am liebsten sehen möchten. Auf die Werbung in Form von niedlichen kleinen Pop-Up-Bildchen, die mir nicht nur versprechen, schlanker, sondern auch schlauer, schöner, besser gekleidet und um einige weitere Attribute mehr bereichert zu sein, würde ich doch nur dieses eine Produkt kaufen. Es geht weiter, ich gehe in einen Supermarkt, kaufe mir ein Weckerl für die Arbeit und die Kassiererin grinst mich honigsüß an. Ich frage mich, ob es ihr echt so gut geht, um sieben Uhr morgens an einer Wurst-und-Gebäck-Theke, oder ob sie Angst um ihren Job hat. In der Arbeit und an der Uni treffe ich Leute, denen ich von fünfhundert Metern Entfernung schon ansehen kann, dass es Poser sind. SelbstdarstellerInnen, SchauspielerInnen, eigentlich BetrügerInnen. Soviel also zum Thema Täuschung. Doch die vermeintlichen Wahrheiten des Alltags werden ganz und gar durch etwas in den Schatten gestellt, das wie eine Krake nach Gedanken greift

und sie in eine Linie zwängt, die der Krake gefällt: die Selbsttäuschung. Mir war das selber lange nicht klar. Ich bewegte mich während meiner Schulzeit von A nach B und wieder zurück zu A und hatte dabei das Gefühl, wirklich alles und jeder sein zu wollen, nur nicht ich. Irgendwie war ich weder die, die die perfekten Noten am Frühstückstisch präsentieren konnte, noch der verlotterte Superpunk, der ohne zu zögern am helllichten Tage mit grunzendem Anlauf auf den Boden rotzt. Ich war aber auch nicht einfach eine von den Normalen, weil ich dafür irgendwie schon immer zu sehr und leider unfreiwilligerweise die Außenseiterrolle angenommen hatte. Als Kind wusste ich noch, wer ich bin und was ich will, doch je pickliger und pubertierender ich wurde, desto mehr geriet mein substanzielles Ich in die ganz hinteren Sphären meines Gedächtnisses. Ich hatte für das, was ich glaubte zu sein eine Hand voll Vorbilder, die ich auf irgendeine Weise tunlichst versuchte, zu einer ganz besonders tollen, komplexen Persönlichkeit zu kombinieren. Filmfiguren spielten dabei eine nicht unerhebliche Rolle, ebenso Charaktere aus Serien und Büchern. Ich hatte eine vage Vorstellung von dem, was ich sein wollte. Ich


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© Eugenia, Oh. (flickr)

hatte keine Ahnung, wer ich wirklich war. Wurde der Frust zu groß und entsprach man dem eigens zurechtgerückten Bild mal wieder viel zu wenig, ging man entweder shoppen oder saufen. Nach dem Abitur entschloss ich mich, wegzugehen. Ich entschied mich wohl nicht grundlos für eine Reise ans Ende der Welt – oder zumindest eine mit der größtmöglichen Distanz: Australien und Neuseeland. Mir ging es da oft kacke, keine Frage. Ich fühlte mich komplett aus meinem bislang recht soliden Leben (in einer Kleinstadt aufgewachsen, in keiner polizeilichen Akte vermerkt und kein einziges Mal der Drogenversuchung hingegeben) heraus gerissen. Ein bisschen wie eine Feder, die so lange sicher an den Flügeln eines Vogels geheftet war und sich nun plötzlich auf freiem Fluge durch die Luft befand. Ich musste das auch erst lernen, dieses Loslassen. In polizeiliche Akten habe ich es glücklicherweise auch Down Under nicht geschafft. Aber zu mehr Klarheit. Wir täuschen uns extrem oft. Die Täuschung besteht darin, zu glauben, etwas sein zu müssen, das man weder ist, noch würde es einen glücklich machen, wenn man denn wirklich so wäre. Man denkt, man könnte nicht ohne dies oder das leben, in Wahrheit steckt genau im Leben ohne dies oder das eines mit

mehr Glückseligkeit, mehr Freiheit, mehr Optionen. Oder man erkennt die Bedeutung von dies oder das erst recht. Wir glauben, wir müssten Angst haben vor Lücken im Lebenslauf und uns fürchten, wenn wir eine Zeit lange ohne feste Beziehung durch das Meer des Lebens schwimmen. An dieser Stelle möchte ich, statt weiter darüber zu philosophieren, wer man denn nun wirklich ist und wie man das erkennt, einen viel klügeren Menschen und meinen persönlichen Lieblingspoeten zitieren. Es handelt sich dabei um den anbetungswürdigen Rainer Maria Rilke und er wendet sich mit diesen Sätzen „an einen jungen Dichter“:

„Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.“


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L E D U R T S L APFE W E I V R E T N I IM Julia Aichinger ist gebürtige Salzburgerin und lebte die längste Zeit ihres Lebens in Bad Ischl, bis sie schließlich mit frischgebackener Matura die Koffer packte und ins Gegenextrem nach Wien zog. Die 19-Jährige hat sich in der Salzburger Szene als Apfelstrudel im Haar bereits einen Namen gemacht mit ihren gewagten und teils sehr gesellschaftskritischen Bildern, die sich ganz offen mit Sex zwischen Männlein und Männlein sowie Weiblein und Weiblein, den Schwierigkeiten der Identitätsfindung und vielen weiteren Themen auseinandersetzen. Christine Gnahn sprach im Auftrag der uni:press mit ihr über täuschende PolitikerInnen, ihre persönlichen Motive und warum man vorsichtig sein sollte, sich selbst als „gut“ zu bezeichnen.

uni:press: Täuschung in der Gesellschaft. Was fällt dir da spontan ein? Julia Aichinger: Täuschung in der Gesellschaft ist für mich, hm, Politik? Alles, was mit keiner großen Transparenz behandelt wird. Werbung ist auch Täuschung. up: Was empfindest du als schlimmer? Täuschung in Form von Werbung oder die Täuschung durch die Instanzen der Politik? J.A.: Natürlich die Täuschung der Politik, die Tricks anwendet, um die Gesellschaft so zu formen, wie man sie gerne hätte. Werbung ist etwas, das wir sehen, worüber man sich aber sehr gut informieren kann und ein Thema, das nicht dieselbe Ernsthaftigkeit verlangt, wie die Politik es beispielsweise tut. up: Hast du das Gefühl, junge Menschen wie du machen sich über die Täuschung durch die Politik genug Gedanken? J.A.: Nein, ich glaube, es gibt wenige junge Menschen, die sich über irgendetwas, vielleicht mal abgesehen vom Sexleben, genügend Gedanken machen. up: Ist das ein Grund, wieso du angefangen hast, zu zeichnen? Um aufmerksam zu machen? J.A.: Auf die Täuschung der Politik oder das Sexleben?


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Eines ihrer „Lieblingsmotive“, der Austausch homosexueller Zärtlichkeiten

Die Künstlerin im Selbstportrait

up: Hm, generell junge Leute zum Nachdenken zu bringen über kontroverse Themen. J.A.: Naja, ich bin nicht der Meinung, dass ich wahnsinnig politisch bin und auch nicht, dass es meine Bilder sind. Ich arbeite mit den Dingen, die mich beschäftigen und das sind zum Glück Themen, die für eine breite Masse zugänglich sind. Sicher würde man gerne die Rolle der „Guten“ einnehmen, die etwas verändern, inspirieren kann, umdenken lässt, aber soweit bin ich noch lange nicht. Ich bin realistisch und auch wenn viele sagen, ich sei gut und sowas, dann kann ich das nicht ernst nehmen, weil ich mich noch nicht sehr gut fühle, so als hätte ich genug gelernt und wäre schon in der Lage, so zu arbeiten, wie ich es mir für die Zukunft vorstelle. Der Hintergedanke, genau aus dieser Motivation heraus zu arbeiten, der ist jedoch bestimmt vorhanden. up: Was sind die wichtigsten Themen, die dich beschäftigen? J.A.: Natürlich die Sexualität vor der Politik. Nein, Scherz, aber Gewalt, Sexualität, Weiblichkeit, Identität – das sind schon große Themen. Momentan beschäftigt mich, was uns alle bewegt, die Flüchtlingskrise, sämtliche Notstände, die es zu bewältigen gilt. Aber diesen Themen fühle ich mich nicht gewachsen. Weil genau das die Menschen betrifft, die selbst am besten wissen, was passiert ist. Ich will nicht über

diese Menschen „hinwegzeichnen“, als wüsste ich, was gerade passiert. Verstehst du, was ich meine? up: Du willst nicht so tun als wüsstest du, wie es Flüchtlingen wirklich geht und wie es in ihnen aussieht. J.A.: Genau so. up: Aber du weißt wie es jungen Frauen geht. Das zu zeichnen reicht irgendwo auch völlig derweil, oder? J.A.: Ja, das weiß ich in gewissen Bereichen vielleicht. Weil ich da irgendwie dazu gehöre. Diese Themen fühlen sich zwar nicht ausreichend an – aber es ist sehr schwer sich den großen Themen anzunähern, wenn man quasi keine Erfahrung hat. up: Was studierst du in Wien eigentlich? J.A.: Kultur-und Sozialanthropologie, aber nur vorübergehend. Ich hoffe, dass ich auf diesem Gebiet einiges lernen kann, das mich im Bereich von Menschen, Kulturen und Gesellschaften weiterbringt. Genau das ist ja gerade wichtig, Kulturen und wie sie sich durch die Migration vermischen. up: Und wo geht die Reise hin? J.A.: Ich will mich an einer angewandten Kunstuni bewerben, vielleicht auch an einer bildenden. Mal schau’n.


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„EIN IDEAL M VIELLEICHT AN DEN OPFE VERLANGT!“

© FutUndBeidl, Access to Cloud - Ladder to Heaven (flickr)


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MISST MAN AM BESTEN ERN, DIE ES “1

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1: Carl Friedrich von Weizsäcker (*1912), Deutscher Physiker

Ich möchte keinen Job, der mir Genugtuung verschafft, ich will meinen Traumberuf ausleben. Ich möchte keinen bloß netten Partner, ich will den einzig welchen, der zu mir gehört. Ich möchte kein übersehbares Äußeres vorweisen, ich will verdammt nochmal schön sein. Was bedeutet es heute, dem Idealen nachzustreben? Druck oder Kostbarkeit? Von Daniela Schefbaumer

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ahnsinn, mit’n Bleistift griag i den Dreck unter meine Fingernägel raus, praktisch! Euphorie! Bin ich heute doch tatsächlich um eine Erfahrung reicher geworden. Und das Beste: Ich hab’ nun eine Beschäftigung. Vorhin bin ich der wichtigen Tätigkeit nachgegangen, mit dem Zeigefinger im Dreivierteltakt auf meinen fast (ich hatte zuvor Sterne reingekritzelt) leeren Block zu klopfen, bis mir jener Dreck aufgefallen ist. Bevor ich mich meiner neuen Aufgabe widme, lasse ich meine Augen noch einmal durch den Hörsaal wandern. Ich blicke kurz von Person zu Person. Um fair zu sein, bei den weiblichen Studierenden fällt die Dauer der Beobachtung etwas länger aus. Oh, die hat aber lange Beine. Schade, dass meine Freundin solche Stumpfhax’n hat. Wie wohl diese Beine in Seidenstrümpfen ... Moment, ich sollte zuhören. Ja, sollte mich diese Vorlesung nicht eigentlich interessieren? Was mache ich hier?“ Zugegeben, diese Darstellung war etwas überspitzt, doch ich möchte hiermit auf ein wichtiges Thema überleiten: das Streben nach dem Ideal. Dieses Streben gilt heutzutage oftmals als Weg, den es sich lohnt anzutreten. An sich ist dies kein schlechtes Vorhaben. Die Orientierung an Idealen kann dazu dienen, sich selbst zu verbessern. Allerdings sollte man wohl das Ideal, welches man anstrebt unter die kritische Lupe nehmen. Entsprechen jene Ideale den persönlichen Zielen oder aber versuchen uns lediglich äußere Einflüsse, diese Ziele schmackhaft zu machen? Sprich: Probiere ich Ideale zu erzielen, welche von meinen eigentlichen, persönlichen Idealen abweichen? Wichtig ist hierbei auch die Fähigkeit, dies zu erkennen. Sei es der Student, der auf den Wunsch seiner Eltern hin im für ihn falschen Studium sitzt und somit Stück für Stück seiner Motivation beraubt wird. Sei es die geschiedene Frau im privaten Fitnesstraining, welche sich einen neuen Partner wünscht und im Partnermarkt aka Online-Dating-Sites die Erfahrung machte, der Schönheitspegel läge kritisch hoch.Ich

wende mich heute den Themen Idealberuf, Schönheitsideal und Idealpartner etwas genauer zu. „Heast schau, das wos Gescheites wird aus dir!“ Knüpfen wir beim Beispiel des Studenten im Hörsaal an. Der Ideale Student? Wahrscheinlich hatte er bereits vor Antritt des Studiums tollen schulischen Erfolg erreicht. Er erweist sich im Hörsaal als interessiert und engagiert und ist stets auf dem aktuellen Stand der Dinge. Nicht nur was universitäre Neuerungen und Prüfungen belangt, auch ist er als braver Zeitungsleser stets über die neuesten Geschehnisse in der Welt informiert.Er ist sich seines Studiums absolut sicher und auch hat er gewisse berufliche Ziele im Kopf, welche natürlich eintreten werden, denn der junge Herr pflegt wichtige Kontakte. Seine Familie und Freude sind überzeugt von ihm. Gesellschaftlich hoch angesehen ist sein künftiger Job ebenso. Aus ihm wird mal etwas „Gescheites“. Er wird sich selbst in seinem Beruf verwirklichen. Generation beziehungsunfähig? Mit einem vollem Glas Rotwein, der meine Feierlaune unterstreichen soll, setze ich mich auf das Sofa. Den Laptop auf meinem Schoß aufgeklappt, habe ich vor, diesem Abend mit einem netten Flirt Glanz zu verleihen. Schnell und einfach den richtigen Partner finden also. Mal sehen auf welchen Profilen ich so lande. Lukas mit den gelockten Haaren entspricht nicht recht meinem Typ. Tobias präsentiert sich auf seinem Profilfoto neben seinem blankgeputzten Motorrad – sicher ein Fanatiker. Niklas sieht sympathisch aus. Klar, es muss wieder einen Haken geben: Er hat das Kästchen Raucher angekreuzt. Pfui Teufel, beim Schmusen brauch ich so eine Tschickpappn nicht. Thomas, hm, Thomas und ich passen zu 83% zusammen, aber ein Fliesenleger? Ein Arzt wär’ mir schon lieber. Detlef? Nein, dieser Name ist mir dann wohl etwas zu speziell. Heutzutage beschäftigt man sich zur Genüge mit Eigenschaften des idealen Partners / der idealen Partnerin. Verglichen zu früheren Generationen, haben wir heute


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© Jeff Meyer, ladder (flickr)

über das Internet die Möglichkeit, über ein breites Auswahlspektrum von PartnerInnen zu verfügen. Somit ist es uns möglich, Menschen von allen Kontinenten kennenzulernen. Selbstoptimierung und Perfektionswahn sind nicht nur in Sachen Karriere und Schönheitsangelegenheiten zu finden, sondern ebenso bei der Partnerwahl. Man weiß eben, wie der perfekte Partner sein soll. Wobei die Latte nicht gar niedrig gelegt ist. Ja, gut im Bett soll er sein, finanziell abgesichert, gleiche Interessen und was sonst noch so dazu gehört. Man will eben den perfekten Menschen finden und der Austausch fällt über soziale Netzwerke und Partnerbörsen leichter, das Angebot ist groß. Die Bezeichnung „Wegwerfgesellschaft“ lässt sich wohl nicht nur auf materielles Gut übertragen, sondern ebenso auf die menschliche Ebene.

„Dünn sein macht mich zickig. Aber in Hollywood ist es OK, zickig zu sein, solange man dünn ist.“—Salma Hayek Googelt man „Ideal“ ist nach „Idealo“ der zweite Vorschlag bereits „Idealgewicht“. Allein dies belegt, wie wichtig für viele wohl das äußerliche Erscheinungsbild ist. Schönheitsideale. Ein durchgekautes und wieder ausgespucktes Thema. Wir alle wissen, wie sie aussehen, diese Schönheitsideale à la Megan Fox und Scarlett Johansson und welche Merkmale als schön gelten: makellose, gebräunte Haut, gleichförmiges Gesicht, sportliche Statur. Es gibt zahlreiche ForscherInnen, die sich mit der Berechnung des idealen Gesichtes und Körpers befassen. Zahlreiche Umfragen dazu, was Frauen und Männern gefällt, werden ausgewertet. Und sind wir uns dem Schönheitsideal mal nicht bewusst, reicht es durch die Stadt zu spazieren und auf Werbeplakate zu achten. Ebenso sind wir alle darüber informiert, welche Folgen der Druck von Schönheitsidealen auslöst. Der sogenannte Schönheitsdruck, also. SchönheitschirurgInnen verdienen prächtig, Werbekampagnen bedienen sich einer quotensicheren Strategie, ÄrztInnen in Kliniken für Essstörungen haben immer genug zu tun. Das natürliche Altern des Körpers probiert man zu verhindern. Die junge Generation fühlt sich gezwungen, ihre Reize in sozialen Netzwerken ganz bewusst zu präsentieren. Und wir versuchen, allem gerecht zu werden.

Druck verringern. Tja, die Last des Schönheitsdruckes von den Schultern zu werfen, mag wohl nicht gerade als leicht zu bezeichnen sein. Schließlich werden wir auch ständig daran erinnert, wie man auszusehen hat. So braucht man etwa nur diverse Fernsehprogramme einschalten. Für gewöhnlich reicht allerdings der Blick auf das Titelblatt des Programmheftes aus, auf dem uns meist ein üppiger Vorbau von dem bearbeiteten Gesicht einer jungen Dame ablenkt. Wie also mit sich selbst zufrieden sein? Wie eine Beziehung führen, welche den Anforderungen genügt? Wie unter all dem Druck auch noch die Karriere im perfekten Beruf anstreben? Möglicherweise ist es keine schlechte Idee, manchmal in sich zu gehen und auf sein Bauchgefühl zu hören. Es mag schwierig sein, in unserer leistungsorientierten Gesellschaft die Stimme in unserem Kopf abzustellen. Schließlich beruht doch vieles auf Fakten. Mit jenem Studium habe ich bessere Jobchancen, mit weniger Gewicht habe ich mehr Chancen bei Männern. Doch sollten wir nicht manchmal überlegen, ob wir uns womöglich von äußerlichen Erwartungen vom richtigen Weg ablenken lassen? Denken wir an Glück. Viele Menschen projizieren ihre Zufriedenheit in die Zukunft. Wenn ich dieses und jenes jetzt über mich ergehen lasse, werde ich einmal dieses und jenes tun können und mich dementsprechend fühlen. Schließlich wird uns dieses Denken beigebracht. Absolviere die Matura, um einmal ein Studium beginnen zu können. Studiere etwas Sinnvolles, um einmal einen gut bezahlten Job zu bekommen. Arbeite hart, um einmal eine gute Pension haben zu können. Und dann in der Pension – hat man das Meiste seines Lebens bereits gelebt? Vielleicht sollte man probieren, in der Gegenwart zu leben. Heutzutage ist die Sicherheit meist nicht gegeben, mit einem Studium auch den passenden Job zu bekommen. Vielleicht sollte man also Zufriedenheit im Hier und Jetzt suchen. Das Fach studieren, das mich jetzt glücklich macht und mein Interesse stillt. Was schenkt mir jetzt die meiste Zufriedenheit? Wie gestalte ich mein Leben jetzt am besten für mich? Ebenso ist zu empfehlen, den Gürtel der Erwartungen von außen etwas lockerer zu schnallen, was meist gewisse Schwierigkeiten mit sich bringt. Doch ist eine gesunde Grenze zwischen dem Streben nach Perfektion und dem Druck durch Perfektion vielleicht die Lösung. Findet man seine Leidenschaft in einem Beruf, welcher nicht von den Eltern als erstrebenswerter Beruf angesehen wird, so sollte man vielleicht den Worten der Eltern weniger Beachtung schenken. Klar ist unsere westliche Gesellschaft durch Leistungsorientiertheit geprägt. Doch ist nicht die einzig wahre Leistung, die man anstreben sollte, die persönliche Zufriedenheit? Das Ideal bin ich!


