GEZEITEN UND LANDSCHAFT
STURMFLUTEN AN DER WATTENMEERKÜSTE DER DRUCK DES WASSER
Auf vielen Sturmflutpfählen entlang der Wattenmeerküste ist die Sturmflut von 1636 angegeben. Die Bevölkerung an der Wattenmeerküste war schon immer der Gefahr von Sturmfluten ausgesetzt, die ihr Land überschwemmten, ihr Eigentum zerstörten und schlimmstenfalls auch Menschenleben forderten. Sturmfluten waren allerdings nicht nur früher Sinnbild der Auseinandersetzung zwischen Natur und Kultur, sondern werden auch in der Zukunft dramatische landschaftliche Herausforderungen für die Wattenmeerregion darstellen. Sturmflut bezeichnet eine Situation, in welcher der Meerwasserpegel außerordentlich steigt, wobei die daraus folgenden Überschwemmungen verheerende Zerstörungen mit sich bringen können. Der erhöhte Wasserstand wird durch eine Kombination von Windstauung, Gezeiten und fallendem Luftdruck erzeugt. Eine Windstauung tritt auf, wenn das Meer bei kräftigem Landwind gegen die Küste gepresst und somit Wasser aufgestaut wird (also steigt). Die schlimmstmögliche Situation entsteht, wenn ein kräftiger Sturm bei Hochwasser nach länger anhaltendem kräftigem Landwind auf die Küste trifft. Unter normalen Bedingungen beträgt der Luftdruck an der Erdoberfläche durchschnittlich 1013 hPa, bei Sturm fällt er jedoch auf 970–980 hPa. Da ein Absinken des Luftdrucks um 1 hPa das Wasser um 1 cm ansteigen lässt, kann fallender Druck allein schon den Wasserstand um 0,3 bis 0,4 m erhöhen. Es ist daher sehr unterschiedlich, wie lange und in
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welcher Weise die Sturmfluten auftreten. 1981 entwickelte sich die Sturmflut beispielsweise über vier oder fünf Hochwasser, während der Orkan am 3. Dezember 1999 nur zwei bis drei Stunden dauerte und zudem bei Niedrigwasser eintraf. 1999 wurde der erhöhte Wasserstand allein durch den Effekt eines fallenden Luftdrucks und einer Windstauung erzeugt. Die Windstauung verursachte allein schon einen Wasseranstieg von 5,5 m.
Die Großen Mann-Tränkungen und die Deiche
Zwei Sturmfluten traten in der Geschichte des Wattenmeeres deutlich hervor. Die beiden sogenannten Großen Mann-Tränkungen 1362 und 1634 verursachten umfangreiche Veränderungen der Wattenmeerlandschaft mit verheerenden Zerstörungen und einem großen Verlust von Menschenleben. Die zweite Große Mann-Tränkung 1634 ist am gründlichsten belegt und hat in der Landschaft wie auch im Bewusstsein der Küstenbewohner tiefe Spuren hinterlassen. Das Fischerdorf Sønderside,
Klaus Melbye, Vadehavscentret & Anne-Marie Overgaard, Museum Sønderjylland Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET
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Die Sturmflut beschreibt die Situation, wo der Wasserstand des Meeres durch einen Sturm weitaus höher angestiegen ist als normal. am heutigen Havnegrøften (Hafengraben) auf Skallingen, musste nach der Flut aufgegeben werden, und im Dom von Ribe wurde in der steinernen Säule an der Kanzel gekennzeichnet, wie hoch das Wasser stand. Viele der Sturmflutsäulen an der Wattenmeerküste markieren ebenfalls den Wasserstand von 1636. Statt der niedrigen Sommerdeiche, die nur die Saat schützten, begann man, effektive Meeresdeiche zu bauen, deren Ziel es war, auch die am Wattenmeer lebenden Menschen zu schützen. Die ältesten Deiche findet man in der Tonderner Marsch, in Deutschland und in Holland, wo die Siedlungen auf Warften in der Marsch üblicher waren. In der schmaleren Marsch im Norden fanden die Siedlungen hauptsächlich auf dem Geest-Strand Platz, und hier sind die Deiche lediglich 100 bis 150 Jahre alt.
