UP #693: Ausschluss (Juni 2018)

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UNI:PRESS STUDIERENDENZEITUNG DER ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHÜLERiNNENSCHAFT DER UNIVERSITÄT SALZBURG — #693 Juni 2018 —


STUDIENGEBÜHREN FÜR BERUFSTÄTIGE ABSCHAFFEN! Ab Herbst 2018 müssen auch berufstätige Studierende Studiengebühren bezahlen, wenn sie die Mindeststudiendauer (+ zwei Toleranzsemester) überschreiten. Bisher waren sie davon befreit. Die Universität Linz will nun die Möglichkeit nutzen, selbständig Erlassgründe festzusetzen und berufstätige Studierende von den Gebühren zu befreien; auch an der Uni Innsbruck ist eine solche Regelung im Gespräch. Unser Rektor Heinrich Schmidinger hält das nicht für notwendig.

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IMPRESSUM Medieninhaberin: Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Paris Lodron Universität Salzburg (ÖH Salzburg), Kaigasse 28, 5020 Salzburg, www.oeh-salzburg.at, sekretariat@oeh-salzburg.at / Herausgeber: HochschülerInnenschaft / Pressereferentin: Carolina Forstner / Layout: Michael Seifert / Lektorat: Julia Kellner & die Redaktion/ Anzeigen und Vertrieb: Martina Winkler Redaktion (Kontakt: presse@oeh-salzburg.at): Carolina Forstner, Hannah Wahl, Carlos Reinelt, Christoph Würflinger / AutorInnen in dieser Ausgabe: Kay-Michael Dankl, Christoph Würflinger, Marlene Eisner, A. Nonym, Christof Fellner, Alexander Pinwinkler, Gruppe Transbib, Carolina Forstner, Carlos P. Reinelt, Hannah Wahl, Bernhard Landkammer. Druckerei: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H. / www.berger.at / Auflage: 7.000. Für Verbesserungsvorschläge und kritische Hinweise sind wir sehr dankbar. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors/der Autorin und nicht immer die Sichtweise der Redaktion wieder.

Die ÖH Uni Salzburg bedankt sich bei folgenden Gemeinden für ihre Spenden zur Finanzierung der Mensacard: St. Johann und Altenmarkt in Pongau


EDITORIAL

Carolina Forstner

Hannah Wahl

Carlos Reinelt

Michael Seifert

Christoph Würflinger

Liebe LeserIn Okay, okay, wir wissen es: „Ausschluss“ ist nicht gerade der vielversprechenste Titel für die letzte Ausgabe der uni:press in diesem Semester, aber wir konnten schlicht und einfach nicht anders. 61 Prozent der Studierenden in Österreich müssen neben dem Studium 20 Stunden in der Woche arbeiten, um über die Runden zu kommen und sich ihr Studium leisten zu können. Drohende Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen werden womöglich genau das erzielen was die schwarz-blaue Regierung hinter dem nebulösen Begriff „Studienplatzfinanzierung“ verschleiert – wer nicht mit einer finanziellen Geldspritze von Mama und Papa gesegnet ist oder dem immer weiter ansteigenden Druck, als Nebenprodukt des stupiden Nachhechelns von ECTS-Punkten und Hineinstopfen von Powerpoint-Folien, nicht mehr standhalten kann, fällt

durchs sprichwörtliche Nudelsieb und wird, ganz so wie es sich die neue Regierung wünscht, ausgemustert. Keine wirklich rosigen Aussichten also. Aber wir wären nicht die uni:press wenn wir nicht wenigstens ein paar Lösungsansätze in petto hätten – kurzfristige – wie etwa in den Beisln Salzburg Süds alle Sorgen bei kühlem Bier und Spritzer für ein paar Stunden zu vergessen, oder auch nachhaltige, wie die Lektüre dieser Ausgabe. Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen! Deine Redaktion Fragen, Wünsche, Anregungen, Kritik wie immer an presse@oeh-salzburg.at

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INHALT

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Achtung: Regierung plant Knock-Out-Tests! Kein Geld fürs Studium Wie die schwarzblaue Regierung Menschen vom Recht auf Bildung ausschließen will Sperrt die Mensa zu

fellner'sche weisheiten Ausschluss Master EU-Studies: Zukünftig beschränkt!

UNI & LEBEN

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Anonym veröffentlichen? Kein Problem! Was heißt Salzburgs neue Landesregierung für uns Studierende? uni:press Exklusiv: Die ehrliche Ausschreibung der Stelle des Rektors der Uni Salzburg Was ist 1 Rektor?

Sexuelle Belästigung an der Uni Salzburg Subversive Elemente an der Universität Salzburg fellner'sche Sommertipps: Sommer ist, was in deinem Kopf passiert


INHALT

POLITIK & GESELLSCHAFT

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Verdrängte Erinnerung: Die Salzburger Bücherverbrennung vom 30. April 1938 Das hat Marx nicht verdient! Reaktion auf "Mal wieder Marx lesen" aus der uni:press #692 46 Nazis, 37 Frauen Salzburgs Straßennamen No S20! Gegen den Gipfel der Herrschaft Wer alt ist, und immer noch links...

Das Mindeste wegnehmen?!

KULTUR & MENSCHEN

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"Satire darf alles, sofern es Satire ist." Interview mit Dieter Hanitzsch Frauen & Macht Mary Beard Bio-Elefantenfleisch A Perfect Circle Album-Review uni:press Filmtipps Angel Heart und andere Geheimtipps Der ultimative uni:press Beisltest Teil 6 - Salzburg Süd Zeit für Lyrik Die junge Magd von Georg Trakl Zeitmaschine Zellteilung im WD-Heim

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© Sdo216/Wikipedia

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Der Horror aller, die studieren wollen: Knock-Out-Tests vor Studienbeginn, die nur dazu dienen, junge Leute vom Studieren abzuhalten. Dieser Albtraum droht unter der Schwarz-Blauen Regierung bald Wirklichkeit zu werden. Von Kay-Michael Dankl


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ie ÖVP-FPÖ-Regierung will massenhaft Studienplätze vernichten. Konkret wollen Kurz und Strache die Art, wie Unis finanziert werden, ändern. Derzeit verhandelt die Regierung alle drei Jahre mit den Unis über die Höhe ihrer Budgets, ohne dass der reale Bedarf eine große Rolle spielt. Die Folge: Selbst wenn die Studierendenzahlen in einem Fach steigen und die Studienbedingungen schlechter werden, heißt das nicht, dass mehr Mittel bereitgestellt werden. Kurz & Strache: Weniger Studierende statt mehr Geld Das zu ändern, wäre naheliegend. Der Teufel liegt aber im “wie”. Denn um die Qualität des Studierens und Lehrens zu steigern, kann man entweder das Budget erhöhen - oder die Zahl der Studierenden kürzen. ÖVP und FPÖ wollen Zweiteres. Geht es nach der Regierung, soll pro Studium definiert werden, wie viel ein Studienplatz kostet. Dabei werden etwa die Ausgaben für Lehrende, Laborplätze und Räume berücksichtigt. Dann weiß man, wie viel Geld es für eine bestimmte Anzahl an Studierenden bräuchte. Die Regierung will das Budget aber nicht erhöhen, sondern einfrieren oder gar kürzen. Damit trotzdem pro Studienplatz mehr Geld übrig bleibt, wollen sie die Zahl der Studierenden kürzen.

© Luigi Caputo

„SOBALD ES MEHR STUDIENANFÄNGERINNEN GIBT ALS ERLAUBTE STUDIENPLÄTZE, WIRD BRUTAL AUSGESIEBT.“ Teils jeder 2. Studienplatz ist bedroht! Wie will die Regierung die Studierendenzahlen dezimieren? Indem die Unis Knock-Out-Prüfungen einführen. Für jedes Studium will die Regierung eine bestimmte Zahl an Studienplätzen festgelegen - unabhängig davon, wie viele Plätze tatsächlich gebraucht werden. Zum Beispiel wird es in Jus ab 2019/20 österreichweit statt 8.600 Plätzen nur mehr 4.300 Plätze geben - also um die Hälfte weniger. Auch bei den Erziehungswissenschaften droht die Zahl der StudienanfängerInnen halbiert zu werden. Sobald es mehr StudienanfängerInnen gibt als erlaubte Studienplätze, wird brutal ausgesiebt. Bei den Knock-Out-Tests vor Studienbeginn geht es nicht darum, die Eignung für das Studium oder den Beruf zu prüfen. Es geht ums Aussieben. Einen Platz bekommen dann z.B. nur die 80, 50 oder 20 Prozent der KandidatInnen, die am besten abschneiden. Alle anderen werden abgewiesen - völlig egal, wie gut sie für das Studium geeignet wären.1

Kay-Michael Dankl (Jus und Politikwissenschaft) ist aktiv im Netzwerk Kritischer Studierender Salzburg und in den Studienvertretungen Politikwissenschaft und Doktorat KGW. 1 Selbst Eignungstests, bei denen es nicht ums Aussieben geht, sind sehr umstritten. Denn was soll eigentlich gemessen werden? Die Wahrscheinlichkeit, das Studium schnell abzuschließen, oder später im Beruf gut zu arbeiten? Was ist, wenn das Studium für verschiedene Berufe vorbereitet? Und wie soll mit einem Test und einem Gespräch gemessen werden, wie Menschen sich Jahre später entwickeln? Diese Fragen sind alle unbeantwortet, während die Folgen einer Nicht-Aufnahme das Leben eines jungen Menschen gravierend verändern können.


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Was passiert mit jungen Leuten, die dem Fallbeil der Regierung zum Opfer fallen? Die müssen ein Jahr warten, lernen und erneut antreten - was sich viele nicht leisten können. Viele werden auf verwandte Fächer ausweichen. Schon jetzt wechseln etwa viele von Jus zu Politikwissenschaft oder von Psychologie zu Pädagogik oder Soziologie. Das führt dazu, dass in immer mehr Fächern Knock-Out-Prüfungen eingeführt werden.

Stipendien zu verlieren und im Folgejahr wieder zur Prüfung anzutreten, können sich wohl die wenigsten leisten!

Stress und Ellbogen statt echte Bildung Die drohenden Knock-Out-Prüfungen bedeuten, dass viele junge Leute nicht das studieren können, was sie interessiert. Ihnen wird die Möglichkeit genommen, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Selbst für jene, die es durch die Knock-Out-Prüfungen schaffen, entsteht enormer Stress. Das beginnt mit den belastenden Aufnahmeprüfungen vor dem Bachelor und setzt sich bis zum Master oder Doktorat fort. Beim Master oder Doktorat dürfen dann nur aus einem Jahrgang studieren. Wer das ist, entscheiden Prüfungsergebnisse (von denen man weiß, dass sie im Studium oft eher willkürlich vergeben werden) oder eine Aufnahmeprüfung. Wer mal einen schlechten Tag hat, sich keine teuren Vorbereitungskurse leisten kann oder aus Arbeits- und Familiengründen wenig Zeit zum Lernen hat, hat Pech. Dann zu warten,

Bereits jetzt leiden viele Studierende unter Prüfungsangst und Stress bis hin zu Depressionen und Burnout. Mit der - von der Regierung beabsichtigten - Steigerung des Drucks verändert sich auch das Klima unter den Studierenden. Im Bachelor heißt es dann: Jeder gegen jeden. Schließlich könnte jede Kollegin der Grund sein, warum man es knapp nicht in den Master schafft. Unsicherheit, Druck und Konkurrenz schaffen eine Ellbogengesellschaft, in der wir Studierende zu vereinsamten Lern-Robotern werden sollen, die ECTS-Punkten nachhecheln und Powerpoint-Folien in sich hineinstopfen. Echte Bildung, die Zeit braucht, gemeinschaftliches Lernen und die persönliche, charakterliche Weiterentwicklung werden noch mehr auf der Strecke bleiben. Glücklich ist, wer zu den reichsten 5% der Gesellschaft zählt und sich sündteure Privat-Unis leisten kann.

„UNSICHERHEIT, DRUCK UND KONKURRENZ SCHAFFEN EINE ELLBOGENGESELLSCHAFT, IN DER WIR STUDIERENDE ZU VEREINSAMTEN LERN-ROBOTERN WERDEN SOLLEN.“


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Etikettenschwindel auf unsere Kosten Anstatt sich nicht weiterhin vor einer angemessenen Finanzierung der Hochschulen zu drücken, läuft die schwarz-blaue “Studienplatzfinanzierung” auf einen Kahlschlag hinaus. Dieser Etikettenschwindel ist so dreist und irreführend, als würde man S-Bahn-Bahnsteige verkleinern, so dass Menschen auf die Gleise stürzen - und das “Bahnsteig-Finanzierung” nennen. Kurz und Strache verheimlichen mit dem Begriff “Studienplatzfinanzierung”, worum es eigentlich geht: Nämlich brutale Selektion und Verknappung, mit dem Ziel, Bildung noch mehr der Profit-Logik des Kapitalismus zu unterwerfen, Studierende zur Selbstausbeutung zu trimmen und den Freiraum für kritisches Denken zu ersticken. Das ist gesellschaftlich fatal - und im Übrigen rechtswidrig: Österreich hat sich im “Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte” dazu verpflichtet, schrittweise den freien Zugang zu höherer Bildung einzuführen. Mit Knock-Out-Tests und finanziellen Daumenschrauben wie Studiengebühren machen Kurz und Strache das Gegenteil.2

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Lassen wir uns das nicht gefallen! Was die schwarz-blaue Regierung mit uns vorhat, schadet uns allen. Und es droht, die österreichischen Unis auf Dauer negativ zu verändern. Wir müssen uns das nicht gefallen lassen. Wir sind viele und wenn wir uns gemeinsam für unsere Interessen einsetzen, können wir viel bewegen. Öffentliche, frei zugängliche Bildung ist ein hohes Gut, für das es sich lohnt, zu kämpfen.

Organisiere dich mit deinen Mitstudierenden und melde dich bei der ÖH Salzburg, wenn du dir vorstellen kannst, im nächsten Semester bei einer Aktion oder Veranstaltung mitzumachen. Jede Unterstützung zählt! Jetzt schreiben & aktiv werden: vorsitz@oeh-salzburg.at

2 Art. 13 (2) c): Die Vertragsstaaten verpflichten sich dazu, dass “[...] die verschiedenen Formen des höheren Schulwesens einschließlich des höheren Fach- und Berufsschulwesens auf jede geeignete Weise [...] allgemein verfügbar und jedermann zugänglich gemacht werden müssen”


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Entgegen der weitverbreiteten Annahme gibt es in Österreich immer noch Studiengebühren und geht es nach der schwarzblauen Regierung, werden sie in absehbarer Zeit wieder flächendeckend eingeführt. Tausende Menschen werden so vom Studium ausgeschlossen. Von Christoph Würflinger

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63,63 Euro pro Semester kostet aktuell das Studium an öffentlichen Universitäten in Österreich. In der Mindeststudiendauer (+ Toleranzsemester) fallen keine Gebühren an. Menschen, die aus Nicht-EU/EWR-Staaten kommen, müssen ab Studienbeginn die doppelten Studiengebühren bezahlen – 726 Euro pro Semester. Zur Befreiung von den Studiengebühren können folgende Gründe geltend gemacht werden: Ableisten des Zivil- oder Wehrdienstes, Schwangerschaft, schwere Krankheit oder eine Beeinträchtigung von mindestens 50%. Wer ein Doppelstudium betreibt und mindestens 15 ECTS-Punkte pro Studienrichtung und Semester absolviert hat, kann beim Wissenschaftsministerium eine Rückerstattung beantragen.

„DASS EIN STUDIUM IN MINDESTSTUDIENDAUER DURCH BERUFSTÄTIGKEIT IN VIELEN FÄLLEN UNMÖGLICH WIRD, LIEGT AUF DER HAND.“ Berufstätige, die bisher ab einem gewissen Verdienst (5.959,80 Euro im Kalenderjahr 2017) von den Gebühren befreit waren, müssen ab Herbst 2018 Studiengebühren bezahlen – eine unsinnige Regelung. Rund zwei Drittel der Studierenden muss arbeiten, um sich ein Studium leisten zu können. Dass ein Studium in Mindeststudiendauer durch Berufstätigkeit in vielen Fällen unmöglich wird, liegt auf der Hand. Die Universitäten in Linz und Innsbruck nutzen deshalb die Möglichkeit, selbständig Erlassgründe festzulegen, um berufstätige Studierende von den Gebühren zu befreien. Rektor Schmidinger hat eine solche Regelung für Salzburg allerdings abgelehnt. Neben anderen unsinnigen Vorschlägen, die dem klassischen konservativen Feindbild „Student“ entsprechen („Verhaltensanreize für ein zügigeres Studieren und eine Steigerung der Ernsthaftigkeit“, Festlegung einer Maximalstudiendauer, Reduzierung der Prüfungsantritte, Einschränkung der Inskrip-

tion für mehrere Fächer, Einführung einer Mindest-ECTS-Anzahl für das erste Semester), will die schwarzblaue Regierung auch wieder „moderate“ Studiengebühren einführen. Als die letzte schwarzblaue Regierung Studiengebühren eingeführt hat, stürzten die Studierendenzahlen dramatisch ab: 20% der Studierenden – rund 45.000 Personen – mussten ihr Studium abbrechen. Den kaviarfressenden und sektschlürfenden oberen 10.000, deren Interessen die Regierung vertritt, mag es nicht so ganz bewusst sein, aber: Sogar „moderate“ Beträge sind für viele Menschen eine Menge Geld. Oft wird polemisch bemerkt, dass man dann eben im Jahr einmal weniger auf Urlaub fahren oder das Rauchen aufgeben solle. Doch 26% (!) der Studierenden sind im reichen Land Österreich von Armut betroffen. 61% der Studierenden müssen neben dem Studium durchschnittlich 20 Stunden pro Woche arbeiten. Es geht hier also nicht darum, ein paar Jahre durchzubeißen und auf Luxus zu verzichten: Zweimal jährlich einen moderaten Betrag fürs Studium bezahlen zu müssen, bedeutet, sich zwei Monate im Jahr die Miete nicht leisten zu können oder ein Semester lang kein Essen kaufen zu können.

„61% DER STUDIERENDEN MÜSSEN NEBEN DEM STUDIUM DURCHSCHNITTLICH 20 STUNDEN PRO WOCHE ARBEITEN. “ Die Einführung von Studiengebühren kann also nur zwei Konsequenzen haben: Viele Studierende werden ihr Studium abbrechen müssen – 20% sind aktuell etwa 70.000 Studierende. Andere werden noch mehr arbeiten müssen, um sich das Studium leisten zu können. Sie werden deshalb noch länger für ihr Studium brauchen – und hier greift der perfide Plan der Regierung: Dank der Maximalstudiendauer können auch sie vom Recht auf Bildung ausgeschlossen werden.

Christoph Würflinger studiert Geschichte und ist seit 2012 in verschiedenen Funktionen als Studierendenvertreter aktiv.