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uni & leben vor sitz spal te

Das dahinscheidende GRAS-Vorsitzteam: Nicole Vorderobermeier und Katharina Obenholzner

„DON'T CRY BECAUSE IT'S OVER, SMILE BECAUSE IT HAPPENED.” —DR. SEUSS

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ir glauben an kritische Studierende. Vielen wird sogar während des Studiums reflektiertes, kritisches Denken beigebracht. Im Soziologie-Studium beispielsweise ist eine besonders wichtige Frage, die man gleich von Anfang an erlernt, eine recht banale: Warum? Tatsachen oder Wirklichkeitsdarstellungen soll man nicht gleich für gegeben hinnehmen und wenn, soll man sich jedenfalls fragen: Warum ist das so, wie es ist? Dabei kann man bisweilen wirklich schöne Erkentnisse haben. Das ist nicht nur studierendenrelevant, sondern auch für den Alltag ganz hilfreich. §12 Absatz 2 des Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetzes 2014 besagt sogar, um das auch mal klarzustellen: „Den Hochschülerinnen- und Hochschülerschaften obliegt die Vertretung der allgemeinen und studienbezogenen Interessen ihrer Mitglieder insbesondere gegenüber staatlichen Behörden und Einrichtungen sowie universitären Organen und Organen der Bildungseinrichtung.“ Ob man es glaubt oder nicht, Studierende haben nämlich auch ein Leben neben dem Studium und weitreichende Interessen, die nicht nur die Universität betreffen. Studierende in ihrer Rolle als Studierende sind natürlich in erster Linie quasi „Universitätsangehörige“, aber selbst wenn man es so angeht, muss man sich doch fragen, wofür die Universität steht. Ist es eine reine Bildungseinrichtung? Oder hat die Universität viel mehr anzubieten, als bloßes „Ausbilden“, das ihr als primäres gar einziges Merkmal manchmal unterstellt wird? Vermutlich ist da aber mehr, wenn sich sogar die Rechtsgrundlage auf allgemeine und studi-

enbezogene Interessen bezieht. Das eine schließt das andere also nicht aus. Unsere Zeit im Vorsitz ist Ende Oktober vorbei. Wie diese Entwicklung zustande kam, ist unserer Meinung nach äußerst bedauerlich, lässt sich aber nicht rückgängig machen. Auch hier können wir nur wieder betonen: wir glauben an kritische, reflektierte Studierende. Wir hoffen, dass jene Projekte, die uns besonders am Herzen liegen, von der neuen Exekutive weitergeführt werden. Die frei:kost beispielsweise war eine wunderbare Möglichkeit, eine gute Mahlzeit zur Mittagszeit zu genießen, während man andere Studierende trifft und sich austauschen kann. Dass die frei:kost veganes Essen angeboten hat, war keinesfalls eine ideologische Entscheidung, sondern rein pragmatisch, da billiger, hygienischer (sobald Fleisch gekocht wird, muss gesetzlich getrennt gekocht werden und es müssen noch mehr diverse Hygienebestimmungen erfüllt werden) und natürlich kostet gutes Fleisch auch viel mehr Geld. Vegan Gekochtes ermöglicht auch einer großen Zielgruppe, das Essen zu genießen. Diskriminiert werden sollte dadurch jedenfalls kein Essverhalten. Fleisch essen kann man ja an allen anderen Tagen auch noch und sich dann auch entscheiden welches Fleisch, in welcher Menge und Qualität man möchte. Und wir denken auch, dass sich Studierende freuen, wenn sie eine alternative, kostengünstigere Essensmöglichkeit angeboten bekommen. Themen wie Ökologie, Nachhaltigkeit, Feminismus und Gesellschaftspolitik (um nur einige zu nennen) kommen in der neuen Exekutive hoffentlich auch nicht zu kurz. Dass die studierendenbezogenen Interessen gut vertreten werden, bezweifeln wir jedenfalls nicht. Die uni:press steht unter dem Thema „Täuschung“. Vor allem Tiere sind Meister im Tarnen und Täuschen (siehe auch: factum). Aber auch Menschen stehen dem manchmal in nichts nach. Bezüglich Mensch-Tier-Verhältnissen können wir euch noch eine Empfehlung mit auf den Weg geben: die Ringvorlesung zum Thema „Human-Animal-Studies“ – sie findet jeden Donnerstag von 17:00-19:00 Uhr statt (HS 380, Rudolfskai). Dort bekommt ihr spannende Einblicke in Human-Animal-Studies und könnt sie euch sogar als Wahlfach anrechnen lassen. Nun ist es aber Zeit. Wir verabschieden uns von der ÖH, traurig, dass es so beendet wurde, wie es beendet wurde, aber rückblickend froh, weil es eine spannende und wichtige Erfahrung für uns war und uns gezeigt hat, wieviel man für Studierende tun kann (Projekte, Veranstaltungen, Diskussionsrunden etc.). Und natürlich wünschen wir der neuen Exekutive, trotz allem, einen erfolgreichen Start.


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Mehr Individualität durch Studienergänzungen

Durch eine in den letzten Jahrzehnten zu beobachtende Verdichtung der Studienpläne fehlt es vielen Studierenden an Ausgestaltungsfreiheiten, individuelle Interessen ins Studium zu integrieren oder Spezialisierungen zu setzen. Die österreichweit einzigartigen Studienergänzungen und -schwerpunkte der Universität Salzburg ermöglichen im Rahmen der Freien Wahlfächer sinnvolle Kombinationen und Erweiterungen zum Regelstudium. Ein Überblick von Doris Hörmann

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em Zentrum für Flexibles Lernen (ZFL) ist es im Auftrag des Vizerektors für Lehre in den letzten fünf Jahren gelungen, ein umfangreiches Angebot an interdisziplinären Studienergänzungen zusammenzustellen, das Studierenden erlaubt, abseits des Hauptstudiums vertiefend in die unterschiedlichsten Themenbereiche einzutauchen. Die entscheidenden Vorteile gegenüber einer beliebigen Kombination einzelner, nicht miteinander im Kontext stehender Lehrveranstaltungen im Rahmen der Freien Wahlfächer sind die thematische Bündelung und die Abstimmung des Lehrangebots, sodass eine sinnvolle Spezialisierung möglich ist. Der mittlerweile sehr breite Pool an Studienergänzungen und -schwerpunkten bietet die Möglichkeit, wichtige Zusatzkompetenzen zu erwerben und wird laufend erweitert. Bisher gehören zum Angebot: »» Angewandte Statistik und Datenanalyse* »» Armut & soziale Ausgrenzung »» Bewegtes Lernen »» Gender Studies* »» Geographische Informationssysteme (GIS)* »» Global Studies* »» ICT&S*

»» Initiative Karrieregestaltung »» Interdisziplinäre Studien zu Mittelalter und Früher Neuzeit* »» Kulturmanagement & Kulturelle Produktion/Künste im Kontext (*Künste & Öffentlichkeiten) »» Lernen mit Geoinformation »» Medienpass (*Neue Medien) »» Mehrsprachigkeit »» Migration Studies »» Philosophicum KTH (*Großes Philosophicum) »» Rhetorik* »» Sprachen Sind in deinem Curriculum Freie Wahlfächer vorgesehen, können Studienergänzungen als solche angerechnet werden. Ansonsten gelten sie als Zusatzleistungen und werden in jedem Fall mit einem Zertifikat der Uni Salzburg bestätigt: als Basismodul (Umfang 12 ECTS), als Studienergänzung (Umfang 24 ECTS) oder als Studienschwerpunkt (Umfang 36 ECTS). Warum sich der Zusatzaufwand lohnt. Qualifikationen, die neben dem Studium erworben wurden, können sich einmal bei der Jobsuche bewähren, denn sie zeigen, dass man sich für mehr interessiert, als ein Bachelorstudium in Regelstudienzeit und mit den Mini-


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malanforderungen herunter zu brechen. Durch gezielte Schwerpunktsetzung kann der eigene Studienabschluss attraktiver gestaltet und aufgewertet werden, wodurch man sich von den übrigen Bewerbern abheben kann. Vor allem in Massenstudiengängen mit vielen AbsolventInnen, wie Recht und Wirtschaft sowie Anglistik und Amerikanistik, können Nachweise über spezielle Kompetenzen entscheidende Vorteile gegenüber MitbewerberInnen bieten. ArbeitgeberInnen signalisiert das Engagement auch außerhalb des Studiums eine Weiterbildungs- und Entwicklungsbereitschaft, die in vielen Arbeitsbereichen wichtige Grundvoraussetzungen darstellen. Die Interdisziplinarität der Studienergänzungen ermöglicht außerdem das Hinausblicken über den eigenen Tellerrand und eine Vernetzung mit Personen aus anderen Fachbereichen. Sinnvolle Kombinationen. Bei Studierenden der Kommunikationswissenschaft ist die Studienergänzung Medienpass bzw. der Studienschwerpunkt Neue Medien seit Jahren sehr beliebt, da dort vertiefende Kompetenzen in der angewandten Medienproduktion vermittelt werden. Das koordinierende Zentrum für Flexibles Lernen bekommt laufend Rückmeldungen von AbsolventInnen, für die die zusätzlich erworbe-

nen Kompetenzen im Bereich der Medienproduktion DAS Schlüsselkriterium für die Jobzusage war. Für Politik- und Geografiestudierende kann eine Ergänzung um Global Studies Sinn machen, wenn es um das bessere Verstehen von globalen Zusammenhängen geht. Fundiertes Wissen in der Angewandten Statistik und Datenanalyse ist in den Sozialwissenschaften sehr gefragt. Zusätzliche Sprachkompetenzen sind in einer globalisierten Welt unabkömmlich und notwendig, wenn man Studien oder Karrieren im Ausland anstrebt. Grundsätzlich gibt es jedoch keine Regeln, welche Studien mit welchen Studienergänzungen am besten kombinierbar sind. Individuelle Vorlieben, Interessen und mögliche Karriereziele können Orientierungshilfen sein, um aus dem umfangreichen Angebot die für sich beste(n) Studienergänzung(en) auszuwählen. Bei der Infoveranstaltung am 10. Dezember im Unipark Nonntal kann man sich bei VertreterInnen aus allen Studienergänzungen auch persönlich beraten lassen und informieren. Koordiniert wird das Lehrangebot vom Zentrum für Flexibles Lernen (ZFL) in der Kapitelgasse 6, das auch die Zertifikate ausstellt. Ansprechpartnerin ist Mag. Nina Grabner, deren Team unter studienergaenzung@sbg.ac.at erreichbar ist.

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Nähere Infos direkt beim ZFL: http://bit.ly/ZFLSBG oder als Kurzpräsentation: http://bit.ly/pimpmystudies *Auch Zertifikate als Studienschwerpunkte möglich. (Mindestumfang: 36 ECTS) Informationsveranstaltung 10. Dezember 2015, von 13 bis 15 Uhr in der Galerie im 1. OG des Uniparks


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eim Landesschulrat angekommen, mussten wieder etliche Formulare ausgefüllt und zahllose Zeugnisse vorgezeigt werden. Man war dies jedoch mittlerweile schon gewöhnt, da es beim Studienabschluss nicht anders war. Akribisch achtete man darauf, nichts zu vergessen. Denn wenn man beispielsweise vergaß, seinen Antrag auf bargeldlose Gehaltsübermittlung abzugeben, dann schied man automatisch wieder aus dem Schulpraktikum aus. Da ich jedoch alles doppelt und dreifach überprüft hatte, machte ich mir hier keine Sorgen. Ein paar Wochen später lag ein Brief in meinem Postkasten. In freudiger Erwartung, wurde dieser geöffnet und barg diverse Überraschungen. Zunächst fiel mir auf, dass sich mein Praktikumsort geändert hatte. Nicht weiter tragisch, ich war aufgeschlossen gegenüber allem Neuen. Dann fiel mir jedoch noch ein Schrieb am Ende des Briefes ins Auge. Dieser enthielt Informationen zu einer Veranstaltung auf der Pädagogischen Hochschule Salzburg. Es standen diverse Termine darauf, bei denen man anwesend sein musste. Man sollte zum ersten Termin seinen Studentenausweis und das Datum seines Maturzeugnisses mitbringen. Hier kam mir das erste Mal das klassische What the fuck! über die Lippen. Mir kamen diverse Gedanken in den Sinn: 1. Was ist das für ein verkackter Kurs? Von dem war während des Studiums niemals die Rede. 2. Was soll ich bitte auf der Pädagogischen Hochschule? Volksschullehrer werden? MIT DEN KLEINEN SAUG’FRASTAN WILL ICH NICHTS ZU TUN HABEN! 3. Warum zum Henker soll ich meinen Studentenausweis mitbringen? Ich bin kein Student mehr. 4. Was zum Geier hat mein Maturadatum damit zu tun? Ich mein’, mal ehrlich: Was zum Geier hat das Maturadatum damit zu tun?! Der Termin war eine Blockveranstaltung, die zwei volle Tage dauern sollte. „Hurra! Auch auf der Uni habe ich Blockveranstaltungen stets geschätzt und habe auch noch in der achten Stunde mit Eifer und Freude mitgearbeitet!“ said no student ever. Wie dem auch sei, es stellte sich dabei tatsächlich heraus, dass man sich nun wieder einschreiben musste. Deshalb musste man den Studentenausweis und das Maturadatum, denn ohne dem geht gar nichts (WTF?!), mitbringen. Man war nun Student an der Pädagogischen Hochschule in Salzburg. Insgesamt sollte es fünf

WHAT THE UNTERRICHTSPRAKTIKUM! ODER WIE ICH DAS BABY MIT DER EINEN AUGENBRAUE ZU HASSEN LERNTE Nun war es also soweit. Irgendwie konnte ich es nicht richtig fassen. Das Studium war vorbei und ich war gerade auf dem Weg zum Landesschulrat in Salzburg, um mich für das verpflichtende Unterrichtspraktikumsjahr anzumelden. Es würde großartig werden. Eine goldene Zukunft lag vor mir. Ein Erfahrungsbericht von Adalbert Wutprecht Blockveranstaltungen geben, die jeweils zwei Tage in Anspruch nehmen. Zusätzlich zu diesen Blockveranstaltungen muss der eifrige Studierende noch Fachdidaktikkurse besuchen, da man während des Studiums noch nicht genügend in dieser Hinsicht gelernt hatte. Einleuchtend, wie ich finde, nicht. Dieser Irrsinn wurde damit argumentiert, dass wir soundsoviele ECTS abzuleisten hätten (WTF?!). Wieso ECTS? Studiere ich noch? Hab’ ich etwas verpasst? Mit mir waren etwa 150 JunglehrerInnen in diesem Kurs. Viele mögen meinen: „Oh, das sind aber viele KollegInnen.“ Ich dachte mir nur: „Das sind zu viele Konkurrenten.“ Denn nichts anderes wird es in einem Jahr sein. Ein Konkurrenzkampf um die wenigen Lehrstellen, die es geben wird. Besonders verhasst


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© Sandor Weisz, ... I‘m outta here (flickr)

wurden mir gewisse Konkurrenten, die meinten: „Ja ich habe in Wien studiert und bin jetzt nach Salzburg gekommen, um hier das Praktikum zu machen. Die Stadt ist einfach schön und ich will danach auch hier unterrichten.“ Meine Gedanken dazu: „WTF! SCHLEICH DICH WIEDER HEIM NACH WIEN, DU PISSER! DRECKS BAZI! DORT GIBT’S UNTERRICHTSPLÄTZE OHNE ENDE UND DU SCHEISS BANANE KOMMST NACH SALZBURG!“ Der Wiener wurde zu meinem Erzfeind erklärt. Denn jeder Mensch sollte einen solchen haben. So wie für Maggy das Baby mit der einen Augenbraue ihr Erzfeind ist. Ich hatte also nun mein ganz persönliches Baby mit nur einer Augenbraue gefunden. Ausgezeichnet. Wir saßen uns also beim ersten Block zwei Tage lang die Hintern wund. Die verschiedensten Materien, wie Schulrecht und Aufsichtspflicht, wurden uns unbarmherzig eingeprügelt. Besonders niederträchtig empfand ich die Tatsache, dass man uns anhand eines Sesselkreises dazu zwang, stets mitten drin statt nur dabei zu sein. Das rettende Handyspiel war zum Greifen nahe und dennoch meilenweit entfernt. Griechische Sagen von endlosen Qualen und Folter kommen mir in den Sinn. Und immer wieder der Gedanke: „Wieso haben wir das Ganze nicht während des Studiums gelernt!?“ Nach zwei Tagen und ca. 16 Stunden Input verlasse ich zombiehaft das PH-Gebäude. Am Abend wird mit zittrigen Fingern das Smartphone wieder aktiviert. Ich brauche etwa zwei Stunden, um wieder up to date zu sein. Was für eine Verschwendung. Scheiß Facebook, ich sollte all meine Freunde löschen. Mich selbst gleich mit. Oh Gott! Kommando retour!

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Niemand wird gelöscht! Ich möchte auch weiterhin den Kuhdung, der als freie Meinung verpackt wird, ertragen! Das Baby mit der einen Augenbraue schickte mir eine Freundschaftsanfrage. Diese wurde angenommen. Man möchte ja mehr über seinen Erzfeind erfahren. Es wurde noch etwa eine halbe Stunde damit verschwendet, mein Baby zu stalken. Etwa fünf Tage später begann mein Unterrichtspraktikum. Die ersten Stunden gingen gut von der Hand. Ich sprühte vor Selbstvertrauen. Nun war ich derjenige, der lehrte. Nun war ich derjenige, der die Noten vergab. NUN WAR ICH DERJENIGE, DER AN DER MACHT WAR! NUN WAR ICH DERJENIGE, DER JUNGE UND UNVERBRAUCHTE LEBEN ZERSTÖREN KONNTE, MUAHAHAHA! So oder auch so ähnlich mussten meine bisherigen Lehrer gedacht haben. Es konnte darüber keinen Zweifel geben. Ich würde mich davon jedoch distanzieren. Und damit begann eine Zeit des Lernens. Schon wieder. Die Themen, welche im Lehrplan vorgesehen waren, wurden leider in den Studiengängen der Uni Salzburg nicht wirklich behandelt. Ich konnte also auf ein Lehramtsstudium voller Kurse zurückblicken, die mir im Berufsleben eines Lehrers nichts oder nur sehr wenig brachten. Ich hatte gegenüber den Schülern nur den einen Vorteil, dass ich wusste was kam und mich darauf vorbereiten konnte. Ich brauchte zu Beginn für eine Unterrichtseinheit von 50 Minuten ca. fünf Stunden Vorbereitungszeit. Nach einem Monat merkte ich jedoch, dass es nicht besser wurde und ich immer noch so lange brauchte. Nun gut, hier übertreibe ich ein bisschen, es wird schon besser. Ich bin mittlerweile mit vier Stunden Vorbereitung gut dabei. Immer wieder musste ich dabei darüber Schmunzeln, wenn ich hörte, dass der fette, angesoffene Häupl meint, dass er Dienstagmittag die 20 Stunden voll hätte. Sicher ist dabei nur, dass er Dienstagmittag schon den ersten Doppler leer hat und er selbst schon relativ voll ist. Das besagte Schmunzeln gefriert mir jedoch dann im Gesicht, da ich von allen Seiten gesagt bekomme, dass ich in einem Jahr dann eh wieder arbeitslos sein werde. Stellen gibt es keine und eingespart wird bei der Bildung sowieso. Der Konkurrenzkampf ist groß. „VERDAMMNIS ÜBER DICH, EINAUGENBRAUIGES BABY!“ Irgendwie wurde uns da vor ein paar Jahren etwas anderes erzählt. What the fuck!


