UP #691: OIDA? (Jänner 2018)

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© APA/HANS KLAUS TECHT

UNI:PRESS STUDIERENDENZEITUNG DER ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHÜLERiNNENSCHAFT DER UNIVERSITÄT SALZBURG — #691 Jänner 2018 —

OIDA?


Theater

Ein theatraler Amoklauf

„Viel gut essen“

8. & 9. März Eine Koproduktion von

& ANZEIGE

IMPRESSUM Medieninhaberin: Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Paris Lodron Universität Salzburg (ÖH Salzburg), Kaigasse 28, 5020 Salzburg, www.oeh-salzburg.at, sekretariat@oeh-salzburg.at / Herausgeber: HochschülerInnenschaft / Pressereferentin: Carolina Forstner / Layout: Michael Seifert / Lektorat: Julia Kellner & die Redaktion/ Anzeigen und Vertrieb: Martina Winkler Redaktion (Kontakt: presse@oeh-salzburg.at): Carolina Forstner, Hannah Wahl, Carlos Reinelt, Christoph Würflinger / AutorInnen in dieser Ausgabe: Kay-Michael Dankl, Tobias Neugebauer, Carolina Forstner, Carlos P. Reinelt, Max Veulliet, Ursula Liebing, Alina Kugler, Sabine Helmberger, Christoph Würflinger, Christof Fellner, Hannah Wahl, Miggi Seifert. Druckerei: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H. / www.berger.at / Auflage: 7.000. Für Verbesserungsvorschläge und kritische Hinweise sind wir sehr dankbar. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors/der Autorin und nicht immer die Sichtweise der Redaktion wieder.


EDITORIAL

Carolina Forstner

Hannah Wahl

Carlos Reinelt

Michael Seifert

Christoph Würflinger

Lieber Leser Am 15. Oktober 2017 wurde neu gewählt. Da haben danach ein paar Leute geweint. Vor allem die Linken. Die Grünen (das sind die mit der Umwelt) sind gleich ganz raus gewesen. Denen hat so ein faules Schwammerl die Stimmen weggenommen. Nach ein paar Partien Völkerball in der Jahn-Turnhalle haben sich dann der Basti und der Heinzi-Chrisi schwarz-blaue Freundschaftsarmbändchen gebastelt. Jetzt sind sie beste Freunde. Zumindest für die nächsten paar Jahre. Wie das halt so ist bei besten Freunden. Jetzt ist es aber so, dass der Basti und der Bumsti (so heißt der Strache-Bub am Schulhof ) nicht gerade die Klassenbesten sind. Sogar der kleine Money Boy, der gerne auf seinem Xylophon den Swag aufdreht, hat ein besseres Zeugnis als sie heimgebracht.

Die bösen Buben dürfen aber jetzt 5 Jahre DKT mit Österreich spielen. Finden wir nicht so super. Eigentlich sogar ziemlich grauslich. Dein Taschengeld kannst du bald nicht mehr für Panini-Pickerl ausgeben. Das kriegen ab jetzt der Basti, der Bumsti und alle anderen Reichen. Und noch ein paar andere Koffer, die sich in Geschichte lieber mal ein bisschen konzentriert hätten. Was sonst bald so alles passiert findest du im Heft. Wir wünschen dir (trotzdem) viel Spaß beim Lesen!* Deine Redaktion Fragen, Wünsche, Anregungen, Kritik wie immer an presse@oeh-salzburg.at

* In diesem Editorial wurde bewusst nicht gegendert und der Text absichtlich simpel gehalten, damit auch der Bundeskanzler und Vizekanzler alles verstehen.

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INHALT

in halt

BEWEGUNG

08 12 16 18 20 22 24 26 30 32

Kampfansage an Österreichs Studierende Die Unipolitik von Kurz und Strache Niemand hat die Absicht Studiengebühren einzuführen Schwarz-Blau. Steht der Frau. Was zum...? Die absurdesten Punkte im neuen Regierungsabkommen Schwarz-Blau 2000-2006 Ein Worst of HARTZ IV für Österreich Schwarz-blaue Politik gegen die Mehrheit der Menschen Schwarz-Blau vs. Menschenrechte Wie leben mit der 60-Stunden-Woche? Schule: Türkis mit blauen Streifen.

Tipps für die Regierung

UNI & LEBEN

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Neues aus dem Vorsitzbüro

Die Universitätspolitik als Spielball der Koalitionsverhandlungen Lassen Sie sich dort unten einmal ordentlich durchnehmen Sexuelle Belästigung an der Uni SBG fellner'sche weisheiten Warum wir Burschenschaften nicht mögen uni:press Quo vadis?


INHALT

POLITIK & GESELLSCHAFT

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Über "Superkrüppel" und "Opfer"

Kavaliersdelikt

#Gamergate

Gedenkjahr 2018

KULTUR & MENSCHEN

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Bleibt auf der Spur, Detektive! Buchrezension zu Alte Geister ruhen unsanft von Thomas Brezina Der ultimative uni:press Beisltest Teil 4 – Schallmoos Darknet Eine Rezension zum Buch von Stefan Mey zeitmaschine Schwarz-Blau Ein Déjà-vu

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DAS SAGEN STUDIERENDE AUS SALZBURG ZU SCHWARZ-BLAU A ECHTE OASCHAKTION! Carla Goldblum, 27 studiert Germanistik

FIND I OASCH! Christian Würfner, 18 studiert Kommunikationswissenschaft


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SOIN MI AM OASCH LECKEN!

Mirko Sifredi, 25 studiert Altertumswissenschaften

ECHT OASCH!

SOICHE OASCHL ECH

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Christus Sellner, 22 studiert Mathematik

Huberta Urteil, 22 studiert Informatik

TOTAL OASCH... Karl-Heinz Reitl, 26 studiert Veterinärmedizin


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KAMPFANSAGE .. AN OSTERREICHS STUDIERENDE

© APA/ROBERT JAEGER


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DIE UNIPOLITIK VON KURZ UND STRACHE

AUF EINEN BLICK Österreichs Studierenden droht der größte uni-politische Rückschritt seit 1945. Das Programm der neuen Schwarz-Blauen Regierung liest sich wie die Anleitung, Studierende zu stressen, finanziell auszubluten und von der Uni zu drängen. Was genau haben Kurz und Strache vor? Von Kay-Michael Dankl Knock-Out-Tests für alle Studien Anstatt die Unis ausreichend zu finanzieren, will Schwarz-Blau einen Kahlschlag bei den Studienplätzen: In Zukunft will die Regierung pro Uni und Studienrichtung festlegen, wie viele Erstsemestrige zugelassen werden. Wenn es mehr Interessierte als Studienplätze gibt, entscheiden brutale Knock-Out-Tests, wer Glück hat. Dabei geht es nicht um Eignung, sondern nur darum, dass es weniger Studierende gibt. Wer sich dank reicher Eltern sündteure Vorbereitungskurse und Nachhilfe leisten kann, ist im Vorteil. Wie viele Studienplätze wird es pro Fach geben? Das steht in den Sternen. Die Regierung will jene Studien ausbauen, die von der Wirtschaft nachgefragt werden, während weniger profitable Fächer Pech haben. Mit diesem Projekt namens “Studienplatzfinanzierung” begräbt die Schwarz-Blaue Regierung den in den 1970ern erkämpften freien und offenen Hochschulzugang. Damit zerstören sie die Lebensträume etlicher junger Menschen und verschärfen soziale Ungleichheiten.

© Robert Jaeger/APA/dpa


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Studiengebühren von € 1.000 jährlich! Voraussichtlich 1.000 Euro (!) Studiengebühren will die Schwarz-Blaue Regierung allen Studierenden zukünftig abknöpfen. Die Ausnahmen für berufstätige Studierende fallen. Studierende aus NichtEU-Staaten müssen voraussichtlich weiterhin das Doppelte zahlen - also absurde 2.000 Euro pro Studienjahr oder über 160 Euro monatlich. Der Regierung geht es dabei nicht um die Linderung der Geldnot der Unis. Dafür gäbe es ergiebigere, sozial verträgliche Geldquellen. Beispielsweise die Bekämpfung des Steuerbetrugs der Reichen und der Steuervermeidung großer Konzerne. Oder die angemessene Besteuerung von Profiten, Firmengewinnen und der größten Vermögen. Die Kluft zwischen Arm und Reich geht in Österreich rasant auseinander. Aber anstatt von den obersten 5 Prozent einen gerechten Beitrag einzufordern, haut die Regierung auf die Studierenden hin.

Studium nur mehr für Reiche? Dabei ist Kurz und Strache bewusst, dass ihre Gebühren zehntausende Studierende vor existenzielle Probleme stellen. Viele werden künftig noch mehr arbeiten oder ihr Studium gleich ganz abbrechen müssen. Schon jetzt arbeiten zwei Drittel der Studierenden neben dem Studium. Rechnet man die Ferien mit ein, sind es über 80 Prozent der Studierenden. Wer keine reichen Eltern hat, wird mit 1.000 Euro Studiengebühren im Jahr massiv unter Druck geraten. Genau darum geht es Kurz und Strache: Mit

einer ganzen Reihe an Daumenschrauben soll der Druck erhöht werden, möglichst schnell zu studieren. Weniger Prüfungsantritte und Zwangs-Exmatrikulation So will die neue Regierung auch die Zahl der Prüfungsantritte kürzen. Dann ist es vorbei mit den vier Antritten, die vielen Studierenden jetzt noch knapp das Studium gerettet haben. Auch für Studierende, die mal nur wenige Prüfungen schreiben, wird es eng: Wer als “prüfungsinaktiv” abgestempelt wird - derzeit alle, die weniger als 16 ECTS im Jahr machen -, wird zwangs-exmatrikuliert! Das wird ein massives Problem für zehntausende Studierende, die neben dem Studium arbeiten, Kinder betreuen oder sich die Zeit nehmen, um über den Tellerrand zu blicken anstatt von einem ECTS-Punkt zum nächsten zu jagen. Die Folgen dieser Politik werden wir Studierende in Salzburg hautnah spüren: Weniger Prüfungsantritte, Studiengebühren und drohende Zwangs-Exmatrikulation bedeuten mehr Druck, Stress, Zeitnot, Ängste und mehr psychische Belastungen. Das betrifft alle Studierende. Die Mehrheit, die jetzt schon Arbeit, Betreuungspflichten und andere Aufgaben mit dem Studium unter einen Hut bringen müssen, wird am härtesten getroffen. Bequem bleibt es nur für das Anwaltssöhnchen und die Unternehmertochter, die auf üppige elterliche Zahlungen zurückgreifen können, um sich Studiengebühren, sündteure Nachhilfe und Vorbereitungskurse zu leisten.


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Stress und Disziplin statt freie Bildung? Was bezweckt diese Regierung mit einem solchen Großangriff auf Studierende? Ganz unverhohlen sagen Kurz und Strache, dass Studierende mit der Rute durch das Studium gehetzt werden sollen. Es geht nicht um Qualität oder Bildungsziele, sondern um Disziplinierung. Hauptsache schnell studieren, nicht nach links oder rechts schauen, egal wie viel an oberflächlichem Wissen dabei vergessen wird, und dann ab auf den prekären Arbeitsmarkt! Für den Fall, dass weniger Prüfungsantritte und die finanzielle Daumenschraube der Studiengebühren nicht wirken, hält sich die Regierung die Option offen, eine maximale (!) Studiendauer vorzuschreiben. Der brutale Mechanismus: Wer dann länger als zum Beispiel 10 Semester studiert, wird automatisch exmatrikuliert. Mit dem Studium ist es dann vorbei, selbst wenn starke Gründe für das längere Studium vorliegen, und die ganzen absolvierten Prüfungen sind für die Fische. Könnte eine Regierung, die so etwas vorschlägt, noch zynischer und ignoranter gegenüber der Lebensrealität der Studierenden sein? Unis: For-Profit only Der Schwarz-Blauen Regierung geht es nicht um freie Bildung, Lehre und Forschung. Das zeigt auch ihr erklärtes Ziel, die Hochschulen mehr nach den Interessen von “Wirtschaft und Gesellschaft” umzubauen. Wer mit “Gesellschaft” gemeint ist, bleibt vage. Umso klarer ist, was die Ausrichtung an den Profit-Interessen von Unternehmen für Unis bedeutet: Finanziert wird, was Gewinne verspricht. Bei vielen Geisteswissenschaften, Grundlagenforschung,

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kritischen Strömungen, humanistischen Werten und “Orchideenfächern”, die gerade nicht “in” sind, wird es künftig heißen: “Bringt das Profite oder kann das weg?” Statt freiem Nachdenken und Nachforschen gibt es dann BWL-Vorlesungen sponsored by Raiffeisen, Sport-Lehrstühle finanziert von McDonalds und Klimapolitik-Kurse bezahlt von Shell und OMV.

„DER SCHWARZ-BLAUEN REGIERUNG GEHT ES NICHT UM FREIE BILDUNG, LEHRE UND FORSCHUNG.“ “Skripten falten, Goschen halten” Hektisch durchs Studium rasen, ECTS-Punkten nachhecheln, für Studiengebühren blechen - und bei all dem nicht aufmucken. Der Ideal-Student von Schwarz-Blau unterwirft sich nicht nur dem Stress-Diktakt, sondern lässt kein Wort des Protests über seine Lippen kommen. Um etwas nachzuhelfen, wollen ÖVP und FPÖ die ÖH mundtot machen. Die Regierung will der Studierendenvertretung vorschreiben, mit welchen Fragen sie sich in welcher Form befassen darf - inklusive Kontroll- und Strafmöglicheiten, wenn Studierende die schwarz-blaue Linie überschreiten. Mit einer kritischen, eigenständigen Interessensvertretung ist dann Schluss. Ganz nach dem Motto: Skripten falten, Goschen halten!

Kay-Michael Dankl (Jus und Politikwissenschaft) ist aktiv im Netzwerk Kritischer Studierender Salzburg und in den Studienvertretungen Politikwissenschaft und Doktorat KGW.


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NIEMAND HAT .. STUDIENGEBUHREN Von Tobias Neugebauer

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er Studienbeitrag (so die korrekte Bezeichnung für den Beitrag der Studierenden zur Finanzierung der Öffentlichen Universitäten) ist immer wieder Streitpunkt in der hochschulpolitischen Diskussion. Doch auch die Verwaltungsgerichte und der Verfassungsgerichtshof hatten sich immer wieder mit den gesetzlichen Regelungen auseinanderzusetzen (und werden dies in Zukunft auch sicher wieder tun müssen) und haben dabei zu der einen oder anderen Änderung des Rechtsbestands beigetragen. Kurzer Überblick: 2001 - 2012 Der Aufschrei war groß, als unter der ersten schwarz-blauen Bundesregierung im Jahr 2001 die Studienbeiträge für alle Studierenden an den Öffentlichen Universitäten eingeführt wurden. Die Kritik

daran verstummte auch nicht, als 2004 die entrichteten Beiträge schließlich direkt an die Universitäten flossen und man den Studierenden das Recht einräumte, im Rahmen einer Zweckwidmung über deren Verwendung zu ihrem eigenen Vorteil mitzuentscheiden. Im Jahr 2008 einigten sich SPÖ, FPÖ und Grüne während des Nationalrats-Wahlkampfes auf die Quasi-Abschaffung der Beiträge, wodurch Studierende, die die Regelstudienzeit um nicht mehr als zwei Semester überschritten, ebenso wie etwa Schwangere, Kranke oder Berufstätige von der Zahlungspflicht ausgenommen wurden. Im Juli 2011 befasste sich schließlich auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) intensiv mit Studienbeiträgen und hob schließlich die gesamte Beitragsregelung auf, da diese nach Ansicht der Höchstrichter nicht präzise genug ausgestaltet war. Die vom VfGH


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DIE ABSICHT ..

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EINZUFUHREN! gesetzte Frist zur Reparatur der Regelung ließ der Gesetzgeber ungenützt verstreichen. Es folgten politische und rechtliche Diskussionen, die darin endeten, dass mehrere Hochschulen autonom – über deren Satzung – Beiträge für die Studierenden vorschrieben. Daraufhin hatte sich der VfGH erneut mit der Frage der Zulässigkeit von (diesmal autonom eingehobenen) Studienbeiträgen zu beschäftigen. Wenig überraschend folgte auch in diesen Fällen eine Aufhebung der Regelungen, wodurch die Universitäten erneut ohne zusätzliche Finanzierungsquelle dastanden. Sind die Sonderregelungen für erwerbstätige „LangzeitstudentInnen“ zulässig? Während das Verfahren über die Zulässigkeit der autonomen Beitragseinhebung lief, einigte sich die rot-schwarze Regierung mit achtmonatiger Verspätung

Ende 2012 darauf, das Gesetz aus 2008 zu reparieren und die „LangzeitstudentInnen“ – wieder mit einer Vielzahl an Ausnahmen – erneut zur Kasse zu bitten. Abermals wurde in diesem Zusammenhang der VfGH mit einer Frage der Zulässigkeit der Einhebung – bzw. diesmal einer der Ausnahmeregelungen – befasst. Strittig war, ob die Sonderregelung für berufstätige Studierende verfassungskonform ausgestaltet war. Diese ermöglichte einen Erlass bzw. die Rückerstattung des Studienbeitrages für EU-Studierende oder diesen gleichgestellten Studierenden, die zwar die Regelstudienzeit um mehr als zwei Semester überschritten und demnach grundsätzlich zahlungspflichtig wurden, jedoch durch eine Erwerbstätigkeit in einem solchen Ausmaß in Anspruch genommen waren, dass sie dadurch mindestens ein Jahreseinkommen in Höhe des 14-fachen der Geringfügigkeitsgrenze (derzeit € 6132,70) erzielten.

1 Frei nach Walter Ulbrichts Zitat: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!"


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Im Dezember 2016 entschied der VfGH schließlich durch seine Erkenntnis, dass die Regelung den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht entsprach, sondern gleichheitswidrig war. Der überprüfte Tatbestand des § 92 Abs 1 Z 5 UG solle zwar beim Erlass bzw. der Rückerstattung von Studienbeiträgen den Aspekt der zeitlichen Inanspruchnahme von Studierenden durch eine Erwerbstätigkeit berücksichtigen, die Abstellung auf das Jahreseinkommen im steuerrechtlichen Sinn könne aber bei Studierenden, die (auch) aus selbstständiger Erwerbstätigkeit Einkünfte erzielen zu einem stark verfälschten Ergebnis führen. Im Extremfall (der auch zur Überprüfung der gesetzlichen Regelung führte) könnten dadurch Studierende, die alleine aus einer unselbstständigen Tätigkeit die vorgeschriebene Grenze des 14-fachen der Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, durch eine zusätzliche selbstständige Tätigkeit und die Geltendmachung steuerrechtlicher Vorteile, wieder aus der Regelung fallen und doch wieder zur Zahlung der Studienbeiträge verpflichtet werden, was zu einem unsachlichen Ergebnis führt.

„SCHLIESSLICH FINDEN SICH IN DEM 182 SEITEN UMFASSENDEN DOKUMENT AUCH GANZE SIEBEN MIT DEM WORT „WISSENSCHAFT“ BEZEICHNETE SEITEN. “ Obwohl der Verfassungsgerichtshof die entsprechende Bestimmung erst mit 30. Juni 2018 außer Kraft setzt(e) und dem dafür verantwortlichen Bundesgesetzgeber somit genügend Zeit gab, um auch diese Regelung zu reparieren, blieb dieser bislang untätig. Während zu Beginn der Reparaturfrist (trotz mehrerer studienrechtlicher Novellen, bei denen man dies unkompliziert erledigen hätte können) wohl noch keine Eile geboten schien, einen verfassungskonformen Zustand herzustellen, wurde wohl spätestens zu dem Zeitpunkt, als die vorgezogene Neuwahl des Nationalrats immer wahrscheinlicher schien, die Frage der (von der ÖVP gewünschten, von der SPÖ großteils abgelehnten) Studienbeiträge zur Verhandlungsmaterie für die neue Regierungsbildung. Da half es auch nichts, dass insbesondere die ÖH Bundesvertretung mit Nachdruck eine Neuregelung zur Entlastung berufstätiger Studierender forderte. Kommt die Wiedereinführung der Studienbeiträge für alle? Während bis vor einigen Wochen der fehlenden Re-

paraturabsicht des Gesetzgebers die meiste Aufmerksamkeit galt, hat sich dies mit der Regierungsbildung im Dezember 2017 unter Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache (Schwarz-Blau III oder Türkis-Blau) grundlegend geändert. Schließlich finden sich in dem 182 Seiten umfassenden Dokument auch ganze sieben mit dem Wort „Wissenschaft“ bezeichnete Seiten. Gleich zu Beginn erfährt man von den Plänen der adäquaten Finanzierung der Wissenschaft „mit dem Ziel einer echten Studienplatzfinanzierung, verbunden mit einem gerechten Zugang für alle gesellschaftlichen Schichten.“ Die Regierung setzt sich also zum Ziel, „faire Rahmenbedingungen fürs (sic!) Studium“ zu schaffen, namentlich durch „moderate Studienbeiträge, Studienförderung und Serviceorientierung“. Kurz, Strache (dessen Partei vor wenigen Jahren noch die Quasi-Abschaffung unterstützte) und deren Gefolgschaft in der Regierung sowie im Nationalrat stört anscheinend die derzeitige Regelung, sodass in Zukunft alle Studierenden einen moderaten Studienbeitrag leisten sollen. Der Beitrag soll aber, so zumindest steht es im Programm, leistungswilligen Studierenden aus allen sozialen Schichten weiterhin einen nahezu kostenfreien Studienzugang ermöglichen. Ob diese Finanzmittel den Hochschuleinrichtungen direkt zukommen sollen (und somit deren Budget erhöhen) oder direkt in die Staatskassen fließen sollen, ist dem Papier nicht klar zu entnehmen. Ebenso wenig erfährt man darüber, in welcher Höhe der „moderate Beitrag“ geplant ist (in diversen Medienberichten wurde mehrmals ein Betrag in Höhe von € 500,-- pro Semester genannt). Als einziger Anhaltspunkt lässt sich das Ziel finden, in Zukunft den tertiären Bildungsbereich stärker privat zu finanzieren (etwa 0,5 % des BIP), wobei wohl nur ein Teil davon aus Studienbeiträgen stammen soll. Um möglichst viele ausländische Studierende lange in Österreich zu halten, beabsichtigt man die nachträgliche steuerliche Absetzbarkeit der geleisteten Studienbeiträge. Ohne konkrete Inhalte über die Ausgestaltung der angedachten Regelung fällt es natürlich schwer, diese zu beurteilen. Ob davon aber (auch) die AkademikerInnen profitieren werden, die in schlecht bezahlten Berufsfeldern oder nur Teilzeit Arbeit verrichten und demnach weniger oder keine Steuerleistung erbringen, bleibt abzuwarten. Und was wird sich sonst noch so ändern? Es bleibt weiters stark zu bezweifeln, ob die Hochschulen unter der neuen Regierung endlich die dringend benötigten finanziellen Mittel erhalten, die ihnen schon von der vorigen Regierung zugesagt wurden (zwei Prozent des BIP bis 2020 für Hochschulaus-


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gaben). Jedenfalls lässt das Regierungsprogramm dies nicht erkennen, vielmehr wird man die geplante „echte Studienplatzfinanzierung, verbinden mit einem gerechten Zugang für alle gesellschaftlichen Schichten“ wohl so verstehen dürfen, dass es in Zukunft weniger Studierende in Österreich geben wird, wodurch die Staatsausgaben für den Hochschulbereich real sogar gekürzt werden könnten.