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Vor einem Jahr wurde die Petition gegen die geplante Schließung der Geswi-Mensa 770-mal unterzeichnet. Die Forderungen waren klar: Die Mensa sollte nicht nur geöffnet bleiben, sondern auch besser werden. Doch ist die Mensa überhaupt noch zu retten? Oder gibt es sogar weitaus attraktivere Alternativen? Von Marlene Eisner

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ass die Schließung der Geswi-Mensa nichts Gutes für die Studierenden bedeutet, darüber waren sich viele einig. Immerhin hätten über 2.000 Studierende keine Möglichkeit mehr, sich gesund und günstig an ihrer Fakultät zu versorgen. Eine Petition zum Erhalt der Mensa wurde initiiert, Gespräche mit den Verantwortlichen geführt – mit mäßigem Erfolg. Die Forderungen nach vernünftigen Öffnungszeiten wurden nur kurz, jene nach einem besseren Angebot nur halbherzig umgesetzt und jene nach Preissenkung gänzlich ignoriert – das versprochene neue Konzept brachte keineswegs die erhofften Verbesserungen für Studierende. Und auch die Haltung der Mensa-Betriebsgesellschaft gegenüber ihrer Hauptklientel blieb: Wieder wurden die Öffnungszeiten still und heimlich schrittweise eingeschränkt. Man kann sich lange Zeit über das Verhalten der Mensa ärgern, die das Kunststück fertigbringt, als nicht-profitorientiertes Unternehmen einen Standort mit über 2.000 potentiellen KundInnen defizitär zu führen. Oder man kann sich überlegen, ob es nicht vernünftige Alternativen gibt. Von Studierenden für Studierende – eine Lösung? Manchmal muss man einfach nur über den Tellerrand blicken. Immer wieder entfachten die Lebensumstände von Studierenden und die Ideen von selbstverwalteten, nicht profitorientierten Konzepten, verschiedene Projekte, Cafés und Beisl. Viele scheiterten, manche halten sich wacker. Eine schon existente Salzburger Alternative ist die ÖH-Frei:Kost. Einmal wöchentlich kochen Studierende für Studierende im Freiraum in der Kaigasse 17. Das selbstorganisierte Projekt wird von der ÖH koordiniert, „gezahlt“ wird nach dem Solidarprinzip: Jeder gibt, was er geben will – das „Pay-as-you-like“Prinzip macht niemanden arm. Damit die Frei:Kost funktioniert, braucht es jedoch Studierende, die Spaß am gemeinsamen Kochen haben und sich ehrenamtlich am Projekt beteiligen wollen. Damit selbstverwaltete Projekte wie die Frei:Kost funktionieren, braucht es DICH! Melde dich beim Organisationsreferat der ÖH Uni Salzburg (organisation@oeh-salzburg.at)!

Das TüWi an der BOKU in Wien ist ein Projekt, das noch weiter geht: Neben günstiger Verköstigung bietet der Verein für Kommunikation, Interaktion und Integration auch ein spannendes Kulturprogramm mit Lesungen, Konzerten, Filmvorführungen, Theater, Kabarett und und und. Damit bietet das TüWi und sein Studibeisl die besten Voraussetzungen für (studentischen) Austausch und lustige gemeinsame Veranstaltungen. Über 70 Mitglieder aus unterschiedlichen Studienrichtungen engagieren sich mittlerweile im TüWi. Schafft die Mensa ab Auch in den Räumlichkeiten der Mensa wäre ein studentisches Projekt mit Solidargedanke durchaus denkbar. Mit universitären Geldern gefördert, könnte man täglich eine warme Mahlzeit und Snacks zu Studipreisen anbieten. Wenn die Mensa-Betriebsgesellschaft unfähig oder unwillig ist, den Standort an der GesWi ordentlich weiterzuführen und die Versorgung auf nur drei (!) Stunden am Tag eingeschränkt wird, muss die Frage gestellt werden: Soll man die Mensa nicht lieber zusperren? – Alternativlos ist sie keinesfalls; es kann eigentlich nur besser werden.

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fellner ’sche weis heiten


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usschluss, so lautet das Thema dieser uni:press Ausgabe. Ausschluss, ein gern verwendetes Wort, sei es vom ausgeschlossenen Rechtsweg bis hin zum Ausschluss aus einer bestimmten Gemeinschaft. Doch wissen wir wirklich, was es bedeutet? Wer ausgeschlossen ist, soll an der Teilnahme von etwas gehindert werden, sei es nun zeitlich begrenzt oder für immer. Manchmal ist es die schwerstmögliche Form von Bestrafung (etwa als Freiheitsentzug), manchmal nur eine Zwischenstufe (etwa Verlust der Möglichkeit, sich zu einer weiteren Prüfung anzumelden, wenn man zur ersten nicht erscheint) und ein drittes Mal ist es nicht einmal das (man hört etwa in einem Betrieb auf zu arbeiten und verliert die sich daraus ergebenden Vorteile im Handel). Unsere derzeitige Gesellschaft schließt gerne aus. Die Möglichkeit der Blockade auf Facebook oder Twitter ist dafür das augenfälligste Symbol und doch auch das harmloseste. Und bevor ihr fragt, ja, klar, auch ich (und wohl sicher auch einige, die das eben lesen) habe das hin und wieder schon getan. Menschen, die wir nicht (mehr) mögen oder deren Haltung wir nicht sehen oder hören wollen, verschwinden im echten, analogen Leben nicht einfach. Und das ist gut so. Freilich kann uns niemand zu aktiver Kommunikation zwingen, aber laut Paul Watzlawik kann man das passiv sowieso nicht vermeiden. Wirklich problematisch aber ist jene Form von Ausschluss, gegen die sich die Ausgeschlossenen nicht zur Wehr setzen können und deren Regeln sich auch am laufenden Band ändern. Wer von euch hat sich nicht schon mal ausgeschlossen gefühlt, als Teil einer Outgroup? Das fängt vielleicht damit an, dass man nicht weiß, worüber die anderen lachen und endet vielleicht bei Mobbing und körperlichen Übergriffen. Nicht nur in Schulen, auch in Universitäten findet dies statt, wie euch gerade die letzte Ausgabe der uni:press gezeigt hat. Wir erleben dies seit Jahren schon im Bereich jener, die in Europa Schutz suchen. Ihr Ausschluss ist der deutlichste, denn er beruht auf Begründungen, die nicht einfach so aus dem Weg zu räumen sind. Sprachbarrieren, die bekannteste Form des sozialen Ausschlusses, sind nur die Einleitung in einer langen Reihe von Problemen, die schließlich in Schubhaft enden. Für den Staat und die Gesellschaft ist es die leichteste Lösung; jene, nach der sich rufen lässt, wenn man sich der Herausforderung nicht stellen kann oder will. Die Lösung, nach der zu rufen wir in vielen Jahren, von klein auf, gelernt haben, seit wir in den Volksschulen erlebt haben, wie unsere Lehrenden die Klassenrabauken in die Ecke gestellt haben. Nicht schon wieder, denken vielleicht einige unter euch. Sorry, I'm not sorry. Gesellschaften lassen sich, und sollten sich auch, daran messen, wie sie mit jenen umgehen, denen Ausschluss droht. Und das gilt auch für uns als Individuen. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Gespräche niemals abreißen sollten, auch – und gerade dann – wenn es hieß, in den sauren Apfel zu beißen. Probieren wir es aus. Und sollten unsere Gegenüber inzwischen wie Zitronen geworden sein, noch gibt es Zucker, um ihren Saft erträglich zu machen.

Christof Fellner studiert Politikwissenschaft, ist ÖH-Urgestein und würde am liebsten in der Arktis wohnen, weil er Sommer hasst.

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© Universität Salzburg

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Für das Masterstudium European Union Studies (EUS) wurde im Frühjahr eine “zahlenmäßige Zugangsbeschränkung und ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung” beschlossen. Wir haben uns diese neue Regelung genauer angeschaut. Von Christoph Würflinger

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ie derzeit (angeblich) hohe Dropout-Quote im Masterstudium EUS hat die EUS-Leitung - allen voran Leiterin Sonja Puntscher Riekmann und Stellvertreter Stefan Griller - dazu veranlasst, ein Aufnahmeverfahren zu beschließen. Damit sollen die Studierenden bei der Reflexion ihrer Studienwahl unterstützt und ihre Fähigkeit und Motivation überprüft werden. Dass es allerdings in Wirklichkeit nicht darum geht, sondern nur um eine Reduktion der Studierendenzahlen, zeigt die Tatsache, dass gleichzeitig der Zugang beschränkt wird: Unabhängig davon, wie reflektiert, motiviert oder fähig die StudienbewerberInnen in Zukunft sind, wird es pro Studienjahr nur mehr 50 Plätze geben. Wenn sich 70 top-motivierte und fähige Studierende bewerben, haben 20 von ihnen Pech und dürfen nicht mit dem Studium beginnen. Als Vorbild dient wohl das Psychologiestudium, dessen Zugangsbeschränkungen das Rektorat in der

aktuellen “Wissensbilanz” der Uni Salzburg (S. 20f ) ausführlich würdigt. Dort heißt es, dass die Studierenden aufgrund des Aufnahmeverfahrens “besser informiert und besser motiviert” seien und sich dadurch die Qualität im Studium erhöhe. Nun ist es aber so, dass Bachelor-AbsolventInnen wohl ziemlich genau wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie ein Masterstudium auswählen - erst recht, wenn es sich um eines handelt, für das es kein entsprechendes Bachelorstudium gibt. Puntscher Riekmann und Griller haben sich anscheinend keine Gedanken darüber gemacht, ob es vielleicht andere Gründe geben könnte, ein Studium abzubrechen - etwa die schlechte Vereinbarkeit mit Berufstätigkeit. Betroffene Studierende nennen zudem als Gründe, dass die Struktur des Studiums schlecht sei (Stichwort Voraussetzungsketten), dass viele Kurse nur alle zwei Semester stattfinden (insbesondere für jene ein Problem, die im Sommersemester starten) oder dass internationale Studierende bei


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Nichtbestehen von Prüfungen unter Umständen ihr Stipendium verlieren und deshalb abbrechen müssen. Doch nun zum Aufnahmeverfahren. Durchgeführt wird das Aufnahmeverfahren von einem bzw. einer KoordinatorIn, nicht etwa von einer Kommission. Das bedeutet: Eine einzelne Person entscheidet, ob jemand EUS studieren darf oder nicht. Dass es hier zu willkürlichen und subjektiven Entscheidungen kommen wird, liegt auf der Hand und wird offenbar gleichgültig in Kauf genommen.

„WILLKÜRLICHE ENTSCHEIDUNGEN WERDEN GLEICHGÜLTIG IN KAUF GENOMMEN.“ Eines der Kriterien für die Auswahl ist die Liste der bisher absolvierten Lehrveranstaltungen (samt Noten). Das ist insofern unsinnig als dass die Praxis der Notenvergabe zeigt, dass Objektivität und Vergleichbarkeit kaum gewährleistet sind: Was beim einen Prof für eine gute Note reicht, wird bei einem anderen mit einem Nicht Genügend abgestraft. Zudem sind Prüfungsnoten ungeeignet, den zukünftigen Studienerfolg vorherzusagen. Verfolgt die Uni diesen Weg, dann hat in Zukunft niemand, der z.B. das Einführungsmodul mit schlechten Noten abschließt, eine Chance auf einen Platz im Masterstudium - egal wie gut er/sie sich im weiteren Studienverlauf entwickelt hat. Dass die BewerberInnen von verschiedenen Instituten mit unterschiedlicher Benotungspraxis kommen, führt dieses Kriterium endgültig ad absurdum. Weiters: Die StudienbewerberInnen müssen eine von ihnen verfasste wissenschaftliche Arbeit in englischer Sprache einreichen. Gerade in Salzburg sehen aber die wenigsten Studienpläne Seminararbeiten in englischer Sprache vor. Kritisch zu sehen ist auch, dass Studierende aus den “Kerndisziplinen” Rechts-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften bevorzugt werden. Das steht dem im Studienplan formulierten

Anspruch eines offenen Masterstudiums, das Studierende verschiedenster Hintergründe zusammenführt, entgegen. Die beiden letzten, sehr vage formulierten Kriterien sind “Zielstrebigkeit” und “Leistungspotenzial”. Ihre Sinnhaftigkeit ist zu hinterfragen - wie misst man etwa Zielstrebigkeit? Mit der Studiendauer? Wird hier berücksichtigt, dass über 60 Prozent der Studierenden ihr Studium durch Arbeit finanzieren müssen und deshalb länger studieren? Dass Leute sich neben dem Studium politisch engagieren? Kann ein schnelles, gehetztes Studium überhaupt etwas darüber aussagen, wie viel jemand gelernt und sich in seinem Wissen, seiner kritischen Haltung und seiner wissenschaftlichen Arbeit weiterentwickelt hat? Wohl kaum. Aufnahmeverfahren und Zugangsbeschränkungen im Masterstudium EUS zeigen, wie verrückt die ganze Sache ist: Erwischt man im Bachelorstudium öfter Lehrende, die einen schlechten Tag haben und keine guten Noten vergeben, hat man Pech und kann nicht den erhofften Master studieren. Hat man im Bachelor nicht Jus, Politik oder Wirtschaft studiert, muss man sich nicht einmal die Mühe machen, sich zu bewerben - es ist aussichtslos. Ist im Bachelorstudium keine englischsprachige Seminararbeit vorgesehen - guess what?

„ERWISCHT MAN ÖFTER LEHRENDE, DIE KEINE GUTEN NOTEN VERGEBEN, HAT MAN PECH.“ Beschlossen werden solche Dinge übrigens von Lehrenden, die in den 70ern, 80ern und 90ern völlig frei studiert haben und sich über solche Sachen niemals Gedanken machen mussten. Jetzt hecheln sie dem Zeitgeist der “Exzellenz”, der Konkurrenz und des Standort-Denkens nach - auf Kosten von Bildung als öffentlichem Gut.

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uni & leben

Anonym Veröffentlichen?

Von A. Nonym

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s gibt gute Gründe, manche Artikel lieber anonym zu veröffentlichen. Sei es der Chef, dem kritische Artikel seiner MitarbeiterInnen in einer Zeitschrift ein Dorn im Auge sind. Seien es die Eltern, die dem Kind den Geldhahn abdrehen, wenn es politische Texte schreibt, anstatt sich brav die Powerpoint-Folien reinzustopfen. Seien es Lehrende, die sich in der Notengebung davon beeinflussen lassen, welche Texte ihre Studierenden veröffentlichen – womöglich sogar über sie und andere Profs. Auf dem Papier haben wir alle Meinungsfreiheit – aber wenn eine kritische Meinung tatsächlich auf dem Papier landet, können spürbare Nachteile drohen. Ein Beispiel: Der bayerische Staat verwehrt aktuell einem jungen Mann eine Anstellung als Lehrer, weil er in zwei linken Studierendengruppen aktiv war. Anonymität ist ein wichtiges Werkzeug, um AutorInnen gerade bei heiklen Themen zu schützen. Wieso wir darüber schreiben Als uni:press nehmen wir unsere Verantwortung ernst, die AutorInnen zu schützen. In unserer April-Ausgabe erschienen mehrere Artikel mit geänderten Namen. Das geschah auf Wunsch der VerfasserIn-

Kein Problem! nen. Ein Mitglied des ÖH-Studierendenparlaments forderte die Offenlegung der “bürgerlichen Namen” – als ÖH-Pressereferat unterliegen wir einer Auskunftspflicht gegenüber dem ÖH-Studierendenparlament. In diesem Fall haben wir uns aber dafür entschieden, mit Blick auf das unantastbare Redaktionsgeheimnis zu unseren Zusagen zu stehen und die AutorInnen zu schützen. Wie es in Zukunft läuft Bisher kannten wir die Namen unserer AutorInnen in der Regel - egal, ob die Artikel anonym oder namentlich veröffentlicht wurden. Um sicherzustellen, dass Studierende auch in Zukunft in begründeten Fällen Artikel unter Wahrung ihrer Anonymität veröffentlichen können, können Zuschriften jederzeit im ÖH-Postfach, Kaigasse 28 (Erdgeschoß), eingeworfen oder uns via Fantasie-E-Mail-Account an presse@oeh-salzburg.at zugeschickt werden. Das ist unser Dienst an der Meinungsfreiheit in einer Zeit, in der der Druck am Arbeitsmarkt wächst, das Internet nichts vergisst und staatliche Behörden nach rechts abrutschen. Viel Spaß beim Schreiben!


UNI & LEBEN

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© APA/BARBARA GINDL

WAS HEISST SALZBURGS NEUE LANDESREGIERUNG FÜR UNS STUDIERENDE?

5x ÖVP, 1x Grün und 1x Neos: Im Juli bestimmt Salzburgs frisch gewählter Landtag eine Landesregierung, die es in dieser Zusammensetzung in Österreich noch nicht gab. Aber steht uns Studierenden auch inhaltlich Neues bevor? Oder servieren sie alten Wein in neuen Schläuchen? Von Kay-Michael Dankl

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tudierende sollten die Politik von Andrea Klambauer (Neos) genau beobachten. Zwar ist Hochschulpolitik primär eine Zuständigkeit der Bundespolitik. Aber Klambauer wird Landesrätin für Wissenschaft und Forschung in der Salzburger Landesregierung. Als solche trifft sie Entscheidungen, die das Hochschulleben und den Alltag von Studierenden in Salzburg prägen. Das schwarz-grün-pinke Regierungsprogramm lässt erahnen, was auf uns zukommt.


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UNI & LEBEN

Schöne neue Welt? Wie jede gute PR-Agentur es empfiehlt, leiten die drei Koalitionsparteien ihr Regierungsprogramm pflichtbewusst mit einem Kapitel über “Bildung, Wissenschaft und Zukunft” ein. Unter “Zukunft” versteht zwar jeder etwas anderes, aber es klingt irgendwie wichtig. Bezeichnend ist die Sprache. Sie verrät, welche Ideologie dem Kapitel 1.3 über Wissenschaft und Forschung zu Grunde liegt. Schon in der Einleitung, noch vor einer Liste an Maßnahmen und Bekenntnissen, wirbeln die Autoren mit Phrasen wie “Exzellenz”, “Wettbewerb der Regionen” und die Transformation Salzburgs zu einem “attraktiven und dynamischen Standort” um sich.

„DAS ZIEL VON WISSENSCHAFT IST HIER NICHT DAS WOHLERGEHEN DER MENSCHHEIT, SONDERN DIE PROFITMAXIMIERUNG.“ Diese Begriffe sollen nicht nur dynamisch und hip wirken, sondern auch unmissverständlich zeigen: Hier geht es um Wissenschaft als Wirtschaftsfaktor. Das Ziel von Wissenschaft ist hier nicht das Wohlergehen der Menschheit (wie im Universitätsgesetz 2002 noch als Leitbild formuliert wird), sondern die Profitmaximierung. Das Bild, das die künftige Landesregierung zeichnet, ist von bienenartig geschäfti-

gen, flexibel-fitten Forschern bevölkert, von ominösen Kräften namens “Märkten” umrahmt und strahlt grell wie eine leuchtende Werbe-Anzeige.

„BEI DER FRAUENFÖRDERUNG UND DER SCHAFFUNG VON LEISTBAREM WOHNRAUM KOMMT DIE REGIERUNG ÜBER LIPPENBEKENNTNISSE NICHT HINAUS. “ Die Realität hinter der Reklame-Welt Die weniger blendenden, aber ganz realen alltäglichen Probleme von Studierenden, Lehrenden und Forschenden kommen hingegen nicht vor: Jene zwei Drittel der Studierenden, die einer Lohnarbeit nachgehen müssen, um das Studium zu finanzieren. Die vielen, die zwischen Studium, Arbeit, Praktika und Betreuungspflichten zerrieben werden. Die das Studium aus Geldsorgen abbrechen. Die vor den drohenden Studiengebühren zittern, weil ihre Eltern nicht das Geld haben, sie aus dem Portemonnaie zu zahlen. Alle, die im prekären Wissenschaftsbetrieb von Projekt zu Projekt leben und sich kein Leben aufbauen können. Die vielen, die der ständig wachsende Druck und Stress psychisch krank macht. Alle, denen eingetrichtert wird, die Gewinn-Interessen des zukünftigen Chefs sind im Studium wichtiger als das,


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© APA/BARBARA GINDL

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was einen eigentlich interessiert und man gerne machen möchte. Erfreulich ist das erklärte Ziel der neuen Regierung, die PädagogInnenbildung zu verbessern und vor allem die Elementarpädagogik zu stärken. Bei der Frauenförderung und der Schaffung von leistbarem Wohnraum kommt die Regierung aber über Lippenbekenntnisse nicht hinaus. Bei Formulierungen wie “Wir unterstützen Initiativen zur Bereitstellung von leistbarem Wohnraum für Studierende und für wissenschaftlichen Nachwuchs” bleibt unklar, was die Regierung vorhat, ob sie überhaupt gedenkt, aktiv zu werden, oder ob sie wartet, bis es aus heiterem Himmel Ideen, Konzepte und Initiativen regnet.