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DESIGN STATT ZWECKMÄSSIGKEIT Das Gebäude des modernen Uniparks Nonntal überzeugt nur auf den ersten Blick. Ein Erfahrungsbericht von Vanessa Köppl

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ls ich zum ersten Mal die Uni betrat, fand ich mich in einem riesigen, durchgestylten Gebäude aus Beton und Glas wieder. Auf den ersten Blick ziemlich beeindruckend. Dieses Gebäude hatte nichts verstaubtes, es strahlte eher Moderne und Dynamik aus. Sofort fiel mir die offene Gestaltung in Form der Galerie im ersten Stock auf. Diese Offenheit zieht sich durch das ganze Gebäude, denn das Treppenhaus ist hell, freundlich und lichtdurchflutet. Mit einem Aufzug aus Milchglas fahre ich in den dritten Stock, in dem sich der Fachbereich Germanistik befindet. Wieder diese offene, helle Gestaltung. Die Büroräume der ProfessorInnen sind nicht hinter einer Tür versteckt, sondern komplett aus Glas. Einzelne Milchglasstreifen an den gläsernen Wänden schaffen so etwas wie Distanz, Begriffe wie „recherchieren“, „lehren“ oder „auswerten“ verweisen hier schon auf das, was an der Universität Programm ist. Voller Elan starte ich in meinen ersten Tag. Meine erste Lehrveranstaltung habe ich im vierten Stock. Hier

taucht allerdings das erste Problem auf. Wie gelangt man in den vierten Stock? Nachdem ich einmal am Fachbereich im Kreis gelaufen bin, entdecke ich mit anderen Studierenden, die ebenso auf der Suche sind, eine schwarze Tür, die in den vierten Stock führt. Geschafft. Als ich den Lehrveranstaltungsraum betrete, sind fast alle Plätze schon besetzt. Es strömen jedoch mehr und mehr Studierende in den Raum. Ich frage mich, wo wir uns alle hinsetzten sollen. Schließlich stehen alle, die nicht rechtzeitig da waren, um gleich einen Platz zu besetzen, irgendwo neben und hinter den Tischreihen an der Wand. Als der Professor schließlich hereinkommt und uns mitteilt, dass aus Platzmangel nicht jeder einen Platz in der Lehrveranstaltung bekommen wird, gibt es enttäuschte Gesichter. Bisher war ich davon ausgegangen, dass gerade Platz in diesem imposanten Gebäude nicht das Problem sein würde. Den nächsten Raum im dritten Stock fand ich ziemlich schnell, nur war dieser fast noch gedrängter. Zudem gab es keine Tische, son-


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© Universität Salzburg (PR), Unipark Panorama (flickr)

© Universität Salzburg (PR), Hörsaal Thomas Bernhard (flickr)

© Universität Salzburg (PR), Tag der Lehre 2015 (flickr)

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dern nur Stühle mit kleinen Tischen zum Aufklappen. Auf so einer Art von Stuhl bin ich das letzte Mal in der Schule im Musikunterricht gesessen – hier musste man allerdings kaum etwas schreiben. Ich lege ein Buch und meinen Block auf den Tisch und er ist voll. Andere Utensilien wie Laptop, weitere Bücher oder Wasserflasche müssen erst einmal in der Tasche verstaut bleiben. Auch hier werden wieder mehrere Studierende abgewiesen, weil für sie einfach kein Platz mehr ist. Nach meiner Mittagspause, in der ich in einer völlig überfüllten, enorm lauten Mensa etwas gegessen habe, möchte ich mich auf meine weiteren Kurse vorbereiten. Im ersten Stock gibt es Sitzbänke, aber keine Tische. Also zurück in den dritten Stock. An der Germanistik gibt es keinerlei Möglichkeiten, sich zum Lernen aufzuhalten. Weiter zum Bereich Linguistik und Slawistik. Hier gibt es schon zwei Tischreihen mit Sitzwürfeln, die sind jedoch schon alle besetzt. Dann doch in die Bibliothek ins erste Untergeschoss. Alle Schließfächer sind bereits belegt, deswegen lege ich meine Tasche in ein Regal und meine Wertsachen in einen von den bunten Plastikkörben, die man mit hinein nehmen darf. Im vorderen Bereich ist es relativ dunkel. Ich entdecke mehrere Plätze, an denen Computer für Recherchearbeiten bereitstehen. Dann gibt es noch ein paar Räume, in denen man sich zur Vorbereitung gemeinsamer Referate oder Vorträge treffen kann. Die meisten davon sind gerade besetzt, auf den Reservierungsplänen an den Türen kann ich ablesen, dass diese sich größter Beliebtheit erfreuen. Die Bibliothek ist in zwei Bereiche unterteilt, abgetrennt durch große Stufen. Unten noch einmal viele Bücherregale, ein Lesesaal und ein großer Bereich mit einem flauschigen Teppich und dutzenden Sofas, auf denen man sich aufhalten kann. Durch das Milchglas in der Decke und die große Raumhöhe ist hier wieder alles sehr lichtdurchflutet. Wenn man eher der Lerntyp ist, der eine völlige Stille bevorzugt, ist man hier sicherlich richtig. Wenn man jedoch eher der Typ ist, der sich gerne mit anderen Studierenden austauscht, den Lernstoff noch einmal laut durchgeht und sich gegenseitig abfragt, hat man starke Schwierigkeiten, einen geeigneten Platz zu finden, denn die wenigen, die es gibt, sind schnell weg. Nach meiner letzten Veranstaltung möchte ich mich mit einer Freundin treffen. Vorm Haupteingang und im Eingangsbereich ist viel Platz – aber hier wieder dasselbe Problem: keine Sitzmöglichkeiten. Im Großen und Ganzen macht es viel Spaß, an einer so modernen Universität zu studieren, doch da beim Bau eher aufs Design statt Zweckmäßigkeit geachtet wurde, ist hier zu studieren zeitweise ziemlich anstrengend.


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SECHS JAHRE GRÜN-ROTE ÖH SALZBURG: EINE BILANZ Anfang Oktober brach der SPÖ-nahe VSStÖ überraschend die grün-rote Koalition in der ÖH Salzburg, um fliegend in eine schwarz-rote Koalition zu wechseln. Damit enden sechs Jahre, in denen eine linke ÖH viel für Salzburgs Studierende erreicht hat. Es ist eine Zäsur, die Anlass gibt, einen Blick auf die Meilensteine der letzten Jahre zu werfen. Saubere Finanzen. Nachdem die schwarz-rote ÖH-Koalition 2008 an einem schweren Finanzskandal scheiterte, bildeten die Grünen & Alternativen StudentInnen (GRAS) und der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) 2009 eine linke Exekutive, die sich hilfreichen Service und eine progressive Politik zum Ziel setzte. Seitdem gab es keine Finanzskandale und Freunderlwirtschaft mehr, sondern transparente und saubere Finanzen. Erneuerung der ÖH. Als die GRAS 2008/09 von der Oppositionsbank in die ÖH-Exekutive wechselte, fand sie leere Büros und Stillstand vor. Die grün-rote Koalition hat die ÖH mit viel Aufbruchsstimmung und Kreativität erneuert. Aufgabenprofile wurden erstellt, die Arbeitsweise professionalisiert und die interne Entscheidungsfindung demokratischer gestaltet. Professioneller ÖH-Außenauftritt. Um Studierende besser zu erreichen, hat die ÖH ihren Außenauftritt stets verbessert. Dazu gehörten einfach Schritte ebenso, wie große Würfe: 2009 wurde eine Facebook-Seite erstellt, 2010/11 ein Corporate Design eingeführt, ein regelmäßiger Newsletter aus-

geschickt, dutzende Infostände an der Uni abgehalten und eine Website entwickelt, die von tausenden Studierenden genutzt wird. Die uni:press wurde mit einem Relaunch zu einer hochwertigen Zeitschrift, die mit kritischen und mutigen Themen-Schwerpunkten für Aufsehen sorgte. Green Campus. Gesamtgesellschaftliche Herausforderungen brauchen konkrete Schritte vor Ort. Die ÖH hat 2010 mit dem Projekt uni:nachhaltig den Umweltschutz an die Uni gebracht. Gegen anfängliche Widerstände hat die ÖH erreicht, dass mit PLUS Green Campus eine konsequente Mülltrennung, Abfallvermeidung, Energiesparen und Recycling-Papier gekommen sind. Außerdem wurde Nachhaltigkeit stärker in der Lehre und Forschung verankert. Studierbare Studienpläne. In zahllosen 1. Gremiensitzungen hat die ÖH Salzburg 2. für Studierende gekämpft: Bei der Ein3. führung der STEOP wurde das studierendenfreundlichste Modell in ganz Öster4. reich durchgesetzt. Im Jahr 2011 konnten 5. die drohenden „autonomen Studiengebühren“ verhindert werden, die uns Studierende hunderttausende Euro gekostet


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hätten und sich später als rechtswidrig herausstellten. Um ein vielseitiges, selbstbestimmtes Studieren zu ermöglichen, hat sich die ÖH erfolgreich für mehr Freie Wahlfächer eingesetzt. Gemütliche Möbel an der Uni. Unmittelbar nach ihrem Amtsantritt hat die grün-rote ÖH gemütliche Sitzmöbel an die Uni gebracht. Die Foyers der GesWi und NaWi wurden möbliert; die dortigen Dachterrassen wurden für Studierende geöffnet und mit Tischen und Bänken ausgestattet. Damit wurde die Uni ein Stück weit mehr zu einem Lebensraum, in dem man sich gerne aufhält. Kritische ÖH-Ringvorlesungen. Mit dem Rückenwind der Uni brennt-Proteste von 2009 konnte die ÖH mit Unterstützung des Rektorats jährliche Ringvorlesungen organisieren, die von Studierenden selbst konzipiert wurden. Dadurch konnten progressive Themen an die Uni gebracht werden, die hunderte HörerInnen anzogen: Bildungsökonomisierung, Nachhaltigkeit, „Wie rechts ist Europa?“ und die Human-Animal-Studies-RV im aktuellen Wintersemester. ÖH-Freiraum. Einladende Aufenthalts- und Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang sind gerade im teuren Salzburg wichtig – und selten. Daher wurde 2012 der ÖH-frei:raum in der Kaigasse 17 eröffnet. Der frei:raum steht allen Studierenden tagsüber offen, um zu lernen, in Gruppen zu arbeiten oder einfach um zu entspannen. Abends kann man ihn kostenlos für Veranstaltungen aller Art nutzen. Neues ÖH-Beratungszentrum im Unipark. Mit der Fertigstellung des Unipark Nonntal beschloss die ÖH 2012, das Beratungszentrum aus der Kaigasse herauszuholen. Das Beratungszentrum ist neben den Studienvertretungen die wichtigste Anlaufstelle bei Fragen und Problemen. Im Unipark hat das Beratungszentrum seinen neuen Platz im prominenten Glaskubus gegenüber vom Haupteingang gefunden. Die ÖH hat das Beratungszentrum personell aufgestockt, um den wachsenden Bedarf zu decken. frei:kost – gut und günstig. Ein durchschlagender Erfolg wurde das Pionier-Projekt frei:kost. Im Oktober 2014 begann die ÖH, ein Mal wöchentlich in der Kaigasse 17 für Studierende zu kochen. Bei der frei:kost können Studierende ein gutes, gesundes und warmes Mittagessen gegen eine freiwillige Spende genießen. Oft nutzten mehr als 100 Studierende diese günstige Alternative zu Mensa und teuren Lokalen. Darunter waren immer mehr, die selbst beim Kochen und Ausschenken

mithalfen. Gründung von Food-Coops. Eine Aufgabe der ÖH ist es, Studierende bei der Umsetzung progressiver Projekte zu unterstützen. So hat die ÖH 2013 die Gründung der ersten Food-Coops (Lebensmittelkooperativen) in Salzburg angestoßen, über die Studierende gesunde, regionale und biologische Lebensmittel günstig beziehen. Die Food-Coops wie das Salzkörndl sind genossenschaftlich organisiert, haben mehr als 50 Mitglieder und sind nicht profitorientiert. Ausstattung und Angebote für Studienvertretungen. Die Arbeit der Studienvertretungen in der Beratung und in Gremien ist unverzichtbar. Um sie bestmöglich zu unterstützen, hat die ÖH noch 2009 neue Computer, Drucker, Tische und Sofas bestellt. Mit Workshops und Schulungen sowie einem kürzlich fertiggestellten Wiki wurde die Wissensvermittlung und -weitergabe erleichtert. Neues Semesterticket für Studierende. Um Salzburgs Öffis für Studierende leistbar zu machen, führte die ÖH viele Verhandlungen, flankiert von Kampagnen und öffentlichem Druck. Mitte 2015 kam der Durchbruch: Der Höchstpreis wurde halbiert, der Kernzonen-Tarif leicht gesenkt und eine Verteuerung abgewehrt. So ersparen sich z.B. Studierende aus dem Pinzgau bis zu 600 Euro im Jahr. Vielseitige Kulturveranstaltungen. Ob Lesungen im frei:raum, Vorträge, Filmabende oder Diskussionsrunden, Konzerte oder Feste an der Uni: Die ÖH hat die studentische Kultur in Salzburg seit 2009 belebt. Es war für alle etwas dabei. Neben eigenen Veranstaltungen hat die ÖH mit der Kultur- und Projektförderung die verschiedensten Initiativen und Projekte ermöglicht. Bei den ÖH-Clubs haben sich Studierende zu vielfältigen Zwecken zusammengeschlossen – vom ÖH-Fußballclub über den Tanzclub bis zum ÖH-Vegan-Club. Proteste & Demos. Ein gutes Studium und ein schönes Leben sind nur in einer solidarischen Gesellschaft möglich, in der alle angstfrei und selbstbestimmt leben können. Die grün-rote ÖH Salzburg hat stets über den Tellerrand der Uni geblickt und sich kritisch in öffentliche Debatten eingeschaltet. Sie hat die Plattform gegen Rechts gegründet, sich klar zu Geschlechtergerechtigkeit und zur Lage von Notreisenden positioniert und starke Zeichen für Weltoffenheit und Solidarität gesetzt.

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VON SCHLAMMWRESTLERN, MÄRTYRERN UND DEM GANZ NORMALEN WAHNSINN AN DER ÖH SALZBURG Ursprünglich wollte ich mich aus der ganzen Sache heraushalten, aber das wäre halt wieder typisch österreichisch: Im vertrauten Kreise fest motschgern und dann, wenn’s um die Wurst geht, brav des Papperl halten. Im gegenwärtigen Sumpf an Anschuldigungen rund um das Koalitions-Aus zwischen GRAS und VSStÖ an der Uni Salzburg werden jedoch zunehmend Projekte und Initiativen durch den fraktionspolitischen Fleischwolf gedreht, die rein gar nichts mit AG, VSStÖ oder GRAS zu tun haben. Diese Frechheiten treffen vor allem unfraktionierte, engagierte und politisch interessierte Menschen, die – zu Recht! – mit den gegenwärtigen Fraktionen und deren politischer Ausrichtung herzlich wenig anfangen können. Ein Kommentar zur gegenwärtigen ÖH-Misere in Salzburg von Christopher K. Spiegl.1

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© badlikamiri, Cat Boxing (flickr)

s tat sich Anfang Oktober viel an der Schlammfront: Vor allem im virtuellen Raum tummelten sich Facebook-Soldaten (es waren eh fast nur Männer), die rund um das Koalitions-Aus unbedingt ihre Standfestigkeit unter Beweis stellen wollten und sich gegenseitig mit Sprachexkrementen bewarfen. Scheiden tut eben weh. Ob man sich dabei neben Unfähigkeit auch Faschismus vorwerfen muss, sei dahingestellt. Dabei fragt man sich, wie viel man als „Normalo-Studi“ von diesem Drama mitkriegt? Vorweg: An der ÖH Salzburg liefen viele Dinge nicht rund, der Raum für Diskussionen wurde mal besser, mal schlechter genutzt und es gab tatsächlich Verbesserungen im Laufe der Jahre. Mit der Sprengung der Koalition taten sich jedoch menschliche Abgründe auf. In der vergangenen Exekutive unter dem GRAS/ VSStÖ-„Regiment“ waren von 54 MitarbeiterInnen der ÖH Salzburg 33 NICHT fraktioniert. Die gegenseitige mediale Schlammbesuhlung und Darstellung der Scheidung sorgte wohl bei den meisten von uns für offene Kinnladen, obgleich man plakative, irrationale Beschuldigungen im Arbeitsalltag an der ÖH gewohnt war.

1: Der Autor war seit 2012 als unabhängiger Mitarbeiter im Öffentlichkeits- und Pressereferat der ÖH Salzburg tätig


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Der Koalitions-Crash: Warum? Am 2. Oktober beendete der SPÖ-nahe VSStÖ via Presseaussendung die Koalition mit der GRÜNEN-nahen GRAS und möchte nun mit der ÖVP-nahen AG koalieren. Der Vorwurf: Die Vorsitzende Katharina Obenholzner (GRAS) wird beschuldigt, sensible Daten an Unbefugte weitergegeben zu haben. Konkret ist die Formulierung der Anschuldigung nicht, was ein Facebook-User mit: „Ihr schreit Skandal und schreibt, dass ihr nicht sagen wollt, was der Skandal ist [...]“ auch zum Ausdruck bringt. Maximilian Wagner (damals noch VSStÖ) in der Presseaussendung: „Zum jetzigen Zeitpunkt macht es keinen Sinn, damit im Detail an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Sache ist aber schwerwiegend genug, um diesen Schritt jetzt setzen zu müssen.“ Die GRAS kontert via Obenholzner: „Die Vorwürfe sind völlig aus der Luft gegriffen. Leider hat der VSStÖ nicht das Gespräch gesucht hat [sic!], um diese fadenscheinigen Vorwürfe sachlich zu klären, sondern sie medial als Vorwand für einen Koalitionsbruch genutzt.“ Lachender Dritter dieser Vorgänge ist eindeutig die Aktionsgemeinschaft Salzburg, deren Vorsitzender Paul Oblasser sichtlich erfreut zu Protokoll gibt: „Wir freuen uns sehr, dass wir nach Jahren wieder einmal die Chance bekommen, uns in einer ÖH-Exekutivbeteiligung zu beweisen.“ Der Kommunistische StudentInnenverband (KSV) Salzburg kommentiert das „Kindergartengehabe“ an der ÖH Salzburg nicht näher und äußert sich dahingehend, dass „jedes konsequente, organisierte, bewusste Eintreten zugunsten der Interessen der Studierenden notwendigerweise einen fundierten (mithin auch erst weiter zu fundierenden) Antikapitalismus implizieren [muss]. Und den wird es mit der neuen ÖH gewiss nicht geben – genauso wenig wie es ihn mit der alten ÖH gegeben hat.“ Die Eskalation der Emotionen: Die Causa Maximilian Wagner. Am 7. Oktober erfolgt dann der nächste „Paukenschlag“: Der grüne Landtagsabgeordnete Simon Hofbauer postet auf seinem Blog einen Beitrag über den 1. Stellvertretenden ÖH-Vorsitzenden Maximilian Wagner. Es sind Fotos des Sozialdemokraten und eines weiteren Genossen bei der diesjährigen Riverboat Party des Corps Budissa Leipzig zu Passau aufgetaucht. Klar ersichtlich: Wagner trägt Farbe und ist Mitglied. Der waffenstudentische Männerbund vertritt zumindest nach außen hin ein Toleranzprinzip, ist pflichtschlagend und nicht deutschnational. Die GRAS bauscht das Ganze zum Skandal auf, der Bundes-VSStÖ leitet ein Ausschlussverfahren ein und wenig später tritt Wagner freiwillig zurück. In Sachen „Skandal“ ein klarer Triumph über den „Datenschutzskandal“, den der VSStÖ Salzburg glaubt, publik gemacht zu haben. Auch

die Medien sind dankbar. So titelten die Salzburger Nachrichten „VSStÖ-Chef ist Burschenschafter und tritt zurück.“ Das etwas Komische an der Sache: Die Salzburger GRAS und auch der VSStÖ Salzburg wussten schon länger von Wagners – bis dahin angenommenen „ehemaligen“ – Mitgliedschaft bei einem „liberalen Männerbund“. Oder man munkelte zumindest darüber, aber Geheimnis war es keines. Obwohl das Ausschlussverfahren vom Bundes-VSStÖ eingeleitet wurde und Wagner aufgrund dessen wohl letztendlich zurücktrat, versucht der VSStÖ Salzburg die Schuld auf die GRAS Salzburg zu lenken und hat damit sichtlich Erfolg. Eine Facebook-Userin an der Pinnwand der GRAS Salzburg: „Wie könnt ihr nachts noch schlafen, wie könnt ihr euch überhaupt noch im Spiegel ansehen? (…) Ihr habt jede Menge Unterstützung verloren, und Maximilian wird unser Held bleiben, der die Uni für die meisten von uns zu einem besseren Ort gemacht hat.“ Sogar der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) mokiert sich über das Vorgehen des sozialdemokratischen Vereins und lobt Wagners Engagement in zahlreichen Gremien, Arbeitsgruppen und Organen der ÖH Salzburg. Maximilian Stangl vom Salzburger RFS meint in einer Stellungnahme hierzu: „Studenten ob ihrer Mitgliedschaft in einer Verbindung zu diskriminieren, ist letztklassig. Falls Wagner seine politische Arbeit in der ÖH fortsetzen möchte, bietet ihm der RFS-Salzburg gerne eine neue poltische Heimat.“ Populismus par excellence: Der VSStÖ Salzburg riskiert den Kollateralschaden. Sichtlich bestürzt über den Rücktritt ihres Säulenheiligen, postet der VSStÖ Salzburg eine punktuelle Auflistung der GRAS-Verfehlungen (welche auf der Homepage desselbigen Vereins nachgelesen werden können). Das Fass gerät aus Sicht fraktionsunabhängiger ÖH-MitarbeiterInnen jedoch zum Überlaufen, als der VSStÖ beginnt, Projekte und Initiativen durch den Schmutz zu ziehen, die überhaupt nicht von der GRAS initiiert, geschweige denn betreut wurden. Diese wurden höchstens wohlwollend von dieser zur Kenntnis genommen. In einer ominösen Rundmail will der VSStÖ am 16. Oktober weitere GRAS-Fehler anprangern. Neben einem ziemlich nichtsagenden Screenshot eines Nachrichtenverkehrs mit einer GRAS-Funktionärin, der angeblich Details über den „Datenschutzskandal“ offenbart, findet sich in diesem Mail, das unter zahlreichen Studierenden, nicht aber unter unabhängigen oder GRAS-Personen zirkulierte, folgende Passage: „Für die GRAS war die Interessenvertretung für Studierende immer zweitrangig und wurde zugunsten von Gesellschaftpolitik völlig vernachlässigt. Ihr ganzer Einsatz galt Themen wie Veganismus, Tier-

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Glossar GRAS: Grüne und Alternative Student*innen (Grüne) AG: Aktionsgemeinschaft (ÖVP) VSStÖ: Verband sozialistischer StudentInnen (SPÖ) RFS: Ring Freiheitlicher Studenten (FPÖ) KSV: Kommunistischer StudentInnenverband (Partei der Arbeit)


