N E U RO I N FO RM ATI K
Wieder sehen Am Institut für Neuroinformatik arbeiten Ingenieure an der Neuroprothese der Zukunft: Sie soll blinden Menschen wieder Sehkraft verleihen, indem sie Kamerabilder per Elektroden ins Gehirn leitet.
Text: Stefan Stöcklin Bilder: Diana Ulrich
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as Auge ist ein unglaubliches Wunderwerk: Dank einer kleinen Delle in der Mitte des gelben Flecks unserer Netzhaut können wir scharf sehen – und diesen Text lesen. In dieser winzigen, nur anderthalb Millimeter grossen Grube (Fovea) im Augeninnern sitzen die farbempfindli chen Photorezeptorzellen besonders eng beiein ander. 150 000 dieser Zapfen registrieren hier dicht gedrängt das einfallende Licht. Jede dieser Zellen ist mit einer Ganglienzelle verbunden, die das Signal in die Sehrinde des Gehirns leitet. Die über den Thalamus geleiteten Nervensignale ermöglichen die bewusste Wahrnehmung der Umwelt durch die Augen. Sind die Fovea oder andere Teile der Netzhaut mit ihren insgesamt über hundert Mil lionen Stäbchen und Zapfen beschädigt, führt das meist zu einer schweren Sehbehinderung. Shih-Chii Liu will diesen Menschen, die wegen Beeinträchtigungen der Netzhaut oder des Sehnervs nicht mehr sehen können, helfen. Die Elektroin genieurin und Gruppenleiterin am Institut für Neuroinformatik der UZH leitet das europäische Projekt «NeuraViPeR» zur Entwicklung einer Neu roprothese für Blinde. «Wir sind noch nicht in der Lage, die unglaublichen Leistungen des Auges elektronisch zu kopieren», räumt die Professorin
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UZH magazin 3 / 21
Eine Neuroprothese könnte sehbehinderten Menschen in Zukunft die
für Neuromorphe Systeme und Bildsensoren gleich zu Beginn ein. «Aber wir hoffen, dass blinde Men schen dank unserer Hilfe künftig zumindest ein einfaches Abbild der Umwelt wahrnehmen können.»
Kind des Silicon Valley Wir sitzen im Büro von Liu im Trakt 55 auf dem Campus Irchel. Ihr Arbeitsraum ist überfüllt mit