„DIE PRIVATE REICHEN-UNIVERSITÄT “PMU” DARF WEITERHIN MIT MILLIONENFÖRDERUNGEN DES LANDES RECHNEN.“ Alles für den Markt? Das Regierungsprogramm ist mehr als ein PR-Fetzen. Es ist in Papierform gebrachte Ideologie. Es transportiert einen bestimmen Blick auf die Welt und verschließt andere Zugänge dazu. Politik ist immer Interessen-orientiert. Es geht nie “um Salz-

burg” oder “um Österreich”. Denn eine alleinerziehende Studentin oder ein Absolvent, der arbeitslos ist und unter der Armutsgrenze lebt, hat ganz andere materielle Interessen als ein Herr Mateschitz von Red Bull oder die Familie Porsche. Wer Interessensgegensätze verschweigt oder leugnet, steht erfahrungsgemäß oft auf Seiten jener, die es sich richten können. Welche Interessen bedient die zukünftige Wissenschaftspolitik der Landesregierung? Die Unternehmen und Investoren werden explizit genannt. Dazu kommt ein – sehr selektiver – Ausbau der bestehenden Hochschulen, etwa im Bereich der Wirtschaftsinformatik und beim Wissenstransfer in Richtung Unternehmen. Auch die private Reichen-Universität “PMU” darf weiterhin mit Millionen-Förderungen des Landes rechnen. Wer dank reicher Eltern die 15.000 Euro (!) Studiengebühren im Jahr aufbringen kann und es – durch Leistung, Vitamin B oder großzügige Spenden – ins Medizin-Studium schafft, darf sich dann über Zuschüsse aus Steuergeldern für die private Uni freuen. Währenddessen ächzen die öffentlichen Universitäten unter der Geldnot. Schon die Bundesregierung hat mit der skandalösen, eigentlich verbotenen Quer-Finanzierung der PMU für Furore gesorgt. Es gilt, und daran scheint das Regierungsprogramm von Schwarz-Grün-Pink nichts zu ändern: Wer hat, dem wird gegeben.


UNI:PRESS EXKLUSIV:

Die EHRLICHE Ausschreibung der Stelle des Rektors der Paris Lodron Universität Salzburg Die Universität Salzburg schreibt gemäß § 23 UG 2002 die Position des Rektors aus. Der Rektor wird vom demokratisch nicht legitimierten Universitätsrat aus einem Dreiervorschlag des Senats für eine Funktionsperiode von vier Jahren (01.10.2019 - 30.09.2023) gewählt; eine Wiederwahl ist zulässig. Erwünschte Qualifikationen: • Abgeschlossenes Universitätsstudium • Erfahrung in Lehre und Forschung • Nachweis der Fähigkeit zur organisatorischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Leitung einer Universität oder Firma • Kenntnis des tertiären Bildungssektors sowie des Wissenschafts- und Forschungssystems • Männliches Geschlecht • Graue bzw. weiße Haare • Moralische Bereitschaft, auch in Zeiten der Geldnot an den Universitäten ein sechsstelliges Gehalt zu beziehen • Keine Skrupel, Bonuszahlungen entgegenzunehmen, während berufstätigen Studierenden Studiengebühren aufgebrummt werden • Bereitschaft zur Erhaltung der universitären Hierarchien und der Benachteiligung des Mittelbaus • Pflege der seit 2001 bewährten Kultur des Zuhörens, der lächelnden Moderation und des Ausgleichs Die Universität Salzburg strebt keine Erhöhung des Frauenanteils, insbesondere nicht in Leitungsfunktionen, an. Qualifizierte Frauen, die sich trotzdem bewerben, seien hiermit auf die seit Jahrzehnten bewährte patriarchale Tradition der Universität Salzburg hingewiesen. Die Bewerbung soll aussagekräftige Unterlagen hinsichtlich der Bewerbungsvoraussetzungen sowie die Vorstellung des Bewerbers über die Prinzipien der Amtsführung und der weiteren Entwicklung der Universität Salzburg beinhalten. Ein öffentliches Hearing oder gar ein transparenter Bewerbungsprozess ist nicht vorgesehen. Ihre Bewerbung richten Sie bitte schriftlich und elektronisch bis 01.08.2018 (Datum des Poststempels) ausschließlich an den Vorsitzenden des Universitätsrats, Universität Salzburg, Kapitelgasse 4-6, A-5020 Salzburg bzw. E-Mail: unirat@sbg.ac.at.


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Was ist 1 Rektor? Von Christoph Würflinger

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ine Universität wird von einem Rektor (seltener von einer Rektorin) geleitet. Seit 2001 und damit im nationalen Vergleich ungewöhnlich lange ist Heinrich Schmidinger der Rektor der Salzburger Universität. Von 2011 bis 2015 war er auch Präsident der österreichischen Universitätenkonferenz (früher Rektorenkonferenz). Im Universitätsgesetz 2002 (§ 23) sind folgende Aufgaben vorgesehen: Der Rektor bzw. die Rektorin erstellt einen Vorschlag für die Wahl der VizerektorInnen. Gewählt werden diese wie auch er/sie selbst vom Universitätsrat. Dem Rektor/ der Rektorin obliegen Verhandlung und Abschluss der Leistungsvereinbarungen mit dem Wissenschaftsministerium. Er/sie wählt aus den Besetzungsvorschlägen von Berufungskommissionen für UniversitätsprofessorInnen aus und führt die Berufungsverhandlungen. Zudem ist er/sie der/die oberste Vorgesetzte des gesamten Universitätspersonals und schließt Arbeits- und Werkverträge ab. Es handelt sich dabei also um eine durchaus mächtige Position innerhalb der Universität.

Mit Verweis auf vergleichbare Leitungspositionen in der sogenannten “freien Wirtschaft” wird gerne die Frage nach der Bezahlung der RektorInnen beantwortet. Konkrete Zahlen werden ungerne genannt. Im aktuellen Rechnungsabschluss (2017) wird für alle fünf Mitglieder des Rektorats ein Betrag von 872.762,60 Euro angeführt (2016: 849.294,10). Der größte Teil davon - vermutlich ca. die Hälfte - bekommt der Rektor selbst, den Rest dürfen sich die VizerektorInnen teilen. In seiner damaligen Funktion als uniko-Präsident erklärte Schmidinger, er halte es für “nicht angebracht”, von “völlig überzogenen” Bezügen zu sprechen. Im Vergleich: der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, immerhin Schließer der Balkanroute, verdient jährlich 306.451,60 Euro. In Zeiten, in denen ständig eine Begrenztheit der finanziellen Mittel für den Hochschulsektor behauptet wird, erscheint ein derartiges Gehalt für den Rektor einer öffentlichen Universität doch zumindest fragQuelle: Wiener Zeitung würdig.

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SEXUELLE BELÄSTIGUNG

AN DER UNIVERSITÄT SALZBURG In der Jänner-Ausgabe der uni:press haben wir einen schockierenden Fall sexueller Belästigung an der Uni Salzburg publik gemacht. Auch das Rektorat hat sich dafür interessiert. Was ist seitdem passiert? Ein Update von Christoph Würflinger


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ur Erinnerung: In einem Zentrum der Universität Salzburg kommt es ab 2014 immer wieder zu Belästigungen durch einen Kooperationspartner. Die Betroffene informiert zwar den Zentrumsleiter; weil dieser aber mit dem Grapscher gut befreundet ist, passiert nichts. Auch mit der anfänglichen Solidarität der anderen KollegInnen ist es bald vorbei. Auf der Suche nach Hilfe stößt sie zufällig auf die Psychologische Studierendenberatung, wo ihr auch geholfen wird; bei anderen Stellen (Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen, Betriebsrat) fühlt sie sich weniger gut aufgehoben. Nachdem sie sich mit dem Leiter des Fachbereichs trifft, dem das Zentrum zugeordnet ist, erhält der Täter schließlich ein Betretungsverbot in den Räumlichkeiten des Zentrums. Weil die Sticheleien des Zentrumsleiters nicht aufhören, gibt die Betroffene ihre Stelle schließlich auf. Im Zuge unserer Recherchen stellte sich heraus, dass der Täter kein Unbekannter ist – bereits auf einer Exkursion im Jahr 2011 fiel er unangenehm auf. ExkursionsteilnehmerInnen berichteten uns von einer „systematisch wirkenden Verfolgung“, die für ein zunehmend verzweifeltes Klima unter den Studentinnen sorgte. Wegen rassistischer Diskriminierung darf er am betroffenen Fachbereich außerdem keine Lehrveranstaltungen mehr halten.

seits über Unterstützungsangebote, andererseits aber auch darüber, was unter die Kategorie „Belästigung“ fällt. Es scheint sich nämlich auch im Jahr 2018 noch immer nicht bis zu allen Männern herumgesprochen zu haben, dass Bemerkungen wie „Tanz für uns!“ oder „Lassen Sie sich einmal ordentlich durchnehmen!“ am Arbeitsplatz (oder auch sonst wo) nichts verloren haben. In einem zweiten Gespräch gemeinsam mit der Betroffenen stellt er ein Gespräch des Rektors mit dem Zentrumsleiter in Aussicht, merkt aber an, dass das Entscheidung des Rektorats sei. Insgesamt scheint er sehr daran interessiert, den Umgang mit Belästigungsfällen zu verbessern. Es gebe viele solcher Fälle, doch zu groß sei offenbar die Hemmschwelle, sie auch zu melden und dann keinen Rückzieher zu machen.

„ES SCHEINT SICH NOCH IMMER NICHT BIS ZU ALLEN MÄNNERN HERUMGESPROCHEN ZU HABEN, DASS BEMERKUNGEN WIE „LASSEN SIE SICH EINMAL ORDENTLICH DURCHNEHMEN!“ AM ARBEITSPLATZ NICHTS VERLOREN HABEN.“

Nun ist es so, dass die Mühlen der Universität langsam mahlen und nicht immer alles von heute auf morgen geschehen kann – dafür haben wir auch vollstes Verständnis. Für unseren Geschmack lässt sich die Universität hier aber etwas zu lange Zeit – keiner der Vorschläge, die allesamt ohne größeren Aufwand umsetzbar wären, wurde bislang umgesetzt. Beim „Vertrauensrat in Angelegenheiten von Diskriminierung“, der unserer Betroffenen am meisten das Gefühl gab, ernst genommen zu werden, sind nach wie vor keine Kontaktmöglichkeiten angegeben. Unter der Überschrift „Weitere Informationen zur Arbeit des Vertrauensrats“ findet man nur ein leeres, weißes Feld. Auch per E-Mail wurden keine Informationen verschickt – unverständlich, wo doch für jeden Mist Werbung gemacht wird! Und auch die Betroffene selbst berichtet uns, dass sich seit dem Treffen mit dem Chef der Personalabteilung nichts mehr getan habe. Die Universitätsleitung hat anscheinend kein ernstes Interesse, hier geeignete Maßnahmen zu setzen. Anstatt die Hemmschwelle, sexuelle Belästigungen und Übergriffe zu melden, herabzusetzen, fördert sie durch ihre Untätigkeit eine Kultur des Schweigens und Wegsehens, die es Betroffenen schwer macht, Übergriffe aufzuzeigen.

Dieser Fall ist mit Sicherheit nicht der einzige an unserer Universität; sexuelle Belästigung kann man kaum verhindern. Gerade an großen Institutionen wie der Uni Salzburg mit ihren Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnissen wird es solche Fälle immer wieder geben. Was man verbessern kann, ist der Umgang damit. Nur kurze Zeit nach Erscheinen des Artikels wurden wir vom Leiter der Personalabteilung im Auftrag des Rektors um ein Gespräch gebeten. Ihm haben wir mehrere Vorschläge gemacht, wie die Universität Betroffenen besser helfen kann. Dazu zählen etwa die bessere Sichtbarmachung jener Stellen, die in solchen Fällen Hilfe anbieten, oder regelmäßige Information aller Studierenden und Bediensteten per E-Mail einer-

„AUCH PER E-MAIL WURDEN KEINE INFORMATIONEN VERSCHICKT – UNVERSTÄNDLICH, WO DOCH FÜR JEDEN MIST WERBUNG GEMACHT WIRD! “

Die Universität war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

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SUBVERSIVE

ELEMENTE AN DER UNIVERSITÄT SALZBURG Nichts hilft. Hans D. (Name von der Redaktion geändert) vom Hausdienst der Universität Salzburg lässt frustriert die Hände fallen. Seit Wochen offenbart sich beim morgendlichen Kontrollgang durch die ehrwürdigen Hallen der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät am Rudolfskai der gleiche verstörende Anblick: Das Bild (siehe Foto) einer lächelnden jungen, blonden Frau in Camouflage an den Türen des Hörsaals 380. Von A. Nonym


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lles habe man schon versucht, erklärt D. zähneknirschend. Mitarbeiter des Hausdiensts hätten sich nachts auf die Lauer gelegt, man habe die Key-Logs der Eingangstüren überwacht, schlussendlich sogar eine Wildwechsel-Kamera installiert – der ÜbeltäterInnen sei man trotzdem nicht habhaft geworden. Im Gegenteil: Die Maßnahmen des Hausdiensts scheinen die Gruppe nur noch mehr anzuspornen. Eine/n EinzeltäterIn schließt der Hausdienst kategorisch aus; vielmehr sprechen die Hinweise, die man in mühsamer detektivischer Kleinarbeit gesammelt habe, für eine bestens organisierte Kommando-Truppe. Der Mitarbeiter, der die letzte Nachtschicht übernommen habe, sei während einer kurzen Klopause auf der Toilette eingesperrt worden und habe erst am nächsten Morgen befreit werden können. Die Kamera habe auf Grund einer Rasierschaum-Attacke nur eine weiße Winterlandschaft aufgezeichnet, beklagt D.

„BESTENS ORGANISIERTE KOMMANDO-TRUPPE“ Auch die Überprüfung der Zugangsdaten zum Gebäude habe die Ermittlungen keinen Schritt weiter gebracht. Ein aufgrund dieser Daten ermittelter Verdächtiger stellte sich schließlich als verwirrter alter Professor heraus, der gelegentlich außerhalb der Bürozeiten durch die Gänge schleicht. D. bringt die Situation auf den Punkt: Sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel des Hausdienstes seien ausgereizt, ein Ende der nächtlichen Umgestaltungsaktionen unwahrscheinlich. Wer ist Anna Campbell? Aber wer ist diese Anna Campbell eigentlich, an die hier jemand so hartnäckig erinnern will? Ein Blick auf das Plakat am Hörsaal verrät mehr: Britische Internationalistin in Afrin, 26, getötet durch türkische Luftangriffe am 15. März 2018. Im Gedenken an alle ZivilistInnen und VerteidigerInnen, die in den letzten Wochen Opfer des türkisch-dschihadistischen Angriffskrieges auf Afrin in Syrien geworden sind. Neugierig geworden, hat sich das uni:press-Team auf Spurensuche gemacht: Anna Campbell, geboren 1991, stammt ursprünglich aus Lewes in England. Im Mai 2017 macht sie sich auf den Weg nach Syrien, um sich dort den kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPG) im Kampf gegen den mörderischen „Islamischen Staat“ (IS) anzuschließen. Anna ist damit keinesfalls alleine – idealistische Freiwillige aus der gan-

zen Welt haben sich in den vergangenen Jahren dazu entschlossen, sich den faschistischen Dschihadisten offensiv entgegenzustellen. Das historische Vorbild der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg ist offensichtlich. Am 16. März 2018 bezahlt Anna ihr Engagement mit ihrem Leben, als eine türkische Rakete ein Fahrzeug in der Nähe der zu diesem Zeitpunkt noch umkämpften Stadt Afrin im Norden Syriens trifft, in dem sie sich befindet. Annas Schicksal ist kein Einzelfall. In den vergangenen Monaten kamen UnterstützerInnen aus verschiedensten Teilen der Welt in den Kämpfen gegen die türkischen Angreifer und den IS ums Leben, darunter Haukur Hilmarsson (Island), Samuel Prada León (Spanien), Olivier François Le Clainche (Frankreich), Sjoerrd Heeger (Niederlande) sowie Alina Sanchez (Argentinien) – ganz zu schweigen von den vielen KurdInnen und SyrerInnen, die in den vergangenen Jahren ihr Leben für die Freiheit ließen. Kein Ende in Sicht Die Hörsaal-Gedenkaktionen in Salzburg haben also einen ernsten Hintergrund. Nach unseren Recherchen scheint es, als habe das Gedenken am Salzburger Rudolfskai durchaus seine Berechtigung. Im GesWi-Eingangsbereich laufen wir Hans D. zufällig noch einmal über den Weg. Wir berichten ihm von unseren Rechercheergebnissen über Anna und ihre KameradInnen. D. ist davon wenig beeindruckt. Letzte Nacht hätten die Halunken wieder zugeschlagen, sagt er. Am Tatort habe man diesmal Seile gefunden, mit denen sich die Schurken von den Dachfenstern abgeseilt hätten. Es sei Zeit, endlich härtere Geschütze aufzufahren. Denn mittlerweile habe sich sogar der türkische Generalkonsul eingeschaltet und ein sofortiges Ende der Terroraktionen gefordert: „Kebabını kendin ye!“

„SCHURKEN, DIE SICH VON DACHFENSTERN ABSEILEN“ Auf türkischen Druck sei nun endlich auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung – vor allem wegen seiner professionellen Personalführung ein internationales Aushängeschild Österreichs – aktiv geworden. Doch D. ist das alles nicht genug – zu lange und zermürbend geht der ungleiche Kampf bereits voran. Demnächst möchte man daher über das Rektorat einen Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheers beantragen – genug sei genug, Ordnung müsse schließlich sein.

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fellner ’sche sommer tipps

Das Wandern ist des Fellners Lust


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SOMMER IST, WAS IN DEINEM KOPF PASSIERT „Egal ob Du schwitzt oder frierst, Sommer ist was in Deinem Kopf passiert..“ diese Zeilen gehören zu einem einstigen Sommerhit des Jahres 2004, lange ists her. Und daran sollten wir uns auch halten und uns im Sommer eine schöne Zeit machen. Die muss nicht mal allzu lange dauern, doch notwendig ist sie auf jeden Fall. Von Christof Fellner

STÄDTE

SEEN UND MEER

Ziehen im Sommer viele BesucherInnen an. Besucht jedoch nicht die Städte, die die meisten anderen auch besuchen, sucht euch Städte aus, die ein wenig abseits liegen, wenn ihr – ein bisschen wenigstens – Land und Leute kennen lernen wollt. Solltet ihr euch doch für die bekannteren Städte entscheiden, fahrt lieber in der Nebensaison hin, auch das zahlt sich aus. Besonders zu empfehlen sind Besuche in Museen und, ganz wichtig, nehmt euch Zeit für eine Tour mit einem Fahrrad und ausgedehnte Spaziergänge. Niemand hat eine Stadt wirklich besucht, ohne zumindest einmal mit dem Rad durchgefahren zu sein oder sie durchwandert zu haben. (TIPP von mir: für Reisen gemeinsam mit der besseren Hälfte ist dann natürlich der Abend besonders geeignet). Informationen findet ihr in jedem gut sortierten Tourismusbüro.