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schutz, Gendern, Gesellschaftpolitik: So hatten wir etwa eine 3-4 monatige Diskussion, ob beim gendern * oder _ zu verwenden ist, die die ÖH-Exekutive quasi handlungsunfähig machte. Aufgrund der Basisdemokratie innerhalb der ÖH mussten wir ewig streiten, ob es eine Fleischoption bei der ÖH-Veranstaltung "Frei:Kost" gibt (…).“ Die Mail erweckt jedenfalls den Eindruck, als würden alle Projekte, die dem VSStÖ nicht gefallen, von der GRAS stammen. In Wahrheit waren die InitiatorInnen meist ÖH-MitarbeiterInnen ohne Fraktionszugehörigkeit, und zahlreiche dieser Projekte wurden von engagierten Personen mitgestaltet, die mit der ÖH sonst gar nichts zu tun haben. So ist etwa die Ringvorlesung Human-Animal-Studies federführend durch engagierte Einzelpersonen entstanden. Nichtsdestotrotz ist das vermeintlich „grüne Projekt“ wochenlang von VSStÖ-Mitarbeitern auch öffentlich diffamiert worden. Die Genderdebatte über das „*“, etwa in „Student*innen“, wurde vom fraktionsunabhängigen Frauenreferat auf Anraten einer Expertin der Homosexuellen Initiative Salzburg vorgeschlagen. „Handlungsunfähig“ waren im besagten Zeitraum nur einige Herren des VSStÖ in der Exekutive. Sie haben keine Bereitschaft gezeigt zu diskutieren, ins entsprechende Plenum immer einen Quoten-Roten zur Sperre entsandt und sich nicht einmal um sachliche Argumente bemüht, während der „normale ÖH-Alltag“ ganz normal weiterlief. Was blieb war ein konsequentes Ablehnen jedweder kritischen Reflexion und Diskussion. Man hätte diese wertvollen Energien doch auch zur „echten Studierendeninteressenspolitik“, die sich der VSStÖ Salzburg nun in der Koalition mit der AG erhofft, einsetzen können. Zur Kritik der Fleischoption bei dem öffentlichen Studi-Kochevent frei:kost: Die Paranoia bei betreffender Fraktion geht anscheinend so weit, auch die von freiwilligen HelferInnen abgehaltenen günstigen Mittagessen für Studierende in der Kaigasse 17 zu diskreditieren, weil hier eine vermeintliche „grüne Veganmafia“ dahinterstecke. Überlegungen wie etwa, dass durch das Verkochen von Fleisch, Milch und Eiern enorme hygienetechnische Schwierigkeiten entstanden wären, spielen anscheinend hier keine Rolle – Salmonellen, anyone? Und dabei unterstellt man gerade VeganerInnen anstrengende ideologische Grabenkämpfe. Reichlich heuchlerisch wirkt dann der Aufruf am Ende besagter E-Mail: „Hast du Lust deine Uni zu einem lebendigen Ort zu gestalten? Wenn du bei uns oder einem [sic!] unserer Initativen [sic!] mitmachen willst, [sic!] oder Ideen hast, schreib uns eine kurze Email.“ Was ist hier gemeint? Festln und Fußballturniere? Akademische,

relevante Themen wie etwa die Human-Animal-Studies offensichtlich nicht. Hierbei zeigt sich: Politisches Kleingeld ist hier wichtiger, als Initiativen engagierter Einzelpersonen und Gruppierungen. Progressiv – wie es die suggestiven Botschaften des VSStÖ Salzburg im Orwell’schen Newspeak in die Welt hinausposaunen – sieht anders aus. Handelt es sich hierbei um eine kritische, politische Gruppierung mit klaren Idealen und Zielen oder um eine seicht politisch eingefärbte Werbeagentur? Diese Frage darf sich übrigens auch die GRAS Salzburg stellen. Sämtliche Energien der Uni-Sozialdemokraten gingen in letzter Zeit eher für Fraktionswerbung (VSStÖ-Welcome-Day-Sackerl parallel zu ÖH-Sackerl, Blockbuster-TV im Hörsaal usw.) drauf, als für ÖH-Arbeit. Dies wirkte sich negativ auf die Präsenzzeit aus und wenn man zufällig des Öfteren in den Büroräumlichkeiten arbeitete, konnte es schon mal vorkommen, dass man verzweifelte Studierende bezüglich Sozialstipendien beraten musste. Und das obwohl man sich eigentlich mit ganz anderen Dingen beschäftigen sollte. Der VSStÖ Salzburg sperrt sich seit Jahren gegen wöchentliche, fix angesetzte Sprechstunden. Vielleicht macht die Aktionsgemeinschaft jetzt endlich dem neuen Koalitionspartner Druck. Ein Kommunikationsdefizit herrschte an der ÖH allemal. Obwohl die vorangegangenen Darstellungen vermeintlich die GRAS Salzburg in ein positiveres Licht rücken, sei abschließend gesagt, dass auch die Grünen zu manchen Fehlgriff neigten (Stichwort: Das Internationale Geisterreferat) und unter Kommunikationsmangel litten bzw. leiden. Jedoch muss festgehalten werden, dass man engagierte Menschen einfach ernst nahm und diese (meistens!) nicht nur als kostengünstige Humanressource (zur Abwicklung dieses oder jenes Projekts) wahrgenommen wurden. Quo vadis, ÖH Salzburg? Angesichts all dieser Vorkommnisse neigt man wohl dazu, die ÖH als Polit-Kindergarten abzustempeln und verständnisvoll für das Nichtwählen zu votieren. Ich bin persönlich enttäuscht, dass man offenbar versucht, es den Mutterparteien gleichzutun und im Denken und Handeln alternativlos bleibt. Im Wesentlichen wird sich für die Studierenden in der AG-VSStÖ-Koalition nicht viel verändern, einige Besserungen und Verschlechterungen werden hier und da auftreten, ein zukunftsweisendes Rezept für uns Studierende und nachfolgende Generationen wird wohl nicht aufgetischt werden. Wir sollten uns als Studierende jedoch nicht in Lethargie suhlen, sondern versuchen unsere Anliegen und Interessen selbst zu vertreten. Einen vitalen Denkanstoß bietet hierfür der Artikel Stefan Klingersbergers in dieser Ausgabe ab Seite 36.


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zeit ma schine

Some things will never ever change Koalitionsbrüche an der ÖH Salzburg im Rückblick

Auch wenn eine ÖH-Legislaturperiode mit zwei Jahren relativ knapp bemessen ist, muss es noch lange nicht heißen, dass zwischen den Fraktionen eingegangene Koalitionen für diese Dauer in Stein gemeißelt sind. Im Gegenteil: Allein ein Rückblick auf die letzten zehn Jahre zeigt, dass die Universitätsvertretung in Salzburg meist auf sehr wackeligen Beinen stand. Wir haben für euch die Infos aus unserem uni:press-Archiv ausgegraben. Rückschau zusammengestellt von Christopher Kurt Spiegl

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ei ÖH-Wahl 2005 spielten sich in Salzburg dramatische Szenen ab: Die Aktionsgemeinschaft war nicht angetreten, da die für die Kandidatur nötigen 50 Unterstützungserklärungen nicht eingesammelt wurden und eine absolute GRAS-Exekutive trat in der Wahl gegen VSStÖ, Liberale Studenten und eine Unabhängige Namensliste an. Das Ergebnis (in Mandaten): GRAS 5, VSStÖ 4, LSF 1 und UNL 1. Der VSStÖ entschied sich für die führende Rolle mit zwei kleinen Koalitionspartnern. Das fand die GRAS gar nicht toll: „Dass der Wechsel an der ÖH-Spitze putschartige Formen angenommen hat, lässt sich nicht leugnen. (...) Wohin soll es gehen? Die ÖH als Babysitterin für ach so unmündige Studierende? Wer jetzt den Service (...) als oberste Priorität propagiert, leidet an Realitätsverlust.“ (uni:press #645, S. 4) Angeblich habe der VSStÖ nicht einmal das Gespräch für eine Koalition gesucht. Rührend hingegen in selbiger uni:press ein Kommentar aus dem Pressereferat: „Im ÖH-Gebäude in der Kaigasse 28 befindet sich im zweiten Stock eine kleine Kaffeeküche. Immer wenn ich mir Kaffee brühen will, ist (...) keine saubere Tasse da (...). Es stapeln sich benutzte Kaffeetassen und der Geschirrspüler ist entweder nicht eingeräumt oder ausgeräumt. So ist’s schon seit Jahren (Anm. d. Red.: 2000 – 2005).“ Im selben Zeitraum sei insgesamt neunmal (!) die ÖH-Regierung gewechselt worden. „Jede Exekutive ging nach erfolgten Wahlen oder Umstürzen daran, ‚alles anders zu machen‘‚. Der Gründerzeiten der guten Ideen folgten dann meist

Schwierigkeiten bei der Umsetzung.“ Und schließlich die Koalitionsbrüche. Nur die dreckige Kaffeeküche blieb konstant. Das können wir als Pressereferat auch im Jahre 2015 bestätigen. Verdammt, es gibt sie immer noch! (siehe Beweisbild) Weniger augenzwinkernd spricht ein Kommentar des Pressereferenten in der Juni-Ausgabe 2009 „vom Niedergang der Hochschülerschaft“. Zur Erinnerung: Eine vorangegangene Koalition zwischen VSStÖ und AG wurde gelöst, nachdem der „Uniballskandal“ publik wurde. Die AG sah sich gezwungen, die Koalition aufzulösen, nachdem diverse Rechnungen und Zahlungen vom VSStÖ rechtswidrig getätigt wurden. Daraufhin warfen sich beide Fraktionen gegenseitig finanzielle Ungereimtheiten, Postenschacher und Untätigkeit vor. Während der Bildungsreferent (!) nicht einmal wusste, was der Bologna-Prozess ist, wurden etwa auch täglich ÖH-Essen für Funktionäre ausgegeben. Die „rote Riege“ (sic!) wurde zugunsten einer AG-GRAS-Koalition aus der Kaigasse 28 geworfen. Man begann wieder voller Elan durchzustarten, der scheidende Pressereferent erkannte jedoch alsbald wieder dieselben Muster: Interne Machtspielchen, Taktierereien und Inkompetenz würden eine „Politik im Interesse der Studenten (sic!) verhindern.“ Unter sämtlichen Koalitionen, egal welcher Farbe, werden „Menschen mit anderen Ansichten kompromisslos weggemobbt.“ Auch davon können wir euch im Jahre 2015 ein Lied singen. Aber wir sind jetzt eh weg ;-).


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DAS KANN DOCH NICHT ALLES GEWESEN SEIN ...

Ein Resümee aus fünf Jahren StV-Tätigkeit von Stefan Klingersberger

© Rodrigo Suarez, All for freedom (flickr)


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eit mittlerweile fünf Jahren bin ich in der Studienvertretung Philosophie. Zwischen Juli 2011 und Juni 2015 war ich deren Vorsitzender. Rückblickend frage ich mich, ob Studierendenvertretung heute generell nicht ein wenig falsch verstanden wird. Es sollte doch eigentlich darum gehen, grundlegende Verbesserungen durchzusetzen. Eine Frage, die alle Studierenden etwas angeht, nicht nur deren VertreterInnen. Fassen wir die Tätigkeiten der Studienvertretungen der Uni Salzburg zusammen: Weitgehend handelt es sich um Beratungstätigkeiten, weitere Serviceangebote, die Veranstaltung sozialer Zusammenkünfte, fachspezifisch-inhaltliche und/oder kulturelle Angebote sowie die Vertretung in universitären Gremien. (Letzteres ist eigentlich nicht unbedingt unmittelbare Aufgabe der Studienvertretungen, doch da sich leider zu wenige Studierende überhaupt engagieren wollen, sind die personellen Überschneidungen umfassend.) Man sollte diese Schwerpunkte durchaus einmal kritisch und selbstkritisch in Frage stellen. Vor allem bei den Punkten Beratungstätigkeiten, Serviceangebote und soziale, kulturelle und inhaltliche Veranstaltungen erschließt sich nicht, weshalb das ehrenamtlich erledigt werden muss und wieso das Leute sein sollen, die dafür gewählt werden. Bei Beratungen ist in erster Linie wichtig, dass die beratende Person kompetent ist – nicht aber, dass sie gewählt wurde. Sie sollte das auch nicht ehrenamtlich erledigen müssen – das Wissenschaftsministerium sollte dafür aufkommen. Dito bei sonstigen Serviceangeboten. Das Veranstalten sozialer Zusammenkünfte substituiert letztlich nur das Fehlen stärkerer sozialer Netzwerke unter den Studierenden – bestenfalls. Dass sich die Studierenden bei StV-Festen etwas sparen würden, beruht auf einem Missverständnis, kommt das Geld der StVen doch letztlich über die ÖH-Beiträge von den Studierenden selbst. Bei fachlich-inhaltlichen Angeboten verhält es sich oftmals gar so, dass für deren Unter-

„Es gilt, all jene Studierenden organisatorisch zusammenzufassen, die bereit sind, aktiv für ein finanziell abgesichertes und selbstbestimmtes Studieren an einer demokratischen Universität zu kämpfen.“ stützung, bei Lichte betrachtet, eigentlich die Uni selbst aufkommen müsste, welche jedoch (wieder einmal) nicht einspringen möchte. Und was die Beteiligung in universitären Gremien betrifft: Nun ja, der Fachbereichsrat ist weitgehend machtlos, umso mehr die wenigen StudierendenvertreterInnen darin. Und auch in allen anderen Gremien haben die StudierendenvertreterInnen wenig Einfluss und können nur innerhalb enger vorgegebener Bahnen ein bisschen mitbestimmen. Dieser Artikel soll keineswegs eine Ausrede für Faulheit sein. Es geht also nicht darum, die geschilderten Aktivitäten abzulehnen. Aber: Sie sollen im historischen Kontext betrachtet werden, und zwar im doppelten Sinn: (a) Momentan ist die Welt nun einmal so: Das Wissenschaftsministerium kommt nicht für die Beratungstätigkeiten auf, die Uni kommt nicht für die Unterstützung gewisser fachlicher Angebote auf, und ohne die Organisation diverser sozialer Zusammenkünfte durch die StVen, würden sich die Studierenden noch weiter zersplittern. Es ist daher löblich, dass sich, zwar zu wenige, aber doch überall immer wieder ein paar Leute finden, die sich ehrenamtlich aufopfern, um diese Aufgaben zu erledigen. (b) Wir befinden uns zumindest seit zwanzig Jahren in einer Phase, in der dem österreichischen Universitätswesen praktisch jährlich eine kleinere oder größere Verschlechterung reingedrückt wird. Nicht aufgrund von Unfähigkeit seitens der Regierungen, sondern weil eine elitäre und systemkonforme Universität politisch gewollt ist, um das kapitalistische Regime und die Macht im Staat aufrechtzuerhalten und zu optimie-

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UNI & LEBEN © Cross-stitch ninja, Riot cross stitch (flickr)

ren. Angesichts dieser Entwicklungen sind bisher geschilderte StV-Tätigkeiten gelinde gesagt … zu wenig. StudierendenvertreterInnen werden gewählt, damit sie Studierendeninteressen vertreten. Und wer das tun möchte, sollte es auch und gerade da tun, wo es ums Eingemachte geht: Um die Frage studieren oder nicht (mehr) studieren – also ums liebe Geld; um die Frage Bildung oder Ausbildung; um die Frage Mitbestimmung oder Hörigkeit. Zusammengefasst: Wer ehrlich für Studierendeninteressen eintreten möchte, kämpft für ein finanziell abgesichertes und selbstbestimmtes Studieren an einer demokratischen Universität. Und wer das nicht nur ehrlich, sondern auch konsequent tun möchte, muss sich überlegen, wie man es denn nun am besten macht. Also, was sind die Bedingungen dafür, tatsächlich einige Schritte in diese Richtung zu machen? Ich habe eine Antwort darauf, die niemandem gefällt, der eine einfache Lösung sucht. Doch jeder, der ob der Schwierigkeit meines Ansatzes aufschnaubt und/oder ihn belächelt, sei darauf festgenagelt: Welchen anderen Weg gibt es? Da ich bisher keine bessere Antwort erhalten habe, gehe ich davon aus, dass mein Vorschlag zwar ein schwieriger, aber der einzig mögliche ist. Die Antwort lautet, dass es eine schlagkräftige Studierendenbewegung braucht, die sich auf die Solidarität einer wiedererstarkten ArbeiterInnen- und Volksbewegung stützen kann. Ja, dafür braucht es tatsächlich einen langen Atem. Aber dass es keinen einfachen Weg gibt, sollte eigentlich auch niemanden verwundern. Jedenfalls ist der menschliche Verstand dazu da, durch scharfes Nachdenken zu richtigen Lösungen zu kommen, auch was Handlungsalternativen betrifft. Und der menschliche Wille verhilft dazu, die als richtig erkannte Alternative in die Tat umzusetzen. Von jedem aufgeklärten Menschen darf und muss sowohl eingefordert werden, scharf nachzudenken als auch, entsprechend zu handeln. Beiderlei ist völlig unabhängig davon, wie schwierig der als richtig erkannte Weg ist. Also egal wie schwer es ist, da es sich offenbar um den einfachsten tatsächlich möglichen Weg handelt, sollte endlich begonnen werden, ihn zu begehen. Im Jahr 2009 gab es die Uni brennt-Bewegung, bei der sich innerhalb weniger Tage österreichweit tausende Studierende auf die Beine stellten und über mehrere Wochen Protestaktionen organisierten. Bei den größeren Aktionen waren mehrere zehntausend Menschen auf der Straße. Doch nach einiger Zeit war die Puste aus. Die Taktik der Regierung, die Proteste einfach auszusitzen, ging auf, auch wenn durchaus einige Zugeständnisse erkämpft werden konnten. Daraus ist vor allem eines zu lernen: Auf die „Spontanität der Massen“ alleine sollte man sich lieber nicht ver-

lassen. Denn so spontan, wie sie – manchmal – in Bewegung geraten, bleiben sie auch wieder stehen. Was hingegen not tut, ist, in die Bewegung Kontinuität hineinzubringen. Dazu sollte sie in organisierter Form auftreten. Der nächste Schritt zur Wiedererstarkung einer Studierendenbewegung wäre daher, jene Studierenden, die schon jetzt der Meinung sind, dass es eines kämpferischen Auftretens bedarf, in einer Organisation zusammenzufassen. Diese kann, wenn auch anfangs noch so klein, als Keim verstanden werden, der wächst, für Kontinuität sorgt und zu einem Rückgrat gedeiht, auf das sich künftige – auch spontane – Bewegungen stützen können.

„Von jedem aufgeklärten Menschen darf und muss sowohl eingefordert werden, scharf nachzudenken als auch, entsprechend zu handeln. Beiderlei ist völlig unabhängig davon, wie schwierig der als richtig erkannte Weg ist.“ Die meisten der aktiven oder ehemaligen StudienvertreterInnen, mit denen ich bisher über meine hier skizzierten Überlegungen diskutiert habe, haben mir zugestimmt, einige weitere können sie zumindest nachvollziehen. Das scheint mir erfreulich zu sein. Womöglich ergeben sich aus diesen und weiteren Diskussionen Ansatzpunkte zur tatsächlichen Initiierung erster Schritte in Richtung einer organisierten Studierendenbewegung. Letztlich gilt es aber, nicht nur StudierendenvertreterInnen, sondern all jene Studierenden organisatorisch zusammenzufassen, die bereit sind, aktiv für ein finanziell abgesichertes und selbstbestimmtes Studieren an einer demokratischen Universität zu kämpfen. Dieser Kampf ist Aufgabe aller Studierenden. Doch die Verantwortung der StudierendenvertreterInnen ist, indem sie es sich zur Aufgabe gemacht haben, für die Interessen der Studierenden einzustehen, noch entsprechend größer. Und über dieses Mehr an Verantwortung zu wissen und es einzufordern, ist wiederum nicht nur Aufgabe der StudierendenvertreterInnen selbst, sondern aller Studierenden. Ich würde mich über jegliches Feedback zu diesen Überlegungen sehr freuen. Meine Mailadresse ist über die PlusOnline-Suchfunktion auffindbar.