Die Meeresdeiche
Die Meeresdeiche sind mit ihrer flachen Neigung hin zum Meer widerstandsfähiger gegen Wellenangriffe, da die Wellen auf ihrem Weg den flachen Hang hinauf sukzessive ihre Energie verbrauchen, statt den Deich unmittelbar mit voller Wucht zu treffen. Gleichzeitig wird ein Deich bei erhöhtem Wasserstand auch einem verstärkten Druck gegen seine Sohle ausgesetzt, und zwar aufgrund der darüberliegenden Wassersäule. Deshalb ist es sinnvoll, dass der Deich unten am breitesten und stärksten ist, u. a. um das Durchsickern des Wassers am Deichfuß zu ver-
Der König war überrascht ... Bei der Sturmflut von 1825 wurden besonders die Insel Föhr und die damals dänischen Warften bei Hallig Hooge in Mitleidenschaft gezogen. Die Naturkatastrophe hat bei der Bevölkerung Aufsehen erregt und das Interesse des Königs Frederik VI. geweckt. Bei einer Fahrt zu den Halligen wurde der König allerdings in einem Sturm gefangen und musste vor Ort übernachten. Heute gehört die gute Stube ”Königspesel” zu den örtlichen Attraktionen.
zögern, das zu Erdfluss und Einbruch führen kann. Die Wattenmeerküste ist heute auf fast der gesamten 500 km langen Strecke von Blåvandshuk im Norden bis zum holländischen Den Helder im Süden mit Deichen versehen. Nur an einzelnen Stellen gibt es keine Deiche, z. B. in der Ho Bugt, an der Varde Å und dort, wo die Sandrücken bis zum Wattenmeer reichen, z. B. bei Hjerpsted und Emmerlev Klev.
Die ”jüngeren Sturmfluten”
Die Sturmfluten 1976, 1981 und 1999 haben immer wieder die Stärke der Deiche infrage gestellt. Die Sturmfluten am 3. und 21. Januar 1976 mit erhöhten Wasserständen von bis zu 4,8 m haben die Deiche schwer beschädigt. Am 3. Januar wurden die Marschgebiete bei Tønder und Ribe evakuiert, und gegen 16 Uhr waren etwa 20.000 Menschen in
Klaus Melbye, Vadehavscentret & Anne-Marie Overgaard, Museum Sønderjylland Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET
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Heute ist fast die gesamte 500 km lange Strecke des Wattenmeeres durch einen Deich gesichert. höher gelegenen Gebieten einquartiert. Erstmals berichtete der Lokalsender Radio Syd von den Ereignissen, und seitdem ist das Radio fester Bestandteil der Bereitschaft und der Frühwarnung. Als Konsequenz der Stürme wurde der Vordeich bei Højer gebaut und der Ribe-Deich erhöht. Der Sturm 1981 entwickelte sich über fünf Hochwasser hinweg vom 23. bis zum 25. November mit einem erhöhten Wasserstand von 5,11 m bei Ribe Kammersluse. Mit Windböen von 30 m/s verursachte der Sturm große Schäden an der gesamten Küste, doch am schlimmsten wurde Mandø getroffen, wo der Deich an mehr als 100 Stellen beschädigt wurde. Sieben Deichbrüche ließen die Insel unter Wasser stehen, mit bis zu 4,5 m bei Store Rende. Insgesamt ertranken 200 Schafe sowie 18 Stück Vieh, und in den Häuslerstellen (Kleinstbauern ohne nennenswerten Landbesitz) am Stadtdeich stand das Wasser in den Häusern bis zur Mitte der Fenster. Die meisten Wohnhäuser in Mandø Stadt liegen in den Dünen und bleiben somit bei Überschwemmungen verschont. Am 3. Dezember 1999 erlebte die Wattenmeerküste zum ersten Mal einen Orkan, der glücklicherweise bei Niedrigwasser eintraf. Der Orkan ging um 19 Uhr an Land und verursachte einen erhöhten Wasserstand von etwa 5 m mit Rekord-Windböen von 53 m/s, gemessen bei Rømø und in Vester Vedsted. Das Wasser reichte bis auf 30 cm an die Krone des Ribe-Deiches heran.