Ähnlich wie in den Bergen gilt auch hier Kondition als wichtigste Voraussetzung. Je nachdem, was ihr gerne am Wasser macht, gibt es dutzende Optionen. Vom erfrischenden Gebirgssee bis zum Surfparadies bietet Österreich und die nähere geographische Nachbarschaft alles, was das Herz der Wasserratten unter euch begehren könnte, und da muss man nicht mal auf den ersten Juli warten. Wem nach der dritten Seminararbeit der Kragen platzt, der fährt einfach zum Salzachsee oder mit dem 150er Bus nach Fuschl. Und ab Juli ruft dann das Meer. Auf die Sonnencreme übrigens nicht vergessen. Am Badesee oder am Meer müsst ihr natürlich nicht jeden Tag ins Wasser. Ein Tag Entspannung oder das Alternativprogramm bei Regenwetter hat noch niemandem geschadet (TIPP von mir: auch am Wasser gilt, je weniger bekannt, desto ruhiger ist der Platz). Informationen zur Wasserqualität der Badeseen gibt es auf den diversen Homepages der Landesregierungen.

BERGE Etwas für die Naturkinder unter euch. Gutes Schuhwerk, Regenschutz und eine entsprechende Kondition vorausgesetzt, gibt es eigentlich keinen Ort, an dem ihr nicht raufkraxeln könntet. Überschätzt euch aber nicht, gerade nach einem in den Hörsälen oder den Bibliotheken der Uni verbrachten Semester ist man leicht schneller erschöpft als gedacht. Bereitet euch also auf die Bergtouren schon im Juni vor und fangt mit einfachen Wanderungen in der Umgebung von Salzburg oder Aufwärmübungen in den zahlreichen Kletterhallen der Stadt an (TIPP von mir: in den Bergen nie alleine unterwegs sein oder zumindest jemand anderem bekannt geben, wo ihr hin geht und wann ihr zurück sein wollt). Informationen findet ihr auf den Webseiten der Naturfreunde und des Alpenvereins.

BALKONIEN Auch das ist eine Option. Nicht jeder Sommer muss uns weit weg führen. Lasst einige Tage die Uni die Uni sein und stresst euch nicht, das ist das Wichtigste. Entspannung ist schließlich keine Frage des Ortes, sondern des Kopfes. Geht, wenn ihr eine Wiese zu Hause habt, möglichst oft barfuß oder nehmt euch Zeit für eine Fahrradtour. Auch andere Sportarten brauchen nicht zu kurz kommen, denn wer gerne Gewichte hebt, kann sich im Sommer eben mit Steinen behelfen. Bei allen Optionen könnt ihr euren Geldverbrauch übrigens niedriger halten, wenn ihr euch zuvor nach Ermäßigungen für Studierende erkundigt und euren Ausweis mitnehmt – außer natürlich zu Hause.


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VERDRÄNGTE ERINNERUNG:

Die Salzburger Bücherverbrennung vom 30. April 1938 Rede zur Einleitung der Podiumsdiskussion „Gedenkkultur in Salzburg – 80 Jahre nach der Bücherverbrennung“ (30.4.2018, Unipark Nonntal) Von Alexander Pinwinkler

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ie wesentlichen Fakten zur Salzburger Bücherverbrennung vom 30. April 1938 sind seit langem bekannt. Sie werden indes erst dann zu historisch relevanten Fakten, wenn sie in die jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Kontexte gestellt und analysiert werden. Gefragt werden muss danach, wer die handelnden Akteure waren, welche Motive und Interessenlagen sie antrieben, und welche Folgen ihr Handeln hatte. Nicht zuletzt sollte diskutiert werden, ob und inwiefern die Salzburger Bücherverbrennung etwa ein weitgehend singuläres Ereignis gewesen ist. Ist es nicht auch eine Folge des Vergessen-Machens der NS-Geschichte,1 dass wir bis heute immer noch relativ wenig über vergleichbare „Autodafés“ in anderen österreichischen Städten und Gemeinden wissen? Salzburg, Residenzplatz, in unmittelbarer Nähe zur St. Michaels-Kirche. Es ist Samstag, 30. April 1938, abends, gegen 20:30 Uhr: Vertreter der Salzburger NS-Lehrerschaft sowie der Hitlerjugend haben sich um einen Holzstoß versammelt. Karl Springenschmid tritt auf. Springenschmid war Lehrer, deutschvölkischer Schriftsteller und illegaler Nationalsozialist bereits Jahre vor dem „Anschluss“. 1935 wurde er vom Dollfuß/Schuschnigg-Regime wegen seiner Betätigung für den illegalen NS-Lehrerbund aus dem Schuldienst entlassen. Springenschmids Hass gilt auch deshalb nicht nur den Juden und Jüdinnen, sondern vor allem dem politischen Katholizismus. Er ist der ideologische Vordenker der Bücherverbrennung, sein Auftritt gleicht einem Rachefeldzug. In seiner Rede führt NS-„Landesrat“ Springenschmid u.a. aus: „Verbrannt, vernichtet sei alles, was an klerikaler Knechtung und jüdischer Verderbnis den Aufbruch einer wahrhaft deutschen Kultur behinderte.“ Und weiter: „Eine Gasse der deutschen Freiheit auch hier in dieser Stadt, die man das deutsche Rom nannte!2“.

DIE INSZENIERUNG BEHAUPTET DIE EINHEIT DER DEUTSCHEN „VOLKSGEMEINSCHAFT“ Nach dieser Hetztirade wird der Stoß entzündet; Hitlerjungen, ein Soldat, ein Musiker, ein Bauer, ein Arbeiter treten vor, und sie alle werfen Bücher in die Flammen. Die Inszenierung behauptet die Einheit der deutschen „Volksgemeinschaft“; Alt und Jung, Angehörige verschiedener „Berufsstände“ verdeutlichen durch sogenannte „Feuersprüche“ – symbolischen Todesurteilen gleich –, wer aus dieser „Volksgemeinschaft“ ausgegrenzt und der Vernichtung preisgegeben werden soll. Dem Feuer überantwortet werden so u.a. Bücher von Stefan Zweig, von Kurt Schuschnigg, von Hans Pernter, dem ehemaligen Unterrichtsminister im austrofaschistischen „Ständestaat“; ferner auch Bücher und Schriften des Jesuiten Friedrich Muckermann, des Schriftstellers Josef August Lux, des legitimistischen Politikers Ernst Karl Winter, des Theaterkritikers Ernst Jacobson und des österreichischen Thronprätendenten Otto Habsburg-Lothringen.


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So weit in Kürze zum Geschehen am Residenzplatz heute vor achtzig Jahren.3 Jetzt folgen einige weiterführende Überlegungen zur historischen Bewertung und Einordnung der Salzburger Bücherverbrennung: 1.) Die Bücherverbrennung bildete nur ein Teilphänomen eines viel breiter angelegten, seit dem „Anschluss“ rasch eskalierenden Terrors, der sich gegen politisch Andersdenkende ebenso richtete wie gegen Bevölkerungsgruppen, die als „rassisch minderwertig“ oder „asozial“ eingestuft wurden. Die Gewaltobsession der neuen Machthaber wurde nicht zuletzt in den „Feuersprüchen“ der HJ sichtbar, die die kommende „neue Zeit“ entflammen sollten: „Deutsche Freiheit“, „Reinigung“ von allem „Undeutschen“, das Einschwören auf den „Führer“-Heilsbringer bildeten jene Schlagworte, welche die pseudo-sakrale Verabsolutierung des „Deutschtums“ wie auch die aggressive Ausgrenzung alles „Undeutschen“ beinhalteten.

„BEGONNEN HATTEN ZENSUR UND KONTROLLMASSNAHMEN BEREITS VOR 1938 IM AUSTROFASCHISMUS“ Im Siegesrausch der ersten Wochen nach dem „Anschluss“ erreichte die Spirale der Gewalt ihren ersten Höhepunkt. Begonnen hatten Zensur und Kontroll-

maßnahmen gegen Bibliotheken in Österreich allerdings bereits vor 1938, also im Austrofaschismus, der sich gegen politisch Linke wie auch gegen die NS-Bewegung gerichtet hatte.

„IDEOLOGISCHE LINIENTREUE UNTER BEWEIS STELLEN“ 2.) Welche Motive und Interessen verfolgten die Akteure der Bücherverbrennung? In den ersten Wochen nach dem „Anschluss“ suchten sich die provisorisch installierten NS-Funktionäre möglichst für anstehende Machtkämpfe zu positionieren. Kaum jemand konnte sich seiner soeben erst errungenen Position sicher sein. Umso wichtiger schien es zu sein, gerade jetzt ideologische Linientreue unter Beweis zu stellen: Karl Springenschmid war im April 1938 Gauamtsleiter geworden, später leitete er die Abteilung für Erziehung und Kulturpflege im Reichsgau Salzburg und stieg zum SS-Hauptsturmführer auf. Seine machtpolitische Strategie der „Umbruchswochen“ schien also aufgegangen zu sein.

1 Vgl. hierzu speziell für Salzburg Alexander Pinwinkler/Thomas Weidenholzer (Hg.), Schweigen und erinnern. Das Problem Nationalsozialismus nach 1945, Salzburg 2016 (=Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus; 7). 2 Fort mit dem volkfremden „Geistesgut!“ In: Salzburger Volksblatt, 2.5.1938, S. 9. 3 Vgl. zum Ablauf der Bücherverbrennung Karl Müller, die Vernichtung des „undeutschen“ Geistes. Theater und Literatur im Dienste des Nationalsozialismus, in: Sabine Veits-Falk/ Ernst Hanisch (Hg.), Herrschaft und Kultur. Instrumentalisierung, Anpassung, Resistenz, Salzburg 2013, S. 400-459, hier S. 423-427 (=Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus; 4); vgl. auch Ernst Hanisch, Gau der guten Nerven. Die nationalsozialistische Herrschaft in Salzburg 1938-1945, Salzburg-München 1997, hier S. 62-68.


© Deutsches Historisches Museum, Berlin

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Die „Bücherverbrennung“ selbst folgte reichsdeutschen Vorbildern: 1933 war in Deutschland vor allem die NS-Studentenschaft Vorreiter der rituellen Verbrennung der Schriften von linken, pazifistischen und jüdischen Autorinnen und Autoren gewesen. Springenschmid und seine Handlanger – darunter auch Buchhändler und Bibliothekare4 – adaptierten dieses Vorbild für Salzburg. Sie hatten rund 1.200 „gegnerische“ Bücher gesammelt und gaben ihrer Aktion die geschilderte, überwiegend antiklerikale Stoßrichtung. 3.) Die Salzburger Bücherverbrennung war Ausdruck einer mit Recht als größenwahnsinnig zu bewertenden Kulturpolitik. So forderte Karl Springenschmid bereits im März 1938, dass Salzburg das „nationalsozialistische Rom“ werden solle. Die einflussreiche Rolle des SS-Ahnenerbes in Salzburg, aber auch die Ausrichtung von NS-Wissenschaftswochen im Jahr 1939 in Salzburg deuteten in diese Richtung. Die Salzburger Bücherverbrennung war also eine Machtdemonstration an einem geschichtsträchtigen, katholisch codierten Ort. Sie war aber bei weitem nicht die einzige Bücherverbrennung in Österreich: Ähnliche Ereignisse lassen sich nachweisen etwa in Thalgau am 21. Dezember 1938, im Kärntner Gailtal am 17. Mai 1938 oder etwa am 30. April 1938 in einem Gymnasium in Villach. Diese Liste ist keineswegs vollständig. Vermutlich wird es der Initiative von engagierten Lokalforscherinnen und Lokalforschern zu verdanken sein, wenn künftig weitere Beispiele derartiger Aktionen ans Tageslicht treten. Speziell radikalisierte deutschvölkische Lehrer scheinen als Initiatoren jeweils eine maßgebliche Rolle gespielt zu haben, wie sich auch anhand des Thalgauer Beispiels belegen lässt.5

„NICHT DIE EINZIGE BÜCHERVERBRENNUNG IN ÖSTERREICH“ 4.) In den Nachkriegsjahrzehnten sprach in Österreich öffentlich wohl niemand mehr über die Bücherverbrennungen. Den triumphalistischen Rausch des Jahres 1938 und die damalige eigene Involvierung suchte man lieber zu verdrängen. Der Mythos von Österreich als angeblich „erstes Opfer des Nationalsozialismus“ wurde an die Stelle

einer kritischen Aufarbeitung der Vergangenheit gesetzt. Karl Springenschmied floh nach 1945 in die Berge und tauchte unter falschem Namen unter. 1953 wurden sämtliche gerichtlichen Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Seither war der ehemalige NS-Funktionär und führende Aktivist der Bücherverbrennung ein vielgelesener Autor, der seine „nationale“ Gesinnung kaum verleugnete, in Elsbethen bei Salzburg lebte und dort offenbar weithin ungestört blieb. Springenschmid war übrigens bereits seit sechs Jahren verstorben, als im Jahr 1987 eine Salzburger Autorengruppe erstmals auf die Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz aufmerksam machte. Erich Fried hielt eine aufrüttelnde Rede, in welcher er Heinrich Heines Diktum zitierte, dass dort, wo Bücher verbrannt würden, dies nur ein Vorspiel des Verbrennens von Menschen sei. Heine hatte dies übrigens auf die Vernichtung der islamischen Kultur durch die spanischen Christen bezogen.

„IN WEITEN TEILEN DER BEVÖLKERUNG HATTE SICH DER UNGEIST DES NATIONALSOZIALISMUS LÄNGERFRISTIG MENTAL VERFESTIGT.““ Wenn wir heute über „verdrängte Erinnerung“ in Salzburg kritisch reflektieren, sollten wir weiter der Bücherverbrennung(en) des Jahres 1938 und ihrer wirkungsmächtigen symbolischen Bedeutung als Fanal zur Vernichtung des „Geistigen“ gedenken. Zudem: Das „Dritte Reich“ war im Mai 1945 zwar militärisch und politisch besiegt. In weiten Teilen der Bevölkerung hatte sich aber der Ungeist des Nationalsozialismus längerfristig mental verfestigt und wirkte insbesondere im kulturellen Bereich noch lange weiter. Umso mehr sollten wir uns heute neuerlich über jene Mechanismen und Praktiken bewusst werden, die zur gesellschaftlichen Ausgrenzung und Marginalisierung von Menschen führen.6 Wie wir wirksam dagegen auftreten können, bleibt mit Sicherheit weiterhin zu diskutieren.

4 Vgl. hierzu zuletzt: Woher kamen die Bücher für das Feuer? Der Vater des einstigen Salzburger Buchhändlers Bernhard Weis hat von bisher kaum bekannten Details der Bücherverbrennung erzählt, in: Salzburger Nachrichten (Lokalteil), 27.4.2018, S. 6. 5 Vgl. hierzu u.a.: Erinnerungstafel an die Thalgauer Bücherverbrennung am Schörghubbühel. https://www.sn.at/wiki/ Datei:Erinnerungstafel_an_ die_Thalgauer_B%C3%BCcherverbrennung_am_ Sch%C3%B6rghubb%C3%BChel.jpg (3.5.2018). 6 Vgl. zur gegenwärtigen diskursiven Produktion von Angst und Ausgrenzung: Ruth Wodak, Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse, Wien 2016.


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DAS

HAT MARX

NICHT VERDIENT! Der Aufsatz „Mal wieder Marx lesen“ von Stefan Klingersberger in der letzten Ausgabe der uni:press (#692, April 2018) führt vor, wie eine über weite Strecken zutreffende Charakterisierung Marx‘ an einzelnen Stellen ideologisch umgedeutet wird, obwohl der Autor selbst vor verzerrenden Darstellungen warnt. Das heißt: Wir wollen uns gar nicht mit theoretischen Einzelheiten aufhalten, sondern jene Überlegungen von Klingersberger freilegen und kritisieren, die uns besonders problematisch erscheinen. Von der „Gruppe Transbib“


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K

lingersberger will jenen, die Marx als „Orientierungspunkt“ heranziehen, folgendes zu verstehen geben: „Seinem Werk wird man nur gerecht, wenn man es als „Einheit“ in sich und auch in „Einheit“ mit den Werken von Friedrich Engels und Wladimir Lenin, mit den Erfahrungen der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung sowie der bisherigen sozialistischen Staaten sowie mit den Aufgaben der heutigen kommunistischen Bewegung [liest]. Denn das alles ist eine Einheit […].“

„STARRSINNIGER NONSENS, DER DAS DENKEN LÄHMT“ Diese Aussage bügelt nicht nur alle theoretischen und politischen Entwicklungen sowie Widersprüche glatt, die in der Geschichte der Marx-Interpretation und damit auch innerhalb vieler politischer Bewegungen zu Tage getreten sind, sondern wirft so ziemlich alles in einen Topf, das sich jemals mit Begriffen wie „Sozialismus“ oder „Kommunismus“ geschmückt hat. Im Folgenden möchten wir mit diesem aus unserer Sicht starrsinnigen Nonsens, der das Denken lähmt und einer dringend notwendigen Theoriebildung in linken Bewegungen nur im Wege steht, aufräumen. Zunächst zu der Frage der „inneren Einheit“ bei Marx. 1. Ist Marx „in sich“ als Einheit zu begreifen? Der Idee, dass das Werk Marx‘ – in Anbetracht der langen Zeit, in der sich Marx sowohl theoretisch als auch praktisch mit den damaligen gesellschaftlichen und kapitalistischen Verhältnissen beschäftigte – selbst eine Einheit bildet, ist entgegenzuhalten, dass Marx kein abgeschlossenes Konzept zur Überwindung kapitalistischer Verhältnisse vorgelegt hat. Wenn man die Entstehungsgeschichte des Marx‘schen Kapitals näher betrachtet, so muss man zu dem Schluss kommen, dass Marx selbst „immer wieder an seinen Begriffen gearbeitet, sich ungern endgültig festgelegt hat”, so der Politikwissenschaftler Georg Fülberth1. Das heißt, Marx hat sich selbst immer wieder widersprochen und hat seine Überlegungen und Theorien ständig weiterentwickelt. Vor kurzem äußerte etwa der Theoretiker Étienne Balibar2 die Vermutung, dass das Werk Marx‘ als „unabgeschlossen“ betrachtet werden muss; er schließt daraus, dass dadurch eine Vielzahl von z.B. politischen Ableitungen aus dem Werk von Marx möglich sind3 – eine


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1 Fülberth, Georg (2018). Unabschließbar. In: konkret 5/18, 37. 2 Balibar, Étienne (2017). Die drei Endspiele des Kapitalismus. In: Greffrath, Mathias (Hrsg.). RE. Das Kapital. Politische Ökonomie im 21. Jahrhundert. München: Antje Kunstmann, 213-235.

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3 Balibar vermutet, dass Marx deshalb die politischen Stellen im ersten Band des Kapitals nicht an das Ende desselben gesetzt hat, sondern diese vielmehr im „Inneren“ des Buches versteckte. 4 Wie weit Marx-Interpretationen von einer „traditionellen“ Leseweise, die offenbar von Klingersberger forciert wird, abweichen können, verdeutlichen z.B. Ansätze der „Neuen Marx-Lektüre“ (siehe hierzu auch Fußnote 7). 5 Fülberth, Georg (2018). Unabschließbar. In: konkret 5/18, 37. 6 Lenin, Wladimir Iljitsch (2012/1917): Staat und Revolution. Laika: Hamburg.