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EIN BERICHT VON KHALED HAFEZ – SALZBURGS ERSTER MORE-STUDENT

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y name is Khaled, I am 26 years old and from Syria. I came to Austria five months ago with many hopes and dreams, and graduating from university was one of my biggest dreams. Since I came to Salzburg, I was welcomed by many friendly people who did everything to help me to achieve some of my goals; I was introduced to the language school where I started my first steps of learning German. There I met even more people that helped me through my journey of learning German, which is far from finished yet. My Austrian friends also told me about a program launched by the University of Salzburg giving the refugees a chance to attend lectures just like other, normal students. Also I wasn’t required to pay the fees, which otherwise I wouldn’t have been able to afford. I do also see this as a great chance to meet more people, who are interested in my field, which is Information Technology and Networking. As the Computer Industry is moving and growing so fast you surely know that you always have to stay tuned. The other advantage is that I can get familiar with the education system in Austria and how it works. The professors were very helpful so far and the local students made my start even nicer – I was so nervous at the beginning. I already do have a Bachelor Degree in Information Technology of the University of Damascus and I am really looking forward to be able to do my Master here someday. Other than attending the language school and the university classes, I also joined sport activities supported by USI-Sportzentrum. I do Volleyball, Handball and Aikido and the other participants and trainers have been very helpful so far. They are also very patient with my German skills. I really want to sincerely thank everyone who helped me during my journey; my friends, my teachers, the Austrian government, and all who supported me to achieve my goals until now and are continuing to do so. After graduating from the university, I’m looking forward to work hard in my field and give something back to the society. I would really like to show my gratitude to the people and the government. And I also have a message for the other refugees: Don't just sit and wait, go out and get the full experience! Meet with people – most of them are eager to help you. There are still so many possibilities you do not know yet. Thank you for hearing my voice. Khaled Hafez


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WO WIR JETZT WEITERMACHEN, DAMIT INTEGRATION AUCH GELINGT. MORE4REFUGEES – MEHR FÜR FLÜCHTLINGE Diesen Sommer überschwemmte eine Woge der Hilfsbereitschaft Österreich. Viele sonst politisch-Uninteressierte setzten sich gegen Fremdenhass und für ein gemeinsames Miteinander sowie mehr Zivilcourage ein. So viele gute Menschen hielt mein links-linkes Gutmenschenherz in Österreich gar nicht für möglich. Ein Bericht von Jenny Rödl


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ach diesem wunderbaren Spätsommer der Hilfsbereitschaft wird ein Herbst kommen, danach ein Winter. Es wird schnell kälter werden, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Ein paar Tage lang wird es noch reichen, Regenschutz, Iso-Matten, Schlafsäcke, warme Suppen und Hustensaft herbeizuschaffen und die alten Winterjacken aus den Kleiderschränken hervorzukramen, die wir ohnehin schon längst loswerden wollten.“ So lautet also die Einschätzung von Sibylle Hamann in ihrem wunderbaren Kommentar Es ist nicht gut, es ist nicht schlecht – es ist einfach so. Kriege, zerrüttete Staaten, ökologische Katastrophen sind nun in Form von Menschen auch bei uns angekommen, und auch wenn manche wie kleine Kinder laut schreien „Ich will das nicht!“, werden sie trotzdem kommen. Anders als die so genannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ MUSSTEN die Kriegsflüchtlinge fliehen, die daheim ein gutes Leben, ein soziales Netzwerk, Familie und ausreichend finanzielle Mittel hatten. Sie kommen also weil sie müssen, nicht weil sie wollen, sind oft traumatisiert und hadern natürlich mit sich und ihrem Schicksal. Was uns jetzt hilft, sind sicher keine höheren Zäune oder Vorschuss-Vorurteile. Was uns hilft sind unbürokratische und einfache Angebote, um ein gemeinsames Miteinander und Integration zu gewährleisten. Nicht nur um jener Menschen willen, die auf dieser „Insel der Seligen“ Zuflucht suchen, sondern auch um selbst zu lernen und zu erfahren, wie nahe uns jene scheinbar Fremden und auch der Krieg eigentlich sind. Und um uns auch unserer eigenen Verantwortung bewusst zu werden, denn das Handeln westlicher Konzerne und Politik (Stichwort: Waffenhandel oder der Ausverkauf von Afrikas Ressourcen) findet nicht in einem Vakuum statt. Wenn die Grundversorgung einmal gesichert ist, bedarf es vieler Möglichkeiten der Entfaltung. Gerade wir Studierende wissen, der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Kaum etwas ist zermürbender, als zu warten und nichts tun zu können (oder zu dürfen). Besonders für Menschen mit traumatischen Erfahrungen kann das gezwungene „Nichtstun“ zum Spießrutenlauf werden. Soziale Interaktion, sich nützlich machen, voneinander lernen und sich gegenseitig kennen lernen sind menschliche Grundbedürfnisse. Um Integration gelingen zu lassen, wollen viele Refugees als gleichwertige Menschen mit Stärken (und Schwächen) wahrgenommen werden. Willkommenskultur und Integration bedeuten auch Teilnehmen an Ereignissen und Diskursen und Menschen somit ein Mitspracherecht an dieser, an „unserer“ Gesellschaft einzuräumen. Auch die Universität Salzburg hat mit der Initiative MORE rasch gehandelt und bietet relativ unbürokratisch und einfach (und natürlich kostenlos) verschiedene Möglichkeiten, sich ins Universitätsleben zu integrieren.

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Sonstige Angebote in Salzburg Alpenverein Salzburg „Miteinander“: Gemeinsames Klettern und Wandern (www.alpenverein.at) KAMA Salzburg organisiert Kurse von Asylsuchenden wie z.B. Tanz-, Koch- oder Sprachkurse. (www.kama.or.at) Der Verein VIELE setzt sich speziell für Frauenanliegen ein (inklusive Frauenzentrum und Familienberatungsstelle). (www.verein-viele.at/) Willkommenstouren (www.Welcomingtours.at) bietet Willkommensspaziergänge aber auch Sprachund Freizeitpartnerschaften an. Kulturstätten: Das gesamte Kulturangebot des MARK.freizeit.kultur ist für Refugees gratis (www.marksalzburg.at). Auch viele andere Salzburger Kultur-Einrichtungen weisen Veranstaltungen, welche für Flüchtlinge gratis sind, speziell aus. Der Verein Synbiose (www.synbiose.wordpress.com) bietet Deutschkurse, den KOST-NIX-Laden und auch eine Theaterwanderbande namens KNALSHIEF an. Die Hilfsbereitschaft ist groß und es können gar nicht alle Projekte, Vereine und Initiativen genannt werden, die bereits ein Projekt (in Richtung Freizeitgestaltung) initiiert haben. Wir hoffen, es folgen noch viele mehr!

More4Refugees.MORE-Lehrveranstaltungsprogramm an der Universität Salzburg: AsylwerberInnen können speziell für sie zusammengestellte Lehrveranstaltungen besuchen und dabei aus verschiedenen Fächern wählen. (Liste am besten über die Seite der Universität Salzburg downloaden) Das Universitätsorchester Salzburg würde sich sehr freuen, Flüchtlinge in seinen Reihen aufzunehmen. Interessierte können sich – zunächst unabhängig von der Verfügbarkeit eines Instruments – beim künstlerischen Leiter Martin Fuchsberger (m.a. fuchsberger@gmail.com) oder Christine Blume (christine.blume@sbg.ac.at) melden. Universitätssportinstitut (USI Salzburg): Asylsuchende können sich für freie Kursplätze nach wie vor einschreiben. Anmeldezeiten: Montag bis Freitag, jeweils 9.00-12.00 Uhr. www.uni-salzburg.at/ usi Die Universitätsbibliothek Salzburg öffnet AsylwerberInnen ihre Tore. Alle Bibliotheksstandorte sind frei zugänglich, die Medienbestände (analog und digital) können in den Bibliotheken genutzt werden. Zusätzlich werden spezielle Führungen für die MORE-Zielgruppe angeboten. www.uni-salzburg. at/bibliothek MORE By Students: Angeboten werden ein Sprachcafé, Stadtspaziergänge und das „Friend“-System. Die Stadtspaziergänge sind in mehreren Sprachen wie Kurdisch, Arabisch, Türkisch etc. und mithilfe individuell erstellter Stadtkarten geplant. „Friends“ unternehmen mit Flüchtlingen gemeinsame Aktivitäten und helfen im Alltag. morebystudents.wordpress.com Deutsch- und Englischkurse: In Kooperation mit dem Sprachenzentrum werden Kurse für den Erwerb der deutschen und bei Bedarf auch der englischen Sprache angeboten. www.uni-salzburg.ac.at/ sprachenzentrum


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POLITIK & GESELLSCHAFT

politik & gesellschaft

© amanda tipton, burst my bubble (flickr)

RETTEN WIR DIE WELT? POLITISCHE BEWEGUNGEN ALS ERSCHEINUNGEN DES KAPITALISMUS Viele von uns sind mit der Welt im Unreinen und engagieren sich daher in politischen Jugendorganisationen. Doch kann es sein, dass man den Kapitalismus dadurch nicht stürzt, sondern nur noch weiter stärkt? Von Christian Kaserer

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ls politisch engagierter Mensch, welcher in einem halben Dutzend Organisationen aktiv ist, höre ich immer wieder den Anspruch, man könne die Welt verändern, gar retten. Da es mir widerstrebt, innerhalb einer politischen Blase gefangen zu sein, bin ich natürlich stets um Objektivität bemüht, was mich zu einigen Gedanken führte: Wie kann es sein, dass so viele gleichzeitig die Welt retten und alle ihren Anspruch haben, den alleinigen korrekten Weg dafür zu kennen? Wie kann eine Gruppe von zirka 20 Studierenden die Welt verändern? Woher kommt der Drang, die Welt retten zu wollen und wovor will man sie retten? Da ich mich zuvorderst in grünen, sozialdemokratischen und kommunistischen Gruppen herumtreibe, ist letztere Frage schnell beantwortet: Das Gros der Jugendorganisationen will die Welt vor dem Kapitalismus retten. Der globalisierte Neoliberalismus widerstrebt ihnen und durch ihre alternativen und häufig marxistischen Ansätze wollen sie die Welt „von unten“ retten. Aufklärung und Mobilisierung der Basis seien der Weg, politische Realitäten zu verändern, etablierte Politik erreiche indes nichts. Doch genau hier sehe ich die Krux der Causa! Sind diese politisch an der Basis ausgerichteten Gruppen vielleicht nur eine Erscheinung des kapitalistischen Systems? Einige LeserInnen werden hier naturgemäß „Ja!“ schreien, da Missstände ja die

Prämisse für den Drang nach Veränderung sind. Es herrscht die Ansicht vor, das aktuelle antihumanistische Weltensystem laufe falsch und müsse bekämpft werden, um eine solidarische Gesellschaft aus ihm hervorgehen zu lassen. Natürlich ist dem nur zuzustimmen, doch handelt es sich dabei um konkrete Motivationen der AktivistInnen. Lasst uns die ganze Sache anders herum aufziehen: Kann es sein, dass der Ansatz oder die Motivation, die Welt mit diesen Gruppierungen zu retten, dem Kapitalismus nicht schadet, sondern eher nützt? Die individuelle Motivation bleibt gleich, das Ergebnis ist jedoch konträr. Womöglich ist es so, dass die jeweilige Organisation der Person, die mit dem System unzufrieden ist, lediglich einen Wohlfühlraum bietet? Die Organisation wird somit zum Kompensationsventil für Frustrationen, evoziert durch die gesellschaftlichen Verhältnisse und zum Erfahrungsfeld für realpolitisch schwer bis de momento bzw. zeitnah nicht umsetzbare Utopien. Abgekürzt: Ich bin mit dem System unzufrieden, schließe mich einer Gruppe an, erlebe dort ein Gefühl der Gemeinsamkeit und des Zusammenhalts und kann so weiterhin gut im Kapitalismus funktionieren, da ich ein zeitlich begrenztes Refugium gefunden habe. Der ekklesiale Charakter gleicht oftmals einer Religion, wobei hier nicht vom Opium für das Volk, sondern vom Opium für politisch Frustrierte zu sprechen ist.


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Die Gruppe der Frustrierten hat fortan zwei Möglichkeiten: Entweder bleibt man ein kleiner, unbedeutender Wohlfühlraum oder man geht aktiv, sich stetig erweiternd nach außen. Bleibt es beim kleinen Wohlfühlraum, so geht dies mit einer Radikalisierung einher. Die von ihren Maximen her recht homogenen AktivistInnen leben ihre Utopie innerhalb der Gruppe aus und differenzieren sich immer stärker vom Rest der Gesellschaft. Da man die alleinige korrekte Auffassung einer gerechten Welt vertritt, muss man Personen mit anderer, teils nur leicht abweichender Weltanschauung, entsprechend titulieren. „FaschistIn, SexistIn, etc.“ heißt es dann. Ein Gefühl von Wir und die Anderen wird erzeugt. Doch ist nicht genau dies eines der großen Merkmale einer unsolidarischen, kapitalistischen Welt? Ist es nicht fundamental für den Kapitalismus und das Patriarchat, dass Menschen in Klassen aufgeteilt werden? Stellen diese Wohlfühlgruppen also nicht nur unzufriedene Menschen ruhig, sondern spiegeln sie eventuell auch kapitalistische Erscheinungen in ihrem Verhältnis zur Außenwelt wider? Will eine Gruppe sich aktiv nach außen wenden und erweitern, so ist es eine grundlegende Bedingung, die Inhalte möglichst populistisch aufzubereiten. Anders kann man keine heterogene Zielgruppe erreichen, sondern bleibt im homogenen Wohlfühlraum. Mit einer populistischen Aufbereitung der Themen geht jedoch unweigerlich ein – nennen wir es einfach einmal recht kolloquial so – Weichspülen einher. Die Maximen werden massentauglich aufbereitet und müssen folglich in die Mitte rücken. Am linken Rand ist nur eine kleine Menge von Leuten abzuholen. Natürlich könnte man hier argumentieren, dass in der Mitte abgeholte Personen jederzeit aufgebaut und sukzessive in die gewünschte, etwas radikalere Richtung gerückt werden können. Doch was dann? Hierbei handelt es sich selbstredend um einen längeren Prozess, welcher nicht mit allen, sondern nur mit ausgewählten Mitgliedern durchgeführt werden kann. Außerdem stellt sich die Frage, wie stark die Inhalte an das System angepasst, respektive wie simpel und massentauglich sie aufbereitet werden müssen, um eine tatsächlich wirkmächtige Masse erreichen zu können. Die Menge an täglich durch die Massenmedien – artikulieren wir es simplifiziert und böse – verdummten und zufriedengestellten Menschen ist exorbitant! Auf wesentliches herunter gebrochen lässt sich also sagen: Entweder wir wollen die radikale Weltrevolution, leben sie im kleinen Rahmen und halten die Klappe im System und funktionieren. Oder wir wollen möglichst viele Menschen für unsere Inhalte be-

geistern und politisieren somit eine größere Masse, jedoch nur in einem kleinen Maß, welches erschreckend gering ist in Relation zu den Menschen, die in der selben Zeit ihren glücklichen, unreflektierten Platz im System finden. Um es mit Lenin zu sagen: „Was tun?“ Als Freund des aufgeklärten Absolutismus erscheinen mir die etablierten Parteien als ein effektiver Weg – Aufklärung von oben eben. Natürlich dürfen wir uns hier nichts vormachen; Parteien sind auf Massentauglichkeit ausgerichtete Organisationen mit internen, latenten Machtmechanismen, welche jegliche revolutionären Ansätze im Keim ersticken. Doch wäre es nicht eine Idee, sich auf einzelne von Jugendorganisationen aufgebaute Personen zu konzentrieren, die das unüberschaubare Spektrum an politischer Aktivierung und Sensibilisierung durchmachten? Jene müssten sich innerhalb der Parteien natürlich als angepasste, kontrollierbare Personen erkennbar machen und den über Jahre andauernden Prozess des politischen Aufstiegs ideologisch unbeschadet überstehen. Zurückhaltung, Schauspielerei und, bei entsprechender Position, Erinnerung an die politi-

„ICH BIN MIT DEM SYSTEM UNZUFRIEDEN, SCHLIESSE MICH EINER GRUPPE AN, ERLEBE DORT EIN GEFÜHL DER GEMEINSAMKEIT UND DES ZUSAMMENHALTS UND KANN SO WEITERHIN GUT IM KAPITALISMUS FUNKTIONIEREN, DA ICH EIN ZEITLICH BEGRENZTES REFUGIUM GEFUNDEN HABE.“ schen Maximen bzw. die politische Herkunft sind dabei nötig. Auf solche, um mit Nietzsche zu sprechen, politischen „Übermenschen“ wäre es eventuell ratsam sich zu konzentrieren. Bedenkt man den ethischen Aspekt, so ist aber vielleicht eher von „Untermenschen“ zu sprechen. Schafften es genug solcher Leute in eine Partei oder, noch besser, Regierung, so kann man zwar immer noch kleine, aber eventuell etwas größere Veränderungen von oben bewirken, als sie sonst möglich wären. Von einer zeitnahen Umsetzung ist man naturgemäß immer noch weit entfernt. Die Welt innerhalb unserer kurzen Lebensspanne zu retten, ist in keinem Fall möglich. Die Weichen dafür zu stellen allerdings schon! Und hier stellt sich nun die Frage, ob man es mit dem medialen Massenverdummungsapparat aufnehmen will oder bereits bestehende politische Machtstrukturen nutzt und von oben herab die Möglichkeiten schafft, dass sich eine möglichst breite Basis bilden kann.

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Cyber-Mobbing

HATSCHI STRACHE – SEIN KAMPF © Dieter Zirnig (flickr)

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ür viele Menschen scheinen Social-Media-Plattformen Orte zu sein, wo sie ungefiltert ihre Meinung über andere kund tun können. Dinge, die einem von Angesicht zu Angesicht niemals über die Lippen kommen würden, finden plötzlich ungehemmt ihren Weg auf Profil-Pinnwände. Dass am anderen Ende der Leitung aber ein Mensch aus Fleisch und Blut sitzt, der Gefühle hat, ist vielen nicht bewusst. Im Extremfall kann Cyber-Mobbing sogar zu Selbstmord führen. Zu schön ... Einer von diesen Menschen aus Fleisch und Blut ist Hatschi. Hatschi ist ein aufstrebender und gutaussehender österreichischer Politiker in der Blüte seines Lebens, mit eisblauen Arier-Augen und von Wehrsport gestähltem Körper. Aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes wird Hatschi häufig nicht ernst genommen, im schlimmsten Fall sogar auf die Rolle eines rein sexuellen Objektes reduziert. Unter seinem Profilbild finden sich zahlreiche herabwürdigende, sexistische Bemerkungen:

Hasan

22.6.2015 ·

Guade mattn bro Helena

17.8.2015 ·

Viel zu schön für die Politik! Er sollte lieber mal mit mir ausgehen. Sean

5.10.2015 ·

Mc Strache der hot boi Anna

6.10.2015 ·

So a schnucki der HC....fescher mann

Die meisten von uns, die täglich im Internet unterwegs sind, kennen die große Überwindung, die es kosten kann, etwas zu posten. Schließlich kann ein Beitrag von der ganzen Welt gesehen und damit auch kritisiert, widerlegt und verhöhnt werden. Der Facebook-Nutzer Hatschi Strache* muss täglich erleben, wie seine Postings missbraucht werden und wird regelmäßig Opfer von Anfeindungen und persönlichen Hass-Kommentaren. Ein Bericht von Doris Hörmann Zu klug ... Doch Hatschi ist mehr als ein hübsches Gesicht und ein ansehnlicher Körper. Sein politisches Engagement wird häufig nicht anerkannt und seine Fähigkeiten werden unterschätzt. Dabei will der engagierte Idealist Österreich wieder zu Österreich machen, die Interessen des Volkes verteidigen und das Abendland zurück in Christenhand sehen. Trotz allem wird Hatschi viel zu oft zur Zielscheibe von sarkastischen Äußerungen, die darauf abzielen, seine politischen Botschaften zu unterminieren:

Karin

17.10.2015 ·

Darum wollen s an Hc Strache ned nach oben, weil er zuklug für ihnen ist ...da machens ihm lieber schlecht weil mit Klugheit könnens ned umgehn die lieben von da Regierung. Manche sogenannte Trolle machen einen regelrechten Sport daraus, Hatschi bloßzustellen. Die Mobber stürzen sich systematisch auf jeden noch so kleinen Fehltritt, der auch dem vorsichtigsten User unterlaufen kann. Erst kürzlich teilte Hatschi irrtümlicherweise einen Beitrag, in dem sich der in den USA beliebte Satiriker Donald Trump kritisch zur Flüchtlingspolitik Angela Merkels äußerte. Hatschi hielt Trump für einen gleichgesinnten Politiker mit frischen Ideen für ein rassenreines Volk. Der Irrtum blieb in der Facebook-Community nicht unentdeckt und zahlreiche User zerrissen sich über Hatschis Urteilsfähigkeit das Maul:


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© Gage Skidmore, Donald Trump (flickr)

Glenn Fogarty 13.10.2015 ·

Trump ist hammergeil. Elisabeth

13.10.2015 ·

Trump hat wenigstens etwas im Kopf was unsere Politiker leider nicht haben. Außer unser HC , dem wir weiter den Rücken stärken müssen. Johann Haas 14.10.2015 ·

Ein Politiker mit Hirn Heraklit Eremit 14.10.2015 ·

Donald Trump als VORBILD von Strache und der FPÖ. :D Strache plant schon nächsten Coup: Kim Jong-un wird Straches Berater für Grenzsicherung! Zu lebendig ... Hatschi ist eben auch nur ein Mensch. Vor allem aber ist er ein vaterlandsliebender Volksfreund, der ernst genommen werden will. Inzwischen hat das Cyber-Mobbing beunruhigende Ausmaße angenommen, wie zahlreiche Morddrohungen zeigen, die laufend an Hatschis Pinnwand gepostet werden:

Uwe Krämer 11.10.2015 ·

Pass auf dich auf HC !!!! BITTE Gerlinde Baier 11.10.2015 ·

Jörg Haider war ein Politiker der heute noch meinen Respekt hat. HC. Strache pass auf das dir nicht das gleiche Schicksal passiert Neider sind überall

Marion Schmit

11.10.2015 ·

Ich wünsche mir so sehr, dass HC heute gewinnt, dann ist wenigstens Jörg Haiders Tod einwenig gerächt... halte dir alle Daumen, dass es klappt... und wenn nicht, dass du die Kraft hast weiterzumachen... HC... alles Gute... P.S.... und bitte pass auf dich auf... Mittlerweile folgen Hatschi rund 278.000 Menschen auf Facebook. Beunruhigende Schätzungen des Marktforschungsinstituts GESTAPO (Genuine Statistische Analyse politischer Organisationsformen) gehen davon aus, dass über 88% dieser angeblichen Fans, Teil eines organisierten Mobbing-Rings sind. Dessen Mitglieder warten gezielt auf neue Beiträge, Profilbilder und Fehltritte, um diese zynisch zu kommentieren und Hatschi Strache mental in die Knie zu zwingen. Das Mobbing-Opfer will von diesem grausamen, psychologischen Spiel nichts wissen. Für Hatschi zähle in erster Linie, dass er die Österreicher mit seinen Botschaften erreicht. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, so lange weiter zu machen, bis er sämtliche Zweifler unter den 278.000 von sich überzeugt hat. Der Mut des aufstrebenden Politikers, dem von Neidern so viele Steine in den Weg gelegt werden, ist bewundernswert. Weil er sich nicht von den Hatern unterkriegen lässt, ist er zu einer Identifikationsfigur für alle Cyber-Mobbing-Opfer geworden. Mut holt sich Hatschi bei seiner serbischen Wahrsagerin, die ihm prophezeit hat, dass er aus all dem als stärkerer Mensch hervorgehen wird.