„DAMIT WIRD AUCH IN ZUKUNFT DIE ZAHLENMÄSSIG KLEINSTE GRUPPE AN DEN UNIVERSITÄTEN DEN STÄRKSTEN EINFLUSS HABEN.“ Insgesamt lassen die Ankündigungen der Regierung keine besonders erfreulichen Zeiten für (potentielle) Studierende erwarten. Neben dem geplanten begrenzten Studienzugang und den Studienbeiträgen für alle scheint die Unterfinanzierung der Hochschulen weiter bestehen zu bleiben. Zudem will man die Rechte der gesetzlichen Vertretung der Studierenden – der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaften – weiter einschränken, indem man die Autonomie der ÖH bei der Verwendung ihrer Finanzmittel stärker beschränkt, als dies bisher schon der Fall ist. Daneben sollen die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten des Ministeriums, die bereits durch die Novelle des Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetzes im Jahr 2014 erweitert wurden, verschärft werden. Zum Glück plant die Regierung zumindest keine radikalen Änderungen bei den inneruniversitä-

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ren Entscheidungsprozessen. Hier soll der Kurs von Schwarz-Blau I und II weitergeführt werden, der die unter Kreisky eingeführte Drittelparität (die inneruniversitären Entscheidungsgremien waren so besetzt, dass die ProfessorInnen, das sonstige wissenschaftliche Personal sowie die Studierenden je ein Drittel der Gremiumsmitglieder mit Stimmrecht stellten) abgeschafft hat. Damit wird auch in Zukunft die zahlenmäßig kleinste Gruppe an den Universitäten den stärksten Einfluss haben. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 gab es an der Universität Salzburg 140 ProfessorInnen, die ihren Beruf hauptberuflich ausgeübt haben, 1.786 wissenschaftliche und künstlerische MitarbeiterInnen sowie 17.965 Studierende; dennoch haben die ProfessorInnen in den meisten Gremien die qualifizierte Stimmenmehrheit und sollen sie auch in Zukunft behalten. 0,7 % der Universitätsangehörigen bestimmen demnach über die restlichen 9 % (wissenschaftliches Personal) bzw. 90,3 % (Studierende), wobei hier das nicht allgemeine Personal (weitere 906 Personen) noch gar nicht einberechnet wurde. Papier ist bekanntlich geduldig Ob alle geplanten Maßnahmen der neuen Regierung wirklich so umgesetzt werden, wird erst die Zukunft zeigen, zumal dem Regierungsprogramm oftmals ja nicht mehr zu entnehmen ist als ein paar Überschriften, ohne die konkreten Ausgestaltungsvorschläge abzubilden. Es zeichnet sich aber wohl schon ab, dass es zu keiner deutlichen Verbesserung der Studiensituation kommen wird. Die eine oder andere zukünftige Regelung (insbesondere jene der Studienbeiträge) wird aber jedenfalls wieder vor den Verwaltungsgerichten und schließlich beim Verfassungsgerichtshof geprüft werden, davon kann man mit beinahe schon absoluter Sicherheit ausgehen.

Tobias Neugebauer studiert Rechtswissenschaften, Recht und Wirtschaft und hat regelmäßig Troubles mit dem Rektorat.


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SCHWARZ-BLAU.

182 Seiten umfasst das neue Regierungsprogramm – zwei ganze Seiten widmen sich hier dem weiblichen Geschlecht. Von Carolina Forstner

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uf Seite 105 des Regierungsprogramms steht geschrieben: „Die Besonderheit beider Geschlechter macht den Mehrwert für die Gesellschaft sichtbar. Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen, ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden.“ Eine Aussage, die den Kurs der Frauenpolitik, falls man so eine aus den schlanken zwei Seiten überhaupt herauslesen kann, einläutet. Sonja Ablinger, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings1, kommentierte diese Sätze in unserem Telefonat so: „Die Würde des Menschen ist unantastbar – aber sicher nicht an das Geschlecht geknüpft. Seit Jahrzehnten kämpft die Frauenbewegung dagegen an, dass das Geschlecht über den Lebensentwurf von Menschen entscheidet –

und ÖVP und FPÖ erklären dies nun vollmundig zum staatlichen Leitprinzip“ „Retro-Kurs“ als Credo der Frauenpolitik der neuen Koalition zwischen Rechts und Rechtsextrem. Bezeichnend für diese Rückkehr zu traditionellen Stereotypen ist die neue Einordnung von Frauenagenden in das Familienministerium damit Frau Österreicherin sich ihren Pflichten auch gleich bewusst ist. Johanna Dohnal, die erste österreichische Frauenministerin und Ikone der Frauenpolitik, sah diese als Querschnittspolitik. „Frauenpolitik ist kein eingegrenzter Politikbereich. Jede politische Frage ist zugleich eine frauenpolitische; jede politische Maßnahme ist zugleich eine, von der Frauen betroffen sind, auch wenn sie scheinbar keinen direkten Bezug zu Frauen hat.”2, konstatierte der Frauenbericht des Bundeskanzleramtes im Jahr 1985.

1 Der Österreichische Frauenring (ÖFR) ist die Dachorganisation österreichischer Frauenvereine, wurde 1969 gegründet und ist eine parteiunabhängige und überkonfessionelle Organisation. 2 Frauenbericht 1985. Bericht zur Situation der Frau in Österreich. Hg. Vom Bundeskanzleramt. 8 Hefte, Wien 1985


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STEHT DER FRAU. AUF SEITE 105 DES REGIERUNGSPROGRAMMS STEHT GESCHRIEBEN: „DIE BESONDERHEIT BEIDER GESCHLECHTER MACHT DEN MEHRWERT FÜR DIE GESELLSCHAFT SICHTBAR. DIE VERSCHIEDENHEIT VON MANN UND FRAU ZU KENNEN UND ANZUERKENNEN, IST EIN BESTANDTEIL MENSCHLICHEN LEBENS UND DAMIT UNANTASTBAR MIT DER WÜRDE DES MENSCHEN VERBUNDEN.“ Kalkül oder schlichte Unwissenheit – was „kann“ das Regierungsprogramm? Sehr viel mehr als symbolpolitische Inhalte lassen sich in den Papieren von Türkis-Blau nicht finden. Vier Landtagswahlen werden in den nächsten Monaten ausgetragen. In Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg wird gewählt, „Auch ein Grund, vermutet Sonja Ablinger, warum das neue Regierungsprogramm meist schwammig und undeutlich bleibt.“ Wenn eine klare Linie zu erkennen ist, dann nur im angestrebten Frauenbild, welches die neue Bundesregierung durch das Regierungsprogramm zu propagieren scheint: „Frauen werden hauptsächlich als Mütter und Frauen mit Migrationshintergrund erwähnt.“, sagt Sonja Ablinger.

AUF DIE FRAGE, OB ICH ALS JUNGE, KINDERLOSE FRAU OHNE MIGRATIONSHINTERGRUND ALSO KEINEN PLATZ IM NEUEN REGIERUNGSPROGRAMM FINDE, LACHT ABLINGER NUR BITTER UND MEINT: „JA, SO IST ES.“ Kommen Verschärfungen in der „Fristenlösung“? „Schwangere Frauen bedürfen – insbesondere in schwierigen Lebenssituationen – besonderer Unterstützung. Dazu zählt auch die medizinische und soziale Beratung vor geplanten Schwangerschaftsabbrüchen.“, ist unter dem Punkt Frauengesundheit und bessere Unterstützung von Schwangeren im Regierungsprogramm zu lesen. „Dieser Punkt, auch wenn er sehr unkonkret formuliert ist, könnte eine bevorstehende Verschärfung der gesetzlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruches andeuten Bis jetzt konnten Frauen, anders als zum Beispiel in Deutschland, ohne verspflichtendes Beratungsgespräch, den Eingriff vornehmen lassen. Eine Einführung von solchen Beratungsgesprächen, würde einen massiven

Einschnitt für Frauen bedeuten.“, sagt die Vorsitzende des Österreichischen Frauenringes, Ablinger. Wenn diese frauenpolitischen Entscheidungen Wegweiser für den, von Kanzler Kurz so hoch angepriesenen „Neuen Stil“ sein sollen, ist nicht viel Neues, im Gegenteil, eher ein Rückschritt in frauenpolitischen Agenden zu erwarten. Auf die Frage, ob ich als junge, kinderlose Frau ohne Migrationshintergrund also keinen Platz im neuen Regierungsprogramm finde, lacht Ablinger nur bitter und meint: „Ja, so ist es.“

Die Frauenministerinnen der Zweiten Republik: Erst drei Frauenministerinnen ohne sonstige Aufgaben zählt die Österreichische Republik- 1991 wurde Johanna Dohnal zur ersten Ressortchefin für Frauenagenden. Direkt nach Dohnal übte Helga Konrad (1995-1997) das Amt aus, ihr folgte die bisher letzte österreichische Frauenministerin die nicht als Anhängsel in einem anderen Ressort untergeordnet war: Barbara Prammer (1997-2000). Unter beiden schwarz-blauen Koalitionen der frühen 2000-Jahre wurden Frauen anderen Ministerien (Sozial-und Gesundheitsministerium) einverleibt. Unter Alfred Gusenbauer konnte zwar wieder ein eigenes Frauenministerium entstehen, Doris Bures, dann Heidrun Silhavy und zuletzt Gabriele Heinisch-Hosek, waren in diesem Ministerium tätig, welches jedoch nicht nur frauenpolitische Themen behandelte, sondern auch für andere Aufgabenbereiche im Öffentlichen Dienst oder Medien zuständig war. 2013 unter Werner Faymann wurde das Frauenministerium wieder mit dem Bildungsressort verbunden. Auch unter der letzten großen Koalition unter dem ehemaligen Bundeskanzler Christian Kern, konnte kein eigenes Frauenministerium geschaffen werden – „die Frauen“ wanderten nun vom Bildungsressort wieder ins Gesundheitsressort.

Carolina Forstner studiert Jüdische Kulturgeschichte und ist neben ihrer Tätigkeit als Studienassistentin seit Anfang 2016 im Pressereferat aktiv.


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WAS ZUM...? Ich wollte eigentlich nur über die Bestimmungen zu den geplanten Verschärfungen des Suchtmittelgesetzes lästern. Beim Lesen der „Reformen im Strafrecht“ des zukunftsweisenden Regierungsprogramm „Zusammen. Für unser Österreich“ rannen mir allerdings die Schweißperlen so heftig von der Stirn, dass ein paar Punkte unter die Lupe mussten. Unter eine sehr, sehr kleine Lupe. 1984 Reloaded von Carlos P. Reinelt Einleitung: Die Relation der Strafdrohungen für Vermögensdelikte einerseits und für Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit sowie Sexualdelikte andererseits wird in unserer Gesellschaft als nicht mehr zeitgemäß empfunden und kritisiert. Bisherige Anstrengungen, eine Ausgewogenheit herzustellen, waren nicht ausreichend, sodass weitere Maßnahmen zu setzen sind. Straftatbestände und Strafdrohungen müssen dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen

Das wär ja volle Unfair wenn die zukünftigen KHGs unserer jetzigen Regierung wegen abisserl Vermögensdelikte lang in Häfen müssen. Pfui! Und ja, Sexualdelikte gehören härter bestraft! Warte, kommt das aus dem Munde der Parteien, die sich gegen den „Pograpschparagraph“ stellten? Die hinter allem eine feministische Verschwörung sehen, die Angst haben, Männer dürfen nicht mal mehr Komplimente machen? Nem Dirndl darf ma ja noch nen Klapsch auf den Popsch geben! Woher also der Sinneswandel? Ahhhhhh, die Afgahnen, ja genau, die massenvergewaltigen hinter jedem Eck auf unsere zünftigen Frouwen lauernden Afghanen. Was dem gesellschaftlichen Wandel entspricht schau ma uns gleich an:

Prüfung von strafrechtlichen Bestimmungen, die Einfluss auf den Wirtschaftsstandort haben (u.a. verstärkter Schutz von Geschäftslokalen, Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, Untreue, Anpassung der Bestimmungen der GewO über den Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes als Rechtsfolge einer Verurteilung (§ 13 GewO) an die Regelungen des Amtsverlustes (§ 27 StGB)

Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s der Wirtschaft gut.

Erhebung einer Statistik der Verfahrenspraxis und Rechtsprechung in Bezug auf die Straftatbestände „Herabwürdigung religiöser Lehren“ bzw. „Verhetzung“

Mir wurde ja wegen eines uni:press-Artikels auch schon damit gedroht! Finde ich sehr gut! Dass die Bilderberg-Rothschild-Soros-Juden die Welt kontrollieren und Muslime frauenvergewaltigende Neanderthaler sind, die an ein Buch glauben, welches nur besseres Scheißhauspapier ist, wird man ja wohl noch sagen dürfen!


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Suchtmittelgesetz (SMG) • Verschärfung einzelner Bestimmungen im SMG, um insbesondere Minderjährige zu schützen • Verbot des Verkaufs von Hanfsamen und Hanfpflanzen

Der wodkabullsaufende und dauerrauchende HC kümmert sich halt um unsere Gesundheit! Was sind schon 14.000 Tote jährlich durch Rauchen bzw. 700-1000 allein durchs Passivrauchen und 8.000 Alkoholtote im Gegensatz zu, wie viele waren es nochmal? ach ja, 0 Marihuanatote…

Neue Formen des Strafvollzugs zur Förderung der Wiedergutmachung und der Resozialisierung insbesondere von Jugendlichen und bei reinen Vermögensdelikten

Ein „reines“ Vermögensdelikt, halt so im Anzug mit Handschlag, nicht so aggressiv Handtaschenklauen.

Unterbrechung des Maßnahmenvollzugs ausschließlich mit elektronischer Überwachung („Fußfessel“)

• Enthaftung von untergebrachten Rechtsbrechern ausschließlich bei Wegfall der Gefährlichkeit (unabhängig von der Dauer der Unterbringung)

Anpassung des Katalogs der Dienstwaffen im StVG nach dem Vorbild des SPG sowie Modernisierung des Waffengebrauchsrechts der Justizwache

Forcierung des Konzepts „Haft in der Heimat“ durch verstärkte bilaterale Übereinkommen und konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Übereinkommen und Rechtsgrundlagen in der EU und in Drittstaaten; Initiative auf EU-Ebene mit dem Ziel des Strafvollzugs im Heimatland bei EU-Bürgern und durch Einsatz finanzieller Mittel für Drittstaaten außerhalb der EU

Berücksichtigung von gesellschaftlich besonders verpönten Tatbegehungsweisen und Prüfung des Erfordernisses allfälliger neuer Straftatbestände (z.B. Behördentäuschung durch Alterslüge, gegen Asylbetrug, Schlepperei sowie illegale Einreise und Aufenthalt, Erschleichung von internationalem Schutz etc.) sowie Prüfung der Bereinigung von Straftatbeständen

Obwohl sie so stylisch sind?

Dann kommt aber ein KHG nie wieder raus!

Jo. Jo eh.

In Syrien im Häfen is ja eh a schee. Kennt ihr zufällig Alan Parkers Midnight Express?

Es zählt halt letzten Endes doch der Volkswille. Und so a Erschleichung is schon sauverpönt! Bei den neuen Strafbeständen wäre mir z.B. auch das Pograpschen eingefallen. Vielleicht nehmen sie „Pograpschen durch Asyllügner“ noch dazu?


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SCHWARZ BLAU

2000 - 2006

EIN WORST OF Im Jahr 2018 erlebt Österreich die Neuauflage von Schwarz-Blau. Doch während die neue Generation auf der Regierungsbank Platz genommen hat, sitzt gleichzeitig die alte Generation noch auf der Anklagebank. Mit einem sarkastischen Blick könnte man sagen: ÖVP und FPÖ haben uns vom letzten Mal noch einige Schmankerl hinterlassen. Von Max Veulliet Karl-Heinz Grasser, Peter Westenthaler und co. Mit den Affären ehemaliger FPÖ-Politiker könnte man ein eigenes Buch füllen. Um eine kurze Zusammenfassung zu liefern: - zu Karl-Heinz Grasser, Finanzminister in beiden Schüssel-Kabinetten, sind auf Wikipedia 15 verschiedene Verdachtsfälle zu Amtsmissbrauch und Korruption aufgelistet. Momentan steht Grasser wegen der sogenannten BUWOG-Affäre vor Gericht. Bei der Privatisierung der BUWOG im Jahr 2006 wurden 60.000 Wohnungen zu einem durchschnittlichen Stückpreis von nur 16.020 Euro verkauft. Der Schaden für die Republik wurde teilweise mit einer Milliarde Euro beziffert. Grasser soll hier als Insider Informationen weitergegeben und dafür einen guten Teil der Verkaufsprovision eingestrichen haben. Verurteilt wurde Grasser bislang aber nur einmal: Wegen Ehrenbeleidigung. Mancherlei Ermittlungen

gegen Grasser wurden auch mit der Begründung eingestellt, ihm würden „ohnehin mehrere Straftaten zur Last liegen“. - Peter Westenthaler war Klubobmann der FPÖ im Nationalrat von 2000 bis 2002 und danach für Frank Stronach Vorstand der österreichischen Fußball-Bundesliga. 2006 war er Spitzenkandidat für das BZÖ. Er wurde 2017 wegen fauler Geschäfte in seiner Bundesliga-Zeit zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. - Walter Meischberger, Gerry Mikscha sowie Gernot Rumpold, ein weiterer Teil der Buberlpartie des langjährigen FPÖ-Obmanns und BZÖ-Gründers Jörg Haider, waren als Lobbyisten im Umfeld der FPÖ tätig und sorgten für diverse Skandale. So wurde zum Beispiel Gernot Rumpold, der unter anderem zeitweise FPÖ-Bundesgeschäftsführer war, wegen Untreue im Rahmen der Telekom Austria-Affäre zu drei Jahren Haft verurteilt.


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Der Absturz der Eurofighter Zugegeben, man verliert den Überblick bei all diesen Affären und Skandalen. Noch gar nicht erwähnt sind dabei die Hypo Alpe Adria-Pleite und die Machenschaften rund um die Anschaffung des Kampfjets Eurofighter. Hier gibt es unter anderem den Vorwurf, dass auf Druck des Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly die ursprüngliche Ausschreibung wiederholt wurde, wodurch erst die Wahl auf den Eurofighter fiel. Zudem sollen Schmiergelder in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro geflossen sein, um den Auftrag möglich zu machen. Unklar ist auch, wer eventuell von den umfangreichen Gegengeschäften profitiert hat.

mit mehr Rechten. Außerdem wurde die Bologna-Reform in Österreich implementiert, von deren Folgen wie Verschulung, Konzentration auf ECTS sammeln und stärkerem Studiendruck wir heute noch betroffen sind. Zudem beschnitt das UG 2002 die Mitbestimmungsrechte der Studierenden in den Gremien der Hochschule (wie zum Beispiel dem Senat). Mit einer Novelle zum Hochschülerschaftsgesetz wurde zudem 2004 die ÖH als gesetzliche Vertretung der Studierenden geschwächt, indem einerseits die bundesweite Wahlmöglichkeit abgeschafft wurde und Finanzmittel eher den lokalen Ebenen zukam, andererseits diese aber mit den Fakultätsstudienvertretungen eine wichtige Organisationsebene verloren.

