Nutzung der marsch

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LEBEN AM WATTENMEER - FRÜHER

NUTZUNG DER MARSCH, NATUR & KULTUR GOTT SCHUF DIE WELT - DER MENSCH SCHUF DIE KÜSTE

Die Graslandschaft der Marsch eignet sich besonders für Viehhaltung. Die Marsch im dänischen Wattenmeergebiet ist eine dynamische Landschaft, die seit vielen Hundert Jahren großen Veränderungen ausgesetzt ist – sowohl durch die Natur als auch durch die menschliche Hand. ”Ein Geschenk des Meeres” hat man die Marsch genannt, von der Dynamik des Wattenmeeres geschaffen, wo die Gezeiten zwei Mal täglich Sedimente mit sich führen und ablagern, die mit der Zeit neues Land bilden. Die Marsch ist durch ihre flache grasbewachsene Landschaft gekennzeichnet, die den Übergang zwischen der sandigen Geest im Osten und dem Watt im Westen markiert. Die großen Marschgebiete an der dänischen Wattenmeerküste liegen bei Darum, Tjæreborg, Ribe, Rejsby, Ballum und Tønder.

Siedlung

Die meeresnahe Marsch ist äußerst fruchtbar, wovon schon früh Menschen angezogen wurden und in der Gegend siedelten. An mehreren Stellen der Küste findet man noch Spuren dieser Siedlungen, z. B. auf Hjemsted Banke an der Ballumer Marsch, die seit 500 v. Chr. bewohnt ist. Die Ballumer Marsch bei Misthusum ist auch das nördlichste Gebiet, in dem man später Warften direkt in der Marsch anlegte, um vor dem Meer geschützt leben zu können.

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HERBST

WINTER

Die grasbewachsene Marsch war für die Tierhaltung geeignet. Im 17. und 18. Jahrhundert trug der Verkauf von Rindern vor allem nach Holland wesentlich zu den Einnahmen der örtlichen Bauern bei. Die Nähe zum Meer spielte eine wichtige Rolle als ”natürliche” Infrastruktur, und zwar bis Ende des 19. Jahrhunderts. Mit anderen Worten, es war einfach, herumzukommen. Die Marsch ist allerdings nicht ungefährlich: Die flache Landschaft ist nach wie vor anfällig gegenüber Sturmfluten.

Landgewinnung und Eindeichung

Angeregt von den Friesen begann man mit dem Bau von Deichen. Die frühesten waren zunächst niedrige Sommerdeiche, die das Land gegen das tägliche Hochwasser schützen konnten. Im Mittelalter wurde die gesamte Wattenmeerküste von mehreren Sturmfluten heimgesucht, die derart verheerend waren, dass der Wunsch nach einem effektiveren Schutz

Anne Marie Overgaard, Museum Sønderjylland & Klaus Melbye, Vadehavscentret Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET

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Bei der Eindeichung der Brede Au wurde die Au begradigt und die neue Flussmündung führt durch die Ballumer Schleuse. von Menschen und Land gegen das Wüten des Meeres laut wurde. Deshalb baute man die Deiche höher – sogenannte Meeresdeiche –, wodurch auch die Wassermassen der Winterstürme von der Marsch ferngehalten wurden. So konnte man – Stück für Stück – die offene Marsch in brauch­baren Ackerboden verwandeln. Die Eindeichung des dänischen Wattenmeergebietes begann 1556 in der Tonderner Marsch (Tøndermarsken) mit dem Bau des ersten Meeresdeiches, der letzte kam 1981 mit der Einweihung des Vordeichs und der Vidå-Schleuse hinzu. Die langjährige Landgewinnung hat den Fluss Vidåen (die Wiedau) um 20 km verlängert, und nur das Schiff im Stadtwappen von Tønder zeugt noch davon, dass die Stadt einst näher an der Küste lag. Die Ribe-Marsch wurde 1911–1915, die Bal­lumer Marsch 1914–1919 sowie die Tjæreborg- und Darum­ -Marsch 1927–29 eingedeicht, während die Marsch um die Ho Bugt als einzige in der Wattenmeerregion nie eingedeicht wurde. Die Eindeichung erzeugte allerdings Probleme mit dem zurücklaufenden Wasser aus den Flüssen, welche die Marsch durchqueren. Schleusen in den Deichen sollten zwar dafür sorgen, dass das Flusswasser bei Ebbe den Deich passieren konnte, doch bei anhaltendem Hochwasser, z. B. aufgrund eines Sturms, mussten die Schleusentore geschlossen bleiben. Im Winterhalbjahr traten die Flüsse somit über ihre Ufer und überschwemmten das Land hinter den Deichen. Dies konnte sich mehrmals im