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Einsicht, die die Annahme, dass Engels oder gar Lenin als „Verlängerungen“ von Marx zu betrachten sind, fragwürdig erscheinen lässt.4 2. Bilden Marx und Engels eine Einheit? Um diese These noch zu vertiefen, lohnt ein genauerer Blick auf Marx‘ Weggefährten Friedrich Engels. Ein immer wieder vorgebrachter Vorwurf an Engels lautet, dass er den Nachlass von Marx für den zweiten und dritten Band so stark veränderte, sodass am Ende ein „Weltanschauungsmarxismus” daraus wurde, der den zwangsläufigen Zusammenbruch des Kapitalismus vorhersah. Ein auf dieser Grundlage vertretener „Marxismus“ entpuppt sich so – bei genauerem Hinsehen – oftmals als „Engelismus“. Ebenfalls wenig bekannt ist die Tatsache, dass Marx in die Übersetzung des ersten Bandes ins Französische so stark eingriff, dass zum Großteil ein anderer Text entstand und er Engels auftrug, diesen für weitere Ausgaben heranzuziehen, was dieser jedoch nicht tat. Zwar gab es bis 1973 immer wieder Ausgaben, die die französische Version auf unterschiedliche Weise berücksichtigten, aber erst im letzten Jahr erschien mit der „Neuen Textausgabe” des Kapitals (Band 1 von Thomas Kuczynski) eine Zusammenstellung, „die nicht nur ausführlich die französische Übersetzung der zweiten Ausgabe, sondern auch alle von Marx überlieferten Anweisungen und Notizen heranzieht”5.

„HAT DER AUTOR EINEN BESONDEREN DRAHT INS JENSEITS?“ 3. Bilden Marx und Lenin eine Einheit? Kommen wir zu Lenin: In einem ersten Schritt stellt sich die banale Frage, wie man Marx gerecht werden kann, wenn er sich zu den Ereignissen, die nach seinem Tod und oftmals in seinem Namen geschehen sind, nicht mehr äußern kann. Oder hat der Autor von „Mal wieder Marx lesen“ – so muss man wohl polemisch fragen – zu der von ihm beschworenen Trinität (Marx-Engels-Lenin) einen besonderen Draht ins Jenseits? Unabhängig von der etwas spekulativen Frage, wie sich Marx zu Lenin selbst positionieren würde, ist nicht klar, welcher Lenin hier gemeint sein soll. Denn weder Lenins Schriften noch sein politisches Handeln waren über die Zeit hinweg konsistent bzw. „einheitlich“. Lenin kritisiert den Staat in seiner Schrift Staat und Revolution6, die

er kurz vor der Oktoberrevolution im finnischen Exil verfasst hat, rigoros als Mittel der Herrschaft sowie der Unterdrückung und fordert in letzter Konsequenz seine Abschaffung. Aus diesem Grund gilt diese Schrift von Lenin als eine „anarchistische“. Jedoch nur kurze Zeit später konterkarierte er nahezu diese Forderungen. So scheute Lenin auch nach dem Bürgerkrieg keine Mühen, die Herrschaft der Bolschewiki zu prolongieren, auch mit autoritären Mitteln. Das bedeutet: Auch wenn Marx Lenin beispielsweise in der Kritik des Staates womöglich recht gegeben hätte, ist es aus unserer Sicht alles andere als wahrscheinlich, dass er auch seine widersprüchliche und antilibertäre politische Praxis unterstützt hätte. Das Gerede von „Einheit“ scheint daher eher ideologischen Motiven geschuldet zu sein, zumal Klingersberger sich nicht einmal bemüht, seine postulierte Einheit zu begründen.

„DAS GEREDE VON EINHEIT SCHEINT IDEOLOGISCHEN MOTIVEN GESCHULDET ZU SEIN“ 4. Gegen eine Vereinnahmung von Marx! Aus den angeführten Gründen ist es absurd, von einem Marx „in sich” oder als eine Einheit mit anderen zu sprechen, als ließe er sich auf einen Wesenskern reduzieren.7 Die Rezeption seines Werks unterliegt einem beständigen Wandel, nicht zuletzt deshalb, weil sich auch die gesellschaftlichen Bedingungen im Kapitalismus stets ändern und deshalb eine Adaptierung notwendig ist, will man sich nicht mit einem „Steinzeitmarxismus” zufrieden geben. Das Marx‘sche Werk ist in diesem Sinne, zumindest gegenwärtig, „unabschließbar“8. Eine ideologisch motivierte „Vereinheitlichung“ von Marx mit seinen angeblichen „Erben“ und „Nachfolgern“ führt zu dem, was eigentlich verhindert werden sollte: zu einer pauschalisierten und ungerechtfertigten Kritik an den Überlegungen Marx‘. Das hat Marx wahrlich nicht verdient! Zuletzt sei noch eine Anmerkung erlaubt: Der Artikel in der letzten uni:press bemüht des Weiteren einen Vergleich zwischen dem deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) und dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in der damaligen DDR. Ziel dieses Vergleiches ist es offensichtlich, Kritik an der DDR und der „Stasi“ zu relativieren oder gar wegzuwischen. Auch wenn der BND in vielen Dingen zu kritisieren ist9, hebt – und dies sollte klargestellt werden – ein Unrecht ein anderes nicht auf. 10

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7 Wenn es einen Wesenskern bei Marx geben sollte, so deutet vieles in die Richtung der „Neuen Marx-Lektüre", die eine Marx'sche Rezeptionsweise der 1960er Jahre rund um Helmut Reichelt und Hans-Georg Backhaus darstellt. In deren Marx-Interpretation werden die Theorieelemente der Ware und des Werts ins Zentrum der Überlegungen gestellt. Im Vergleich zu marxistisch-leninistischen TheoretikerInnen, die in der Regel die Wertform an sich nicht in Frage stellen, ergeben sich aus dieser Interpretation andere theoretische sowie praktische Konsequenzen; siehe Backhaus, Hans-Georg (2011). Dialektik der Wertform. Untersuchungen zur marxschen Ökonomiekritik. 2. Auflage. Freiburg: ça ira. 8 Fülberth, Georg (2018). Unabschließbar. In: konkret 5/18, 37. 9 Wie wichtig die Kritik am BND ist, verdeutlicht etwa dieser Artikel in der Süddeutschen Zeitung aus dem Dezember 2017: https://bit. ly/2J4djyN 10 Vom Autor wird außerdem die stalinistisch-orthodoxe Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) lobend erwähnt, die mit ihrer „unabhängigen kommunistischen Niederlagenanalyse“ besonders hervorsteche, was als „Voraussetzung für das Wiedererstarken der revolutionären Kräfte“ gesehen wird. Weniger bekannt ist, dass Nikos Kotzias, Mastermind der KKE und nun im Kabinett von Alexis Tsipras vertreten, 2013 den russischen Neofaschisten Dugin eingeladen hat (weitere Informationen können im folgenden Artikel der Wiener Zeitung aus dem April 2015 nachgelesen werden: https:// bit.ly/2Jsi58V


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46 NAZIS, 37 FRAUEN

Circa 1145 Plätze und Straßen gibt es aktuell in der Stadt Salzburg – 566 davon tragen Namen von Einzelpersonen, von denen nur 37 Frauen sind. Man könnte (und sollte unbedingt) eine Diskussion über die misogyne Politik von Straßenbenennungen sprechen, aber wenn wir schon bei Zahlen sind: Gewusst, dass 46 Plätze und Straßen aktuell in Salzburg nach prominenten NSDAP-Mitgliedern benannt sind? Von Carolina Forstner

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ch komme aus einer kleinen Marktgemeinde in Oberösterreich. In ihr sind, wie glaube ich typisch in kleinen Ortschaften, viele Straßen nach Unverfänglichem benannt – meist geht die Beschilderung der Einfachheit halber quer durch die Botanik, klingt schön und hat in der Vergangenheit bestimmt nichts verbrochen. Bis auf die zwei großen Söhne des Ortes – beides Priester, einer von beiden sogar christlich-sozialer Landeshauptmann der Ersten Republik und ein paar Reminiszenzen an die Bauernkriege, bleibt mein Ort den „Blumenstraßen“ und „Rosenwegen“ verschrieben. Inwieweit obengenannte Personen nicht auch eine kritische Betrachtung, die Anbringung einer Zusatz-Infotafel oder eine Umbenennung benötigen, kann ich nicht einschätzen, hier beruht mein Wissen leider auf dem Volkschul-Sachunterricht. „Bis in die 1980er Jahre legten Stadtregierung und Gemeinderat andere politische und moralische Maßstäbe an, denen zufolge es offensichtlich unhinterfragte Praxis war, Straßen auch nach NS-belasteten Personen zu benennen.“1 Neben dem fehlenden Bewusstsein, Biografien von potentiellen NamensgeberInnen genauer zu betrachten, konnte auch erst durch die Öffnung der Archive in den letzten Jahren das Handeln von Menschen im Nationalsozialismus umfassender rekonstruiert werden. Der wissenschaftliche Fachbeirat sieht sich in der Aufgabe, durch die Aufarbeitung von Biografien von NS-belasteten-StraßennamensgeberInnen, dem Gemeinderat zu empfehlen, wie mit den Forschungsergebnissen umgegangen werden soll: Von Zusatzinformationen auf Extraschildern bis hin zu Umbenennungen. Um abzuwiegen, wie mit bereits vorhandenen Straßenschildern verfahren werden

soll, hat der Fachbeirat Kriterien zur Einordnung und Bewertung der zu untersuchenden Personen aufgestellt. Bei der ersten Systematisierung von mit dem Nationalsozialismus verstrickten NamensgeberInnen sollte eingeordnet werden, inwieweit die zu untersuchenden Personen an Kriegsverbrechen wie Zerstörungen, Plünderungen, Arisierungen und Kunstraub beteiligt waren. Aber auch die Propagierung von NS-Ideologie und eine Förderung des Regimes aus führenden politischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen oder künstlerischen Positionen heraus soll bewertet werden. Nach Berücksichtigung dieser Kriterien werden NS-belastete-NamensgeberInnen von Salzburger Straßen oder Plätzen nach drei Kategorien klassifiziert. Kategorie 1: Das Ausmaß der Verbindung zum Nationalsozialismus ist in Verbindung mit der Gesamtbiographie der Person nicht so gravierend, dass dies im Kurztext der Erläuterungstafel angeführt werden muss. Die Kommission sieht in diesen Fällen vor, dass Informationen auf der Website der Stadt Salzburg mit einem Eintrag im digitalen Stadtplan sichtbar gemacht werden. Kategorie 2: Hier handelt es sich um Personen, deren Verbindung mit dem Nationalsozialismus durch den erhöhten Grad ihrer Belastung nicht nur online durch die Darstellung der Biografien öffentlich gemacht werden soll, sondern auch Erklärungstafeln im öffentlichen Raum benötigen. Kategorie 3: Die Gruppe der hochbelasteten Personen. Hier sollte aufgrund der gravierenden Ver-


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strickungen eine Umbenennung der betroffenen Straßen und Plätze in Erwägung gezogen werden. Im Falle einer Umbenennung soll mit einer Erläuterungstafel die Vorgangsweise dokumentiert werden. Da diese Umbenennungen aber von politischen EntscheidungsträgerInnen letztendlich entschieden werden, braucht es einen Gemeinderatsbeschluss. Mit diesem, so schreibt zum Beispiel der Standard, ist vor 2020 nicht zu rechnen.3 Der Fachbeirat konnte bis jetzt 200 Namen, die in Verbindung mit dem nationalsozialistischen Regime stehen und auf Salzburgs Straßen und Plätzen präsent sind, eruieren. 37 davon sind bereits in den Jahren des Zweiten Weltkrieges verstorben, 46 waren NSDAP-Mitglieder, drei Parteianwärter. 15 der 200 NamensgeberInnen waren zwar keine Parteimitglieder aber verstrickt im NS-System. 11 detaillierte Biografien wurden bis jetzt auf der Website des Projektes veröffentlicht, die den Schwerpunkt auf deren Funktionen, Tätigkeiten und Handlungen in der NS-Zeit legen.

„CIRCA 1145 PLÄTZE UND STRASSEN GIBT ES AKTUELL IN DER STADT SALZBURG – 566 DAVON TRAGEN NAMEN VON EINZELPERSONEN, VON DENEN NUR 37 FRAUEN SIND.“ Bis 2020 soll das Projekt abgeschlossen sein. Die Gesamtsicht, die dort erarbeitet werden soll, soll als Basis für etwaige Umbenennungen dienen. Unter den prominenten Namen der bisher näher untersuchten NamensgeberInnen ist auch Josef Thorak zu finden, respektive die „Josef-Thorak-Straße“. Die Diskussion um die Umbenennung der Straße entfacht seit Jahren die Öffentlichkeit (nicht zu vergessen der unsägliche „Nazi-Kitsch“ ebendieses Künstlers im Mirabellpark). Der gemeinhin genannte „Lieblingsbildhauer Adolf Hitlers“ stand auch in den letzten Tagen wieder in der Debatte: Die Bürgerliste brachte zum Thema einen Zusatzantrag ein, der die Umbenennung der „Josef-Thorak-Straße“ als Zwischenschritt fordert. Als Namenspatronin steht die Salzburger Malerin Helene von Taussig in der Diskussion. Die Idee zur Namensgebung stammt von der Künstlerin Konstanze Sailer, die mit einer digitalen Kunstinitiative unter anderem auf die Salzburger Malerin verweist, die aufgrund

ihrer jüdischen Herkunft 1940 aus Anif ausgewiesen, 1941 enteignet und 1942 in einem Vernichtungslager ermordet wurde. Frauen scheinen den zuständigen Behörden wohl global durch die Raster zu fallen. Googelt man „Weibliche Straßennamen“ findet man seitenweise Artikel, die darüber Auskunft geben, in welcher Stadt gerade mühsam versucht wird, die Prozentzahl weiblicher Straßennamen hochzuschrauben. Bei den 37 Straßen und Plätzen Salzburgs, die nach Frauen benannt sind, ist bei einigen nicht sofort erkenntlich, dass es sich um eine Namenspatin handelt, weil nur die Nachnamen der Frauen auf den Straßenschildern prangen. (Beispielsweise die Arenbergstraße, die nach Sophie von Arenberg benannt wurde) Nun könnte man die alte Keule: „Haben wir nichts Besseres zu tun?“ wieder einmal kräftig über der Debatte der Benennung von Straßennamen schwingen lassen, sie ins Lächerliche ziehen und als Gesinnungsterror brandmarken. Nur sollte man sich, bevor man voreilige Schlüsse zieht, folgende Frage stellen: Was bedeutet öffentlicher Raum in meinem Dorf, meiner Gemeinde oder meiner Stadt für mich? Straßennamen können wie aus dem obigen Beispiel ganz profan und aus Ermangelung an Kreativität nach Blumen benannt werden, auch okay – schadet nicht, hilft aber auch nicht. Straßennamen erinnern an bedeutende Personen sowie prägende Ereignisse und erzählen Geschichten über die Orte beziehungsweise ihre Entwicklung.

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Carolina Forstner studiert Jüdische Kulturgeschichte und ist neben ihrer Tätigkeit als Studienassistentin seit Anfang 2016 im Pressereferat aktiv. 1 https://bit.ly/2sy6daM 2 Vgl. https://bit.ly/2HhxRhK

Memory Gaps: Erinnerungslücken. www.memorygaps.eu Projekt „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ https://bit.ly/2xBQvB9 Petition des Bildhauers Daniel Toporis gegen die Ausstellung von Skulpturen des umstrittenen Künstlers Josef Thorak: https://bit.ly/2JafSLQ


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NO S20!

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GEGEN DEN GIPFEL DER HERRSCHAFT!

A

m 20. September 2018 soll in Salzburg im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ein informelles Treffen der Staats- und Regierungschef_innen stattfinden. Als zentrale Themen sind unter dem Motto „ein Europa, das schützt“ die sogenannte „innere Sicherheit“, der sogenannte „Schutz“ der EU-Außengrenzen und die sogenannte „Cybersicherheit“ gesetzt. Diese begriffliche Schönfärberei kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein Gipfel der Herrschaft stattfinden soll: ein Haufen Arschgeigen wird in einem pseudo-demokratischen Spektakel über repressive Maßnahmen entscheiden, die ihre Position im Ringen um wirtschaftliche und militärische Macht verbessert, zu unseren Lasten. „Innere Sicherheit“ heißt Aufrüstung derer, die uns einsperren und bespitzeln. „Schutz der EU-Außengrenzen“ ist die bewaffnete Abwehr von Flüchtenden und Migrant_innen. „Cybersicherheit“ bedeutet digitale Kontrolle über unsere Daten und unser Handeln. Der 20. 9. in Salzburg ist nur ein Programmpunkt der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018. Der Großteil der Sitzungen soll in Wien stattfinden, einzelne Ministerräte sind an anderen Orten geplant (Linz, Alpbach, Graz). Auch das Treffen am 20. 9. war ursprünglich für Wien angedacht, wurde aber von Bundeskanzler Sebastian Kurz auf Vorschlag des Salzburger Landeshauptmannes

Wilfried Haslauer nach Salzburg verlegt. An dieser Stelle schon einmal schönen Dank an die Salzburger ÖVP für die kommende Belagerung unserer Stadt durch den Repressionsapparat! Wir wissen, was sich gehört, und werden uns entsprechend revanchieren.

„SCHÖNEN DANK AN DIE SALZBURGER ÖVP FÜR DIE KOMMENDE BELAGERUNG UNSERER STADT DURCH DEN REPRESSIONSAPPARAT!“ „Schutz der EU-Außengrenzen“ Ein Kernpunkt auf der Tagesordnung am 20. 9. wird die Migrationspolitik sein. Hier werden flüchtende Menschen pauschal als Sicherheitsrisiko dargestellt. Aber wer schützt sich hier eigentlich vor wem, und um wessen Sicherheit geht es? Bei der Ausweitung des Frontex-Mandates, bei der Forderung nach vermehrten Abschiebungen, usw. geht es um die Abwehr von Menschen, die vor dem Elend fliehen, das Machtblöcke wie die EU durch die Ausbeutung des Globalen Südens direkt mitverursachen. Die Militarisierung der EU-Außengrenzen soll weiter voranget-


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Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017

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rieben werden. Politiker_innen überbieten einander dabei mit absurden Forderungen, wie der nach der Aufstockung der Frontex-Einsatzkräfte von derzeit 1.500 auf 100.000 – so gefordert von Jens Spahn, dem CDU-Gesundheitsminister (sic!).

soll die Polizei Geheimdienstkompetenzen erhalten, „intelligente“ Videotechnik und Gesichtserkennung sollen zum Einsatz kommen, und das Postgeheimnis gekippt werden, und die Bullen sollen über Handgranaten verfügen.

„Innere Sicherheit“ Geflüchtete zum Sicherheitsrisiko zu erklären dient außerdem der Legitimation der „Inneren Sicherheit“, das heißt, der Aufrüstung der staatlichen Bespitzelungs- und Repressionsorgane. Den „Kampf um die Köpfe“ haben staatliche und nichtstaatliche rassistisch-nationalistische Projekte insoweit gewonnen, als sich die Leute selbst solche Maßnahmen als zu ihrem Schutz geeignet verkaufen lassen, die eigentlich gegen sie gerichtet sind. Das neue österreichische Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz erleichtert Überwachungsmaßnahmen, indem es jeden Menschen auf österreichischem Boden zwingt, zu jeder Zeit sein Gesicht unverhüllt in die omnipräsenten Kameras zu halten. Das versprochene „friedliche Zusammenleben“ wird dadurch wohl kaum positiv beeinflusst.