Studiengebühren und weniger Rechte für Studierende Für Studierende besonders relevant sind die Änderungen, die Schwarz-Blau unter ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an den Universitäten durchführte. Die nun abermals angekündigten allgemeinen Studiengebühren führte die damalige Regierung im Jahr 2001 ein. Absurdes Detail: Die Gelder flossen in die Uni-Budgets - bei denen die Regierung gleichzeitig kräftig kürzte. Der Wunsch zum Sparen wurde somit auf Studierende abgewälzt. Erst im Jahr 2009 wurden wieder weitreichende Befreiungsgründe geschaffen, wodurch ein Großteil der Studierenden an Universitäten keine Studiengebühren mehr zahlen musste. Einen weiteren Einschnitt stellte das schwarzblaue Universitätsgesetz (UG) 2002 dar. Mit diesem wurden unter anderem die Universitäten autonomer

In Österreich wurde erstmals im Jahr 2000 eine schwarz-blaue Regierung angelobt. Wolfgang Schüssel wurde Bundeskanzler, obwohl er bei den Wahlen mit seiner ÖVP mit knapp 27% nur die drittmeisten Stimmen erhielt (hinter der FPÖ, die exakt 415 Stimmen mehr bekam, und der SPÖ mit ca. 33%). Nach Streitigkeiten in der FPÖ kam es bereits 2002 erneut zu Nationalratswahlen. Die ÖVP gewann diese Wahl deutlich mit über 42% und koalierte im Frühjahr 2003 erneut mit der FPÖ. Diese Koalition bestand ab dem Jahr 2005 mit dem BZÖ weiter. Erst nach sechs Jahren endete schwarz-blau im Januar 2007 mit einer Neuauflage der gewohnten großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP.

© KURIER/Gerhard Deutsch

KHG hier noch im einfarbigen Anzug, bald vielleicht im gestreiften?

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Max Veulliet, 22, studiert im Master Socio-Ecological Economics and Policy an der WU und war in Innsbruck und Wien für die ÖH tätig.


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HARTZ IV .. ..

FUR OSTERREICH: SCHWARZ-BLAUE POLITIK GEGEN DIE MEHRHEIT DER MENSCHEN “Wer hat, dem wird gegeben. Wer nichts hat, dem wird auch noch das genommen.” Das Christlich-Soziale in der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung beschränkt sich auf dieses sogenannte Matthäus-Prinzip. Statt Solidarität und Nächstenliebe plant die Regierung Einschnitte bei wichtigen Sozialleistungen und Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen. Von Kay-Michael Dankl

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ünktlich zum Jahresbeginn verkündete Schwarz-Blau eine neue Härte gegen Menschen ohne Arbeit. Zuerst streicht sie das Programm “20.000”, das Jobs gerade für ältere Arbeitslose schaffen soll. Dann kündigt sie an, quasi das berüchtigte Hartz-IV-Modell aus Deutschland auch in Österreich einzuführen. Was ändert sich dadurch? Hartz-IV für Österreich? Derzeit können Arbeitslose in Österreich zunächst das Arbeitslosengeld beziehen. Es beträgt 55% des früheren Einkommens. Voraussetzung ist, dass sie zuvor gearbeitet und in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Wer nach der maximalen Bezugsdauer noch keinen Job hat, kann die Notstandshilfe beantragen. Das ist ebenfalls eine Leistung der Arbeitslosenversicherung und beträgt ca. 95% des Arbeitslosengeldes. Genau diese Notstandshilfe will Schwarz-Blau abschaffen. Wer kein Arbeitslosengeld mehr bezieht, muss direkt in die Mindestsicherung wechseln. Die wird von Schwarz-Blau - sicher zufällig - noch rasch gekürzt, vor allem für Familien. Im Gegensatz zur Notstandshilfe muss für die Mindestsicherung alles verkauft werden, vom Sparbuch für die Enkel bis hin zum Schrebergarten, bis nur mehr 4.188 Euro übrig bleiben, sonst kommt es zu Pfändungen. Laut aktuellen Berechnungen würde dieses Austro-Hartz-IVModell mehr als 160.000 Menschen betreffen, die

derzeit Notstandshilfe beziehen. Die Situation für Arbeitslose würde dadurch drastisch verschlechtert. Armut und soziale Ausgrenzung drohen massiv zuzunehmen. Schwarz-Blaue Feindbilder Was soll der Druck auf arbeitslose Menschen bewirken? Mehr Jobs entstehen dadurch ja nicht. Derzeit stehen in Österreich den circa 450.000 Arbeitslosen nur rund 50.000 freie Stellen gegenüber. Mehr Geldnot, Druck und Schikane gegen Arbeitssuchende lösen diese Diskrepanz nicht. Vielmehr bräuchte es eine Diskussion, wie man die 2,5 Millionen Überstunden, die jährlich in Österreich geleistet werden, umverteilen könnte; was eine Verkürzung der Arbeitzeit z.B. auf 35 Stunden pro Woche bringt; oder wie wir die Digitalisierung und den Einsatz von Robotern nutzen können, um die Arbeit, die noch anfällt, gleich zu verteilen. Wenn es die Arbeitslosigkeit nicht löst, was nutzt es, wenn die Regierung den Arbeitslosen die Daumenschrauben ansetzt? Ein wichtiger Effekt ist, dass der Druck auf alle steigt, die (noch) eine Arbeit haben. Jeder ist sofort ersetzbar, wenn genügend drangsalierte Arbeitslose auch für einen Hungerlohn oder einen Mini-Job beim Chef Schlange stehen. Bei der nächsten Lohnverhandlung werden die Unternehmer in einer stärkeren Position sein als die Angestellten und ArbeiterInnen.


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Gemeint sind wir alle Ein großer Teil des Schwarz-Blauen Regierungsprogramms zielt auf eine solche Schwächung der ArbeitnehmerInnen ab: Die Aushöhlung der Arbeiterkammer (AK), die wichtige Beratung und juristische Unterstützung für Arbeitende und KonsumentInnen leistet; Verschlechterungen im Arbeitsrecht, wie der 12-Stunden-Arbeitstag, die 60-Stunden-Arbeitswoche oder die Verkürzung der Ruhezeiten in der Gastronomie zwischen zwei Arbeitseinsätzen; und die Angriffe auf die Tarifverträge, die sicherstellen, dass die ArbeitnehmerInnen in unterschiedlichen Betrieben nicht gegeneinander ausgespielt werden. Auch die rassistische Hetze der FPÖ (und der unter Kurz schwer von den Blauen unterscheidbar gewordenen ÖVP) passt ins Bild. Sie machen MigrantInnen zu den Sündenböcken für alle Probleme: Von explodierenden Wohnkosten bis zu fehlenden Jobs. So wird ein Feindbild erzeugt, das die berechtigte Frustration und den Ärger vieler Menschen über die Verhältnisse, in denen sie leben, auf sich zieht. Das verhindert, dass migrantische ArbeitnehmerInnen und solche ohne Migrationserfahrung sich zusammentun und gemeinsam z.B. für höhere Löhne einsetzen. Diese rassistische Spaltung der Lohnabhängigen lenkt ab von den eigentlichen Profiteuren einer Politik, die ArbeitnehmerInnen schwächt: Den Unternehmen und Firmen, die im globalen Wettbewerb stehen und möglichst hohe Profite machen wollen. Je niedriger die Löhne, desto höher die Gewinne.

Klassenkampf von oben und die Reichen gewinnen Kurz und Strache haben vor der Wahl “Veränderung” und “neuen Stil” angekündigt. Jetzt enthüllen sie, was sie damit meinen: Für Unternehmen gibt es Steuergeschenke von bis zu 4 Milliarden (!) Euro, Sonder-Privilegien mit CETA und einen Abbau von Arbeits- und Umweltstandards. Für ArbeitnehmerInnen gibt es “Flexibilisierung” und einen Niedriglohnsektor, der alle Löhne nach unten zieht. In Deutschland hat das mit Hartz-IV auf brutale Art funktioniert: Die Zahl der “Working Poor” (arm trotz Arbeit) ist explodiert, die Löhne sind niedrig, etliche Menschen in einem Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Armut und Hartz-IV gefangen - aber deutsche Firmen profitieren, exportieren und expandieren. Warum hat eine Mehrheit der WählerInnen bloß den Parteien dieser Regierung ihre Stimme gegeben? Ihre ökonomischen Interessen werden von ihnen jedenfalls nicht vertreten. Nüchtern betrachtet nutzt Schwarz-Blau jenen, die vermögend sind und Firmen besitzen. Doch das ist nur eine - zwar mächtige, aber kleine - Minderheit. Warum wählen so viele Menschen gegen ihre materiellen Interessen? Ein Grund ist, dass Schwarz-Blau ihre konkreten Maßnahmen erst nach der Wahl öffentlich gemacht haben. Wie viele Menschen hätten wohl anders abgestimmt, hätten sie vor der Wahl vom 12-Stunden-Arbeitstag, HartzIV und dem drohenden Sozialabbau gewusst?

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SCHWARZ-BLAU VS. MENSCHENRECHTE M

enschenrechtliche Fragen rund um das Thema Asyl beschäftigen uns seit der Gründung der Plattform für Menschenrechte – damals aus Anlass der ersten Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten. Und auch im aktuellen Regierungsprogramm ist das betreffende Kapitel eines der konkretesten. Zwei alte Stereotype stehen dahinter: Nämlich die Vorstellung von „Pullfaktoren“- Menschen machten sich nach dieser Idee auf die Flucht nach Österreich wegen der bekanntermaßen guten Lebensbedingungen während des Asylverfahrens. Wenn sie dann hier seien, würden sie Deutsch lernen, die Schule besuchen, eine Lehre beginnen, Kontakte und Freundschaften, gelegentlich auch Beziehungen mit Österreichern nur suchen, um den eigenen Aufenthalt zu verfestigen und damit einer Abschiebung zu entgehen. Alles was Menschen während des Asylverfahrens stabilisiert, wo sie – wenn auch noch so marginale – Möglichkeiten selbstbestimmten Handelns in einem ohnehin sehr be-

schränkten Lebensumfeld erfahren, wird hier imaginiert als Versuch, eine mögliche Abschiebung zu vereiteln. Zum anderen sind Flüchtlinge Menschen zweiter Klasse, denen zu Recht bestimmte Rechte vorenthalten bleiben, und zwar nicht nur während des Asylverfahrens, wo ihr Verbleib in Österreich noch nicht gesichert ist, sondern auch darüber hinaus (Stichwort Deckelung der Sozialleistungen, eingeschränkte Mindestsicherung). Als Krönung ihrer Integrationsleistung können Flüchtlinge dann die Staatsbürgerschaft erwerben und damit „gleichwertige“ Menschen werden. Schlussfolgernd aus Beiden Stereotypen ist es also nur logisch, dass man die Lebensbedingungen während des Asylverfahrens so unattraktiv wie möglich zu machen versucht – „ Nur mehr Sachleistungen, keine individuelle Unterbringung, eigenverantwortliche Haushaltsführung“ - (Regierungsprogramm 2017 -2022; S. 34) in abgeschotteten Großquartieren, wenig Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung

www.salzburg.com/download/2017-12/Regierungsprogramm.pdf


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Das Regierungsprogramm von schwarz – blau ist nun seit 16.12.2017 veröffentlicht und es hagelt von allen Seiten Kritik. Das Regierungsprogramm ist zunächst nur eine Absichtserklärung, in der politische Zielsetzungen auf unterschiedlichem Niveau ausformuliert sind, teilweise ohne Bedachtnahme darauf, inwieweit der Bund tatsächlich für die jeweiligen Sachfragen eine politische Regelungskompetenz hat. Zugleich aber stellt es auch einen ersten Akt der Symbolpolitik der neuen Regierung dar, und auch die Plattform Menschenrechte Salzburg ist besorgt um die (Nicht) Einhaltung beziehungsweise Gefährdung von Grundrechten - falls die Regierung das Programm tatsächlich in konkrete Maßnahmen umsetzt. Ursula Liebing und Alina Kugler für die Plattform Menschenrechte – und dass man das, was gerade in den letzten beiden Jahren seit der „Flüchtlingskrise“ besonders in Salzburg gut zu funktionieren begann, abbaut/verhindern will: nämlich die Begegnung Einheimischer mit Flüchtlingen, die Unterstützung mit Rat und Tat, Nachhilfe und Netzwerken, die frühe Förderung der Integration durch Deutschkurse und Unterstützung bei der Orientierung, die Ermöglichung von Lehren in Mangelberufen. Wenn nämlich „Keine weiteren aufenthaltsverfestigenden Maßnahmen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens“ (ebd.) stattfinden, können Flüchtlinge kein schützenswertes Privat – oder Familienleben mehr in Österreich entwickeln (Art 8 EMRK), das dann zur Gewährung eines Aufenthaltstitels führen würde. Und indem die Kontaktaufnahmen zwischen der Zivilgesellschaft und den geflüchteten Menschen erschwert wird, erspart sich „der Staat“ die Auseinandersetzung mit einer wachsenden Zahl von Menschen, die sich wegen

nicht nachvollziehbareren Abschiebebescheiden z.B. nach Afghanistan mit Geflüchteten solidarisiert, Protestaktionen und Petitionen startet usw. Wo es keinen Kontakt gibt, gibt es keine eigene Betroffenheit. Zivilgesellschaftliche Strukturen können so abgebaut werden. Und es könnte im Umkehrschluss als Vorwurf der mangelnden Integrationswilligkeit ausgelegt werden. Schlussfolgerungen: Dies sind nur ein paar wenige Punkte im vorliegenden Regierungsprogramm, die aus menschenrechtlicher Perspektive fragwürdig sind und wie Eingangs geschrieben muss noch abgewartet werden, was dann in welchem Maß umgesetzt wird. Doch wir sollten alle jetzt schon wachsam sein und uns zivilgesellschaftlich organisieren, um kommenden Einschnitten geschlossen entgegenzutreten. Weiter darf leider nicht vergessen werden, dass die jetzige Regierung auf die Vorarbeit von Rot – Schwarz in der letzten Legislaturperiode gerade in den Bereichen Integration und Asyl aufbauen kann.

Alina Kugler ist Sprecherin der Plattform Menschenrechte


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WIE LEBEN MIT DER

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STUNDEN-ARBEITSWOCHE?

Delorean: Bekannt aus den Zurück in die Zukunft-Filmen, ist die Konstruktion dieser Zeitmaschine im Grunde recht einfach: Alles, was ihr braucht, sind ein Fluxkompensator, ein Atomreaktor sowie ein bisschen Plutonium und schon könnt ihr durch die Zeit reisen!

© Ed g2s/Wikipedia

Zeitumkehrer: Mit diesem praktischen Gerät schaffte es schon Hermine Granger, in Hogwarts mehr Fächer als ihre MitschülerInnen zu belegen. Einmal drehen und schon hat man sich eine Stunde zurückbewegt. Warum soll das nicht auch in der Arbeitswelt funktionieren?

Teleportation: In ein paar Jahren ist die Wissenschaft bestimmt weit genug, damit endlich Realität wird, was wir nur aus diversen Science Fiction-Werken kennen. Dann können wir uns gemütlich von A nach B beamen.


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Die neue schwarz-blaue Regierung hat angekündigt, die Arbeitszeiten “flexibilisieren” zu wollen. Auf Deutsch: Wir sollen länger arbeiten. Für viele Menschen heißt das noch weniger Freizeit, kaum Schlaf und keine Zeit für Familie und Freunde. Aber keine Panik! Wir verraten euch exklusiv, wie ihr sogar bei einer 60 Stunden-Woche noch genug Freizeit rausschinden könnt!

© Ubisoft

Sands of Time: Wer ein persischer Prinz ist und den Dolch der Zeit besitzt, kann damit die Zeit zurückdrehen. Das funktioniert allerdings nur, wenn dieser mit genug Sand der Zeit gefüllt ist. Nachteil: Wer ein persischer Prinz ist, muss sich über die 60 Stunden-Woche keine Gedanken machen - die neue Regierung wird ihn abschieben.

Zur ÖVP gehen: Die einfachste Methode, mit der 60 Stunden-Arbeitswoche umzugehen, ist wohl der Parteibeitritt. Als Begrüßungsgeschenk bekommt man einen dünnen Folder mit Slogans der Industriellenvereinigung, den man auswendig lernen muss. Wenn man nach politischen Positionen gefragt wird, gibt man diese Sprüche einfach wieder. Wenn man nicht gefragt wird, dann auch. Nachteil: Man verkauft seine Seele an den Teufel.

© Anton-kurt/Wikipedia

Im Büro einziehen: Bei der täglichen Fahrt zur Arbeit geht viel zu viel Zeit drauf. Busse sind unpünktlich, Autos stehen im Stau, Züge entgleisen - warum spart man sich den Weg nicht einfach und zieht ins Büro? Vorteile: Man kann bis spät in die Nacht arbeiten und ist am nächsten Tag trotzdem immer pünktlich am Arbeitsplatz. Nachteile: Keine!


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Bild Kurz: © Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres / Wikipedia Bild Strache: © Gregor Tatschl / Wikipedia


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SCHULE,

.. TURKIS MIT BLAUEN STREIFEN. Von Sabine Helmberger

Exkurs nach China China. Im Amt für Ehrlichkeit, wo der chinesische Staat für jedeN BürgerIn ein Konto eröffnet: Dieses Amt ist verbunden mit nationalen Datenbanken, die Zugriff haben auf Online-Plattformen, Banken usw. Pluspunkte erhält, wer sich in der Arbeit vorbildlich verhält, wer Blut spendet, seine Stromrechnung regelmäßig bezahlt, keine Pornoseiten im Internet besucht, sich um ältere Menschen kümmert und die richtigen FreundInnen hat. Ungehöriges Verhalten, wo auch immer, zieht einen Punkteverlust nach sich. Es wird möglich, den zukünftigen Schwiegersohn zu durchleuchten, die Haushaltshilfe, die Chefin. Menschen mit weniger Punkten können keine höheren Ämter bekleiden, haben Probleme bei Auslandsvisa, müssen mit Einschnitten beim Sozialsystem rechnen und ihre Kinder werden es nicht auf die guten Schulen schaffen. Gemeinsam mit der analogen und digitalen Überwachung und Gesichtserkennung steht dem gläsernen Menschen, dem fügsam gemachten Bürger nichts mehr im Wege. Eine Dystopie, wie sie in der Serie Black Mirror Season 3 Episode Nosedive kreiert wird, wird zur Realität. Was das alles mit dem österreichischen Bildungssystem zu tun hat? Wenig, aber doch etwas Wesentliches – beide erheben Daten zu unumkehrbaren Fakten und geben ihnen einen Stellenwert, der ihnen verweigert werden sollte. Beide stützen sich auf quantifizierbare Daten und bestimmte Fragestellun-

gen und stellen sie über den symbolischen Sinn des Menschseins. Eine nicht unwichtige Gemeinsamkeit. Das aktuelle Regierungsprogramm zur Bildung Die türkis-blaue Regierung ist angetreten mit einem neoliberalen Law-and-Order-Angebot - im viertsichersten Land weltweit wohlgemerkt – und will dieses nun auch verwirklichen. In einer Demokratie absolut legitim. Ihr Regierungsprogramm bringt im Bereich der Bildung keine großen Überraschungen. Es steht kein großer Bruch zu den Entwicklungen der letzten Jahre bevor. Die Pläne sind vage formuliert und zeugen von einem konservativen Weltbild, das sich niederschlägt in Maßnahmen wie der „Benotung von 1-5 auch in der Volksschule“, der „Beibehaltung der Sonderschulen“ (übrigens ein Begriff aus der NS-Zeit) oder einer „Elementarpädagogik mit der Sicherstellung, dass gegengesellschaftliche Lebensarten nicht gefördert werden“. Bei letzterem sind vermutlich von der traditionell katholischen Vater-Mutter-Kind-Gemeinschaft abweichende Lebensmodelle gemeint. Grundsätzlich erwartet uns abgesehen davon nichts großartig Neues, außer, dass eine beunruhigende Entwicklung von Schule unter einer „Wirtschaft-zuerst“-Regierung verstärkt fortgeführt wird, nämlich jene der zunehmenden kurzsichtigen Vergleichbarkeit von Schulen und SchülerInnenleistungen. Klingt harmlos? Ist es aber nicht.

Filmtipp: Alphabet Die Dokumentation von Erwin Wagenhofer widmet sich dem Thema Bildung. PädagogInnen wie Hirnforscher kommen zu Wort. Internationale Systeme werden genauer betrachtet. Und manchen ist vielleicht noch die Szene in Erwin Wagenhofers Film „Alphabet“ im Gedächtnis, wo die Mutter eines chinesischen Jungen stolz sämtliche Urkunden und Zeugnisse zeigt. Sie berichtet über seine Erfolge, während er eingefallen mit bleichen Wangen daneben sitzt. Natürlich ist der Film kritisch zu betrachten. Er ist in seiner Darstellung einseitig, die individuellen, emotionalen Geschichten werden in den Vordergrund gerückt, die Familie Stern wird verklärt. Aber dieser Film dient uns auch als Ist-Analyse, wo wir sind, und als Warnung, in welche Richtung wir gehen. Er stellt die Frage, ob wir dort wirklich hinwollen. Oder nicht lieber bleiben, wo wir sind. Auch wenn Stillstand mittlerweile zum Schimpfwort geworden ist.