*Der Name wurde zum Schutz des Opfers von der Redaktion geändert.


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© Michael Försch (flickr)

BLUT ZWEITER KLASSE Blut ist ein hohes Gut. Es versorgt den Körper mit Sauerstoff, transportiert Vitamine, Enzyme und Hormone und ist Teil des Abwehrsystems des Körpers. Es ist unverzichtbar. Umso wichtiger ist es, dass es Freiwillige gibt, die ihr Blut spenden, um jenen zu helfen, die es benötigen. Doch stell dir vor, du möchtest dein Blut spenden, du bist völlig gesund und fit und doch wirst du abgewiesen. Klingt wie ein schlechter Scherz? Für homosexuelle Männer ist es jedoch die bittere Realität. Von Saša Sretenovic

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ass kranke Menschen ihr Blut nicht spenden dürfen, ist völlig klar und verständlich. Denn schon kleinste Krankheitskeime können für den/die EmpfängerIn tödlich sein. Auf der Homepage des Roten Kreuzes sind die wichtigsten Spenderkriterien bzw. Ablehnungsgründe aufgelistet. So darf man während der Einnahme von Antibiotika und vier Wochen danach kein Blut spenden, nach Zeckenbissen muss man acht Wochen aussetzen. HIV-infizierte Personen und jene, die Hepatitis B oder Hepatitis C positiv sind oder waren, sind permanent vom Blutspenden ausgeschlossen. Ausschlusskriterien, die völlig plausibel sind.

Doch wieso sind homosexuelle Männer vom Blutspenden ausgeschlossen, die keine dieser Kriterien aufweisen? Die Begründung auf der Roten-Kreuz-Homepage lautet wie folgt: „Männer, die Sex mit Männern hatten (MSM): Männer, die Sex mit Männern hatten, werden von der Blutspende ausgeschlossen. Dieser Ausschluss erfolgt aufgrund eines signifikant höheren Infektionsrisikos für HIV und des verbleibenden Restrisikos bei der Diagnostik. Leider kann dieses Restrisiko trotz modernster Testmethoden nicht ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund werden Personen, die zu Risikogruppen zählen oder Risikoverhalten zeigen, vom Blutspenden ausgeschlossen. International besteht Konsens, dass MSM-Kontakte als Risikoverhalten einzustufen sind: Europarat, Europäische Blutallianz EBA, Europäische Qualitätsund Gesundheitsbehörde EDQM und US-Lebensmittel- und Arzneibehörde FDA.“ 1 Blutspenden durchlaufen verschiedene Tests – so werden diese unter anderem auf HIV getestet, bevor sie den betroffenen Personen zugutekommen. Wieso soll ein gesunder Mann, der eben lieber mit Männern als mit Frauen schläft, kein Blut spenden dürfen? Denn HIV/ Aids ist keine „Schwulenkrankheit“. Zwar liegen die Zahlen mit den Neuansteckungen bei homosexuellen Männern höher als bei heterosexuellen – jedoch muss man dabei bedenken, dass es von der letzteren „Sorte“ mehr gibt, was das Ganze wieder relativiert. Hierbei handelt es sich nicht um das „Ausschließen einer Risikogruppe“, sondern um Diskriminierung – denn wie schon erwähnt, auch heterosexuelle Menschen können sich mit dem HI-Virus infizieren. Somit gehören wir doch alle in gewisser Weise zu dieser „Risikogruppe“. Es ist an der Zeit, dieses sinnlose Blutspende-Verbot abzuschaffen. Denn bei diesem Beschluss handelt es sich um gesetzlich festgelegte Diskriminierung. Eine Tatsache, die der Regierung zu denken geben sollte. Laut dem Roten Kreuz wird in Österreich jede Minute eine Blutkonserve benötigt. Weswegen also einem gesunden Menschen die Möglichkeit nehmen, Leben zu retten, nur weil seine sexuelle Orientierung „zu risikoreich“ ist? Eine sinnvolle Antwort darauf werden wir wohl nie erhalten.

1: bit.ly/werdarfblutspenden


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Sowohl in den Startlöchern als auch schon in vielen persönlichen Terminkalendern steht die Veranstaltungsreihe QueerTopics, das brandneue Projekt der HOSI Salzburg (Homosexuelle Initiative Salzburg). Es handelt sich dabei um hochinteressante öffentliche Themenabende, die sich im Rahmen von Diskussionen, Infoveranstaltungen, Vorträgen und Filmen mit vielfältigen queeren Themen wie sexueller Vielfalt, geschlechtlicher Identität und Intersexualität befassen.

VORHANG AUF FÜR QUEERTOPICS!

Eine Event-Vorschau von Jochen Reißinger

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Los geht’s am Donnerstag, 12. November um 19 Uhr mit der ersten QueerTopics-Veranstaltung, die sich dem Thema „Queer und Schule“ widmet und dabei das LGBTI Jugend- und Bildungsprojekt Schule der Vielfalt vorstellt, welches in Kooperation zwischen HOSI Salzburg, Hil-Foundation und Land Salzburg initiiert wurde (siehe das Interview mit Bernhard Damoser in der Septemberausgabe der uni:press, Seite 36ff.). Der Eintritt ist frei; die Veranstaltung findet im Hörsaal 403 („Grüner Hörsaal“) der Naturwissenschaftlichen Fakultät, Hellbrunner Straße 34, statt. Außerdem wird Persson Perry Baumgartinger, Wissenschaftler, Lektor, Trainer und Coach, am 21. Dezember um 17 Uhr mit einem spannenden Vortrag zu queeren Sprachalternativen aufwarten. Nähere Informationen folgen. Bei der dritten Veranstaltung der Reihe werden wir über ein noch immer stark tabuisiertes Thema reden: Intersexualität. Drei Studentinnen der Uni Salzburg haben ihre Bachelorarbeiten in diesem Bereich geschrieben und werden diese am 4. Februar vorstellen. Im Anschluss ist es möglich mit einem intersexuellen Gast zu diskutieren. Viele weitere Themenabende sind bereits in Planung. QueerTopics lädt alle, die gern mal über den Tellerrand schauen, gesellschaftliche Normen kritisch hinterfragen und sich mit LGBTIQ-Themen auseinandersetzen wollen, herzlich dazu ein. Wer auf dem Laufenden gehalten werden oder mehr über QueerTopics erfahren will, wird entweder auf Facebook fündig oder schreibt an queertopics@hosi. or.at. Dort können gern auch weitere Themenvorschläge eingereicht werden. Wir freuen uns immer über neue Ideen und engagierte Leute, die QueerTopics mitgestalten und mitorganisieren wollen. Über die aktuellen Veranstaltungen informiert außerdem die Coming In, das Magazin der HOSI, abrufbar auf www.hosi.or.at und abholbar im Vereinsheim in der Gabelsbergerstraße 26.

Also: 12. November, ab 19 Uhr freihalten sowie den 21. Dezember und 4. Februar QueerTopics auf Facebook liken und sich auf die Veranstaltungen freuen! QueerTopics freut sich auf deinen Besuch!


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IM NETZ DER

Wer sich derzeit auf Facebook einloggt, der kommt am Thema Flüchtlinge nicht vorbei – auch nicht an den Gerüchten, die im Web 2.0 über sie verbreitet werden. Wir haben uns angeschaut, wie die Facebook-Mythen entstehen und wem sie nützen. Von Eva Krallinger

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or einigen Wochen behauptete eine besorgte Facebook-Userin, dass die Caritas Flüchtlingen in Bad Ischl Smartphones im Wert von 800 Euro kaufen würde. Binnen Minuten wurde der Beitrag hunderte Male von empörten UserInnen geteilt. Wenige Tage zuvor behauptete eine Salzburgerin, sie habe einen österreichischen Obdachlosen vor dem Erfrieren gerettet, weil ihn die Caritas unter dem Vorwand abgewiesen hätte, dass sie nur für Flüchtlinge und nicht für ÖsterreicherInnen da sei. Fragt man bei der Caritas Salzburg nach, erntet man Kopfschütteln. „Wo haben wir denn heute wieder iPhones verschenkt?“, fragt Social Media-Betreuer Matthias Gruber und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Seit Beginn der Flüchtlings-Krise hören wir dieses Gerücht in unterschiedlichster Form fast täglich. Tatsache ist: Es ist absolut nichts dran! Die Caritas kauft natürlich keine Smartphones. Und auch der Vorwurf mit den Obdachlosen ist frei erfunden!“ Urban Legends 2.0. Im Netz-Jargon kennt man solche Gerüchte und Lügengeschichten unter dem Begriff Hoax. Als willfährige Verbreiter betätigen sich scheinbar „unabhängige“ Plattformen und besorgte BürgerInnen mit rechter Schlagseite. Stets kommen Flüchtlinge, Hilfsorganisationen und Parteien des linken oder liberalen politischen Spektrums dabei schlecht weg.

Die Lüge geht, der Schaden bleibt. Bedeutet das aber, dass die Hoaxes harmlos sind, weil sie ohnehin nur von jenen geteilt werden, die eine rechte Gesinnung vertreten? Dem ist nicht so, denn durch die Logik des Web 2.0 erreichen die Falschmeldungen auch viele tendenziell neutral gesonnene UserInnen, betont Gruber. „Wenn solche Gerüchte gestreut werden, dann erhalten wir immer sehr viele Anfragen von verunsicherten Menschen. Man darf nicht vergessen, dass nicht jeder so medien-affin ist, wie eine 20-jährige Kowi-Studentin. Oft fallen gerade ältere UserInnen auf solche Meldungen herein. Die rufen uns dann an und sagen ‚Na wenn das so ist, dann spende ich nichts mehr!‘“

„Am Ende geht es nicht darum, ob die Anschuldigungen wahr oder falsch sind – es geht um die Frage, wem sie nützen.“ Dazu kommt, dass Hilfsorganisationen vermehrt Ressourcen einsetzen müssen, um den Lügen im Netz zu begegnen. „Oft brauche ich mehrere Stunden, um ‚Mini-Shitstorms‘ zu bearbeiten, die aus


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LÜGEN

solchen Gerüchten resultieren. Das sind Stunden, in denen ich etwas Sinnvolles machen könnte, das den Menschen wirklich hilft “, berichtet Gruber. Letztlich geht es bei den Postings um Meinungsmache. Und deshalb spielt es keine Rolle, ob sich am Ende herausstellt, dass alles gelogen war. Es ist gleichgültig, ob es sich bei den verdreckten Zügen der ÖBB in Wahrheit um Wagons vom letzten Nova Rock handelt oder ob die vermeintlichen IS-Kämpfer bereits im Jahr 2012 gefilmt wurden. Es geht nicht darum, ob die Anschuldigungen wahr oder falsch sind – es geht um die Frage, wem sie nützen. Diese Frage ist leicht geklärt. Hass- und Lügenpostings schüren ein Klima der Angst und Feindseligkeit. Flüchtlinge werden darin zu undankbaren Schmarotzern, die Spenden wegwerfen, unsere Umwelt verschmutzen und die Gastfreundschaft der ÖsterreicherInnen missbrauchen. Davon profitieren all jene, die mit solchen Emotionen auf Stimmenfang gehen. Dialog und Geduld als Gegenmaßnahmen. So absurd viele der Behauptungen auch sind, es ist schwer, im Netz gegen sie vorzugehen. Im Online-Team der Caritas setzt man jedenfalls auf Sachlichkeit und Aufklärung. „Jeder User, der sich bei uns meldet, erhält ein detailliertes Dementi. Wir scheuen uns auch nicht davor, mit Nutzern zu diskutieren – schließlich ist Dialog ja der Sinn von Web 2.0. Nur wenn auf unserer Seite Hetze und Lügen verbreitet werden, dann sperren wir die betreffenden User. Diese Grenze ist nicht immer ganz eindeutig, aber im Großen und Ganzen gelingt uns das ganz gut“, so Gruber.

„Die Lüge wird im Netz ihren Abdruck hinterlassen, solange sich neben dem Like-Button kein LieButton befindet.“ Facebook: Meinungsfreiheit verteidigen, Nippel verstecken! Auch wenn Unternehmen auf ihren Seiten gegen Hetze vorgehen können, ist den Lügen im Web 2.0 insgesamt schwer beizukommen. So wird Facebook bereits seit längerem kritisiert, zu lax mit hetzerischen und gewaltbereiten Postings umzugehen. Doch der US-Konzern legt Meinungsfreiheit recht breit aus. Während Bilder mit nackten Nippeln problematisch sind, zeigt sich Facebook gegenüber Hass-Postings sehr freizügig. Schließlich fährt Facebook global betrachtet gut mit dieser Strategie. Zumindest in den eingangs genannten Fällen, scheint der Sperr-Mechanismus des blauen Riesen letztlich doch irgendwann zugeschlagen zu haben. Mittlerweile sind die Kommentare im Netz nicht mehr auffindbar, die UrheberInnen der Beiträge haben ihre Timelines auf privat geschaltet oder sind verschwunden. Rolle spielt das freilich keine, denn ihre Lügen haben im Netz einen Abdruck hinterlassen und dieser besteht weiter, solange sich neben dem Like-Button kein Lie-Button befindet.

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© sanna.tugend, this mysterious pain (flickr)

EUTHANASIE – IST DER TOD NUR IM ANGESICHT EINES WÜRDELOSEN LEBENS WÜRDEVOLL? Euthanasie ist ein schlimmes Wort. Es wurde ja einmal zweckentfremdet. Dürfen solche Begriffe rehabilitiert werden? Ich finde schon. Warum? Um übers Sterben zu reden. Das ist schon schwer genug, und der Begriff Euthanasie umreißt genau das Problemfeld: gutes Sterben. Wenn es ein gutes Leben geben kann, warum nicht auch einen guten Tod? Ein Essay von Christoph Krainer

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as „gutes Sterben“ ist, hier scheiden sich die Geister und es stellen sich viele Fragen. So haben sich Binding und Hoche 1920 zum Thema in einem Aufsatz geäußert: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens.1 Historisch gesehen, war diese Schrift wichtig für das nationalsozialistische Euthanasieprogramm und entfaltet eine spezielle Argumentationskette, die bis zur Hälfte sehr modern und nachvollziehbar ist und sich mit gängigen Vorstellungen zu Sterbehilfe decken. Im ersten Teil der Schrift werden die klassischen Themen der Sterbehilfe abgearbeitet. Es geht um aktive und passive Sterbehilfe, um die Einwilligung, wer Sterbehilfe vollzieht und welche Verwaltungsherausforderungen dahinter stehen. Sie vertreten einen liberalen Zugang zu Sterbehilfe und auch zu Selbstmord. Dennoch, oder gerade deswegen, geht von der Schrift ein großes Gefahrenpotential aus. Die Schrift vollzieht doch noch eine Wende zum Absoluten, Unreflektierten und pathologisiert eine spezielle Menschengruppe umstandslos. Neben unheilbar Kranken, unter viel Schmerz Leidenden, sind auch die „unheilbar Blödsinnigen“ der Euthanasie ausgesetzt. Um sie zu töten, brauche es nicht einmal ihre Zustimmung. Dies wird damit begründet, dass sie keinen Lebenswillen zeigen würden, ihr Leben unwürdig scheine und daher der Tod für sie eine Befreiung sei. Die Logik hinter diesen Gedanken: Wo das Leben unwürdig scheint, ist der Tod umso würdevoller. Aber in dieser Logik herrscht dennoch Einklang. Um Sterben herbeizuführen, zu unterstützen oder einfach nicht zu verhindern, braucht es eine Begründung und die heißt: die Qual weiterzuleben ist größer, als das Übel des Todes. Dahinter versteckt sich ein Axiom: Das Leben ist erstrebenswert. Beide Prämissen aneinandergereiht führen zu diesem Schluss: Es gibt ein

Recht auf Sterben, wenn Bedingungen vorherrschen, unter denen ein Leben nicht mehr gewollt werden kann. Zwar lässt sich ein Recht auf Sterben argumentieren, folgt aber aus dem auch, dass es eine Pflicht zum Leben gibt? Hier wird die Frage viel spannender, denn welche Gründe kann es geben, Menschen zum Leben zu verpflichten? Gott wäre eine Möglichkeit, halte ich aber für ein sehr schwaches Argument. Ein anderes wäre die Sozialität, d.h., dass Menschen in ein soziales Gefüge eingebettet sind und sich daraus ein normativer Anspruch zum Leben ableitet. Hier wird, wie in vielen Fragestellungen, der Konflikt zwischen dem eigenen Willen (oder besser Nicht-Willen) und eines kollektiv-normativen Anspruchs tragend. Oder plastischer formuliert: Der/Die Einzelne hat sein Wohl dem einer Gruppe unterzuordnen. Dieser Konflikt zwischen Eigen- und Fremdinteresse scheint gerade beim Suizid als vordergründig. Auch wenn die Schrift von Binding und Hoche letztendlich ein geistesgeschichtlich verabscheuenswürdiges Argument in sich birgt, bringt Binding in einer Nebenbemerkung doch ein interessanten Aspekt hervor: „Ganz unnötig scheint mir, daß das Verlangen nach dem Tode aus unerträglichen Schmerzen entspringt. Die schmerzlose Hoffnungslosigkeit verdient das gleiche Mitleid.“ Er dekonstruiert die Differenz zwischen Suizid und Sterbehilfe. Im Grunde fragt er: Warum zum Teufel wird körperlicher Schmerz schlimmer bewertet als Verzweiflung? Würdevolles Sterben kann leichter durch körperliches Leid begründet werden, als durch seelische Verzweiflung. Genau an diesem Punkt schließt Jean Améry an: „Der freie Tod ist eine hochindividuelle Sache, mit der der Mensch mit sich allein ist, vor der die Sozietät zu schweigen hat.“ 2


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Albert Camus wird auch gern zitiert, wenn es um den Freitod geht. Daher auch hier aus seinem Sisyphos: „Aufstehen, Straßenbahn, vier Stunden Büro oder Fabrik, Essen, Straßenbahn, vier Stunden Arbeit, Essen, Schlafen, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, immer derselbe Rhythmus – das ist sehr lange ein bequemer Weg. Eines Tages aber steht das 'Warum' da, und mit diesem Überdruss, in den sich Erstaunen mischt, fängt alles an. 'Fängt an' – das ist wichtig. Der Überdruss ist das Ende eines mechanischen Lebens, gleichzeitig aber auch der Anfang einer Bewußtsseinsregung. Er weckt das Bewusstsein und bereitet den nächsten Schritt vor. Der nächste Schritt ist die unbewusste Umkehr in die Kette oder das endgültige Erwachen. Schließlich führt dieses Erwachen mit der Zeit folgerichtig zu der Lösung: Selbstmord oder Wiederherstellung.“ 3 An einem Punkt setzt die Verzweiflung ein, und diese kann einsetzen wie eine Krankheit. Hier ist die Analogie am Ende des Zitates wunderbar. Von der körperlichen Krankheit kann man geheilt werden, man kann wiederhergestellt werden. Eine Krankheit allein ist noch kein Grund für aktive Sterbehilfe. An dem Punkt, wo Krankheit aussichtslos erscheint, scheint der Tod eine würdevolle Alternative. Hier bleibt offen, ob dieses Argument nicht auch für eine aussichtslose Verzweiflung tragend gemacht werden kann. Jean Améry geht ohnehin mit der Gesellschaft hart ins Gericht: „Es steht nicht gut um den Suizidär, stand nicht zum Besten für den Suizidanten. Wir sollten ihnen Respekt vor ihrem Tun und Lassen, sollten ihnen Anteilnahme nicht versagen, zumal ja wir selber keine glänzende Figur machen.“ Es ist nicht schwer, dem Menschen das Recht zum Sterben zuzugestehen. Komplizierter ist die Sache mit der Sterbehilfe. Auch wenn dieses Recht eingeräumt, begründet wird, wie soll damit umgegangen werden, wenn Dritte eingebunden sind? Sterben zu wollen, ist das eine, andere zu bitten oder von ihnen zu verlangen, Hilfe zu leisten, ist eine ganz andere Dimension dieser Problematik. Und das gerade dann, wenn die Hilfe nicht von nahestehenden Personen erbeten wird, sondern wenn auf politischer Ebene sozusagen der/die Sterbehelfende bestimmt wird. Wenn jemand das Recht zum Sterben hat, gibt es damit auch die Verpflichtung sie dabei zu unterstützen? Soviel zur Freiheit und Sozialität des Sterbens. Es kann einen Möglichkeitsraum für den Menschen geben, über sein Leben bzw. Sterben zu bestimmen und er ist in eine Sozialität eingebunden, die das alles komplizierter macht. Wenn das Leben noch dazu würde-

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„Der freie Tod ist eine hochindividuelle Sache, mit der der Mensch mit sich allein ist, vor der die Sozietät zu schweigen hat.“ —Jean Améry los erscheint, kann der Tod als würdevolle Alternative dienen. Soweit, so gut. Leider ist das alles nichts Neues und geht auch mit dem einher, was Binding und Hoche so sagen. Und in der Argumentationslinie liegt auch eine Falle begraben: die abstrakte Formulierung „Würde“ bringt uns keinen Schritt weiter. Denn der Begriff „Würde“ ist an sich inhaltsleer und muss mit konkreten Sachverhalten aufgeladen werden. Welche Umstände dienen der Würde, welche verringern sie? Die „unheilbaren Blödsinnigen“ haben nach Ansicht von Binding und Hoche kein würdevolles Leben und der Tod wäre für sie eine Erlösung. Zwar lässt sich hier mit Willenszustimmung entgegnen, aber aktive Sterbehilfe, auch auf Basis von Nicht-Freiwilligkeit (Komapatienten), ist für die Bioethik keine unbekannte Fragestellung. Die Diskussion über Freitod und Sterbehilfe ist sicher eine Diskussion, die vom Rand her an die Kernprobleme rangeht. Es wird aber klar, dass eine solche Diskussion nur geführt werden kann, wenn ernsthaft nach dem Konzept „Würde“ gefragt wird. Denn eine solche Diskussion würde auch dazu führen, dass nicht bloß dem Menschen Freiheiten, wie eben Freitod, ermöglicht werden, sondern dass auch nach den Umständen gefragt wird, unter denen die Würde eines Menschen leidet. Die Würde des Menschen ist ja sehr schnell behauptet und in Verfassungen gegossen. Was aber ein Leben in Würde ausmacht, ist schon viel schwieriger zu beantworten. Und wenn Menschen ihr Leben als würdelos betrachten und in Verzweiflung stürzen, ist es nicht bloß ihre eigene Verantwortung, sondern auch ein Ergebnis ihres Umfelds. So wenig wie der Freitod und die Sterbehilfe tabuisiert werden dürfen, so wenig dürfen die Bedingungen, die letztendlich Verzweiflung und Krankheit erzeugen, versteckt werden. Paul Feyerabend bringt in seinem berühmten Interview mit Safranski die Aufklärung und ihre Nachfolgezeit zurück auf den Boden, wenn er zynisch die Wissenschaft als nicht das einzige und zentrale Weltdeutungsmuster im Leben anerkennt. Was braucht ein Mensch? „Ein Mensch brauch viel Hilfe. Was Menschen heute brauchen ist etwas mehr Freundlichkeit, Hilfe als Aufklärung [...] Was nützen mir die Elementarteilchen, wenn ich mich aufhängen will vor Verzweilfung. Dafür gibt‘s nix in der Aufklärung.“ 4 Verzweiflung ist vom Menschen nicht wegzudenken. Dennoch muss sie nicht gefördert werden. Die aufgeklärte Gesellschaft hat nicht immer die besten Lösungen gefunden. Und auch wenn die Lösung Freitod und Sterbehilfe lauten darf, so muss die Frage nicht Verzweiflung sein.