„Cybersicherheit“ Sebastian „Message Control“ Kurz verlautbart den „Kampf gegen Internetgiganten wie Google und Facebook“ als Punkt auf der Agenda am 20.9. Hinter dem Vernebelungsbegriff „Digitale Betriebsstätte“ verbirgt sich selbstverständlich nicht die Sorge um die persönlichen Daten der EU-Untertan_innen oder eine Empörung über die Steuerflucht von Konzernen in gigantischem Ausmaß. Vielmehr geht um Verteilungskämpfe unter den Herrschenden um die technologischen Möglichkeiten, unser Denken und Handeln zu überwachen und zu lenken. Es ist mittlerweile bekannt, dass Firmen wie Cambridge Analytica mittels der von Facebook von uns enteigneten Daten mitverantwortlich sind für den Brexit und Trumps Wahlsieg. Der Austritt Großbritanniens und Trumps Strafzölle sind für die EU als wirtschaftlicher und geopolitischer Machtblock, ääh, Friedensprojekt, nicht vorteilhaft. Nun gilt es für die EU-Machthaber_innen, sich die Kontrolle über den technologischen Manipulationsapparat zu sichern, um im internationalen Wettstreit um die effektivste Beeinflussung (im Neusprech heißt das „nudging“) wettbewerbsfähig zu sein. Recht deutlich spricht Kurz in dem Zusammenhang von „Waffengleichheit“.

„BULLEN SOLLEN ÜBER HANDGRANATEN VERFÜGEN.“ Ein weiterer europaweiter Trend ist die Aufrüstung der Polizei und die Erweiterung ihrer Befugnisse. Hier setzt etwa der Gesetzesentwurf für das Polizeiaufgabengesetz in Bayern neue Maßstäbe. So


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Willkommen in der (Un-)Sicherheitszone? Für das Abendessen der Staats- und Regierungschef_innen am Vorabend war ursprünglich der „Festspielbezirk“ als Veranstaltungsort angedacht. Allerdings findet in der Altstadt zeitgleich der Rupertikirtag statt, Salzburgs heimattümelndes Lederhosen-, Dirndl- und Bier-Event. Diese Tatsache identifizierten die Verantwortlichen als „Sicherheitsfrage“, und Ende März wurde kolportiert, es werde überlegt, das Staatsbankett ins Schloss Mirabell zu verlegen und die Tagung in der Uni Mozarteum anzusetzen, statt im Kongresshaus. Somit würden die Tagungsorte und die vier Hotels, in denen die Staats- und Regierungschef_innen samt Entourage nächtigen werden, allesamt in unmittelbarer Nähe zueinander liegen. Drumherum soll eine „Sicherheitszone“ gezogen werden – für uns wohl eher eine Unsicherheitszone. Seit Mitte April ist auch öffentlich, dass „der Einsatz von Drohnen ein Teil des Sicherheitskonzeptes der österreichischen EU-Präsidentschaft“ werden soll. Polizeidrohnen werden also im Herbst über unseren Köpfen kreisen und jede unserer Bewegungen bespitzeln und filmen. Wann werden sie auf uns schießen?

„WANN WERDEN SIE AUF UNS SCHIESSEN?“ Die kommende Abriegelung und Militarisierung eines Teils des öffentlichen Raumes in unserer Stadt erscheint als konsequente Weiterführung der „Willkommenspolitik“ der Stadt Salzburg. Schon vor

Jahrzehnten wurden zur Festspielzeit Obdachlose aus der Altstadt entfernt, und das „sektorale Bettelverbot“ soll dafür sorgen, dass sich die Lodenschickeria und zahlende Tourist_innen nicht mit der Armut konfrontieren müssen, die durch Kapitalismus und nationalistisch-rassistische Vertreibungspolitiken geschaffen wird. Anlässlich des 20. 9. positioniert sich Salzburg wieder einmal als befriedete Zone, in der sich Ausbeuter_innen und jene, die über unsere Köpfe hinweg über unser Leben entscheiden, ungestört hofieren lassen können. Wir wollen hier nicht das Böse personifizieren, ganz im Gegenteil. Es geht um die Amt- und Würdenträger_innen in ihrer Funktion innerhalb des kapitalistisch-nationalistischen Systems, und nicht als Personen. Ebenso richten sich die Schikanen von Bullen und der Stadt Salzburg in Form des Magistrates nicht gegen Geflüchtete, Notreisende und andere Arme als Individuen – sondern gegen sie in ihrer Rolle als „Unerwünschte“ und „Überflüssige“, als Störfaktoren im sauberzuhaltenden Stadtbild. Es trifft trotzdem die einzelnen, konkreten Menschen. Im Gegenzug darf ruhig auch auf die konkreten Machthaber_innen abgezielt werden. Was wirklich überflüssig ist: die repressive Macht und Unterdrückung, die sich in den bestehenden kapitalitischen, rassistischen und patriarchalen Systemen ständig reproduzieren. Überflüssig ist der sich aktuell stärkende Nationalismus, der sich u.a. antisemitischer Verschwörungstheorien bedient. Überflüssig sind die Machtpositionen, ohne die diese Mechanismen der Ungleichheit nicht aufrechterhalten werden könnten.

Dieser Text ist zuerst auf https://nos20.blackblogs. org/ erschienen.

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WER ALT IST,

Immer wieder wird der ÖH und der uni:press vorgeworfen, ein Konglomerat linkslinker Stimmungsmacher zu sein, die sich mehr um ihre Propaganda und weniger um studentische Interessen kümmern. Offen für Kritik haben wir1 uns in den Untiefen des Internets nach alternativen Stimmen umgesehen. Recherche von Carlos P. Reinelt Metapedia, Die alternative Enzyklopädie: Die Österreichische HochschülerInnenschaft (kurz: ÖH) soll vordergründig eine Interessensvertretung der österreichischen Studenten sein. Faktisch handelt es sich jedoch um eine linksextreme Organisation, welche als Dreh- und Angelpunkt des gewaltbereiten Linksextremismus in der Republik Österreich gelten kann. Die ÖH finanziert sich durch eine Zwangsmitgliedschaft und entsprechende Gebühren. Die Gelder werden meist für abstruse Projekte verschwendet oder direkt für links-terroristische Aktionen verun-

treut. Funktionäre der ÖH marschieren regelmäßig bei den alljährlichen Akademikerball-Krawallen mit. Durch strukturelle Benachteiligung, vor allem Terror gegen andersdenkende Studenten, ist es patriotischen Parteien fast unmöglich, einen Wahlkampf zu betreiben, daher sind diese in der ÖH kaum vertreten. Informationsstände werden angegriffen, Wähler und Kandidaten gemobbt. Durch die politische Besetzung von Lehrstühlen ist auch der überwiegende Teil der Professoren linksextrem, und daher haben Studenten, die sich als Wähler einer alternativen Liste zu erkennen geben, mit schlechteren Noten zu rechnen.

1 Pluralis Majestatis.


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UND IMMER NOCH LINKS... Fritz Mayrbäurl, Bundesobmann des RFS (Ring Freiheitlicher Studenten) im Interview auf ww.fpoe.at

Artikel auf unzernsuriert.at zur ÖH-Wahl 2017: Sozialisten legen zu, Debakel für Grüne - Extremer Linkskurs wird fortgesetzt.

NFZ: Die Wahlbeteiligung bei ÖH-Wahlen ist extrem niedrig, obwohl praktisch jeder Student an einem der drei Wahltage sowieso auf der Uni sein sollte. Kann es sein, dass die Studenten die Studentenpolitik gar nicht brauchen?

Es sind Wahlen und (fast) keiner geht hin. Unter diesem Motto verlaufen alle zwei Jahre die Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft. Dieses Jahr gab es sogar einen neuen Minusrekord. […] Angesichts dieses Desinteresses an dieser Form der Studentenvertretung stellt sich die Frage der demokratischen Legitimation der von einer zusehends schwindenden Minderheit gewählten Mandatare.

Mayrbäurl: 75 Prozent der Studenten fühlen sich von der ÖH verraten. Die linken ÖH-Fraktionen finanzieren seit Jahren Demonstrationen, Aussendungen und Personal für linksextreme und staatsfeindliche Gruppierungen. Das hat überhaupt nichts mit Hochschulpolitik zu tun, dementsprechend sind die Studenten enttäuscht. Deshalb der Wahl fernzubleiben, macht die Situation aber nicht besser. Dieser linksextreme Block lässt sich nur dann von der Macht fernhalten, wenn möglichst viele vernünftige Studenten ihr Stimmrecht in Anspruch nehmen. NFZ: Die ÖH ist seit geraumer Zeit in linker, zum Teil sogar linksextremer Hand. Wie wirkt sich das auf den Universitäten aus? Mayrbäurl: Die akademische Lehre leidet zunehmend unter der Beeinflussung linker Gruppierungen. Teilweise können Professoren nicht mehr entscheiden, welche Gäste sie in ihre Vorlesungen einladen, ohne dass die ÖH Demonstrationen organisiert. Auch die Genderideologie stellt eine Bedrohung für die wissenschaftliche Freiheit dar. Wir lehnen verpflichtende Gender-Vorlesungen daher ebenso ab wie „integrationsfördernde Maßnahmen“ wie Deutschkurse für Asylwerber auf Kosten des Uni-Budgets. NFZ: Zuletzt haben mehrere Fraktionen signalisiert, dass sie sich eine Abschaffung der ÖH-Zwangsmitgliedschaft vorstellen können. Sehen Sie eine Chance, dass diese alte RFS-Forderung umgesetzt werden könnte? Mayrbäurl: Gemeinsam mit der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft und den liberalen JUNOS wäre es möglich, endlich eine Mehrheit für diese Forderung zu finden. Kein Student braucht die Zwangsmitgliedschaft in der ÖH-Bundesvertretung.

„WIR LEHNEN VERPFLICHTENDE GENDER-VORLESUNGEN AB“ Grüne Studenten große Verlierer Während die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) als stimmenstärkste Fraktion mit 26,39 Prozent der Stimmen beinahe das gleiche Resultat wie 2015 erreichen konnte, legten die sozialistischen Studenten (VSStÖ) um über 5,5 Prozentpunkte zu und kamen auf 20,4 Prozent. Nahezu im gleichen Ausmaß verloren die Grünen und Alternativen Studenten (GRAS) an Wählerzuspruch und gehen als große Verlierer aus der Wahl hervor. Die ebenfalls als links einzustufende Fachschaftsliste (FLÖ) konnte sich um 1,5 Prozentpunkte leicht verbessern. Leicht verbessern konnte sich der Ring freiheitlicher Studenten (RFS) auf etwas über 3 Prozent. Die Freiheitlichen waren im Wahlkampf massivem Mobbing ausgesetzt, an dem sich auch ORF-Moderator Armin Wolf im Rahmen der Spitzenkandidaten-Podiumsdiskussion beteiligt hatte. In einer Frage bezeichnete er den RFS-Spitzenkandidaten Felix Mayrbäurl als "Opfer". Linksextremer Kurs wird fortgesetzt An den Machtstrukturen innerhalb der Studentenvertretung hat der diesjährige Wahlgang nichts verändert. Mit 29 der 55 Mandate verfügen die Linksfraktionen von VSStÖ, GRAS und FLÖ weiterhin über eine absolute Mehrheit. Nach ersten Aussagen der Spitzenkandidatinnen des VSStÖ (Hannah Lutz) und GRAS (Marita Gasteiger) ist man auch gewillt, die Koalition der Linksparteien aufrecht zu erhalten.

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DAS MINDESTE

Die Schwarz-Blaue Bundesregierung bläst zum Großangriff auf den Sozialstaat. Die jetzt beschlossene Kürzung bei der Mindestsicherung ist brutal, ungerecht und kann uns alle treffen. Was heißt sie für uns alle? Von Kay-Michael Dankl

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a, im Österreich des Jahres 2018 gibt hunderttausendfach Not und Armut. Tausende haben kein Zuhause, obwohl in jeder Stadt etliche Wohnungen leer stehen. Viele haben mehrere Jobs, können sich aber nur mühsam über Wasser halten. Die Waschmaschine reparieren, wenn sie kaputt geht? Ein Urlaub im Sommer mit den Kindern? Oder zumindest eine Saisonkarte für die Freibäder? Das ist bei vielen nicht drin. Jede*r sechste Mensch in Österreich ist von Armut gefährdet oder bereits betroffen. Jedes fünfte Kind in Österreich lebt in Armut oder Armutsgefahr. Die Eltern sind oft alleinerziehend, arbeitslos, mit Migrationshintergrund oder beziehen Mindestsicherung. Wenn das letzte Netz zerschnitten wird Armut kann jeden treffen - und es kann sehr schnell gehen: Der 45-jährige Familienvater, der als Techni-

ker gut verdient, erkrankt plötzlich und wird nach einiger Zeit im Krankenstand gekündigt. Nachdem das Arbeitslosengeld ausläuft, blieb bisher immerhin noch die sogenannte “Notstandshilfe”. Sie ersetzte rund 90% des Arbeitslosengeldes. Das ändert sich mit Schwarz-Blau: Sie wollen die Notstandshilfe ersatzlos abschaffen. Wer kein Arbeitslosengeld mehr bezieht, rutscht direkt in die Mindestsicherung. Allein im Bundesland Salzburg sind, inkl. Familienangehörige, rund 86.000 Menschen von der Streichung der Notstandshilfe für Arbeitslose betroffen. Ihnen bleibt in Zukunft nur mehr die Mindestsicherung. Das stürzt ganze Familien in Verschuldung, Armut und Verzweiflung. Anders als bei der Notstandshilfe müssen sie praktisch ihr ganzes Vermögen veräußern - vom Sparbuch bis zum Auto - bevor sie die Mindestsicherung beziehen können. Damit nicht genug, zerschneiden ÖVP und FPÖ jetzt auch noch dieses letzte Sicherheitsnetz.


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WEGNEHMEN?! Was ändert sich? Derzeit variiert die Höhe der Mindestsicherung nach Bundesland. Die ÖVP-FPÖ-Regierung will sie vereinheitlichen - und drastisch senken. Nach Vorstellung der Regierung kann eine Person maximal 863 Euro pro Monat beziehen. Für das erste Kind kommen 25% hinzu. Für das zweite nur mehr 15%, ab dem dritte gar nur mehr 5%. Familien mit mehreren Kindern werden also massiv verlieren. Nur Alleinerziehende sind besser gestellt. Um Geflüchtete gezielt schlechter zu stellen, nimmt die Regierung allen, die keinen österreichischen Pflichtschulabschluss haben oder Deutsch auf B1-Niveau (oder Englisch auf C1-Niveau) nachweisen können, monatlich 300 Euro weg. Laut dem Linzer Jus-Professor Franz Leidenmühler widerspricht das EU-Recht, das eine Gleichstellung von Asylberechtigten vorsieht. Auch Menschen aus anderen EU-Staaten müssen künftig ausnahmslos seit fünf Jahren in Österreich leben, um Mindestsicherung beziehen zu können.

„JEDER DRITTE, DER AKTUELL MINDESTSICHERUNG BEZIEHT, IST MINDERJÄHRIG.“

“Hilfe vor Ort” in Krisen- und Kriegsgebieten auszuweiten. Dann hat er den Auslands-Katastrophenfonds gekürzt. Auch die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit sind markant gesunken. Kurz und Strache wollen weder den Geflüchteten in Österreich helfen, noch den Menschen vor Ort, die zur Flucht gedrängt werden.

„KURZ IST EIN HEUCHLER.“ Wem nutzt die Verarmungs-Politik? Statt Hilfe gibt es Schuldzuweisungen und eine rassistische Sündenbock-Politik, die ablenkt von den eigentlichen Nutznießern der schwarz-blauen Politik. Hauptsache niemand fragt nach, warum die Regierung milliardenschwere Privilegien für Unternehmen und die reichsten 5% einführt. Allein die Zerschlagung der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA) begünstigt die Unternehmen mit einer halbe Milliarde Euro. Draufzahlen werden die Arbeitenden und die Versicherten. Anstatt die milliardenschwere Steuerhinterziehung der Konzerne zu bekämpfen, hetzen Schwarz-Blau gegen Arme, Arbeitslose und Geflüchtete.

„ZU DEN PROFITEUREN ZÄHLEN JENE, DIE EH SCHON ALLES HABEN“

Sozial- und Menschenrechtsorganisationen reagieren empört die drohende Kürzung von Kurz und Strache. Hintergrund: Die Mindestsicherung macht weniger als 1% der gesamten Sozialausgaben aus. Die Folgen der Kürzung sind aber schwerwiegend. Vor allem Kinder seien von der Kürzung betroffen. Jeder Dritte, der aktuell Mindestsicherung bezieht, ist minderjährig. Die ÖVP in den Bundesländern applaudiert ihrem Parteichef, die SPÖ ist gespalten: Im Bund kritisieren sie die Regierung, in Salzburg zum Beispiel begrüßt die SPÖ “inhaltlich” die Kürzungen!

Die Schwarz-Blaue Politik produziert sehr viele Verlierer und einige Gewinner: Zu den Profiteuren zählen jene, die eh schon alles haben und noch mehr - Aktien und Fabriken, Fonds, Stiftungen und Immobilien -, die für ÖVP- und FPÖ-Wahlkämpfe spenden und auf Kosten der Mehrheit der Menschen, des Sozialstaates und der Demokratie ihre Gewinne ausweiten.

“Hauptsache den Flüchtlingen geht’s dreckig” So lässt sich die Schwarz-Blaue Politik zusammenfassen. FPÖ-Strache meinte, es könne nicht sein, dass nach Österreich geflüchtete Familien mehr Mindestsicherung beziehen als Pensionisten an Pension bekommen. Nur hat kein einziger Pensionist etwas davon, wenn man Geflüchteten etwas wegnimmt. Dadurch steigt seine Pension um keinen Cent. ÖVP und FPÖ versuchen, die Menschen, die bereits wenig besitzen, gegeneinander auszuspielen. Dafür ist der Regierung jede rassistische Sündenbock-Politik recht. Kurz ist ein Heuchler. Im Wahlkampf hatte er in der Flüchtlingspolitik noch großmäulig angekündigt, die

Was tun? Get organised! Wir alle, die keine großen Vermögen besitzen, haben ein gemeinsames Interesse: an einer starken sozialen Absicherung. Denn Armut kann jeden von uns treffen. Niemand ist vor Schicksalsschlägen gefeit - gerade in einer Zeit, wo die Interessen der Unternehmen über die der Arbeitenden gestellt werden. Nur wenn wir uns organisieren gewerkschaftlich, in politischen Gruppen, bei studentischen Initiativen -, können wir die Angriffe auf unsere sozialen Rechte abwehren. Denn es ist genug für alle da - wenn der Wohlstand unserer Zeit nur richtig verteilt wird.


kultur & menschen

„SATIRE DARF ALLES - SOFERN ES SATIRE IST!“

e r i

t a S

Nach der Veröffentlichung der als antisemitisch kritisierten Karikatur Benjamin Netanjahus trennte sich die Süddeutsche Zeitung von ihrem langjährigen Karikaturisten Dieter Hanitzsch. Wir haben dies als Anlass genommen, mit dem 85-jährigen über die Freiheit der Satire, Charlie Hebdo und die Vorwürfe zu sprechen. Interview von Carlos P. Reinelt


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uni:press: Ein Schriftsteller kann in seinen literarischen Texten Positionen vertreten, die völlig konträr zu seinen eigenen Ansichten sind. Bei einem Zeitungskommentar hingegen gibt der Autor genau seine Meinung wieder. Wo bewegt sich ein Karikaturist in diesem weiten Spektrum? Hanitzsch: Für den Karikaturisten gilt das wie für den Kommentator. Auch der Karikaturist zeichnet seine eigene Meinung. uni:press: Haben Sie in Ihren Karikaturen jemals Dinge kritisiert, die Sie persönlich nicht unbedingt für kritikwürdig hielten?

uni:press: Wird es weiterhin Karikaturen von Ihnen geben? Hanitzsch: Es wird weiterhin politische Karikaturen von mir geben, aber in einem modernen Medium: Im Internet. Ich plane eine Art Crowd-Funding-Kampagne bei Patreon - für alle die, die gern weiterhin politische Karikaturen von mir sehen wollen. uni:press: Nach Böhmermanns Schmähgedicht (von dem manche sogar die Rechtmäßigkeit infrage stellten) gab es ähnliche Diskussionen, jedoch mit einem anderen Ausgang. Haben Sie dafür eine Erklärung? Darf ein Satiriker mehr, als ein Karikaturist?