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FINANZIERUNG: Das Schulwesen ist in Österreich seit Jahren massiv unterfinanziert. In den letzten 20 Jahren reduzierte sich der Anteil des BIP, der dem Schulwesen zur Verfügung gestellt wird, von 4,3 % auf 3,2 %, somit um ein Viertel. Der OECD-Mittelwert liegt immerhin bei 3,8 %.1

REFORMITIS ERSCHWERT DEN SCHULALLTAG: In den letzten fünf Jahren wurden praktisch im Halbjahrestakt weitreichende „Reformen“ durchgeführt. Oft wenig ausgereift, meistens kurzfristig ohne lange Vorlaufzeit, teilweise wurden sie nach einer Probezeit adaptiert oder zurückgenommen – auf dem Rücken der SchülerInnen und der Lehrkräfte! Eine Auswahl: Vorwissenschaftliche Arbeiten – Zentrale schriftliche Reifeprüfung, aber keine adaptierten Schulbücher, Materialien – neue Lehrpläne, aber keine adaptierten Schulbücher und Materialien – Teamteaching – Richtlinien zur Beurteilung von Kompetenzen im Widerspruch zur Prüfungsverordnung – Hauptschule wird zu Neuer Mittelschule – KlassenschülerInnen-Höchst- und Teilungszahlen – Einführung der ausgesprochen fehleranfälligen Schulverwaltungssoftware Sokrates – semestrierte Oberstufe – immer mehr Verwaltungsaufwand – Leistungsgruppen werden abgeschafft – mündliche Reifeprüfung – Schulautonomiegesetz – PädagogInnenausbildung neu – Neue Oberstufe – etc.

Comparo ergo sum Das goldene Kalb „Vergleichbarkeit“ wird im Programm großgeschrieben. „Standardisierung“, „Kernkompetenzen“, „nationale und internationale Testungen“ etc. prägen seit einigen Jahren das österreichische Bildungssystem. Obwohl in den letzten Jahren viel die Rede ist von „Individualisierung“ und „gezielter Förderung“, „Durchschnittsfalle“ und „Begabtenförderung“ sehen wir an den Schulen das Gegenteil, nämlich eine verstärkte Generalisierung, eine Konzentration auf zentral vorgegebene Inhalte und Scheinobjektivität. Vergleichbarkeit um jeden Preis hat aber ihren Preis. Inhalte müssen standardisiert vorgegeben werden, es muss vermehrt getestet werden, um vergleichen zu können. Einer nun „endlich gerechten und scheinbar objektiven“ Beurteilung werden die Diversität im Unterricht, die Bedürfnisse der SchülerInnen und ihre Freiräume geopfert. Dass Schule im Sinne der Aufklärung eigentlich mehr ist als die Summe ihrer Testergebnisse, gerät über all den Kompetenzrastern und Talente-Checks in Vergessenheit. Bildung braucht Freiräume Das hehre aufklärerische Bildungsideal, das ein autonomes Individuum zum Ziel hat, das Selbstbestimmung und Mündigkeit durch seinen Vernunftgebrauch erlangt, findet sich in den Regierungsprogrammen nicht mehr. Ich stehe im Wettbewerb, also bin ich. Wer sich permanent beobachtet und kon-

trolliert weiß, andauernd mit Überprüfungen und Testungen rechnen muss, wer ständig gezwungen ist, sich zu vergleichen und im Wettbewerb steht, verhält sich anders, wird anders und erfüllt – möglicherweise ohne das zu wollen – die letztendlich auf Entindividualisierung ausgerichteten Erwartungen einer neoliberalen Gesellschaftsordnung. Das Interesse am einzelnen und einzigartigen Kind ist damit, so scheint es, erloschen. Vielfalt ist zur leeren Worthülse geworden. Eine Bildung, die Kindern und jungen Menschen Wissen, soziale Kompetenz und Vertrauen in sich selbst vermitteln soll, damit sie mutig und angstfrei in die Zukunft schauen, eine Bildung dieser Art braucht Freiräume. Freiräume, um sich auszuprobieren, sich zu entdecken. Freiräume, die auch ein Scheitern erlauben, Freiräume, um auf die Nase zu fallen, und solche, um wieder aufzustehen. Freiräume und Zeit und finanzielle Mittel an den Schulen – für alle Beteiligten. Es braucht Vertrauen vom System in die Handelnden, es braucht Vertrauen in die Lehrenden und Vertrauen in die SchülerInnen. Und ja: Solche Ergebnisse lassen sich weniger gut in den beliebten Balkendiagrammen darstellen, sie lassen sich kaum messen, sie lassen sich maximal langfristig und qualitativ erheben. Sie lassen sich nicht verkaufen. Sie haben keinen Preis – nur einen Wert. Nämlich eine liberale Gesellschaft, die sich gegen Maßnahmen wie in China (noch) mit all ihrer Kraft wehren würde.

1 Gertraud Salzmann, Gewerkschaftsvorsitzende der AHS-Landesleitung Salzburg, 2017, in einer Stellungnahme zum Bildungsreformgesetz 2017. https://www.parlament. gv.at/PAKT/VHG/XXV/ SNME/SNME_11200/fnameorig_633266.html Sabine Helmberger ist Lehrerin in Salzburg.

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UNI:PRESS-TIPPS Schwarzblau wurde nicht zuletzt deshalb gewählt, weil sich die Menschen davon dringend notwendige Reformen erwartet haben. Eine erste Kostprobe seiner Absichten hat Kanzler Kurz ja schon gegeben: “Für junge Menschen ist Eigentum die beste Maßnahme gegen Altersarmut” - Ganz in diesem Sinne wollen wir der neuen Regierung einige Tipps mit auf den Weg geben, welche Maßnahmen sie am besten umsetzen sollte.

Kinderarbeit einführen: Kleine Kinderhände nähen schöne Schuhe. Der Nachwuchs soll schon früh lernen, dass sich Leistung auszahlt und es wäre schade, wenn so großes Potential ungenutzt bleibt. Außerdem: Wer früh zu sparen beginnt, kann sich später eine Eigentumswohnung oder Studiengebühren locker leisten!

Organhandel legalisieren: Der Mensch hat Organe im Überfluss: 2 Nieren, 2 Lungenflügel, 4 Herzkammern, 2 Hirnhälften - warum nicht verkaufen? Es gibt Menschen, die dringend darauf angewiesen sind und gutes Geld dafür zahlen würden, doch der Handel mit Organen ist gesetzlich verboten. Wir sagen: Weniger Staat, mehr privat!


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: FUR DIE REGIERUNG: Arbeitnehmerschutz lockern: Das Lohnniveau in Österreich ist viel zu hoch und faule Arbeiter kann man nicht so einfach rausschmeißen. Man sollte sich deshalb am guten, alten 19. Jahrhundert orientieren: Ein Butterbrot am Tag ist mehr als genug und ein bisschen Konkurrenzdruck hat noch nie geschadet. Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut!

© One Lucky Guy/Flickr.com

©karl reigl/Wikipedia

Straßenverkehrsordnung abschaffen: Verkehrsregeln werden auch jetzt schon eher als Empfehlung gesehen, weniger als verbindliche Vorschriften, und seien wir uns ehrlich: Mit 170 km/h besoffen durchs Ortsgebiet knallen ist einfach geil. Let Jesus take the wheel!

Zum Kreuzzug aufrufen: Wir haben hier in Österreich ein Heer von Arbeitslosen und das Heilige Land ist von Moslems und Juden besetzt. Da liegt es doch nahe, wieder einmal eine bewaffnete Pilgerreise zu unternehmen und Lebensraum im Osten zu erobern. Einfach mal ganz unverbindlich beim Papst anfragen!


uni & leben

NEUES AUS DEM VORSITZBÜRO

Wiebke Fischbach (GRAS), Vorsitzende

Felix Klein (GRAS), 1. stv. Vorsitzender

Alexander Schlair (VSStÖ), 2. stv. Vorsitzender

a kommt was Großes auf uns zu. Nicht nur Sozialabbau, 12-Stunden-Tag und Schwächung der Arbeiterkammer werden uns Studierende langfristig treffen, nein auch unsere Studienbedingungen sollen direkt angegangen werden: Weniger Prüfungsantritte, maximale Studiendauer, 1000 Euro Studiengebühren pro Jahr und eingeschränkte Doppelinskription. Na, auch weiterhin Lust zu studieren? Oder gehörst du zu den über 60 Prozent der Studierenden, welche neben dem Studium arbeiten müssen, um sich diesen Spaß zu finanzieren und eh gar keine Zeit haben, darüber nachzudenken? Zumindest an der Uni Salzburg gibt es noch eine ÖH, welche Protest organisiert und die Kräfte der Studierenden dazu bündelt. Denn gerade diese sind eine Gruppe, welche besonders oft für Demokratie, Solidarität und Gerechtigkeit auf die Straße geht. Die Frage ist nur, wie lang noch, denn auch hier will die schwarz-blaue Regie-

rung ihre Daumenschrauben ansetzen. Einschränkung des allgemeinpolitischen Mandats der ÖH und Konzentration auf einen wie auch immer gearteten Service stehen im Fokus von Kurz und Strache. Dass die Rechten die organisierte Studierendenschaft angreifen, ist nicht neu. Schon 2004 hat die damalige schwarz-blaue Regierung versucht, durch Gesetzesänderungen der ÖH das Rückgrat zu brechen. Damals wurde das ÖH-Wahlrecht gegen den Willen der ÖH geändert und die bundesweite Vertretungsebene geschwächt. Das unverhohlene Ziel war, die ÖH zu schwächen. Ganz nach dem Motto: Hände falten, Goschn halten, brav studieren statt aufmucken und kritisieren. Die Regierung will also den Studierenden vorschreiben, womit sie sich beschäftigen dürfen. Nur das, was die Rechten und Rechtsextremen als akzeptable Interessensvertretung einstufen, ist zulässig. Das ist eine absurde und inakzeptable Bevormundung der Studierenden. Die Studierenden

können selbst entscheiden, wen sie bei den ÖH-Wahlen als ihre Vertretung wählen und welche Art von Interessensvertretung sie wollen. Dafür sind Wahlen da. Das sind demokratische Entscheidungen und diese sind auch zu respektieren. Dass die Regierung mit der ÖH eine laute Kritikerin ihrer schwarz-blauen Politik zum Schweigen bringen will, ist untragbar. Denn es ist die Aufgabe der ÖH, kritisch gegenüber der Regierung und ihrer Hochschulpolitik aufzutreten. Die Studierenden so zu bevormunden wie Kurz und Strache das wollen ist so, als würde ein Unternehmer dem Betriebsrat vorschreiben, mit welchen Fragen er sich befassen darf und wozu er schweigen muss.

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Wir freuen uns über alle, die aktiv werden wollen. Denn jetzt braucht es jeden und jede Einzelne. Melde dich bei uns unter: vorsitz@oeh-salzburg.at Euer Vorsitzteam


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Die Universitätspolitik als Spielball der Koalitionsverhandlungen Alle fünf Jahre wird an den Öffentlichen Universitäten eines der wichtigsten Gremien – der Universitätsrat – neu besetzt. Dieser erfüllt funktional die Aufgaben eines Aufsichtsrats der Universität. Die Auswahl der Mitglieder erfolgt durch den Senat, das Ministerium sowie durch den Universitätsrat selbst. Die ÖVP hat die bevorstehende Neubestellung der Mitglieder nun allem Anschein nach als Verhandlungsmaterie bei den Koalitionsverhandlungen benutzt. Von Tobias Neugebauer

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n Österreich gibt es derzeit 21 Öffentlichen Universitäten. Diese haben allesamt gemein, dass mit 1. Mai 2018 eine neue fünfjährige Funktionsperiode für den Universitätsrat beginnt. Doch welche Aufgaben hat der Universitätsrat überhaupt? Die Funktion des Universitätsrates als begleitend und vorausschauend tätiges Aufsichtsorgan ist in § 21 des Universitätsgesetzes (UG 2002) festgelegt und umfasst insbesondere die folgenden Tätigkeiten: Die Genehmigung des Entwicklungsplans sowie des Entwurfs der Leistungsvereinbarung (der Grundlage für den Budgetrahmen ist, der der Universität vom Bund vorgegeben wird); die Ausschreibung sowie die Wahl der Rektorin oder des Rektors als auch der VizerektorInnen als auch deren Abberufung; eine Jährliche Berichtspflicht sowie die unverzügliche Berichtspflicht bei schwerwiegenden Rechtsverstößen von Universitätsorganen sowie bei Gefahr eines schweren wirtschaftlichen Schadens an die Bundesministerin oder den Bundesminister; die Zustimmung zum Budgetvoranschlag Das Aufgabenfeld des Universitätsrates ist daher alles andere als unbedeutend, weshalb das Vorgehen der politischen AkteurInnen in den letzten Wochen und Monaten folgend besonders beleuchtet werden soll. In Gewissheit, dass die Funktionsperiode der Universitätsräte an den Öffentlichen Universitäten mit Ende Februar diesen Jahres endet, haben die Senate der jeweiligen Universitäten frühzeitig begonnen, gemäß den gesetzlichen Vorgaben die Wahl der durch sie zu wählenden Mitglieder des Rates durchzuführen. Während dies an manchen Universitäten bereits in der ersten Jahreshälfte 2017 stattfand, erfolgte die Wahl teils auch erst im Oktober – kurz vor der Wahl des Nationalrates. Da das Ministerium aufgrund gesetzlicher Vorgaben erst nach erfolgtem Wahlgang an der jeweiligen Universität die weiteren Mitglieder namhaft machen kann, dies verständlicherweise für alle Universitäten auf einmal vornehmen wollte, war ein Beschluss im Ministerrat vor der Nationalratswahl kaum mehr möglich.


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Warum gibt es bis heute keinen Beschluss über die Bestellung der Universitätsratsmitglieder? Bis zur Angelobung der neuen Regierung am 18. Dezember 2017 vergingen noch mehr als zwei Monate. Weshalb konnte man sich in dieser Zeit nicht auf die Bestellung der weiteren Mitglieder einigen? Wenn man den Gerüchten von Ministeriumsbediensteten glauben darf, hatte der damals zuständige Bundesminister Harald Mahrer bereits eine fertige Liste an geeigneten Personen für die Funktion, die im Ministerrat nur noch abgenickt hätte werden müssen. Dies war jedoch – so lauten die Informationen – nicht im Interesse des Wahlsiegers und designierten Bundeskanzlers Sebastian Kurz. Denn wenn es um die Besetzung von Positionen geht, geht es auch immer in gewisser Weise um Macht und Einfluss. Es liegt daher nahe, dass die Personenauswahl für die Universitätsratsmitglieder zur Verhandlungsmaterie bei der Bildung der neuen Regierung gemacht wurden, bei der sich wohl auch die FPÖ in den Entscheidungsprozess einmischen möchte, um politisch wohlgesinnte Personen in den Aufsichtsgremien der Universitäten zu installieren. An eine gemeinsame Beschlussfassung der ÖVP mit der SPÖ war daher wohl nicht mehr zu denken, hätte man sich damit bei den bevorstehenden bzw laufenden Koalitionsverhandlungen selbst geschwächt. Ähnlich scheint die Situation auch bei der Nachbesetzung der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs aus. Durch das Ausscheiden von Präsident Gerhard

Holzinger sowie der zwei RichterInnen Rudolf Müller und Eleonore Berchtold-Ostermann aufgrund der Überschreitung der Altersgrenze sind derzeit drei RichterInnenstellen unbesetzt – sie werden bis zur Ernennung ihrer NachfolgerInnen durch Ersatzmitglieder vertreten. Mit 5. Jänner wurden die vakanten Stellen nun zumindest einmal ausgeschrieben, die Bewerbungsfrist läuft bis 2. Februar. Wer dann das Rennen um einen Platz im Verfassungsgerichtshof macht, ist noch ungewiss (auch wenn bereits mehrere Namen im Umlauf sind). Die FPÖ hat aber schon Ende des letzten Jahres ihren „Anspruch“ auf zwei der drei zu besetzenden Stellen erhoben – "Das würde die Kräfteverhältnisse in der Republik abbilden", so FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan. Da zwei der drei Stellen auch von der Bundesregierung bzw vom Nationalrat nachzubesetzen sind, ist die Erfüllung des Wunsches auch durchaus denkbar. Lediglich im Bundesrat verfügen ÖVP und FPÖ nicht über die notwendige Mehrheit, um einen entsprechenden Vorschlag an den Bundespräsidenten, der die Mitglieder schlussendlich auch ernennt, einbringen zu können. Durch die geänderten Machtverhältnisse im Nationalrat und die neue Regierung scheint es jedenfalls so, als würde die FPÖ die Gunst der Stunde zu nutzen versuchen, um möglichst viele der eigenen Vorschläge durchzusetzen. Es wird sich zeigen, ob sich hinter den zugeneigten Personen zu neuen Ämtern zu verhelfen, oder doch die fachliche Expertise der Personen im Vordergrund steht.


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„LASSEN SIE SICH DORT UNTEN EINMAL

ORDENTLICH DURCHNEHMEN“ Sexuelle Belästigung an der Uni Salzburg Traurige Realität: Auch im Jahr 2017 findet an österreichischen Universitäten noch sexuelle Belästigung statt. Mittlerweile gibt es zwar Institutionen, die Betroffene unterstützen sollen; trotzdem stehen Betroffene den Tätern oft machtlos gegenüber, wie der Fall von Barbara A.* zeigt. Von Christoph Würflinger

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nser Fall trägt sich in einem Zentrum der Universität Salzburg zu und beginnt im Jahr 2014. Barbara A. ist damals als Sekretärin am Zentrum beschäftigt und schreibt gerade ihre Masterarbeit. In diesem Jahr unternehmen die ZentrumsmitarbeiterInnen eine mehrtägige Exkursion ins Ausland, an der auch Wolfgang N.* teilnimmt, seines Zeichens Kooperationspartner des Zentrums und auch Lehrender an der Salzburger Kunstuni Mozarteum. Während dieser Reise wird Wolfgang N. zum ersten Mal auffällig. Bei einem gemeinsamen Aufenthalt in einer Bar kommt es zu übergriffigen Bemerkungen („Barbara, geh‘ mit mir aufs Klo!“). Zu späterer Stunde unterhält er sich mit dem stellvertretenden Zentrumsleiter Helmut T.* lautstark darüber, welche der anwesenden MitarbeiterInnen am hübschesten sei, und fordern sie auf, auf den Tischen für sie zu tanzen. Auf dem Heimweg darauf angesprochen, halten Barbaras KollegInnen dieses Verhalten für äußerst unpassend. Später wollen sie sich allerdings nicht mehr daran erinnern.

„BARBARA, GEH‘ MIT MIR AUFS KLO!“ Im Laufe des Jahres hält sich Wolfgang N. immer wieder in den Räumen des Zentrums auf, spricht Barbara A. immer wieder auf sexuelle Themen an und macht unangemessene Bemerkungen. Für eine Veranstaltung wollen N. und T. nackte Frauen engagieren und auch sonst drehen sich die Gespräche immer wieder um weibliche Körper und andere sexuelle Themen. Dadurch entsteht eine Atmosphäre, in der sich Barbara A. nicht wohlfühlt. Weil man aber Vorgesetzte nicht verärgern sollte, wenn man eine wissenschaftliche Karriere anstrebt, schweigt sie. Anlass für erste Unmutsbekundungen ist eine Weihnachtsfeier im Jahr 2015, bei der sich Wolfgang N. im-

mer wieder so in einen Türrahmen stellt, dass Barbara A. ihn beim Vorbeigehen berühren muss. Außerdem hält er wenig Distanz zu ihr und berührt sie immer wieder „zufällig“ an Brust und Gesäß. Dazu kommen belästigende Bemerkungen. Sie spricht mit KollegInnen darüber, die das Fehlverhalten von N. bestätigen. Gemeinsam wenden sie sich an den zweiten stellvertretenden Leiter – gleichzeitig Postdoc und damit in einem Abhängigkeitsverhältnis – und bitten diesen, bei Helmut T. dafür zu sorgen, dass N. sein Verhalten abstellt. Er kommt dieser Bitte nach, allerdings bleibt das Gespräch ohne Folgen. Trotzdem bessert sich die Situation in den nächsten Wochen, weil Wolfgang N. aus beruflichen Gründen kaum im Zentrum ist.

„DIE FRAUEN SOLLEN SICH NICHT SO HABEN.“ Im Frühling 2016 findet wieder eine Exkursion ins Ausland statt. Nach der Ankunft im Hotel verabreden sich die TeilnehmerInnen zum gemeinsamen Besuch einer Weinbar und treffen sich davor in der Hotellobby. Barbara A. kommt dort als erste an. Wenig später stoßen Wolfgang N. und Helmut T. zu ihr. Die beiden beginnen ein Gespräch, in dem es um die damals publik gewordenen Belästigungsvorwürfe gegen den Rektor des Mozarteums geht. N. sieht solche Vorwürfe als Mittel für Frauen, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Er macht sich darüber lustig, es sei alles nicht so schlimm, die Frauen „sollen sich nicht so haben“. Frauen würden solche Fälle ausnützen, um ihre eigene Position abzusichern und zu stärken. Außerdem sei oft sexuelle Frustration der Grund für solche Vorwürfe. Zu späterer Stunde vergleichen die beiden die Mitarbeiterinnen des Zentrums und unterhalten sich darüber, wer die „bessere“ sei. Am nächsten Tag wird Barbara A. von Wolfgang N. beim Buffet grinsend betatscht. Dazu kommen weiterhin übergriffige Bemerkungen.