Æ klu’stach In der Marsch bei Tønder und Ribe verwendete der Hirte ”æ klu’stach”. Saxo schrieb im Jahre 1200: ”Die Felder säumen sie mit Gräben, über die sie mit Sprungstöcken – æ klu’stach – einen Satz machen können.” Der Sprungstock ist 60 cm lang und mit einem querliegenden Klotz (pluns) versehen, der verhindert, dass der Stock im Schlamm versinkt.

Bildung der Marsch Eine Landschaft, deren nördlicher Teil etwa aus dem Jahre 500 v. Chr. stammt, während die Südhälfte bereits um 1300 v. Chr. entstand – die Marsch wurde durch einen steigenden Wasserpegel und die daraus folgende Verschlammung geschaffen.

Laufe des Winters wiederholen und bedeutete, dass die Erde in diesem Teil des Jahres nicht nutzbar war.

Entwässerung

Die Umstellung der Landwirtschaft von Rinderzucht auf Ackerbau bedeutete ein erhöhtes Interesse an einer effektiveren Nutzung des Marschbodens. Dies war der Grund für die Entwässerung der Tonderner Marsch (1927–1933), wo die einzigen Pumpstationen und Flussdeiche errichtet wurden. Nach Bedarf konnte man auf diese Weise den Wasserstand in

Anne Marie Overgaard, Museum Sønderjylland & Klaus Melbye, Vadehavscentret Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET

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Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Marsch hauptsächlich zur Viehhaltung und Heugewinnung genutzt.

der Marsch regulieren, wobei hier von beachtlichen Wassermassen die Rede ist: Die vier Pumpstationen der Tonderner Marsch weisen eine Gesamtkapazität von 30 m3 Wasser pro Sekunde auf! Die Flussdeiche sorgen dafür, dass die Vidåen im Gegensatz zu Brede Å und Ribe Å fast nie über ihre Ufer tritt. Auch die Ballumer und die Ribe-Marsch sind entwässert worden, doch ausschließlich mithilfe von Entwässerungskanälen. In der Ballumer Marsch wurde die Brede Å außerdem im Zusammenhang mit der Eindeichung begradigt und mündet nunmehr an der Ballum-Schleuse, wodurch das Wasser schneller aus dem Fluss gelangt. Nicht alle waren jedoch von den Entwässerungsarbeiten in gleichem Maße begeistert. Der in der Tøndergegend aufgewachsene Maler Emil Nolde schreibt über die Entwässerung der Tonderner Marsch in seinen Memoiren: ”Die Entwässerungsarbeiten drohten, alle Natur- und Urschönheit zu vernichten; die kalt rechnenden Ingenieure hausten barbarisch in der Landschaft.” Nolde zog 1927 die Konsequenzen und siedelte ins südlich der 1920er Grenze gelegene Seebüll um.

Die Marsch ”brennt”

Die Eindeichung und Entwässerung der Marsch verläuft allerdings nicht immer problemlos. In der Marsch wurden die einstigen Wasserpflanzen durch das schlammhaltige Wasser des Wattenmeeres

verschlickt und unter der Lehmerde zu einer unterschiedlich dicken Torfschicht umgesetzt. Wenn diese Schicht nicht feucht bleibt, drängt Sauerstoff hinein, so dass die Torfschicht ”verbrennt” und an Volumen verliert. Dies ist u. a. in der Ballumer Marsch passiert, wo einige Bereiche um bis zu 75 cm absackten. Das Ergebnis sind größere Feuchtgebiete, z. B. nach Zeiten mit viel Niederschlag. Bis in die 1960er Jahre bewässerte man die RibeMarsch mit Salzwasser, um diesen Vorgang zu unterbinden, und es gab Proteste, als das Bewässerungswesen eingestellt wurde. In einem Protokoll aus der Ribe-Marsch findet man folgende Aussage eines Landwirts: ”Wir könnten genauso gut Geldscheine verbrennen, unser Land ist zerstört.”