Hanitzsch: Nein. uni:press: Gibt es Karikaturen in Ihrer Schublade, die sie nicht veröffentlichten, aus Sorge, sich damit gröbere Probleme einzufangen?

Hanitzsch: Ein Karikaturist ist ja ebenfalls Satiriker, also gilt auch für ihn Tucholskys weiser Ausspruch. uni:press: Können Sie die Kritik an Ihrer Karikatur zum ESC nachvollziehen?

Hanitzsch: Nein. uni:press: Wo liegen die Grenzen zumutbarer Satire und Karikaturen? Hanitzsch: Wie immer passt hier Kurz Tucholsky: Satire darf alles - sofern es Satire ist! Der zweite Satz wird leider oft weggelassen… uni:press: Das dieswöchige Charlie-Hebdo-Cover stellt die Kopftuch-tragende Studentenführerin Maryam Pougetoux als Äffin dar. In Deutschland wäre ein Spiel mit rassistisch auslegbaren Doppeldeutigkeiten dieser Art wohl schwer vorstellbar. Weshalb? Hanitzsch: Ich würde sowas NIE zeichnen. uni:press: Eine Ihrer Karikatur-Sammlungen trägt den Titel Es ist nicht immer zum Lachen. Muss eine Karikatur lustig sein? Hanitzsch: Eine politische Karikatur sollte schon witzig sein, oder komisch, aber eher nicht lustig (was immer man darunter versteht). uni:press: Was ist die primäre Aufgabe einer Karikatur? Hanitzsch: Eine politische Karikatur sollte den Betrachter/ die Betrachterin auf einen für den Karikaturisten kritikwürdigen Politiker/ eine kritikwürdige Politik aufmerksam machen und sich dazu eine eigene Meinung zu bilden.

Hanitzsch: Ich kann nicht nachvollziehen, was man alles in diese Karikatur hineininterpretiert hat. Das ist erklärbar, aber ich muss das nicht nachvollziehen. uni:press: Die Jüdische Allgemeine schreibt „Wann immer es also gilt, den Israelis mahnend den rechten Weg zu weisen, ist mit der SZ zu rechnen.“1 Die SZ gilt allgemein als Israel-kritischere Tageszeitung in Deutschland. Nun gibt es Stimmen, die besagen, bei der Causa Hanitzsch handle es sich um ein Damenopfer, um weitere Vorwürfe des Antisemitismus zu entkräften. Halten Sie so etwas für plausibel? Hanitzsch: Ich wurde da und dort schon als "Bauernopfer" (deutsch für "Damenopfer") bezeichnet. "Plausibel" wäre es für mich nicht, aber wie sagt man auch im schönen Österreich: Unmöglich is nix! uni:press: In Salzburg findet alljährlich ein beliebter Wettbewerb für Nachwuchs-Karikaturisten statt. Was für Tipps können Sie den jungen Menschen mitgeben? Hanitzsch: Zunächst möchte ich meine Hochachtung dafür zollen, dass es in Salzburg diesen Nachwuchs-Wettbewerb für Karikaturisten gibt! Gratulation! Unsere Zunft ist eh stark überaltert, aber leider gibt es immer weniger gute Zeichner/innen, die sich auf die politische Karikatur werfen. Mein Tipp: Aus dem Herzen zeichnen (bisserl Verstand dazu) und o h n e Hemmungen! Dann wird's auch was!

1 https://bit.ly/2xEQVXE

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FRAUEN

UND

MACHT

Es ist ein schmales Büchlein, in kaum einem Tag ausgelesen. Mary Beards nun auch auf Deutsch erschienenes Pamphlet Frauen & Macht setzt sich aus zwei Vorlesungen zusammen, die die britische Historikerin 2014 und 2017 hielt. Die Aufsatzsammlung sorgt weltweit für Furore – zu Recht, denn was könnte es besseres geben als ein kämpferisches, feministisches Manifest, das mit griechischer Mythologie gespickt ist? Von Carolina Forstner

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alls es sowas wie „Historikerinnen-Superstars“ gibt, ist Mary Beard sicher mit in die Riege dieser zu zählen. In ihrem Werk verwebt sie geschickt Feminismus und historische, zeitgeschichtliche und mythologische Inhalte. In einem Video, in dem sie Women&Power ankündigt, hält sie ein ausgedrucktes Blatt Papier mit dem Frontcover des Buches in die Kamera und erklärt im wackeligen Video euphorisch in unter zwei Minuten ihre Intention: „Generally I‘ve tried to think about how we’ve come to define power and why male faces always fit that definition better than female ones.“


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Ihre Zeitreise beginnt Mary Beard im antiken Griechenland, vor fast 3000 Jahren in Homers Odyssee1. Uns allen bekannt als das Epos über die Abenteuer und Probleme, denen Odysseus während seiner Heimreise aus dem Trojanischen Krieg ausgesetzt war. Mary Beard legt den Finger aber auf einen anderen Faden der Geschichte, der, so schreibt sie, das erste aufgezeichnete Beispiel „eines Mannes ist, der einer Frau sagt, sie solle ‚den Mund halten‘. Dass ihre Stimme in der Öffentlichkeit zu schweigen habe.“ Mythologie-Ultras, oder solche, die sich noch an ihren Lateinunterricht erinnern können, wissen womöglich, wovon ich spreche: Telemachos, der seiner eigenen Mutter das Wort verbietet, ihr die öffentliche Rede als Frau untersagt. Oder in Ovids Metamorphosen, jenem außergewöhnlichen mythologischen Epos über menschliche Verwandlungen, in dem es immer wieder auf die Idee zurückkommt, Frauen im Zuge ihrer Verwandlung zum Schweigen zu bringen – zum Beispiel Io, die vom Gott Jupiter in eine Kuh verwandelt wird, oder die geschwätzige Nymphe Echo, die damit bestraft wird, dass ihre Stimme nicht mehr gehört wird, sondern nur noch ein Instrument ist, um die Worte anderer zu wiederholen. „Stummheit“ der Frauen als Spiegel ihrer Rolle der Entmündigten in der klassischen Welt. Frauen waren isoliert. Kein Wahlrecht, kein Recht auf öffentliche Mitsprache. Die Praktik des Ausschlusses, die Beard exemplarisch an Homers Telemachos statuiert, soll die Wichtigkeit der öffentlichen Rede als Werkzeug zur „Mannwerdung“ betonen. Eine geschlechterspezifische Überzeugung, die sich noch bis heute in modernen Rhetorik- und Überzeugungstechniken finden lässt, schreibt die Historikerin. Frauen ist es erlaubt, ihre eigenen Interessen zu vertreten oder ihren Opferstatus zur Schau zu stellen. „Ich sage nicht, dass die Stimmen von Frauen, die sich für die Rechte von Frauen einsetzen, nicht wichtig waren oder sind (irgendjemand muss ja für die Frauen sprechen). Aber es bleibt eine Tatsache, dass der öffentlichen Rede von Frauen diese ‚Nische‘ seit Jahrhunderten zugewiesen wird.“, schreibt Beard. Im zweiten Essay behandelt Mary Beard die Darstellung und Verunglimpfung erfolgreicher Frauen. Die Abbildung von Trump als Perseus mit dem abgehackten Medusenkopf, in den Hilary Clinton reingephotoshopt wurde, schwebt noch immer vor meinem geistigen Auge. Die brachiale Szenerie war ein beliebter Merchandise-Artikel im Einkaufskorb von Alt-Right-Sympathisantinnen und ein frühes Zeichen für die frauenverachtende Denkweise des heutigen US-Präsidenten. Die Enthauptung der Medusa dient seit ihrer antiken Schöpfung als kulturelles Symbol für den Wider-

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stand gegen die Macht der Frauen. Ob Angela Merkel, Theresa May oder Hilary Clinton, oder unzählige andere weibliche Politikerinnen – die Darstellung normalisiert geschlechterspezifische Gewalt.

Mary Beard will, und da bleibt sie ihrer Zunft als Historikerin treu, Kontinuitäten aufzeigen: Das Verstummen von Frauen durch den männlich beherrschten öffentlichen Diskurs als seit Jahrhunderten andauernde Form der Machtverteilung und sie fordert unter anderem eine Neubesetzung des schieren Begriffes ‚Macht‘: „Man muss sie vom öffentlichen Prestige abkoppeln. Man muss über die Macht als etwas Gemeinschaftliches nachdenken, nicht nur die Macht von Führern sehen, sondern auch die Macht derer, die ihnen folgen. Vor allem bedeutet es, Macht als ein Attribut, eine Zuschreibung oder ein Verb (‚ermächtigen‘) aufzufassen, nicht als einen Besitz.“ Aktiv werden und etwas bewirken zu können, die Welt um ein kleines oder auch großes Stück verändern zu wollen und zu können und das Recht darauf, ernst genommen zu werden, sowohl als Frauen insgesamt, wie auch als Individuen. The New Yorker findet die besten Worte, um in einem Satz Frauen & Macht zu beschreiben: "Beard’s is a very short book about a very long past with a very current relevance." #MeToo has been #ThemToo for millennia.

1 Die britische Professorin Emily Wilson hat Ende 2017 übrigens als erste Frau Homers Odyssee ins Englische übersetzt. Buch erhältlich beim S. Fischer Verlag


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BIO-ELEFANTENFLEISCH

Mit Eat the Elephant bringen A Perfect Circle ihr erstes Album seit 2004 auf den Markt. Die dementsprechend gierig erwartete Scheibe stieg erwartungsgemäß hoch in die Charts ein: In Österreich und Deutschland auf Platz 2, in den USA auf Platz 3. Glücklicherweise ist es kein Griff ins Klo wie seinerzeit Chinese Democracy der damals schon künstlerisch ausgedienten Guns n‘ Roses geworden, aber zu 100% befriedigen kann dieses Werk leider auch nicht. Rezension von Carlos P. Reinelt

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nterstellar: Anne Hathaway und der Creep aus American Beauty befinden sich für eine kurze Mission auf dem riesigen Wasserplaneten, dessen Gravitation die Zeit beschleunigt. Sie erinnert ihn daran: „Jede Stunde, die wir auf diesem Planeten verbringen, vergehen 7 Jahre auf der Erde.“ Daraufhin der Plastiksack-Filmer: „Okay, lass uns hier auf das neue A-Perfect-Circle-Album warten“. Solche und ähnliche Memes kursierten schon seit Jahren im Internet. Am 20. April (bei den Amis 4/20, trololol, have you seen Scent of a woman - on weeeeed?) war es dann

endlich soweit. Neben dem pubertären Erscheinungsdatum irritierte bereits das Cover im Vorhinein. Auch wenn manche sich selbst auf die Schulter klopfend darin eine Hommage an H.P. Lovecraft sehen wollen, bleibt festzuhalten, dass das Artwork wie eine schlecht gephotoshopte Anbiederung an die seit einem Jahrzehnt tote Emo-Kultur wirkt, deren Vertreter man auf dem vorletzten Album noch Suizidales Ungeziefer nannte, die sich doch bitte umbringen sollen, um ihr Umfeld nicht mit ihrem künstlichen Drama zu belästigen. Oder noch schlimmer: Das Cover erinnert irgendwie an Marilyn Manson.


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Nun denn, ist man vielleicht gerade von Maynards Hauptprojekt Tool aufwendige Booklets samt optischer Gläser und 3-D Bilder gewohnt, kommt es eigentlich ja nur auf eins drauf an: Die Musik. Und die überzeugt, zumindest, ja schon, aber halt, Hammer, doch irgendwie, naja. Im Internet haben sich die üblichen zwei Fronten gebildet: Zwischen Erlebnisberichten, die von intellektuell genialen Ohrgasmen zeugen wollen, bis hin zu dem wehleidigen Wunsch, die geliebte Band wäre doch ach im Tourbus umgekommen, damit sie den Dreck nicht hätten aufnehmen können, scheint es keine Meinungen zu geben. Natürlich gibt es differenzierte Meinungen, aber die haben weniger Provokationspotential, bekommen weniger Widerreden, sprich Reaktionen, und werden nach hinten gereiht. Aber jetzt erkläre ich schon wieder die Welt, anstatt über die Musik zu schreiben. Also zurück zu Eat the Elephant. Ich wollte immer schon mal Elefantenfleisch essen. Die Tiere sind so fett, die müssen köstlich sein. Ist es nicht heuchlerisch, wenn Leute sich über angekettete Touristen-Elefanten in Indien echauffieren, aber Fleisch essen? Vorgestern habe ich Pferdetartar (sprich: rohes Pferde-Hackfleisch) gegessen. Das war ganz nett. Seeigel auch, gewöhnungsbedürftig. Und rohes Huhn, man isst hier jedes Fleisch roh, herrlich! Hund nicht, Katzen auch nicht, wenn überhaupt ist das China. Aber nun zur Musik. Wobei, wenn ich mich eh grad verliere, erzähle ich mal, was bei mir so läuft. (Wer sich wirklich nur für die Musik von APC interessiert, lese im letzten Absatz weiter.) Ich mache gerade in Tokio ein Auslandssemester, an einer sogenannten „Elite-Universität“, und das Niveau hier ist derartig unterirdisch, ich bin ganz fassungslos. Es ist der feuchte Traum jedes AGlers: Die Unis als Ausbildungszentren für die Wirtschaft, aus der die grausige humanistische Bildung verbannt wurde. Frauenrechte gibt’s sowieso keine, in einem Hörsaal mit 100 Student*innen kannte niemand #metoo, ein japanisches Pendant (wie bei uns damals #Aufschrei) gibt es freilich auch nicht. Anyways. Feuchtigkeit bzw. feuchte Hitze heißt auf Japanisch mushi-mushi. Ich bin so abgebrochen vor Lachen! Als mich dann alle verwundert angschaut haben, hab ich`s vor der 70-jährigen Professorin erklärt, aber die fand pussy-pussy irgendwie nicht so lustig. Aber es gibt lustige alte Leute! Vor oder nach diesem Artikel ist ein Interview mit dem ehemaligen Karikaturisten der SZ. Das ist ganz gut geworden. Vielleicht liest er ja auch die Rezension, wenn er sieht, dass sie von mir ist. Für den Fall: Lieber Herr Hanitzsch, vielen Dank, dass Sie sich für ein Interview bereit erklärt haben! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem modernen Medium Internet.

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Weil ich die pochenden Stirnadern der politisch motivierten uni:press-KritikerInnen bis hierher pulsieren höre, lasst mich noch schnell einen Salzburg-Universitäts-relevanten Konnex herstellen: Am 16. Dezember spielen A Perfect Circle in Wien. Leute, geht’s hin! Westbahn oder ÖBB, vielleicht können die Student*innen Salzburgs auch Fahrgemeinschaften bilden. Wer weiß, möglicherweise müssen wir wieder 14 Jahre warten, bis die Jungens nach Europa kommen.

„ICH WOLLTE IMMER SCHON MAL ELEFANTENFLEISCH ESSEN.“ Jetzt aber wirklich zur Musik: Das Album ist viel ruhiger. Maynard schreit nur bei einem Lied (und das ungewohnt kurz.) Aber das ist nicht weiter schlimm. Schon das zweite Album (Thirteenth Step, 2002) war viel ruhiger, und das vorletzte (eMOTIVe, 2004) hatte auch schon die von vielen Fans kritisierten Elemente elektronischer Musik drin. So sind es auch mehr die melodischen, ganz, ganz ruhigen Parts, die überzeugen. Aber was wirklich fehlt: Josh Freese. Der Ausnahmeschlagzeuger, der bei jeder erdenkbaren großen Band mitgewirkt hat, ist zum ersten Mal nicht mehr mit von der Partie und fehlt bitter. Waren es seine subtil verrückten, aber doch eingängigen Drum-Pattern bzw. die filigrane Arbeit mit der Dynamik, die APC schon von Anfang an zu einer außergewöhnlichen Truppe machten, spielt sein Ersatzmann leider nur langweiliger Statist neben seinen zweifelsfrei talentierten, aber egomanisch veranlagten Bandmitgliedern. Und das merkt man.

Das Album "Eat The Elephant" ist seit 19. April im Handel erhältlich.


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uni: pressfilm tipps

SCHON GESEHEN?


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DIE UNI:PRESS FILMSCHMANKERL Die letzten Jahre dominieren dank Netflix, Amazon Prime und weiteren On-Demand-Anbietern Serien das kulturelle Geschehen. So wichtig und toll das serielle Erzählen sein kann, ist es doch nach wie vor eine Kunst, im Rahmen von 90 bis 120 Minuten (in Ausnahmen auch länger) eine fesselnde Geschichte zu erzählen, Charaktere zu erschaffen, mit denen man mitfühlen will, und eine packende Bildsprache zu kreieren. Seit Beginn der Filmkunst durch die Gebrüder Molière hat sich einiges getan: Nachdem der Schreck des Publikums ob einer auf der Leinwand einfahrenden Eisenbahn sich gelegt hatte, entwickelte sich das Medium Film vielfältig weiter. Sei es durch technische Bedingungen oder kulturelle Einflüsse, verschiedene Schauspieltheorien oder historisch relevante Themen: Jede Epoche hat unterschiedliche, facettenreiche und begeisternde Perlen hervorgebracht. Beginnend mit dieser Ausgabe der uni:press präsentieren wir euch eine Auswahl an Filmen, die man gesehen haben sollte: Nicht alle davon sind vergessene Klassiker, nicht alle davon sind geheime Filmtipps, von denen ihr noch nie gehört habt. Alle haben allerdings das Prädikat “unbedingt empfehlenswert”. Von Hannah Wahl und Bernhard Landkammer 1. Buena Vista Social Club Mit “Buena Vista Social Club” (1999) hat der deutsche Regisseur Wim Wenders einen berührenden und mitreißenden Dokumentarfilm geschaffen, der hier, besonders als Empfehlung für heiße Sommernächte, Platz finden soll. Er erzählt die Geschichte des gleichnamigen kubanischen Musikprojekts, das mit seinem Album zuvor einen Grammy abräumte. Nach diesem Erfolg plante Ry Cooder ein Soloalbum mit Sänger Ibrahim Ferrer und brachte dazu gleich den deutschen Regisseur mit auf die Karibikinsel. Auch wenn die KünstlerInnen in Kuba keineswegs “vergessen” waren, wie suggeriert wird, und die klischeebehaftete Sicht auf Kuba den Film beeinflusst, verdient er es, gesehen zu werden. Die Erzählungen der kubanischen Originale über ihren musikalischen Werdegang sowie die immer wieder eingespielten Konzertmitschnitte lassen den ZuseherInnen in die Welt der lateinamerikanischen Rhythmen und Romantik eintauchen.