*Namen von der Redaktion geändert.


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Einige Wochen später findet eine Abendveranstaltung für ein Forschungsprojekt statt, bei der es kaum Gäste, dafür umso mehr Alkohol gibt. Während A. aufräumt, unterhalten sich die stark alkoholisierten N. und T. in einem Nebenraum über sie. Während T. – mittlerweile Leiter des Zentrums – meint, sie hätte einen „fetten Arsch“, hält N. dagegen. A. kommt am nächsten Tag nicht ins Büro; sie hat Angst, N. dort anzutreffen.

„DIE SEXUELLE BELÄSTIGUNG SEI NUR EINBILDUNG.“ Eine Woche später nimmt Barbara A. an einer Exkursion des ehemaligen Zentrumsleiters teil. Auf ihre schlechte Laune angesprochen, teilt sie ihm die Vorkommnisse mit. Er bietet ihr ein Gespräch nach der Exkursion an. A., die sich von ihm Hilfe erwartet,

wird enttäuscht: Er wirft ihr private Probleme und sexuelle Frustration vor. Sie sei durch ihre Familie geschädigt und brauche deswegen dringend Hilfe. Die sexuelle Belästigung sei nur Einbildung. Er bietet ihr außerdem an, eine Stelle in Italien für sie zu suchen. Sein Rat: „Lassen Sie sich dort unten einmal ordentlich durchnehmen, aber nicht von einem Italiener oder Franzosen, weil die bringen’s nicht.“ Sie solle sich außerdem entscheiden, ob eine Karriere in der Wissenschaft das richtige sei und ob sie nicht lieber eine Familie gründen wolle. Später wird sie vom Zentrumsleiter und seinem Stellvertreter unter Druck gesetzt: Die Sache würde im Nichts verlaufen, keiner würde ihr glauben. Nach dem Gespräch sucht Barbara A. die Psychologische Studierendenberatung, eine von der Universität unabhängige Einrichtung des Wissenschaftsministeriums, auf. Gleichzeitig wendet sie sich an den Betriebsrat der Uni Salzburg, dem sie die Angelegenheit schildert. Ihm soll sie einen Katalog


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der Vorfälle vorlegen. Außerdem empfiehlt er den Kontakt zum Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKG) der Uni Salzburg und – noch wichtiger – den Beitritt zur Gewerkschaft. Beim zweiten Treffen reden sie über diese Zusammenstellung. Er will recherchieren und sich dann bei ihr melden. Ein paar Wochen später bittet sie ihn um ein weiteres Treffen, erhält aber keine Antwort mehr.1 Zwischen den beiden Treffen mit dem Betriebsrat kontaktiert Barbara A. den AKG. Dort ist man empört über die Vorfälle und verspricht, sich darum zu kümmern. Allerdings kommt es zu keinen für Barbara A. erkennbaren Ergebnissen. Nach dem Termin beim AKG sucht A. auch den Kontakt zum Leiter des Fachbereichs X, mit dem das Zentrum verbunden ist. Sie schildert ihm die Lage und betont, wie schwierig es für sie ist, ins Büro zu kommen. Dieser bietet ihr – zumindest vorübergehend – einen Arbeitsplatz am Fachbereich X an. Dieses Angebot nimmt sie an. Außerdem fragt er, ob ein Betretungsverbot für Wolfgang N. eine Lösung

wäre, was sie bejaht. Die Psychologische Studierendenberatung, zu der sie inzwischen regelmäßig geht, empfiehlt ihr den Kontakt zum Vertrauensrat in Angelegenheiten von Diskriminierung (aufgrund des Geschlechts, insbesondere durch sexuelle und/oder geschlechtsbezogene Belästigung oder durch strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung). Auch dort wird ihr geholfen. Im Sommer 2016 findet ein erneutes Gespräch statt, an dem Helmut T. Barbara A. und eine Mediatorin teilnehmen. Helmut T. dreht dabei die Aussagen von Barbara A. um, findet Ausreden, betont, dass es keine Zeugen gebe und dass es sich um ihre privaten Probleme handle. Die Rollen des Täters und der Betroffenen werden umgekehrt. Barbara A. kommt von da an immer seltener ins Büro und nur zu Zeiten, zu denen Wolfgang N. nicht anwesend ist. Im Oktober 2016 wird ihr schließlich versichert, dass dieser die Räumlichkeiten des Zentrums nicht mehr betreten darf. Die Sticheleien von Helmut T., hören damit allerdings nicht auf. Sie tragen dazu bei, dass sich Bar-

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1 Der Betriebsrat beruft sich uns gegenüber auf seine „besondere Verschwiegenheitspflicht“


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bara A. letztendlich dazu entscheidet, die Stelle am Zentrum aufzugeben.

„ABSTRUSE BESCHWERDEN“ Soweit Barbara A.‘s Schilderung. Wolfgang N. und Helmut T. sehen die Sache anders. Mit den Vorwürfen konfrontiert, versichert uns ersterer in einem Gespräch, keinerlei Interesse an Barbara A. zu haben – weder beruflich noch privat. Die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen. Ganz im Gegenteil sei er ein Mann, der Frauen schon öfter aus Belästigungsszenarien gerettet hätte. Helmut T. führt die Sache auf eine „persönliche Krisensituation“ zurück und sieht „abstruse Beschwerden“. Es steht hier also Aussage gegen Aussage. Handelt es sich hier um die Geschichte eines schamlosen Grapschers, der die Sicherheit universitärer Strukturen und Hierarchien ausnutzt, oder sind es – wie N. und T. meinen – haltlose Anschuldigungen einer Verrückten, die sich das alles krankhaft einbildet? Der Fall ist in seinen Details so absurd, dass er eigentlich gar nicht erfunden sein kann. Würde man sich diese Vorwürfe ausdenken, man würde sich wohl eine bessere, glaubwürdigere Geschichte einfallen lassen. Dafür sprechen auch weitere, von mehreren Studierenden bestätigte Vorfälle während einer Exkursion am Fachbereich X im Jahr 2011, bei der Wolfgang N. mehrere Studentinnen beim abendlichen Zusammensitzen an den Beinen berührt und immer wieder die Arme um sie gelegt hat, um sie zu sich zu ziehen. Tagsüber fiel er vor allem dadurch auf, die Beine von rocktragenden Studentinnen zu fotografieren. Er scheute nicht einmal davor zurück, einer Studentin „unauffällig“ unter den Rock zu fotografieren. Und auch beim Schwimmen im Hotelpool zückte er seine Kamera. Studierende erzählen uns von einer „systematisch wirkenden Verfolgung“, die für ein zunehmend verzweifeltes Klima unter den Exkursionsteilnehmerinnen sorgte.

„UND AUCH BEIM SCHWIMMEN IM HOTELPOOL ZÜCKTE ER SEINE KAMERA.“ Auch am Mozarteum erzählt man uns unter vorgehaltener Hand, dass es ein offenes Geheimnis sei, dass Wolfgang N. zu übergriffigem Verhalten neige. Der dortige HochschülerInnenschaft liegen zwar keine offiziellen Beschwerden vor, allerdings könnte das daran liegen, dass Wolfgang N. den Kunststudierenden immer wieder zu Auftritten und anderen Jobs verhilft, weshalb viele dieses Verhalten in Kauf

nehmen. Ein ähnliches Motiv könnte auch bei Kooperationspartnern an der Universität und anderen Einrichtungen vorliegen: Wolfgang N. hat unseren Quellen zufolge die Möglichkeit, finanzielle Mittel für interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Verfügung zu stellen – eine Geldquelle, auf die niemand verzichten möchte. Ein anderer Vorfall, bei dem N. rassistische Diskriminierung in einer Lehrveranstaltung vorgeworfen wird, sorgt schließlich dafür, dass er am Fachbereich X, an dem er regelmäßig gemeinsam mit Helmut T. unterrichtet hat, keine Lehrveranstaltungen mehr halten darf.

„BETROFFENE MÜSSEN MIT TÄTEROPFER-UMKEHR RECHNEN.“ Auch am Mozarteum erzählt man uns unter vorgehaltener Hand, dass es ein offenes Geheimnis sei, dass Wolfgang N. zu übergriffigem Verhalten neige. Der dortige HochschülerInnenschaft liegen zwar keine offiziellen Beschwerden vor, allerdings könnte das daran liegen, dass Wolfgang N. den Kunststudierenden immer wieder zu Auftritten und anderen Jobs verhilft, weshalb viele dieses Verhalten in Kauf nehmen. Ein ähnliches Motiv könnte auch bei Kooperationspartnern an der Universität und anderen Einrichtungen vorliegen: Wolfgang N. hat unseren Quellen zufolge die Möglichkeit, finanzielle Mittel für interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Verfügung zu stellen – eine Geldquelle, auf die niemand verzichten möchte. Ein anderer Vorfall, bei dem N. rassistische Diskriminierung in einer Lehrveranstaltung vorgeworfen wird, sorgt schließlich dafür, dass er am Fachbereich X, an dem er regelmäßig gemeinsam mit Helmut T. unterrichtet hat, keine Lehrveranstaltungen mehr halten darf.

ANLAUFSTELLEN BEI SEXUELLER BELÄSTIGUNG: •

Helpline Sexuelle Belästigung: 0664 88386932 (Dienstag 9-11 Uhr, Donnerstag 16-18 Uhr)

Psychologische Studierendenberatung Salzburg: Mirabellplatz 9/1, psb.sbg@sbg.ac.at, 0662 8044 6500 (Montag bis Freitag 9-12 Uhr außer Mittwoch)

ÖH Uni Salzburg: Referat für Frauen / LGBTQIA* / Gender, frauen@oeh-salzburg.at

Christoph Würflinger studiert Geschichte und ist seit 2012 in verschiedenen Funktionen als Studierendenvertreter aktiv.


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fellner ’sche weis heiten

WARUM WIR

BURSCHENSCHAFTER NICHT MÖGEN

Die Wahl ist geschlagen, die Regierung angelobt und seit gut zwei Monaten hören wir wieder verstärkt von ihnen: Burschenschafter. Habt ihr euch eigentlich schon mal gefragt, warum die ÖH Burschenschaften nicht mag? Keine Sorge, ich werde euch jetzt nicht mit Zahlen traktieren, wie viele Burschenschafter für die FP im Nationalrat sitzen, wie hoch ihr Anteil in der Bevölkerung ist und wie viele Burschenschafter in den NS Strukturen tätig waren. Von Christof Fellner

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er oder was sind Burschenschaften eigentlich? Zunächst sind Burschenschaften studentische Zusammenschlüsse mit dem Zweck, sich während des Studiums und danach gegenseitig zu unterstützen. So weit, so gut. Zumindest ist das das Bild, welches man in diesen Kreisen gerne über sich verbreitet sehen will. Burschenschaften sind ursprünglich ein Ergebnis der napoleonischen Kriege. In Deutschland stand man der französischen Revolution zunächst offen gegen-

über, als jedoch zusammen mit den revolutionären Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auch französische Armeen eindrangen, war es damit rasch vorbei. Politische Mitbestimmung wollte man sich schon selbst erkämpfen. Die Schuld an dieser Entwicklung wurde von einigen Kreisen, wie dem Turnvater Jahn, der schlecht trainierten deutschen Jugend gegeben. Eine Folge, die wir heute noch zu tragen haben, ist der regelmäßige Turnunterricht in den Schulen.


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Kaum waren Napoleon und die französischen Truppen abgezogen, so begannen Forderungen nach einem Deutschen Nationalstaat laut zu werden, man hatte die Kleinstaaterei einfach satt. Und in dieser Zeit entstanden auch Burschenschaften. Ihre damaligen Forderungen nach Wahlen und politischer Mitbestimmung lesen sich heute durchaus modern an, sind reihenweise in die politischen Forderungen der gescheiterten Revolution von 1848 eingegangen und bestimmen unser politisches Leben bis heute. Freilich gab es bereits auch davor Organisationen studentischen Lebens, tatsächlich aber ist diese Organisationsform die erfolgreichste. Fechten, Couleur-Bänder usw. wirkten identitätsstiftend, waren Teil eines militärischen Kults, die den Zusammenhalt und die Kampfbereitschaft stärken sollten, sogar die Nationalfarben Deutschlands, Schwarz, Rot und Gold/Gelb, sind das Ergebnis dieser Bewegung.

„NUR GANZ WENIGE BURSCHENSCHAFTER WANDTEN SICH DEM WIDERSTAND ZU.“ Die Haltung einiger Burschenschafter, wie mit den Minderheiten in Deutschland, vor allem den Jüdinnen und Juden, umzugehen ist, ist geteilt. Einige hängen der Theorie der Assimilation durch Gleichstellung an, andere wollen sie als undeutsches Volk loswerden. Diese Debatte wird freilich auch außerhalb der studentischen Kreise geführt und resultiert einerseits in der völligen rechtlichen Gleichstellung der Jüdinnen und Juden, andererseits aber auch in der Erkenntnis, dass eine Anerkennung als gleichwertig nie erfolgen wird und sie besser einen eigenen Staat anstreben sollten. Die damalige spezifische Situation im deutschen

Sprachraum erklärt auch, warum es ähnliche Entwicklungen in anderen Ländern nicht gab. Nationalstaaten und politische Beteiligung gab es bereits in vielen Staaten Europas und studentische Zusammenschlüsse gab es ebenfalls schon, sei es nun in Großbritannien oder Frankeich. Damit waren in diesen Ländern die Bildung von Burschenschaften nicht mehr nötig. Etwas ähnliches, in der Form der Verbindungen (wie z.B. Skull and Bones), hat sich in den USA entwickelt. Letztlich am Ziel waren die Burschenschaften mit der Reichseinigung durch Bismarck 1871. Das Leben der Bildungsschicht wurde nun mehr und mehr vom Leben und den Ideen der Burschenorganisation geprägt. Kaum ein Film der 60er oder 70er Jahre, der in dieser Zeit spielt, in der Gymnasiasten keine Verbindungszeichen tragen. Für die Deutschnationalen in Österreich freilich bedeutet das eine Katastrophe, denn nun sollten sie die einzigen bleiben, deren Traum vom Nationalstaat nicht erfüllt werden sollte. Mit dem Erreichen des angestrebten Ziels verwandeln sich die Burschenschaften. Manche, wie schon im letzten Text über die Sozialdemokratie aufgezeigt wurde, wenden sich anderen Themen zu, wieder andere bleiben ihren Idealen treu oder radikalisieren sich noch mehr. In den folgenden Jahrzehnten beherrschen die Burschen und andere Korporierte das studentische Leben, und in weiterer Folge die akademische und administrative Elite Deutschlands und Österreichs. Die erste große Zäsur bedeutet die Niederlage im Ersten Weltkrieg. Die politische Lage verändert sich, das Wahlrecht wird so ausgedehnt, dass Parteien Menschenmassen als Grundlage ihrer Tätigkeit erkennen müssen und die Konzentration auf Hinterzimmerhonoratioren aufgeben. Dem entsprechend schwindet der Einfluss der Burschenschaften kurzzeitig. Da sich aber die Verwaltungselite nicht wirklich ändert, bleibt hier - und auch in der Armee - alles beim Alten. Auch Österreich ist hiervon nicht ausgenommen. Man erlässt Arierparagraphen und fordert den Ausschluss


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jüdischer Lehrender von der Universität. Der Nationalsozialismus, der in dieser Zeit, den 20er Jahren, einen rasanten Aufstieg verzeichnet, sieht sich selbst als eine Bewegung von unten, als die Antibolschewistische Konterrevolution des Kleinbürgers, aber eben bei weitem nicht akademisch dominiert. Auch sie gründen, analog zu den studentischen Organisationen, ihrer ideologischen Gegner, eine eigene studentische Vorfeldorganisation. Sobald die Nazipartei an der Macht ist, geht sie daran, die Burschenschaften, die ihnen durch ihre von der Partei unabhängige Organisation suspekt sind, aufzulösen, notfalls auch zwangsweise. Dabei wollen sie jedoch keinesfalls auf die Fähigkeiten der Burschenschafter, die ihnen zum größten Teil nahe stehen, verzichten und lassen sie in ihrer eigenen Organsation aufgehen. Viele von ihnen machen in weiterer Folge Karriere im NS Staat, allein schon, da viele ihrer nicht nationalsozialistischen Kolleginnen und Kollegen zwangsweise von ihren Positionen entfernt wurden. Nur ganz wenige Burschenschafter wandten sich dem Widerstand zu. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Bur-

schenschaften wieder aktiviert, der bewusst nationale Charakter wurde aber vielerorten nicht wiederbelebt. Andernorts sehr wohl. Der heutige Dachverband der Burschenschaften ist gespalten, es gibt jene, die im Deutschtum nur noch eine Art Richtwert sehen, der aber auch von Menschen aus anderen Kulturen angestrebt werden darf, und es gibt die nach wie vor Ultrastrammen, vor allem aus Österreich. Es ist vor allem der Umgang mit der Vergangenheit, der den Burschenschaften vorgehalten wird. Einstige Täter des NS Staates wie auch einige besonders problematische Gestalten davor werden nach wie vor geehrt, da sie sich ja nicht an der Burschengemeinschaft vergangen haben, sondern auch deren Ideale eingehalten haben. Fazit: Burschenschafter waren anfangs Geburtshelfer der deutschsprachigen Demokratie, haben sich dann aber radikalisiert und schließlich zu großen Teilen an den NS Verbrechen als Täter teilgenommen. Zu diesen Personen, die sie aus dem Kontext herausgerissen nur als Burschen betrachten, stehen sie bis heute.

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Christoph Fellner studiert Politikwissenschaft, ist ÖH-Urgestein und braucht keine Mensur zu fechten, um seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen.


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UNI:PRESS,

QUO VADIS?

Brauchen wir eine uni:press, in der gesellschaftliche Themen aufgegriffen werden, Sparten wie Kunst&Kultur oder Politik viel Platz eingeräumt wird, oder sollte sie sich vollkommen auf die Deckung studentischer Grundbedürfnisse beschränken? Von Carlos P. Reinelt

A

uf jede herausgegebene Ausgabe unserer Zeitung folgt einiges an Kritik – positiver wie negativer. Das erfreut uns nicht zuletzt deshalb, weil es zeigt, dass unser Magazin gelesen, beachtet und diskutiert wird. Kritik von außen bietet uns zudem die Möglichkeit, uns stetig weiterzuentwickeln und die Qualität der Texte sowie des Gesamtprodukts am laufenden Band zu verbessern. In diesem Sinne möchten wir hier auf einen der viele Punkte eingehen, der uns (mal mehr, mal weniger herzlich) nahegelegt wurde. Braucht es eine uni:press, die sich mit Politik außerhalb des Unibetriebs beschäftigt? Der Vorwurf, die ÖH (und respektive die uni:press als Organ derer) sei politisch zu aktiv, taucht so regelmäßig auf, wie das Murmeltier vor Bill Murrays Nase im Harold-Raris-Klassiker von 1993. Man solle sich ausschließlich auf die Betreuung studentischer Probleme beschränken, heißt es dann. Aufrufe zu allgemeinpolitischen Demonstrationen sowie Artikel über Gendern, die Gefahr der Religionen und gesamt-

gesellschaftlichen Missständen sei Gutmenschentum pur, die man gerne in der Freizeit verfolgen möge, aber hier nichts verloren habe. Dies lenke nur von der tatsächlich wichtigen Arbeit ab und schließlich müsse die ÖH und die uni:press ja die Interessen aller Student*innen vertreten, und das ginge nicht, wenn z.B. Kritik an Rechten, Linken, dem Christentum oder dem Islam geübt wird.

„WIR WOLLEN KEIN BLATT SEIN, WELCHES EUCH NUR VORKAUT, WELCHE MENSA DIE BESTE IST.“ Wie soll das gehen? Abgesehen davon, dass es unmöglich ist, die Interessen aller zu vertreten, müssen wir auch klar betonen: Das wollen wir gar nicht! Es liegt in der Natur der Dinge, dass unter 14.000 Stu-


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dent*innen eine breit gefächerte Vielzahl an Meinungen, Überzeugungen und Ideologien vorherrscht. Diese abdecken zu wollen, wäre fatal. Wenn sich jemand für Studiengebühren, Studienplatzbeschränkungen, weniger Prüfungsantritte, Ausschluss diverser Gruppen oder stärkere religiöse Einbindung in den Betrieb einsetzt, ist das sein gutes Recht. Wir wollen damit allerdings nichts am Hut haben und sehen uns dazu verpflichtet, diese Positionen zu kritisieren und abzulehnen. Wir wollen kein Blatt sein, welches euch nur vorkaut, welche Mensa die beste ist, wie ihr am leichtesten und schnellsten zum Bachelor kommt oder welche Stipendien es gibt – durchaus relevante Themen, die aber nur einen Bruchteil dessen ausmachen, was notwendig ist. Paradoxerweise kommen die lautesten Rufe nach einer Entpolitisierung der uni:press, deren Redakteure allesamt fraktionslos sind, aus Fraktionen der ÖH. Sie greifen damit den Politikverdruss unseres Zeitgeistes auf, mit der Absicht, somit Wähler*innen zu gewinnen. Eine Methode, wie sie von den aufkeimenden Listen (von Macron bis Kurz), den Grünen

oder den Demokraten in den USA (perfektioniert von einem astreinen Populismus unter Obama) gezielt verfolgt werden. Klare Sachverhalte der Politik, wie zum Beispiel fairer Anbau und Handel, werden in den privaten Raum zurückgedrängt. Statt für die Bauern Südamerikas auf die Straße zu gehen oder neue Verträge zu fordern, sollen wir lieber Fairtrade-Produkte kaufen, statt mit politischen Sätzen zu argumentieren, wird versucht, auf unser Gefühl und Mitleid zu plädieren.

