DIE GROSSE SPEISEKAMMER
DAS LEBEN IM WATT EIN GEWIMMEL UNTER DER OBERFLÄCHE
Das reiche Tierleben im Watt bietet den Wasservögeln ein üppiges Büffet. Das Watt wirkt mit seinen weiten, nackten Sandflächen beim ersten Blick unfruchtbar und leb los. Doch der Schein trügt. Unter der Oberfläche herrscht ein wahres Gewimmel an Lebewesen, die bezüglich ihrer Anzahl nur von wenigen anderen Tiergesellschaften überboten werden. Verglichen mit einem durchschnittlichen Meeresboden enthalten die Watten – gemessen am Gewicht – zehn Mal so viele Tiere und bilden mit einer Gesamtfläche von 4.700 km2 eine gigantische Speisekammer. Das reichhaltige Tierleben ist vor allem auf die Gezeiten zurückzuführen, die zwei Mal täglich nahrungsreiches Wasser ins seichte Wattenmeer führen. Lebensgrundlage sind die hohen Vorkommen an mikroskopisch kleinen Algen, besonders Kieselalgen, die das erste Glied in der Nahrungskette bilden. Kieselalgen gibt es sowohl im Wasser als auch auf dem Watt, das seine braune Farbe diesen Algen zu verdanken hat. Die meisten Lebewesen jedoch sind in den Schichten von Sand und Schlick vergraben. Auf dem reinen Sand- bzw. Schlickboden trifft man nur auf relativ wenig Leben. Die größte Menge an Tieren finden wir dort, wo der Schlickgehalt 2–20 % ausmacht. Einige Arten, z. B. die Herzmuschel und die Strandauster, können unmittelbar gesichtet werden, wenn man oberflächlich im Watt gräbt. Auf nur einem Quadrat-
Erleben Sie im ... FRÜHLING
HERBST
WINTER
meter können sich viele Tausende Herzmuscheln ansammeln. Die meisten Tiere im Watt sind sehr winzig, doch sie treten in unglaublicher Anzahl auf. Zum Beispiel können sich 100 Fadenwürmer in nur einem Kubikzentimeter Watt tummeln. Oben auf dem Watt lebt die Wattschnecke, die nur wenige Millimeter misst und leicht übersehen wird. Doch beim näheren Hinschauen wird man entdecken, dass sie ungeheuer zahlreich auftritt. Auf nur einem Quadratmeter können bis zu 120.000 Schnecken vorkommen. Austern- und Miesmuschelbänke schaffen gute Lebensbedingungen für viele weitere Organismen. Unter anderem hat der Blasentang im kräftigen Gezeitenstrom Fuß gefasst.
Die Bauunternehmer des Watts
Zu den zahlreichsten Tieren des Watts gehört der kleine Schlickkrebs, von dem sich mancherorts bis zu 100.000 Individuen pro Quadratmeter finden. Der Schlickkrebs lebt in Gängen im Meeresboden, wo
Lasse Fast Jensen, Fiskeri- og Søfartsmuseet & Torben Kjærgaard, Vadehavscentret Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET
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Der Wattwurm lebt in einem U-förmiges Rohr im Watt. er zersetztes Pflanzenmaterial und Bakterien frisst, die er aus dem Wasser filtert beziehungsweise vom Meeresboden aufsammelt. Das Graben des Schlick krebses ist für die chemischen Umsetzungsprozesse des Watts und für die Stabilität des Meeresbodens wichtig. Der Wattwurm ist ebenfalls entscheidend für das Watt. Überall trifft man Zeugnisse seiner Tätigkeit in Form charakteristischer Sandhäufchen. Der Wattwurm lebt im Watt in einer U-förmigen Röhre. Hier frisst er Sand und mikroskopisch kleine Algen, die sich an der Oberfläche der Sandkörner anlagern. Manchmal muss er seinen Darm von den Sandkörnern befreien, steckt dafür sein Hinterteil aus der Röhre und legt Kothäufchen an der Oberfläche ab. Jeder Wurm frisst jährlich 20 bis 25 Kilo Sand. Der Wattwurm erzeugt einen Wasserstrom durch die Röhre, wodurch es vielen anderen Organismen ermöglicht wird, im Sand zu leben.