Quellen: 1: http://bit.ly/bindinghoche 2: Jean Améry (1976): Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod. Stuttgart: Klett. 3: http://bit.ly/camussisyphos 4: http://bit.ly/feyerabendinterview


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KULTUR & MENSCHEN

kultur & menschen

Diese Karikatur stammt von dem in der Türkei lebenden Kaan Saatci, der sich damit den dritten Platz holte.

IN DIE FUSSSTAPFEN HADERERS ODER WIZANYS TRETEN.

DER 1. SALZBURGER KARIKATURENPREIS Zahlreiche Karikaturen überfluteten das Büro des Vereins MARK.freizeit.kultur Ende des Sommers. Mit lustigen, skurrilen und kritischen Kunstwerken der TeilnehmerInnen hatte die generationsübergreifende Jury die Qual der Wahl. Am 31. Oktober, dem Tag der Preisverleihung, wurden die Karikaturen in einer Vernissage erstmals der Öffentlichkeit gezeigt. Die uni:press-Redaktion hat die Kunstwerke begutachtet und präsentiert euch ihre Favoriten.

K

napp hundert Interessierte unterschiedlichen Alters nahmen am 1. Salzburger Karikaturenpreis teil. Der von Nina Herzog initiierte Wettbewerb lockte nicht nur TeilnehmerInnen aus ganz Österreich an. Menschen aus aller Welt reichten ihre Kunstwerke ein. Obwohl nur wenig Werbung gemacht wurde, erreichte der Karikaturenpreis Menschen aus Deutschland, Italien, Bosnien und Herzegowina, Slowakei, Polen und der Türkei – selbst aus dem Iran und aus Ägypten wurden einige Karikaturen eingesendet. Auch alle möglichen Berufsgruppen waren vertreten: Von SchülerInnen über Studierende bis hin zu GrafikerInnen, KünstlerInnen und PensionistInnen. Sogar eine ganze Schulklasse samt der Lehrerin nahm teil. Die Themen der Karikaturen waren sehr vielfältig, so wurden unter anderem österreichische Fußballer und der Selfie-Hype persifliert. Die meisten NachwuchskünstlerInnen haben sich jedoch politischer Themen angenommen. Besonders die Karikaturen rund um die Flüchtlingsthematik begeisterten die generationsübergreifende Jury, bestehend aus Mitgliedern der Arbeiterkammer, ÖH, Landesschulver-

tretung und der Volkshilfe, was sich auf dem Treppchen bemerkbar machte. Dabei handelt es sich gar nicht um Karikaturen im engeren Sinne. Ausschlaggebend für die Entscheidung war wohl eher die politische Aussage der Bilder, wobei natürlich auch aufs zeichnerische Talent Wert gelegt wurde. Dem Ziel, in die Fußstapfen Wizanys und Haderers zu treten, ist die 16-jährige Mona Wurz näher gekommen. Beide Künstler befanden sich übrigens unter den ersten Gratulanten, denn sie diskutierten gemeinsam mit Andrea Lacher-Bryk und Gerhard Koller über das Thema „Beruf Karikaturist_in“ bei der von Nina Herzog moderierten Podiumsdiskussion. Mona wurde mit drei Punkten Vorsprung gegenüber dem Zweitplatzierten zur Siegerin erkoren. Das Bild der Schülerin sowie der anderen TeilnehmerInnen könnt ihr bei der geplanten Wanderausstellung bewundern, die derzeit in der Hannakstraße 17 im MARK.freizeit.kultur stattfindet und im Februar auch am Unipark Halt machen wird. Das Bild der Gewinnerin könnt ihr aber schon hier in der uni:press bewundern sowie weitere Karikaturen, die uns besonders gut gefallen.


KULTUR & MENSCHEN

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Die 20-j채hrige Julia Bernerst채tter hat in dieser Karikatur der ber체hmten Mona Lisa ein neues L채cheln verpasst.


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KULTUR & MENSCHEN

Die Künstlerin Manuela Marl-Stranimaier hat in ihrem kreativen Werk den „Karikaturengott“ Haderer dargestellt, wie er von einer Flut von Einreichungen erschlagen wird.


POLITIK KULTUR & GESELLSCHAFT & MENSCHEN

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Mit dieser Karikatur, in der die Fl체chtlingscamps den Festspielen gegen체bergestellt werden, schaffte es die 16-j채hrige Mona Wurz auf den 1. Platz.


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KULTUR & MENSCHEN

Einmal ficken, Ob man auf Tinder Liebe findet?

Ein Erfahrungsbericht von Tinderella

© Chelsi Mittelhölzer, lips (flickr) & © The Shared Experience, Male Model Brian (flickr)


KULTUR & MENSCHEN

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weiterschicken Waschbrettbauch vor dem Badezimmerspiegel. Swipe.* Vermummter Bergsteiger unterm Gipfelkreuz. Swipe. Surfer. Swipe. Mann mit Frau. Swipe. Mann mit Kind. Swipe. Abdullah. Swipe. Red-Bull-Trinker. Swipe. Golf-Prolo. Swipe. —

I

ch bin ganz schön anspruchsvoll, vielleicht auch eine Spur rassistisch, aber vor allem eines: oberflächlich. Aber wer wäre das nicht, wenn man täglich eine Auswahl an (potentiellen) Singles hat und binnen Sekunden entscheiden muss, ob man in Kontakt treten wollen würde oder nicht. Wäre ich nur aufs Ficken aus, wäre es einfacher, aber da wär ich als Frau sowieso nicht auf Tinder unterwegs. Da ginge ich in eine Bar und sähe mir den Pool an Kandidaten in freier Wildbahn an. Anquatschen, mit nach Hause nehmen. Ich will aber mehr. Außerdem schadet es dem Ruf, Typen in aller Öffentlichkeit abzuschleppen. Da verstehe ich schon, dass man das lieber „geheim“ macht, auf Tinder

eben. Doch so geheim ist das ja nicht. Jeden, den ich sehe, sieht mich auch. Gott war das peinlich, meinen Ex wegzuwischen! Aber peinlicher für ihn eigentlich. Er gibt sich als fünf Jahre älter aus, als er ist und hat nicht mal genug Mut, seine Visage voll abzubilden. Swipe. Peinlich ist es auch, Kollegen oder Mitstudenten anzutreffen. Swipe. Und vergessen, dass die mich jetzt wohl für ein läufiges Sexmonster halten. Manchmal sieht man auch Typen, von denen man weiß, dass sie in einer Beziehung sind. Screenshot. Swipe. Dabei ist Tinder einfach eine alternative Option für schüchterne Mauerblümchen wie mich, umstandslos jemanden aus sicherer Distanz kennen zu lernen. Nach einigen Malen Hin- und Herschreiben weiß man für gewöhnlich schnell, ob man für den anderen nur aus Vagina und Brüsten besteht. Naja, nicht immer. Auch ich bin schon „gefickt und weitergeschickt“ worden. War wohl zu enthusiastisch und begeistert und völlig überwältigt davon, dass man tatsächlich einen anständigen Typen auf Tinder kennen lernen kann! Doch Einhörner sind hier selten. Einhörner nenne ich Männer, die nicht dem gängigen Ficker-Klischee entsprechen, etwas auf dem Kasten haben, sich für mehr als ihren Bizeps interessieren und in ihrer Selbstbeschreibung unterm Bildchen mehr stehen haben als „Frag doch einfach!“ oder „Lebe deine Träume!“

*Von swipe spricht die Autorin, wenn ihr jemand nicht gefällt und sie den Tinder-Kandidaten zurück in den Äther „wischt“. Alle anderen werden geherzelt. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.


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KULTUR & MENSCHEN

© Mishka Sokolnikov, Just a piano player (flickr)

Der erste Tinder-Mann, mit dem ich mich getroffen habe, war nach verdächtig kurzer Zeit schon Feuer und Flamme und hat mir das Blaue vom Himmel erzählt. Er verliebe sich gerade in mich, obwohl er mich noch nie gesehen hatte und ich ihn drei Wochen lang vor dem ersten Treffen hingehalten habe. Doch unsere Chemie und vor allem unser intensives Sexting, haben mich neugierig gemacht. Nach fünf Minuten über der Türschwelle hatten wir uns die Kleider vom Leib gerissen und den ganzen Tag gevögelt. Sex war gut, Typ war kacke. Oder seine angeblich wieder in sein Leben getretene Ex, für die er mich drei Tage später abservierte... Was soll man da noch glauben? Schon nach dem ersten Tinder-Sex hatte ich mir geschworen, nie wieder in diesen versifften und fadenscheinigen Teil des Äthers vorzudringen und mir einen anständigen Kerl im real life zu suchen. Nach einem frustrierenden Intermezzo mit zuvor erwähntem Ex-Freund landete ich nach einem Jahr wieder im Äther, wollte diesmal alles anders machen. Nur mehr Typen herzeln, die nicht bedrohend gut aussahen, aber auch nicht hässlich waren, einfach „normal“ halt. Typen mit nettem Lächeln und warmherzigen Augen. Mit vielfältigen Hobbies, interessanten Jobs, einer gesunden Lebenseinstellung, kompatiblen Interessen und dem Willen, die Welt zu verbessern. Einhörner eben. Und doch schwindelte sich da wieder so ein eitler Sportler rein, der nicht mehr über sich zu sagen hatte, als „Frag doch einfach!“. Da hab ich wohl nur mit meiner Libido geherzelt. Wir hatten in kurzer Zeit viele Dates und obwohl wir beide sehr unterschiedliche Prioritäten im Leben hatten, wollte ich ihn weiterhin treffen, um zu sehen was sich daraus entwickelt. Und Ficken. (Sein Arsch war grandios.) Doch hinterher Ernüchterung: Es habe nicht gefunkt.

Weiß ich doch, ich war ja dabei. Man könnte mir natürlich vorwerfen, wenn ich eine Beziehung haben wollte, hätte ich nicht so früh mit den beiden schlafen sollen. Ich hätte mich rar machen und aufsparen sollen, damit sie dafür arbeiten müssen und es als wertvoll erachten, mit mir schlafen zu dürfen. Aber wir haben doch nicht 1958! Für mich war die Entscheidung, mit ihnen Sex zu haben eine logische Konsequenz. 1.) Man will ja nicht die Katze im Sack kaufen. Wenn man sich erst verliebt und der Sex dann mies ist (z.B. wegen inkompatibler Geschlechtsteile oder Vorlieben), ist es schwieriger einen Rückzieher zu machen als zunächst das Wasser zu testen, bevor man kopfüber reinspringt. 2.) Das ist der einfachste und zuverlässigste Test um zu sehen, ob er es ernst meint. Wenn der Typ nach dem Sex immer noch Interesse hat und mit einem quatschen will, dann stehen die Chancen gut, ein Einhorn gefunden zu haben. Die Quintessenz aus diesen Erfahrungen? Auf Tinder findet man NICHT die große Liebe. Tinder ist KEIN Ort für romantische Begegnungen. Du bist NICHT die große Ausnahme von der Regel. Spring über deinen Schatten, versteck’ dich nicht hinter deinem Smartphone-Bildschirm, zeig der Welt, wie fabulös du bist und lerne Menschen im real life kennen!


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© Robert Montgomery (flickr)

A

Schaß heast! Scho wieda hod ma mei g‘schissene Nochbarin de Zeitung g’fladert! Jede Wochn hoff i aufs Neiche, dass des Trum amoi zu mir schofft und i ned wie a volkommen Asoziale in d’n Teletext einischaun muaß. Und jede Wochn wieda is de Oide schnölla ois wia i. Und des obwohls 78, gehbehindert und hoib blind is. Wenigstens waß i so, dass’ nu lebt und muaß ned drauf woatn, dass’ aus da aundan Wohnung umastinkt. Sie hot jo sunst koan, wenn i ned Wocha um Wocha umi gangat und um mei eigene Zeitung bettelt. Do muaß i ma owa scho mein Nochmittog frei nehma, wei sunst kummst neama aussa do. Jedes moi des söbe Spü: I leit au, sie braucht a g’schätzte Stund, bis ba da Tia is, frogt mi wer i bin, wos i wül und daun streits natiali ois o. Sie hod g’moat, da Postla hätt de Zeitung vor ihr Tia g’legt und si owa eh scho g’wundert, weils jo de Krone abonniert hätt und ned de Zeit. Wär jo vü handlicher und ned so schwa zan lesn, des Trum. Don sogts i soi eina kuma, lad ma an koitn Kaffee ei, dass i nu schena werd und endlich an Mau find. Des frogts mi nemli glei imma ois erstas, ob i leicht goa kane Kinda wü und ob i mi eh ned fiacht, so gaunz alla in da Wohnung. Seit fünf Joa wohna ma jetzt Tia an Tia und de Funsn hods bis heit ned g’schofft, dass’ mein Naum lernt. Dabei steht a gaunz groß auf meina Zeitung drauf. Owa dass i kan Mau hob, des merkt sa si natiali imma. Maunchmoi sog i ihr, dass i eh lesbisch wa, de Wocha drauf, dass i im nextn Juli heirat oder goa, dass i mit Drilling schwaunga wa – von am Ausländer. Do kippts ma oiweu fost aus de G’sundheitsschlapfn. Sie vergissts owa eh glei wieda. Do sitz i oiso, stöll ma den grauslichen koitn Kaffee eini und loss ma dazöhn, wie mei „Uhr tickt“ und i „neama jinga werd“. I stöll mi deppert und sog: „Meine is owa digital, de tickt eh ned.“ Den Schmäh checkts natiali ned, locht owa trotzdem, dass ihr fost de foischn Zehnt aussa fliang. So vü Aunstaund hods grod nu, de oide Zeitungsdiebin.

Don schweig ma. Sie ziagt a Schneitztiachl aus ihrm Leuwikiatl und putzt si ordentlich de Nosn. De Keks, des ma don hinstöht san scho gaunz zach und beim Stoiwerk hob i ma letztens a Plombn aussabissn. I sog höflich „Na, danke.“ und erklär ihr, wenn i fett werd, kriag i jo nie an Mau. Sie nickt eifrig, schaut mi vastoin vo oben bis unten au und stöht de zachen Keks und des hoarte Stoiwerk wieda zruck ins Kastl. I frog oiso wieda um mei Zeitung. Maunchmoi hob i goa a Glick und ihre drei Kotzn haum ned drauf g’ludlt. Maunchmoi owa a ned. Desmoi bin i nu hoibwegs glimpflich davokuma: Nur ’s Feuilleton liegt im Kotznkistl, da Rest hods immahin ins Oid-

KOITA KAFFEE UND HOARTS STOIWERK Von Doris Hörmann

papier g’schofft. I trink aus, nimm, wos von da Zeit übrig is, bevors mit de Fotoalben und de Totenbüdl daherkumt und wü geh. Do hea is hinter mir, schwa atmend und mit ihrm Gehwagerl zitternd. Sogt, es is oiweu so schen won i kum und druckt ma a 50erl in d’ Haund. I bedaunk mi recht schen, dunk auf ihr Bitt mit zwa Finga in d’n Weihbrunn neben da Tia, moch sowos wie a Kreizzeichen auf mein Schädl und geh aussi. I sog: „Bis nächste Wochn“, owa sie vasteht ned, wos i damit moan. Wia i in mei Wohnung zruckkum, schmeiß i de 50 Cent in mei Spoabixn, geh meine drei Kotzn fuadan und schoit in Teletext ei. Die Zeit is ma donn doch a weng z‘unhaundlich und z’schwa zan lesen.


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KULTUR & MENSCHEN

WIR HABEN DEN ENGLISCHEN KÖNIG BEDIENT

„Passen Sie auf, was ich Ihnen jetzt erzählen werde.“ So beginnt der Erzähler des Romans Ich habe den englischen König bedient vom tschechischen Autor Bohumil Hrabal. In jedem Kapitel wird er seine Anrede variieren. Und im Verlauf des Romans reifen. Eine Buchrezension von Nina Wewerka

B

esagter Erzähler hält sich in Prag auf, wo er den verständlichen, aber nicht näher durchdachten Plan hegt, Millionär zu werden. Der ehrgeizige Aufsteiger arbeitet sich fortan durch Hotels, in denen ihm ein Oberkellner stolz berichtet, er habe den englischen König bedient. Dieser Satz wird für den Protagonisten zum Qualitätsmerkmal: Wer solch wichtige Leute bedient hat, bekommt auf magische Weise etwas vom Ruhm ab. Durch zahlreiche Missgeschicke und viel Glück trägt es ihn, der eine Deutsche während der Besatzungszeit heiratet, ein Kind mit ihr bekommt und später sogar tatsächlich zu Reichtum gelangt. Alles wird er verlieren: Seine Familie durch Bombenbeschuss und Naziideologie, seinen Besitz in der Umbruchphase der nun frei gewordenen Tschechoslowakei, und schließlich die Zustimmung seines Volkes aufgrund seiner Heirat, da keiner einen angeblichen Kollaborateur gutheißen kann. Dabei ist der Protagonist alles andere als ein Opportunist: Es trägt ihn durch die Welt, ohne dass er jemanden verletzen möchte. Vielleicht träumt er ein bisschen zu viel, mag sein. Vielleicht glaubt er zu sehr daran, dass der Mensch nicht zu den äußersten Mitteln greifen wird. Sicher ist er eitel und möchte ganz zwanghaft jemand sein. Aber was ihn interessant macht, ist seine liebevolle Aufmerksamkeit für alles Schöne, seien es Kleider, seien es Menschen oder Worte. Alles kann an Bedeutung gewinnen: Eine Prostituierte schmückt er mit zahlreichen Blüten, um sie zu feiern und sich am Gedanken zu berauschen, was es denn heißt, alles schenken zu können, weil man reich ist. Eine Krawatte bekommt höchsten Stellen-

wert, weil sie so besonders aussieht. Der titelgebende Spruch kann als Zugehörigkeitsmerkmal zur eigenen Kellnerzunft verstanden werden – aber das Pendant „Ich habe den abessinischen Kaiser bedient“, was nur auf den Erzähler selbst zutrifft, kann zur Abgrenzung dienen. Diese materialistischen, auf die Außenwirkung bedachten Züge des Romans sind Zeichen der Neuen Sachlichkeit, die auf den ersten Blick oberflächlich erscheinen mögen. Aber das würde dem Roman nicht gerecht, denn der Protagonist entwickelt eine Reife, die zu einem moralischen Schluss kommt. Getrieben von Unglück und Leid, enttäuscht von der Grausamkeit der Menschen, zieht er sich in sich selbst zurück. Der Roman ist ein Plädoyer für eine friedliche Gemeinschaft; so wie der Erzähler seine eigene Bedeutung daran misst, was er getan hat, und nicht daran, was er denkt, kann er zu jenem Bild gelangen, das zu den schönsten überhaupt gehört: Über sein eigenes Grab nachdenkend, will er „auf dem Friedhof oben auf dem Hügel bestattet werden, sozusagen auf dem Kamm des Friedhofs, denn es sei mein Wunsch, daß mein Sarg nach und nach auf diesem Trennungsstrich auseinanderbreche und alles, was von mir geblieben sei, vom Regen in beide Himmelsrichtungen gespült werde, einen Teil von mir solle das Wasser in Böhmens Bächlein waschen, den Rest hingegen zur anderen Seite, mit den Bächen durch die Stacheldrähte der Grenze zur Donau, denn es sei mein Wille, auch nach dem Tode ein Weltbürger zu sein, der aus der Moldau durch die Elbe in die Nordsee gelange und zum anderen Teil durch die Donau ins Schwarze Meer und durch beide Meere in den Atlantischen Ozean…“

Bohumil Hrabal (1990): Ich habe den englischen König bedient. Berlin: Suhrkamp.