„ABGESEHEN DAVON, DASS ES

UNMÖGLICH IST, DIE INTERESSEN ALLER ZU VERTRETEN, MÜSSEN WIR AUCH KLAR BETONEN: DAS WOLLEN WIR GAR NICHT!“

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Dieser gefährliche Trend der Entpolitisierung hat auch vor den Universitäten nicht halt gemacht. Waren sie früher Brutstätten politischer Visionen und Bewegungen, scheinen sie heute ein kuschliges Instrument zum Sammeln von ECTS-Punkten und Titeln zu sein. Dass wir als Akademiker und geistige Elite (wobei ich bei dem Ausdruck doch ein wenig schmunzeln muss) unserer Gesellschaft gegenüber auch eine Pflicht haben, wird wegrationalisiert, belächelt und unterdrückt. In all seiner Ironie zeigt sich dies in den Demonstrationen gegen Türkis-Blau: Nach der Ankündigung, dass die ÖH (u.a. aufgrund der Studiengebühren) gegen die Angelobung der neuen Regierung demonstrieren wolle, hieß es, man solle doch nur gegen Studiengebühren demonstrieren, der Rest ginge eine Hochschülerschaft nichts an. Die Naivität dieser Aussage ist in seiner Gesamtheit kaum zu fassen. Eine Partei, deren Akademikerfeindlichkeit wesentlicher Bestandteil ihrer DNA ist, soll stillschweigend hingenommen werden. À la: Der Elefant soll ruhig in

unseren Porzellanladen hineinkommen, aber falls er was zerstört, kann man ihn doch einfach bitten, damit aufzuhören.

„BESSERE POLITIK ZU FORDERN SOLLTE NICHT NUR HEISSEN, AUF DEN EIGENEN STUDENTISCHEN INTERESSEN ZU BEHARREN.“ Um den Sachverhalt noch einmal zu verdeutlichen: Wenn wir nicht über den universitären Tellerrand schauen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn uns jemand ins Essen spucken wird. Einer Regierung vorzuwerfen, dass sie nun Teile ihres Programms (welches


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schon vor den Wahlen beworben wurde) umsetzt, mag vielleicht das eigene Ego befriedigen, ist aber letztendlich zwecklos. Unsere Aufgabe wäre es gewesen, diesen Wahlausgang zu verhindern, und daran sind wir gescheitert. Kläglich. Bessere Politik zu fordern sollte nicht nur heißen, auf den eigenen studentischen Interessen zu beharren. Das behaupte ich nicht aus einem moralischen Duktus heraus, sondern der (sich nun ein weiteres Mal bestätigenden) Erfahrung, dass man daran scheitert. Sowie Popper in seiner Wissenschaftstheorie beweist, dass nur deduktive und keine induktiven Schlüsse funktionieren, müssen wir uns auch vor Augen halten, dass das Ganze stimmen muss, wenn ein Teil daraus befriedigend sein soll. Eingebettet in einen desaströsen Staat kann kein sinnvoller Unibetrieb herrschen – außer die Hochschulen kapseln sich von der Gesellschaft ab, durch finanzielle (man blicke z.B. in die USA) oder zusätzlich ethnisch-religiöse Hürden (wie in diversen Diktaturen). Studiengebühren sind

ein erster Schritt dahin, und den neoliberalen Kräften sind durchaus weitere zuzutrauen. Und genau dahin bewegen wir uns, wenn wir nicht wahrhaben wollen, nur ein kleiner Teil des Ganzen zu sein und unsere Augen davor schließen – oder schlimmer noch, fordern, man möge doch die Augen schließen und nur in die Uni schauen! Wie soll man Hoffnung in politische Bewegungen setzen, wenn sich nicht einmal mehr die Hochschülerschaft und ihre Student*innen organisieren dürfen? Politik muss in die Arbeit getragen werden, in die Schulen, die Universitäten, denn genau dorthin fließt ihr Einfluss. Wer immer noch will, dass Politik nur in den eigenen vier Wänden stattfindet, wird wohl erst belehrt werden, wenn diese von außen eingerissen werden. So sehen wir uns als Redaktion dazu verpflichtet, unseren Fokus immer wieder über unseren universitären Tellerrand zu richten, und kein „Wie komme ich am einfachsten zum Bachelor für Dummies“ herauszugeben.

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Carlos P. Reinelt ist Schriftsteller und Philosoph, studiert Germanistik in Salzburg und erhielt 2016 den Rauriser Literaturpreis.


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ÜBER „SUPERKRÜPPEL“ UND „OPFER“

Die Verantwortung der Medien ist immens, tragen sie doch zum kollektiven Gedächtnis unserer Gesellschaft bei. Trotzdem reproduzieren einige von ihnen völlig unreflektiert Stereotype und tragen so zur Exklusion von Menschen mit Behinderung bei. Der politische Grundgedanke „Nichts über uns – ohne uns“ wird weitestgehend verletzt. Auch die Aktion „Licht ins Dunkel“ steht alle Jahre wieder in der Kritik. Von Hannah Wahl

M

it „Glücklich sein für eine ganze Woche“ betitelte der frischgebackene Chefredakteur der Bezirksblätter Salzburg seinen Bericht über das Feriencamp des Malteserordens. „Fröhlichkeit trotz Handycap [sic!]. Die positive Lebenseinstellung der Behinderten war beeindruckend“, liest man unter einem der Fotos. Damit wurde ein Paradebeispiel für die stereotype Berichterstattung über Menschen mit Behinderung geschaffen, denen in den Medien oft nur die Rollen von „Opfern“ oder „Helden“ zugestanden werden. Der Titel suggeriert, dass Menschen mit Behinderung im Alltagsleben keine glücklichen Momente erleben – und zwar aufgrund ihrer Behinderung. Eine

differenzierte Betrachtung, wonach Menschen mit Behinderung nicht grundsätzlich leiden, sucht man vergeblich. Deutlich wird auch noch ein weiteres Phänomen der Darstellung, dass Menschen mit Behinderung vor allem im emotionalen Kontext inszeniert. So bringt auch der Chefredakteur der Bezirksblätter Salzburg in seinem Bericht Mitleid und Bewunderung zum Ausdruck. Betrachtet man die sprachliche Ebene, ist zum einen der veraltete und mittlerweile als diskriminierend geltende Begriff des Handicaps auffindbar, zum anderen der Ausdruck der „Behinderten“, der Menschen auf ihre Behinderung reduziert und sie einer homogenen Gruppe der „Anderen“ zuordnet.


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DIE AKTUELLE STUDIE „MEDIALE DARSTELLUNG VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG“ ONLINE UNTER: HTTP://WWW.MEDIAAFFAIRS.AT UN-Behindertenrechtskonvention als unverbindliche Empfehlung? Obwohl sich Österreich im Zuge der UN-Behindertenrechtskonvention (2008) dazu verpflichtet hat, konkrete Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung für die Situation und Anliegen von Menschen mit Behinderung zu ergreifen, um in der Gesellschaft verankerte Stereotype abzubauen, ist ein Fortschritt bislang nur schleppend zu verzeichnen. Das war auch das Ergebnis der Studie „Menschen mit Behinderungen in Österreichischen Massenmedien“, die 2015/1016 unter der Leitung von Maria Pernegger durchgeführt wurde. Untersucht wurden die Sendungen ZIB und ZIB2, die Printmedien Standard, Presse, Krone, Heute und Österreich sowie Facebook. Die Studie belegt, was ExpertInnen schon lange vermuten: Menschen mit Behinderung in Massenmedien sind generell unterrepräsentiert, Frauen mit Behinderung besonders stark und über Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund wird überhaupt nicht berichtet. Zudem sei die Berichterstattung stark an Emotionen gekoppelt. Ein veralteter medizinischer Blick auf Behinderung, wonach man behindert ist, und nicht behindert wird, dominiert weitestgehend. Oft werden Menschen auf ihre Behinderung reduziert und dementsprechend im emotionalen oder Wohltätigkeits-Kontext inszeniert. Lediglich der Standard schnitt im Hinblick auf stereotype Berichterstattung gut ab. In der Handlungsempfehlung kritisiert die Studie auch Aktionen wie Licht ins Dunkel, die durch Emotionen wie Mitleid Spenden lukrieren.

kann. Will man verhindern, dass Menschen mit Behinderung zum passiven Objekt der Berichterstattung degradiert werden, muss man auch einen barrierefreien Zugang zum jeweiligen Informationsmedium ermöglichen. Um das zu garantieren, legt die UN-Behindertenrechtskonvention das Recht auf freien Informationszugang fest. Maßnahmen zur Beseitigung solcher Barrieren halten sich bislang aber in Grenzen. Martin Habacher, selbstständiger Medienberater, sieht in der Verwendung von Leichter Sprache ein zentrales Mittel, um einen Teil der Barrieren im Internet abzubauen. Diese sei außerdem eine großartige Möglichkeit, die breite Bevölkerung wieder dazu zu bewegen, sich mit der immer komplexer werdenden Politik auseinanderzusetzen und aktiver am politischen Geschehen teilzunehmen. Im Zuge der Nationalratswahlen 2017 hat sich Habacher genau mit den Programmen der wahlwerbenden Parteien beschäftigt: „Nur bei der SPÖ fand ich ein paar Zeilen in Leichter Sprache – jedoch nur beim Thema Behinderung. In einem persönlichen Gespräch mit Ex-Kanzler Christian Kern habe ich ihn gefragt, warum nur dieser Teil für Menschen mit Lernbehinderung zugänglich gemacht wird. Eine richtige Antwort wusste er auch nicht!“

„Nichts über uns – ohne uns“ „Nichts über uns – ohne uns“ lautet der politische Grundgedanke der Behindertenbewegung, an dem sich immer noch wenige JournalistInnen etablierter Medien zu orientieren scheinen. Und das, obwohl die Miteinbeziehung von Menschen mit Behinderung in die Berichterstattung auch als eine Möglichkeit zum Abbau von Stereotypen in den Medien gesehen werden

Leichte Sprache ist vor allem für Menschen mit Lern-Schwierigkeiten.

Definition Leichte Sprache in Leichter Sprache: „Leichte Sprache ist eine sehr leicht verständliche Sprache. Man kann sie sprechen und schreiben.

Aber auch für andere Menschen. Zum Beispiel für Menschen, die nur wenig Deutsch können.“ (Netzwerk Leichte Sprache)

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Licht ins Dunkel Auch an der jährlichen Weihnachts-Spendenaktion des ORF, „Licht ins Dunkel“, wird aufgrund ihrer stereotypen Darstellungsweise, aber auch wegen ihres Charity-Charakters an sich, Kritik geübt. Viele wollen die „Mitleidstour“ nicht hinnehmen: „Charityformate wie ,Licht ins Dunkel’ entwerfen ein völlig falsches, verzerrtes Bild von Menschen mit Behinderungen und machen sie zum bemitleidenswerten Objekt der Fürsorge anderer“, so Martin Ladstätter, BIZEPS-Obmann und Mitglied des Monotoringausschusses zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Er plädiert für die Abschaffung solcher Formate, weil sie für einen falschen Umgang mit dem Thema Behinderung stünden. Gleichberechtigung bedeute nicht, zum Spendenempfänger / zur Spendenempfängerin degradiert zu werden. Auch Monika Schmerold, Sachverständige für barrierefreies Bauen und Gestalten und Mitglied der Besuchskommission 2 der Volksanwaltschaft, kritisiert das Spendenkonzept von Licht ins Dunkel: “Wozu Spenden für Menschen mit Behinderung?

„DER STAAT DARF SICH NICHT WEITER AUS SEINER SOZIALEN VERANTWORTUNG STEHLEN.“ Gebt ihnen ihre Menschenrechte und somit ihre Würde! Der Staat darf sich mit dieser Kampagne nicht weiter aus seiner sozialen Verantwortung stehlen.“ Es brauche eine Bewusstseinsänderung bei allen handelnden Personen, sowie einen Paradigmenwechsel weg vom konservativen Bild des „fürsorgebedürftigen Behinderten“ hin zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft mit allen Rechten und Pflichten. Auf Nachfrage, ob Charity Distanz zu Menschen mit Behinderung schafft, räumt Licht ins Dunkel ein: „Diese Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten. Bei ,Licht ins Dunkel’ ist eher das Gegenteil der Fall. ‚Licht ins Dunkel’ verbindet Menschen miteinander – durch die Vielzahl der Projekte und der Menschen, die wir unterstützen und denen wir medial Gesicht und Stimme verleihen, wird Nähe und nicht Distanz erzeugt und gelebt. Darüber hinaus ist die Aktion auch eine Art gesellschaftlicher Kitt, der diejenigen, die sinnvoll helfen wollen, mit denjenigen zusammenbringt, die das professionell tun.“ Auch die am Namen der Aktion selbst geübte Kritik prallt bei Licht ins Dunkel ab – argumentiert wird vor allem mit dem hohen Bekanntheitsgrad des Markennamens: Dieser schließe eine Änderung des Namens aus. Die Marke sei in über

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vier Jahrzehnten zu einem Synonym für Solidarität und Zusammenstehen geworden. Es sind Aussagen wie diese, die auch dem Journalisten Harald Saller sauer aufstoßen: „ ,Licht ins Dunkel’ ist eine Aktion, die nur auf Mitleid und nicht auf das selbstbestimmte Leben von den Menschen abzielt. Das beginnt schon beim unglücklichen Namen ‚Licht ins Dunkel’ und setzt sich beim Konzept, das sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert hat, fort.“ In der jetzigen Form sei die Aktion nicht mehr tragbar. Trotz der vernichtenden Kritik, die an Sendungskonzeption und Umsetzung des ORF-Spendenklassikers geübt wird, gibt es auch Menschen mit Behinderung, die Licht ins Dunkel grundsätzlich positiv gegenüberstehen: „Ich glaube, dass es kein Makel für eine Gesellschaft ist, wenn sich viele Menschen bereit erklären, Geld für einen guten Zweck zu spenden und damit jenen zu helfen, denen es nicht so gut geht.

„KRITIK FINDET NICHT ALLZU OFT GEHÖR.“ Zweifellos muss es aber unser Ziel sein, ein System zu gestalten, in dem Menschen mit Behinderung nicht auf solche Aktionen angewiesen sind, sondern ein selbstverständlicher und nach den jeweiligen Bedürfnissen zu unterstützender Teil unserer Gesellschaft sind.“ So positioniert sich die ÖVP-Nationalratsabgeordnete Kira Grünberg auf Anfrage des Vereins Integration Tirol. Solange diese Meinungs- und Bewusstseinsbildungsprozesse aber nicht abgeschlossen sind, befürworte sie Aktionen wie ,Licht ins Dunkel. „Menschen mit Behinderung als Superkrüppel“ ist eine von elf Kategorien, die Colin Barnes, emeritierter Professor der Disability Studies, Anfang der 90er Jahre ausführlich als stereotype Darstellungskategorie von Menschen mit Behinderungen in Massenmedien beschreibt. Die Benennung der Kategorie „Superkrüppel“ ist so provokant wie die Stereotype selbst: Dabei gilt es oft schon als „heldenhaft“, wenn Menschen ihr Leben trotz ihrer Behinderung meistern können. Eine andere Kategorie ist nach Barnes das Stereotyp „bedauernswert und pathetisch“, welches die Inszenierung als hilflose und auf Mitleid angewiesene Menschen zur Folge hat. Mit so einer Analyse von Darstellungskategorien war Barnes weder der erste noch der letzte. Bis heute leben Stereotype in der Berichterstattung über Menschen mit Behinderung weiter, die Kritik daran findet nicht allzu oft Gehör.

Hannah Wahl studiert Geschichte, ist Vorsitzende der STV und als Journalistin tätig.


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KAVALIERSDELIKT

Zugegeben, dieser Beitrag fiel mir schwer. Tagelang grübelte ich hin und her – wie thematisieren ohne Allgemeinplätze zu bedienen? Ich stellte mir die Frage: Wie kann ich über metoo schreiben? Von Carolina Forstner

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er gesellschaftliche Diskurs der Geschlechter im Jahr 2017 wurde von einem Schlagwort geprägt – #metoo, zu Deutsch „Ich auch“. Der Hashtag sammelte weltweit Geschichten, Geschichten die, so traurig diese Erkenntnis auch sein mag, oftmals Selbsterlebtes erzählen. Er zeigte durch seinen globalen Einsatz besonders eindrucksvoll auf, wie verbreitet sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen sind. Metoo markiert einen Missstand, zeigt ein Ungleichgewicht, eine Grundstimmung auf, die Frauen mit einer Selbstverständlichkeit degradiert und ihnen somit ihr Recht auf Selbstbestimmtheit in allen Lebensbelangen beschneidet.


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Nach einer Welle der Empörung aus Übersee durch unter anderem die systematischen sexuellen Übergriffe des Hollywood-Granden Harvey Weinstein, setzten die Anschuldigungen gegen den Neo-Parteigründer Peter Pilz und Reinhard Göweil, dem, nachdem dieser aufgrund der Verdachtsfälle entlassen wurde, ehemaligen Chefredakteur der Wiener Zeitung ein. In beiden Fällen wird den Beschuldigten sexuelle Belästigung gegenüber weiblichen Mitarbeiterinnen vorgeworfen – ob diese Anschuldigungen sich als rechtskräftige Straftaten herausstellen, müssen die Gerichte entscheiden. Schlachtfeld der Debatte waren oftmals soziale Medien und weil man sich unter dem Deckmantel der „Anonymität“ scheinbar vieles erlauben kann, wurden Frauen zu karrieregeilen, berechnenden Amazonen stilisiert, die ihre weiblichen Reize einsetzen, um sich so die Karriereleiter hinauf zu katapultieren und überhaupt – bedeutet nun schon jeder Schulterklaps einen Eintrag im männerfeindlichen Hashtag-Register? Gefühle und der eigene „Wohlfühlkreis“, in dem gewisse Handlungen des anderen Geschlechts als angemessen oder unangebracht bewertet werden, sind individuell. Wir entscheiden als selbstbestimmte Frauen, wo für uns die Grenze zwischen Flirten im Konsens beider geschieht und wo für uns, ob körperlich oder auch durch Worte, Übergriffe stattfinden. Ich wiederhole mich: Wie gesagt, dieser Artikel fiel mir schwer, nicht nur aus den oben genannten Gründen, sondern weil ich mich als Frau nun einer unangenehmen Selbstreflexion unterziehen musste – hat es auch für mich Situationen gegeben, in denen ich mich bedrängt fühlte? Wenn ja: Habe ich immer klar meine persönliche Trennlinie artikuliert, oder habe ich im Stillschweigen auch unangebrachte Situationen durchgestanden, oder noch gravierender – diese als gesellschaftlichen Konsens abgetan? Um ehrlich zu sein kann ich mich in beidem wiederfinden – ja, es gab Umstände, in denen ich mit Stillschweigen hinnahm, aber auch Situationen, in denen ich die Oberhand über meine persönlichen Grenzen klar zum Ausdruck brachte. Wir leben in einer Zeit in der, wenn auch nur formal, die Gleichberechtigung der Geschlechter proklamiert und hochgehalten wird. Vor 100 Jahren durften Frauen das erste Mal von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen – es folgten viele weitere Meilensteine, die erkämpft wurden – denn gesellschaftlicher Wandel geschieht meist nicht ohne Opposition. Veränderungen machen oft Angst, viel zu bequem scheint das Loslassen von alteingeübten Denk- und Verhaltensmustern, die tief in den Köpfen verankert zu sein scheinen. Vor Umbrüchen kann man Angst haben - oder man kann sie annehmen und als Chance sehen. Übrigens auch als Chance für Männer, denn von einer gleichberechtigten Gesellschaft profitieren alle Menschen.

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#GAMERGATE

Frauen sind in der Videospielindustrie seit jeher unterrepräsentiert. Geht man über die Gamescom, sieht sich in Livestreamchats um oder sieht in die Redaktionen verschiedener Blogs, Magazine, etc. sind im Durchschnitt weniger Frauen als Männer vertreten. Seit einigen Jahren nimmt der Anteil an Frauen in der Industrie langsam aber stetig zu. Warum ist das so und was hat es eigentlich mit #Gamergate auf sich? Von Miggi Seifert

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Von 07.01. bis 14.01.2018 fand das Event AGDQ1 – ausgeschrieben Awesome Games Done Quick – in Herndon (Virginia) statt. Die AGDQ ist ein einwöchiger Speedrun- und Streamingmarathon, bei dem Videospieler aus aller Welt zusammenkommen und versuchen verschiedene Spiele möglichst schnell abzuschließen. Das Event findet einmal im Jahr statt und es werden dabei 24 Stunden am Tag, eine ganze Woche, Spenden für die Prevent Cancer Foundation gesammelt. 2017 wurden dabei über zwei Millionen Dollar an Spenden gesammelt und im Jahr 2018 wurde sogar erneut ein neuer Rekord aufgestellt, mit 2,2 Millionen Dollar. Für die Gamingcommunity ist AGDQ – genau so wie der sommerliche Ableger Summer Games Done Quick – eines der Highlights im Jahr und gerade von einer Community, die in der Öffentlichkeit eher als die Kellerkinder, die dicken Nerds, die Freaks und you-name-it angesehen wird sollte man denken, dass sie weiß wie es ist, diskriminiert zu werden.