Kultivierung der Marsch

Die Marsch war bis Mitte des 20. Jahrhunderts nur in sehr begrenztem Umfang kultiviert, da die ebenen Grasflächen vorrangig zur Rindermast und zur Heumahd verwendet wurden. Die Kultivierung der Marsch erfolgte zwischen den 1950er und 1970er Jahren, als Hafer das bevorzugte Getreide war, weil er als Futter verwendet werden kann und gleichzeitig feuchte Bodenverhältnisse verträgt. Außerdem machte die erhöhte Zugkraft der Traktoren das Pflügen des schweren Marschbodens möglich.

Anne Marie Overgaard, Museum Sønderjylland & Klaus Melbye, Vadehavscentret Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET

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Die Umstellung der Landwirtschaft von riesigen Grasflächen zum Ackerbau führte allerdings zu unerwünschtem Sandtreiben, das an manchen Stellen unmittelbar nach dem Pflügen immer noch festgestellt werden kann. Die Lösung waren Schutzhecken, meist in Form von Tannen. Diese veränderten in den 1950er Jahren auf Rømø in hohem Maße das Aussehen der Insel.

Neu entstandene Bedürfnisse waren somit entscheidend für die Nutzung und Veränderung der Marschlandschaft durch den Menschen. Oder wie die Friesen es ausdrücken: ”Gott schuf die Welt, die Friesen schufen die Küste.”

Erleben

Mehr zu entdecken ...

Es werden viele Führungen durch die Marsch angeboten – z. B. um das Phänomen der Schwarzen Sonne zu erleben.

NaturKulturVarde

Gl. Skovfogedbolig Roustvej 111 DK-6800 Varde T: +45 75 22 22 50 E: nkv@naturkulturvarde.dk W: www.naturkulturvarde.dk

Varde Museum Kirkepladsen 1 DK-6800 Varde

T: +4575 22 08 77 E: vam@vardemuseum.dk W: www.vardemuseum.dk

Danmarks Ravmuseum Vestergade 25 DK-6840 Oksbøl

T: +45 75 27 07 03 E: vam@vardemuseum.dk W: www.http://vardemuseum.dk/dk.php/museer/ravmuseet

Das Fischerei- und Seefahrtsmuseum Tarphagevej 2-6 DK-6710 Esbjerg V. T: +45 76 12 20 00 E: fimus@fimus.dk W: www.fimus.dk

Esbjerg Museum

Torvegade 45 DK-6700 Esbjerg T: +45 76 16 39 39 E: museum@sydvestjyskemuseer.dk W: www.esbjergmuseum.dk

Vadehavscentret

Tipps zum Weiterlesen ... Archäologie am Wattenmeer Der Atlantikwall am Wattenmeer Gebäude und Baukultur Das leben auf den Wattenmeerinseln Schifffahrt, Schiffe und Handel

Über Vadehavets Formidlerforum VFF ist ein Zusammenschluss von Institutionen, welche die Natur und die Kulturgeschichte des Wattenmeeres vermitteln. Die Hauptaktivität des Forums besteht darin, Projekte zu initiieren und zu koordinieren, welche die Natur wie auch die Kulturgeschichte des Wattenmeeres in den Mittelpunkt stellen.

Okholmvej 5 Vester Vedsted DK-6760 Ribe

T: +4575 44 61 61 E: info@vadehavscentret.dk W: www.vadehavscentret.dk

Museum Sønderjylland - Højer Mølle Møllegade 13 DK-6280 Højer

T: +45 75 44 61 61 E: hoejer@museum-sonderjylland.dk W: www.museum-sonderjylland.dk/hojer-molle.html

Naturcentret Tønnisgård Havnebyvej 30 DK-6792 Rømø T: +45 74 75 52 57 E: info@tonnisgaard.dk W: www.tonnisgaard.dk

Erfahren Sie mehr unter www.vadehav.dk

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