Die zugvögel des wattenmeeres

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DIE GROSSE SPEISEKAMMER

DIE ZUGVÖGEL DES WATTENMEERES REISEN HEISST LEBEN

Im Wattenmeer sind besonders die riesigen Schwärme an Wattvögeln und Gänse im Herbst und Frühling Aufsehens erregend. Das Wattenmeer ist Dänemarks ”internationaler Nationalpark”, weil die Gegend von entscheidender Bedeutung für die 12–15 Millionen Zugvögel auf dem ostatlantischen Zugweg ist, ­einer Strecke von 15.000 km von Süd nach Nord, die mehr als 30 Länder quert und somit zu den wichtigsten Zugrouten der Welt gehört. Im Gegensatz zu Standvögeln brüten Zugvögel nicht an jenem Ort, an dem sie überwintern. Am Wattenmeer sind es besonders die großen Schwärme von Wattvögeln und Gänsen, die im Herbst und im Frühling Aufsehen erregen, wenn sie während ihrer Reise haltmachen. Das Wattenmeer ist wichtig als Raststätte, Mauser- und Nahrungsgebiet der Zugvögel. Es gibt viele Gründe, weshalb es für Vögel notwendig ist, zum Brüten die wärmeren Landstriche zu verlassen und z. B. die arktische Tundra aufzusuchen. Die Zugvögel bevorzugen Gebiete mit reichem Nahrungsangebot. Die arktische Tundra ist derart geräumig, dass der Abstand zu Artgenossen entsprechend groß ist, wodurch neben genügend Nahrung gleichzeitig das Risiko einer Krankheitsverbreitung eingedämmt wird. Außerdem tragen die harten Winter in den Brutgebieten dazu bei, die Anzahl an Raubtieren zu begrenzen. Schließlich scheinen die Standvögel u. a. in Afrika die Zugvögel außerhalb ihrer eigenen Brutzeit zu dulden, aber sobald die Standvögel Brutverhalten zeigen, werden sie den Zugvögeln gegenüber into-

Erleben Sie im ... FRÜHLING

HERBST

WINTER

Gewicht des Vogels ... vor und nach Vogelart

Gewicht (g) Ankunft

Abreise

Knutt

100

230

Alpenstrandläufer

42

86

Pfuhlschnepfe

240

450

lerant und verjagen sie.

Das Wattenmeer und die Zugvögel

Überall auf der Erde gehören Gezeitengebiete bezüglich der Tier- und Pflanzenwelt zu den wertvollsten Gegenden, da das Auf und Ab des Wassers es der Sonne ermöglicht, bei Ebbe den trockengelegten Meeresboden zu erwärmen. Im lauwarmen nahrungsreichen Schlamm wird den Algen extra Energie zugeführt, die das pflanzliche Wachstum ankurbelt. Die Algen bilden die Grundlage für eine gigantische Produktion von Bodentieren (z. B. Muscheln, Wür-

Klaus Melby, Vadehavscentret & Marco Brodde, Fiskeri- og Søfartsmuseet Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET

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Austernfischer brüten in Nordeuropa und überwintern in Westeuropa.

Nahrungsaufnahme und Arten Vogelart

Aufenthalt

Anzahl

Tägliche Nahrung

Gesamtkonsum

Frühling

440.000

1.000 Plattmuscheln

440 Mio. Herzmuscheln

Austernfischer

Winter

500.000

300 Herzmuscheln

1.550 Mio. Muscheln

Säbelschnäbler

Herbst

40.000

3.000 Würmer

120 Mio. Borstenwürmer

Knutt

mern, Schnecken und Krebstieren), dies macht das Wattenmeer zu einer unschätzbaren Speisekammer für Zugvögel.

auffüllen. Viele Zugvögel schaffen es jedoch nicht, während der täglichen Ebbe genug Nahrung zu sammeln, deshalb geht die Suche in der Nacht weiter.

Fettpolster der Zugvögel

Distanzflieger

Die Energieaufnahme bei Zugvögeln ist stets zwei bis fünf Mal größer als unbedingt notwendig. Die überschüssige Energie wird u. a. für die Körperwärme verwendet, für lange Flüge und für das Eierlegen. Vögel können besser als Säugetiere Energie in ihren Fettreserven speichern. Dies ist von Vorteil, weil ein Gramm Fett mehr als doppelt so viel Energie freisetzt wie ein Gramm Kohlenhydrate und dazu mehr als doppelt so viel Wasser bindet. Das Wasser ist von großer Wichtigkeit während des Zuges – besonders über Wüsten, Meere und Gebirge. Deshalb ist es wichtig, dass die Zugvögel ihre Energiereserven während der Rast am Wattenmeer

Die Zugvögel sind entweder Kurz-, Mittel- oder Langstreckenflieger, was u. a. an ihrer Form deutlich wird. Die Langstreckenflieger sind z. B. torpedoförmig gebaut. Unter den Mittelstreckenfliegern findet man Stockenten und Kiebitze, die in Dänemark brüten, aber für den Winter an die deutschen oder niederländischen Küsten ziehen. Eiderenten und Austernfischer sind Mittelstreckenflieger, die in Nordeuropa brüten und nach Westeuropa ziehen. Schließlich haben wir noch die Langstreckenflieger, d. h. die in der Arktis brütenden Zugvögel, wie den Knutt, die Schnepfe und den Steinwälzer, die den Winter im tropischen Afrika verbringen.