In der Umsetzung sieht das allerdings ganz anders aus. Im Chat des Livestreams kann man sich bei bestimmten Streams nur äußern, wenn man dem Kanal abonniert. Dazu benötigt es entweder 4,99 Dollar oder ein Amazon Prime Abo.3 Bevor ich aber nun zu meinem Ärgernis komme, möchte ich den Veranstaltern von AGDQ ein Lob aussprechen: Inklusion wird hier groß geschrieben. Hautfarbe, Gender, Beinträchtigungen – all das spielt keine Rolle beim Event.

„SHE?“ Person X kann ein Spiel unglaublich schnell abschließen? Gut. Dann darf Person X zu AGDQ und ihr Können beweisen. Das führt mich gleichzeitig aber

1 www.gamesdonequick.com 2 10.01., 22:34 3 Dieser Service nennt sich „Twitch Prime“. Er ermöglicht eine Twitch Subscription eines Kanals für ein Monat.


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auch zu meinem Problem. Und das ist der eben beschriebene Chat. Dieser wurde zum Zeitpunkt als EmeraldAly, eine Transgender-Frau, am Bildschirm erschien schon von den sogenannten Plebs4 bereinigt. Im Chat wurde trotzdem untergriffig geschossen. „She?“, „Why’re they calling him a her?“ und viele weitere Kommentare dieser Art ließen sich darin finden. Natürlich waren die Chat-Moderatoren sehr achtsam und löschten die Kommentare so schnell es ging. Je mehr ich davon jedoch las, desto mehr wurde mir aber wieder bewusst wie diskriminierend diese „Außenseiter“ sein können. Es weckte in mir Erinnerungen an #Gamergate.

„THERE HAS BEEN SO MUCH HATE. SO MANY ANGRY WORDS, SO MANY ACCUSATIONS, OVER...WHAT? VIDEO GAMES? WOMEN IN VIDEO GAMES?“5 Im September 2014 trat auf Platformen wie Twitter, Reddit und 4Chan eine Gruppe von Menschen auf, die sich im Internet hinter Pseudonymen verstecken. Gemeinsam attackierten sie online verschiedene Frauen innerhalb der Videospiel-Industrie, wie zum Beispiel die Entwicklerin Zoë Quinn. Als Ziel ihrer Internet-Aktion hat das #Gamergate-Movement sie auserkoren, da sie unter anderem ein Spiel namens Depression Quest veröffentlicht hatte, in dem sie ihre eigene – Überraschung – Depression behandelt hat. Laut den Usern hatte das Spiel nur aufgrund der Thematik Aufmerksamkeit erregt, es sei kein echtes Spiel und würde nur beachtet werden, weil es von einer Frau stammt. Kurz darauf schaltete sich einer der Ex-Freunde mit in das Ganze ein, goss Benzin ins Feuer und all das führte dazu, dass Quinns Adresse und Telefonnummer ihren Weg an die Öffentlichkeit fanden. Es wurden dabei nicht nur Todesdrohungen ihr gegenüber ausgesprochen, sondern zusätzlich noch ihr nähestes Umfeld mit in die Aktion gezogen. Und Quinn ist nur eine vieler Frauen in der Industrie, die von der Bewegung ins Visier genommen wurden.

All diese Vorkomnisse führten dazu, dass viele große Seiten Artikel veröffentlichten wie „The End of Gamers“ oder „We Might Be Witnessing the Death of an Identity“. Und ab diesem Zeitpunkt begann der Hashtag #Gamergate wie ein Online-Karzinom zu wachsen. Der absurdeste Punkt an der ganzen Geschichte? Die Personen hinter dem Hashtag behaupten lediglich gegen Korruption in der Industrie anzukämpfen. Denn der Wunsch Themen wie Depressionen oder die Unterdrückung der Frau zu behandeln, sei eine geheime Verschwörung und würde nicht auf die Mehrheit der Videospielwelt zutreffen. Ach, wirklich? Depressionen einer Frau oder Rassismus gehören nicht zu deinem Horizont als weißer Mann? Es ist rassistisch zu behaupten, dass die meisten in dieser Bewegung eben genau das sind: wütende, weiße Männer? Danke für deinen Input! #Gamergate will nichts bekämpfen. Sie wollen einfach nur ihr Spiele spielen. Abseits von politischen Krisen der Welt, Minderheiten, Krankheiten und generell allem was nicht in ihr priviligiertes Weltbild passt. Doch im Zuge von #Gamergate entwickelte sich auch ein Bewusstsein für Minderheiten in der Community und der Industrie. Immer öfter finden Spiele wie Depression Quest nicht nur Beachtung, sondern werden unterstützt. Bereits bei der Electronic Entertainment Expo 2015, der größten Videospielmesse weltweit, begegnete man nicht nur mehr weiblichen Journalistinnen auf dem Event, sondern auch auf der Bühne. Jahr für Jahr wurden seitdem immer mehr brisante Themen in Spielen behandelt, die Tür für Frauen in der Industrie geöffnet und auch mehr starke weibliche Protagonistinnen in den Spielen selbst hervorgebracht. #Gamergate hat eine Diskussion gestartet. Dass diese Diskussion bis heute nicht beendet ist wird mir bei Kommentaren wie während AGDQ klar. Dass sie aber aber auch zu wichtigen Aktionen führt, beweisen mir Menschen wie die Veranstalter, die nicht davor scheuen Transgender-Personen oder Menschen mit Beeinträchtigung zu ihrem Event einzladen und ihnen so Respekt zollen. Denn Menschen die Videospiele spielen sind mehr als Freaks, die in ihren Kellern LAN-Partys veranstalten. Mehr als nur irgendeine Randgruppe. Die Industrie öffnet sich immer weiter. Dagegen kann auch ein #Gamergate nichts ausrichten.

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4 Nicht-Abonnenten, angelehnt an die Plebejer im alten Rom, also die untere Klasse. 2 10.01., 22:34 5 Luke Plunkett, Kotaku, http://bit.ly/2FpBpyA Miggi Seifert studiert Politikwissenschaft, und kümmert sich hauptsächlich um das Layout der uni:press. In seiner Freizeit spielt er Videospiele und dokumentiert das in Text und Podcast-Form auf www.threetwoplay.com


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GEDENKJAHR 2018 Von Von Carolina Carolina Forstner Forstner

Das Jahr 2018 beginnt mit gemischten Gefühlen: Nie in seiner Geschichte hatte Österreich eine derart stramm rechtspopulistische Regierungsspitze mit deutschnationalen Burschenschaftern in Führungspositionen. Vor welche Herausforderungen unser demokratisches Bewusstsein gestellt wird, lässt sich zwar durch das Regierungsprogramm der beiden Parteien skizzieren, wie die rechten HardlinerInnen dann wirklich agieren, wird sich zeigen.

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as Jahr 2018 markiert nicht nur den Beginn einer Koalition zwischen SchwarzTürkis-Blau, sondern ist auch ein Jahr gespickt mit Gedenktagen und –feiern: Neben dem „Hauptevent“ der Republiksgründung am 12. November 1918 werden noch andere wichtige Mosaiksteinchen, die, wie es so schön heißt, „das kollektive Gedächtnis“ einer Gemeinschaft prägen, in den Fokus der gesamtösterreichischen Erinnerung gerufen. Hier sollen das Revolutionsjahr 1848, der 12. März 1938, der den „Anschluss“ an Hitlerdeutschland markiert, die Novemberpogrome des selbigen Jahres, das Jahr 1948 mit der Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen, das Jahr 1958 mit der Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch Österreich und schließlich die 68-er Bewegung im Jahr 2018, so das Bundeskanzleramt in einer Meldung aus dem August 2018, als Christian Kern noch vom Ballhausplatz 2 aus regierte, thematisch behandelt werden.

Das kulturelle Gedächtnis Der Begriff des „Gedächtnisses“ wie wir ihn heute verwenden ist ein relativ junges Denkmodell. Der deutsche Kulturwissenschaftler Jan Assmann prägte den Begriff des kulturellen Gedächtnisses erst in den späten 1980-er Jahren. Als Fixpunkte für seine Vorstellung eines Denkmusters von Kollektiven definierte Assmann „schicksalshafte Ereignisse der Vergangenheit, deren Erinnerung durch kulturelle Formung (Texte, Riten, Denkmäler) und institutionalisierte Kommunikation (Rezitation, Begehung, Betrachtung) wachgehalten werden.“1 Zu diesen „Erinnerungsfiguren“, wie Assmann die Fixpunkte des kulturellen Gedächtnisses auch noch in seinen Werken nennt, gehören somit auch Tage wie der 12. November 1918, ein Datum, das einer ganzen Nation zum Zweck der Selbstvergewisserung der (vermeintlichen) „Werte“ und „Identität“ dient. Das Henne-Ei-Problem der Erinnerungskultur Einhergehend mit diesem doch sehr jungen Denk-


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modell kommt schnell die Frage auf: Was war zuerst da? War es die wissenschaftliche These des kulturellen und kollektiven Speicherorts, ein Ventil für ein neu aufkommendes Erinnerungsbedürfnis am Ende des 20. Jahrhunderts, oder haben sich erst unter dem Leitwort „Gedächtnis“ gesellschaftliche Bewegungen formiert? Das Henne-Ei-Problem, ein spannendes Thema, welches die Wissenschaft bis heute aufreibt. Die Historikerin Heidemarie Uhl formuliert ihre Fragestellung an die „Kultur der Gedächtniskultur“ in einem Ö1 Beitrag vom 8. Jänner folgendermaßen: „Wie entsteht das Neue, wie formieren sich die sozialen Energien und Kräftefelder, die kulturellen und gesellschaftlichen Wandel vorantreiben?“ Du bist wem/an was du gedenkst? Die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges wurden im Nachkriegsösterreich jahrzehntelang marginal aufgearbeitet und galten bis zur Zäsur der „Waldheim-Affäre“ als rotes Tuch der eigenen Geschichtsschreibung, schließlich war die „Opferthese“ eine willkommene Lösung, eine „österreichische Identität“ aufzubauen. Warum also alte Wunden aufkratzen und so das neugeschaffene Gemeinschaftsgefühl beschädigen? Erinnerung und Gedenken kann in uns noch so viel

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mehr sein als ein stumpfes, hochstilisiertes Gemeinschaftsgefühl, und damit verbunden ein Überlegenheitsgefühl gegenüber „den Anderen“ evozieren. Erinnerungsorte und Artefakte werden, und das muss uns klar sein, ständig neu interpretiert und mit neuen Lesarten aufgeladen. Wie die neue Bundesregierung mit Gedenktagen wie dem Novemberpogrom umgeht wird sich in wenigen Monaten zeigen. Wir, unter diesem „Wir“ verstehe ich keine ausgrenzende Mehrheitsgesellschaft, sondern eine pluralistische und wachsame Zivilgesellschaft, müssen es uns zur Aufgabe machen, genau hinzusehen, Inhalte zu hinterfragen und Denkmuster neu zu interpretieren. "Jede Gesellschaft hat ihre eigene Ordnung der Wahrheit, ihre ‚allgemeine Politik‘ der Wahrheit: d.h. sie akzeptiert bestimmte Diskurse, die sie als wahre Diskurse funktionieren lässt; es gibt Mechanismen und Instanzen, die eine Unterscheidung von wahren und falschen Aussagen ermöglichen und den Modus festlegen, in dem die einen oder anderen sanktioniert werden; es gibt bevorzugte Techniken und Verfahren zur Wahrheitsfindung; es gibt einen Status für jene die, die darüber zu befinden haben, was wahr ist und was nicht.“2

1 Assmann, Jan (1988): Kultur und Gedächtnis. Frankfurt: Suhrkamp. 2 Foucault, Michel (1978): Dispositive der Macht. Berlin: Merve.


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BLEIBT AUF DER SPUR,

DETEKTIVE!

Es gab eine Zeit, da gehörte es zum perfekten Start in einen meiner freien Tage, morgens aufzustehen, meinen Fernseher anzuwerfen und bei Tom Turbo in Confetti TiVi mitzufiebern. Ich kann mich noch daran erinnern als wäre es gestern gewesen, dass ich bei jedem Fernseh-Fall, den Thomas Brezina sich ausgedacht hatte, die fünf Buchstaben mitgeschrieben habe, damit ich am Ende der Sendung das streng geheime Codewort knacken konnte – so hatte ich nämlich die Chance auf eine der heiß begehrten Detektiv-Urkunden und ein Knabbernossi-Paket. Das ist mittlerweile um die 20 Jahre her. Trotzdem bin ich mir sicher, dass es sich nicht nur für mich, sondern auch für manche (oder hoffentlich wohl eher viele) der uni:press-LeserInnen so anfühlt, als wäre das alles gestern erst passiert. Eine Buchrezension von Miggi Seifert

© Tom Storyteller GmbH


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Was haben Thomas Brezina, seines Zeichens österreichischer Autor, Moderator, Forschergenie (s/o an den Forscherexpress) und Confetti-Mastermind und der Hamburger Gangster-Rapper und inofizielles Oberhaupt der 187 Straßenbande Bonez MC gemeinsam? Ganz einfach: Beide haben im Jahr 2017 Social Media und vor allem Instagram zu ihrer Bühne gemacht wie kaum eine andere Persönlichkeit in ihren Heimatländern. Außerdem besitzen beide einen Hund und haben ihre Kreativität zu ihrem Beruf gemacht. Das Besondere am Phänomen Brezina ist allerdings, dass seine FollowerInnen zum Großteil Leute aus meiner Altersklasse sind, die dem Autor aus nostalgischen Gründen folgen. Vor allem in der Adventszeit und dem Adventskalender in Brezinas Instastory ist dies besonders aufgefallen: Jeden Tag gab es eine Aufgabe oder oft auch ein Rätsel zu lösen (mein Tom Turbo-Herz fing Feuer) und am nächsten Tag sah man die Gesichter der GewinnerInnen in der Story. Zum Großteil waren die Glücklichen wirklich junge Erwachsene, zwischen Mitte 20 und Anfang 30, die bei dem Gewinnspiel mitmachten. So hat der zwischen Wien und London pendelnde Autor eine große Fangemeinde um sich geschart, die gespannt auf sein neuestes Projekt wartete und teilweise sogar in Entscheidungen wie den Titel miteingebunden wurde. Ein Krimi für Erwachsene. Alte Geister ruhen unsanft. Die Knickerbocker-Bande 4immer. 1990 erschien der erste Teil der Kinderkrimi-Serie rund um Axel, Lilo, Dominik und Poppi. Mit dem „Rätsel um das Schneemonster“ entfachte Thomas Brezina eine Welle der Begeisterung, die zu 67 regulären Büchern, einigen Sonderbänden und sogar Übersetzungen in 19 weitere Sprachen führte. Heute, fast 20 Jahre später, wagt sich der Erfinder zurück zu seinen vier Jung-Detektiven, die mittlerweile aber gar nicht mehr so jung sind. In seinem neuesten Werk erzählt er die Geschichte von vier jungen Erwachsenen, die sich nach einem heftigen Streit mit den Jahren aus den Augen verloren haben und durch widrige Umstände doch wieder zusammenfinden müssen. Denn nicht nur wir LeserInnen sind gealtert, auch die Knickerbocker-Bande hat ihr Leben gelebt und ihre Mitglieder sind Erwachsene mit Jobs, Familie und einem komplett neuen Leben. Die wichtigste Frage, die sich aber wohl alle stellen, ist nicht, ob wir oder auch die ProtagonistInnen älter geworden sind, sondern ob der Schreibstil Brezinas und vor allem sein erster Krimi für ein erwachsenes Publikum in der heutigen Zeit noch funktioniert? Wer ein literarisches Meisterwerk à la Steven King & Co. erwartet ist auf dem Holzweg. Diese Person hat aber vermutlich auch nie ein Werk Brezinas gelesen. Thomas Brezina will mit seinen Geschichten unterhalten,

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eine spannende Geschichte erzählen und zum Miträtseln anspornen. Und auf den insgesamt 416 Seiten des neuen Buchs findet sich genau das. Eine fesselnde Geschichte, unterteilt in kurze und knackige Kapitel, die von den LeserInnen nichts anderes verlangt, als sich darauf einzulassen. Im Kopf grübelt man mit den vier Bandenmitgliedern mit und versucht, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Zwischendrin wird man oft durch einen Nebensatz an eines der alten Abenteuer erinnert und erfährt mit jeder Seite mehr und mehr über die vergangene Zeit und das heutige Leben der vier Knickerbocker. Verschiedene Plottwists bringen Axel, Lilo, Dominik und Poppi außerdem teilweise an ihre Grenzen als Detektive und auch als FreundInnen und lassen die Leserschaft mitfiebern. Mit einem doch nicht unbeachtlich höheren Gewaltgrad im Vergleich zu den bisherigen Abenteuern und einer sehr düsteren Grundstimmung richtet sich die Fortsetzung der Erfolgsreihe auch merkbar an ältere Leser und nicht nur Junggebliebene werden ihren Spaß damit haben können. Die Knickerbocker-Bande 4immer ist ein mehr als gelungenes Projekt für Langzeitfans der Serie und dürfte auch Neueinsteiger, die durch den aktuellen Instagram-Hype oder sonstige Wege auf das Buch stoßen, gute Unterhaltung bieten. Ich persönlich würde mir eine weitere Fortführung der Geschichte wünschen, bin mir sicher, dass ich damit nicht alleine bin und auch relativ zuversichtlich, dass das nächste Abenteuer nicht allzu lange auf sich warten lässt. Bis dahin kann man auch eigentlich nur sagen: Echte Knickerbocker lassen niemals locker!

Buch erhältlich beim Ecoqin Verlag


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DER ULTIMATIVE UNI:PRESS

BEISLTEST FORTGEHEN ABSEITS DES (STUDENTISCHEN) MAINSTREAMS TEIL 4 - SCHALLMOOS Rudolfskai, Gstättengasse, Bergstraße oder Imbergstraße – das sind die Topadressen des Salzburger Nachtlebens. Topadressen? Wirklich? Wir haben uns schick gemacht und für euch Lokale abseits des studentischen Nachtlebens getestet, damit ihr ein Refugium findet, wenn euch die Segabar zu fad wird.

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Schallmoos liegt nördlich des Kapuzinerbergs und ist trotz seiner Zentrumsnähe einer der jüngeren Stadtteile Salzburgs – ursprünglich ein ungenutztes Moorgebiet, nach der Kultivierung im 17. Jahrhundert landwirtschaftlich geprägt und schließlich ab 1950 Standort zahlreicher Wohn- und Gewerbebauten. Im Norden, Osten und Westen machen die Gleise der Westbahn und der Giselabahn einen großen Bogen um das Viertel, im Südwesten wird es von der Lasserstraße, im Südosten von der Fürbergstraße begrenzt.

