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Literatur Schweiz
Schweizer Literatur
Solange die Löwen nicht zu schreiben lernen
Schriftsteller sein heisst, mit anderen Stimmen zu reden. Zuerst aber heisst es zu lernen, mit der eigenen Stimme zu sprechen. Sonst geschieht, wovor das afrikanische Sprichwort warnt: Solange die Löwen nicht zu schreiben lernen, wird jede Geschichte die Jäger verherrlichen. Christoph Keller nimmt seine drei Poetik-Vorlesungen zum Anlass, sein umfangreiches, vielstimmiges Werk, das u.a. Romane, Theaterstücke, Essays, Kurz- und Kürzestprosa, aber auch Fotografien umfasst, neu zu besichtigen.
Am ersten Abend Vom schelmischen Erzählen erforscht der St.Galler Autor seine Romane von «Gulp» (1988) über «Ich hätte das Land gern flach» (1996) bis «Der Boden unter den Füssen» (2019) und widmet sich thematisch, biografisch und anekdotisch deren verbindenden Elementen. Die zweite Vorlesung In anderen Stimmen bereist das weite Feld literarischer Möglichkeiten: dem Schreiben in der Fremdsprache / dem Übersetzen (anderer und eigener Texte) / dem vierhändigen Schreiben mit einem Schreibpartner (Heinrich Kuhn) / dem Herausgeben fremder Stimmen / dem Schreiben mit Licht, also der Fotografie. Am dritten Abend Wer spricht für mich, wenn ich es nicht tue? stellt sich Keller den Texten, die manche für seine provokantesten halten, jenen, die schonungslos über sein Leben mit einer fortschreitenden körperlichen Behinderung berichten: «Der beste Tänzer» (2003), das Theaterstück «Ballerina» (2004) und sein jüngstes Buch, «Jeder Krüppel ein Superheld» (2020). Löwen und andere Minderheiten müssen brüllen lernen, wollen sie nicht, dass ihre Jäger ihre Geschichte schreiben.
Donnerstag, 18.15 bis 19.45 Uhr, Raum für Literatur, Postgebäude am Bahnhof St.Gallen (Anmeldung erforderlich, siehe S. 4!) (Eingang Südseite, St.Leonhard-Strasse 40, 3. Stock, Lift vorhanden – barrierefrei)
17. September 24. September 1. Oktober
Dozent | Christoph Keller, Schriftsteller, St.Gallen