KULTUR & MENSCHEN

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A wounded animal doesn‘t cry – it bites Als Sonia den Kampf gegen den Krebs ihres Mannes, die Korruption ihres Landes und ihre eigene Verzweiflung aufnimmt, überkommt die ZuschauerInnen bereits die schleichende Vorahnung, dass sie nicht gewinnen wird. Weil Sonia nicht kämpft, um zu gewinnen. Sie kämpft gegen das Verlieren an. Und hat dabei nur zu verlieren. Eine Filmrezension von Veronika Ellecosta

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n monstruo de mil cabezas, auf Englisch übersetzt A Monster With a Thousand Heads, auf Deutsch gar nicht übersetzt. Der Film des 72. Internationalen Filmfestivals in Venedig eröffnet die Biennale mit einem tiefen Einblick in menschliche und zugleich politische Abgründe im mexikanischen Korruptionskarussell. Der Regisseur uruguayischer Herkunft, seit Kindheitstagen in Mexiko-Stadt wohnend, scheint das politisch-gesellschaftliche Bild seines Landes im Film direkt vom Vorhof seines Hauses gekehrt zu haben. Im Internationalen Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) nimmt Mexiko einen hohen Rang ein, diversen Quellen zufolge schwimmt es im Sumpf geschmierter PolitikerInnen und Sicherheitskörperschaften.1 Und trotzdem ist der Werdegang oder Verderbensgang der Protagonistin Sonia mit den traurigen Augen als Einzelschicksal inszeniert und soll auch als solches wahrgenommen werden. Der Ehemann ist bettlägerig und befindet sich im letzten Krankheitsstadium, die Versicherung hat das Ehepaar betrogen, das Gesundheitssystem verweigert nun die nötige Behandlung. Aber Sonia ist bereit, der Ungerechtigkeit die Stirn zu bieten. Zusammen mit ihrem pubertierenden Sohn Dario macht sie sich auf, um das ihr Zustehende zurückzuholen und den Mann vor dem sicheren Tod zu bewahren. Doch von dem Moment an, als sie dem Doktor, der eine Untersuchung ablehnt, eine geladene Waffen gegen die Schläfen drückt, reißt der Strudel der Ausweglosigkeit die Familie in seine Tiefe. Immer skrupelloser und verbissener geht Sonia vor, bedroht, schießt, erschießt. Dabei besteht das wahre Drama nicht im Sterbeprozess des Mannes, der letztlich tatsächlich in dessen Ableben endet. Das unrechtmäßige Streben der Frau nach Gerechtigkeit und die Niederlage, in schwarzen Zynismus gebettet, niemals aber geschmacklos, stellen altüberlieferte Vorstellungen von Recht und Unrecht

in Frage. Der Regisseur Rodrigo Plá schafft das Hollywood-Pendant par excellence. Desillusionierend und schmucklos verbietet er der Protagonistin stets das Wort, lediglich ihr verzweifeltes Agieren in der Welt, die sich gegen sie verschworen hat und ein bedrohliches Dasein schafft, dient der Charakterisierung und als einziger Handlungsstrang, dem der Film folgt. Die Distanz, die der Film zwischen Sonia und dem Publikum schafft, verschließt uns jeden Einblick in die Person und wir schauen hilflos dem grausamen Treiben auf der Leinwand zu, im Stich gelassen vom Regisseur. So groß die Distanz zwischen Sonia und uns ist, so klein das Universum, das keinen Ausweg zulässt. Sehr bald ist man überfordert von den schnellen Bildern, dem Mangel an eigener Empathie. Es ist ein raffiniertes Psychospiel, das Plá mit den ZuschauerInnen treibt, indem er nicht nur die Kategorien Recht und Unrecht überschreitet, sondern auch Opfer- und Täterrollen untergräbt, gänzlich aufhebt. Nichts und niemand an dem Film erscheint weder sympathisch noch unsympathisch, und trotzdem ist es ein Ding der Unmöglichkeit, den Personen neutral gegenüber zu stehen. Die Szenen sind eine einzige Ausnahmesituation, die menschliches Moralempfinden an den Rand der Erschöpfung treiben und instinktive, wenn nicht animalische Fluchtreflexe provozieren. Wir wissen: Ein in die Ecke getriebenes Tier wird beißen. Und Sonia beißt, noch während sie zerbissen wird. Sie verliert ihren Mann, kurz bevor sie es schafft, das Geld für die Behandlung zu erhalten. Erst jetzt löst der Regisseur ihre Unnahbarkeit und auch Sohn Dario entwächst seiner Rolle als nickender Handlanger seiner Mutter. Sonia gewinnt Zugang zu ihm, der auf der Polizeistation seinen Kopf in den mütterlichen Schoß legt, als alles vorbei ist. Der Sohn, bisher nur Mitspieler des grausamen Geschehens, wird zum Ausgangspunkt des Weiterlebens und zum Endpunkt des Films.

1 Quelle: Corruption Perceptions Index 2014 (http://bit. ly/1AgRivL)


© Marco Maas, dsc6259 (flickr)

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KULTUR & MENSCHEN

Intro D / Em / C / G Vers D Em Wenn mir am Obend hamwerts gengan, C G die Pappn pickt vom Rotwein, D Em i sog das ehrlich, mir is schlecht, C G i glaub i muaß jetzt speibn glei. D Em Da Hümme is scho grauslig rot, C G doch du wüst no ned schlofn, D Em und i bereu es jetzt scho sehr, C G wieso hob i di troffn.

AUSGEDEUTSCHT:

I drah ständig des Liacht ob

Die Lagerfeuersaison inklusive Gitarrenschrammelei neigt sich dem Ende zu, jedoch ließen wir uns dadurch nicht die Gelegenheit nehmen, eine neue Version von Revolverhelds Ich lass’ für dich das Licht an zu texten. Immerhin wird’s in der dunklen Jahreszeit auch gemütlich. Oder eben auch nicht. Erfreut euch am Lied, Gitarrenakkorde haben wir beigefügt. Wir wünschen eine besinnliche Jahreszeit!

Refrain Em I drah ständig des Liacht ob, D obwoi du so Ongst host, C i horch ma nua Bands on, G die du ned mogst. Em I werd oiwei lauda, D grod wenn du einschlofst, C bin imma im Beisl, G bei Nocht oder Tog. D I drah ständig des Liacht ob, Em obwoi du so Ongst host, C i horch ma nua Bands on, G die du ned mogst. D I schau nur meine Em Actionfüm on, C is ma ollas wuascht, G Hauptsoch is, i bin do.

G

D

Vers 2 D Em I darad meine Lieblingsplottn C G niamois füa di vabrenna D Em und nua weil’s füa di wichtig is, C G dir sicha ned nochrenna. D Em Die Morgenluft is dir so koit, C G i hob a fette Jackn. D Em Du sogst zu mir: „I frier so sehr.“ C G I sog zu dir: „Geh gackn!“ Refrain Em I drah ständig des Liacht ob, D obwoi du so Ongst host, C i horch ma nua Bands on, G die du ned mogst. Em I werd oiwei lauda, D grod wenn du einschlofst,

C

C bin imma im Beisl, G bei Nocht oder Tog. D I drah ständig des Liacht ob, Em obwoi du so Ongst host, C i horch ma nua Bands on, G die du ned mogst. D An deim Geburtstog Em geh i saufen, C is ma ollas wuascht, G Hauptsoch is, i bin do. Outro D Em Wenn mir am Obend hamwerts gengan, C G die Pappn pickt vom Rotwein, D Em i sog das ehrlich, mir is schlecht, C G wegen dir muaß i jetzt speibn glei.

Em


EPILOG

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epilog

HINTER DEN 8.30 KULISSEN: COVERSHOOTING Samstag: Es ist sieben Uhr, als mein Wecker klingelt. Im Halbdunkeln ertaste ich mein Handy und schalte den nervigen Signalton aus. Völlig mies gelaunt und unausgeschlafen krieche ich aus meinem Bett und verfluche meine KollegInnen, dass sie unser Treffen so früh angesetzt haben. Ich überlege kurz, ob ich mich nicht einfach wieder hinlegen soll. Doch dann fällt mir ein, heute steht das Covershooting an – unser letztes. Text: Saša Sretenovic. Fotos: Clemens Arndt

Uhr: Ich sitze im Zug und bin immer noch völlig genervt, dass ich mal wieder nicht ausschlafen konnte. Nach einer halben Ewigkeit – ok, es waren nur 50 Minuten – komme ich in Salzburg an. Im Büro sitzend, mittlerweile halbwegs wach, mache ich mir Gedanken übers anstehende Shooting. Wie wird das männliche Model darauf reagieren, dass es geschminkt wird? Ich höre Beyoncé und lasse mich inspirieren, nebenbei bespreche ich mit Doris am Telefon, was fürs Shooting noch benötigt wird. Mit Schweinwerfern und Kamera bepackt treffe ich meine KollegInnen und wir machen uns auf den Weg nach Kuchl, zur Wohnung unseres Models. Der Design und Produktmanagement-Student Jo hat sich nämlich nicht nur dazu bereit erklärt, für uns zu posieren, sondern auch seine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Als wir bei dieser angekommen sind, nachdem wir uns etwas verfahren haben, ist es Mittag.


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EPILOG

Spannende Geschichten, sympathische Charaktere. Entdecke die Geheimnisse der Mozartstadt!

Ein etwas schüchterner Mann mit strahlend blauen Augen öffnet uns die Tür und begrüßt uns freundlich. Nach einer kleinen Verschnaufpause und einer kurzen Besprechung mit dem Fotografen packen wir die Schminkutensilien aus und breiten sie auf dem Tisch aus. Concealer, Puder, Lippenstifte in verschiedenen Rottönen, Palletten mit Lidschatten, Wimperntusche, Kajal, Augenbrauenstift und natürlich die Wimpernzange. Diese dürfte dem Model wohl besonders Angst eingeflößt haben, denn er ist plötzlich auffällig still. Sein Gesichtsausdruck wird immer besorgter. Aber es gibt kein Zurück mehr!

12:57

Uhr: „Bringen wir es hinter uns!“ Nun ist das richtige Model dran. Dieses muss erst mal noch ins Bad, um sich den Bart zu stutzen, ihn ganz abzurasieren, kommt für ihn nicht in Frage. Diese Models und ihre Ansprüche. Doris trägt die Grundierung auf, um eine ebenmäßige Fläche zu schaffen. Jo lässt das seelenruhig über sich ergehen. Nur als es kurz zum Einsatz der Wimpernzange kommt, meckert er ein wenig. Aber auch das steht er tapfer durch. Zum Schluss wird noch der Lippenstift aufgetragen und es kann losgehen! Während Doris, Veronika und ich uns über die Verwendung der bestimmten Schminkutensilien absprechen und probeschminken, macht der Fotograf Clemens die Lichteinstellung mit dem Model. Aus Solidarität zu seinem Kumpel entschließt sich Christopher dazu, sich auch schminken zu lassen, was bei seinem Gejammer gar nicht so einfach ist. Veronika und ich verpassen ihm ein Smokey-Eye und auf seine Lippen tragen wir ein sexy Rot auf. Wir waren zufrieden mit unserem Kunstwerk. Das Testkaninchen eher weniger: „Ich sehe aus wie eine Segabar-Tante!“


EPILOG

13:23

Uhr: It’s shooting time! Das Model ist etwas entsetzt über seinen Anblick im Spiegelbild. Aber das trägt nur dazu bei, dass er in die richtige Stimmung fürs Shooting kommt. In seinen stahlblauen Augen ist die Abscheu über das viele Make-up abzulesen – perfekt für die Fotos! Der Fotograf rückt ihn ins rechte Licht und fotografiert ihn aus verschiedenen Blickwinkeln. Wenn man das Umfeld für einen Moment vergisst, glaub man, man sei bei einem professionellen Editorial-Shooting für ein Modemagazin. Die Leistung des Models ist besser als die mancher Anfänger-Models in diversen TV-Formaten und der Fotograf erinnert an einen jungen Mario Testino. Nach über hundert gemachten Fotos sind wir fertig.

14:59

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Uhr: Wir haben das Bild! Mehr als zufrieden sehen wir uns die ersten Ergebnisse am Computer an. Jetzt steht schon fest, dass die Auswahl sehr schwierig wird. Nachdem sich Jo abgeschminkt hat, fühlt er sich sichtlich wohler, sein Lächeln kommt wieder zum Vorschein. Wir packen unser Zeug zusammen und bedanken uns für die tolle Leistung. Glücklich und zufrieden machen wir uns auf den Weg zurück nach Salzburg. Bei dem Gedanken daran, dass es vorerst unser letztes gemeinsames Shooting war, werden wir doch etwas sentimental. Eine wunderschöne Zeit neigt sich dem Ende zu. Wir möchten uns an dieser Stelle nochmal bei Clemens Arndt und Jonathan Schweizer für die gelungene Zusammenarbeit und für die tollen Ergebnisse bedanken!


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Wir sind dann mal weg ... Ein frisches Team an motivierten, kreativen Köpfen sitzt im Oktober 2014 zum ersten Mal im Büro in der Kaigasse 28 zusammen, das in den nächsten zwölf Monaten ihre Festung der Zusammenarbeit sein wird. Der lebensfrohe Lockenkopf, die zierliche Diva, der poetische Naturbursch, der vegane Balkongärtner, die freche Rothaarige und mich verbindet die Leidenschaft zum Schreiben und eine starke kritische Haltung gegenüber der Welt und ihren BewohnerInnen.

V

ielen sollte dies noch ein Dorn im Auge sein. Mit unserer ersten, provokanten Ausgabe #ficken im Dezember 2014 sind wir einigen konservativen Engstirnlern in der Vorweihnachtszeit auf ihre in Jesus-Latschen gepackten Füße getreten. Es hagelte Kritik: Die schlechteste Ausgabe aller Zeiten, eine Schande, ein billiger Bravo-Abklatsch und ein blasphemisches Schundheft wären wir. Dass die uni:press noch nie so schnell vergriffen war, drei unserer Artikel sogar in einer Soziologie-Vorlesung prüfungsrelevant waren und wir zum ersten Mal auch vor Lob überquellende LeserInnenbriefe bekommen haben, machte uns Mut. Die Leute wollten lesen, was wir schreiben! Erst mal ein ordentliches Stammpublikum angefixt, konnten wir in unserer zweiten Ausgabe zum Thema Zukunft unsere Gedanken über die Welt von #Morgen zu Papier bringen. Die Frage, wie die Uni in einigen Jahren aussehen könnte, der schonende Umgang mit Ressourcen und das Nützlich-Sein nach dem Tod waren nur einige der vielfältigen Betrachtungsweisen. Erstmals haben wir auch ein Fotoshooting mit Salzburger Studentinnen und einer professionellen Stylistin organisiert, das die Ausgabe zu etwas ganz Besonderem gemacht hat. In #Sünde konnten wir unser kurzzeitig abgelegtes Skandalblatt-Image wieder aufleben lassen, indem wir auf kreative Weise die sieben Todsünden aus den abgedrehtesten Perspektiven betrachtet haben. Vor allem die kontroversen Beiträge übers Tiere Ficken (Zoophilie) und den Vaginaneid von Männern haben erneut heftige Diskussionen angeregt. Ein Enthüllungsbericht über das Fehlverhalten einer Professorin gegenüber ihrer zu betreuenden Diplomarbeits-Studentin hat diese Ausgabe auch in die Kreise jenseits des aka-


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demischen Mittelbaus vordringen lassen. Unser Wahnsinns-Cover wurde von der Salzburger Nachwuchs-Künstlerin Julia Aichinger (aka Apfelstrudel im Haar) gestaltet.* Die Redaktion ist in den Sommermonaten um ein Mitglied geschrumpft, die Aufgabenverteilung innerhalb des Teams hat sich leicht verändert, unsere Motivation war nie größer. Nach all der sündhaften Aufregung musste wieder was Konformes her: Thema #Wettbewerb in all seinen Facetten. Ob in der Schule, der Uni, beim Spielen oder hoch droben auf der Alm – besser, schneller, schöner sein zieht sich durch ein Menschenleben. Der Titel der Vorsitzspalte „Miteinander statt Konkurrenz“ (Autor: Maximilian Wagner) sollte sich als Farce herausstellen. Denn selbst die ÖH ist vor Wettbewerbsdenken nicht gefeit. Es menschelt halt sehr... Wir hatten noch die Druckerschwärze an unseren Händen, eben 1.500 Erstsemestrigen persönlich als Willkommensgeschenk ein Exemplar der uni:press überreicht und schon ganz erwartungsfreudig im Hinterkopf Pläne für die nächste Ausgabe geschmiedet. Und dann war da Leere. Ok, es war nicht ganz so dramatisch. Ein Anruf ereilte uns: Die langjährige rot-grüne Koalition habe sich aufgelöst und der VSStÖ würde mit der rechts posititionierten ÖVP-nahen AG liebäugeln. Wir wussten schon lange, dass wir ihnen ein Dorn im Auge waren. Wir hätten zu wenig über Spritzerstände und Speed-Dating berichtet und uns zu sehr gesellschaftspolitisch engagiert. Auf diesem Terrain hat ein Studierender doch nichts zu suchen! Dass der Vorsitzende der AG und seine engen Freunde nicht zu unserer Zielgruppe gehören, hat er uns persönlich beim Hearing zur PressereferentInnen-Stelle gesagt. Das seien keine Themen, die sie ansprechen. Das würden sie niemals lesen. Wir notierten uns: mehr über Crossfit, ein Best of an Anmachsprüchen und die nützlichsten Tipps dazu, wie man sich das Kapperl nicht immer vom Kopf schlagen lässt, bringen. Unserer Einladung selbst redaktionelle Beiträge zu verfassen, ist die AG bis heute nicht nachgekommen. Your loss! Als hätten wir unser Baby verloren, irrten wir Schreiberlinge vom unabhängigen Pressereferat eine Woche aus den Eingeweiden blutend durch die Welt, mieden so gut es ging die Shitstorms und gegenseitigen Schuldzuweisungen auf den Social-Media-Plattformen und überlegten unser weiteres Vorgehen. Es war sofort für

uns klar, dass eine Weiterarbeit unter Rot-Schwarz für uns nicht in Frage kommen würde. Wir möchten daher folgendes klarstellen: Wir sind ein durchwegs fraktionsunabhängiges Pressereferat, bestehend aus klugen, kreativen, kritischen Köpfen, die die uni:press als ein Medium sahen, die Welt ein bisschen besser zu machen. Sie war für uns Plattform, Studierende zu erreichen, ihnen Information zum Studium und zur Hochschulpolitik zu liefern, sie selbst zu Wort kommen zu lassen und einen Raum für die eigene kreative Verwirklichung zu geben. Wir mussten zu oft Beiträge aus Platzmangel abweisen. Darüber hinaus haben wir auch über den Tellerrand geblickt und uns mit gesellschaftspolitischen und sozialen Angelegenheiten kritisch auseinandergesetzt. Schließlich sind Studierende auch Menschen und Teil der Gesellschaft. Mit diesem Rechtsruck der ÖH sehen wir uns leider gezwungen, aus Protest gegen die Koalition zwischen VSStÖ und AG zurückzutreten. Ein solches Bündnis ist für uns untragbar und wir sehen uns außerstande, weiterhin für die gute Qualität und thematische Vielfalt der Beiträge in der uni:press einzustehen. Auf diesem Weg möchten wir uns bei allen LeserInnen, AutorInnen, FotografInnen, InserentInnen, UnterstützerInnen, unserem Layouter, der 2013 ein völlig neues Design aus dem Boden gestampft hat, und unseren zuverlässigen und nicht auf den Mund gefallenen LektorInnen bedanken. Es war uns eine Freude mit euch zu arbeiten! Der neuen Koalition möchten wir sagen: Ihr habt vielen motivierten, engagierten und wertvollen ehrenamtlichen ÖH-MitarbeiterInnen die Chance genommen, weiterhin coole Projekte im Dienste der Studierenden zu verwirklichen. Ihr tretet orientierungslos und mit den falschen Prioritäten in große Fußstapfen. Ob es die uni:press nach uns geben wird, steht in den Sternen. Wir können uns jedoch – ganz bescheiden – sicher sein, dass sie hiermit ihren glorreichen Höhepunkt erreicht hat und nie wieder so phänomenal sein wird, wie zu diesem Zeitpunkt.

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* Julia Aichinger im Interview ab Seite 16.


Es gibt keinen Abschied fĂźr diejenigen, die im Herzen verbunden sind. Mit Zuversicht, dass die rot-schwarze Ă–H-Koalition scheitern wird, geben wir die traurige Nachricht bekannt, dass unsere allseits beliebtes und gern gelesenes Studierendenmagazin

uni:press

kurz vor Vollendung des 51. Lebensjahrs nach kurzer, schwerer Depression im bisher bekannten Format und der redaktionellen Freiheit von uns geschieden ist.

In aller Liebe und Dankbarkeit

das Pressereferat Salzburg, November 2015


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