„HEIMO PFEIFENBERGER GEMEINSAM MIT EINEM TRACHTTRAGENDEN ZAUBERER UND/ODER WEIHNACHTSMANN“ Zugegeben, es ist kein Leichtes, Menschen zwischen den Sauforgien Weihnachten und Silvester zum gepflegten Alkoholkonsum im Rahmen eines Beisltests zu animieren. Noch schwieriger wird es, wenn es um ein Testgebiet hinter dem Kapuzinerberg geht – wenig Licht, viel Schatten. Das wirkt gerade am kalten Jahresende bedrohlich und lädt nicht zum geselligen Beisammensein ein. Doch letztendlich siegte das Pflichtbewusstsein: Die Beisltour-Stammbelegschaft gab den Geist (und das Bier) nicht auf und recherchierte ganz im Sinne der ÖH-Serviceorientierung, wo man im ehemaligen Moorgebiet am besten versumpfen kann. Wie immer galten die bewährten Beisltest-Regeln: 1 Bier und 1 Schnaps pro Lokal, danach wird kompromisslos weitergewandert. Katrin Stüberl Im Katrin-Stüberl werden wir sofort freundlich begrüßt und quasi vor vollendete Tatsachen gestellt:

„Griaß eich! Vier Bier, oder?“ – „Ja, bit…“ – „Und vier Schnaps?“ – „Jo.“ Derart effiziente Bedienung sind wir nicht gewohnt und auch die Kenntnis unserer Spielregeln erstaunt uns. Der Name des Etablissements ist übrigens trügerisch, denn geführt wird das unscheinbare Lokal neben der Tankstelle in der Gabelsberger Straße von Günther. Üblicherweise wird im 1958 gegründeten Stüberl Zipfer Bier ausgeschenkt, dieses Mal aber ausnahmsweise Stiegl, wofür sich die Wirtin dann auch gleich entschuldigt. Über diesen Makel sehen wir großzügig hinweg, weil uns kurz zuvor Erdnuss-Snips kredenzt wurden. Die ca. 50 Sitzplätze werden gewöhnlich von Stammgästen aus dem Eisenbahnermilieu belegt – im Sommer kommt noch ein aus einem Tisch bestehender Gastgarten hinzu. Zum Testtermin ist das Stüberl leider recht leer. Für Unterhaltung ist trotzdem gesorgt, denn aus den Boxen klingen unaufdringlich die neuesten Radio-Hits. Die Wände zieren Fotos der Salzburger Europacup-Helden aus den 90ern: Einmal das Mannschaftsfoto (selbstverständlich signiert) sowie ein Foto von Heimo Pfeifenberger gemeinsam mit einem trachttragenden Zauberer und/oder Weihnachtsmann – ebenfalls mit Autogramm (von welchem der beiden, ist allerdings unklar). Auch sonst ist der Raum recht geschmackvoll eingerichtet. Die Toiletten im 70er-Jahre-Stil sind sauber, für alle Fälle gibt es einen Kondomautomaten. Nachdem wir unsere Rechnung beglichen haben (3,70€ für das Bier, 3€ für den Schnaps) und uns ein gerade eintreffender Stammgast einen guten Rutsch wünscht, verlassen wir das Stüberl und ziehen weiter. Maria’s Gecco Unser Weg führt uns ans andere Ende der Gabelsberger Straße zu Maria‘s Gecco. Die anfängliche Skepsis, mit der uns unsere Mittrinker (allesamt 50+) im


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engen Lokal beäugen, verflüchtigt sich schnell, weil sie nach unserer Bestellung erkennen, dass wir es ernst meinen und keineswegs Amateurtrinker sind. Eine Testerin bestellt statt Bier ausnahmsweise die Spezialität des Hauses: den Gecco, ein Mischgetränk aus Holunderblütensaft, Rosé, Sekt und Eiswürferl (oder so). Seinen Namen verdankt das Gecco den zahlreichen Gekko-Figuren, die einst im Lokal aufgestellt waren. Mittlerweile hat die sympathische Besitzerin Maria deren Zahl allerdings auf 2 beschränkt. Recht streng wird die Sperrstunde gehandhabt. Um 23 Uhr ist Schluss, sonst revoltieren die bösen Anrainer, die übrigens auch daran schuld sind, dass man im zweiten Raum des Gecco – einem „Lagerraum“ – weder

sitzen noch Alkohol konsumieren darf. Lediglich die Durchreise zu den sauberen Toiletten ist gestattet. Maria enttarnt uns schnell als Beisltester und klärt uns darüber auf, dass hier auch schon andere Beisltouristen Station gemacht haben. Aus deren eigens für solche Touren angefertigter Anleitung, die uns Maria stolz präsentiert, erfahren wir, dass sie sich als „Beisler“ bezeichnen und eine eigene Hymne haben. Angeblich lassen sie sogar eigene T-Shirts speziell für diesen Anlass bedrucken. Derartigen Aufwand wollen wir nicht betreiben; wir konzentrieren uns weiterhin auf das Wesentliche: Bier und Schnaps, die hier 3,60€ bzw. 2,80€ kosten und die wir zusammen mit kostenlosen Knabbereien genießen.

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s’Sterneckerl Wir wandern die Sterneckstraße entlang, vorbei an einem Bordell, der Rotkreuz-Zentrale und einem Reifenhändler, bis wir unseren nächsten Halt erreichen: s’Sterneckerl. Dass wir hier genau richtig sind, erkennen wir bereits am Rollator, der vor der Eingangstür geparkt ist. Als wir selbige öffnen, bekommen wir eine erste Kostprobe der hiesigen Luftqualität. Nichtraucherschutz wird im Sterneckerl – wie auch in allen anderen getesteten Beisln – klein geschrieben. Dem Servicecharakter der ÖH verpflichtet, nehmen wir aber auch diese Gefahr auf uns und betreten unerschrocken das Lokal. Für die akustische Untermalung sorgen hier – im Gegensatz zu den anderen Beisln – die Gäste; Musik hört man keine. Noch weniger als diese Tatsache stören uns die Getränkepreise: 3,50€ für das Bier, 2,50€ für den Schnaps – so macht Trinken Spaß! Während wir uns über die Dartscheibe, die direkt über einem Tisch angebracht ist, wundern, werden wir von Martin*, einem der Stammgäste angesprochen. Dieser genießt nach zweijährigem Aufenthalt in einer Haftanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (wegen übertriebener Notwehr) seit einigen Monaten endlich wieder die Freiheit. Noch 3-4 Jahre Bewährung, psychische Probleme überwinden, dann Familie gründen und Haus bauen – sein Kollege, ein junger Mann mit stattlichem Vokuhila und stylischem Bauchtascherl, nickt anerkennend. Von den meisten Gerichten auf der Speisekarte raten die beiden uns ab, lediglich das Schnitzel sei ganz in Ordnung („Do gibt’s goa nix!“) – um diese Uhrzeit solle man die Kellnerin damit aber lieber nicht nerven.

Bevor wir unauffällig die Flucht ergreifen, kontrollieren wir noch die Toiletten – Fazit: Sauber und auch hier hat man sicherheitshalber einen Kondomautomaten montiert. Wir fragen uns beim Verlassen des Lokals mit Raststättencharme besorgt, ob der Rollatorfahrer wohl seine Schneeketten mit hat. Mittlerweile hat es nämlich zu schneien begonnen.

„EIN JUNGER MANN MIT STATTLICHEM VOKUHILA UND STYLISCHEM BAUCHTASCHERL NICKT ANERKENNEND.“ Harry’s Was vielversprechend klingt, sollte sich leider als Enttäuschung des Abends herausstellen. Schon von draußen ist klar erkennbar, dass es sich bei Harry’s im Einkaufszentrum ZIB nicht um ein Beisl im klassischen Sinn handelt, sondern eher um eine glitzernde und funkelnde, viel zu saubere und moderne Möchtegern-Hipsterbude für Menschen über 40. Weil wir weltoffene und tolerante Menschen sind, beschließen wir, der Bar trotzdem eine Chance zu geben, denn solange es Bier und Schnaps gibt, sind wir glücklich. Drinnen zeigt man an unserer Präsenz allerdings wenig Interesse. Es dauert 10 Minuten, bis wir endlich unsere Getränkewünsche kundtun können und auch dann wird das nur etappenweise zugelassen. Das führt dazu, dass das erste Bier (3,70€) schon wieder lauwarm ist, bis das letzte serviert wird. Zudem sind die meisten auf der Karte angepriesenen Spirituosen und


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Mischgetränke (Steirer, Twinni, Seitensprung etc.) nicht vorrätig. Einziger Lichtblick: Der hervorragend schmeckende Zirbenschnaps (3,20€). Nicht nur optisch ist offenkundig, dass wir hier nicht in einem Beisl trinken, auch die Luftqualität bestätigt die Vermutung: Dass hier geraucht wird, merkt man nicht. Während wir uns fragen, ob das nun gut oder schlecht ist, entdecken wir die Highlights der Bar: Zwei Dartscheiben mit genug Platz und Pfeilen sowie Musikmagazine aus den 90ern und 00ern. Über Kurt Cobain und seine Boys sind wir jetzt bestens informiert! Boomerang Pub Das beste an Harry’s: Nur einmal umfallen (tatsächlich!) und man liegt vorm Boomerang Pub in der Fürbergstraße. Anders als der Name vermuten lässt, werden die hiesigen Dartscheiben nicht mit australischen Wurfhölzern beschossen, sondern mit ganz konventionellen Pfeilen. Man scheint dabei auch recht er-

folgreich zu sein, denn die Regale biegen sich unter der Last zahlreicher kleiner, mittelgroßer und großer Pokale. Chips werden von der charmanten Bedienung zu Bier (3,40€) und Schnaps (3,00€) kostenlos zur Verfügung gestellt. Dass es auch im Boomerang am locus necessitatis einen Kondomautomaten gibt, lässt uns annehmen, dass die Schallmooser Bevölkerung besonders verantwortungsvoll sein muss. Für Unterhaltung sorgt ein Fernsehgerät, auf dem zuerst die Wiederholung der Darts-WM, später dann der TV-Klassiker Sexy Sportclips läuft. Der Besuch des Boomerang wird so zum würdigen Abschluss unseres vierten Beisltests. Wie immer erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Über Anregungen und Geheimtipps für kommende Kontrolltouren freut sich die Redaktion außerordentlich (presse@oeh-salzburg.at). Prost!

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Disclaimer: Der Test wurde in unserer Freizeit durchgeführt, dadurch keine Studierendeninteressenvertretungsarbeit vernachlässigt. Es wurden keine ÖH-Mittel aufgewendet. Es gab keinerlei finanzielle Zuwendungen seitens der Beisl-InhaberInnen.


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KULTUR & MENSCHEN

DARKNET Stefan Mey bietet mit seinem Debüt, Darknet (Untertitel: Waffen, Drogen Whistleblower. Wie die digitale Unterwelt funktioniert), erstaunliche Einblicke in die Funktionsweisen, Inhalte und Schauplätze der unbekannten Seite des Internets. Eine Rezension von Carlos Peter Reinelt

A

ls man mich vor der letzten Ausgabe der uni:press fragte, ob ich mein Ressort Politik&Gesellschaft abgeben und stattdessen die Leitung für Kunst&Kultur übernehmen könnte, war ich etwas zwiegespalten. Beides sind große Leidenschaften und Interessensfelder von mir, wobei ich mich zur Kunst hingezogen und zur Politik verpflichtet fühle. Nun denn, habe ich mir gedacht, bevor ich mich nach dem Nuklearkrieg dafür rechtfertigen muss, dass ich Trump für den besseren Politiker als Obama und Clinton gehalten habe, übernehme ich halt das seichtere Ressort. Als mir dann in der darauffolgenden Sitzung von der Chefin ein 240-Seiten langes Sachbuch über die Schattenseiten des Internets in die Hand gedrückt wurde, mit der Bitte, es für die nächste Ausgabe zu rezensieren, wurde mir klar: Fuck. Lasst mich gleich vorwegnehmen, dass ich (wie im Rezensionsbusiness üblich) das Buch gar nicht gelesen habe (dies zuzugeben im Rezensionsbusiness nicht üblich). Aus privatem Interesse habe ich aus dem 4. Kapitel Das „böse“ Darknet: Waffen, Terro-

rismus und Kinderpornographie den Abschnitt über die Sexfilmchen mit den doch a bisserl zu jungen Darstellern (meist -innen, also die zu jungen) gelesen. Gründlich recherchiert, mit ausreichend Quellen versehen und trotzdem nicht zu feige, eigene kritische Hypothesen aufzustellen, liest es sich als Laie durchaus kurzweilig. Als interessantes Beispiel: Es wurde untersucht, wie viel des gesamten Traffics des Darknets die Kinderpornographie ausmacht. Diese Frage ist Bestandteil eines ideologischen Konflikts, sehen die einen im Darknet einen wichtigen Ort, an dem man geschützter politisch arbeiten kann (Stichwort: Anonymous, Whistleblower), die anderen einen Sammelplatz für pädophile MDMA-verkaufende Terroristen. Nonaned, raus kam, die Kinderpornographie ist tatsächlich für einen großen Teil des Verkehrs verantwortlich.1 Mit Schlüssen daraus müsse man aber vorsichtig sein, da Geheimdienste, Studienbetreiber, Hacker (welche die Verbindungen systematisch überladen) und Neugierige ebenso einen großen (aber nicht messbaren) Anteil an dieser hohen prozentuel-

1 Also die Zweideutigkeit dieses Satzes ist mir erst beim Korrekturlesen aufgefallen. Bin offenbar sogar unintendiert lustig.


KULTUR & MENSCHEN

len Verteilung Richtung Kinderpornographie haben dürften. Also man sieht, es lohnt sich sicher, das Buch zu lesen. Vielen Menschen (zu denen ich mich ganz klar dazuzähle) geht es mit Phänomenen wie Bitcoins und dem Darknet so, dass sie ein ungefähres Bild davon haben, wahrscheinlich sogar Artikel darüber gelesen und sich dann dank der immer noch fehlenden Expertise eine Meinung gebildet haben, in Wirklichkeit aber fast nichts davon verstehen. In diesem Sinne hätte es mir sicher gutgetan, das Buch zu lesen. Dass dem nicht so ist, dafür habe ich wenigstens eine verdammt gute Ausrede: Mein Großonkel, nennen wir ihn einfachheitshalber Gro, wurde 1936 geboren. 1939 floh die Familie aus dem Osten Deutschlands nach New York, wo sein kleiner Bruder (mein Großvater) geboren wurde. Von den spielenden Kindern gibt es sogar hauseigene Videoaufnahmen, die Filmspuren der verkauften Kamera als eine der wenigen geretteten Zeugen eines früheren Wohlstands. Zum Vergleich: Die ersten festgehaltenen bewegten Bilder meines Vaters entstehen erst im digitalen Zeitalter, es sind die dieselben, die auch schon mich zeigen. Gro ist ein Unikat. Kaum anderthalb Meter groß, seit seinen frühen Zwanzigern glatzköpfig, glücklich verheiratet und ein berüchtigter Geizkragen. Oder sagen wir lieber: Sparsamkeitskragen. Meine zwei Lieblingsanekdoten: Als Mitglied im Fitnesscenter geht er auch regelmäßig zum Duschen dahin, damit er kein Warmwasser bezahlen muss. Der 81-jährige Kindskopf ist tatsächlich noch so fit, dass er mir auf der alljährlichen Skitouren-Woche in den Tiroler Alpen stets davonrennt. Und einmal hat er, nachdem ein Touristenfernglas seine 1-Euro-Münze verschluckte, ohne zu funktionieren, der entsprechenden Firma eine E-Mail geschrieben und daraufhin die ganzen hundert Cent zurück auf sein Konto überwiesen bekommen. Spaßeshalber sage ich immer, dass man daran halt doch das Jüdische an ihm erkennt. Wobei es wohl eher an den Traumata einer Kriegs- und Nachkriegszeit liegen dürfte, die so viele (heimkehrende) Flüchtlinge durchlebt haben. Die Nazis hatten alles genommen und die Stalinisten wollten auch nicht so recht zurückgeben. Der IT-affine Gro war es auch, der schon 2004 die

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Leute per Skype auf ihr Festnetz anrief, während alle noch an ihren Kabeltelefonen hingen. War halt billiger. Und dieser Gro saß mir eben letztens bei einem kleinen Familienessen gegenüber, das erste Mal seit zwei Jahren (man sieht sich ja doch immer zu selten), zwinkert mir zu und erzählt mir geheimnistuerisch, dass er sich jetzt einen Raspberry Pi Einplatinencomputer kaufen wird und darauf einen Tor-Browser installieren will. Ich sah ihn mit meinen hab-nur-Bahnhof-verstanden-Augen an, woraufhin er mir verriet: „Um im Darknet zu surfen!“ Ich habe nicht länger nachgefragt. Aber ich war glücklich. Nachdem ich jährlich vor Weihnachten ein Kuvert mit einem satten Geldbetrag von ihm bekommen habe, konnte ich mich zum ersten Mal revanchieren, ging in mein Zimmer und schenkte ihm das Darknet-Exemplar, welches ich für die Rezension bekommen habe. Lieber Stefan (oder sehr geehrter Herr Mey, lol, bitte nenne doch eins deiner Kinder „Karl“ (oder „Carlos“, hehe)), sorry, dass ich das Buch nicht gelesen habe. Ich fordere die Leser*innen aber hiermit auf, es mir nicht gleichzutun und es sich zu besorgen. Hey, ist im C.H.Beck-Verlag erschienen, also sicher was Tolles. Aber vielleicht kannst du (oder könnten Sie) ja mein zweites Buch rezensieren, wenn es dann hoffentlich bald mal fertig und erschienen ist? Du müsstest es dafür nicht mal unbedingt lesen.

Das Darknet besteht aus viel mehr als nur dubiosen Geschäften

Buch erhältlich beim Verlag C.H.Beck


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KULTUR & MENSCHEN

zeit masch ine Interessantes, Kurioses und Schockierendes in alten uni:press-Ausgaben, entdeckt und ausgegraben von Christoph Würflinger

SCHWARZBLAU – EIN DÉJÀ-VU Politik ist ein schnelllebiges Geschäft. Hat die FPÖ Studiengebühren noch vor nicht allzu langer Zeit als „inakzeptable[n] Angriff auf den freien Hochschulzugang“ abgelehnt, so scheint das mittlerweile vergessen zu sein. Ähnliches hat sich bereits im Jahr 2000 zugetragen, wie uns in der uni:press-Ausgabe 611 (2000) berichtet wird. Wehrt euch! Frau Minister Gehrer hat im Sommer das Tabuthema Studiengebühren angesprochen. Selbstverständlich kann sie sich vorerst nur Gebühren für studierende Senioren oder ein Zweitstudium vorstellen. Aha. Doch Überraschung, Frau Gehrer hat ihre Meinung geändert, zum wiederholten Male, denn am 8. Februar 2000 lautete ihre Ansage noch: ‚Das Grundstudium ohne Studiengebühren ist mir ein Anliegen.‘ (Standard 20.9.2000, S 3) Und was bis 13. September gegolten hat, wurde mit 19. des selben Monats anders formuliert. Klartext: Frau Gehrer und Karl Heinz bringen zusammen das Vorhaben von Studiengebühren zur Beschlußfassung im Ministerrat vor. Für alle Studierenden sollen ab Wintersemester 2001/2002 Studiengebühren in der Höhe von 5.000 ATS pro Semester zusätzlich an Kosten anfallen, sozusagen als Selbstbehalt im Gratissystem. Das hieße bsp.weise für eine Familie mit drei studierenden Kindern pro Semester 15.000,- bzw. rechnet man diese


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Summe auf die Mindeststudiendauer von 8 Semestern (wie etwa in Publizistik etc.) pro Kind, kommt das ‚Gut‘ Bildung auf 120.000,- ATS, ein Klacks, zumindest ganz sicher für Spitzenverdiener wie Herr Grasser; na ja und die Pensionisten (Pensionistinnen werden meist mit noch weniger abgespeist) mit bsp.weise 11.000,- Rente pro Monat sollen sich nicht so anstellen, haben doch eh sicher alle ihre Schweizer Konten. Doch realistischerweise werden es die studierenden Kinder sein, die für diese Gebühren arbeiten gehen und deren Studienabschluß sich deshalb verzögert. Argumente, daß damit LangzeitstudentInnen abgeschreckt werden, sind schlicht und ergreifend unwahr, da die Söhne reicher Väter auch weiterhin kein Problem mit 5000,- weniger im Börsl haben werden. Und von den Töchtern reden wir gar nicht mehr, da diese dann dort sind, wo sie hingehören, bei Heim und Herd, worauf wahrscheinlich auch der neue ÖVP-Slogan der Frauenoffensive hinweist: ‚Stark, Schwarz, weiblich‘ vom vielen Schweinsbraten in das Rohr schieben, oder wie. Aber Elisabeth sagt ja auch, sie will dafür die Stipendienhöhe und den Bezieherkreis ausweiten. Nun ja, bei 13,5% österreichweit, die wirklich Studienbeihilfe beziehen, wird es wohl nicht schwierig sein, die Statistik etwas aufzubessern. (Vor allem, wenn man schon Erfahrung darin hat oder wie kommt man sonst auf die Zahl von 43% der StudentInnen, die im letzten Jahr keine Prüfungen absolviert haben sollen?) Interessant auch, daß das letzte, was man vor dem Sommer in bezug auf das Stipendium gehört hat, war, daß man, da ja 12 Monate im Jahr Beihilfe kassiert wird, auch nur 12 Mal im Jahr 3899,- dazu verdienen dürfen soll. Congratulations, es lebe die Schwarzarbeit und die drop-out Quote. [...] Laut EU-Angaben liegen die Ausgaben für Forschung in Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Doch anstatt sich Lösungsansätze zu überlegen, wie das Niveau der Universitäten angehoben werden kann, sollen die Studiengebühren zur Budgetkonsolidierung beitragen. Auch mit der Umwandlung der Unis in Gesellschaften mit beschränkter Haftung trifft man nicht des Pudels Kern. Abgesehen von den Studiengebühren, die damit ebenso verbunden sind, wie deren stetig zu befürchtender Anstieg, droht dem Land eine weitere Welle der geistigen Verrohung. Schon jetzt gibt es unzählige Fakten, die belegen, daß bsp.weise die Geisteswissenschaften aufgrund der Sparmaßnahmen nicht ihren vollen Betrieb führen können. Dafür gibt es ganz tolle Unternehmen wie wahrscheinlich die Alpenmilch, die sich bald an den Kunsthochschulen einkaufen werden, um dort lustige Bierzeltkühe zu produzieren. Oder die Durchführung wichtiger Auftragsforschung in der Politikwissenschaft, wie Seminare zum Thema Asylmißbrauch. Eine Qualitätsverbesserung der Universitäten durch die Studiengebühren wird genau so lange nicht eintreten, wie Studierende nicht die Möglichkeit haben, ihre Lehrenden zu kündigen. [...] Nun, es ist traurig aber wahr, einem Land, das aus Universitäten Unternehmen für Unternehmerkinder machen will, die Würde gewisser Menschengruppen ständig verletzt und sich zurückführen will, zu Ehre und Treue, muß man unter die Arme greifen. Wir fordern daher a) eine Volksabstimmung für die Wiedereinführung der Sanktionen b) sofortiges Diskussionsende zum Thema Studiengebühren – Nein! und werden c) auch gewaltlosen Widerstand leisten, sollte uns nicht Gehör geschenkt werden!


© GuentherZ/Wikipedia


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