3. Angel Heart Die Bibel und ihre Geschichten faszinieren auch Ungläubige bis heute. Gern tauchen der personifizierte Teufel und andere “Bekannte” auch im ein oder anderen Science-Fiction- oder Fantasy-Film auf. So auch im US-amerikanischen Mysteryfilm “Angel Heart” aus dem Jahr 1987. Der von einem jungen Mickey Rourke verkörperte Privatdetektiv Harry Angel verdient sein Geld vor allem mit der Beschattung untreuer Ehepartner. Als ihm für das Aufspüren eines Musikers viel Geld versprochen wird, nimmt er den vermeintlich ungefährlichen Fall an. Dass ihn sein Auftraggeber, ein bärtiger Robert Di Niro mit langen Fingernägeln und dickem Pentagramm-Ring. auf einen albtraumhaften Trip schickt, ahnt er noch nicht. Zugegeben, in einer kurzen Vorstellung kann der Film relativ platt klingen, wir versprechen aber einen spannenden Psychothriller, der auch auf filmtechnischer Ebene mit experimentellen Elementen besticht.

2. M - Eine Stadt sucht einen Mörder Im deutschen Kino der Weimarer Republik sticht Fritz Lang mit einer Vielzahl an wegweisenden Filmen heraus. Sein Film “M - Eine Stadt sucht einen Mörder” (1931) gilt als einer der besten Filme aller Zeiten. Mit eindringlichen Bildern und vor allem für die Zeit ungewöhnlich experimentellen Kameraeinstellungen zieht die Suche nach einem Kindermörder die Zuseher über zwei Stunden in ihren Bann. Dabei werden sowohl der Blickwinkel und die Methoden der Polizei als auch die der Verbrecher eindringlich dargestellt. Die darin verhandelten Themen der psychischen Veranlagung, gesellschaftlicher Verleumdungen und der Selbstjustiz machen “M” auch mehr als 80 Jahre nach seiner Veröffentlichung schockierend aktuell.

4. Frankenstein Junior Mel Brooks hat sich in seinem Werk oft an literarischen und filmischen Klassikern orientiert, und diesen ein komisches, oft auch albernes Äquivalent zur Seite gestellt. Die Ergebnisse sind dabei nie verletzend, sondern stellen eine tiefe Verbeugung vor den Originalen dar. Mit “Frankenstein Junior” ist ihm dabei 1974 ein Klassiker des albernen Kinos gelungen. Dem großartigen Gene Wilder als Enkel des legendären Victor Frankenstein (oder besser: Fronkensteen) wird von Marty Feldman als verschrobener und einfältiger Igor regelmäßig die Schau gestohlen. Bewusst übertriebene und gewollt platte Wortwitze, die vornehmlich im englischen Originalton funktionieren, vereinen sich mit schon fast dadaistischen Slapstick-Passagen, was gleichzeitig Zitate-Futter für Generationen abwirft.


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DER ULTIMATIVE UNI:PRESS

BEISLTEST FORTGEHEN ABSEITS DES (STUDENTISCHEN) MAINSTREAMS TEIL 6 - SALZBURG SÜD Rudolfskai, Gstättengasse, Bergstraße oder Imbergstraße – das sind die Topadressen des Salzburger Nachtlebens. Topadressen? Wirklich? Wir haben uns schick gemacht und für euch Lokale abseits des studentischen Nachtlebens getestet, damit ihr ein Refugium findet, wenn euch die Segabar zu fad wird.

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er im noblen Salzburger Süden auf Beislerkundungstour gehen will, muss Kompromisse eingehen – die Anzahl an geeigneten Etablissements in den südlichen Stadtteilen erreicht nämlich nicht ganz jene von Stadtteilen wie Schallmoos oder Lehen. Wir waren also erstmals gezwungen, uns durch mehr als einen Stadtteil zu testen. Es waren dies Gneis, Nonntal und Salzburg Süd, wo insgesamt etwa 20.000 Menschen leben. Unser Testgebiet liegt an der Berchtesgadner Straße bzw. Nonntaler Hauptstraße und an der Alpenstraße.

„AUSNÜCHTERN? EIN SCHRECKLICHER GEDANKE!“ Zugegeben, anfangs waren wir skeptisch ob der großen Entfernungen, die zurückzulegen waren – würden wir bei diesen großen Distanzen zwischen den einzelnen Beisln gar wieder ausnüchtern? Ein schrecklicher Gedanke! Dem großartigen Salzburger Öffi-System (und der diesmal hervorragenden Planung) ist es zu verdanken, dass dieser Worst Case nicht eintrat: Die Haltestellen sind allesamt in unmittelbarer Nähe der Lokale positioniert (wohl extra aus diesem Grund!), die Linien 5 und 3 brachten uns zuverlässig und flott zu unseren Zielen. Der Erfüllung unserer ÖH-Serviceverpflichtung stand also nichts im Weg; wie immer galten unsere offiziellen Beisltest-Richtlinien: 1 Bier und 1 Schnaps pro Beisl, danach wird kompromisslos weitergezogen.

5er Café & Bar Erste Station war das 5er Café & Bar, von den Stammgästen schlicht „5er“ genannt. Praktischerweise liegt die Obus-Haltestelle (Höglwörthweg) direkt gegenüber – wir vermuten, dass der Name des Lokals auch daher kommt (Linie 5), aber wer weiß das schon so genau. Weil das Wetter gut ist, setzen wir uns in den freundlichen Gastgarten; die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und der Lärm der vorbeifahrenden Autos erinnert an das Rauschen des Meeres – das weckt Erinnerungen an die Italienurlaube der Kindheit. Lediglich der freundliche und aufmerksame Wirt passt nicht dazu – er spricht Deutsch, nicht Italienisch, und bringt uns gutes Bier.

„UNSERE HEILIGE PFLICHT: DER KONSUM VON GEBRANNTEM ALKOHOL“ Im Gastgarten sitzen ungefähr 10 Personen, drinnen noch einmal 20. Das Lokal ist also gut besucht. Dass die 5er-Stammgäste am Nebentisch Viererschnapsen, erinnert uns an unsere heilige Pflicht: den Konsum von gebranntem Alkohol. Im Innenbereich wird Darts gespielt; den Weg zur (richtigen) Toilette weisen ein männliches und ein weibliches Stinktier. Am Damenklo kann man sich beim Verrichten der Notdurft mittels Spiegel selbst beobachten – aufregend! Die schlechte Nachricht für alle, die einen Besuch in den Ferienmonaten planen: Im Sommer hat das 5er samstags geschlossen.


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Honorary Mention: Cafe Amici Der erste Schock des Abends trifft uns gleich bei der zweiten Station: Der vielversprechende Kandidat „Cafe Amici“, der unsere radelnde Vorhut mit seinem Schild „Biker Willkommen“ angelockt hat, ist wegen Umbauarbeiten ausgerechnet an diesem Wochenende geschlossen. Ein Blick auf die Unofficial Facebook Page des Beisls zeigt aber, dass es sich hier um die perfekte Location handeln muss.

„MAMBO TSCHAMBO BUAM“ Bei Bewertungen wie „Mambo Tschambo Buam. Lustige Lokation immer was los. Macht echt Laune“ oder „Cafe Amici ist immer wo der Spass ist und es gibt immer nette lustige Leute dort.“ steigen uns die Tränen in die Augen und wir überlegen, ob wir den

Beisltest nicht als symbolischen Trauerakt – passenderweise liegt der Kommunalfriedhof direkt gegenüber – abbrechen sollten. Doch am Ende siegt der Durst und wir ziehen zum nächsten Lokal. No Hau Wer denkt, dass es sich bei diesem Namen nur um ein plumpes Wortspiel mit „Know How“ handelt, irrt gewaltig. In Wahrheit handelt es sich um eine äußerst clevere Anspielung auf die Adresse des Beisls: NOnntaler HAUptstraße. Das Lokal ist gut gefüllt, aber noch nicht (oder nicht mehr?) so voll, dass uns die sympathische und bemühte Chefin Sonja nicht umgehend mit Bier und Schnaps versorgen könnte (der äußerst günstige Averna wird mit Zitrone und Eis serviert). Der Raucherbereich ist zwar nur halbherzig vom Rest des Lokals (in dem ebenfalls geraucht wird) abge-

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trennt, aber immerhin werden wir gefragt, ob die Tür geschlossen werden soll. Als alte Beislveteranen, bereit zu jedem Risiko, lehnen wir jedoch ab – Authentizität geht vor! Ein altersschwacher Wachhund kann die illuminierten und vom Dartspiel abgelenkten Stammgäste nicht daran hindern, ein Glas Bier zu verschütten – doch nicht einmal das bringt die Wirtin aus der Fassung. Die kulinarischen Highlights des Lokals – Erdäpfelgulasch, Chili, Spaghetti und den Beislklassiker Schinken-Käse-Toast – lassen wir unangetastet; umso genauer begutachten wir dafür die sanitären Einrichtungen und sind ob der Bodenbeleuchtung angenehm überrascht. Trotz allem fühlen wir uns hier als Fremdkörper, begleichen deshalb nach einer Runde unsere Rechnung und ziehen weiter. Herrnauer Stüberl Etwas versteckt in der Leitmeritzstraße liegt unser nächster planmäßiger Aufenthalt, das Herrnauerstüberl. Bei unserer Ankunft werden wir vor allem von den Damen freundlichst begrüßt („Mei, so a Junger kumt eina, sitz di her!“), ein Hinweisschild an der Tür („Ducken ab 2 Meter“) sorgt dafür, dass es nicht schon beim Betreten zu schweren Unfällen kommt. Sogar das Dartspiel wird nur für uns unterbrochen. Das kleine, aber feine Beisl ist mit 20 Gästen etwa

dreiviertel voll, wir haben also noch bequem Platz. An den Wänden hängen allerhand Ziergegenstände, unter denen man bei jedem Blick durchs Lokal einen neuen entdeckt – vom Darts-Pokal über Schilder der „1. Große[n] Salzburger Gesellschaft Faschingsgilde“ (70-Jahr-Jubiläum 2018!) und des Sparvereins „Die lustigen Sünder“ bis hin zur antiken Ziehharmonika und einem Telefonapparat aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Bei längeren Sitzungen am Damenklo sorgt ein sexy Männerkalender für Unterhaltung. Die Speisekarte weckt unser Interesse und wir bestellen eine Pizza (tadellos!) und einen Schinken-Käse-Toast. Letzterer wird mit vorzüglich marinierten Tomaten serviert (Geheimrezeptur!).

„MEI, SO A JUNGER KUMT EINA, SITZ DI HER!“ Mit Schrecken stellen wir fest, dass extra für uns Youngsters die zuvor exzellente Musikauswahl umgestellt wird – nach heftigem Protest wird wieder auf beislgemäße Schlagermusik umgestellt. Zu späterer Stunde werden dann die Tophits der Ersten Allgemeinen Verunsicherung gespielt und auswendig mitgesungen. Doch auch diese können die strenge Sperrstunde – angekündigt durch ein Blaulicht an der


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Decke und „Sperrstund‘ is“ von Hans Moser – nicht hinauszögern. Wir müssen das Lokal um Punkt elf Uhr schweren Herzens verlassen. Limiti Ein letztes Mal an diesem Abend besteigen wir Bus bzw. Rad und begeben uns in den äußersten Süden Salzburg – zum Ginzkeyplatz. Der große Gastgarten ist leider schon außer Betrieb, weswegen wir uns ins Innere des Lokals begeben. Der geschmackvolle Einrichtungsstil desselbigen erinnert an das Wohnzimmer von Tante Gerti. Wirt wie Stammbelegschaft beäugen uns skeptisch; dennoch erhalten wir Bier und Schnaps. Aus dem Radio tönen unaufdringlich die größten Hits der Neunziger, was in uns Nostalgie weckt und den Drang hervorruft, Musikwünsche zu äußern. Auf Nachfrage erklärt uns der Chef seine einzige Bedingung: „Owa ka Rockmusik!“ Der Einwand

war unbegründet, unserem Wunsch („A klana Indiana“) wird mit Begeisterung entsprochen. Für hungrige Beisltouristen hält das Limiti Schmankerl wie Gulaschsuppe, Frankfurter und Toast bereit. Ansonsten ist das Beisl unspektakulär: Die Dartscheibe bleibt ungenutzt, die Stimmung ist leicht melancholisch und der Männeranteil läge ohne uns bei 100 Prozent. Ob das mit der FPÖ-Zentrale im Obergeschoss des Gebäudes zusammenhängt? Der Wirt und seine zwei verbliebenen Stammgäste wirken jedenfalls erleichtert, als wir ihr Wohnzimmer schließlich verlassen. Wie immer erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Über Anregungen und Geheimtipps für kommende Kontrolltouren freut sich die Redaktion außerordentlich (presse@oeh-salzburg.at). Prost!

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Disclaimer: Der Test wurde in unserer Freizeit durchgeführt, dadurch keine Studierendeninteressenvertretungsarbeit vernachlässigt. Es wurden keine ÖH-Mittel aufgewendet. Es gab keinerlei finanzielle Zuwendungen seitens der Beisl-InhaberInnen.


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ZEIT FĂœR LYRIK Ein altes Gedicht, zu einem alten Thema, das aktueller denn je scheint. Von Georg Trakl


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DIE JUNGE MAGD 1

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Oft am Brunnen, wenn es dämmert, Sieht man sie verzaubert stehen Wasser schöpfen, wenn es dämmert. Eimer auf und nieder gehen.

In der Schmiede dröhnt der Hammer Und sie huscht am Tor vorüber. Glührot schwingt der Knecht den Hammer Und sie schaut wie tot hinüber.

In den Buchen Dohlen flattern Und sie gleichet einem Schatten. Ihre gelben Haare flattern Und im Hofe schrein die Ratten.

Wie im Traum trifft sie ein Lachen; Und sie taumelt in die Schmiede, Scheu geduckt vor seinem Lachen, Wie der Hammer hart und rüde.

Und umschmeichelt von Verfalle Senkt sie die entzundenen Lider. Dürres Gras neigt im Verfalle Sich zu ihren Füßen nieder.

Hell versprühn im Raum die Funken Und mit hilfloser Geberde Hascht sie nach den wilden Funken Und sie stürzt betäubt zur Erde.

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Stille schafft sie in der Kammer Und der Hof liegt längst verödet. Im Hollunder vor der Kammer Kläglich eine Amsel flötet.

Schmächtig hingestreckt im Bette Wacht sie auf voll süßem Bangen Und sie sieht ihr schmutzig Bette Ganz von goldnem Licht verhangen,

Silbern schaut ihr Bild im Spiegel Fremd sie an im Zwielichtscheine Und verdämmert fahl im Spiegel Und ihr graut vor seiner Reine.

Die Reseden dort am Fenster Und den bläulich hellen Himmel. Manchmal trägt der Wind ans Fenster Einer Glocke zag Gebimmel.

Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel Und sie starrt von Schmerz geschüttelt. Röte träufelt durch das Dunkel Jäh am Tor der Südwind rüttelt.

Schatten gleiten übers Kissen, Langsam schlägt die Mittagsstunde Und sie atmet schwer im Kissen Und ihr Mund gleicht einer Wunde.

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Nächtens übern kahlen Anger Gaukelt sie in Fieberträumen. Mürrisch greint der Wind im Anger Und der Mond lauscht aus den Bäumen.

Abends schweben blutige Linnen, Wolken über stummen Wäldern, Die gehüllt in schwarze Linnen. Spatzen lärmen auf den Feldern.

Balde rings die Sterne bleichen Und ermattet von Beschwerde Wächsern ihre Wangen bleichen. Fäulnis wittert aus der Erde.

Und sie liegt ganz weiß im Dunkel. Unterm Dach verhaucht ein Girren. Wie ein Aas in Busch und Dunkel Fliegen ihren Mund umschwirren.

Traurig rauscht das Rohr im Tümpel Und sie friert in sich gekauert. Fern ein Hahn kräht. Übern Tümpel Hart und grau der Morgen schauert.

Traumhaft klingt im braunen Weiler Nach ein Klang von Tanz und Geigen, Schwebt ihr Antlitz durch den Weiler, Weht ihr Haar in kahlen Zweigen.

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zeit masch ine

Š Adam Jones - Flickr.com

Interessantes, Kurioses und Schockierendes in alten uni:press-Ausgaben, entdeckt und ausgegraben von Christoph WĂźrflinger


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Es ist noch gar nicht so lange her, da wehte in den Studierendenheimen ein anderer Wind. Immer wieder wird in alten uni:press-Ausgaben gegen die absurden Willkürakte der Heimleiter – etwa Rausschmiss wegen im Zimmer aufgehängter Poster – protestiert.

ZELLTEILUNG IM WD-HEIM

KAM KÜNDIGUNG WEGEN PLAKATEN? „Sage mir deine Meinung, und ich sage dir, wo du nicht mehr wohnst“, ist inzwischen ein geflügeltes Wort im Thomas Michels Heim, aber ebenso im Wolf-Dietrich Heim geworden. Die Heimträgerorganisationen in diesen Heimen können sich mit demokratischen, das heißt auch mit Interessen studentischerseits nicht oder schlecht anfreunden. So klagten Studenten über Eingriffe von Heimleitern, die Post kontrollieren, bis über Zimmerkontrolldurchgänge, die das Einhalten der Besuchszeiten genau „beachten“, richtiger: „beobachten“. Ein Heimvertreter, der letztes Jahr im WD-Heim die Interessen und Wünsche der Heiminsassen gegenüber der Heimleitung artikulierte, handelte sich damit echt existenzielle Schwierigkeiten ein: Er wurde gekündigt! Der Vorwurf seitens der Heimleitung (-führung) reichte von „Aufwiegelei, Zellenbildung, Unruhestifter etc.“.

„AUFWIEGELEI, ZELLENBILDUNG, UNRUHESTIFTER!“ So wurde ein Rechenschaftsbericht, den der Heimvertreter schrieb und in die Postfächer legte, von Heimleiter Dr. Ludwig M. mit der Begründung: „Dieses Schreiben richtet sich gegen das Heim, und Studenten die dies lesen wollen, können das bei mir in der Wohnung machen“, herausgenommen.

Auf der auf diese Vorfälle hin einberufenen Heiminsassenversammlung ist Dr. M. nicht erschienen. Gleichzeitig soll auch in diesem Heim Kollegen eigentlich entgegen den Bestimmungen in der Heimordnung die Wiederaufnahme verweigert worden sein, da sie bestimmte Posters (Che Guevara, Camillo Torres, Poster der Landesausstellung...) im Zimmer aufgehängt haben.

„GLEICHZEITIG SOLL KOLLEGEN ENTGEGEN DEN BESTIMMUNGEN IN DER HEIMORDNUNG DIE WIEDERAUFNAHME VERWEIGERT WORDEN SEIN “ Wenn Studenten, etwa der Politologie, Zeitungen, Broschüren oder ähnliches, das nicht dem Heimcharakter entspricht, eigentlich nur zu Studienzwecken bestellen (Seminararbeit o.ä.), werden sie schon in politische Ecken gedrängt, aus denen es sich zu befreien gilt, da man gar nicht weiß, wie man zu dieser Position kam. Wie die Erfolge im „Billroth“ im Sommersemester gezeigt haben, ist es unbedingt nötig, daß ihr euch, sollte es Schwierigkeiten geben, so rasch wie möglich mit dem Sozialreferat in Verbindung setzt, da nur durch koordinierte Aktionen von Heimbewohnern und ÖH etwas erreicht werden kann! (uni:press 1, 1982/83)

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