Ein Kindergarten für Fische
Das Wattenmeer ist Aufzuchtstätte vieler Fischarten. Die Scholle laicht im Winter in den offenen Gewässern südlich des Wattenmeeres, von wo aus die Meeresströme die Larven ins Wattenmeer führen. Hier bedienen sie sich in den ersten 2–3 Jahren ihres Lebens am großen Nahrungsangebot, bis sie sich in Richtung Nordsee bewegen. Auch Seezungen und Heringe nutzen das Wattenmeer als Kin-
Das Watt erleben Es gibt viele Möglichkeiten, das Watt hautnah zu erleben – hier ist für jeden Geschmack und jedes Temperament etwas dabei. Wer sich traut, kann ohne Probleme auf eigene Faust auf Entdeckung gehen. Es empfiehlt sich, eine Forke (Gabel) mitzunehmen, damit man leichter die Muscheln ausgraben kann. Es ist interessant, das geheimnisvolle Leben des Watts zu entdecken, doch da es nicht ungefährlich ist, sich ins Watt hinauszubegeben, sollte man zur Vorbeugung von Unannehmlichkeiten gut vorbereitet sein. Die Flut kehrt im Wattenmeer schnell zurück, und wenn man auf dem Watt herumläuft, vergisst man leicht die Zeit. Deshalb empfiehlt es sich, die Tour nach den Gezeitenprognosen zu planen und von vornherein zu vereinbaren, zu welcher Zeit man sich zurückbegibt. Der Seenebel naht ebenfalls überraschend schnell und hüllt das Watt in einen Teppich, sodass man sich nur noch schwer orientieren kann. Ein Kompass bzw. ein GPS-Empfänger ist somit ein wichtiger Teil der Ausrüstung, damit man sich nicht verirrt.
dergarten. Einen wesentlichen Teil der Nahrung für die Fische stellt der Wattwurm dar, der während des Hinterlegens seiner Kothäufchen besonders gefährdet ist. Dies nutzen die Fische, doch das hintere Ende des Wattwurms ist so beschaffen, dass er es in mehreren Teilen abstoßen kann, wenn ein Fisch
Lasse Fast Jensen, Fiskeri- og Søfartsmuseet & Torben Kjærgaard, Vadehavscentret Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET
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Die Herzmuschel ist kälteempfindlich, und bei einem kalten Wintern überlebt nur ein kleiner Teil im Watt. hineinbeißt. So kommt der Wattwurm meist mit dem Schrecken und gekürzter Körperlänge davon. Man hat nämlich im Bauch von Schollen mehr Hinterteile als Wattwürmer gefunden.
Eine Speisekammer für Vögel
Die vielen Tierarten im Watt bilden ebenfalls ein üppiges Büfett für Wasservögel, und das Wattenmeer ist eine wichtige Raststätte, wenn die Vögel jedes Jahr von den Brutstätten im Norden zu den Überwinterungsplätzen im Süden ziehen. Alljährlich wird das Wattenmeer von 12 Millionen Vögeln besucht, die entweder nur kurz landen, um ihre Depots für den Weiterflug aufzufüllen, oder den Winter in der Gegend verbringen.
Der Jahresablauf im Watt
Das Leben im Watt folgt dem Wechsel der Jahreszeiten. Im Sommer ist das Tierleben des Wattenmeeres reichhaltig. Dann ist die Temperatur günstig, und es steht genug Nahrung im Wattenmeer zur Verfügung. Aber beim Wintereinbruch verlassen viele Arten die Gegend zugunsten eines wärmeren und tieferen Wassers. Dies gilt unter anderem für die Tiefseegarnelen, die fortziehen, um zu laichen. Auch die Brut der Scholle verlässt im Winter das Wattenmeer. Tiere, die sich nicht davonmachen können, sind strengen Wintern ausgesetzt. Die Herzmuschel verträgt die Kälte nicht, und in harten Wintern stirbt ein Teil ihres Bestandes auf dem Watt. Doch die Fischbrut aus dem tieferen Wasser besiedelt im Frühling schnell wieder das Watt, und wenn die Temperatur ansteigt, kehren alle Tiere zurück. Die jungen Tiefseegarnelen ziehen in großer Zahl ins Wattenmeer, das Gleiche gilt für Krabben, Fische und Würmer.
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Erlebnisse
Mehr zu entdecken ...
Die Naturberater veranstalten regelmäßig geführte Touren auf das Watt, wo sie unter anderem über das Tierleben erzählen und darüber, wie die Menschen im Laufe der Zeit am Wattenmeer gelebt haben. Informieren Sie sich über aktuelle Veranstaltungen unter www.vadehav.dk
NaturKulturVarde Gl. Skovfogedbolig Roustvej 111 DK-6800 Varde T: +45 75 22 22 50 E: nkv@naturkulturvarde.dk W: www.naturkulturvarde.dk Das Fischerei- und Seefahrtsmuseum Tarphagevej 2-6 DK- 6710 Esbjerg V. T: +45 76 12 20 00 E: fimus@fimus.dk W: www.fimus.dk Vadehavscentret Okholmvej 5 Vester Vedsted DK-6760 Ribe T: +45 75 44 61 61 E: info@vadehavscentret.dk W: www.vadehavscentret.dk Naturcentret Tønnisgård Havnebyvej 30 DK-6792 Rømø T: +45 74 75 52 57 E: info@tonnisgaard.dk W: www.tonnisgaard.dk
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Über Vadehavets Formidlerforum VFF ist ein Zusammenschluss von Institutionen, welche die Natur und die Kulturgeschichte des Watten meeres vermitteln. Die Hauptaktivität des Forums besteht darin, Projekte zu initiieren und zu koordinieren, welche die Natur wie auch die Kulturgeschichte des Wattenmeeres in den Mittelpunkt stellen. Erfahren Sie mehr unter www.vadehav.dk
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