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Eiderenten sind während der Mauser bis zu fünf Wochen flugunfähig da ihnen neue Schwungfedern wachsen.

Hochflieger

Bei ihren täglichen Flügen bleiben die Vögel dicht über dem Boden, doch wenn sie auf eine weite Rei­ se gehen, steigen sie in größere Höhen auf. Kleinere Vögel, wie die Schneeammer, steigen bis auf einen Kilometer, während Alpenstrandläufer, Schnepfe und Kiebitz auf 6–9 Kilometer kommen. Um in solch großer Höhe fliegen zu können, müssen die Vögel den Sauerstoff besser nutzen als der Mensch und ihn beispielsweise selbst mitbringen. Die Vögel haben deshalb bis zu neun Luftsäcke als Anhänge ihrer Lungen, können aber auch ihre hohlen Knochen zum Aufbewahren von Sauerstoff nutzen. Der Sauerstoff passiert den Vogel somit langsamer und kann optimal genutzt werden.

Federn lassen und erneuern

Die Zugvögel nutzen das Wattenmeer nicht nur als Speisekammer. Im Frühling und im Herbst findet man auch Millionen von Federn auf der Strandwiese, denn Federn sind nach 4.000–7.000 km abgenutzt und müssen erneuert werden. Die Mauserstrategien der Vögel sind unterschiedlich, da die Wattvögel ihre Federn kontinuierlich auswechseln, während die Eiderente fünf Wochen lang flugunfähig ist, wenn sämtliche Schwungfedern erneuert werden.

Wie finden die Vögel ihren Weg?

Die Zugvögel besitzen eine angeborene Fähigkeit,

den Weg zu finden, was sich dadurch zeigt, dass Zugvogeljungen schon am zweiten oder dritten Tag nach dem Schlüpfen allein gelassen werden. Dann müssen sie ohne Anweisungen einen Zug bestreiten. Wie die Vögel während des Zuges navigieren, ist noch nicht geklärt, doch die jüngste Forschung belegt, dass ein Bereich in den Gehirnen der Vögel Neuronen enthält, die Richtung und Stärke von Magnetfeldern wahrnehmen; so können die Vögel ihre Route korrigieren, wenn sie auf Abwege geraten. Der Orientierungssinn der Vögel setzt sich allerdings aus vielen Faktoren zusammen, da sie auch anhand von Sonne, Sternen und Landmarken sowie dank ihres Geruchssinnes navigieren.

Riesenschwärme erleben

12–15 Millionen Zugvögel bilden eine kaum fassbare Zahl, doch die etwa 40 verschiedenen Arten verteilen sich auf Bestände von wenigen Hundert Exemplaren bis zu mehr als einer Million. Riesenschwärme mit Tausenden von Vögeln, die im Sonnenlicht wie Silber glänzen, sind am Watten­ meer keine Seltenheit. Dies kann man erleben, wenn man ans Wattenmeer fährt und an den vielen Ausflügen der Naturbegleiter von März bis Mai sowie von August bis Oktober teilnimmt, doch Gänsen kann man auch im Winter begegnen. In letzter Zeit kommen die Zugvögel immer früher und bleiben etwas länger.

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Erlebnisse

Mehr zu entdecken ...

Zugvögeltouren auf eigene Faust:

NaturKulturVarde Gl. Skovfogedbolig Roustvej 111 DK-6800 Varde T: +45 75 22 22 50 E: nkv@naturkulturvarde.dk W: www.naturkulturvarde.dk Fiskeri- og Søfartsmuseet Tarphagevej 2-6 DK-6710 Esbjerg V. T: +45 76 12 20 00 E: fimus@fimus.dk W: www.fimus.dk Vadehavscentret Okholmvej 5 Vester Vedsted DK-6760 Ribe T: +45 75 44 61 61 E: info@vadehavscentret.dk W: www.vadehavscentret.dk Naturcentret Tønnisgård Havnebyvej 30 DK-6792 Rømø T: +45 74 75 52 57 E: info@tonnisgaard.dk W: www.tonnisgaard.dk

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Über Vadehavets Formidlerforum VFF ist ein Zusammenschluss von Institutionen, ­welche die Natur und die Kulturgeschichte des Watten­ meeres vermitteln. Die Hauptaktivität des Forums ­besteht ­darin, Projekte zu initiieren und zu koordinieren, welche die Natur wie auch die Kulturgeschichte des Wattenmeeres in den Mittelpunkt stellen. Erfahren Sie mehr unter www.vadehav.dk

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