Die schlimmste Sturmfluten 1362 Die Große Mann-Tränkung 1634 Die zweite Große Mann-Tränkung 1911 Letzte Sturmflut, die Ribe erreichte 1923 Ein letztes Mal ertranken Menschen bei
einer Sturmflut in Dänemark.
1953 1.800 Menschen starben in Holland. 1962 350 Menschen starben in Hamburg. 1968 Eisflut bei Ribe Kammersluse mit Eisstau von 4,35 m DNN (Dansk Normal Nul) 1976 Schwer beschädigte Deiche.
Das Radio wurde Teil der Alarmbereitschaft.
1981 Die Deiche auf Mandø zerstört. 200 Schafe und 18 Stück Vieh ertranken. 1999 Der verheerendste Orkan, der in Dänemark je gemessen wurde
Die Sturmfluten der Zukunft
Der Weltklimarat der Vereinten Nationen sagt ein wärmeres Klima voraus, was die Zahl der Stürme in unseren Breitengraden zukünftig erhöhen wird. Des halb stehen die Deiche unter Druck und die Städte am Wattenmeer müssen sich großen Herausforderungen stellen.
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Die Zahl der Sturmfluten mit Wasserständen zwischen 2 und 3 m hat sich, laut den seit 1872 geführten Aufzeichnungen des Esbjerger Hafens, in den letzten vier Jahrzehnten mehr als verdreifacht, und im Zeitraum 1975–1999 hatten wir gleichzeitig die dramatischsten Sturmfluten seit 1634 mit Wasserständen bis zu 4 oder 5 m.
Erleben ... Erleben Sie die Sturmflutshow des Wattenmeerzentrums (Vadehavscentret). Besuchen Sie folgende Sturmflutsäulen • • • • • • • • •
Ladeplatz Janderup (Janderup Ladeplads) Hafenanlage Ribe (Ribe Skibbro) Vorstrand von Mandø Zufahrtsweg Mandø Ebbevej Sønderho, Fanø Nordby, Fanø Hirtenhaus (Markmandshuset) in Ballum Enge Vidå-Schleuse Alte Schleuse in Højer (Højer gamle Sluse)
Da der Klimarat gleichzeitig eine Anhebung des Meeresspiegels zwischen 9 und 88 cm im Wattenmeer für die kommenden 100 Jahre erwartet, stellt sich die Frage, ob unsere Deiche sicher genug sind.
Mehr zu entdecken ... NaturKulturVarde
Gl. Skovfogedbolig Roustvej 111 DK-6800 Varde T: +45 75 22 22 50 E: nkv@naturkulturvarde.dk W: www.naturkulturvarde.dk
Vadehavscentret Okholmvej 5 Vester Vedsted DK-6760 Ribe
T: +45 75 44 61 61 E: info@vadehavscentret.dk W: www.vadehavscentret.dk
Naturcentret Tønnisgård Havnebyvej 30 DK-6792 Rømø T: +45 74 75 52 57 E: info@tonnisgaard.dk W: www.tonnisgaard.dk
Museum Sønderjylland - Højer Mølle Møllegade 13 DK-6280 Højer
T: +45 75 44 61 61 E: hoejer@museum-sonderjylland.dk W: www.museum-sonderjylland.dk/hojer-molle.html
Tipps zum Weiterlesen ... Die Landschaft des Wattenmeers Gezeiten im Wattenmeer Die strandwiesen des Wattenmeers Das leben im Watt
Über Vadehavets Formidlerforum VFF ist ein Zusammenschluss von Institutionen, welche die Natur und die Kulturgeschichte des Watten meeres vermitteln. Die Hauptaktivität des Forums besteht darin, Projekte zu initiieren und zu koordinieren, welche die Natur wie auch die Kulturgeschichte des Wattenmeeres in den Mittelpunkt stellen.
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Lesen Sie ”Der Schimmelreiter” von Theodor Storm aus dem Jahre 1888 über den Knecht Hauke Haien, der Deichgraf wird und einen neuen Deich baut. Über Sturmfluten, Spuk, Marschbauern und Leidenschaften
Klaus Melbye, Vadehavscentret & Anne-Marie Overgaard, Museum Sønderjylland Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET
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